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Die Virulenz der Debatten um das Thema E-Voting nahm 2018 weiter zu. Diskutiert wurde insbesondere, ob der Nutzen, der mit «Vote électronique» gewonnen werde, das Schadenpotenzial übertreffen könne. Während der Bundesrat und zahlreiche Kantone die Entwicklung von E-Voting vorantrieben, wuchs die Skepsis in den eidgenössischen Räten. Eine grössere gesellschaftliche Debatte zum Thema blieb vorerst noch aus, kann aber im Rahmen einer angekündigten Volksinitiative zu einem Verbot von E-Voting erwartet werden. Ende Jahr entschied sich der Kanton Genf, sein seit 2003 bestehendes System CHVote aus Kostengründen nicht weiter zu entwickeln und es per 2020 vom Markt zu nehmen. Damit verblieb einzig das System der Post, das im Frühling 2019 einem vom Bund finanzierten Intrusionstest unterzogen werden soll.

«Von einem Siegeszug des E-Voting in der Schweiz kann beim besten Willen nicht die Rede sein», hatte die NZZ bereits im Februar 2018 den Stand der Entwicklung des elektronischen Abstimmens kommentiert. Es ginge nicht nur um die wichtigen Sicherheitsbedenken: Auf dem Spiel stünden die Wahrung des Stimmgeheimnisses und die Garantie der unverfälschten Stimmabgabe. Grund für den Kommentar war die Ankündigung der Bundeskanzlei, die bestehenden E-Voting Systeme – das vom Kanton Genf betriebene CHVote und das System der Post – einem Härtetest zu unterziehen. Diese Forderung, verbunden mit einem Preisgeld über CHF 1 Mio., war bereits von Marcel Dobler (fdp, SG) als Motion formuliert worden (Mo. 17.3852), die dieser allerdings nach der Ankündigung der Bundeskanzlei zurückzog. Als Termin für diesen Stresstest nannte der Bund das erste Quartal 2019. Gleich nach der Ausschreibung Ende Jahr meldeten sich mehr als 400 Interessentinnen und Interessenten, die das System hacken wollten

Eine neue Wende bekam die Diskussion um E-Voting Ende Februar mit der Vorankündigung der Lancierung einer Volksinitiative zur Verhinderung von E-Voting. Ein Komitee um den Luzerner Nationalrat und IT-Unternehmer Franz Grüter (svp, LU) und den Chaos Computer Club kündigte an, «Vote électronique» stoppen zu wollen. Man könne zwar auch die Änderung des Gesetzes über die politischen Rechte, die ja noch immer nicht vollzogen sei, mit einem Referendum bekämpfen, aber dann sei es vielleicht zu spät. In der Tat schufen immer mehr Kantone Voraussetzungen für elektronisches Abstimmen. Die Initianten waren sich einig, dass jedes Wahlsystem gehackt werden könne. Dies sei aber noch nicht einmal nötig: Wenn nur schon der Anschein erweckt werde, dass bei einer Abstimmung nicht alles mit rechten Dingen zugehe, nehme das Vertrauen in das Abstimmungsergebnis schaden, betonten sie. So werde die Demokratie de facto abgeschafft, warnte Hernâni Marques vom Chaos Computer Club, der bereits im Referendumskomitee gegen das Büpf gesessen hatte. Einigendes Merkmal des Initiativkomitees war das Misstrauen gegen die Bundeskanzlei, die E-Voting auch in den Kantonen vorantrieb. Die Vorwürfe seien nicht berechtigt, gab Barbara Perriard, die Leiterin politische Rechte in der Bundeskanzlei, zu Protokoll. Das Referendum hätte bereits 2002 bei der Einführung der E-Voting-Versuche ergriffen werden können. Zudem gebe es ja auch die Möglichkeit von kantonalen Referenden. Auch die Bundeskanzlei strebe höchste Sicherheit in Zusammenhang mit E-Voting an. Mit der vollständigen Verifizierbarkeit, die vom Bund von den E-Voting-Systemen verlangt werde, sei aber sichergestellt, dass Angriffe entdeckt würden.

Von verschiedener Seite wurde begrüsst, dass mit einer Initiative eine breite Grundsatzdebatte über den neuen Wahl- und Stimmkanal geführt werden solle. Uneinig war man sich allerdings, wie gross das Schadenpotenzial sei und ob der Nutzen im Vergleich dazu genügend gross sei. Dass ein solcher insbesondere für die Auslandschweizerinnen und -schweizer, aber auch für Menschen mit besonderen Bedürfnissen (z.B. Personen, die von einer Behinderung betroffen sind) bestehe, war unbestritten. Häufig wurde auch ins Feld geführt, dass die Beteiligung – vor allem auch von Jugendlichen – dank elektronischem Abstimmen und Wählen zunehmen würde. Die digitale Stimmabgabe müsse als Chance betrachtet werden, weil sie den Prozess der Stimmabgabe vereinfache und helfe, ungültige Stimmen zu vermeiden, wurde argumentiert. Diskutiert wurde darüber hinaus, dass auch das briefliche Abstimmen nicht vollständig sicher sei und auch dort Pannen passierten. Wichtig sei, dass Fehler entdeckt würden und dass eingeschätzt werden könne, ob eine Abstimmung notfalls, also wenn das Resultat entscheidend beeinflusst wurde, wiederholt werden müsse. Eine solche Einschätzung sei aber gerade bei der Papierwahl häufig nicht möglich: So seien etwa nicht nur analoge, sondern auch viele elektronische Systeme zur Auszählung von Stimmen zu wenig verlässlich. Zum so genannten E-Counting hatte sich die GPK schon 2017 kritisch geäussert. Bei der elektronische Stimmabgabe sei eine Auszählung der Stimmen nicht nur wesentlich einfacher, sondern auch schneller und billiger. E-Voting solle deshalb nicht vorschnell verworfen werden (TA 17.4.18) und sei besser als sein momentaner Ruf (BaZ 24.4.18). Digital Abstimmen sei zudem so billig, dass man mehr direkte Demokratie zulassen könne (AZ 5.5.18).

Bundeskanzler Walter Thurnherr, von der NZZ als «Mister E-Voting der Schweiz» (NZZ 17.2.18) bezeichnet, zeigte sich in einem Interview Ende April (NZZ 28.4.18) ob der wachsenden Skepsis gegenüber E-Voting erstaunt. Vor nicht allzu langer Zeit habe der Bundesrat Vorstösse bekämpft, mit denen eine rasche und flächendeckende Einführung von «Vote électronique» gefordert worden sei. Er selber denke, dass man das kalkulierbare Risiko eingehen könne. Man könne das mit einem gut gesicherten Haus vergleichen, bei dem ein Einbruch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden könne, man aber sofort feststellen könne, wenn wirklich jemand eingedrungen sei. Aber manchmal brauche es Zeit, bis Neuem genügend Vertrauen entgegengebracht werde. Im Kanton Graubünden habe man etwa während 25 Jahren das Auto verboten. Eine solche Ablehnung von Neuem sei aber immer auch eine legitime Entscheidung.

Verschiedene E-Voting-Tests in den Kantonen fielen unterschiedlich aus. So zeigte sich etwa in den Pilotgemeinden im Kanton St. Gallen bei den eidgenössischen Abstimmungen vom März 2017 ein recht deutlicher Rückgang der Zahl online Abstimmender, obwohl die Stimmbeteiligung höher war als bei früheren E-Voting-Versuchen. Man müsse sich fragen, ob hier wirklich ein Bedürfnis bestehe, weil brieflich abstimmen schon heute sehr bequem sei, gab Martin Stöckling, der Stadtpräsident von Rapperswil-Jona, einer der St. Galler Testgemeinden, zu bedenken. Auch im Kanton Genf – dem eigentlichen Pionierkanton hinsichtlich E-Voting – zeigten Auswertungen, dass elektronisches Abstimmen die Wahlbeteiligung eher nicht erhöht. Erste Tests im Kanton Thurgau wurden im September hingegen als «geglückt» bezeichnet (TG 24.9.18).

In den eidgenössischen Räten schien die Skepsis gegenüber E-Voting zu wachsen: Zwei kritische Vorstösse wurden in der Herbstsession zwar abgelehnt, aber die SPK-SR gab einer parlamentarischen Initiative Müller (fdp, LU; Pa.Iv. 18.427) Folge. Der Bundesrat trieb die Entwicklung dennoch entsprechend seines Fahrplans weiter voran. Vor den Sommerferien beauftragte er die Bundeskanzlei mit einer Revision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte, die Ende 2018 in die Vernehmlassung gegeben wurde. Ziel war nach wie vor der ordentliche Betrieb von E-Voting.
Auch in den Kantonen schien die Euphorie für E-Voting ungebremst. Acht Kantone verwendeten «Vote électronique» weiterhin testweise (AG, BS, BE, FR, GE, LU, NE, SG). Mitte Juni entschied der St. Galler Kantonsrat, E-Voting flächendeckend in allen Gemeinden einzuführen. Der Kanton Thurgau erhielt ebenfalls im Juni die Bewilligung, und auch die Kantone Glarus, Graubünden und Waadt kündigten an, E-Voting bald einführen zu wollen. Im Kanton Uri hatte sich das Parlament jedoch bereits im März gegen die Einführung von E-Voting entschieden; im Kanton Jura erfolgte der abschlägige Entscheid im Dezember 2018.

Die bundesrätliche Entscheidung, trotz Kritik an der Idee der Einführung von «Vote électronique» als ordentlichem Stimmkanal festzuhalten, rief freilich erneut die Skeptikerinnen und Skeptiker auf den Plan. Neu wurden verschiedene Berichte über Wahlmanipulation und Datenklau aus dem Ausland ins Feld geführt. Es stimme zwar, dass das Individuum viele Dinge immer stärker digital organisiere und löse. Während aber bei Sicherheitslücken z.B. beim E-Banking nur Einzelne geschädigt würden, stehe bei Fehlern beim E-Voting das Vertrauen in die gesamte Demokratie auf dem Spiel, warnte etwa Balthasar Glättli (gp, ZH), der sich nach eigenen Aussagen «vom Skeptiker zum Gegner» gewandelt habe (AZ 28.6.18). Zwar werde mit E-Voting gewiss administrativer Aufwand erspart, Änderungen an Abstimmungsprozeduren seien aber «gleichsam operative Eingriffe an den Herzkammern der Demokratie», warnte die Weltwoche (11.10.18). Freilich gebe es auch Fehler bei Briefabstimmungen, diese seien aber viel einfacher aufzudecken. Wollte man bei herkömmlichen Abstimmungen ein Abstimmungsergebnis aus betrügerischer Absicht verfälschen, wäre die Zusammenarbeit zahlreicher Zählbüros aus unterschiedlichen Gemeinden vonnöten. Mit E-Voting würde dies bereits einem einzelnen Hacker gelingen, der nicht mal vor Ort sein müsse, gab der ehemalige Nationalrat Jean-Christophe Schwaab (VD, sp) in einem Interview in der Tribune de Genève (20.12.18) zu bedenken.

Mitte August mischte sich die Auslandschweizer-Organisation (ASO) in die Diskussion ein. Als Reaktion auf die lauter werdende Kritik an E-Voting lancierte sie an ihrem jährlichen Kongress eine Online-Petition, mit der gefordert wurde, dass bis 2021 alle Auslandschweizerinnen und -schweizer elektronisch wählen und abstimmen können. Ende November wurden der Bundeskanzlei 11'492 Unterschriften aus über 150 Ländern übergeben. Viele der rund 725'000 im Ausland wohnhafter Schweizerinnen und Schweizer seien auf den elektronischen Stimmkanal angewiesen – so die Begründung für die Petition.

Ende November wurde bekannt, dass der Kanton Genf sein seit 2003 bestehendes System CHVote einstellen wird. Die verlangte Weiterentwicklung des Systems würde nicht nur eine Verzögerung, sondern deutlich höhere Entwicklungs- und Betriebskosten nach sich ziehen. Diese wollten aber die Vertragskantone Aargau, Bern, Luzern und St. Gallen nicht mittragen, worauf der Genfer Staatsrat beschloss, das bestehende System nicht weiterzuentwickeln und nur noch bis Februar 2020 zur Verfügung zu stellen. Kurz zuvor hatte der Chaos Computer Club bekannt gemacht, dass Nutzerinnen und Nutzer des Onlinezugangs von CHVote relativ einfach auf eine falsche Seite umgeleitet werden können, ohne dies zu bemerken. Dies sei aber schon lange bekannt und habe nichts mit dem Rückzug des Systems zu tun (AZ 29.11.18). Nach der Aufgabe des Konsortiums aus neun Kantonen (ZH, GL, FR, SO, SH, SG, GR, AG, TG) im Jahr 2015 – deren System war vom Bund als zu wenig sicher beurteilt worden – bestand also nur noch ein System, nämlich jenes der Post.
Nebst der hängigen parlamentarischen Initiative Müller wurden in der Folge im Parlament weitere Vorstösse (Mo. 18.4375 und 18.4225) eingereicht, die einen möglichen Alleingang der Post vor allem aus Sicherheitsbedenken verhindern wollten. Auch in einigen Kantonen wurden Vorstösse eingereicht, die aufgrund des Ausstiegs von Genf einen Marschhalt verlangten. Die Kantone Aargau, Bern, Luzern und St. Gallen gaben hingegen bekannt, zum System der Post wechseln zu wollen oder einen Wechsel zumindest zu prüfen. Bereits Ende Juni hatte die Stadt Zug angekündigt, ein neues auf der Blockchain basierendes, zusammen mit der Fachhochschule Luzern entwickeltes E-Voting-System testen zu wollen.

«Vote électronique» – Kritik und gesellschaftliche Debatte von 2015 bis 2022
Dossier: Vote électronique

Die Diskussionen um die Vor- und Nachteile von E-Voting hielten auch im Jahr 2015 an. Die kritischen Stimmen wurden dabei immer lauter: Insbesondere die Frage der Sicherheit wurde virulent debattiert. Eigentlich sei es unwichtig, ob zu erwartende Hackerangriffe erfolgreich seien oder nicht, das Vertrauen ins Wahlsystem und letztlich in die Demokratie würden so oder so Schaden nehmen, hiess es von dieser Seite. Von den Befürwortenden wurde hingegen hervorgehoben, dass E-Voting die politische Beteiligung wenn nicht erhöhen, so doch wenigstens halten könne. Insbesondere für die Auslandschweizerinnen und -schweizer sei elektronisches Abstimmen und Wählen teilweise die einzige Möglichkeit, rechtzeitig an die Unterlagen gelangen und teilnehmen zu können. So zeigten Studien aus den Kantonen Genf und Neuenburg, die nicht nur Auslandschweizerinnen und -schweizern das elektronische Abstimmen erlauben, sondern auch einem Teil der ansässigen Bevölkerung, dass das Instrument die Beteiligung nicht erhöht, aber vor allem im Ausland recht rege benutzt wird. E-Voting sei vor allem als Substitut der brieflichen Abstimmung zu betrachten und erschliesse kaum neue Abstimmende, so das Fazit dieser Analysen. Es sei klar, dass Sicherheit und Zuverlässigkeit an erster Stelle stehen müssten, erklärten die Befürwortenden, man könne aber die technische Entwicklung nicht aufhalten – null Risiko gebe es nirgends. Auch für den Bundesrat stand die Sicherheit im Zentrum – er forderte nach wie vor «Sicherheit vor Tempo». Auch wenn das Fernziel wahrscheinlich einst flächendeckendes E-Voting sein dürfte, wurde in den Testkantonen bisher lediglich ein maximaler Anteil von 10 Prozent der Stimmberechtigten für E-Voting zugelassen.

Derweil wurden die Experimente mit dem elektronischen Abstimmen in den Testkantonen fortgeführt. Bisher hatten 13 Kantone erste Versuche mit E-Voting durchgeführt (ZH, GL, FR, SO, SH, SG, GR, AG, TG, GE, LU, BS, NE). Im Kanton Zürich lehnte das Parlament einen Vorstoss der SVP ab, der einen Übungsabbruch verlangt hätte. Der Kanton Bern stellte die Umsetzung im Berichtsjahr wieder zurück. In Genf beantragte die Regierung, den Quellcode des eigenen Systems im Internet zu publizieren, um die Transparenz zu erhöhen und Dritten die Möglichkeit zu geben, das System auf seine Sicherheit zu überprüfen.

In technischer Hinsicht bestanden schweizweit drei verschiedene Systeme, die sich konkurrierten. Das so genannte «Genfer System (CHvote)», das vom Kanton selber entwickelt worden war, nutzen neben dem Kanton Genf auch die Kantone Basel-Stadt und Luzern – und bis zum abschlägigen Entscheid auch Bern. Die spanische Firma Scytl war in Neuenburg für die Umsetzung von E-Voting zuständig und ein so genanntes Konsortium aus neun Kantonen (ZH, GL, FR, SO, SH, SG, GR, AG, TG) bezog die Technik von der Schweizer Tochter des US-Konzerns Unisys. Die Abhängigkeit von ausländischen Firmen geriet allerdings zunehmend in die Kritik, da das Risiko von Spionage gross sei. Als dann die Schweizerische Post auf dem E-Voting-Markt auftrat, wechselte der Kanton Neuenburg zu dieser neuen Plattform. Allerdings arbeitete die Post eng mit dem spanischen Unternehmen Scytl zusammen, das zwar im E-Voting-Bereich weltweit führend ist, aber laut der Zeitung Schweiz am Sonntag auch das US-Verteidigungsministerium zu seinen Kunden zähle.

Im Wahljahr 2015 beantragten die E-Voting-Kantone, zum ersten Mal nicht nur Abstimmungen, sondern auch Wahlen mittels E-Voting durchzuführen. 2011 war dies erst für Auslandschweizerinnen und -schweizer aus vier Kantonen möglich gewesen. 2015 sollten nun im Ausland wohnende Schweizerinnen und Schweizer aus den 13 dies beantragenden Kantonen in den Genuss von E-Voting bei Wahlen kommen (AG, BS, FR, GE, GL, GR, LU, NE, SO, SG, SH, TG, ZH). Im Sommer entschied der Bundesrat allerdings, das Gesuch der neun Kantone des Konsortiums nicht zu bewilligen, weil das System eine Lücke beim Stimmgeheimnis aufweise. Offenbar bestand eine Möglichkeit, vom System gelöschte Daten später wiederherzustellen. Der Entscheid des Bundesrates wurde als «schwerer Rückschlag» kommentiert (NZZ). Die betroffenen Kantone kritisierten ihn harsch und der Interessenverband der Auslandschweizerinnen und -schweizer (ASO) zeigte sich «bestürzt». Die Kritiker hingegen sahen sich bestätigt: Die Junge SVP überlegte sich die Lancierung einer Volksinitiative, mit der der sofortige Übungsabbruch verlangt würde.
Den restlichen vier Kantonen (NE, GE, BS, LU) gab die Regierung freilich grünes Licht. Damit konnten die rund 34'000 im Ausland wohnenden und aus diesen vier Kantonen stammenden sowie 96'000 in den Kantonen Neuenburg und Genf domizilierte Wahlberechtigte per Internet wählen, wovon dann letztlich allerdings lediglich rund 13'000 Bürgerinnen und Bürger Gebrauch machten.

Nachdem der Bundesrat dem Konsortium mit seinem Entscheid praktisch den Todesstoss verpasst hatte, buhlten das Genfer System und das neue System der Post um die neun Kantone, die dem Konsortium angehört hatten. In der Tat hatte dieses Ende September beschlossen, nicht mehr in das System zu investieren und sich entsprechend aufzulösen. Die Zukunft des E-Voting schien damit unsicher und das erklärte Fernziel einer flächendeckenden Möglichkeit für elektronisches Abstimmen und Wählen war in weite Ferne gerückt.

«Vote électronique» – Kritik und gesellschaftliche Debatte von 2015 bis 2022
Dossier: Vote électronique

An ihrer Delegiertenversammlung Mitte November in Solothurn wählte die Junge CVP Schweiz einen neuen Präsidenten. Zum Nachfolger von Jean-Pascal Ammann (LU) wurde Tino Schneider (GR) gewählt. Der 24-Jährige war bei den Bündner Wahlen 2014 als jüngster Grossrat des Kantons Graubünden gewählt worden. Schneider studiert an der Universität Bern Geschichte. Er wolle die Medienpräsenz der Jugendsektion der CVP erhöhen, gab er der Zeitung Südostschweiz zu Protokoll.

Junge CVP Schweiz

Die personelle Zusammensetzung des Regierungsgremiums war schon lange Zeit nicht mehr so konstant gewesen wie beim Bundesrat der Ausgabe 2011 bis 2015. Tatsächlich hatte die letzte Mutation Ende 2011 stattgefunden, als Micheline Calmy-Rey (sp) ihren Sitz für Alain Berset (sp) geräumt hatte. Ähnlich lange Phasen unveränderter Zusammensetzung gab es in der Geschichte der Landesregierung nur sehr selten. Im Schnitt kam es in den letzten rund 50 Jahren alle eineinhalb Jahre zu personellen Veränderungen. Einiges sprach dafür, dass die Regierung auch nach den Gesamterneuerungswahlen von 2015 nicht verändert werden würde. Zwar wurde vor allem seitens der SVP immer wieder der Rücktritt von Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf (bdp) gefordert, weder die BDP-Bundesrätin noch ein anderes Regierungsmitglied äusserte aber vor den Parlamentswahlen Rücktrittsgedanken.
Erst zehn Tage nach den eidgenössischen Wahlen, die ein Erstarken von SVP und FDP und deutliche Verluste für BDP, CVP und GLP brachten, reichte die Bündner Magistratin ihre Demission ein. Das Wahlresultat sei zwar ein Faktor für ihren Rücktritt, aber nicht der entscheidende. Sie sei auch nicht amtsmüde, wolle aber zugunsten ihrer Familie kürzer treten, die wesentlich mehr unter den dauernden Attacken auf ihre Person gelitten hätte als sie selber. Sie sei ob des Entscheides nicht erleichtert, aber trotzdem davon überzeugt, mit ihrem Entschluss, welcher bei den Gesamterneuerungswahlen gereift war, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Auch für die Entwicklung der BDP, die in den Medien stets sehr stark mit ihrem Namen in Verbindung gebracht werde, sei es besser, wenn sie zurücktrete.
In den acht Jahren ihrer Amtszeit, die mit der Nicht-Bestätigung von Christoph Blocher begonnen hatte, stand Eveline Widmer-Schlumpf zuerst drei Jahre dem EJPD und dann dem EFD vor. Die Regierungszeit der BDP-Bundesrätin war geprägt durch stetige und harte Attacken seitens der SVP, der sie ursprünglich als Regierungsrätin von Graubünden vor der Abspaltung der BDP selber angehört hatte. In der Bevölkerung war die Magistratin allerdings beliebt, wurde sie doch im Januar 2009 zur Schweizerin des Jahres 2008 gekürt. Damit sei ihre Standhaftigkeit gegenüber der Hetzkampagne der SVP belohnt worden. Die Volkspartei hatte sie aufgefordert, sofort zurückzutreten oder die SVP Graubünden werde aus der Partei ausgeschlossen. Auch die deutliche Bestätigung bei den Bundesratswahlen nach den Parlamentswahlen 2011 zeigte den Rückhalt, den die Bündnerin auch in grossen Teilen des Parlaments hatte. In den Medien wurde Widmer-Schlumpf als sehr dossiersicher, tüchtig und fachkompetent beschrieben. Der Umstand, dass sie nie über eine Hausmacht im Parlament verfügt habe und sich trotzdem acht Jahre habe halten können, zeige ihre Standhaftigkeit. Die Rückzugsgefechte beim Bankgeheimnis und die Steuerkonflikte mit den USA bleiben mit ihrem Namen behaftet. Die NZZ urteilte, dass Widmer-Schlumpf als Finanzministerin mehr verändert habe, als viele ihrer Vorgänger zusammen. Laut der BZ werde sie als Frau in die Geschichte eingehen, die das Bankgeheimnis beerdigte. Zudem weise ihre Bilanz auch Makel auf. Vor allem die Reorganisation des Bundesamtes für Migration während den ersten Jahren im Justizdepartement sei auf viel Misskredit gestossen. Im TA wurde die Bundesrätin gelobt, weil sie ohne Ideologie getan habe, was nötig gewesen sei. Der Abgang erfolge zudem mit Würde; sie leiste damit der Schweiz einen Dienst und vermeide schmutzige Spielchen bei den anstehenden Bestätigungswahlen. Auch Le Temps lobte Eveline Widmer-Schlumpf als Frau mit Nerven aus Stahl, die mit ihrer Dossiersicherheit unaufgeregt getan habe, was getan werden musste. Weil ihre Basis immer mehr schwächelte – hingewiesen wurde etwa auch auf die geplatzte Zusammenarbeit zwischen CVP und BDP – und die Bündnerin auf wechselnde Koalitionen angewiesen gewesen sei, sei der Rücktritt aber letztlich gar nicht zu verhindern gewesen.
Bei der Verabschiedung der Magistratin im Rahmen der Bundesratswahlen Anfang Dezember würdigte Nationalratspräsidentin Christa Markwalder (fdp, BE) den feinen Humor von Eveline Widmer-Schlumpf und sprach ihr eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise zu. Dass die Finanzen im Lot geblieben seien, sei auch ihr Verdienst. Der langanhaltende Applaus und die stehende Ovation wurde auch von den SVP-Ratsmitgliedern gespendet. Für Unmut sorgte allerdings Neo-Nationalrat Roger Köppel (svp, ZH), der während der Würdigung an seinem Notebook arbeitete. In ihrer Abschiedsrede hob die scheidende Magistratin den Mahnfinger und wies darauf hin, dass der Weg der Schweiz darin bestehe, Minderheiten zu respektieren und Kompromisse zu suchen.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2015 – Nachfolge Eveline Widmer-Schlumpf
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Auch 2014 musste die CVP bei den Gesamterneuerungswahlen in die kantonalen Parlamente Federn lassen. Per Saldo verloren die Christlichdemokraten in sechs Kantonen (BE, GL, GR, NW, OW, ZG) sechs Sitze. Einzig im Kanton Glarus konnte die Mandatsgrösse verteidigt werden. Bitter war die Niederlage im Kanton Bern, wo die CVP ihren einzigen Sitz verlor. Nachdem die Partei im Vorjahr überraschend ein Mandat im Kanton Neuenburg gewonnen hatte und dadurch in allen kantonalen Parlamenten vertreten war, musste sie 2014 also verkraften, dass sie im Kanton Bern keine gesetzgeberische Kraft mehr ist. Immerhin konnte man sich in den Kantonen Zug und Obwalden mit je einem Sitzverlust als stärkste Partei behaupten. Die Verluste führten allerdings dazu, dass die CVP bei der Betrachtung aller Kantone mit total 454 Mandaten nur noch knapp vor der SP (total 453 Sitze) drittstärkste kantonalparlamentarische Legislativkraft ist (hinter der SVP mit 573 Sitzen und der FDP mit 521 Sitzen).

CVP Gesamterneuerungswahlen in die kantonalen Parlamente

Bei den kantonalen Parlamentswahlen 2014 konnte die FDP die massiven Verluste vom Vorjahr etwas bremsen. Zwar verlor der Freisinn per Saldo acht Sitze, in den Kantonen Bern, Glarus und Obwalden konnte er seine Mandatszahl aber halten. In Bern überholte die FDP mit einem leichten Wählerzuwachs gar die BDP und wurde zweitstärkste Kraft hinter der SVP. Auch in Glarus konnte der zweite Platz hinter der Volkspartei verteidigt werden. Im Kanton Graubünden verlor die FDP zwar vier Sitze, die vor allem an die SVP gingen, konnte ihre Vorrangstellung aber halten. In den Kantonen Nidwalden und Zug schliesslich mussten die Freisinnigen je zwei Mandate abgeben. Trotz der Sitzverluste blieb die FDP gesamthaft zweitstärkste Legislativkraft über alle Kantone betrachtet – auch hier hinter der SVP. Mehr als jeder fünfte der total 2'559 Parlamentssitze (ohne AI) ist ein FDP-Mandat (20,4%).

kantonalen Parlamentswahlen FDP

Die Regierungsmandate der FDP konnten im Berichtjahr bei den sechs kantonalen Gesamterneuerungswahlen für die Exekutive konsolidiert werden. In den drei Kantonen (GL, NW, OW), in denen jeweils ein FDP-Regierungsmitglied zurücktrat, konnten die Sitze ohne Probleme verteidigt werden. Auch alle Bisherigen wurden, teilweise bravourös, bestätigt. Damit konnte die Baisse vom Vorjahr, als der Freisinn gleich fünf Exekutivmandate abgeben musste, vergessen gemacht werden. Mit 42 der insgesamt 156 kantonalen Exekutivsitze blieb denn die FDP auch 2014 die stärkste kantonale Regierungskraft knapp vor der CVP, die Ende 2014 total 39 Sitze hielt. Nur in den Kantonen Wallis und Appenzell Innerrhoden waren die Freisinnigen nicht in der Regierung vertreten.

FDP Gesamterneuerungswahlen für die Exekutive

Per Saldo konnte die SP in den sechs im Berichtsjahr stattfindenden kantonalen Parlamentswahlen um einen Sitz zulegen. Im Kanton Bern mussten trotz leichtem Wählerzuwachs zwei und in den Kantonen Glarus und Zug je ein Sitz abgegeben werden. Dafür hatten die Genossen in Nidwalden und in Graubünden etwas zu feiern. Im Kanton Graubünden konnten drei Sitze gewonnen werden und im Kanton Nidwalden wurde nicht nur der Wähleranteil verdoppelt, sondern auch die Sitzzahl verdreifacht. Die Sozialdemokraten haben im Innerschweizer Kanton neu drei Sitze inne. Im Kanton Obwalden, wo die SP ebenfalls traditionell schwach ist, konnten die sechs bisherigen Mandate gehalten werden. Neu sassen auf 453 der total 2'559 kantonalen Parlamentssitze (ohne AI) Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, was einem Anteil von 17,7% entspricht. Damit liegt die SP praktisch gleichauf mit der CVP, die Ende des Berichtsjahrs über 454 Sitze verfügte, aber hinter der SVP (573 Mandate) und der FDP (521 Mandate).

SP Parlamentswahlen

Die SP war die einzige Partei, die bei den 2014 in sechs Kantonen stattfindenden regulären Regierungswahlen einen Verlust hinnehmen musste: Der Regierungsrat des Kantons Glarus ist nach der Abwahl der SP-Vertreterin Christine Bickel rein bürgerlich besetzt. Immerhin konnten sich die Genossen mit der Verteidigung der links-grünen Mehrheit im Kanton Bern etwas trösten, alle drei SP-Regierungsmitglieder wurden wiedergewählt. Auch in Graubünden konnten die Sozialdemokraten ihren Regierungssitz verteidigen. Allerdings scheiterten die Genossen in Zug mit ihrem Angriff auf das vor acht Jahren verlorene Exekutivmandat. Die SP hält damit Ende 2014 noch rund jedes fünfte Regierungsmandat (20,5%). Damit ist sie die drittwichtigste Regierungskraft in den Kantonen – hinter der FDP (26,9%) und der CVP (25%), aber noch vor der SVP (14,1%). Total hielten die Sozialdemokraten Ende Jahr 32 der total 156 kantonalen Exekutivmandate.

SP Regierungswahlen

Wie bereits 1988 bei der Gesamtverkehrskonzeption konnte sich die SVP auch beim Energieartikel nicht zu einer Unterstützung der Vorlage ihres eigenen Bundesrates durchringen. An der Delegiertenversammlung der SVP in Einsiedeln standen 97 Befürworter genau 97 Gegnern, unter Anführung von Nationalrat Blocher (ZH), gegenüber, worauf die Stimmfreigabe beschlossen wurde. Freilich gaben wichtige Kantonalsektionen, darunter diejenigen von Aargau, Bern und Graubünden, die Ja-Parole aus. Die beiden Atominitiativen (Ausstieg aus der Atomenergie, Moratorium) wurden von den Delegierten mit überwältigendem Mehr zur Ablehnung empfohlen, nur für die Revision des Strassenverkehrsgesetzes wurde die Ja-Parole beschlossen. Zum Abstimmungspaket im Frühling gab die SVP die Ja-Parolen zum Rebbaubeschluss und zur Revision der Bundesrechtspflege heraus, empfahl hingegen alle Strassenbauinitiativen (freie Aarelandschaft zwischen Biel und Solothurn/Zuchwil, autobahnfreies Knonauer Amt, autobahnfreie Landschaft zwischen Murten und Yverdon, «Stopp dem Beton») zur Ablehnung.

Parolen der SVP 1990
Dossier: Parolen der SVP, 1990-1994