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Jahresrückblick 2023: Föderativer Aufbau

Autorinnen: Marlène Gerber und Catalina Schmid

Das Medieninteresse an Föderalismus und Territorialfragen war 2023 deutlich geringer als noch während der Covid-19-Pandemie, wie Abbildung 2 der angehängten APS-Zeitungsanalyse 2023 zeigt. Auch Diskussionen über den Stadt-Land-Graben wurden im Unterschied zu 2021 kaum intensiv geführt. Aufmerksamkeit erhielt er vor allem im Zusammenhang mit den eidgenössischen Wahlen und insbesondere im Kanton Zürich, wo erneut Forderungen nach der Abspaltung der Stadt Zürich vom Kanton laut wurden.

Die Aufgabenteilung zwischen den unterschiedlichen föderalen Ebenen wurde vorwiegend in der Asylpolitik virulent diskutiert. Wie bereits im Vorjahr war das Asylwesen als Verbundaufgabe zwischen Bund, Kantonen, Gemeinden und Städten auch im Jahr 2023 einer besonderen Belastungsprobe ausgesetzt. Die stark ansteigenden Asylgesuchszahlen sowie die Unterbringung von zahlreichen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine führten teilweise zu Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung und schufen neue Herausforderungen für alle Beteiligten. Der im Juni erschienene Schlussbericht zur Evaluation des Schutzstatus S empfahl denn auch, dass Bund und Kantone eine konkretere Notfallplanung ausarbeiten und dass darin die Rolle aller beteiligten Akteure bei Unterbringung und Erstversorgung geklärt wird. Auf Widerstand bei den Kantonen stiess ausgerechnet der abschlägige Entscheid des Ständerats während der Sommersession gegen den Bau von Containern auf dem Armeegelände für die Erstunterbringung von Asylsuchenden. Daraufhin befürchteten die Kantone, dass der Bund ihnen im Herbst erneut Personen mit laufendem Asylverfahren zustellen werde. So weit kam es indes nicht: Im Unterschied zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr konnten die Asylverfahren im Herbst 2023 in den Bundesasylzentren abgeschlossen werden.

Übereinstimmung zwischen den Kantonen zeigte sich im Frühling anhand einer neuen europapolitischen Standortbestimmung der KdK. Die Kantonsregierungen sprachen dem Bundesrat für erneute Verhandlungen mit der EU einstimmig ihre Unterstützung zu und äusserten sich zudem zu den einzelnen Streitpunkten bei den bilateralen Verhandlungen der Schweiz und der EU. Die Presse zeigte sich verblüfft über die subnationale Einigkeit, hatte sich doch eine Reihe von Kantonen in den vorherigen Jahren noch gegen ein Rahmenabkommen unter diesen Bedingungen ausgesprochen.

Im Herbst scheiterten bedeutende Projekte für innerkantonale Gemeindefusionen, darunter nach fünfjährigen intensiven Vorarbeiten auch die Fusion der Stadt Bern mit der Gemeinde Ostermundigen. Ende November lehnte die Ausserrhodener Stimmbevölkerung eine Grossfusion von 20 auf 3 bis 5 Gemeinden ab, befürwortete jedoch einen Eventualantrag, gemäss welchem eine zu erarbeitende gesetzliche Grundlage einzelne Gemeindefusionen ermöglichen soll.

Ein zentraler Meilenstein wurde hingegen in der Frage des Kantonswechsels von Moutier vom Kanton Bern zum Kanton Jura erreicht: Die beiden Kantone einigten sich im März nach zwei Jahren Verhandlungen im letzten verbliebenen Streitpunkt, den interkantonalen Ausgleichszahlungen, und präsentierten im Mai schliesslich einen Konkordats-Entwurf zum Kantonswechsel, der Ende November von den kantonalen Regierungen unterzeichnet wurde und der 2024 den beiden Kantonsparlamenten zur Ratifizierung vorgelegt werden soll.

Jahresrückblick 2023: Föderativer Aufbau
Dossier: Jahresrückblick 2023

Nachdem die Grünen im Vorjahr bereits Parteiaustritte mehrerer Kantonsparlamentarierinnen und -parlamentarier in den Kantonen Wallis und Glarus hatten hinnehmen müssen, setzte sich der Aderlass 2023 in vier weiteren Kantonen fort. Die Gründe unterschieden sich dabei von Fall zu Fall:

In Bern verliess im Februar der Grossrat Bruno Martin die Partei und die Fraktion. Als Beweggrund nannte der Biowinzer einen «persönlichen Werteentscheid», konkretere Angaben macht er öffentlich nicht. Martin trat vorerst keiner anderen Partei bei, im Berner Grossen Rat schloss er sich der EDU-Fraktion an.

In der Waadt begründete Grossrat und Biobauer Andreas Wüthrich seinen Parteiaustritt im August damit, dass für ihn in seinem Engagement stets ökologische Fragen an erster und soziale Fragen an zweiter Stelle gestanden hätten; bei den Grünen habe er hingegen eine zunehmende Umkehrung dieser Prioritätenordnung wahrgenommen. Zudem bedauere er die wachsende Polarisierung des Politikbetriebs und hoffe, als Parteiunabhängiger künftig auch ausserhalb des linken Lagers mehr Gehör für seine Argumente zu erhalten. Im Grossen Rat blieb Wüthrich in der Folge fraktionslos. Er schloss sich «Les Libres» an, die sich als Vereinigung für parteiunabhängige Bewegungen und Personen im Kanton Waadt verstehen und bereits zwei andere Grossratsmitglieder in ihren Reihen hatten. Wüthrich liess sich auch auf die Liste der «Libres» für die Nationalratswahlen 2023 setzen.

In Luzern gab im September Kantonsrat Urban Frye seinen Parteiaustritt bekannt. In der Luzerner Zeitung erklärte er, er könne die Positionierung der Grünen im Zusammenhang mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht mit seinen Werten vereinbaren: Anders als etwa die Grünen in Deutschland habe die Schweizer Partei die Zeichen der Zeit nicht erkannt und bleibe «in einer ideologischen pazifistischen Blase gefangen». Mit der strikten Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine spreche die Partei dem angegriffenen Land «faktisch das Recht zur Selbstverteidigung ab» und mache sich mitschuldig an Deportationen, Vergewaltigungen und Tötungen. Enttäuscht zeigte sich Frye auch über die parteiinterne Streitkultur: Er sei mit seinen Anliegen sowohl auf nationaler als auch auf kantonaler Ebene weitherum auf Desinteresse gestossen und der «angebliche Konsens» in der Partei scheine ihm «eher hierarchisch von oben nach unten durchgedrückt zu werden». Auch losgelöst von der Ukraine-Politik scheine ihm die links-grüne Politik manchmal realitätsfern, und sie stilisiere etwa Vermietende oder Polizeikräfte blindlings zu Feindbildern.
In einer Medienmitteilung verwahrten sich die Luzerner Grünen gegen den «Rundumschlag» ihres ehemaligen Mitglieds: Die Grünen seien eine Partei, in der Differenzen benannt und mit Respekt ausdiskutiert würden, um eine gemeinsame Haltung zu finden. Als einzige nationale Partei hätten die Grünen ihre Mitglieder das ganze Wahlprogramm «mitgestalten» lassen, bevor es schliesslich von der Delegiertenversammlung verabschiedet wurde; dies gelte auch für die darin enthaltenen Positionen zur Sicherheits-, Friedens- und Aussenpolitik. Im Übrigen setzten sich die Grünen «auf allen politischen Ebenen für die ukrainischen Geflüchteten und für ein Ende der Finanzierung der russischen Kriegsmaschinerie aus der Schweiz» ein.
Frye politisiert im Luzerner Kantonsrat als Partei- und Fraktionsloser weiter, nachdem Gespräche mit der GLP über einen Beitritt zu deren Fraktion zu keinem Ergebnis geführt hatten.

In Basel-Landschaft schliesslich verliess Landrätin Laura Grazioli die Grünen im Oktober. Sie war Vizepräsidentin der Kantonalpartei, Präsidentin der landrätlichen Finanzkommission und gemäss BLZ «lange [eine] grosse Hoffnungsträgerin der Baselbieter Grünen» gewesen, die auch als künftige Regierungs-, National- oder Ständerätin gehandelt worden sei. Als Grund für ihren Parteiaustritt nannte Grazioli in der BLZ, dass sie «über die letzten Jahre in wesentlichen Themengebieten von der Mehrheit der Fraktion und der Partei abgewichen» sei. Damit dürfte insbesondere ihre Ablehnung von Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie gemeint gewesen sein, hatte sie doch entgegen der Parteilinie etwa das Covid-19-Gesetz, die Einführung eines Impfzertifikats oder obligatorische Covid-Tests an Schulen abgelehnt. Im Frühling 2023 hatten die Grünen darauf verzichtet, Grazioli als Nationalratskandidatin aufzustellen, weil sie im Initiativkomitee der «Souveränitäts-Initiative» sass, die vor allem von massnahmenkritischen Organisationen wie Mass-voll und den Freunden der Verfassung getragen wird und verlangt, dass die Schweiz keine völkerrechtlichen Verpflichtungen eingehen darf, die in die Grundrechte eingreifen.
Anders als ihre ehemaligen Parteikollegen in Bern, Waadt und Luzern trat Grazioli gleichzeitig mit dem Parteiaustritt auch aus dem Kantonsparlament zurück, womit ihr Sitz bei der Grünen-Fraktion verblieb: Er ging an die Nächstplatzierte auf der Liste der Grünen, Dominique Zbinden vom «jungen grünen Bündnis Nordwest».

Parteiaustritte bei den Grünen

La production de sucre suisse doit être garantie, et les producteurs et productrices de betteraves soutenues, selon le Parlement bernois, qui a déposé une initiative cantonale au Parlement fédéral. La Commission de l'économie et des redevances du Conseil des Etats (CER-CE) est du même avis. Par 8 voix contre 3 et 2 abstentions, la commission ne veut pas seulement reconduire les mesures d'ores et déjà en place mais veut offrir une sécurité au secteur sucrier. Elle s'est également exprimée en faveur de l'initiative déposée par le canton de Thurgovie aux demandes similaires.

Préserver l'autosuffisance alimentaire de la Suisse en sucre (Iv. ct. 23.302)
Dossier: Entwicklung des Zuckerrübenmarktes

Im Oktober 2023 präsentierte die SPK-NR in Umsetzung einer eigenen parlamentarischen Initiative ihren Entwurf zur Anpassung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG), mit dem ausländische Opfer von häuslicher Gewalt ausländerrechtlich besser geschützt werden sollen. Um zu verhindern, dass Opfer gewalttätige Beziehungen aufrechterhalten, weil sie die Wegweisung aus der Schweiz fürchten, beantragte die Kommission eine Änderung von Artikel 50 des AIG zur Auflösung der Familiengemeinschaft. Dadurch sollte die bereits bestehende Härtefallregelung, die die Erteilung oder Verlängerung der bisherigen Aufenthaltsbewilligung auch nach der Trennung möglich macht, auf alle von häuslicher Gewalt betroffenen Ausländerinnen und Ausländer ausgedehnt werden. Bis anhin konnten nur ausländische Familienangehörige von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern sowie Personen mit einer Niederlassungsbewilligung von dieser Härtefallregel profitieren. Darüber hinaus sollen neu auch nicht verheiratete Paare mitgemeint sein, sofern sie im Konkubinat oder in einer eingetragenen Partnerschaft leben, ebenso wie die Kinder dieser Personen. Nicht zuletzt soll es auch leichter werden, den Nachweis für das Vorliegen von häuslicher Gewalt zu erbringen, was auch durch eine verstärkte Kohärenz mit dem Opferhilfegesetz gelingen soll.

In der Vernehmlassung war der Entwurf von einem Grossteil der 143 Teilnehmenden befürwortet worden. Viele interessierte Kreise – darunter etwa Amnesty International, verschiedene Hilfswerke und etliche Frauenhäuser – hoben hervor, dass die Gesetzesanpassung mehr Rechtsgleichheit für Gewaltbetroffene sowie einen besseren Opferschutz bringen würde. Etliche Vernehmlassungsteilnehmende betonten ferner, dass das von der Schweiz ratifizierte Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) damit besser eingehalten werden könnte. Sollte die Gesetzesänderung vom Parlament angenommen werden, könnte folglich ein von der Schweiz angebrachter Vorbehalt zur Istanbul-Konvention geprüft und gegebenenfalls gestrichen werden. Die meisten Kantone sowie fünf von sechs stellungnehmenden Parteien (SP, Grüne, EVP, Mitte und FDP) begrüssten den Vorentwurf; einige stellten sich jedoch gegen einzelne Bestandteile daraus. Acht Kantone (AI, AR, BE, NW, OW, SO, TI, ZG) sowie die VKM lehnten es generell ab, dass die Härtefallregelung auch neue Rechtsansprüche schaffe für Personen, die zuvor keinen eigenständigen Rechtsanspruch auf eine ausländerrechtliche Bewilligung hatten, da ihre Bewilligung ursprünglich mittels Ermessensentscheid im Rahmen des Familiennachzugs erteilt worden war. Wenn aus Ermessen in diesen Fällen ein Anspruch würde, widerspräche dies gemäss Vernehmlassungsbericht «der Logik und der Systematik des Ausländerrechts, wonach der nachziehende Ehegatte dem nachgezogenen Gatten nicht mehr Rechte verschaffen könne, als er selbst besitzt». Die Kantone Freiburg und Neuenburg stellten sich nicht generell gegen die Schaffung neuer Rechtsansprüche, sondern lediglich gegen diejenigen bei der Erteilung von Kurzaufenthaltsbewilligungen an Personen, deren Ehegatte über eine Kurzaufenthaltsbewilligung verfügt. Elf Kantone (AG, AI, AR, BE, BS, FR, OW, SO, TG, TI, ZG), die VKM und die FDP störten sich ferner an der Bestimmung, dass die Integrationskriterien bis drei Jahre nach Erteilen der eigenständigen Aufenthaltsbewilligung gemäss Revision des Artikels 50 keinen Einfluss auf die Verlängerung der Bewilligung haben sollen. Die Kommission wollte mit ebendieser Regelung der schwierigen Situation, in der sich die betroffenen Personen befinden, Rechnung tragen. Auch wenn die Integrationskriterien während dieses Zeitraums nicht entscheidungsrelevant seien, sollen sie dennoch geprüft und die Integration bei Bedarf gefördert werden, so die Kommission. Von den sechs stellungnehmenden Parteien stellte sich lediglich die SVP gegen den Entwurf. Sie argumentierte, dass eine Gesetzesrevision aufgrund der bestehenden Rechtsprechung und Verwaltungspraxis weitgehend überflüssig sei. Eine Gesetzesanpassung wie die vorgesehene berge zudem Missbrauchspotential, so die SVP abschliessend.

Besserer Schutz für ausländische Opfer von häuslicher Gewalt (Pa.Iv. 21.504)
Dossier: Gewalt gegen Frauen* / häusliche Gewalt (ab Ratifikation Istanbul-Konvention)

Rückblick auf die 51. Legislatur: Föderativer Aufbau

Autorinnen und Autoren: Hans-Peter Schaub, Catalina Schmid, Elia Heer, Mathias Buchwalder und Marlène Gerber

Stand: 17.08.2023

Insbesondere wegen zwei Ereignissen berichteten die Medien in der 51. Legislatur häufiger über Fragen rund um den Föderalismus als in den letzten Jahren der 50. Legislatur: Zum einen sorgte die Covid-19-Pandemie für ausschweifende Diskussionen zur Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen. Die Bilanz dazu fiel gemischt aus: Weitestgehend waren sich Behörden, Medien und Forschende einig, dass der Föderalismus während der Covid-19-Pandemie dazu geführt habe, dass sich Bund und Kantone gegenseitig die Verantwortung für unpopuläre Entscheidungen zuschoben. In Bezug auf die kantonalen Covid-19-Massnahmen war häufig von einem kantonalen Flickenteppich die Rede. Auf der anderen Seite wurde die Schweiz auch als «föderales Labor» dargestellt, da einzelne Kantone mit innovativen Lösungen aufwarteten, die andernorts übernommen werden konnten – so etwa die Bündner Massentests, das Zuger Ampelsystem oder die Zürcher Lösung für die Unterstützung von Kulturschaffenden. Ein vom Nationalrat überwiesenes Postulat forderte den Bundesrat auf, für den Föderalismus relevante Lehren aus der Covid-19-Pandemie zu ziehen. Bis Mitte August 2023 lag der Bericht zum Postulat noch nicht vor.

Der zweite Grund für die intensivere Berichterstattung über Föderalismusbelange lag in der Jurafrage begründet. 2021 wurde nach langer und wechselhafter Vorgeschichte der Wechsel von Moutier zum Kanton Jura beschlossen. Ein Versuch, dieses Abstimmungsergebnis noch umzustossen, scheiterte im Jahr 2022, als das bernische Statthalteramt nicht auf einen entsprechenden Rekurs eintrat. Im Frühling 2023 konnten sich die beiden Kantone nach zwei Jahren Verhandlungen zu den Regeln des Wechsels auf den letzten Streitpunkt einigen (Finanzausgleichs-Zahlungen). Der Kantonswechsel wird per 1. Januar 2026 vollzogen.

Gleich zu einem weiteren Kantonswechsel – jedoch ohne interkantonalen Konflikt – kam es während der 51. Legislatur zwischen dem Kanton Bern und dem Kanton Freiburg. Mit dem Übertritt der bernischen Gemeinde Clavaleyres in den Kanton Freiburg am 1. Januar 2022 wurde dieser die Fusion mit der freiburgischen Gemeinde Murten ermöglicht. Vor der 51. Legislatur kam es das letzte Mal im Jahr 1996 zu einem Kantonswechsel, als Vellerat vom Kanton Bern in den Kanton Jura wechselte.

Das eidgenössische Parlament gewährleistete in der 51. Legislatur auch etliche Kantonsverfassungen. Für die meisten Diskussionen sorgte dabei die Ausweitung des Majorzsystems im Kanton Uri auf Gemeinden mit bis zu vier Abgeordneten im Landrat. Weitere Diskussionen im Parlament verursachte eine angenommene Kommissionsmotion, die den Bund zur Beteiligung an der Grundfinanzierung des Kompetenzzentrums für Föderalismus verpflichtet. Nach Diskussionen äusserst knapp abgelehnt wurde hingegen ein Postulat, das eine Prüfung zur Frage verlangt hätte, wie sich die Kantone verbindlicher an aussenpolitischen Entscheiden beteiligen könnten. Nach der am Ständemehr gescheiterten Konzernverantwortungsinitiative und der dadurch erneut entfachten Debatte zum Reformbedarf des Ständemehrs befasste sich das Parlament auch mit einer parlamentarischen Initiative, die ein qualifiziertes Ständemehr bei Doppelmehr-Abstimmungen forderte. Sowohl die zuständige Kommission als auch der Nationalrat gaben dem Anliegen jedoch keine Folge.


Zu den Jahresrückblicken:
2020
2021
2022

Rückblick auf die 51. Legislatur: Föderativer Aufbau
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Nachdem sich der Bundesrat Ende Mai 2023 in seiner Stellungnahme für den Vorschlag der SPK-SR ausgesprochen hatte, Mutterschaft und Parlamentsmandat durch eine Ausnahmeregelung im Erwerbsersatzgesetz besser vereinbar zu machen, gelangte die Vorlage, die auf mehrere Standesinitiativen zurückging (ZG: Kt.Iv. 19.311, BL: Kt.Iv. 20.313, LU: Kt.Iv. 20.323, BS: Kt.Iv. 21.311) in den Ständerat, der als Erstrat darüber zu befinden hatte.
Lisa Mazzone (gp, GE) erinnerte als Kommissionssprecherin daran, dass es mit der Vorlage nicht darum gehe, den Mutterschaftsurlaub auszubauen, sondern einzig darum, jungen Müttern zu erlauben, ein Legislativamt auszuüben, ohne den Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung zu verlieren. Im Moment sei es noch so, dass der Anspruch auf Entschädigung für den neben dem Parlamentsmandat ausgeübten Beruf entfalle, sobald im Parlament auch nur ein Knopf für eine Abstimmung gedrückt werde. Das stelle vor allem Parlamentarierinnen auf Kantons- und Gemeindeebene, die den Auftrag ihrer Wählerinnen und Wähler auch während des Mutterschaftsurlaubs wahrnehmen wollen, vor Probleme, da das Milizprinzip dort noch verbreiteter sei als auf nationaler Ebene und die Frauen dort häufiger hauptberuflich noch einer anderen Tätigkeit nachgehen. Es sei der SPK-SR aber wichtig zu betonen, dass mit dieser Ausnahmeregelung keine Aufweichung des Mutterschaftsurlaubs durch die Hintertür angestrebt werde; sie gelte lediglich für Parlamentarierinnen, weshalb die Änderung der Erwerbsersatzordnung mit der Vorlage denn auch minimal sei. Man habe bewusst darauf verzichtet, die Regelung auch auf die Exekutive und die Judikative auszuweiten, zudem gelte sie nur dann, wenn für ein Legislativamt keine Stellvertretungsmöglichkeiten vorgesehen seien, wie dies etwa in den nationalen ständigen Kommissionen der Fall ist. Sie sei froh, dass man heute über ein Problem rede, das «es vor ein paar Jahrzehnten noch überhaupt nicht gab», führte Andrea Gmür-Schönenberger (mitte, LU) als weitere Votantin aus. Ihr sei wichtig, zu betonen, dass mit der neuen Regelung keine Verpflichtung geschaffen werde. Der Entscheid, ob eine Parlamentarierin ihr Legislativamt auch im Mutterschaftsurlaub ausüben wolle, bleibe ihr selber überlassen.
In der Folge trat die kleine Kammer ohne Gegenantrag auf die Vorlage ein und hiess sie ohne Detailberatung mit 28 zu 3 Stimmen (2 Enthaltungen) gut. Die drei Gegenstimmen stammten aus der SVP-Fraktion. Damit ging das Geschäft an den Nationalrat.

Mutterschaft und Parlamentsmandat (Kt.Iv. 19.311, Kt.Iv.20.313, Kt.Iv.20.323 und Kt.Iv.21.311)
Dossier: Frauenanteil im Parlament
Dossier: Vereinbarkeit der Parlamentsarbeit mit Familie und Beruf

In der Sondersession 2023 nahm der Nationalrat als Erstrat eine Motion Maillard (sp, VD) an, die den 30. Oktober zum nationalen Tag der betreuenden Angehörigen erklären möchte. Die Westschweizer Kantone sowie bald auch die Kantone Bern, Graubünden und Tessin nutzten diesen Tag bereits, um betreuenden Angehörigen ihre Wertschätzung auszusprechen, so der Motionär. In seiner Stellungnahme hatte der Bundesrat beteuert, er würde einen solchen nationalen Tag begrüssen, wenn ihn die betroffenen nationalen Verbände und Organisationen erschaffen würden. Dass der Bundesrat selber einen solchen Tag lancieren würde, wie vom Vorstoss gefordert, sehe er indes «vor dem Hintergrund der Gleichbehandlung von anderen relevanten Themen und Anliegen problematisch», weswegen er die Motion ablehne. Im Nationalrat obsiegte das Anliegen mit 105 zu 77 Stimmen (5 Enthaltungen), weil die geschlossen dafür votierende Linke auch auf 13 Stimmen aus der GLP sowie auf diverse Stimmen aus den Fraktionen der SVP, FDP und Mitte zählen konnte.

Den 30. Oktober zum nationalen Tag der betreuenden Angehörigen erklären (Mo. 21.3630)

Das Stimmrechtsalter 16 überzeuge nicht, kam die Mehrheit der SPK-NR in ihrem Bericht zur Vernehmlassung ihres Entwurfs für eine Einführung das aktiven Stimm- und Wahlrechts für 16-Jährige zum Schluss. Die Kommission beantragte deshalb mit 14 zu 11 Stimmen dem Nationalrat zum dritten Mal, die Idee zu sistieren. Schon im Mai 2020 hatte die SPK-NR beantragt, der parlamentarischen Initiative von Sibel Arslan (basta, BS) keine Folge zu geben. Sie wurde von der grossen Kammer in der Herbstsession 2020 aber genauso überstimmt wie in der Frühlingssession 2022 bei ihrem Antrag, die Initiative abzuschreiben. In der Folge musste die SPK-NR also einen Entwurf für eine Änderung des Artikels 137 BV ausarbeiten. Der bereits in der parlamentarischen Initiative gemachte Vorschlag, das aktive (nicht aber das passive) Stimm- und Wahlrecht auf 16 Jahre zu senken, vermochte aber erneut eine knappe Mehrheit der Kommission nicht zu überzeugen. Sie führte die Antworten der erwähnten Vernehmlassung als Argumente für diese negative Haltung ins Feld.

In der Tat widerspiegelte der Vernehmlassungsbericht die Unentschiedenheit in der Frage. Von 51 eingegangenen Stellungnahmen sprachen sich 27 für die Erweiterung der Stimmberechtigten um rund 130'000 Personen aus (die Stimmbevölkerung würde um rund 2.4 Prozent vergrössert), 21 lehnten sie ab und vier bezogen keine deutliche Position. Unter den Befürworterinnen und Befürwortern fanden sich sieben der 25 antwortenden Kantone – einzig der Kanton Zürich äusserte sich nicht zur Vorlage: Aargau, Bern, Basel-Stadt, Glarus, Jura, Graubünden und Solothurn. Auch die links-grünen Parteien (SP, die Grünen und Ensemble à Gauche) reihten sich ins Lager der Befürworterinnen und Befürworter ein. Bei den Verbänden äusserten sich der SGB und der SKV sowie alle 15 antwortenden Jugendorganisationen (Dachverband Offene Kinder- und Jugendarbeit Schweiz AFAJ, die Jugendsession, die Jugendparlamente aus Bern und Basel-Stadt, Jungwacht Blauring Jubla, Pfadibewegung Schweiz, das National Coalition Building Institute Suisse Schweiz NCBI, das Netzwerk Kinderrechte Schweiz, SAJV, Sexuelle Gesundheit Schweiz, UNICEF und Pro Juventute sowie die Jugendsektion der Mitte-Partei) dem Vorschlag gegenüber positiv. Zu den Gegnerinnen und Gegnern gehörten 15 Kantone (AG, AI, BL, LU, NE, NW, OW, SG, SH, SZ, TG, TI, VD, VS und ZG), die bürgerlichen Parteien (Mitte, FDP und SVP) sowie die Arbeitgeberverbände SGV und das Centre patronal (CP). Zudem äusserte sich eine Privatperson negativ. Neutrale Stellungnahmen gingen von den Kantonen Freiburg, Genf und Uri ein, die allerdings darauf hinwiesen, dass entsprechende Anliegen in ihren Kantonen gescheitert seien. Der Verein Schweizerischer Geschichtslehrerinnen und -lehrer (VSGS) schliesslich betonte, dass die Senkung des Wahl- und Stimmrechtsalters die politische Bildung festigen könnte, was einem Ziel der laufenden Reform des Gymnasiums entspreche.
Die Argumente in den Stellungnahmen waren nicht neu. Auf der Seite der Befürwortenden wurde ins Feld geführt, dass das Durchschnittsalter des Stimmkörpers gesenkt würde (das Medianalter liegt aktuell bei 57 Jahren), was ermögliche, das aktuelle und zukunftsweisende Entscheidungen auch von Jugendlichen mitgetragen werden könnten, was deren Legitimation stärke. Jugendliche interessierten sich für Politik, was sich durch die Senkung des Wahl- und Stimmrechtsalters weiter fördern lasse. Viele 16-jährige übernähmen Verantwortung im Berufsleben oder in Vereinen und dürften über ihr Einkommen, ihr Sexualleben und ihre Religionszugehörigkeit frei verfügen; entsprechend könnten sie auch politische Verantwortung übernehmen. Während die Auswirkungen dieser Änderung auf die Abstimmungsergebnisse in Anbetracht der Zahl 16-18-Jähriger gering bleiben dürften, sei die «demokratiepolitische Wirkung beträchtlich», so die entsprechende Zusammenfassung im Vernehmlassungsbericht.
Hauptargument der Gegnerinnen und Gegner war die Inkongruenz zwischen zivilrechtlicher Volljährigkeit und der Rechte von Bürgerinnen und Bürgern, die mit der Senkung des Wahl- und Stimmrechtsalters geschaffen würde. Jugendliche würden vor den Konsequenzen ihrer Handlungen geschützt, man würde ihnen aber das Recht geben, über gesellschaftliche Konsequenzen zu entscheiden. Es sei widersprüchlich, jemandem das Unterzeichnen von Verträgen zu verbieten, aber die demokratische Mitentscheidung zu erlauben. Kritisiert wurde zudem die vorgeschlagene Trennung zwischen aktivem und passivem Wahlrecht. Dies schaffe «Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse», zitierte der Bericht einige Stellungnahmen. Es sei wichtig, dass sich Jugendliche politisch interessierten, es bestünden aber bereits zahlreiche Möglichkeiten für politische Beteiligung (Familie, Schule, Jugendparlamente, Jungparteien). Es würde zudem zu Schwierigkeiten führen, wenn das Wahl- und Stimmrechtsalter bei nationalen und kantonalen Wahlen und Abstimmungen nicht gleich sei – etwa beim Versand des Stimmmaterials. Einige Gegnerinnen und Gegner äusserten zudem die Sorge, dass Jugendliche nicht die nötige Reife besässen, um politische Verantwortung zu übernehmen.
In zahlreichen Stellungnahmen wurde darüber hinaus darauf hingewiesen, dass mit Ausnahme des Kantons Glarus alle bisherigen Versuche, das Wahl- und Stimmrechtsalter auf kantonaler Ebene zu senken, gescheitert seien. Die Gegnerinnen und Gegner einer Senkung führten dies als Beleg ins Feld, dass die Zeit nicht reif sei für die Idee. Die Landsgemeinde im Kanton Glarus könne zudem nicht als positives Beispiel angeführt werden, weil sie ganz anders funktioniere als nationale Abstimmungen und Wahlen. Die Befürwortenden einer Senkung betonten hingegen, dass die Diskussion weitergehen müsse und die Ausweitung politischer Rechte in der Geschichte stets lange Zeit gedauert und mehrere Anläufe gebraucht habe. Zudem habe sich die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung noch nicht zu diesem Thema äussern können.

In ihrer Medienmitteilung sprach die SPK-NR von «insgesamt ablehnenden Ergebnisse[n]», die zeigten, dass die Initiative nicht weiterverfolgt werden solle. Es sei nicht «sinnvoll», zwei Kategorien von Stimmberechtigten zu schaffen, und «nicht opportun, zwischen dem bürgerlichen und dem zivilen Mündigkeitsalter zu unterscheiden». Weil eine Mehrheit der Kantone die Vorlage ablehne und auch eine Mehrheit der (kantonalen) Stimmberechtigten die Idee jeweils nicht gutgeheissen habe, empfehle die Mehrheit der SPK-NR die Vorlage zur Ablehnung und die Initiative zur Abschreibung. Den Befürworterinnen und Befürwortern empfahl sie als «besten Weg», eine Volksinitiative zu lancieren. Die starke Kommissionsminderheit betonte hingegen in der Medienmitteilung, dass die Vernehmlassungsantworten differenzierter betrachtet werden müssten und dass «die wichtige Frage der demokratischen Partizipation junger Bürgerinnen und Bürger» in einer nationalen Abstimmung diskutiert werden müsse. Der Nationalrat wird in der Sommersession 2023 über den Antrag der Kommission entscheiden.

In den Medien wurde der Antrag der Kommission als «Dämpfer» bezeichnet. Die Medien zitierten die SP und die Grünen, die mit Empörung reagierten, den Entscheid als «Affront à la volonté de la jeune génération» bezeichneten, wie Le Temps zitierte, und auf eine Korrektur im Nationalrat hofften.

Aktives Stimm- und Wahlrecht für 16-Jährige (Pa.Iv. 19.415)
Dossier: Stimmrechtsalter 16

Ende März 2023 entschied die WBK-SR einstimmig, die beiden Standesinitiativen der Kantone Basel-Landschaft (Kt. Iv. 21.327) und Basel-Stadt (Kt. Iv. 21.328) betreffend Massnahmen für eine Vollassoziierung der Schweiz an Horizon Europe vorerst zu sistieren. Die Kommission nahm dazu die Ergebnisse der Vernehmlassung zu ihrem Vorentwurf zum Horizon-Fonds-Gesetz zur Kenntnis, welchen sie im Rahmen dieser beiden Standesinitiativen ausgearbeitet hatte.

Drei Standesinitiativen zum Forschungsprogramm Horizon Europe (Kt. Iv. GE 21.320; Kt. Iv. BL 21.327; Kt. Iv. BS 21.328) & Horizon-Fonds-Gesetz
Dossier: Erasmus und Horizon

Ende März veröffentlichte die SPK-SR den Bericht zur Vernehmlassung der Umsetzung der vier Standesinitiativen (ZG: 19.311, BL: 20.313, LU: 20.323, BS: 21.311), die eine bessere Vereinbarkeit von Mutterschaft und Parlamentsmandat verlangen. Konkret sollen Frauen nach der Geburt eines Kindes ihre Mutterschaftsentschädigung nicht mehr verlieren, wenn sie ein politisches Legislativmandat wahrnehmen. Aktuell erlischt der Anspruch, wenn eine Erwerbstätigkeit wieder aufgenommen wird, wozu auch die Arbeit als Parlamentarierin gezählt wird. Dies führt dazu, dass gewählte Parlamentarierinnen entweder nicht an Sitzungen teilnehmen oder aber den Auftrag der Wählenden wahrnehmen, dadurch aber auf ihre Entschädigung verzichten müssen. Dies soll mit einer Revision des Erwerbsersatzgesetzes geändert werden. Die Vorlage sieht vor, dass eine Teilnahme an Plenar- oder Kommissionssitzungen auf allen drei föderalen Ebenen durch eine Frau – Männer bzw. Vaterschaftsurlaubsregelungen wurden explizit ausgenommen – deren Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung nicht mehr beeinträchtigt, es sei denn, es bestehe eine Stellvertretungslösung.

Die Mehrheit der 53 eingegangenen Stellungnahmen in der Vernehmlassung unterstützten den Umsetzungsvorschlag. Von den 25 antwortenden Kantonen (GR hatte auf eine Stellungnahme verzichtet), sprachen sich 18 dafür aus, Aargau, Nidwalden und Genf wollten die Einschränkung durch die Stellvertreterlösungen streichen und Solothurn wollte nicht bloss Plenar- und Kommissionssitzungen, sondern sämtliche mit einem Mandat verbundenen Tätigkeiten aufführen. Gegen die Vorlage stellten sich Appenzell Ausserrhoden, Thurgau und Schwyz, die eine Aufweichung des Mutterschutzes befürchteten: Die Regelung könnte dazu führen, dass sich Mütter mit einem politischen Mandat verpflichtet fühlten, ihren Mutterschaftsurlaub zu unterbrechen, so die Begründung. EVP, FDP, GLP, GP, Mitte und SP begrüssten die geplante Umsetzung, die SVP lehnte sie ab, weil sie eine Besserbehandlung von Politikerinnen gegenüber anderen berufstätigen Frauen bedeute. Umstritten war die Vorlage bei den Verbänden. Bei den Gewerkschaften begrüsste der SGB die Vorlage grundsätzlich, warnte aber vor weiteren Lockerungen; Travail.Suisse stellte sich gegen jegliche Lockerung des Mutterschutzes und lehnte die Vorlage ab. Die Arbeitgeberverbände (SAV und SGV) kritisierten die Ungleichbehandlung und forderten eine Lockerung der Kriterien für Mutterschaftsurlaub für alle Frauen, standen der Vorlage also eher ablehnend entgegen. Verschiedene Frauenverbände (AllianceF, SKG und SVF) begrüssten die Vorlage zwar, verlangten aber weitere Flexibilisierungen hinsichtlich zeitlicher Gestaltung des Mutterschaftsurlaubs generell und einen Verzicht auf die Ausnahme hinsichtlich Stellvertretungsregelung. Es könne bei Kommissionssitzungen, die häufig Stellvertretungsregelungen kennen, wichtig sein, persönlich anwesend zu sein.
Die SPK-SR beschloss aufgrund der Vernehmlassungsresultate, an der ursprünglichen Lösung festzuhalten und lediglich die Teilnahme an Kommissions- und Plenarsitzungen zu regeln, im Falle von möglichen Stellvertretungslösungen aber keine Ausnahmen zu machen. Die Vorlage geht in die parlamentarische Beratung.

Mutterschaft und Parlamentsmandat (Kt.Iv. 19.311, Kt.Iv.20.313, Kt.Iv.20.323 und Kt.Iv.21.311)
Dossier: Frauenanteil im Parlament
Dossier: Vereinbarkeit der Parlamentsarbeit mit Familie und Beruf

Die Gewährleistung der geänderten Kantonsverfassungen von Zürich, Glarus, Solothurn, Basel-Landschaft, Wallis und Genf erfolgte in der Frühlingssession 2023 sowohl im Ständerat als auch im Nationalrat oppositionslos. Wie Kommissionssprecher Matthias Zopfi (gp, GL) im Ständerat berichtete, habe die SPK-SR die Gewährleistung sämtlicher Verfassungsänderungen beantragt, wobei in der Vorberatung einzig die revidierten Artikel der Walliser Verfassung zur Regulierung von Grossraubtieren zu Diskussionen über die Bundesrechtskonformität geführt hätten. Da die Verfassungsbestimmungen allerdings in einer Weise ausgelegt werden könnten, die dem Bundesrecht entsprächen, und bereits im Jahr 2020 eine gleichlautende Urner Verfassungsänderung als bundesrechtskonform eingeschätzt worden war, habe die Kommission konsequenterweise und unter Beachtung des Günstigkeitsprinzips die Gewährleistung beantragt.

Gewährleistung von Änderungen in den Kantonsverfassungen von Zürich, Glarus, Solothurn, Basel-Landschaft, Wallis und Genf (BRG 22.079)
Dossier: Gewährleistung kantonaler Verfassungen

Die Regierungsratswahlen im Kanton Basel-Landschaft vom Februar 2023 wurden im Juli 2022 durch die etwas überraschende und eher spät erfolgte Rücktrittsankündigung des amtierenden Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektors Thomas Weber (BL, svp) so richtig lanciert. Dieser gab an, er wolle nach zehn Jahren in der Regierung unter anderem wieder mehr Zeit mit seiner Familie verbringen und auch politisch oder beruflich neue Herausforderungen annehmen. Um ihren frei werdenden Sitz im fünfköpfigen Regierungsgremium zu verteidigen, nominierte die SVP Nationalrätin Sandra Sollberger (BL, svp). Sollberger genoss in Basel-Landschaft eine hohe Bekanntheit und galt als SVP-Hardlinerin. Die Basler Zeitung attestierte ihr beispielsweise eine «extreme Haltung in Ausländerfragen [und] in der Europapolitik». Die Nomination von Sollberger wurde denn auch zu einem Stresstest für die «bürgerliche Allianz» der Baselbieter Mitte, FDP und SVP. Diese Parteien hatten geplant, den Wahlkampf zusammen zu bestreiten und die Kandidierenden der anderen Parteien ihren Wählenden jeweils zur Wahl zu empfehlen. Noch 2019 war eine solche Allianz zumindest teilweise daran gescheitert, dass die SVP neben Weber mit Thomas de Courten (BL, svp) einen Kandidaten nominiert hatte, der in den Augen der damaligen CVP zu extrem war und den sie nicht unterstützen wollte. Trotz einiger kritischer Stimmen innerhalb der Mitte betreffend Sollbergers Positionen beschlossen deren Mitglieder schliesslich, neben ihrem bisherigen Finanzdirektor Anton Lauber (BL, mitte) und der FDP-Bildungsdirektorin Monica Gschwind (BL, fdp) auch Sollberger zur Wahl zu empfehlen. Ein zweites potenzielles Hindernis für die bürgerliche Allianz bestand in der Frage, mit wie vielen Kandidierenden die Allianz antreten würde. Die FDP liebäugelte offen damit, neben ihrer bisherigen Regierungsrätin Gschwind noch eine zweite Kandidatur zu stellen. Die SVP sah aber in einer zweiten FDP-Kandidatur eine mögliche Gefahr für die Wahl Sollbergers. Um einen Konflikt mit der SVP zu verhindern und um die bürgerliche Allianz nicht zu gefährden, beschloss eine Mehrheit der FDP-Delegierten deshalb, auf eine zweite Kandidatur zu verzichten und nur die drei bürgerlichen Kandidierenden zur Wahl zu empfehlen. Auch bei dieser Nominationsveranstaltung gab es jedoch kritische Voten an die Adresse der SVP und ihrer Kandidatin. Trotz dieser Schwierigkeiten stand am Schluss die bürgerliche Allianz.
Auf linker Seite bildete sich derweil kein Pendant zu dieser Allianz. Die SP und die Grünen verzichteten, trotz vieler gemeinsamer Positionen, auf eine Zusammenarbeit im Wahlkampf. Die Grünen hatten bereits im Herbst 2021 angekündigt, neben ihrem amtierenden Regierungsrat Isaac Reber (BL, gp) noch eine zweite Kandidatur zu lancieren. Nach mehreren Absagen aussichtsreicher potenzieller Kandidierender musste die Partei aber im Mai 2022 zurückkrebsen. Die Sozialdemokraten hingegen nominierten neben ihrer bisherigen Sicherheitsdirektorin Kathrin Schweizer (BL, sp) mit Landrat Thomas Noack (BL, sp) noch einen zweiten Kandidierenden. Die fehlende Kooperation im Wahlkampf zwischen den beiden linken Parteien zeigte sich auch an einigen öffentlich ausgetragenen Unstimmigkeiten, etwa als die SP und Noack den amtierenden Bau- und Umweltdirektor Reber für dessen Klimapolitik, welche aus Sicht der SP bisher zu wenig ambitioniert gewesen sei, kritisierten.
Die GLP portierte derweil den unbekannten IT- und Energieberater Manuel Ballmer (BL, glp). Ihm wurden von den Medien im Vorfeld kaum Chancen auf eine Wahl eingeräumt. Das Kandidierendenfeld komplettierte Thomi Jourdan (BL, evp), der bereits bei einer Ersatzwahl 2013 einmal für den Regierungsrat kandidiert hatte und dabei zwar unterlegen war, aber ein gutes Resultat erzielt hatte. Jourdan gab seine Kandidatur erst Mitte Oktober 2022 bekannt – einiges später als die restlichen Kandidierenden. Er bewarb sich explizit auf den frei gewordenen Posten als Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektor und führte eine äusserst sichtbare Kampagne, insbesondere auf Plakaten. Ganz anders derweil die Kampagne von Sandra Sollberger. Die als Favoritin ins Rennen gestartete SVP-Vertreterin mied viele Wahlpodien und schlug auch zahlreiche Medienanfragen aus. Die Medien attestierten ihr deshalb einen «schwachen Wahlkampf» (Tages-Anzeiger).

Der Wahlsonntag am 12. Februar 2023 brachte dann tatsächlich die Überraschung: Thomi Jourdan holte 26'228 Stimmen und zog damit als schweizweit erster Vertreter der EVP in eine kantonale Regierung ein. Die bisherigen Regierungsrätinnen und -räte schafften alle die Wiederwahl problemlos. Das beste Resultat erzielte Anton Lauber (41'725 Stimmen), gefolgt von Isaac Reber (37'522), Kathrin Schweizer (35'032) und Monica Gschwind (35'018). Eine herbe Niederlage setzte es für die SVP und ihre Kandidatin Sandra Sollberger ab. Sie übertraf zwar mit ihren 25'085 Stimmen ebenfalls knapp das absolute Mehr von 24'962 Stimmen, landete aber nur auf dem sechsten Platz, womit sie die Wahl um 1'143 Stimmen verpasste. So schied die SVP am gleichen Tag, an dem sie bei den Landratswahlen zur stärksten Kraft wurde, aus der Regierung aus. Thomas Noack (23'771 Stimmen) und Manuel Ballmer (20'112) reihten sich auf den Plätzen sieben und acht ein. Die Wahlbeteiligung lag bei 34.3 Prozent. Zwei Tage nach den Wahlen nahm die frisch gewählte Regierung die Verteilung der Departemente vor. Sie beschloss dabei, dass Jourdan sein Wunschdepartement, das Volkswirtschafts- und Gesundheitsdepartement, übernimmt. Die restlichen Mitglieder des Regierungsrates behielten alle ihre Dossiers.

Kantonale Regierungsratswahlen Basel-Landschaft 2023
Dossier: Kantonale Wahlen - Basel-Landschaft
Dossier: Kantonale Regierungsratswahlen 2023

Ganze 618 Personen bewarben sich bei den Landratswahlen Basel-Landschaft 2023 auf einen der 90 Sitze. Noch nie hatten so viele Personen für das Kantonsparlament kandidiert – und das, obwohl 78 Bisherige erneut zur Wahl antraten. Mit der SP und der GLP präsentierten lediglich zwei Parteien volle und unkumulierte Wahllisten in allen Wahlkreisen. Insgesamt kandidierten 245 Frauen für ein Mandat (39.6%) und damit anteilsmässig etwa gleich viele wie 2015 (38.7%) und 2019 (39.1%). Mit 54.7 Prozent hatten die Grünen unter ihren Kandidierenden den höchsten Frauenanteil, die SVP mit 23.9 Prozent den niedrigsten. Im Vorfeld der Wahlen kam es zu einer Verschiebung der Mandatsverteilung unter den zwölf Wahlkreisen. Die Wahlkreise Münchenstein und Muttenz verloren dabei je ein Mandat an die Wahlkreise Oberwil und Sissach.

Der Wahlsonntag entwickelte sich vor allem für die Parteien in der Mitte zu einem Freudentag. Am meisten zulegen konnte die GLP. Sie holte 8.4 Prozent der Stimmen, verdoppelte damit ihre Anzahl Mandate von drei auf sechs und erreichte erstmals Fraktionsstärke. Auch die Mitte vermochte zuzulegen. Bei den ersten Baselbieter Wahlen seit ihrem Namenswechsel erhielt die Partei 10.9 Prozent der Stimmen, was für zehn Sitze reichte. Bei den Wahlen 2019 war die CVP noch auf acht Sitze gekommen, während die BDP ihren letzten Parlamentssitz verloren hatte. Die überparteiliche Liste «DieMitte», welche 2019 zusätzlich noch angetreten war und einen Sitz geholt hatte, war bei den Wahlen 2023 nicht mehr vertreten. Auch die EVP durfte sich als Siegerin feiern lassen, jedoch hauptsächlich wegen den gleichzeitig stattfindenden Regierungsratswahlen, bei denen ihr Kandidat Thomi Jourdan (BL, evp) überraschend als erster Vertreter der EVP einen Sitz in einer Kantonsregierung eroberte. Dieser historische Erfolg übertrug sich jedoch kaum auf die Landratswahlen, wo die Partei mit 5.2 Prozent nur wenige Zehntelprozent mehr Wähleranteil holte als bei den Wahlen vor vier Jahren und weiterhin vier Mitglieder im Parlament stellt. Die Basellandschaftliche Zeitung spekulierte, dass diese Diskrepanz auch damit zusammenhängen könnte, dass Thomi Jourdan, der im Wahlkampf insbesondere mit einer grossen Menge an Plakaten aufgefallen war, auf ebendiesen Plakaten das Parteilogo der EVP weggelassen hatte. Die Gewinne der Mitte-Parteien gingen auf Kosten der linken Parteien SP und Grüne, welche gegenüber den letzten Wahlen je zwei Mandate einbüssten. Die Grünen (12.5% Wähleranteil; -2.6 Prozentpunkte) schafften es somit nicht, alle sechs ihrer 2019 dazugewonnen Sitze zu halten und kamen neu auf zwölf Mandate. Die Sozialdemokraten (22.0% Wähleranteil; neu 20 Sitze) verloren neben 0.9 Prozentpunkten Wähleranteil und zwei Sitzen auch den Status als stärkste Kraft im Parlament. Diese Ehre gebührte nach den Wahlen der SVP (22.9% Wähleranteil; +0.2 Prozentpunkte), welche ihre 21 Mandate allesamt zu verteidigen vermochte. Da auch die FDP (18.0% Wähleranteil; +1.0 Prozentpunkte) ihre Sitzzahl konstant halten konnte – erneut wurden 17 Freisinnige ins Parlament gewählt –, bildeten die bürgerlichen Parteien der Mitte, FDP und SVP weiterhin eine Mehrheit im Parlament. Da die Baselbieter Stimmbevölkerung gleichentags eine Regierung gewählt hatte, in der Parteien von Mitte-Links (SP, Grüne, EVP) eine Mehrheit stellten, sprach die Basler Zeitung von einer «Kohabitation» in der künftigen Legislatur und prophezeite, dass die SVP ihre starke Position im Landrat einsetzen werde, um Oppositionspolitik zu betreiben.

Der Anteil der Frauen unter den Gewählten betrug 37.8 Prozent und kam somit 1.1 Prozentpunkte tiefer zu liegen als 2019. Zwischenzeitlich hatte es sogar danach ausgesehen, als wäre der Frauenanteil noch niedriger ausgefallen, da die offizielle Wahlsoftware fälschlicherweise zwei Sitze an je einen Mann aus der EVP und der Mitte vergeben hatte. Als das provisorische Resultat von der Landeskanzlei überprüft worden war, hatte diese jedoch entdeckt, dass diese Sitze mit dem geltenden Doppelproporz-Wahlsystem eigentlich anderen Wahlkreisen zustünden. In diesen Wahlkreisen wurden dann je eine Frau der EVP und der Mitte gewählt.

Allgemein sorgten das Wahlsystem und insbesondere die Sitzsprünge zwischen Wahlkreisen innerhalb der vier Wahlregionen für viel Unmut. 2023 waren aber sehr wahrscheinlich die letzten Wahlen mit dem bisherigen System, denn der Landrat hatte bereits im September 2022 den Regierungsrat beauftragt, eine Wahlrechtsreform einzuleiten und ab 2027 bei den Landratswahlen neu den sogenannten «doppelten Pukelsheim» zu verwenden. Damit bleibt der Kanton Baselland voraussichtlich auch weiterhin bei einem Doppelproporzsystem, schafft jedoch die vier Wahlregionen ab und nimmt die Ober- und Unterzuteilung neu auf Kantons- und Wahlkreisebene vor.

Kantonale Parlamentswahlen Basel-Landschaft 2023
Dossier: Kantonale Wahlen - Basel-Landschaft
Dossier: Kantonale Parlamentswahlen 2023

Les experts ont parlé, il faut déminer l'ancien dépôt de munitions de Mitholz .
Durant la deuxième guerre mondiale, la Suisse a construit un entrepôt à Mitholz dans le canton de Berne. Une fois la guerre finie, l'armée y a déposé une grande quantité de munitions non utilisées afin de les y stocker. En 1947, plusieurs explosions ont eu lieu dans l'installation, coûtant la vie à neuf personnes, produisant un effondrement de la paroi et un endommageant des bâtiments et des routes. Les débris résultant de l'effondrement ont recouvert une grande partie des munitions qui n'ont pas explosé et ont formé un cône d'éboulement à l'entrée de l'installation souterraine. Jusqu'en 2018, le danger était estimé comme relativement faible et le gouvernement était favorable à l'utilisation de cet endroit. Par conséquent, les galeries ont été étendues et l'armée a continué d'entreposer du matériel et de stationner des troupes à Mitholz.
Cependant, dans le cadre d'un nouveau projet travaillant sur un nouveau centre de calcul, une nouvelle analyse des risques a été effectuée et les experts ont tiré la sonnette d'alarme. En effet, la zone serait non-conforme aux critères de l'ordonnance sur les accidents majeurs (OPAM) et représenterait des « risques qui ne sont pas acceptables » pour la population et les infrastructures (routes, bâtiments, rails). De ce fait, les troupes ont été délocalisées et, épaulé par différents experts, le Conseil fédéral a cherché une solution pour faire face à cette situation inquiétante. Il a envisagé trois possibilités d'action. La première consiste à éliminer toutes les munitions, la deuxième propose de recouvrir l'ancien dépôt et la troisième souhaite encapsuler le site sans éliminer les munitions. Sur ces trois options, seule la première a été retenue car elle serait la seule permettant d'éliminer définitivement les risques. Alors que la troisième option a été irrévocablement éliminée, la deuxième proposition resterait en suspens au cas où l'élimination des munitions devait être interrompue.

Le déminage du site se composera de quatre différentes étapes. Premièrement, il faudra prendre des mesures préalables, puis mettre en place des mesures de protection pour la population, qui devra évacuer le site, ainsi que pour les infrastructures (routes, bâtiments et rails). Troisièmement, les restes de munitions seront évacués puis éliminés et finalement, le site sera remis en état.
Les coûts de la procédure, sur la base des connaissances actuelles, sont estimés à CHF 2.59 milliards. La plus grosse partie du budget (CHF 1.09 milliards) sera consacrée aux deux premières étapes et CHF 0.74 milliards devraient couvrir les deux dernières étapes du déminage. Les CHF 0.76 milliards restants sont quant à eux laissés au financement de tous les éléments imprévus. Les opérations planifiées devraient s'étendre jusqu'en 2040 et les habitant.e.s pourraient réintégrer leurs habitations à partir de 2041.

Déminage de l'ancien dépôt de munitions de Mitholz (OCF 22.074)

Alors que l'énergie solaire s'impose sur l'agenda politique, et que le Conseil fédéral met progressivement en place les conditions-cadres pour un boom du photovoltaïque, la presse s'est fait l'écho de nombreux projets de parcs solaires, notamment dans les Alpes valaisannes. Ainsi, des projets de parcs solaires à Gondo, Grengiols, dans le Vispertal, à la Grande-Dixence, sur les hauts d'Ovronnaz, à Hérémence, ou encore à Belp (BE) ont été présentés dans la presse. Si ces projets s'inscrivent dans la volonté de sécuriser l'approvisionnement énergétique Suisse avec de l'énergie renouvelable, ils ont été critiqués non seulement par des experts de l'énergie, qui remettent en question la connexion au réseau électriques, la faisabilité, et même la pertinence de ces projets, mais également par des organisations de défense de l'environnement et du paysage, qui critiquent l'ampleur des projets et les conséquences sur l'environnement et le paysage.

Plusieurs projets de parcs solaires en Suisse

Jahresrückblick 2022: Föderativer Aufbau

Die Diskussionen über Krisentauglichkeit und allfälligen Reformbedarf des schweizerischen föderalistischen Systems hielten 2022 wie schon in den Vorjahren an, allerdings in geringerer medialer Intensität: Mit dem Abflauen der Covid-19-Pandemie und der Aufhebung der meisten Massnahmen ging Anfang Jahr auch das Medieninteresse an Fragen des Föderalismus auf das Niveau vor der Pandemie zurück (siehe die Abbildungen in der angehängten APS-Zeitungsanalyse 2022).
Viele Medien, Behörden und Forschende zogen aber Bilanz darüber, ob der Föderalismus bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie eher Fluch oder Segen gewesen sei. Dabei herrschte weitgehend Einigkeit, dass der Föderalismus verschiedentlich einem Schwarzpeter-Spiel Vorschub leistete, bei dem Bund und Kantone sich gegenseitig die Verantwortung für unpopuläre Entscheidungen zuschoben. Kantonal unterschiedliche Regelungen wurden oft als Flickenteppich wahrgenommen, was möglicherweise der generellen Akzeptanz von Einschränkungen schadete. Andererseits wurden dank dem «föderalen Labor» diverse innovative Lösungen in einem Kanton entwickelt und konnten im Erfolgsfall dann auch anderswo übernommen werden – so etwa die Zürcher Lösung für die Unterstützung von Kulturschaffenden, das Zuger Ampelsystem oder die Bündner Massentests, welche ihrerseits aus dem Wallis inspiriert waren. Weil der Föderalismus zu einer breiteren Abstützung politischer Massnahmen zwingt, hat er gemäss einer verbreiteten Einschätzung die Entscheidungsfindung verlangsamt und tendenziell verwässert, die Akzeptanz in der Gesellschaft dadurch aber vermutlich verbessert. Kritik gab es in den Medien, aber auch aus den Kantonen, an der Rolle der interkantonalen Konferenzen der Kantonsregierungen: Diese seien fälschlicherweise als Sprachrohre der Kantone gegenüber dem Bund und der Öffentlichkeit wahrgenommen worden.

Aufgrund dieser Diskussionen wurden teilweise auch Konsequenzen in Form von institutionellen Anpassungen gefordert. Ein von verschiedenen Seiten vorgebrachtes Anliegen war eine klarere Kompetenzzuteilung und eine bessere Koordination zwischen Bund und Kantonen. Derweil rückte die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) wieder von ihrer Ende 2020 formulierten Forderung nach einem paritätisch zusammengesetzten politisch-strategischen Führungsorgan von Bund und Kantonen ab; sie erachtete nun im Fall einer Krise bloss noch einen gemeinsamen Krisenstab auf operativer Ebene und eine Intensivierung des Dialogs auf strategischer Ebene für nötig. Zudem solle das Epidemiengesetz dem Bund künftig bereits in der besonderen Lage (und nicht erst in der ausserordentlichen Lage) eine «strategische Gesamtführung» und zusätzliche Kompetenzen für landesweite Massnahmen übertragen. Kritikerinnen und Kritiker witterten darin eine neue Schwarzpeter-Strategie: Die KdK wolle Verantwortung an den Bund abschieben. Die KdK selbst argumentierte hingegen, es gehe ihr um die Vermeidung von Flickenteppichen.

Die zwei Seiten der Föderalismusmedaille – einerseits Begünstigung innovativer Lösungen durch das föderale Labor, andererseits Verlangsamung einheitlicher Lösungen und Koordinationsbedarf zwischen Bund und Kantonen – blieben auch in anderen Bereichen ein unerschöpfliches Thema der öffentlichen Diskussion. So wurde etwa diskutiert, ob der Föderalismus bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung(en) in der Schweiz als Motor oder vielmehr als Bremsklotz wirke.
Die Aufgabenteilung und die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen war auch bei der Aufnahme der zahlreichen nach der russischen Invasion aus der Ukraine Geflüchteten ein Thema. Aufgrund der erstmaligen Aktivierung des Schutzstatus S waren dabei Fragen zu klären, wie jene nach einem Schlüssel für die Zuteilung der Geflüchteten auf die Kantone oder nach der finanziellen Unterstützung des Bundes für ihre Betreuung in den Kantonen.
In der Diskussion um eine drohende Energieknappheit forderte die Konferenz kantonaler Energiedirektoren (EnDK) nebst der Einberufung eines Krisenstabs auf Bundesebene mehr und frühzeitigere koordinierende Vorgaben vom Bund, worauf dieser vorerst nicht einging. Manche Kommentatorinnen und Kommentatoren fühlten sich an das «Gschtürm» während der Covid-19-Pandemie erinnert: Erneut schöben Bund und Kantone einander gegenseitig die Verantwortung für unpopuläre Massnahmen zu.

Die Debatte um das Verhältnis zwischen Stadt und Land flaute im Vergleich zum Vorjahr deutlich ab – bis sie im Zusammenhang mit den Bundesratsersatzwahlen im Dezember unvermittelt wieder hochkochte: Einige Stimmen in den Medien befürchteten aufgrund der Wohnorte der künftigen Bundesratsmitglieder eine Übervertretung der ländlichen Schweiz, andere sahen auf lange Sicht gerade im Gegenteil die Städte übervertreten, während Agglomerations- und Landgemeinden weniger Bundesratsmitglieder stellten als es ihrem Bevölkerungsanteil entspräche. Dagegen gehalten wurde aber vor allem auch, dass die aktuellen Wohnorte der Bundesratsmitglieder bloss von marginaler Bedeutung für die Vertretung regionaler Interessen in der Schweiz seien.

Derweil tat sich bei zwei Volksabstimmungen ein Röstigraben auf: Sowohl beim knappen Ja zur AHV-21-Reform als auch beim Nein zum Medienpaket wurde die Romandie (und bei der AHV zudem das Tessin) von einer Mehrheit der Deutschschweiz überstimmt. Zwei im Berichtsjahr erschienene Studien zum Röstigraben gaben indessen eher zu Gelassenheit Anlass: Sie zeigten unter anderem, dass sämtliche Kantone – auch jene der Sprachminderheiten – deutlich häufiger auf der Gewinner- als auf der Verlierseite stehen und dass es bisher nicht einmal bei jeder hundertsten Volksabstimmung zu einem «perfekten» Röstigraben gekommen ist, bei dem sämtliche mehrheitlich französischsprachigen Kantone auf der einen und sämtliche Deutschschweizer Kantone auf der anderen Seite standen.

In der schier unendlichen Geschichte um die Kantonszugehörigkeit von Moutier unternahmen Beschwerdeführende 2022 einen Versuch, das Abstimmungsergebnis von 2021 mit einem Rekurs umzustossen. Das bernische Statthalteramt trat auf den Rekurs jedoch nicht ein, sodass es nicht zu einer weiteren Abstimmungswiederholung kommt: Moutier wird also vom Kanton Bern zum Kanton Jura übertreten – und zwar möglichst per 1. Januar 2026. Auf dieses Datum konnten sich die beiden Kantone und der Bund inzwischen einigen. Bis dahin ist noch eine Reihe inhaltlicher Fragen zu lösen, und das Ergebnis muss in Volksabstimmungen in den Kantonen Bern und Jura sowie mit einem Parlamentsbeschluss des Bundes abgesegnet werden.
Nachdem die bisher ebenfalls bernische Gemeinde Clavaleyres diesen Prozess bereits durchlaufen hatte, stellte der Wechsel von Clavaleyres zum Kanton Freiburg am 1. Januar 2022 nur noch eine Vollzugsmeldung dar. Es handelte sich dabei um die erste Grenzverschiebung zwischen zwei Schweizer Kantonen seit 1996, als Vellerat den Kanton Bern zugunsten des Kantons Jura verliess.

Häufiger als Kantonswechsel sind Gemeindefusionen innerhalb desselben Kantons. Der Trend zu weniger und grösseren Gemeinden ging 2022 weiter: Am 1. Januar 2022 betrug die Zahl der Gemeinden in der Schweiz 2'148, das waren 24 weniger als ein Jahr davor. Damit ging die Entwicklung in einem ähnlichen Tempo weiter wie in den Vorjahren.

Jahresrückblick 2022: Föderativer Aufbau
Dossier: Jahresrückblick 2022

En 2022, la population de sept cantons (BE, GL, GR, NW, OW, VD, ZG) s’est rendue aux urnes pour renouveler ses autorités législatives. En 2020 et 2021, les partis écologistes, sur la lancée des élections fédérales de 2019, étaient en constante progression. Si les Vert-e-s ont commencé à s’essouffler légèrement en 2022, le Parti vert’libéral a lui encore surfé sur la vague écologiste. Si l’on met de côté le canton des Grisons, qui a connu un changement de système électoral, 21 sièges supplémentaires sont tombés dans l’escarcelle des vert’libéraux (de 29 à 50 au total des six cantons restants). Ils sont ainsi entrés pour la première fois au législatif à Nidwald et Obwald, et ont progressé dans les autres cantons, à l’exception de Glaris, où ils ont perdu un strapontin. Le Parti des vert-e-s a lui récolté 9 sièges supplémentaires, grâce à de bons scores à Berne (+5 sièges) et Vaud (+4 sièges). Cependant, la gauche n’en est pas ressortie renforcée, car les socialistes ont perdu 15 sièges, avec des scores en recul dans chaque canton. L’UDC et le PLR sont restés plus ou moins stables (-3 sièges pour l’UDC et +2 pour le PLR). L’UDC demeure le parti le plus fort à Berne et Glaris, le PLR à Nidwald et dans le canton de Vaud. À Zoug et Obwald, le parti détenant le plus de sièges est le Centre, qui concourrait pour la première fois sous sa nouvelle bannière dans ces cantons. Issu de la fusion du PDC et du PBD, le parti a certes perdu 5 sièges par rapport au total cumulé de ses deux prédécesseurs, mais le tableau est nuancé selon les cantons. Les forces centristes ont progressé à Obwald, et ont légèrement cédé du terrain sinon, n’ayant désormais plus de représentant.e.s au Grand Conseil vaudois notamment. Au vu de ces résultats, la fusion ne semble pas encore avoir porté ses fruits.
Reste donc le cas des Grisons, où de nouveaux équilibres ont émergé en raison du nouveau système de vote. En effet, un système biproportionnel (double Pukelsheim) a été instauré en lieu et place du système majoritaire, jugé partiellement anticonstitutionnel par le Tribunal fédéral. Ce nouveau système était favorable aux partis plus petits. Sans surprise, les deux fractions les plus fortes au Grand Conseil, à savoir le Centre et le PLR, ont perdu respectivement 19 et 9 sièges, alors que l’UDC et le PS en ont gagné 16 et 7. Ce changement a également profité aux Vert’libéraux (+4 sièges) et aux Vert-e-s (+2 sièges).

Parmi les cantons élisant leurs autorités en 2022, celui qui s'est le plus rapproché de la parité femme-homme est le canton de Berne, avec 39.4 pour cent d'élues (35.6% lors de l'élection précédente). La part des femmes a également augmenté dans les cantons de Nidwald (de 21.7% à 26.7%), de Glaris (de 21.7% à 25%), de Zoug (de 28.8% à 30.0%), des Grisons (de 21.7% à 33.3%) et de Vaud (de 32.0% à 36.0%). En revanche, moins de 20 pour cent des députées sont des femmes à Obwald (de 25.5% à 18.2%), où la Nidwaldner Zeitung a parlé de «véritable débâcle» pour qualifier ce résultat.

Les Nidwaldien.ne.s ont été les champion.ne.s de la participation, avec 47.9 pour cent des ayants droit s'étant rendu.e.s aux urnes. Suivent Obwald (44.2%), Zoug (44.0%) et les Grisons (38.4%). La participation a navigué autour de 34 pour cent dans les cantons de Glaris (34.8%) et Vaud (34.3%), alors que moins d'un.e électeur.trice sur trois a voté dans le canton de Berne (31.9%). Dans certains cantons (Berne, Glaris, Zoug, Grisons), la participation a augmenté par rapport aux élections précédentes.

Au niveau des exécutifs, la stabilité a été de mise dans la plupart des cantons se rendant aux urnes. La répartition des sièges entre les partis n'a, en effet, pas changé à Berne (deux UDC, deux PS, une verte, un PLR, une centriste), à Zoug (trois centristes, deux UDC, deux PLR), à Glaris, où tous les sortant.e.s ont été réélu.e.s (deux PLR, un centriste, une UDC, un PS) et aux Grisons (trois centristes, un PLR, un PS). Le PLR n'a pas été à la fête à Obwald, où il a cédé un siège au Centre (deux centristes, un PCS, un UDC, un sans-parti). A Nidwald, c'est le Parti vert'libéral qui lui a subtilisé un siège (trois centristes, deux UDC, un PLR, un PVL). Peter Truttmann est ainsi devenu le deuxième vert'libéral à entrer dans un exécutif cantonal après Esther Keller à Bâle-Ville. Enfin, le canton de Vaud a vécu un changement de majorité. En effet, l'alliance de droite composée du Centre, du PLR et de l'UDC a repris le quatrième siège cédé à la gauche en 2011. La PS Cesla Amarelle a ainsi été contrainte de quitter le gouvernement au profit de la surprenante centriste Valérie Dittli. Avec l'élection de Dittli, le Centre vaudois possède donc un siège au gouvernement, mais aucun représentant au Grand Conseil. Notons encore que la sœur de Valérie Dittli, Laura Dittli, a, quant à elle, été élue au gouvernement zougois, le canton d'origine de la famille.

Après deux années durant lesquelles les citoyen.ne.s ont dû se rendre aux urnes pour renouveler le mandat accordé à leurs autorités, les «Bestätigungswahlen» ont à nouveau pu se tenir à la Landsgemeinde dans le canton d'Appenzell Rhodes-Intérieures. Sans surprise, les sept membres de l'exécutif ont été confirmés dans leurs fonctions.

Dans le canton de Schwyz, une élection complémentaire s'est tenue en raison des départs de Kaspar Michel (plr) et d'Andreas Barraud (udc). Le PLR et l'UDC ont conservé ces sièges avec les élections de Damian Meier (plr) et Xavier Schuler (udc).

A la fin de l'année 2022, 44 femmes siégeaient dans des exécutifs cantonaux, 3 de plus qu'une année auparavant, sur un total de 154 sièges (28.6% de femmes). 6 cantons ne comptaient aucune femme au sein de leur gouvernement (LU, UR, AR, TI, VS), alors que quatre étaient à majorité féminine (ZH, SO, TG, VD).

Parmi les dix plus grandes villes du pays, la population de Zurich et de Winterthour s'est rendue aux urnes en 2022. Au législatif de la ville de Zurich, la gauche a, de très peu, conservé sa majorité, avec 63 sièges sur 125. Les gains des Vert-e-s n'ont pas compensé les pertes du PS. A droite, le PVL, le PLR et le Centre sont sortis gagnants, alors que l'UDC a perdu des sièges.
A l'exécutif, pas de grand bouleversement des forces en présence: le seul sortant à ne pas briguer un nouveau mandat, membre de la gauche alternative, a été remplacé par une représentante du PS. A l'exécutif de Winterthour, la stabilité a également été de mise puisque tous les sortant.e.s ont été réélu.e.s. Au législatif, le PS est resté le parti le mieux représenté malgré de légères pertes, suivi par l'UDC et le PLR.

Récapitulatif des élections cantonales et communales 2022
Dossier: Kantonale Parlamentswahlen 2022
Dossier: Kantonale Regierungsratswahlen 2022
Dossier: Kommunale Wahlen 2022
Dossier: Übersicht über die Wahlen auf Kantons- und Gemeindeebene

Im Dezember 2022 präsentierte die WBK-NR ihren Entwurf zur Überführung der Anstossfinanzierung der ausserfamiliären Kinderbetreuung in eine zeitgemässe Lösung, der sich in nicht unwesentlichen Punkten vom zuvor in die Vernehmlassung geschickten Vorentwurf unterschied.
Insgesamt 275 Stellungnahmen waren in der Vernehmlassung eingegangen, die grosse Mehrheit davon fiel positiv aus. So unterstützten 23 Kantone den Vorentwurf, ebenso wie acht von zehn stellungnehmenden Wirtschaftsverbänden – darunter GastroSuisse, SGB und Travail.Suisse – und acht Parteien – darunter die SP, die Grünen, die GLP und die Mitte. Abgelehnt wurde die Vorlage von der SVP und der FDP; die FDP-Frauen sprachen sich hingegen für den Vorentwurf aus. Bei den Wirtschaftsverbänden äusserte economiesuisse trotz Unterstützung der Vorlage erhebliche Vorbehalte, während sich der SGV gänzlich ablehnend zur Vorlage positionierte. Die Befürwortenden begrüssten grundsätzlich, dass das seit 2003 bestehende Impulsprogramm in eine dauerhafte Lösung überführt werden soll, ebenso wie das stärkere Engagement durch den Bund. Ferner vertraten sie die Ansicht, die Vorlage verbessere die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf, wirke dem Fachkräftemangel entgegen und fördere die Chancengerechtigkeit für Kinder im Vorschulalter. Die gegnerischen Stimmen, darunter die drei ablehnenden Kantone Bern, Graubünden und Zug, sahen durch den Vorentwurf die Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Kantonen verletzt. In eine ähnliche Stossrichtung gingen die Bedenken des SGV sowie der SVP und der FDP. Anders beurteilten dies die meisten Kantone und die SODK, ebenso wie die für den Vorentwurf zuständige WBK-NR, die die neue Rolle des Bundes nicht nur mit Rückgriff auf die in Art. 116 Abs. 1 BV erwähnte Unterstützungskompetenz, sondern darüber hinaus mit Bezug auf Art. 110 Abs. 1 Bst. a BV (Arbeitnehmendenschutz) und Art. 8 Abs. 3 BV (Gleichstellung von Mann und Frau) legitimierte. Die SVP vertrat zusätzlich die Ansicht, dass die Vorlage die Wahlfreiheit der Eltern, die ihre Kinder nicht extern betreuen lassen wollen, einschränke. Economiesuisse und der SGV sorgten sich auch um die Kosten, insbesondere verbunden mit der offenen Frage der (Gegen-)Finanzierung.
Aufgrund der im Vernehmlassungsverfahren eingegangenen Rückmeldungen passte die WBK-NR ihren Entwurf im Vergleich zum Vorentwurf in zwei Punkten an. Erstens verlangte der Entwurf neu für jeden Kanton während der ersten vier Jahre eine Bundesbeteiligung von 20 Prozent an den durchschnittlichen Betreuungskosten der Eltern. Bei unzulänglichem finanziellen Engagement der Kantone könnte der Betrag daraufhin auf bis zu 10 Prozent der Betreuungskosten gekürzt werden. Im Vorentwurf hatte die Kommission eine umgekehrte Lösung vorgeschlagen, wonach der Bund zu Beginn einen Sockelbeitrag von 10 Prozent entrichtet hätte. Kantone mit vergleichsweise hohem finanziellen Engagement hätten in der Folge noch einen Zusatzbeitrag (+5% oder +10%) erhalten können. Die zweite Änderung im Vergleich zum Vorentwurf betraf die Höhe des Verpflichtungskredites zur Unterstützung von Programmen zur Schliessung der Angebotslücken in der familienexternen Betreuung. Während der Vorentwurf für die ersten vier Jahre hierfür insgesamt einen Betrag von CHF 160 Mio. bereitstellen wollte, wurde dieser Betrag im Entwurf auf CHF 240 Mio. erhöht. Dies, nachdem diverse Vernehmlassungsteilnehmende bemängelt hatten, dass zusätzliches Gewicht auf die Qualitätssicherung und -entwicklung gelegt werden sollte. Mit diesen Änderungen versehen genehmigte die Kommission den Entwurf in der Gesamtabstimmung mit 17 zu 7 Stimmen bei einer Enthaltung. Dass die Diskussion um die Vorlage damit noch lange nicht abgeschlossen sein würde, liessen bereits die zahlreichen Anträge diverser Kommissionsminderheiten erahnen, die die WBK-NR in ihrem Bericht und teilweise bereits in ihrer Medienmitteilung aufführte.

Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung (Pa.Iv. 21.403)
Dossier: Finanzhilfen zur Förderung familienergänzender Kinderbetreuung

Im Rahmen der Bundesratswahlen 2022 kam es auch zu ausführlichen Diskussionen um die Vertretung der Regionen, die sich vorab um die sehr unterschiedliche bisherige Zahl an Bundesratsmitgliedern aus den verschiedenen Kantonen drehte. Vor den Ersatzwahlen 2022 wurde die Rangliste vom Kanton Zürich mit bisher 20 Vertreterinnen und Vertretern in der Landesregierung angeführt, gefolgt vom Kanton Waadt mit 15 und dem Kanton Bern mit 14 Vertrenden. Noch nie im Bundesrat vertreten waren bis dahin die Kantone Jura, Nidwalden, Schaffhausen, Schwyz und Uri.
Seit der entsprechenden Abstimmung im Februar 1999 spielt die Kantonsklausel allerdings keine Rolle mehr. Bis damals war es nicht möglich gewesen, dass zwei Regierungsmitglieder aus dem gleichen Kanton stammten. Unklar war hingegen seit je her, wie die Kantonszugehörigkeit genau definiert wird: durch den Wohnkanton oder den Bürgerkanton; und aus welchem Kanton stamnen verheiratete Frauen, die über mehrere Heimatrechte verfügten? So war etwa Ruth Dreifuss im Kanton Aargau heimatberechtigt, hatte aber dem Berner Stadtrat angehört und ihre Papiere kurz vor ihrer Wahl nach Genf verlegt. Bei der Diskussion um die Kantonszugehörigkeit eines Bundesratsmitglieds stellt sich überdies die Frage, ob Mitglieder der Landesregierung effektiv für «ihren» Kanton lobbyieren, wenn sie im Bundesrat sitzen. Nichtsdestotrotz war die Kantonszugehörigkeit der verschiedenen Kandidierenden recht laute mediale Begleitmusik der Bundesratsersatzwahlen 2022. Ob bei den Diskussionen um eine mögliche Nichtvertretung des Kantons Zürich bei der Kandidierendensuche der SVP, um lange Zeit untervertretene Kantone bei der Bewerbung von Heinz Tännler (ZG, svp) oder Eva Herzog (sp, VS), um Kandidierende aus Kantonen, die gar noch nie im Bundesrat vertreten waren bei den Kandidaturen von Michèle Blöchliger (NW, svp) oder Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU), um die sich verändernden Chancen der Berner-SVP-Kandidaturen nach dem Rücktritt der Berner Bundesrätin Simonetta Sommaruga: Stets wurde dem Herkunftskanton Relevanz zugesprochen.

Für Diskussionen sorgte freilich auch die Vertretung der Sprachregionen. Dass es nach 1917 zum zweiten Mal in der Geschichte zu einer Mehrheit von nicht-deutschsprachigen Magistratinnen und Magistraten kommen könnte bzw. kam, wurde vor und nach den Ersatzwahlen vor allem von der FDP kritisiert. Die Freisinnigen forderten, dass dies nur für «eine kurze Übergangszeit» so bleiben dürfe. Diese Entscheidung obliege der Bundesversammlung, erwiderte SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann (sp, VD). Die Schweiz gehe nicht unter, nur weil es keine deutschsprachige Mehrheit im Bundesrat gebe.

Das am meisten und nach den Ersatzwahlen vor allem in den Deutschschweizer Medien mit einiger Heftigkeit diskutierte Thema war dann freilich die Untervertretung der «urbanen Schweiz». Der Tages-Anzeiger sprach in seiner Online-Ausgabe davon, dass «dieser Mittwoch kein guter Tag für die Schweiz» gewesen sei. 70 Prozent der Bevölkerung und die «Fortschrittsmotoren» Zürich und Basel seien nun untervertreten. Offen forderte die Zeitung den baldigen Rücktritt von Alain Berset und Guy Parmelin, damit das Parlament dies nach den eidgenössischen Wahlen 2023 wieder korrigieren könne. Darüber hinaus wurde kritisiert, dass hinsichtlich Finanzausgleich lediglich noch «Nehmerkantone» in der Regierung vertreten seien. Andrea Caroni (fdp, AR) gab dem St. Galler Tagblatt zu Protokoll, dass er Angst habe, dass die «erhebliche sprachliche und geographische Schlagseite» im Bundesrat die Bundesverfassung strapaziere. Die Aargauer Zeitung sprach von einer «Ballenberg-Schweiz», die jetzt dominiere, obwohl eine «urbane Sichtweise» nötig wäre. Die Millionen Menschen, die in städtischen Räumen lebten, seien nun ohne Stimme in der Landesregierung, die mehr «Zerrbild als Abbild» sei, kritisierte erneut der Tages-Anzeiger. In ebendieser Zeitung befürchtete Hannes Germann (svp, SH) schliesslich, dass das Parlament «ein Chaos angerichtet» habe, weil dieses «krasse Ungleichgewicht» unschweizerisch sei.
Für die WoZ stellte dies aber aus städtischer Sicht kein Problem dar, da wesentlich wichtiger sei, welche unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen vertreten seien. Noch pragmatischer urteilten die Westschweizer Medien. Mauro Poggia (mcg, GE) brachte diese Haltung in La Liberté auf den Punkt: Er habe Vertrauen in die Intelligenz der Personen in der Landesregierung: «Ce n'est pas parce qu'on est d'origine paysanne qu'on ne pense pas aux villes.» Die Erfahrung, selber einmal zur Minderheit zu gehören, könne der Deutschschweiz vielleicht auch guttun, zitierte der Blick den Chefredaktor seiner Romandie-Ausgabe. Auch Alain Berset meldete sich zu Wort: Er könne kein Problem erkennen, weil die Menschen heute so mobil seien, dass sie sich nicht mehr in Schablonen wie Stadt und Land pressen liessen. Die Vernetzung sei so gross, dass die regionale Herkunft kaum mehr eine Rolle spiele.

Diskussionen um die Vertretung der Regionen im Rahmen der Bundesratswahlen 2022

Der Bundesrat beantragte der Bundesversammlung im November 2022, die Verfassungsänderungen von sechs Kantonen zu gewährleisten, da sie alle im Einklang mit Bundesrecht stünden.
Mit der Verfassungsänderung im Kanton Zürich wurden verschiedene Klimaschutzbestimmungen aufgenommen. Diese verpflichten den Kanton und die Gemeinden dazu, sich für die Begrenzung des Klimawandels und dessen Auswirkungen einzusetzen sowie das Ziel der Treibhausgasneutralität anzustreben. Konkret sollen dazu in den Bereichen Siedlungsentwicklung, Gebäude, Verkehr, Land- und Forstwirtschaft sowie Industrie und Gewerbe angemessene Massnahmen eingeführt werden. Wie der Bundesrat in seiner Botschaft zum Schluss kommt, gehen diese Bestimmungen in die gleiche Richtung wie die Klimaschutzziele des Bundes. Die Rechtssetzungskompetenzen der Kantone beschränkten sich in diesem Bereich auf Aspekte, die vom Bundesgesetz nicht vollständig ausgeschöpft seien und könnten dieses ergänzen oder verstärken.
Auch der Kanton Glarus verankerte vergleichbare Bestimmungen zur Begrenzung der Klimaveränderung und deren nachteiligen Auswirkungen in der Verfassung. Die Massnahmen haben dabei umwelt-, sozial- und wirtschaftsverträglich zu sein. Eine weitere zu gewährleistende Änderung der Glarner Verfassung sieht vor, dass die Jahresrechnung, der Finanzbericht sowie das Budget künftig dem Landrat und nicht mehr der Landsgemeinde zur Kenntnisnahme vorgelegt werden. Der Landrat wird allerdings nicht mehr wie bisher für die Genehmigung des integrierten Aufgaben- und Finanzplan zuständig sein.
Gemäss der angepassten Verfassung des Kantons Solothurn kann der Kanton auf der Stufe der Volksschule künftig neben sonderpädagogischen Institutionen neu auch weitere kantonale Angebote errichten und führen. Die Einzelheiten werden auf Gesetzesebene geregelt.
Der Kanton Basel-Landschaft führte mit der Verfassungsänderung Anpassungen bei den Modalitäten von Volksinitiativen und bei der Ombudsperson ein. Neu gelte zur Einreichung der Unterschriften für Volksinitiativen eine Frist von zwei Jahren. Weiter können im Landrat zusätzlich zu formulierten Initiativbegehren auch bei nicht-formulierten Begehren Fristverlängerungen zur Ausarbeitung eines Gegenvorschlags gewährt werden. Gegenvorschläge und Gesetzesvorlagen aufgrund zurückgezogener Initiativbegehren unterliegen gemäss den angepassten Verfassungsartikeln nicht mehr in jedem Fall der obligatorischen Volksabstimmung, sondern dem fakultativen Referendum. Betreffend die Ombudsperson werden die Unvereinbarkeiten neu erst auf Gesetzesstufe geregelt, worin die Teilzeitbeschäftigung der gewählten Person vorgesehen werden könne, schreibt der Bundesrat. Nicht zuletzt umfasst die Verfassungsänderung Anpassungen im Sinne der sprachlichen Gleichbehandlung.
Für den Kanton Genf galt es schliesslich drei Verfassungsänderungen zu gewährleisten. Der Kanton regelt erstens die Amtsenthebung eines Staatsratsmitglieds neu: Künftig können Mitglieder der kantonalen Regierung, die nicht mehr über das notwendige Vertrauen der Stimmberechtigten zur Ausübung ihrer Funktion verfügen, mittels Resolution des Grossen Rates des Amts enthoben werden. Zweitens bestehen die Gemeindeexekutiven von Gemeinden mit maximal 3'000 Einwohnenden in Zukunft nicht mehr aus einem Gemeindepräsidium und zwei Adjunkten und Adjunktinnen, sondern aus einem dreiköpfigen administrativen Rat. Drittens und letztens wird die Verteilung und Versorgung mit thermischer Energie sowie deren stärkere Verbreitung zu einem Kantonsmonopol. Diese Koordinierung der Ausdehnung habe das Ziel, die Nutzung fossiler Energie bei der individuellen Heizung zu verringern, geht aus dem revidierten Verfassungsartikel hervor.
Die Abwägung der Bundesrechtskonformität gestaltete sich gemäss Bundesrat bei der Verfassungsänderung des Kanton Wallis schwieriger: Der Staat wird darin einerseits zum Erlassen von Vorschriften zum Schutz vor Grossraubtieren und zur Bestandsregulierung sowie zum Verbot der Förderung des Grossraubtierbestands verpflichtet. Wie in der Botschaft ausgeführt wird, sei diese Verfassungsänderung nur bundesrechtskonform, wenn sich das Verbot der Bestandsförderung auf finanzielle Mittel beschränke, denn der Kanton wäre weiterhin zum Vollzug der vom Bund geförderten Massnahmen verpflichtet. Würden also jegliche Schutzmassnahmen verboten, stünde dies im Widerspruch zum Bundesgesetz, welches die Kantone zum Ergreifen von Massnahmen zur Verhinderung von Wildschaden verpflichte und so zumindest indirekt eine Bestandsförderung darstelle. Die geänderte Kantonsverfassung sei allerdings im Sinne des Günstigkeitsprinzips zu gewährleisten, da dem Artikel mindestens in einer Weise «ein Sinn beigemessen werden [kann], der ihn nicht klarerweise als vor Bundesrecht unzulässig erscheinen lässt», schloss der Bundesrat mit dem expliziten Hinweis darauf, dass die künftige Anwendung der Bestimmungen im Einklang mit höheren Gesetzen erfolgen müsse.

Gewährleistung von Änderungen in den Kantonsverfassungen von Zürich, Glarus, Solothurn, Basel-Landschaft, Wallis und Genf (BRG 22.079)
Dossier: Gewährleistung kantonaler Verfassungen

Im Herbst 2022 befasste sich die WBK-SR im Rahmen mehrerer Sitzungen mit zwei Standesinitiativen zur Assoziierung der Schweiz an das EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe (Kt.Iv. 21.327 und Kt.Iv. 21.328).
In ihrer ersten Sitzung Ende August 2022 kam die Kommission aufgrund eines Gesprächs mit SBFI-Direktorin Martina Hirayama zum Schluss, dass diese angestrebte Assoziierung in naher Zukunft nicht realistisch sei und aufgrund der voranschreitenden Zeit – viele Forschungsprojekte des Rahmenprogramms sind bereits gestartet – auch immer weniger attraktiv werde. Die Kommission beschloss daher mit 10 zu 1 Stimmen (bei 1 Enthaltung), stattdessen in Umsetzung der beiden Standesinitiativen gesetzliche und finanzielle Grundlagen zur Stabilisierung des Forschungsstandorts Schweiz zu erarbeiten. Konkret solle die Bundesverwaltung einen Gesetzesentwurf für die Schaffung eines bis 2027 befristeten Fonds ausarbeiten, mit welchem die internationale Forschungszusammenarbeit und die Förderung der wissenschaftlichen Exzellenz der Schweizer Forschung finanziert werden.
An ihrer zweiten Sitzung im Oktober 2022 beschloss die WBK-SR mit einem Stimmenverhältnis von 12 zu 1, den von der Bundesverwaltung zwischenzeitlich ausgearbeiteten Vorentwurf zur Umsetzung der beiden Standesinitiativen in die Vernehmlassung zu schicken. Aus verfahrenstechnischen Gründen entschied die Kommission ausserdem, der ähnlich gelagerten und bislang sistierten Standesinitiative des Kantons Genf (Kt.Iv. 21.320) keine Folge zu geben.
Im Rahmen ihrer Sitzung vom 4. November 2022 lancierte die Kommission sodann die Vernehmlassung. Gemäss den Vernehmlassungsunterlagen sollen mit dem sogenannten Horizon-Fonds-Gesetz nicht zusätzliche Mittel gesprochen, sondern die bereits gesprochenen Gelder für die Schweizer Forschung gesichert werden. Auch ist vorgesehen, dass allfällige Kreditreste im Fonds verbleiben. Das Gesetz soll dringlich erklärt werden und beim Abschluss eines Abkommens mit der EU oder spätestens Ende 2027 auslaufen.

Drei Standesinitiativen zum Forschungsprogramm Horizon Europe (Kt. Iv. GE 21.320; Kt. Iv. BL 21.327; Kt. Iv. BS 21.328) & Horizon-Fonds-Gesetz
Dossier: Erasmus und Horizon

Im Oktober 2022 veröffentlichte der Bundesrat einen Ergebnisbericht zur Vernehmlassung eines Vorentwurfs zur Änderung des AIG. Die Gesetzesänderung beabsichtigt die Einführung erleichterter Zulassungsbedingungen in den Arbeitsmarkt für Personen ohne Schweizer Pass aber mit Schweizer Hochschulabschluss. 23 von 25 stellungnehmenden Kantonen stimmten dem Entwurf zu, während sich lediglich der Kanton Zug dagegen positionierte und der Kanton Bern der Vorlage nur unter der Bedingung Unterstützung zusagte, dass die Zulassung und der Aufenthalt tatsächlich an die Erwerbstätigkeit geknüpft werde. Der Kanton Zug bemängelte, dass die beabsichtigte Gesetzesänderung eine zu breite Bevölkerungsgruppe umfasse. Die FDP, die GLP und die Mitte unterstützten den Gesetzesentwurf vollends, die SP lediglich im Grundsatz und die SVP sprach sich vehement dagegen aus, da dadurch die Nettozuwanderung erhöht werden würde. Die SP war der Ansicht, dass die Hürden im vorliegenden Entwurf zu hoch gefasst seien und nicht nur Arbeitnehmende mit Hochschulabschluss berücksichtigt werden sollten. Weiter äusserten auch Dachverbände der Wirtschaft, namentlich der SAV, der SGV, der SGB und economiesuisse, Unterstützung für den Vernehmlassungsentwurf. Für Travail.Suisse fehlte hingegen in der Vorlage eine Einschätzung, welchen Einfluss die Gesetzesänderung in Zukunft auf den Schweizer Arbeitsmarkt haben könnte. Daneben bekundeten 32 interessierte Kreise Interesse an der Vorlage und begrüssten diese – darunter Organisationen aus dem Hochschul- und Wirtschaftsbereich und dem Gastgewerbe.
Obschon ein Grossteil der Vernehmlassungsteilnehmenden die Vorlage also im Grunde unterstützte, wurde Kritik am Entwurf geäussert. Während eine Reihe von Teilnehmenden begrüsste, dass die Motion Dobler (fdp, SG; Mo. 17.3067) im Rahmen einer Änderung des AIG durchgesetzt werde, wünschte sich die FDP angesichts der zeitlichen Dringlichkeit lieber eine Umsetzung auf Verordnungsstufe. Unter anderem äusserte der SGB Bedenken, dass die Schweiz mit entsprechenden Bestimmungen ihren Status als «Brain-Drain-Profiteurin» weiter verstärken könnte und wünschte sich eine verstärkte Zusammenarbeit mit von Brain-Drain betroffenen Staaten sowie entsprechende bilaterale Austauschprogramme. Die SVP dagegen forderte, dass diese Personengruppe weiterhin in das Gesamtkontingent an erteilten Aufenthaltsbewilligungen fallen solle, ausländische Studierende mindestens die Hälfte der Kosten für das Studium selber tragen müssen und die erleichterte Zulassung zum Schweizer Arbeitsmarkt ausschliesslich Absolvierenden aus dem MINT-Bereich offen stehen solle. Tourismus- und Gastgewerbeorganisationen sowie Hotelfachschulen schliesslich schlugen vor, den Geltungsbereich der Änderung auf «Ausländerinnen und Ausländern mit Schweizer Abschluss der Tertiärstufe» auszuweiten, statt sich lediglich auf Hochschulabsolventinnen und -absolventen zu konzentrieren.

Erleichterte Zulassung zum Arbeitsmarkt für Ausländerinnen und Ausländer mit Schweizer Hochschulabschluss (BRG 22.067)
Dossier: Zulassung für Ausländerinnen und Ausländer mit Schweizer Hochschulabschluss

Im Juni 2022 verabschiedete die RK-NR drei separate Entwürfe für die Umsetzung von insgesamt vier parlamentarischen Initiativen betreffend das Mietrecht zuhanden ihres Rates. Vorlage 1 (Untermiete) setzte eine Initiative Egloff (svp, ZH; Pa.Iv. 15.455) um. Vorlage 2 (Formvorschriften) setzte gleich zwei Initiativen um, nämlich eine Initiative Vogler (csp, OW; Pa.Iv. 16.458) und eine Initiative Feller (fdp, VD; Pa.Iv. 16.459).
Die dritte Vorlage zur Kündigung wegen Eigenbedarfs ging derweil auf eine Initiative von Giovanni Merlini (fdp, TI) zurück, welche eine Beschleunigung des Verfahrens bei der Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarf gefordert hatte. Der von der RK-NR ausgearbeitete Entwurf umfasste drei Änderungen im OR. Die erste Änderung sah vor, dass eine Kündigung vorgenommen werden kann, wenn die Vermieterschaft nach «objektiver Beurteilung bedeutenden und aktuellen Eigenbedarf für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte geltend macht». Bis dato musste ein «dringender Eigenbedarf» geltend gemacht werden. Dringlichkeit zu beweisen sei mit der aktuellen Rechtsprechung eine zu hohe Hürde, so die Mehrheit der Kommission. Die zweite Änderung übertrug die gleiche Formulierung auf die Regeln der Anfechtung von Kündigungen durch die Vermieterschaft. Die dritte Änderung strich die «Dringlichkeit» des Eigenbedarfs aus den Kriterien, nach welchen Behörden über eine von der Mieterschaft beantragte Erstreckung des Mietverhältnisses entscheidet. Hingegen umfasste der Entwurf keine Änderung der ZPO. Merlini hatte seinen Initiativtext diesbezüglich so formuliert, dass sein Anliegen mit einer Änderung von OR «und/oder» ZPO umgesetzt werden solle.

Die RK-NR hatte ihren Entwurf, zusammen mit den anderen beiden Vorlagen, im September 2021 in die Vernehmlassung geschickt. Bis zum Ablauf der Frist gingen 49 Stellungnahmen ein, wovon 16 positiv ausfielen. Die Hälfte der teilnehmenden Kantone (BE, BS, GR, OW, SO, VD), eine Mehrheit der Parteien (FDP, SP, Grüne) sowie eine Mehrheit der Verbände (unter anderem SGB, SSV, SMV und HEV) lehnten die Änderungen ab. Die ablehnenden Stellungnahmen wurden laut der Kommission unterschiedlich begründet. Eine Seite bemängelte eine Reduktion des Mieterschutzes, die andere Seite insbesondere das Fehlen beschleunigender Verfahrensregeln in der ZPO. Die RK-NR nahm die Vernehmlassungsantworten zur Kenntnis, beschloss jedoch in der Gesamtabstimmung mit 14 zu 9 Stimmen, den Entwurf ohne Änderungen dem Rat zu unterbreiten.

Mitte Oktober 2022 nahm der Bundesrat Stellung zum Entwurf. Er erachtete diesen als kritisch, da er die Stellung von Vermieterinnen und Vermietern auf Kosten von Mieterinnen und Mietern stärke. Das geltende Recht basiere aber auf einer im Rahmen einer grösseren Revision erfolgten Abwägung der Interessen von Vermietenden und Mietenden, weshalb der Bundesrat der Meinung war, dass nicht in dieses «diffizile Gleichgewicht eingegriffen werden sollte». Er sehe zudem keine Not, das Recht anzupassen, da dieses gut funktioniere, was etwa auch die hohen Einigungsquoten vor den Schlichtungsbehörden zeigten. Nicht zuletzt gelte es, auch die Vernehmlassungsantworten zu berücksichtigen. Die Polarisierung in der Vernehmlassung spreche gegen eine Anpassung der Regelungen zum Eigenbedarf.

Verfahrensbeschleunigung bei Kündigung des Mietverhältnisses wegen dringendem Eigenbedarf (Pa.Iv. 18.475)

Im August 2022, also über ein Jahr nach der Abstimmung in Moutier über einen Kantonswechsel des Städtchens von Bern zu Jura, reichten elf Stimmberechtigte eine Beschwerde gegen das Abstimmungsergebnis ein. Sie machten geltend, die jurassische Kantonsregierung habe die Stimmberechtigten vor der Abstimmung mit ihren Aussagen zur Zukunft des Spitals von Moutier in die Irre geführt. Das Spital gehört zu den grössten Arbeitgebern in Moutier und die Gegnerinnen und Gegner eines Kantonswechsels hatten schon seit Längerem argumentiert, ein Kantonswechsel würde die Zukunft des Spitals in Frage stellen. Die Zusicherung des jurassischen Regierungsrats, dass sich bei einem Kantonswechsel nichts an den im Spital Moutier angebotenen Leistungen ändern werde, hatte im Abstimmungskampf vor dem Urnengang vom 28. März 2021 deshalb viel Aufmerksamkeit erhalten. Ein Jahr nachdem sich die Stimmbevölkerung Moutiers 2021 schliesslich mit einer Mehrheit von 54.9 Prozent für einen Wechsel zum Kanton Jura ausgesprochen hatte, schickte das Gesundheitsamt des Kantons Jura indessen einen Entwurf für eine Spitalliste in die Vernehmlassung, mit welchem die Leistungen des Spitals Moutier – anders als im Abstimmungskampf versprochen – künftig reduziert würden.
Über die Beschwerde hatte die bernische Regierungsstatthalterin für den Berner Jura, Stéphanie Niederhauser, zu entscheiden, welche bereits 2018 eine frühere Abstimmung über einen Kantonswechsel Moutiers annulliert und diesen Entscheid unter anderem mit unzulässiger Abstimmungspropaganda durch die Gemeindebehörden begründet hatte. Die Geschichte wiederholte sich allerdings nicht: Im Oktober 2022 gab die Regierungsstatthalterin bekannt, dass sie die Beschwerde als unzulässig («irrecevable») erachte und nicht auf sie eintrete. Sie begründete dies damit, dass die künftige Spitalliste noch gar nicht definitiv sei. Ein Sprecher der Beschwerdeführenden gab daraufhin bekannt, man werde nun die definitive Spitalliste abwarten; falls diese weiterhin eine Reduktion des Leistungskatalogs beim Spital Moutier vorsehen und damit den jurassischen Zusicherungen aus dem Abstimmungskampf widersprechen sollte, werde man einen erneuten Rekurs prüfen. Die jurassische Regierungsrätin Nathalie Barthoulot (sp) wiederum liess verlauten, die medizinische Versorgung der Bevölkerung von Moutier werde auf jeden Fall garantiert; man werde sich bei der definitiven Festlegung der Spitalliste aber nicht von den Gegnerinnen und Gegnern des Kantonsübertritts unter Druck setzen lassen.

Votation communale du 18 juin 2017 à Moutier sur l'appartenance cantonale et répétition du 28 mars 2021
Dossier: Moutier und der Jurakonflikt

In der Herbstsession 2022 hiessen Stände- und Nationalrat die Gewährleistung der geänderten Kantonsverfassungen von Bern, Glarus, Appenzell Innerrhoden, dem Tessin und Neuenburg oppositionslos gut.
Im Ständerat erläuterten Kommissionssprecher Philippe Bauer (fdp, NE) und Justizministerin Karin Keller-Sutter, dass sowohl die einstimmige SPK-SR als auch der Bundesrat und das EJPD alle vorgelegten Verfassungsänderungen als bundesrechtskonform betrachteten. Bauer wies wie zuvor schon die bundesrätliche Botschaft lediglich noch darauf hin, dass die Kantone beim Erlass ihrer gesetzlichen Ausführungsbestimmungen auf die Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht achten müssten, wenn es um Bereiche gehe, die nicht einfach in die Autonomie der Kantone fallen, sondern in denen auch der Bund schon Gesetze erlassen hat – dies ist namentlich bei den neuen Berner Bestimmungen zum Energieverbrauch und bei den Tessiner Bestimmungen zur Ernährungssouveränität der Fall. Weitere Voten gab es im Ständerat nicht und der Nationalrat winkte das Geschäft als Zweitrat ganz ohne Wortmeldung durch.

Gewährleistung von Änderungen in den Kantonsverfassungen von Bern, Glarus, Appenzell Innerrhoden, Tessin und Neuenburg (BRG 22.034)