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Jahresrückblick 2021: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport

Auch im Jahr 2021 bestimmte die Covid-19-Pandemie massgeblich den Takt in der Schweizer Gesundheitspolitik. Unabhängig davon gaben hingegen insbesondere Geschäfte im Zusammenhang mit verschiedenen Volksinitiativen zu reden.

Am prominentesten diskutiert wurde in den Medien die Pflegeinitiative, wie beispielsweise Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse (im Anhang) zeigt – noch nie in den letzten vier Jahren wurde anteilsmässig häufiger über das Thema «Pflege» diskutiert als im Jahr 2021 (vgl. Abbildung 2). Die Pflegeinitiative zielte auf eine Verbesserung des Pflegendenstatus ab und wollte durch eine genügende Anzahl diplomierter Pflegefachpersonen den «Zugang aller zu einer ausreichenden Pflege von hoher Qualität» sicherstellen. Ende November 2021 nahm eine Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Vorlage an (61.0%). Mit Ausnahme eines Kantons sagten ferner alle Stände Ja und hörten damit nicht auf ihre Vertreterinnen und Vertreter in Bundesbern, welche die Initiative zur Ablehnung empfohlen hatten. Stattdessen wollten Regierung und Parlament den in der Initiative dargelegten Problemen mittels eines von der SGK-NR ausgearbeiteten indirekten Gegenvorschlags auf Gesetzesebene begegnen. Dieser hätte neben einer Ausbildungsoffensive auch eine Kompetenzerweiterung bezüglich selbständiger Abrechnung von Pflegeleistungen vorgesehen. In den Medien wurde der Abstimmungserfolg des Initiativkomitees unter anderem – aber nicht ausschliesslich – mit der Covid-19-Pandemie erklärt.

2021 ebenfalls auf der Traktandenliste des Parlaments stand die Organspende-Initiative und der dazu vom Bundesrat lancierte indirekte Gegenvorschlag. Einigkeit herrschte darüber, dass der Status quo der Zustimmungslösung nicht zufriedenstellend sei. Das Volksbegehren, welches beabsichtigte, dass neu alle Menschen automatisch zu Organspenderinnen und -spendern werden sollten, falls sie sich nicht explizit dagegen ausgesprochen hatten, ging jedoch sowohl dem Bundesrat als auch den beiden Kammern zu weit. Die Landesregierung forderte daher in ihrem Gegenvorschlag eine erweiterte Zustimmungslösung, bei der die Meinung der Angehörigen ebenfalls berücksichtigt wird. Nachdem der Nationalrat das Volksbegehren zunächst (denkbar knapp) zur Annahme empfohlen hatte, folgte er in der Herbstsession dem Ständerat, der sich einstimmig gegen die Initiative ausgesprochen hatte. Der indirekte Gegenvorschlag hingegen war weitgehend unbestritten und wurde von beiden Räten grossmehrheitlich für eine gute Lösung befunden, worauf das Initiativkomitee die Initiative bedingt zurückzog.

Die dritte Volksinitiative, mit der sich das Parlament 2021 im Gesundheitsbereich beschäftigte, war die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung», welche ein lückenloses Tabakwerbeverbot zum Inhalt hat. Auch dieses Volksbegehren ging National- und Ständerat zu weit, weshalb sie die Initiative zur Ablehnung empfahlen. Parallel dazu befasste sich das Parlament mit einem neuen Tabakproduktegesetz, das im Herbst 2021 verabschiedet wurde und unter anderem ebenfalls Bestimmungen zu Tabakwerbung beinhaltete. Die beiden Kammern präsentierten die Gesetzesrevision als indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative.

Als Folge der ersten Welle der Covid-19-Pandemie im Vorjahr beklagten viele Spitäler finanzielle Einbussen. Die Kantone Schaffhausen, Aargau, Tessin und Basel-Stadt reagierten 2021 mit vier Standesinitiativen, mittels welcher sie den Bund dazu auffordern wollten, für die Ertragsausfälle, die in Zusammenhang mit dem vom Bundesrat angeordneten Verbot «nicht dringend angezeigte[r] medizinische[r] Eingriffe und Therapien» entstanden waren, aufzukommen. Der Ständerat gab den Geschäften in der Wintersession 2021 mit 21 zu 19 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) keine Folge.

Verglichen mit dem Vorjahr, als die Medien sehr ausführlich über die Sportpolitik berichteten (vgl. Abbildung 2), erhielt dieses Thema im Jahr 2021 nur beschränkt Beachtung. Erneut medial diskutiert wurden unter anderem die finanziellen Schwierigkeiten der Sportvereine, deren Unterstützung auch vom Ausgang der Abstimmung über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes abhing.
Im Parlament wurde insbesondere die Frage diskutiert, wie eine Mitsprache der Bevölkerung bei der Organisation und der finanziellen Unterstützung Olympischer Spiele ermöglicht werden kann. Diesbezüglich zeigte sich der Nationalrat offener als der Ständerat, als er in der Sommersession ein entsprechendes Postulat der WBK-NR annahm und einer parlamentarischen Initiative Semadeni (sp, GR) Folge gab. Letztere schickte der Ständerat in der darauffolgenden Session allerdings bachab. Das Parlament diskutierte des Weiteren über die Finanzhilfen an Sportanlagen von nationaler Bedeutung 2022–2027 (NASAK 5), wobei der Ständerat den bundesrätlichen Entwurf in der Herbstsession guthiess und der Nationalrat ihm in der Wintersession folgte.

Im Bereich Sozialhilfe beugte sich die kleine Kammer in der Frühjahrssession 2021 über eine Motion Carobbio Guscetti (sp, TI), welche darauf abzielte, Sofortmassnahmen gegen das durch die Covid-19-Pandemie verursachte Armutsrisiko zu ergreifen. Das Geschäft fand jedoch bei den Kantonsvertreterinnen und -vertretern keine Mehrheit. Medial thematisiert wurden unter anderem die möglichen Folgen der Pandemie für die Sozialhilfe sowie ein Urteil des EGMR, in welchem der Kanton Genf bezüglich seines Bettelverbotes kritisiert wurde.

Jahresrückblick 2021: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
Dossier: Jahresrückblick 2021

In der Wintersession 2021 befasste sich der Ständerat mit vier Standesinitiativen der Kantone Schaffhausen, Aargau, Tessin und Basel-Stadt (Kt.Iv. 20.331; Kt.Iv. 21.304; Kt.Iv. 21.307; Kt.Iv. 21.312), die den Bund dazu auffordern wollten, für die während der ersten Covid-19-Welle entstandenen Ertragsausfälle der Spitäler aufzukommen. Peter Hegglin (mitte, ZG) erläuterte für die SGK-SR, dass es für eine «seriöse Beratung», inwiefern sich der Bund finanziell beteiligen soll, den Schlussbericht in Erfüllung des Postulates 20.3135, welcher auf Ende 2023 angekündigt sei, abzuwarten gelte. Daher habe die Kommission den Standesinitiativen keine Folge gegeben. Minderheitensprecher Hannes Germann (svp, SH) erwiderte, dass sich der Bund an den Kosten beteiligen solle, da er mit seinem Durchführungsverbot von nicht dringend angezeigten medizinischen Eingriffen und Therapien das Subsidiaritätsprinzip verletzt und in die kantonale Autonomie eingegriffen habe. Der dadurch entstandene Schaden belaufe sich gemäss Schätzungen des Dachverbands der Spitäler H+ Ende 2020 auf CHF 1.5 bis 1.8 Mrd. Auch Maya Graf (gp, BL) plädierte für Folgegeben und bezeichnete die Spitäler als «unsere wichtigsten Gesundheitsversorger». Mit 21 zu 19 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) gab das Stöckli den Kantonsbegehren knapp keine Folge.

Auch der Bund soll für die Spitäler zahlen (St.Iv. 20.331; St.Iv. 21.304; St.Iv. 21.307; St.Iv. 21.312)

Mittels Motion verlangte Ständerat Thomas Minder (parteilos, SH), dass Namensänderungen für Personen mit Landesverweis verunmöglicht werden sollen. Die Möglichkeit zur Namensänderung werde von verurteilten Straftäterinnen und Straftätern genutzt, um sich wieder eine «reine Weste» zu geben. Bei Personen mit Landesverweis sei das Argument, die Namensänderung sei notwendig, um die Resozialisierung in der Gesellschaft zu ermöglichen, allerdings nicht anwendbar. Sie müssten die Schweiz ohnehin verlassen, weshalb in solchen Fällen das öffentliche Sicherheitsinteresse höher zu gewichten sei als das individuelle Interesse der verurteilten Person, begründete der Motionär sein Anliegen. Der Bundesrat zeigte sich in seiner Stellungnahme bereit, das Anliegen «unter dem Vorbehalt der Wahrung der Grundrechte der betroffenen Person» umzusetzen, und beantragte die Motion zur Annahme.
Im Ständerat wurde der Vorstoss in der Wintersession 2021 vor allem vor dem Hintergrund diskutiert, dass die Schaffhauser Behörden dem verurteilten und mit Landesverweis belegten Dschihadisten Osama M. eine Namensänderung bewilligt hatten, wie Motionär Minder schilderte. Sein Schaffhauser Ratskollege Hannes Germann (svp, SH) erklärte weiter, dass es so «einem Mann mit äusserst grossem Gefährdungspotenzial [...] beinahe gelungen [wäre], eine neue Identität zu bekommen», da er «im Strafregister [fast] irgendwo zwischen Stuhl und Bank verschwunden» wäre. Der Staat müsse künftig vermeiden, dass es zu einem solchen «Fast-Super-GAU» kommen könne, appellierte er an die anwesende Bundesrätin Karin Keller-Sutter.
Die Grüne Ständerätin Lisa Mazzone (gp, GE) beantragte die Ablehnung der Motion. Sie warnte davor, aufgrund eines Einzelfalls zu legiferieren, und betonte, dass sie nicht einsehe, weshalb in dieser Frage zwischen Verurteilten mit und ohne Landesverweis unterschieden werden sollte; eine solche Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt und verletze den Verfassungsgrundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz. Wenn es tatsächlich ein Problem sei, dass ein Strafregistereintrag «bei einem Namenswechsel einfach verschwinden kann», dann sei das nicht nur bei Personen mit Landesverweis ein Problem, pflichtete Mathias Zopfi (gp, GL) seiner Fraktionskollegin bei.
Bundesrätin Karin Keller-Sutter bekräftigte den Willen des Bundesrates, die geforderte Anpassung vorzunehmen, unter dem Aspekt der öffentlichen Sicherheit: «Wenn jemand unter einer neu angenommenen Identität eine Gefährdung darstellt, dann ist das eine Gefährdung zu viel.» Mit 28 zu 13 Stimmen bei 2 Enthaltungen nahm die Ständekammer die Motion an.

Keine Namensänderung für Personen mit Landesverweis (Mo. 21.4183)

Im Frühling 2021 gab das UVEK bekannt, die letzte Bewilligung für die Durchführung einer Sondierbohrung erteilt zu haben. Damit hatte die NAGRA bei der Suche nach geeigneten Standorten für die Errichtung von Tiefenlagern vom Bund insgesamt 22 Mal grünes Licht für solche Bohrungen zur Erkundung des Untergrundes erhalten (und bei zwei der insgesamt 24 eingereichten Gesuche nachträglich einen Rückzug vorgenommen). In dieser dritten Etappe der Standortevaluierung, in welcher vornehmlich die drei Standortgebiete Jura Ost (AG), Nördlich Lägern (AG und ZH) sowie Zürich Nordost (ZH und TG) im Fokus stehen, soll ein genaueres und detaillierteres Verständnis der Eignung des Untergrunds für die Endlagerung radioaktiver Abfälle erlangt werden. Im November 2020 hatte die NAGRA bestätigt, dass sie diese drei Standortgebiete weiterhin als geeignet betrachte und dass dort sichere Tiefenlager gebaut werden könnten, wie die NZZ schrieb. Im Jahr 2022 will die NAGRA bekannt geben, für welche Gebiete sie bis 2024 Rahmenbewilligungsgesuche beim Bundesrat einreichen möchte. Bereits im Jahr zuvor wurde die Untersuchung von Standorten für die Errichtung von Tiefenlagern teils emotional mitverfolgt. Der Aargauer Zeitung zufolge erklärte der Aargauer Regierungsrat im April 2021 etwa, dass er zwar konstruktiv bei der Suche mitarbeiten möchte, ein Tiefenlager auf dem Kantonsgebiet aber unerwünscht sei. Der Kanton Aargau trage bereits «überproportionale Lasten für die ganze Schweiz» (namentlich den Durchgangsverkehr und die bestehenden Atomkraftwerke, wie der Tages-Anzeiger ausführte), weshalb ihm eine weitere Belastung «nicht zugemutet werden» könne, gab das Blatt die Haltung der Kantonsregierung wieder. Die Zürcher Kantonsregierung liess verlauten, sich nicht mehr grundsätzlich gegen die Errichtung eines Endlagers auf dem Kantonsgebiet zu wehren, zog jedoch eine «rote Linie» (Thurgauer Zeitung) bei der Frage des Verpackungszentrums. Diese sogenannte «heisse Zelle», wie die oberirdische Anlage für die Endverpackung der radioaktiven Abfälle in spezielle Behälter genannt wird, dürfe im Sinne einer Lastenverteilung nicht auch noch auf dem Gebiet des Kantons Zürich zu stehen kommen, wie der Tages-Anzeiger im April 2021 berichtete. Nebst dieser Bedingung nannte der Zürcher Regierungsrat auch, dass durch die vielen Bauten an der Oberfläche keine Trinkwasserressourcen gefährdet werden dürften, eine Forderung, welcher sich auch der Kanton Thurgau und der Kanton Schaffhausen anschlossen. Der Regierungsrat des Kantons Thurgau werde gemäss der Thurgauer Zeitung für den sichersten Standort einstehen und setze sich deshalb für einen transparenten, sachbasierten und nachvollziehbaren Prozess ein. Man widersetze sich damit einer Standortwahl im Kanton Thurgau nicht grundsätzlich. Der an die Standortregion Zürich Nordost angrenzende Kanton Schaffhausen krisierte hingegen den Prozess der Standortsuche, zumal die detaillierten Begründungen zur Standortwahl nicht im Jahr 2022 mit der Bekanntgabe der Standortwahl, sondern erst zwei Jahre später mit der Einreichung des Rahmenbewilligungsgesuchs erfolgen werden. Bevor nicht alle Aspekte im Detail geklärt seien, dürfe die NAGRA im Jahr 2022 deshalb keine Standortwahl treffen, so die Meinung des Schaffhauser Regierungsrats. Zu Diskussionen führte schliesslich auch die Frage nach finanziellen Entschädigungen: Bezüglich Belastung forderten die drei Standortregionen in einem gemeinsamen Brief, dass sie, falls sie für die Errichtung des Endlagers ausgewählt würden, für ihren Beitrag zu einer Lösung über einige Jahre hinweg finanziell – in den Medien wurde eine Zahl von total mindestens CHF 800 Mio. genannt – entschädigt würden, so wie dies von den Entsorgungspflichtigen ursprünglich vorgesehen worden sei. Wenn eine Gemeinde einen Anteil von den «zehn Dreifachturnhallen», die «bis unters Dach» mit Atommüll gefüllt sind, unter sich beherberge, so habe dies beispielsweise grosse Auswirkungen auf die Immobilienpreise, auf den Absatz von Agrarprodukten oder auf den Tourismus, wie die Thurgauer Zeitung schrieb. Eine finanzielle Entschädigung sei zwar gesetzlich nicht vorgeschrieben, entspreche jedoch wohl dem politischen Willen einer Mehrheit, wie BFE-Sprecher Stefan Jordi gegenüber der Thurgauer Zeitung erklärte.

Endlager für radioaktive Abfälle (3. Etappe; 2018–2029)
Dossier: Debatte um die Entsorgung radioaktiver Abfälle ab dem Jahr 2000

Die Kantone Schaffhausen, Aargau, Tessin und Basel-Stadt verlangten in vier ähnlich gelagerten Standesinitiativen (Kt.Iv. 20.331; Kt.Iv. 21.304; Kt.Iv. 21.307; Kt.Iv. 21.312) die Beteiligung des Bundes an den Ertragsausfällen der Spitäler, die auf das durch den Bundesrat erlassene Verbot von «nicht dringend angezeigten medizinischen Eingriffe[n] und Therapien» vom März 2020 zurückzuführen sind. Es gehe nicht an, dass sich der Bund nun aus der Verantwortung stehle, ist etwa der Begründung des Kantons Schaffhausen zu entnehmen. Damit keine kantonalen Ungleichbehandlungen entstünden, solle die Koordination der Kompensation zwischen dem Bund, den Kantonen und den Krankenkassen über die GDK erfolgen. Im November 2021 nahm sich die SGK-SR den Standesinitiativen an. Ihr zufolge falle das Bereitstellen der für die Pandemie notwendigen Spitalkapazitäten in den Aufgabenbereich der Kantone. In Krisensituationen liege es an allen Staatsebenen, einen Teil der Last zu übernehmen. Bislang sei es der Bund gewesen, der 80 Prozent der Kosten, die im Zusammenhang mit der Pandemie angefallen sind, übernommen habe. Daher beantragte die Kommission mit 9 zu 3 Stimmen, den Standesinitiative keine Folge zu geben.

Auch der Bund soll für die Spitäler zahlen (St.Iv. 20.331; St.Iv. 21.304; St.Iv. 21.307; St.Iv. 21.312)

Ende September 2021 gab das BAG bekannt, dass die mittlere Krankenkassenprämie 2022 erstmals seit 2008 nicht ansteigen, sondern um 0.2 Prozent sinken werde. Seit 2011 war die mittlere Prämie, also die durchschnittlich bezahlte Prämie, jährlich durchschnittlich um 2.4 Prozent angestiegen. Der Bundesrat führte den Rückgang auf seine Änderung der KVAV von April 2021 zurück, gemäss welcher die Versicherungen die Prämie durch Reserveabbau um 1.2 Prozent hätten senken und ihre Prämien allgemein knapper hätten kalkulieren können. Darüber hinaus werden die Versicherungen 2021 CHF 134 Mio. an zu hohen Prämieneinnahmen auf Genehmigung des BAG zurückerstatten. Somit war der Prämienrückgang also nicht durch einen Kostenrückgang begründet, wie etwa die NZZ betonte.
Weiterhin gross waren die regionalen Unterschiede in der Prämienentwicklung: In 14 Kantonen sanken die Prämien, in Basel-Stadt und Genf gar um 2.1 und 1.5 Prozent, hingegen kam es in 12 Kantonen, insbesondere der Ost- und Zentralschweiz, zu einem Prämienanstieg (OW: 1.4%, GL: 1.1%, NW: 0.9%, AI: 0.7%, AR, TG und LU: alle 0.6%, UR: 0.5%, SO: 0.4%, AG: 0.3%, SG und SH: beide 0.2%). Somit erfuhren für einmal diejenigen Kantone mit überdurchschnittlich hohen Prämien eine Entlastung, während die Kantone mit unterdurchschnittlichen Prämien einen Prämienanstieg zu verzeichnen hatten. Kaum Auswirkungen hatte dies jedoch auf die regionalen Unterschiede in der Prämienhöhe: Im Jahr 2022 weisen weiterhin die Kantone Basel-Stadt (CHF 409.80) und Genf (CHF 399.90) die höchsten mittleren Prämien auf, die niedrigsten fallen weiterhin in den Kantonen Appenzell-Innerrhoden (CHF 214.80) und Uri (CHF 243.80) an.
Insbesondere in der Ostschweiz sorgte die Prämienerhöhung für Ärger, wie die regionalen Medien berichteten. Die tiefen Prämien in der Ostschweiz seien durch tiefe Gesundheitskosten begründet, entsprechend sei die aktuelle Prämienerhöhung auf eine Umverteilung der Prämiengelder von der Ost- in die Westschweiz zurückzuführen, wurde vermutet. Dies veranlasste Christian Lohr (mitte, TG; Ip. 21.4263), Jakob Stark (svp, TG; Ip. 21.4328) und Mike Egger (svp, SG; Ip. 21.4228) zu Interpellationen an den Bundesrat. Der Bundesrat erklärte, dass Prämienveränderungen nicht aufgrund der aktuellen Höhe der Kosten, sondern aufgrund der erwarteten Änderungen der Kosten entstünden – in verschiedenen Ost- und Zentralschweizer Kantonen werde mit einem Kostenanstieg, in Basel-Stadt und Genf hingegen mit einer Kostenreduktion gerechnet. Zudem seien die Prämien etwa in den Ostschweizer Kantonen im Jahr 2021 gleich geblieben oder sogar gesenkt worden, weshalb jetzt eine Korrektur nötig sei.

Krankenkassenprämien 2022
Dossier: Prämien- und Kostenentwicklung in der Krankenversicherung (seit 2010)

Stände- und Nationalrat haben in der Herbstsession 2021 den geänderten Verfassungen der Kantone Uri, Schaffhausen, Aargau, Tessin und Genf oppositionslos die Gewährleistung erteilt. Die einzige Wortmeldung zum Geschäft kam von Kommissionssprecher Andrea Caroni (fdp, AR) im Ständerat. Er führte aus, dass das Geschäft auch in der Kommission kaum zu Diskussionen Anlass gegeben hatte. Einzige Ausnahme seien die neuen Genfer Verfassungsbestimmungen über die Steuerpolitik gewesen, nach denen sich der Kanton für eine Verringerung des interkantonalen Steuerwettbewerbs und bei der kantonalen Umsetzung von Steuerreformen des Bundes für eine stärkere Steuerprogression einsetzen soll. Die Kommission sei aber wie schon der Bundesrat in seiner Botschaft zum Schluss gekommen, dass diese Bestimmungen unproblematisch seien, solange sich der Kanton Genf bei der Umsetzung in den Grenzen des Bundesrechts bewege. Einer Gewährleistung stehe somit nichts im Weg.

Garantie des constitutions cantonales (UR, SH, AG, TI, GE) (MCF 21.040)
Dossier: Gewährleistung kantonaler Verfassungen

Wie er ein Jahr zuvor angekündigt hatte, empfahl der Bundesrat die Prämien-Entlastungs-Initiative in seiner im September 2021 publizierten Botschaft zur Ablehnung und stellte ihr einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Er wolle das Anliegen der Initiative, die «Bevölkerung bei den Prämien zu entlasten», im Rahmen des KVG umsetzen, eine Verfassungsänderung sei dafür nicht notwendig. So wolle er dafür sorgen, dass die Anteile verschiedener Kantone an der Prämienverbilligung nicht weiter sinken. Demnach soll zukünftig ein Mindestbeitrag für die Kantone in Abhängigkeit der Bruttokosten der OKP für die im Kanton Versicherten sowie in Abhängigkeit der mit den Prämienverbilligungen verbleibenden Belastung der Versicherten festgesetzt werden.
In der dazu durchgeführten Vernehmlassung mit 57 Teilnehmenden, unter anderem der GDK, der SODK, allen Kantonen, sechs Parteien sowie verschiedenen Verbänden, war der Gegenvorschlag auf geteilte Meinungen gestossen. Ihre Unterstützung sagten die Kantone Waadt und Tessin, die SP und die Grüne Partei, der Gewerkschaftsbund sowie verschiedene Konsumenten- und andere Verbände zu und auch die FDP, die Mitte, die EVP und die Versichererverbände begrüssten gemäss Botschaft den Vorentwurf. Ablehnend reagierten elf Kantone (AR, BL, GL, LU, NW, OW, SG, SZ, UR, ZG, ZH), die SVP und der Gewerbeverband. Alternativvorschläge machten die CLASS, welche die Bundesbeiträge nach deren Bedarf an die Kantone verteilen wollte, und die GDK, die alle kantonalen Beiträge an die Prämien, auch diejenigen über die Sozialhilfe oder die EL, zur Berechnung des Mindestanteils einbeziehen wollte.

Eidgenössische Volksinitiative «Maximal 10 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien (Prämien-Entlastungs-Initiative)» und indirekter Gegenvorschlag (BRG 21.063)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)
Dossier: Prämienverbilligung
Dossier: Volksinitiativen zum Thema «Krankenkasse» (seit 2015)

Die Vernehmlassung zur Revision des Sexualstrafrechts, die in der ersten Jahreshälfte 2021 durchgeführt wurde, wurde von einer lebhaften öffentlichen Debatte begleitet. Vor allem die Tatsache, dass die zuständige RK-SR im Vernehmlassungsentwurf keine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung zur Debatte stellte, sorgte für Unverständnis bei den linken Parteien sowie bei Frauen- und Menschenrechtsorganisationen. Nur die Zustimmungslösung verwirkliche die sexuelle Selbstbestimmung, weil Sex ohne Einverständnis grundsätzlich als Vergewaltigung anzusehen sei, argumentierten sie. Demgegenüber traten Kritikerinnen und Kritiker mit Bedenken an die Medien, dass eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung faktisch die Beweislast im Strafprozess umkehre und zu mehr Falschanschuldigungen führen könnte.
Das rege Interesse spiegelte sich denn auch in der rekordhohen Zahl an Stellungnahmen: Von den Kantonen, Parteien und Verbänden sowie interessierten Kreisen gingen 124 individuelle Stellungnahmen ein. Darüber hinaus wurden im Zuge der Kampagne «Nur Ja heisst Ja! – Art. 190 ändern» der SP Frauen* mehr als 10'000 gleichlautende Stellungnahmen von Privatpersonen eingereicht. Noch nie hätten sich in einer Vernehmlassung so viele Einzelpersonen geäussert, berichtete die Presse. Wie der im August 2021 erschienene Ergebnisbericht zeigte, wurde der Bedarf für eine Revision des Sexualstrafrechts überwiegend bejaht, wobei sich an der konkreten Ausgestaltung die Geister schieden. Dabei waren nicht nur diverse Mindest- und Höchststrafmasse umstritten, sondern insbesondere auch der von der RK-SR neu eingeführte Grundtatbestand des sexuellen Übergriffs (Art. 187a StGB). Im Gegensatz zur Vergewaltigung, die im Vorentwurf wie bisher über ein Nötigungselement definiert wird, sollte der neue Tatbestand den Geschlechtsverkehr gegen den Willen einer Person erfassen, wenn diese nicht dazu genötigt wird. Diese Unterscheidung wurde von vielen Teilnehmenden kritisiert, weil sie die Klassifizierung einer Sexualstraftat als Vergewaltigung weiterhin an der Reaktion des Opfers festmache bzw. daran, dass der Täter oder die Täterin dessen (physischen) Widerstand überwunden haben müsse. Wenn das Opfer allerdings in einen Schockzustand gerate und sich gar nicht wehren könne, sei eine Nötigung in diesem Sinne gar nicht erforderlich, um den Tatbestand der Vergewaltigung zu erfüllen. Stattdessen wurde gefordert, diesen Aspekt in Artikel 189 StGB (sexuelle Nötigung) und 190 StGB (Vergewaltigung) zu integrieren. Diese Ansicht wurde von rund zwei Dritteln der Teilnehmenden vertreten. Höchst umstritten war des Weiteren die im Vorentwurf vorgesehene «Nein-heisst-Nein»-Lösung: Strafbar soll es werden, «gegen den Willen einer Person oder überraschend» eine sexuelle Handlung vorzunehmen. 36 Teilnehmende sprachen sich hierfür aus. Demgegenüber hätten sich 80 Teilnehmende eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung gewünscht, also die Ersetzung des Ausdrucks «gegen den Willen» durch «ohne Einwilligung». Dies würde gesellschaftspolitisch ein wichtiges Signal setzen, dass bestimmte Verhaltensweisen gesellschaftlich nicht toleriert würden, erklärten verschiedene Frauenrechtsorganisationen. Unter den Parteien sprachen sich die SP, die Grünen und die GLP für die Zustimmungslösung aus. Während sich die Mitte dazu nicht äusserte, weil ein solcher Vorschlag nicht Gegenstand der Vernehmlassung war, zeigte sich die FDP grundsätzlich offen für eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Regel; die FDP-Frauen mit Präsidentin Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp, SG) an der Spitze traten in den Medien unterdessen prominent für die Zustimmungslösung ein. Dezidiert dagegen äusserte sich die SVP. Die Kantone zeigten sich in dieser Frage gespalten, wobei sich gemäss NZZ für ein ursprünglich linkes Anliegen «auffällig viele» Kantone positiv zur Zustimmungslösung äusserten – neben Zürich und den meisten Westschweizer Kantonen notabene auch «diverse konservativere Kantone wie Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen oder Nidwalden».
Zusätzlich befeuert wurde die öffentliche Debatte um Zustimmungs- oder Widerspruchslösung durch die Anfang August 2021 ausgesprochene Urteilsbegründung des Basler Appellationsgerichts in einem Vergewaltigungsfall. Das Appellationsgericht hatte die Freiheitsstrafe für einen Vergewaltiger verkürzt und in der mündlichen Urteilsbegründung unter anderem angeführt, das Opfer habe «Signale gesendet» und «mit dem Feuer gespielt». Obwohl sich das Gericht ob der prompten und heftigen öffentlichen Kritik zu einer Stellungnahme gedrängt sah, in der es versuchte, die in der Öffentlichkeit entstandenen «Missverständnisse» zu erklären, wurden diese Aussagen in den Medien dahingehend interpretiert, dass das Gericht dem Opfer die Mitschuld an der Vergewaltigung gebe. Vor diesem Hintergrund erhielten die Forderungen nach einer «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung weiteren Auftrieb, nun auch explizit verstärkt durch Stellungnahmen von Fachpersonen aus der Psychologie und dem Rechtswesen.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Im Juni 2021 wurde in Trogen die Junge Mitte Appenzell Ausserrhoden gegründet. Im Beisein der nationalen Parteipräsidentin, Sarah Bünter (SG), wurde Raphael Brauchli zum ersten Präsidenten der neuen Sektion gewählt. Die Ausserrhoder Sektion ist schweizweit die 26. Kantonalpartei der Jungen Mitte, wobei in Appenzell Innerrhoden keine Sektion besteht, im Wallis hingegen zwei (je eine im Ober- und im Unterwallis).

Gründung der Jungen Mitte Appenzell Ausserrhoden

Le Conseil fédéral propose au Parlement d'accorder la garantie fédérale aux constitutions de cinq cantons après que celles-ci aient été révisées. Dans le canton d'Uri, la modification constitutionnelle concerne le droit de nécessité. Adopté en votation populaire le 29 novembre 2020, le nouvel article (art. 90, al. 3, cst. UR) permet au Conseil d'Etat d'introduire des arrêtés de nécessité pour une durée limitée. Ceux-ci doivent être validés a posteriori par le Grand Conseil. La constitution du canton de Schaffhouse a été dotée d'un article traitant de la transparence du financement de la vie politique (art. 37a, cst. SH). Cette disposition, qui oblige notamment les personnes élues ou candidates à des fonctions publiques à publier leurs liens d'intérêt, est similaire à celles ajoutées aux constitutions de Schwyz et Fribourg, validées par le Parlement en mars 2019. En Argovie, les compétences des autorités scolaires (§ 31 let. b, cst. AG) ont fait l'objet d'une modification alors que l'article 55bis cst. AG sur la mise en œuvre de la loi fédérale sur les jeux d'argent a été abrogé. Au Tessin, un article concernant le principe de subsidiarité (art. 4, al. 4, cst TI), accepté par le peuple le 9 février 2020, a été ajouté à la constitution. Enfin, plusieurs modifications ont eu lieu dans le canton de Genève. Alors que la présidence du Conseil d'Etat était attribuée auparavant pour toute la législature, les membres de l'exécutif l'occuperont désormais pour une année, avant de céder la place à un.e collègue (art. 105, al. 2 et 3, cst GE). Les autres changements concernent notamment la concurrence fiscale intercantonale, les institutions de maintien, d'aide et de soins à domicile et les droits des personnes en situation de handicap.
Après vérification, ces modifications sont conformes au droit fédéral, raison pour laquelle le Conseil fédéral recommande leur adoption.

Garantie des constitutions cantonales (UR, SH, AG, TI, GE) (MCF 21.040)
Dossier: Gewährleistung kantonaler Verfassungen

In Erfüllung einer Motion der SGK-SR (Mo. 18.4091) legte der Bundesrat im Mai 2021 die Botschaft zum Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit in der OKP und den Zusatzversicherungen vor. Wie von der Motion vorgesehen, soll der Bundesrat im Sinne der Selbstregulierung Branchenlösungen der Krankenversicherungen im Bereich der Vermittlertätigkeit allgemeinverbindlich erklären können, wenn sie von Versicherungen eingereicht werden, die mindestens zwei Drittel aller Versicherten in der Schweiz abdecken. Dadurch würden die Bestimmungen auch für Versicherungen, die der Vereinbarung nicht beigetreten sind, obligatorisch. Solche Regelungen sind vorgesehen bezüglich eines Verbots der Telefonwerbung bei Personen, die nie bei der fraglichen Versicherung versichert waren, bezüglich der Ausbildung der Vermittlerinnen und Vermittler, einer Einschränkung ihrer Entschädigungen und der Notwendigkeit von unterschriebenen Beratungsprotokollen.

Zwischen Mai und September 2020 hatte der Bundesrat dazu eine Vernehmlassung durchgeführt, bei der 84 Stellungnahmen eingingen. Vollständig einverstanden mit dem Gesetz zeigten sich 13 Kantone (AI, AR, BE, BL, NE, NW, OW, SO, TG, TI, UR, VS, ZG), die CVP sowie der Schweizerische Verband der Versicherungsgeneralagenten. Vollständig abgelehnt wurde sie von Economiesuisse und dem Gewerbeverband, dem Schweizerischen Konsumentenforum kf und verschiedenen Versicherungsbrokern. Die übrigen Akteure anerkannten jeweils den Regulierungsbedarf, empfanden den Entwurf aber als zu weitgehend (FDP, SVP, Bauernverband, Centre Patronal und verschiedene Versicherer sowie Curafutura und Santésuisse) respektive als zu wenig weitgehend (Kantone AG, BS, GE, JU, LU, VD; SP, Grüne, Gewerkschaftsbund, Konsumentenverbände FRC und SKS, Ombudsstelle Krankenversicherung).
Die Organisationen, welchen der Entwurf zu weit ging, kritisierten insbesondere die Definition der Vermittlertätigkeit, bei der der Bundesrat neben den externen auch die internen Vermittlerinnen und Vermittler berücksichtigt. Kritisiert wurde auch das vorgesehene Sanktionssystem und der vorgeschriebene Ausbildungsstandard, da dieser nicht durch das SBFI überprüft werde. Zudem wurde die Notwendigkeit eines neuen Gesetzes von verschiedenen Teilnehmenden verneint und eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit von kleinen Versicherungen befürchtet. Weiterführende Forderungen waren hingegen eine Muss- statt einer Kann-Bestimmung zum Abschluss einer Vereinbarung sowie die Schaffung einer subsidiären Kompetenz des Bundesrates, wenn die Versicherungen keine gemeinsame Vereinbarung erzielen.

Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit (BRG 21.043)

Am 7. März 2021 nahm die Schweizer Stimmbevölkerung die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» mit 51.2 Prozent Ja-Stimmen an. Damit fiel das Ergebnis letztlich knapper aus als aufgrund von Vorumfragen erwartet. Die Stimmbeteiligung betrug 51.4 Prozent. Die höchste Zustimmung erfuhr das Verhüllungsverbot im Jura (60.7% Ja), gefolgt vom Tessin (60.5%) und Schwyz (60.2%). In St. Gallen, wo wie im Tessin bereits ein kantonales Verhüllungsverbot gilt, dem 2018 zwei Drittel der Stimmbevölkerung zugestimmt hatten, war die Zustimmung mit 53.1 Prozent vergleichsweise schwach. Am wenigsten Unterstützung erhielt die Initiative im Kanton Basel-Stadt (40.6% Ja), gefolgt von Zürich (45.2%) und Genf (48.7%). Auch die Kantone Appenzell Ausserrhoden (49.1%), Bern (49.6%) und Graubünden (49.6%) lehnten die Initiative knapp ab. Bemerkenswert hoch war die Zustimmung für eine Initiative aus den Reihen der SVP – auch im direkten Vergleich mit dem 2009 angenommenen Minarettverbot, das ebenfalls vom Egerkinger Komitee initiiert worden war – in der Westschweiz. Verschiedene Expertinnen und Experten mutmassten in den Medien, dass einerseits die Nähe zu Frankreich den Diskurs analog der dort geführten Debatten stärker auf den sicherheitspolitischen Aspekt gelenkt habe und andererseits die in der Romandie stark präsenten, prominenten bürgerlichen und linken Stimmen, die sich für die Initiative starkgemacht hatten, wohl erheblichen Einfluss gehabt und den Anti-SVP-Reflex beschränkt hätten.
Die Befürwortendenseite wertete den Entscheid als «ein klares Signal des Widerstands gegen die Islamisierung der Schweiz», wie sich der Urheber des ersten kantonalen Verhüllungsverbots Giorgio Ghiringhelli vom «Corriere del Ticino» zitieren liess. Als «Zeichen gegen den ‹politischen Islam›, der vielen Menschen Unbehagen bereitet», interpretierte die NZZ das Votum. Der Berner SP-Grossrat Mohamed Hamdaoui sah im Resultat dementsprechend einen Positionsbezug der gemässigten Muslime gegen den Islamismus, wie er gegenüber «Le Temps» verlauten liess.
Das unterlegene Lager bedauerte den Volksentscheid derweil aus verschiedenen Gründen. Feministische Kreise, die sich gegen das Verhüllungsverbot starkgemacht hatten, fühlten sich durch das Argument, die Vollverschleierung sei Ausdruck der Unterdrückung der Frauen, für rassistische und xenophobe Zwecke missbraucht, wie deren Vertreterin Meriam Mastour gegenüber der Presse erklärte. Die Tourismusbranche befürchtete einen Imageschaden für die Schweiz und zeigte sich besorgt, dass künftig weniger kaufkräftige und konsumfreudige Gäste aus den Golfstaaten die Schweiz besuchen würden. Die Jungen Grünen und der IZRS erklärten unabhängig voneinander, eine gerichtliche Anfechtung des Verhüllungsverbots wenn nötig bis vor den EGMR unterstützen zu wollen. Pascal Gemperli, Pressesprecher der FIDS, zeigte sich um die Sicherheit der muslimischen Gemeinschaft besorgt und befürchtete zunehmende Aggression und Gewalt gegenüber Musliminnen und Muslimen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter betonte gegenüber den Medien, das Abstimmungsresultat sei nicht als Votum gegen die Musliminnen und Muslime in der Schweiz zu verstehen. Diese Linie wurde im unterlegenen Nein-Lager breit vertreten. Dass der Ja-Anteil gegenüber der Minarettinitiative deutlich abgenommen habe, gebe Anlass zur Hoffnung, dass die Schweiz vielleicht doch nicht so islamfeindlich sei, so der Tenor.
Letztlich sei der Entscheid «vor allem auf symbolischer Ebene bedeutsam», resümierte die NZZ. Die konkreten praktischen Auswirkungen sind in der Tat noch unklar. Wie Karin Keller-Sutter erklärte, liege die Umsetzung bei den Kantonen, weil sie über die Polizeihoheit verfügten. Sie hätten nun zwei Jahre Zeit, entsprechende Gesetze zu erlassen. Der Bund müsse das Verbot unterdessen für diejenigen Bereiche, in denen er zuständig ist – beispielsweise im öffentlichen Transportwesen und im Zollwesen – auf Gesetzesebene konkretisieren. Gemäss dem «Blick» zeigten sich einige Kantonsvertretende wenig motiviert, ein gesetzliches Verhüllungsverbot zu erlassen, und würden die Umsetzung lieber ganz dem Bund überlassen. Initiant Walter Wobmann (svp, SO) warf dem Bund in derselben Zeitung bereits vor, die Initiative nicht umsetzen zu wollen: Ein Bundesgesetz sei «unabdingbar, um zu verhindern, dass am Schluss in jedem Kanton etwas anderes gilt», zitierte ihn das Blatt.


Abstimmung vom 7. März 2021

Beteiligung: 51.42%
Ja: 1'427'344 (51.2%) / Stände: 16 4/2
Nein: 1'360'750 (48.8%) / Stände: 4 2/2

Parolen:
– Ja: EDU, Lega, SD, SVP
– Nein: FDP (4*; Frauen: 1*; Jungfreisinnige: 2*), GLP, GP, KVP, Die Mitte (2*), PdA, SP; EKR, SSV, Travail.Suisse, VPOD, Schweizer Tourismus-Verband, EKS, SBK, Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG), Schweizerischer Rat der Religionen, Katholischer Frauenbund (SKF), Alliance F, Amnesty International, Operation Libero
– Stimmfreigabe: EVP (3*); Schweizerische Evangelische Allianz
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

2020 wählten acht Kantone ihre Parlamente neu (SG, UR, TG, SZ, SH, JU, AG, BS). Die «grüne Welle» spülte auch 2020 viele Mitglieder der Grünen und der Grünliberalen in die kantonalen Legislativen. Die Grünen gewannen in allen acht Kantonen Wähleranteile dazu, die Grünliberalen in sieben von acht – im Kanton Uri waren sie nicht zur Wahl angetreten. Diese Gewinne brachten den Grünen in diesen Kantonen total 69 Mandate ein (bei den letzten Wahlen in diesen Kantonen waren es noch 45 gewesen) und den Grünliberalen 48 (27 bei den letzten Wahlen in denselben Kantonen). Die Bundesratsparteien schwächelten derweil. Die FDP verlor in allen acht Kantonen Mandate (insg. -17 Sitze in diesen Kantonen), die SP (-12 Sitze) und die SVP (-14 Sitze) je in deren sechs. Am besten hielt sich die CVP (-4 Sitze), welche zwar in drei Kantonen Mandate abgeben musste, aber auch in drei Kantonen Sitze zulegen konnte.

Der Frauenanteil in den kantonalen Parlamenten stieg in sechs von acht Kantonen – am stärksten im Kanton Basel-Stadt (42.0%, +11 Prozentpunkte gegenüber den letzten Wahlen). Einzig in den Kantonen Jura (15.0%, +/- 0 Prozentpunkte) und Schwyz (9.0%, -5 Prozentpunkte) führten die Wahlen 2020 nicht zu einem Parlament mit mehr weiblichen Mitgliedern. Die Wahlbeteiligung lag einzig im Kanton Schaffhausen (57.0%), wo die Stimmpflicht gilt, über 50 Prozent. Am wenigsten Wahlberechtigte fanden im Kanton Thurgau den Weg an die Urne (32.6%).

Die acht Kantone führten auch Gesamterneuerungswahlen ihrer Exekutiven durch. Die grössten Veränderungen brachten die Wahlen im Kanton Basel-Stadt: Die SP konnte ihre zwei Rücktritte verteidigen, nicht aber die FDP und die Grünen, die beide die Abwahl eines amtierenden Regierungsratsmitglieds hinnehmen mussten. An ihre Stelle traten Vertreterinnen der LDP und der GLP. Die FDP verlor in zwei weiteren Kantonen einen Regierungssitz: in Uri an die SVP und in Schaffhausen an die SP. In den anderen Kantonen änderten die Wahlen jedoch nichts an der Parteizusammensetzung der Regierungen. In den Kantonen St. Gallen, Thurgau, Aargau und Schwyz kam es zwar zu Rücktritten von Regierungsmitgliedern auf Ende der Amtsperiode, überall schafften es die entsprechenden Parteien jedoch, ihre Sitze zu verteidigen. Im Kanton Jura kam es in den Gesamterneuerungswahlen im Herbst gar zu keiner einzigen personellen Änderung. Allerdings war es im Frühjahr vor den regulären Wahlen noch zu einer Ersatzwahl gekommen, bei der die CVP ihren freigewordenen Sitz an die Kandidatin der SP verlor, welche diesen ein halbes Jahr später erfolgreich verteidigte. Auch im Kanton Waadt kam es im Berichtsjahr zu einer Ersatzwahl, bei welcher die FDP ihren freigewordenen Sitz ebenfalls erfolgreich verteidigte. Unter dem Strich war Ende 2020 ein kantonales Regierungsmandat mehr von einer Frau besetzt als noch im Vorjahr (neu: 39 von 154 Mandaten). Während in der Regierung von Uri neu keine Frau mehr einsitzt anstatt wie bisher noch zwei, ist in Basel-Stadt, St. Gallen und Jura neu je ein Regierungsamt mehr von einer Frau besetzt.

Auch die Städte Genf, Luzern, Biel, St. Gallen und Bern wählten die Mitglieder ihrer Legislativen neu. Dort zeigte sich ein ähnliches Bild wie bei den kantonalen Wahlen: die grosse Gewinnerin war die Grüne Partei, welche in allen fünf Städten verglichen mit den letzten Wahlen Mandate dazugewann (zusammengezählt von 48 auf 69 Sitze). Auch die Grünliberale Partei legte in diesen Städten zu, wenn auch in geringerem Masse (von 21 auf 28 Mandate; keine Vertretung in Genf).

Bei den meisten grossen Städten blieb die Parteizusammensetzung der Exekutiven nach den Wahlen gleich wie in der vorherigen Amtsperiode; namentlich in Bern, St. Gallen, Luzern und Biel. Dramatischer ging es in Genf zu und her, wo gleich vier der fünf amtierenden Regierungsmitglieder sich nicht mehr zur Wiederwahl stellten – zwei davon laut eigenen Angaben wegen eines Reputationsverlusts im Zusammenhang mit einer Spesenaffäre. Schlussendlich führten die Wahlen in der Stadt Genf zu einem Sitzgewinn der Grünen auf Kosten der Partei SolidaritéS. In Winterthur kam es derweil zum dritten Mal seit 2016 zu einem unerwarteten Abgang eines Mitglieds der Exekutive und daraufhin zu einer Ersatzwahl, bei der die FDP ihren freigewordenen Sitz an die Kandidatin der GLP abtreten musste.

Übersicht über die Wahlen auf Kantons- und Gemeindeebene 2020
Dossier: Kantonale Regierungswahlen 2020
Dossier: Kommunale Wahlen 2020
Dossier: Kantonale Parlamentswahlen 2020
Dossier: Übersicht über die Wahlen auf Kantons- und Gemeindeebene

In der Vernehmlassung wurde das Vorhaben des Bundesrates, einen nationalen Adressdienst (NAD) zu schaffen, mehrheitlich befürwortet. Von den 55 eingegangenen Vernehmlassungsantworten äusserten sich 35 positiv zum Vorentwurf, darunter 21 Kantone sowie die BDP, die SP und die SVP. Zehn Teilnehmende positionierten sich nicht eindeutig oder zogen ein gemischtes Fazit, wobei nicht der Nutzen des Dienstes, sondern dessen konkrete Ausgestaltung in Frage gestellt wurde. Zu dieser Gruppe zählten die Kantone Appenzell Ausserrhoden und Graubünden, die CVP, der Gemeinde- und der Städteverband sowie der Gewerbeverband. Überwiegend ablehnend äusserten sich ebenfalls zehn Teilnehmende, darunter die Kantone Tessin und Waadt sowie die FDP. Während einige Organisationen die Notwendigkeit des neuen Registers in Frage stellten und Datenschutzbedenken äusserten (SKS, HEV, Privatim, Centre Patronal), forderte auf der anderen Seite der Verband der Einwohnerdienste die Schaffung eines zentralen Einwohnerregisters, das alle Daten der Einwohnerregister umfasst und nicht nur die Wohnadressen.
Die Stellungnahmen hätten insgesamt bestätigt, dass der geplante nationale Adressdienst einem Bedürfnis entspreche, gab der Bundesrat im Dezember 2020 per Medienmitteilung bekannt. Mit dem NAD sollen Schweizer Behörden die Wohnadresse der Einwohnerinnen und Einwohner auch über Kantonsgrenzen hinweg suchen und bestehende Adressdaten aktualisieren können. Das geplante Adressdienstgesetz (ADG) enthält die gesetzliche Grundlage für einen solchen Dienst und soll unter anderem den Inhalt, die Zugriffsmöglichkeiten und den Datenschutz regeln.
Die Vernehmlassungsergebnisse veranlassten den Bundesrat dazu, das Vorhaben weiterzuverfolgen, aber zuvor noch einige aufgeworfene Fragen zu klären. Er kündigte an, die Datenschutzbestimmungen und die Regelung der Datenhoheit zu präzisieren sowie die Abfragemöglichkeiten und die Rolle der Kantone und Gemeinden noch vertieft zu prüfen. Überdies wolle er bereits vor der Inbetriebnahme des NAD geklärt haben, ob und mit welchen zusätzlichen Datenquellen von Bund, Kantonen oder Gemeinden die Aktualität der bereitgestellten Daten verbessert werden könnte. Die Regierung beauftragte das EDI, die notwendigen Abklärungen zu treffen und anschliessend eine Botschaft auszuarbeiten.

Adressdienstgesetz (BRG 23.039)

Im Oktober 2020 rügte der EGMR die Schweiz für die Ungleichbehandlung von Witwern und Witwen. Zuvor hatte ein Witwer aus dem Kanton Appenzell Ausserrhoden ein Urteil des Bundesgerichts aus dem Jahr 2012 an den EGMR weitergezogen, der ihm das Recht auf eine Hinterbliebenenrente nach dem Erreichen der Volljährigkeit durch seine jüngste Tochter verneint hatte. Er argumentierte, dass er gegenüber verwitweten Frauen benachteiligt werde, da diese auch nach Volljährigkeit ihrer Kinder und teilweise gar, ohne Kinder zu haben, eine Witwenrente erhielten. Mit knapp 60 Jahren habe aber auch er – genauso wie Witwen – keine Chance mehr auf einen beruflichen Wiedereinstieg.
Seinen Vorwurf, wonach dies der Gleichstellung von Frauen und Männern widerspreche, bestätigte der EGMR. Zwar sei eine Ungleichbehandlung bei sehr guten Gründen möglich, ein solcher liege hier aber nicht vor. Somit verstosse das geltende Gesetz gegen die Menschenrechtskonvention. Das Bundesgericht hatte 2012 auf das entsprechende 1948 durch das Parlament erlassene Gesetz verwiesen. Unklar war zu diesem Zeitpunkt noch, ob die Schweiz das Urteil an die Grosse Kammer des EGMR weiterziehen wird oder nicht. Damit das Urteil rechtskräftig werden würde, müsste der Kläger am Bundesgericht eine Revision des Schweizer Urteils verlangen, erklärte humanrights.ch. Zu einer Gesetzesänderung könnte es aber auch so kommen, wurden doch im Nachgang des Entscheids verschiedene Postulate (Po. 20.4449), Motionen (Mo. 20.4445; Mo. 20.4693) und parlamentarische Initiativen (Pa.Iv. 21.416; Pa.Iv. 21.511, Pa.Iv. 21.512) eingereicht.
Auch die Presse diskutierte insbesondere über die Folgen dieses Urteils, wobei sie sich vor allem fragte, ob die Rente der Witwer derjenigen der Witwen angepasst werden solle oder umgekehrt. Dabei offenbarten die Medien unterschiedliche Präferenzen. Einige wiesen darauf hin, dass eine Verwitwung gemäss einem Bericht des Bundesrates heute weniger gravierende Auswirkungen habe als eine Scheidung oder Trennung. Zudem wurde auf die hohen Kosten einer Ausweitung der Witwerrente verwiesen. Andererseits wurde argumentiert, dass Witwenrenten aufgrund der höheren Lebenserwartung sehr viel häufiger seien als Witwerrenten, weshalb sich die Mehrkosten durch eine grosszügigere Regelung für die Witwer in Grenzen halten würden. Neben den inhaltlichen Fragen wurde in der Berichterstattung auch über fremde Richter und über die abgelehnte Selbstbestimmungsinitiative diskutiert.

Urteil des EGMR zur Witwerrente (2020)

Im Oktober 2020 wurde der Ergebnisbericht zur Vernehmlassung des indirekten Gegenvorschlags zur Organspende-Initiative, welche vom 13. September bis zum 13. Dezember 2019 gedauert hatte, veröffentlicht. Insgesamt hatten 81 Akteurinnen und Akteure Stellung genommen, wobei sich mit 53 von ihnen ein Grossteil der Vernehmlassungsteilnehmenden vollumfänglich oder grundsätzlich zustimmend zum Gegenvorschlag aussprachen. Zu ihnen gehörten 21 Kantone, die beiden Parteien GLP und GPS sowie dreissig Organisationen, darunter auch Swisstransplant, eine Unterstützerin der Volksinitiative. Explizit abgelehnt wurde die Vorlage von 16 Vernehmlassungsteilnehmenden. Als Gründe für die ablehnende Haltung wurden die Befürwortung der Volksinitiative (JU), des Erklärungsmodells (LU, CVP, EVP, CBCES, EKS, MERH_UZH, NEK) oder der parlamentarischen Initiative Nantermod (fdp, VS; pa.Iv. 18.443; FDP), aber auch die zu enge Zustimmungslösung (ÄPOL) und der Wunsch nach Beibehaltung der aktuell gültigen erweiterten Zustimmungslösung (HGS) aufgeführt. Weitere Argumente gegen den indirekten Gegenvorschlag liessen sich auf ethische Bedenken (SH, HLI, MIGUNIBE, SPO) oder auf die Forderung zurückführen, dass die Vorlage Teil eines Gesamtprojekts zur Einwilligung in der Gesundheits- und Humanforschung sein sollte (Privatim). Weder eine zustimmende noch eine ablehnende Haltung nahmen aus diversen Gründen zehn Vernehmlassungsteilnehmende ein (BL, TG, iEH2, SPS, BDP, SVP, GDK, insieme, SBK und SGG). Der SAV, santésuissse und der SSV verzichteten auf eine Stellungnahme.

Positiv aufgenommen wurde von der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden die geplante Einbindung der Angehörigen. In diesem Zusammenhang kam denn auch mehrfach die Forderung auf, dass eine Organentnahme nur zulässig sein soll, wenn die Angehörigen erreicht werden können. Auch die gesetzliche Verankerung eines Registers wurde grösstenteils befürwortet, wobei verschiedene Änderungsvorschläge eingingen. Einer von ihnen bestand darin, dass neben der Dokumentation des Widerspruchs auch eine Zustimmung festgehalten werden können sollte. Von verschiedenen Seiten wurde zudem der Wunsch geäussert, dass der Stiftung Swisstransplant die Registerführung zukommen soll, weil sie bereits über ein Register verfüge. Ferner wurde der Information der Bevölkerung über das Widerspruchsmodell ein hoher Stellenwert beigemessen.

Organspende-Initiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 20.090)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Am 27. September 2020 fanden in Schaffhausen Kantonsratswahlen statt. Für einen der 60 Kantonsratssitze warfen insgesamt 549 Personen auf 15 Listen ihren Hut in den Ring. Die Zunahme der Kandidierendenzahl um 15 Personen im Vergleich zu den Wahlen 2016 (534) gehe alleine auf die Frauen zurück, schrieben die «Schaffhauser Nachrichten» (SN), denn die Zahl der weiblichen Kandidatinnen war auf 189 gestiegen (+2.4 Prozentpunkte (PP), Anteil neu: 34.4%) und die Zahl der männlichen Kandidierenden um 3 Personen gesunken. Von den bisherigen Kantonsratsmitgliedern stellten sich 55 zur Wiederwahl.
Stärkste Kraft im bestehenden Kantonsrat war bis anhin die SVP mit 21 Sitzen, gefolgt von der SP mit 14, der FDP mit 10, der AL und der GLP mit jeweils 4 Sitzen, den Grünen, der EDU und der CVP mit je 2 Sitzen und schliesslich der EVP mit einem Sitz. Während die Juso im Gegensatz zu den Wahlen 2016 nicht mehr antraten, versuchten die Jungen Grünen in diesem Wahljahr ihr Glück.

Anlässlich eines Podiumsgesprächs der SN im Vorfeld der Wahlen zeigten sich sowohl der Parteipräsident der Grünliberalen Christoph Hak (SH, glp) als auch Roland Müller (SH, gp), Präsident der Grünen, für die Wahlen zuversichtlich: Es bestehe im Kanton gegenwärtig eine grosse Unzufriedenheit, weshalb sie eher eine zusätzliche Mobilisierung als einen Drift der Wählerstimmen zwischen den Parteien erwarteten. Die GP, die AL und die GLP griffen in der Folge zu ähnlichen Mitteln, um diese neuen Wählenden für sich zu gewinnen: Sie alle versprachen mehr Familienpolitik im Kanton. So betonte beispielsweise AL-Präsidentin Nicole Hinder (SH, al), dass sich die Attraktivität des Kantons nicht alleine auf die Steuerpolitik beschränke und der Fokus verstärkt auch auf Familien gelegt werden müsse. Mit der aktuellen Frage nach den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Kanton konfrontiert, zeigten die Parteiexponenten der SVP und FDP sowie der SP unterschiedliche Herangehensweisen: Während Pentti Aellig (SH, svp) die Kostendisziplin in der Verwaltung in den Vordergrund rückte und auch FDP-Wahlkampfleiter Peter Wullschleger (SH, fdp) in den SN daran erinnerte, dass sich die Coronakrise über Jahre hinwegziehen könne und es keine Lösung sei, «nun mit der Giesskanne Geld zu verteilen», verlangte Daniel Meyer (SH, sp), dass es gerade in Krisenzeiten keine «Politik der leeren Kassen» geben dürfe. Einige Tage später überraschte die Schaffhauser FDP mit dem Motto «Solidarität der Wirtschaft» für den diesjährigen Wahlkampf. Die Freisinnigen präsentierten ein Wahlprogramm, welches einem «Strauss aus bürgerlichen, sozialdemokratischen und grünen Ideen» glich, so die SN. Man dürfe nicht gleichzeitig Gewinne privatisieren und Risiken sozialisieren, begründete die Parteiführung ihren neuen Ansatz, welcher gemäss den SN eher gewerkschaftliche Töne anschlage.

Wie bereits knapp ein Jahr zuvor bei den Nationalratswahlen schwappte die Grüne Welle bei den Wahlen 2020 erneut in den Kanton Schaffhausen über. Während die Grünliberalen mit einem Plus von 2.9 Prozentpunkten und einem neuen Wähleranteil von 8.6 Prozent einen Sitz dazugewinnen konnten und so Fraktionsstärke erreichten, freuten sich auch die Grünen über einen zusätzlichen Sitz. Sie kamen neu auf einen Wähleranteil von 5.6 Prozent, was einer Zunahme von 1.7 Prozentpunkten entspricht. Die grösste Gewinnerin des Wahlsonntags war allerdings ihre Jungpartei: Mit einem Plus von 3.4 Prozentpunkten sicherten sich die Jungen Grünen gleich zwei Sitze im Kantonsrat. Zusammen mit ihrer Mutterpartei erreichten sie somit erstmals Fraktionsstärke. Ihr Wahlziel erreichte auch die EVP mit einem zusätzlichen Sitz (Wähleranteil neu: 2.6%; +0.2 PP).
Auf der Seite der Verliererinnen stand hingegen die SP, welche 1.8 Prozentpunkte an Wähleranteil einbüsste, neu auf einen Wähleranteil von 19.7 Prozent kam und deshalb einen Sitz räumen musste. Weil die Juso nicht angetreten sei, habe die SP eine ganze Wählergruppe an die Jungen Grünen verloren, lautete das Fazit von SP-Parteipräsident Daniel Meyer. Auch die SVP verlor einen Sitz: Mit einem Minus von 1.7 Prozentpunkten kam sie neu auf einen Wähleranteil von 26.5 Prozent. Die verschiedenen Unterlisten der SVP – Junge SVP (Wähleranteil: 2.4%; +0.4 PP), die SVP Senioren (Wähleranteil: 1.0%; -0.0 PP), die SVP Agro (Wähleranteil: 2.2%; +0.1 PP) sowie die SVP KMU (Wähleranteil: 1.4%; -0.4 PP) – konnten ihren jeweiligen Sitz hingegen halten. Die FDP kam neu auf einen Wähleranteil von 13.3 Prozent (-0.6 PP) und verlor ebenfalls einen Sitz im Kantonsrat. Auch ihre Jungpartei verlor ihren Sitz – wegen einer einzigen Stimme (Wähleranteil: 0.9%; -0.8 PP). Die aufgrund dieses knappen Resultats erfolgte Wahlbeschwerde blieb allerdings erfolglos: Das Gesetz sehe auch bei sehr knappen Ausgängen keine Nachzählung vor, so das Urteil des Regierungsrats. Keine Sitzveränderungen gab es bei der AL (4 Sitze, Wähleranteil 6.1%; -0.9 PP), der EDU (2 Sitze; Wähleranteil 3.4%; -0.5 PP) und der CVP (2 Sitze, Wähleranteil 3.2%; -0.5 PP).
In der Amtsperiode 2021 bis 2024 wird die SVP damit mit insgesamt 20 Sitzen weiter die stärkste Kraft im Kantonsparlament sein, gefolgt von der SP (12), der FDP (8), den Grünen und der GLP (je 5), der AL (4) und schliesslich der EDU, CVP und EDU (jeweils 2). Die Frauen konnten im Vergleich zu den Wahlen 2016 einen zusätzlichen Sitz für sich gewinnen und werden in der kommenden Legislatur 16 der 60 Sitze besetzen (26.7%; +1.7 PP).
Von den knapp 51'000 Wahlberechtigten des Kanton Schaffhausen machten 29’113 Personen Gebrauch von ihrem Wahlrecht (57.0%), was einem Plus von über 3 Prozentpunkten im Vergleich zu den Kantonsratswahlen 2016 (53.9 Prozent) entsprach.

Viel habe sich nach dem Wahlsonntag nicht geändert, bilanzierte die SN im Nachgang an die Wahlen; insgesamt hätten nur fünf Sitze die Parteifarbe gewechselt. Zwei davon waren zu den Grünen und je einer zu den Jungen Grünen, der GLP und der EVP gewandert. Die Kantonslegislative bleibe auch nach diesen Wahlen vorwiegend bürgerlich, schlussfolgerte auch der Blick. Besonders bitter endete der Wahlsonntag für Philippe Brühlmann (SH, svp), welcher 2021 sein Präsidialjahr im Kantonsrat hätte antreten dürfen: Er verpasste die Wiederwahl. Die SVP, welche weiterhin Anspruch auf das Amt erhebe, werde sich für einen Ersatz entscheiden müssen, so die SN.
Die Schaffhauser Nachrichten prognostizierten zudem, dass sich die 46 Wiedergewählten und 14 Neugewählten in der kommenden Legislatur mit vielen gewichtigen kantonalen Themen konfrontiert sähen: den massiven finanziellen, gesundheitspolitischen und gesellschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, der demographischen Entwicklung der alternden Schaffhauser Bevölkerung, aber auch Umwelt, Energie, Verkehr sowie verschiedenen Infrastrukturprojekten in den Bereichen Polizei und Kantonsspital.

Schaffhausen Kantonsratswahl
Dossier: Kantonale Wahlen - Schaffhausen
Dossier: Kantonale Parlamentswahlen 2020

Durch die Annahme zweier Motionen (Mo. 20.2451; Mo. 20.3460) war der Bundesrat vom Parlament in der Sommersession 2020 beauftragt worden, eine Vorlage zur Regelung der Geschäftsmieten auszuarbeiten, die eine Aufteilung der Mietzinse von Betrieben oder Einrichtungen, die während der ersten Welle der Corona-Pandemie behördlich geschlossen werden mussten oder nur stark eingeschränkt betrieben werden konnten, im Verhältnis von 40 (Mieterseite) zu 60 (Vermieterseite) für die Dauer der behördlich verordneten Massnahmen vorsah.

Vom 1. Juli bis zum 4. August 2020 gab der Bundesrat einen Entwurf für ein entsprechendes Covid-19-Geschäftsmietegesetz in die verkürzte Vernehmlassung, deren Ergebnis unter den 178 stellungnehmenden Parteien kontrovers ausfiel. Neben elf Kantonen (AR, BL, GE, LU, NW, OW, SZ, TG, UR, ZG, ZH) lehnten mit den FDP.Liberalen und der SVP auch zwei grosse Parteien sowie Economiesuisse, der Schweizerische Gewerbeverband, der Hauseigentümerverband und Immobilienverbände die Vorlage ab. Zustimmung erfuhr der Entwurf von acht Kantonen (AI, BS, FR, GL, GR, NE, SO, VD), den Parteien der Grünen, SP, CVP und EVP, von den Organisationen der Mieterinnen und Mieter, dem Schweizerischen Städteverband sowie von Gastro- und Berufsverbänden. Sechs Kantone (AG, BE, SG, SH, TI, VS) und die GLP hoben sowohl Vor- als auch Nachteile des Entwurfs hervor. Die sich in der Überzahl befindenden ablehnenden Stellungnehmenden kritisierten, dass der Staat mit einem solchen Gesetz massiv in die Vertragsverhältnisse zwischen Privaten eingreife, was in keinem Verhältnis zum volkswirtschaftlichen Nutzen einer solchen Regelung stehe. Ferner bestehe keine Verfassungsgrundlage für ein solches Vorgehen und ein allgemeiner Verteilschlüssel von 60/40 sei kein geeignetes Mittel, um den unterschiedlichen Situationen der Betroffenen gerecht zu werden. Die befürwortende Seite sprach sich in der Vernehmlassung teilweise für weitergehende Forderungen aus, man akzeptiere jedoch den gewählten Weg als Kompromiss und begrüsse ein rasches Vorwärtsgehen, liess etwa Natalie Imboden, Generalsekretärin des Mieterinnen- und Mieterverbandes, gegenüber Le Temps verlauten. Im Anschluss an die Vernehmlassung passte der Bundesrat die Vorlage punktuell an, in erster Linie, um Unsicherheiten in der Anwendung zu reduzieren.

Am 18. September 2020 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zum Covid-19-Geschäftsmietegesetz. Darin verzichtete er aufgrund der kontroversen Stellungnahmen darauf, dem Parlament die Botschaft zur Annahme zu beantragen, und bekräftigte ebenfalls seine bereits im Frühjahr vertretene negative Haltung gegenüber einer solchen Regelung (vgl. etwa Mo. 20.3161; Mo. 20.3142 oder die Stellungnahme des Bundesrates zur Situation der Geschäftsmieten). Dass der Bundesrat «seine eigene» Vorlage ablehnt (NZZ), war einigen Pressetiteln einen zentralen Vermerk wert. Konkret regelt der Gesetzesentwurf Mietverhältnisse von öffentlich zugänglichen Einrichtungen und Betrieben, die aufgrund der Covid-19-Verordnung 2 (Fassung 17./19./21.3.20) schliessen mussten (z.B. Restaurants, Coiffeursalons), und von Gesundheitseinrichtungen, die ihre Tätigkeiten reduzieren mussten. Für Erstere soll das Gesetz über die gesamte Dauer der vom Bund verordneten Schliessung gelten (17.3-21.6.20), während Gesundheitseinrichtungen, die ihren Betrieb einschränken mussten, gemäss Entwurf lediglich für eine maximale Dauer von zwei Monaten von einer solchen Mietzinsreduktion profitieren könnten. Von der 60/40-Regelung betroffen sind nur Mietverhältnisse, deren Nettomietzins pro Monat CHF 14'999 nicht übersteigt. Bei einem Nettomietzins zwischen 15'000 und 20'000 ist es beiden Mietparteien vorbehalten, durch eine einseitige schriftliche Mitteilung auf die Gesetzesregelung zu verzichten. Die Regelung gilt nur für Vertragsparteien, die zuvor noch keine ausdrückliche Einigung erzielt haben. Für den Fall, dass Vermieterinnen und Vermieter oder Pächter und Pächterinnen durch die Mietzinsreduktion in eine wirtschaftliche Notlage geraten würden, soll beim Bund eine finanzielle Entschädigung beantragt werden können. Dieser stellt dafür einen Härtefallfonds in der Höhe von maximal CHF 20'000 bereit.

Covid-19-Geschäftsmietegesetz
Dossier: Diskussionen um Erlass von Geschäftsmieten während des Lockdown

Im August 2020 fanden die Wahlen des Schaffhauser Regierungsrats statt. Mit Cornelia Stamm Hurter (SH, svp), Walter Vogelsanger (SH, sp), Christian Amsler (SH, fdp) und Martin Kessler (SH, fdp) kandidierten vier der fünf bisherigen Regierungsratsmitglieder zur Wiederwahl. SVP-Regierungsrat Ernst Landolt (SH, svp) stellte sich für die kommende Legislatur hingegen nicht mehr zur Verfügung. Dass der nun vakante Sitz weiterhin der wählerstärksten Partei des Kantons zustand, war im Vorfeld der Wahlen weitgehend unbestritten; die Schaffhauser Nachrichten (SN) sprachen hierbei von einer «Gratiswahl». So schickte die SVP neben ihrer bisherigen Regierungsrätin den Neuhauser Gemeinderat Dino Tamagni (SH, svp) ins Rennen. Die FDP, welche bis anhin ebenfalls zwei Sitze in der Kantonsexekutive stellte, trat mit einem Zweier-Ticket bestehend aus den beiden bisherigen Regierungsräten an. Die Partei hielt damit am «wackeligsten der Kandidaten» (SN) fest: Christian Amsler, der gegenwärtige Erziehungsdirektor und dienstältestes Mitglied der Exekutive, hatte zuletzt wegen einer Schulzahnklinik-Affäre und des darauffolgenden Einsatzes einer PUK für Schlagzeilen gesorgt. In Anbetracht dessen rechneten sich die Sozialdemokraten Chancen aus, die bürgerliche Mehrheit der Kantonsexekutive durch den Gewinn eines zusätzlichen Sitzes zu schwächen, und starteten mit einem Zweier-Ticket in den Wahlkampf. Neben dem bisherigen Regierungsrat Walter Vogelsanger nominierte die Partei den ehemaligen Kantonsrat Patrick Strasser (SH, sp), dessen Kandidatur explizit dem FDP-Sitz von Christian Amsler gelten sollte. Die GLP sowie weitere Kleinparteien des Kantons erachteten eine Kandidatur als chancenlos und verzichteten auf eine «Alibikandidatur», berichteten die Schaffhauser Nachrichten weiter.
Nach einem eher ruhigen Wahlkampf – die sonst üblichen Podien waren aufgrund der Corona-Pandemie ausgefallen – stand am 30. August schliesslich der Wahlsonntag an. Mit einer Stimmbeteiligung von 63.1 Prozent (2016: 59.1%; +4 Prozentpunkte) übertrafen fünf der sechs Kandidierenden das absolute Mehr deutlich. Das beste Resultat erzielte die bisherige SVP-Regierungsrätin Cornelia Stamm Hurter mit 16’686 gültigen Stimmen, gefolgt von Martin Kessler mit 16’105 Stimmen und Walter Vogelsanger mit 15’774 Stimmen. Dino Tamagni und Patrick Strasser wurden mit 14’032 respektive 13’490 Stimmen neu in die Kantonsexekutive gewählt. Besonders bitter endete der Wahlsonntag somit für Christian Amsler, welcher mit 8'800 Stimmen das absolute Mehr von 8’968 verpasste, von Strasser um über 4'600 Stimmen überholt wurde und damit nach einer Regierungszeit von knapp 11 Jahren nicht wiedergewählt wurde. Es handle sich hierbei um die erste Nicht-Wiederwahl im Kanton seit 2004, so die SN. Während die Sozialdemokraten Anlass zur Freude hatten, zeigte sich die bürgerliche Seite über die Verschiebung der Kräfteverhältnisse enttäuscht. Die Bürgerlichen würden es aufgrund der nun nicht mehr so deutlichen Mehrheit in der Kantonsexekutiven künftig schwer haben, sich durchzusetzen, war das Fazit der Schaffhauser Nachrichten zu den kantonalen Regierungsratswahlen 2020.

Wahlen Schaffhausen
Dossier: Kantonale Wahlen - Schaffhausen
Dossier: Kantonale Regierungswahlen 2020

Um zu verhindern, dass die seit dem 13. März 2020 vom Bundesrat verabschiedeten Verordnungen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie, die sich direkt auf Artikel 185 Absatz 3 der Bundesverfassung stützen, welcher der Regierung das befristete Erlassen von Verordnungen und Verfügungen als Reaktion auf schwere Störungen der öffentlichen Ordnung erlaubt, nach sechs Monaten automatisch ausser Kraft treten, unterbreitete der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft über die Rechtsgrundlagen dieser Verordnungen. Seit April 2020 hatten die Bundeskanzlei und das EJPD dieses dringliche Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie, kurz Covid-19-Gesetz, erarbeitet. Dieses soll den Bundesrat dazu befähigen, auch künftig entsprechende erforderliche Massnahmen weiterzuführen und anzupassen.

Zwischen dem 19. Juni 2020 und dem 10. Juli 2020 wurde der Gesetzesentwurf in eine verkürzte Vernehmlassung geschickt, in welcher über 1'000 Stellungnahmen eingingen. Der Grossteil der Stellungnehmenden waren Privatpersonen, die der Vorlage argwöhnisch gegenüberstanden. Bei den Kantonen stiess das Gesetz auf grössere Zustimmung, wobei alle von ihnen Änderungsvorschläge oder Kommentare einbrachten. 14 Kantone (ZH, BE, LU, OW, NW, GL, FR, SO, SH, AI, SG, GR, TG und GE) sprachen sich grundsätzlich für den Entwurf aus, da sie die Existenz einer rechtlichen Basis für das Weiterverfolgen der durch den Bundesrat getroffenen Massnahmen als eine Notwendigkeit erachteten. Weder eine ausdrückliche Zustimmung noch eine Ablehnung erfuhr die Vorlage von Seiten weiterer elf Kantone (UR, ZG, BS, BL, AR, AG, TI, VD, VS, NE und JU). Der Kanton Schwyz und die KdK sahen explizit von einer Stellungnahme ab. Letztere wird ihre Meinung aller Voraussicht nach zu einem späteren Zeitpunkt einbringen. Bei den Parteien stiess der Gesetzesentwurf auf unterschiedlich grosse Unterstützung. Während ihm die CVP und EVP bedingungslos zustimmten, knüpften die GLP, die Grünen und die EDU ihre Zustimmung an Vorbehalte. Gegen die Vorlage in der vorliegenden Form sprachen sich FDP.Liberale, SP und SVP aus. Die BDP, Ensemble à Gauche, die Lega und die PdA verzichteten trotz Einladung auf eine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf. Von den 60 Organisationen, die am Vernehmlassungsverfahren teilnahmen, unterstützten 27 das Vorhaben, 33 stimmten ihm zwar nicht explizit zu, lehnten es aber auch nicht ausdrücklich ab – keine einzige stellte sich somit ausdrücklich dagegen.

Am 12. August 2020 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zum Gesetzesentwurf, nachdem er als Reaktion auf die Vernehmlassungsantworten einige Änderungen am Vorentwurf vorgenommen hatte – namentlich die Aufnahme des «generellen und verbindlichen Einbezug[s] der Kantone» und die vollständige Überarbeitung der Bestimmungen zum Gesundheitswesen, dem Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz sowie dem Kulturbereich. Der Gesetzesentwurf besteht insgesamt aus 14 Artikeln, welche die Befugnisse der Landesregierung im Umgang mit der Covid-19-Epidemie insbesondere bezüglich der Eindämmung der Auswirkungen auf die Gesellschaft, Wirtschaft und die Behörden festlegen. Er betrifft überdies auch den Ausländerinnen-, Ausländer- und Asylbereich, die Entschädigung bei Erwerbsausfall, die Arbeitslosenversicherung sowie «justizielle, verfahrensrechtliche, gesellschaftsrechtliche und insolvenzrechtliche Massnahmen». Zudem wurde vorgesehen, dass das Gesetz lediglich bis Ende 2021, anstatt wie ursprünglich geplant bis Ende 2022, befristet werden soll. Für Bestimmungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung wurde jedoch eine Befristung bis Ende 2022 festgehalten.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Aufgrund der Corona-Pandemie und den zu deren Eindämmung getroffenen Massnahmen konnte der Nationalfeiertag am 1. August 2020 vielerorts entweder gar nicht oder nur unter Einhaltung einschränkender Auflagen stattfinden. Insbesondere das Verbot von Veranstaltungen mit über 1'000 Personen machte es sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten schwierig, Festivitäten durchzuführen. In vielen Gemeinden mussten die Feiern abgesagt werden, nicht wenige, meist kleine Gemeinden, hielten aber auch an ihren teils originellen Durchführungsplänen fest – unter Einhaltung bestimmter Sicherheitsbedingungen (Abstandsregeln, Teilnahmebeschränkung und -registrierung, Hygieneregeln). Trotz dieser kleineren Feiern befürchtete der «Blick» im Vorfeld, dass der Erste August zu einem Ersten «AuFrust» verkommen könnte, seien doch die grösseren Bundesfeiern alle abgesagt worden – sogar jene auf dem Rütli, meinte die Zeitung vermeintlich. Tatsächlich fand die Rütli-Feier aber statt.

Und so wurde schliesslich der Nationalfeiertag in Coronazeiten begangen: In grösseren Städten wie Basel war laut der Basler Zeitung bereits im Mai klar, dass die übliche Bundesfeier mit Feuerwerk am Rhein nicht stattfinden würde, da die Obergrenze von 1'000 Personen rasch überschritten und das Rückverfolgen von Ansteckungsketten kaum möglich gewesen wäre. Nach anfänglichen Erwartungen, dass zumindest im Landkanton die Feiern beibehalten würden, zerstreuten sich im Juni auch dort die Hoffnungen: «Ein Jahr ohne Bundesfeier im Baselbiet» titelte die Basler Zeitung. Doch so schlimm sollte es nicht kommen: Schweizweit, auch in Basel-Landschaft, gab es Gemeinden, die ihre Bundesfeiern unter Einhaltung der vorgesehenen Schutzmassnahmen durchführen konnten. Wie das St. Galler Tagblatt berichtete, waren es in der Ostschweiz immerhin «gut zwei Dutzend» Gemeinden, welche eine Durchführung planten: So liess auch die St. Gallische Gemeinde Muolen verlauten, der 1. August finde statt – «ob Coronavirus oder nicht» –, denn das Bedürfnis der Bevölkerung, sich auszutauschen, sei gross, weshalb man ein Apéro durchführen wollte, zitierte die Zeitung den Muolener Gemeindepräsident Bernhard Keller (SG, cvp). Im aargauischen Baden gab es laut der Aargauer Zeitung zwar keine Feier, doch offerierte die Stadt der Bevölkerung eine Wurst und einen Lampion zum Mitnehmen, damit die Badener zu Hause feiern konnten. Auch in den Gemeinden Estavayer und Murten (FR) führte man eine Feier durch, verzichtete jedoch auf das normalerweise stattfindende Feuer, damit nicht unnötig Touristen angezogen wurden, so «Le Temps». Einige Gemeinden, etwa die Genfer Gemeinde Puplinge, setzten laut der «Tribune de Genève» auf dezentrale Feiern, also Feiern, die auf mehrere Standorte verteilt wurden, damit grössere Ansammlungen vermieden werden konnten. In Bellinzona (TI) fand die Feier mit Innenminister Alain Berset und Risotto statt, allerdings war eine Teilnahme nur auf Anmeldung möglich, wie der «Corriere del Ticino» berichtete. Im Appenzell zierte auch dieses Jahr die 700 Kilogramm schwere Schweizerfahne das Antlitz des Säntis, wegen drohendem Unwetter allerdings nur wenige Stunden.

Und schliesslich wurde auch auf dem Rütli gefeiert, wenn auch in vergleichsweise kleinem Ausmass und unter Ausschluss der Öffentlichkeit: Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga ehrte in einer Ansprache vor 200 geladenen Personen insgesamt 54 stellvertretend für die ganze Schweiz gewählte «Helden und Heldinnen» des Alltags. Wie der Sonntags-Blick nach der Feier berichtete, wurde dabei, ganz im Zeichen der Pandemie, jenen Schweizerinnen und Schweizern gedankt, welche dabei halfen, die Krise zu bewältigen: Gesundheits-, Verkaufs- oder Bildungspersonal, Buschauffeurinnen und -chauffeure ebenso wie hilfsbereite Nachbarinnen und Nachbarn. Diese hätten gezeigt, dass die Schweiz «verhäbt», zitierte die Zeitung die Bundespräsidentin.

Erster August

Zwischen Dezember 2019 und Mai 2020 führte der Bundesrat eine aufgrund der ausserordentlichen Lage verlängerte Vernehmlassung zur Reform der beruflichen Vorsorge durch. Daran beteiligten sich alle Kantone, acht im eidgenössischen Parlament vertretene Parteien sowie zahleiche Verbände und Gewerkschaften. Wie bereits zuvor in den Medien zu vernehmen gewesen war, stellten der Pensionskassenverband ASIP sowie der Schweizerische Baumeisterverband, Swiss Retail Federation und Arbeitgeber Banken eigene Reformmodelle vor, die insbesondere eine stärkere Reduktion des Umwandlungssatzes beinhalteten und von verschiedenen Vernehmlassungsteilnehmenden unterstützt wurden (etwa dem SGV, Swissbanking, GastroSuisse, ICT Switzerland und verschiedenen Pensionskassen).

Die Mehrheit der Kantone (AR, BE, BS, FR, GE, GL, JU, LU, NE, SH, VD, VS) unterstützte die Stossrichtung der Vorlage, einige lehnten sie jedoch wegen dem vorgeschlagenen Rentenzuschlag insgesamt ab (BL, NW, OW, SG, SZ, ZG, ZH). Der Rentenzuschlag stellte sich denn auch nicht unerwartet als grösster Streitpunkt der Vorlage heraus: Von den Kantonen sprachen sich 14 ausdrücklich dagegen (AI, BE, GL, BL, GR, NE, NW, OW, SZ, TI, UR, VS, ZG, ZH) und acht ausdrücklich dafür aus (AG, BS, JU, LU, SO, SH, TG, VD). Auch die bürgerlichen Parteien BDP, CVP, EVP, FDP und SVP befürworteten die Reform, insbesondere die Senkung des Umwandlungssatzes, lehnten aber den Rentenzuschlag ab. Verschiedene bürgerliche Jungparteien störten sich insbesondere daran, dass die entsprechende Umverteilung auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung und der zukünftigen Generationen geschehe. Umgekehrt nannten die SP und die Grünen die Erhaltung der bisherigen Rentenhöhe – und somit den Rentenzuschlag – als Bedingung für ihre Zustimmung zur Senkung des Umwandlungssatzes. Seitens Verbände erfuhr der bundesrätliche Vorschlag Unterstützung von seinen Urhebern, dem Arbeitgeberverband, dem Gewerkschaftsbund und Travail.Suisse, während diverse andere Verbände wegen dem Rentenzuschlag die Alternativmodelle bevorzugten.
Deutlich weniger umstritten als der Rentenzuschlag und die Senkung des Umwandlungssatzes war die Senkung des Koordinationsabzugs, die alle Teilnehmenden guthiessen. Umstritten war jedoch die Höhe der Senkung. So schlugen beispielsweise BDP, CVP und EVP eine Senkung auf 40 Prozent des AHV-Lohns, aber einen maximalen Abzug von CHF 21'330 vor, die SVP und der Kanton St. Gallen befürworteten eine Senkung bis zur Eintrittsschwelle (CHF 21'330) und die SP und die Grünen bevorzugten eine vollständige Abschaffung des Koordinationsabzugs. Auch bezüglich der Staffelung der Altersgutschriften gab es zahlreiche unterschiedliche Vorschläge, wobei sich viele Vernehmlassungsteilnehmende einen Sparbeginn ab dem 20. Altersjahr wünschten.

Reform der Beruflichen Vorsorge (BVG 21; BRG 20.089)
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Im Mai 2020 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zum Bundesgesetz über elektronische Verfahren im Steuerbereich, mit dem er die rechtliche Grundlage für die Weiterentwicklung der Digitalisierung von Verfahren schaffen wollte. Damit sollen das Ziel der ESTV, zukünftig alle Daten elektronisch zu erhalten und zu verschicken, sowie die Motion Schmid (fdp, GR; Mo. 17.3371) erfüllt werden. Die Vorlage sah daher vor, die vollständig elektronische Einreichung der Steuererklärung zu ermöglichen, die Authentizität und Integrität der übermittelten Daten sicherzustellen sowie eine elektronische Bestätigung der Daten anstelle einer Unterzeichnung zu realisieren. Geplant war diese Änderung für Einkommens-, Vermögens-, Gewinn- und Kapitalsteuern, für den Antrag auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer von natürlichen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz sowie für die Wehrpflichtersatzabgabe – auch weiterhin sollte jedoch eine analoge Eingabe der Steuererklärung möglich bleiben. Bei Steuern, die in der Zuständigkeit des Bundes liegen, sowie beim internationalen Informationsaustausch sollten die Betroffenen hingegen zu einem elektronischen Verfahren verpflichtet werden können. Bereits heute sei eine elektronische Einreichung der Steuererklärung in den meisten Kantonen möglich, dem stehe nur die Unterzeichnungspflicht entgegen, erklärte der Bundesrat. Zukünftig solle dieses Verfahren medienbruchfrei möglich sein.
Darüber hinaus enthielt die Vorlage zwei weitere Änderungen, die zwar gemäss Bundesrat nicht direkt mit dem eigentlichen Anliegen der Vorlage zu tun hatten, aber der Verhältnismässigkeit wegen nicht in einer eigenen Vorlage behandelt würden. So sollten die Versicherungen der ESTV neu die Ausrichtung von Kapitalleistungen und Renten der zweiten Säule melden. Zudem sollten die Durchführungsbestimmungen in Art. 72 STHG, welche die Frist zur Anpassung des kantonalen Rechts an das STHG beinhalteten, vereinheitlicht und vereinfacht werden. Dabei sollte auch die Bestimmung zur Verwendung einheitlicher Formulare für die Steuererklärungen aufgehoben werden, da sie aufgrund von Eigenheiten der Kantone nie vollständig umgesetzt werden konnte.

Von Juni bis Oktober 2019 hatte die Vernehmlassung zum neuen Bundesgesetz über elektronische Verfahren im Steuerbereich stattgefunden. 25 Kantone (ausser NE), 7 Parteien (BDP, CVP, FDP, GLP, SVP, SP, Piratenpartei) und 17 Verbände und Organisationen, darunter der SSV, Economiesuisse, SGV, SGB, FDK oder TreuhandSuisse, hatten sich daran beteiligt. Sie alle stimmten der Vorlage grundsätzlich zu, stellten aber teilweise noch weitergehende Forderungen. Die Kantone, die FDK und die SSK forderten, die Bestimmung über einheitliche Formulare, wie vom Bundesrat vorgeschlagen, aufzuheben, während Economiesuisse, BDO, EXPERTsuisse und swissICT diese Pflicht beibehalten wollten. Drei Parteien (CVP, FDP, SVP) und sechs Organisationen (economiesuisse, EITSwiss, SGV, SSV, Städtische Steuerkonferenz, TreuhandSwiss) wollten dem Bundesrat nicht die Möglichkeit geben, den Steuerzahlenden bei Steuern in seiner Zuständigkeit elektronische Verfahren vorzuschreiben. In der Folge nahm der Bundesrat eine Änderung vor: So vereinheitlichte er die Übernahmefrist für Änderungen im STHG. Hingegen beliess er es bei der geplanten Streichung der Bestimmung über die einheitlichen Formulare.

Elektronische Verfahren im Steuerbereich (BRG 20.051)

Bereits vor Weihnachten 2019 verkündete das Referendumskomitee in der Presse, genug Unterschriften gegen das E-ID-Gesetz gesammelt zu haben, um eine Volksabstimmung zu erzwingen. Am 16. Januar 2020, dem Tag der Ablauf der Frist, reichte das Komitee sodann gut 64'000 beglaubigte Unterschriften bei der Bundeskanzlei ein, womit das Referendum gegen die E-ID zustande gekommen ist.
Widerstand gegen die von der Privatwirtschaft betriebene E-ID regte sich inzwischen auch in den Kantonen Schaffhausen und Waadt, wo bereits eine kantonale E-ID an die Einwohnerschaft herausgegeben wird bzw. sich eine solche in Planung befindet. Beide Kantone setzen auf eine staatliche Lösung, wobei die Waadtländer Regelung einen Einbezug der Privatwirtschaft sogar ausdrücklich untersagt. Sowohl der Schaffhauser Regierungsrat als auch der Waadtländer Staatsrat überlegten sich nun, eine ablehnende Abstimmungsparole herauszugeben, berichtete die NZZ online.

E-ID-Gesetz
Dossier: Elektronische Identität