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Im Jahr 2019 wählten sechs Kantone ihre Parlamente neu (AI, AR, BL, LU, TI, ZH). Insbesondere in den drei Deutschschweizer Kantonen Basel-Landschaft, Luzern und Zürich erzielten die Grünen deutliche Gewinne. Alleine in diesen drei Kantonen konnte die Partei ihre Sitzzahl von 28 auf 51 Sitze steigern. Auch die Grünliberalen profitierten von der vielzitierten «grünen Welle» und gewannen Mandate dazu (von 22 auf 34 Sitze in diesen drei Kantonen). Grösste Verliererin war die SVP, welche in allen Kantonen – abgesehen vom Tessin – zwischen 4 und 6 Prozentpunkten an Wähleranteilen einbüsste. In fünf von sechs Kantonen stieg der Frauenanteil im Parlament gegenüber den letzten Wahlen. Einzig im Kanton Appenzell Innerrhoden sank der Anteil von 30.0 auf 24.0 Prozent. Um je rund 10 Prozentpunkte und damit am deutlichsten stieg der Frauenanteil in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden (von 23.1% auf 33.8%) und Tessin (von 24.4% auf 34.4%).

Die Wahlbeteiligung blieb in allen Kantonen im Vergleich zu den Vorwahlen auf tiefem Niveau relativ konstant (zwischen 33.5% und 41.5%). Einen Sonderfall in dieser Hinsicht stellte der Kanton Tessin dar, wo 59.3 Prozent der Stimmberechtigten an die Urne gingen.

Dieselben sechs Kantone wählten 2019 auch ihre Kantonsregierungen neu. In den Kantonen Appenzell Ausserrhoden und Luzern blieb beinahe alles beim Alten, denn alle Bisherigen wurden wiedergewählt und alle Zurückgetretenen wurden von Personen aus derselben Partei ersetzt. Im Tessin blieb die Parteizusammensetzung der Regierung zwar ebenfalls konstant, doch der bisherige CVP-Regierungsrat Paolo Beltraminelli (TI, cvp) verpasste die Wiederwahl und wurde von seinem Parteikollegen Raffaele De Rosa (TI, cvp) überflügelt. Im Kanton Appenzell Innerrhoden verlor die CVP einen Sitz an einen weiteren "Unabhängigen" (sprich: Parteilosen), von denen somit vier in der Innerrhoder Kantonsregierung sassen. Gleich zwei Regierungsmandate verlor die FDP – im Kanton Zürich an die Grünen und im Kanton Basel-Landschaft an die SP. In drei weiteren Kantonen (BS, AG, VD) kam es zudem zu Ersatzwahlen für einen freigewordenen Regierungssitz. In allen drei Fällen vermochten die jeweiligen Parteien ihre Sitze zu verteidigen. Die Anzahl Frauen in den Kantonsregierungen blieb 2019 beinahe unverändert. In den Kantonen Waadt und Zürich übernahm je eine Frau einen Sitz von einem Mann, während im Kanton Aargau der Regierungsrat nach der Ersatzwahl wieder rein männlich wurde. Insgesamt hatten Ende 2019 fünf Kantone eine rein männliche Regierung (AR, LU, TI, GR, AG) und elf weitere hatten lediglich ein weibliches Regierungsmitglied. Von den total 154 kantonalen Regierungsratsmitgliedern in der Schweiz waren Ende 2019 38 weiblich.

Übersicht über die Wahlen auf Kantons- und Gemeindeebene 2019
Dossier: Kantonale Parlamentswahlen 2019
Dossier: Kantonale Regierungswahlen 2019
Dossier: Kommunale Wahlen 2019
Dossier: Übersicht über die Wahlen auf Kantons- und Gemeindeebene

Im Jahr 2018 mehrten sich Zeitungsberichte zu schwarzen Listen von säumigen Prämienzahlenden. Seit 2012 können Kantone Personen, die ihre Prämien trotz Betreibungen durch die Krankenkassen nicht bezahlten, auf solchen Listen erfassen. Für diese übernehmen die Krankenkassen in der Folge nur noch «Notfallbehandlungen». Anfang 2018 hatten neun Kantone (AG, GR, LU, SG, SH, SO, TH, TI, ZG) solche Listen eingeführt, schweizweit befanden sich darauf 29‘000 Personen.
Anfang 2018 berichteten die Medien, bisher sei keine Wirkung der Listen auf die Zahlungsmoral zu beobachten. So hätten die eingereichten Betreibungsbegehren wegen nicht bezahlter Krankenkassenprämien und die entsprechenden Verluste für die Krankenversicherungen und die Kantone, die 85 Prozent der Kosten übernehmen müssten, auch in Kantonen mit schwarzen Listen in den letzten Jahren zugenommen. Eine Studie des Kantons Zürich zeigte denn auch auf, dass die Prämienausstände in Kantonen mit schwarzen Listen genauso angestiegen waren wie in anderen Kantonen. Franziska Roth (AG, svp), Regierungsrätin des Kantons Aargau, betonte, dass von der Liste kein «durchschlagender Abschreckungseffekt» ausgehe. Stattdessen entstehe Spitälern, Krankenkassen und Kantonen ein hoher administrativer Aufwand. «Die schwarze Liste löst keine Probleme, sie schafft neue», betonte Roth. Der Kanton Thurgau zeigte sich als einziger zufrieden mit dem Instrument. Der Thurgauer Regierungsrat Jakob Stark (TG, svp) betonte, dass eine Untersuchung im Thurgau ergeben habe, dass zwei Drittel der Leute auf der schwarzen Liste keinen Anspruch auf Prämienverbilligung hätten. Es gebe somit mehr Leute, «die nicht zahlen wollen, als solche, die nicht zahlen können», erklärte er und wehrte sich dagegen, dass den Leuten auf der Liste automatisch eine Opferrolle zuteilwerde. Wichtig sei, dass die Behörden wie in seinem Kanton frühzeitig auf die säumigen Prämienzahlenden zugehe und mit ihnen Lösungen suche. So diene die Liste im Kanton Thurgau eher als eine Art «Frühwarnsystem», lobten die Medien.
Auch die Konsequenzen für die Betroffenen wurden in den Medien diskutiert. Da eine Definition des Notfallbegriffs fehle, müssten konkret die Ärztinnen und Ärzte entscheiden, was ein «Notfall» ist. Wegen der ethischen Verantwortung der Ärztinnen und Ärzte und der Aufnahmepflicht für Notfälle habe dies somit keine Nichtbehandlungen zur Folge, berichteten die Medien anfänglich. Dass die Sachlage nicht ganz so einfach war, zeigten Zeitungsberichte im April 2018, als Fälle bekannt wurden, in denen Krankenkassen «den Begriff Notfall sehr eigenwillig interpretier[t]en», wie zum Beispiel Markus Schwendinger vom Kantonsspital Baden berichtete, und unter anderem Geburten oder Krebsfälle nicht als Notfälle anerkannten. In diesen Fällen blieben die Spitäler auf den Kosten sitzen.
Dass ein Platz auf dieser schwarzen Liste drastische Konsequenzen für die Betroffenen haben kann, zeigte schliesslich ein tragischer Fall im April 2018. Eine Krankenkasse hatte einem 55-jährigen HIV-positiven Bündner trotz Warnung der Ärzte die Bezahlung von HIV-Medikamenten und anschliessend, nach Ausbruch der Krankheit, von Aids-Medikamenten verweigert. Der Mann starb kurze Zeit später. Die Krankenkasse verteidigte ihr Vorgehen damit, dass ein Notfall als «akuter, lebensbedrohlicher Zustand» definiert sei, was in diesem Fall jedoch nicht vorgelegen habe. Dieser Fall führte zu einiger Aufruhr in den Medien. Die Schweiz steuere auf eine Zweiklassenmedizin zu, wurde kritisiert. Die schwarze Liste gefährde die medizinische Grundversorgung der wirtschaftlich und sozial schwächeren Bevölkerungsgruppen, schrieb etwa die Solothurner Regierung und betonte, die Krankenversicherungen würden als Einzige von dieser Regelung profitieren, da sie von den Kantonen 85 Prozent der ausstehenden Kosten zurückerstattet erhielten und in der Folge nur noch die Notfallbehandlungen übernehmen müssten. Doch auch die Krankenversicherer zeigten sich in den Medien von den schwarzen Listen wenig begeistert, da für sie ein zusätzlicher Aufwand entstehe.
Im Mai 2018 folgte erstmals ein Gerichtsurteil zur Notfalldefinition im Zusammenhang mit schwarzen Listen. Darin urteilte das Versicherungsgericht St. Gallen, die Krankenkasse Assura habe eine Zahlung für eine Geburt zu Unrecht nicht übernommen. Die Versicherung hatte den Verzicht damit begründet, dass eine Geburt planbar sei und somit keinen Notfall darstelle. Das Kantonsspital St. Gallen hatte die Versicherung in der Folge verklagt. Das Gericht definierte den Begriff der «Notfallbehandlung» deutlich breiter, als es die Versicherung getan hatte. Ein Notfall liege vor, «wenn dem Medizinalpersonal eine Beistandspflicht zukommt» und eine Person umgehend Hilfe brauche, weil ihre Gesundheit sonst ernsthaft beeinträchtigt werden könnte. Zentral sei somit, wie die Ärztinnen und Ärzte die Situation einschätzten. Das Gericht wies überdies darauf hin, dass es einer einheitlichen Definition eines Notfalls bedürfe, weil sonst gegen das Gleichbehandlungsgebot verstossen werde.
Diese Entwicklungen hatten auch politische Folgen. Im Juni 2018 reichte Angelo Barrile (sp, ZH) eine Motion zur ersatzlosen Streichung der schwarzen Listen aus dem KVG ein, einen Monat später verlangte die SGK-NR in einer Motion eine Pflicht für die Kantone, den Artikel zu den schwarzen Listen um eine Definition des Begriffs «Notfall» zu ergänzen. In verschiedenen Kantonen wurden die schwarzen Listen jedoch gänzlich in Frage gestellt; Graubünden und Solothurn schufen sie im Laufe des Jahres 2018 wieder ab.

Öffentliche Debatte zu den schwarzen Listen für säumige Prämienzahlende (2018)
Dossier: Schwarze Liste für säumige Prämienzahlende

Die Virulenz der Debatten um das Thema E-Voting nahm 2018 weiter zu. Diskutiert wurde insbesondere, ob der Nutzen, der mit «Vote électronique» gewonnen werde, das Schadenpotenzial übertreffen könne. Während der Bundesrat und zahlreiche Kantone die Entwicklung von E-Voting vorantrieben, wuchs die Skepsis in den eidgenössischen Räten. Eine grössere gesellschaftliche Debatte zum Thema blieb vorerst noch aus, kann aber im Rahmen einer angekündigten Volksinitiative zu einem Verbot von E-Voting erwartet werden. Ende Jahr entschied sich der Kanton Genf, sein seit 2003 bestehendes System CHVote aus Kostengründen nicht weiter zu entwickeln und es per 2020 vom Markt zu nehmen. Damit verblieb einzig das System der Post, das im Frühling 2019 einem vom Bund finanzierten Intrusionstest unterzogen werden soll.

«Von einem Siegeszug des E-Voting in der Schweiz kann beim besten Willen nicht die Rede sein», hatte die NZZ bereits im Februar 2018 den Stand der Entwicklung des elektronischen Abstimmens kommentiert. Es ginge nicht nur um die wichtigen Sicherheitsbedenken: Auf dem Spiel stünden die Wahrung des Stimmgeheimnisses und die Garantie der unverfälschten Stimmabgabe. Grund für den Kommentar war die Ankündigung der Bundeskanzlei, die bestehenden E-Voting Systeme – das vom Kanton Genf betriebene CHVote und das System der Post – einem Härtetest zu unterziehen. Diese Forderung, verbunden mit einem Preisgeld über CHF 1 Mio., war bereits von Marcel Dobler (fdp, SG) als Motion formuliert worden (Mo. 17.3852), die dieser allerdings nach der Ankündigung der Bundeskanzlei zurückzog. Als Termin für diesen Stresstest nannte der Bund das erste Quartal 2019. Gleich nach der Ausschreibung Ende Jahr meldeten sich mehr als 400 Interessentinnen und Interessenten, die das System hacken wollten

Eine neue Wende bekam die Diskussion um E-Voting Ende Februar mit der Vorankündigung der Lancierung einer Volksinitiative zur Verhinderung von E-Voting. Ein Komitee um den Luzerner Nationalrat und IT-Unternehmer Franz Grüter (svp, LU) und den Chaos Computer Club kündigte an, «Vote électronique» stoppen zu wollen. Man könne zwar auch die Änderung des Gesetzes über die politischen Rechte, die ja noch immer nicht vollzogen sei, mit einem Referendum bekämpfen, aber dann sei es vielleicht zu spät. In der Tat schufen immer mehr Kantone Voraussetzungen für elektronisches Abstimmen. Die Initianten waren sich einig, dass jedes Wahlsystem gehackt werden könne. Dies sei aber noch nicht einmal nötig: Wenn nur schon der Anschein erweckt werde, dass bei einer Abstimmung nicht alles mit rechten Dingen zugehe, nehme das Vertrauen in das Abstimmungsergebnis schaden, betonten sie. So werde die Demokratie de facto abgeschafft, warnte Hernâni Marques vom Chaos Computer Club, der bereits im Referendumskomitee gegen das Büpf gesessen hatte. Einigendes Merkmal des Initiativkomitees war das Misstrauen gegen die Bundeskanzlei, die E-Voting auch in den Kantonen vorantrieb. Die Vorwürfe seien nicht berechtigt, gab Barbara Perriard, die Leiterin politische Rechte in der Bundeskanzlei, zu Protokoll. Das Referendum hätte bereits 2002 bei der Einführung der E-Voting-Versuche ergriffen werden können. Zudem gebe es ja auch die Möglichkeit von kantonalen Referenden. Auch die Bundeskanzlei strebe höchste Sicherheit in Zusammenhang mit E-Voting an. Mit der vollständigen Verifizierbarkeit, die vom Bund von den E-Voting-Systemen verlangt werde, sei aber sichergestellt, dass Angriffe entdeckt würden.

Von verschiedener Seite wurde begrüsst, dass mit einer Initiative eine breite Grundsatzdebatte über den neuen Wahl- und Stimmkanal geführt werden solle. Uneinig war man sich allerdings, wie gross das Schadenpotenzial sei und ob der Nutzen im Vergleich dazu genügend gross sei. Dass ein solcher insbesondere für die Auslandschweizerinnen und -schweizer, aber auch für Menschen mit besonderen Bedürfnissen (z.B. Personen, die von einer Behinderung betroffen sind) bestehe, war unbestritten. Häufig wurde auch ins Feld geführt, dass die Beteiligung – vor allem auch von Jugendlichen – dank elektronischem Abstimmen und Wählen zunehmen würde. Die digitale Stimmabgabe müsse als Chance betrachtet werden, weil sie den Prozess der Stimmabgabe vereinfache und helfe, ungültige Stimmen zu vermeiden, wurde argumentiert. Diskutiert wurde darüber hinaus, dass auch das briefliche Abstimmen nicht vollständig sicher sei und auch dort Pannen passierten. Wichtig sei, dass Fehler entdeckt würden und dass eingeschätzt werden könne, ob eine Abstimmung notfalls, also wenn das Resultat entscheidend beeinflusst wurde, wiederholt werden müsse. Eine solche Einschätzung sei aber gerade bei der Papierwahl häufig nicht möglich: So seien etwa nicht nur analoge, sondern auch viele elektronische Systeme zur Auszählung von Stimmen zu wenig verlässlich. Zum so genannten E-Counting hatte sich die GPK schon 2017 kritisch geäussert. Bei der elektronische Stimmabgabe sei eine Auszählung der Stimmen nicht nur wesentlich einfacher, sondern auch schneller und billiger. E-Voting solle deshalb nicht vorschnell verworfen werden (TA 17.4.18) und sei besser als sein momentaner Ruf (BaZ 24.4.18). Digital Abstimmen sei zudem so billig, dass man mehr direkte Demokratie zulassen könne (AZ 5.5.18).

Bundeskanzler Walter Thurnherr, von der NZZ als «Mister E-Voting der Schweiz» (NZZ 17.2.18) bezeichnet, zeigte sich in einem Interview Ende April (NZZ 28.4.18) ob der wachsenden Skepsis gegenüber E-Voting erstaunt. Vor nicht allzu langer Zeit habe der Bundesrat Vorstösse bekämpft, mit denen eine rasche und flächendeckende Einführung von «Vote électronique» gefordert worden sei. Er selber denke, dass man das kalkulierbare Risiko eingehen könne. Man könne das mit einem gut gesicherten Haus vergleichen, bei dem ein Einbruch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden könne, man aber sofort feststellen könne, wenn wirklich jemand eingedrungen sei. Aber manchmal brauche es Zeit, bis Neuem genügend Vertrauen entgegengebracht werde. Im Kanton Graubünden habe man etwa während 25 Jahren das Auto verboten. Eine solche Ablehnung von Neuem sei aber immer auch eine legitime Entscheidung.

Verschiedene E-Voting-Tests in den Kantonen fielen unterschiedlich aus. So zeigte sich etwa in den Pilotgemeinden im Kanton St. Gallen bei den eidgenössischen Abstimmungen vom März 2017 ein recht deutlicher Rückgang der Zahl online Abstimmender, obwohl die Stimmbeteiligung höher war als bei früheren E-Voting-Versuchen. Man müsse sich fragen, ob hier wirklich ein Bedürfnis bestehe, weil brieflich abstimmen schon heute sehr bequem sei, gab Martin Stöckling, der Stadtpräsident von Rapperswil-Jona, einer der St. Galler Testgemeinden, zu bedenken. Auch im Kanton Genf – dem eigentlichen Pionierkanton hinsichtlich E-Voting – zeigten Auswertungen, dass elektronisches Abstimmen die Wahlbeteiligung eher nicht erhöht. Erste Tests im Kanton Thurgau wurden im September hingegen als «geglückt» bezeichnet (TG 24.9.18).

In den eidgenössischen Räten schien die Skepsis gegenüber E-Voting zu wachsen: Zwei kritische Vorstösse wurden in der Herbstsession zwar abgelehnt, aber die SPK-SR gab einer parlamentarischen Initiative Müller (fdp, LU; Pa.Iv. 18.427) Folge. Der Bundesrat trieb die Entwicklung dennoch entsprechend seines Fahrplans weiter voran. Vor den Sommerferien beauftragte er die Bundeskanzlei mit einer Revision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte, die Ende 2018 in die Vernehmlassung gegeben wurde. Ziel war nach wie vor der ordentliche Betrieb von E-Voting.
Auch in den Kantonen schien die Euphorie für E-Voting ungebremst. Acht Kantone verwendeten «Vote électronique» weiterhin testweise (AG, BS, BE, FR, GE, LU, NE, SG). Mitte Juni entschied der St. Galler Kantonsrat, E-Voting flächendeckend in allen Gemeinden einzuführen. Der Kanton Thurgau erhielt ebenfalls im Juni die Bewilligung, und auch die Kantone Glarus, Graubünden und Waadt kündigten an, E-Voting bald einführen zu wollen. Im Kanton Uri hatte sich das Parlament jedoch bereits im März gegen die Einführung von E-Voting entschieden; im Kanton Jura erfolgte der abschlägige Entscheid im Dezember 2018.

Die bundesrätliche Entscheidung, trotz Kritik an der Idee der Einführung von «Vote électronique» als ordentlichem Stimmkanal festzuhalten, rief freilich erneut die Skeptikerinnen und Skeptiker auf den Plan. Neu wurden verschiedene Berichte über Wahlmanipulation und Datenklau aus dem Ausland ins Feld geführt. Es stimme zwar, dass das Individuum viele Dinge immer stärker digital organisiere und löse. Während aber bei Sicherheitslücken z.B. beim E-Banking nur Einzelne geschädigt würden, stehe bei Fehlern beim E-Voting das Vertrauen in die gesamte Demokratie auf dem Spiel, warnte etwa Balthasar Glättli (gp, ZH), der sich nach eigenen Aussagen «vom Skeptiker zum Gegner» gewandelt habe (AZ 28.6.18). Zwar werde mit E-Voting gewiss administrativer Aufwand erspart, Änderungen an Abstimmungsprozeduren seien aber «gleichsam operative Eingriffe an den Herzkammern der Demokratie», warnte die Weltwoche (11.10.18). Freilich gebe es auch Fehler bei Briefabstimmungen, diese seien aber viel einfacher aufzudecken. Wollte man bei herkömmlichen Abstimmungen ein Abstimmungsergebnis aus betrügerischer Absicht verfälschen, wäre die Zusammenarbeit zahlreicher Zählbüros aus unterschiedlichen Gemeinden vonnöten. Mit E-Voting würde dies bereits einem einzelnen Hacker gelingen, der nicht mal vor Ort sein müsse, gab der ehemalige Nationalrat Jean-Christophe Schwaab (VD, sp) in einem Interview in der Tribune de Genève (20.12.18) zu bedenken.

Mitte August mischte sich die Auslandschweizer-Organisation (ASO) in die Diskussion ein. Als Reaktion auf die lauter werdende Kritik an E-Voting lancierte sie an ihrem jährlichen Kongress eine Online-Petition, mit der gefordert wurde, dass bis 2021 alle Auslandschweizerinnen und -schweizer elektronisch wählen und abstimmen können. Ende November wurden der Bundeskanzlei 11'492 Unterschriften aus über 150 Ländern übergeben. Viele der rund 725'000 im Ausland wohnhafter Schweizerinnen und Schweizer seien auf den elektronischen Stimmkanal angewiesen – so die Begründung für die Petition.

Ende November wurde bekannt, dass der Kanton Genf sein seit 2003 bestehendes System CHVote einstellen wird. Die verlangte Weiterentwicklung des Systems würde nicht nur eine Verzögerung, sondern deutlich höhere Entwicklungs- und Betriebskosten nach sich ziehen. Diese wollten aber die Vertragskantone Aargau, Bern, Luzern und St. Gallen nicht mittragen, worauf der Genfer Staatsrat beschloss, das bestehende System nicht weiterzuentwickeln und nur noch bis Februar 2020 zur Verfügung zu stellen. Kurz zuvor hatte der Chaos Computer Club bekannt gemacht, dass Nutzerinnen und Nutzer des Onlinezugangs von CHVote relativ einfach auf eine falsche Seite umgeleitet werden können, ohne dies zu bemerken. Dies sei aber schon lange bekannt und habe nichts mit dem Rückzug des Systems zu tun (AZ 29.11.18). Nach der Aufgabe des Konsortiums aus neun Kantonen (ZH, GL, FR, SO, SH, SG, GR, AG, TG) im Jahr 2015 – deren System war vom Bund als zu wenig sicher beurteilt worden – bestand also nur noch ein System, nämlich jenes der Post.
Nebst der hängigen parlamentarischen Initiative Müller wurden in der Folge im Parlament weitere Vorstösse (Mo. 18.4375 und 18.4225) eingereicht, die einen möglichen Alleingang der Post vor allem aus Sicherheitsbedenken verhindern wollten. Auch in einigen Kantonen wurden Vorstösse eingereicht, die aufgrund des Ausstiegs von Genf einen Marschhalt verlangten. Die Kantone Aargau, Bern, Luzern und St. Gallen gaben hingegen bekannt, zum System der Post wechseln zu wollen oder einen Wechsel zumindest zu prüfen. Bereits Ende Juni hatte die Stadt Zug angekündigt, ein neues auf der Blockchain basierendes, zusammen mit der Fachhochschule Luzern entwickeltes E-Voting-System testen zu wollen.

«Vote électronique» – Kritik und gesellschaftliche Debatte von 2015 bis 2022
Dossier: Vote électronique

An der Vernehmlassung zum ersten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen zwischen September und Dezember 2018 beteiligten sich 150 Einheiten und Organisationen, darunter alle Kantone, die sieben grossen nationalen Parteien, der Städte- und der Gemeindeverband, Dachverbände der Wirtschaft, Konsumenten-, Patienten-, Leistungserbringenden- sowie Versichererverbände. Entsprechend breit war trotz Lobes für die Bemühungen des Bundesrates zur Kostensenkung auch die Kritik an dem neuen Projekt. Insbesondere wurde vor Wechselwirkungen mit anderen Revisionen, vor Finanzierungs- oder Versorgungsproblemen sowie vor einer verstärkten Bürokratisierung oder staatlichen Steuerung gewarnt, wie das BAG in seinem Ergebnisbericht erklärte.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

In Erfüllung des Postulats Hêche (sp, JU), das einen Bericht über die Rolle der bundesnahen Unternehmen bei der Entwicklung der Berggebiete und der ländlichen Regionen gefordert hatte, wertete der Bund die Anzahl Arbeitsplätze und das regionale Engagement bundesnaher Unternehmen sowie verschiedene Kennzahlen zu Dienstleistungen im Bereich Beschaffung und Grundversorgung aus. Aufgrund der gewählten Untersuchungsebene der Kantone wurden Uri, Obwalden, Nidwalden, Glarus, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, Graubünden, Tessin, Wallis, Neuenburg und Jura als «Berggebiete und ländliche Räume» definiert und waren Gegenstand der Untersuchung. So flossen ländliche Gebiete in anderen Kantonen, etwa solche in Bern, nicht in die Untersuchung mit ein, womit die Untersuchungseinheit nicht deckungsgleich ist mit derjenigen im Bericht «Politik des Bundes für die ländlichen Räume und Berggebiete». Der Bericht zum Postulat Hêche folgert, dass sich in den untersuchten Kantonen wichtige Standorte bundesnaher Betriebe befinden und es in Bezug auf den erfolgten Stellenabbau keine Benachteiligung für ländliche Räume und Berggebiete im Vergleich zu städtischeren Gebieten gebe. Ferner würden sich die Unternehmen bereits zum aktuellen Zeitpunkt erheblich und gezielt für die Entwicklung der Berggebiete und ländlichen Räume einsetzen. Aufgrund dessen sah der Bundesrat keinen Handlungsbedarf zur Anpassung der strategischen Ziele oder zum Beschluss neuer Massnahmen.

Entreprises fédérales contribuent au développement des régions de montagne et des espaces ruraux(Po. 16.3460)

Im November 2018 veröffentlichte der Bundesrat die Botschaft für eine Änderung des Erwerbsersatzgesetzes (EOG) zur Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen, wie sie die Motion der SGK-SR vom August 2016 (Mo. 16.3631) gefordert hatte. Grund für die Revision des EOG sei eine Rechtslücke bei der Mutterschaftsentschädigung, da die Mütter bei über dreiwöchigem Spitalaufenthalt der Neugeborenen heute zwar die Mutterschaftsentschädigung aufschieben könnten, jedoch weder das EOG noch eine andere Versicherung bei Aufschub der Mutterschaftsentschädigung Leistungen vorsähen. Daher schlug der Bundesrat 56 zusätzliche Entschädigungstage (Wochentage, nicht Arbeitstage) sowie eine Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs und des Schutzes vor Kündigung zur Unzeit vor, sofern Neugeborene mindestens drei Wochen im Spital verbleiben müssten und die Mütter nach dem Mutterschaftsurlaub ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnähmen. Die Zusatzkosten von jährlich CHF 5.9 Mio. würden durch die aktuellen Einnahmen der EO gedeckt.

Bei der Vernehmlassung von März bis Juni 2018, an der sich alle 26 Kantone, fünf im eidgenössischen Parlament vertretene Parteien sowie zahlreiche Verbände beteiligten, traf der Vorschlag ausser bei der SVP und dem Gewerbeverband mehrheitlich auf Zustimmung. Die SVP argumentierte, dass die Erholung der Mutter und der Aufbau einer Bindung zum Kind – der Zweck des Mutterschaftsurlaubs – auch im Spital geschehen könnten. Der SGV hielt die Nachweispflicht für die Mütter, dass sie bereits vor der Geburt geplant hätten, nach dem Mutterschaftsurlaub wieder zu arbeiten, für unpraktikabel und forderte das Vorliegen eines gültigen Arbeitsvertrags. Auch SAV, SGB und Travail.Suisse erachteten diesen Nachweis als zu komplex und sprachen sich stattdessen für eine Überprüfung durch die Ausgleichskassen anhand der später entrichteten Beiträge aus, während die SP eine Ausdehnung der Entschädigung auf alle Frauen unabhängig ihrer Erwerbstätigkeit forderte. Darüber hinaus kritisierten SGB und Travail.Suisse, dass die Vorlage nicht alle Lücken im sozialen Netz bezüglich Mutterschaftsentschädigung schliesse.

Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen (BRG 18.092)

Im November 2017 bzw. im März 2018 reichten mit Graubünden (Kt.Iv. 17.318) und dem Wallis (Kt.Iv. 18.307) zwei weitere Kantone Standesinitiativen mit der Forderung nach einer Aufstockung des Grenzwachtkorps ein. Durch die Zunahme der Immigration – auch der illegalen – in jüngerer Zeit, werde das Grenzwachtkorps stark belastet. Es dürfe nicht zum Normalzustand werden, dass Personal in akut betroffene Regionen verschoben werden müsse, indem man gleichzeitig an anderen Orten Lücken offen lasse. Auch wenn beim Bund voraussichtlich gespart werden müsse, dürften beim Grenzwachtkorps keine Stellen abgebaut werden, es müssten im Gegenteil neue geschaffen werden, um die Sicherheit der Schweiz weiterhin zu gewährleisten. Nachdem die SiK-SR die Leitungen der Oberzolldirektion und des Grenzwachtkorps angehört hatte, erkannte eine Mehrheit diesbezüglich keinen Handlungsbedarf und empfahl, die Initiativen abzulehnen. Dank der in den vergangenen Jahren getroffenen Massnahmen, darunter eine bereits erfolgte Personalaufstockung, die Modernisierung der technischen Hilfsmittel, die Anpassung des Einsatzkonzeptes sowie die Verwendung von Mitteln der Armee, könne das Grenzwachtkorps seine Aufgaben zufriedenstellend erfüllen. Eine Minderheit beantragte hingegen, den Initiativen Folge zu geben. Der Ständerat zeigte in der Herbstsession 2018 jedoch mehrheitlich Verständnis für das Anliegen der Grenzkantone und gab den beiden Initiativen mit jeweils 25 zu 19 Stimmen Folge. Auch die SiK-NR ortete Sicherheitsprobleme an der Landesgrenze und erkannte Handlungsbedarf in dieser Sache. Sie beschloss im Oktober 2018 mit 15 zu 8 Stimmen, der FK-NR zu beantragen, im Voranschlag 2019 und im Finanzplan 2020–22 das Globalbudget der Zollverwaltung um 44 Vollzeitstellen zugunsten des Grenzwachtkorps zu erhöhen. Um den politischen Druck auch angesichts des unsicheren Ausgangs der Budgetdebatte aufrechtzuerhalten, gab sie darüber hinaus den beiden Initiativen mit jeweils 20 zu 4 Stimmen Folge.

Aufstockung des Grenzwachtkorps (Kt.Iv. 17.318 und 18.307)
Dossier: Forderungen nach einer Aufstockung des Grenzwachtkorps und Transformation der EZV (2016–)

An der von Juni bis Oktober 2018 dauernden Vernehmlassung zum Bundesgesetz über elektronische Medien beteiligten sich 253 Organisationen, darunter alle Kantone, die sieben grössten Parteien (BDP, CVP, FDP, GLP, Grüne, SP, SVP), Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete und der Wirtschaft sowie weitere interessierte Kreise. Gemäss Vernehmlassungsbericht gingen die Meinungen der Teilnehmenden weit auseinander. Zwar wurde der Handlungsbedarf mehrheitlich anerkannt, grundsätzliche Zustimmung fand die Vorlage jedoch nur bei der GLP und 16 Kantonen (AI, AR, BE, BL, BS, FR, GR, NE, NW, SG, SO, TI, UR, VS, ZG, ZH) sowie einzelnen weiteren Organisationen. Eher wohlwollend nahmen – trotz ihrem Wunsch nach weitergehender Regulierung – die Grünen, die Kantone St. Gallen und Waadt, die EMEK, Medienverbände und die Gewerkschaften (SGB und Syndicom) das Gesetz auf. Keine Unterstützung fand es bei SP und BDP, die sich ein Mediengesetz gewünscht hätten, das alle Mediengattungen abdeckt. Umgekehrt empfanden die SVP, die Kantone Luzern und Schwyz, die Aktion Medienfreiheit und weitere Organisationen ein neues Gesetz als unnötig. Die SVP, die FDP, die BDP, der Kanton Schaffhausen sowie der Verband Schweizer Medien, Medias Suisses, der Gewerbeverband, Economiesuisse, die Aktion Medienfreiheit sowie zahlreiche Verlage sprachen sich denn auch gegen das neue Gesetz aus.
Besonders häufig kritisiert wurde der Geltungsbereich des Gesetzes, der neu auch den Onlinebereich umfassen soll, obwohl nicht klar sei, ob dies gemäss Verfassung zulässig sei. Im Gegenzug sollten Radios ohne Leistungsvereinbarung nicht mehr davon tangiert werden. Auf Kritik stiessen auch die ausschliessliche Förderung von audio- und audiovisuellen Medienbeiträgen, die Verteilung der Abgabe für elektronische Medien auf einen breiteren Kreis und die nicht vorhandene Unabhängigkeit sowie die Machtfülle der neuen Aufsichtskommission KOMEM. Mehrheitlich auf Zustimmung stiess hingegen die indirekte Förderung elektronischer Medien.

Geplantes Bundesgesetz über elektronische Medien scheitert
Dossier: Diskussionen zur Förderung von Online-Medien

Auch die sicherheitspolitische Kommission der Ständekammer befürwortete, dass das GWK nötigenfalls mit Angehörigen der militärischen Sicherheit verstärkt werden soll. Jedoch wurde gegenüber dem zuvor im Nationalrat angenommenen Motionstext eine Änderung vorgeschlagen. Denn die Unterstützung mit 20 AdA soll nicht lediglich an der Südgrenze möglich sein, sondern alle Grenzwachtregionen sollen von einer personellen Verstärkung profitieren können. Dies wurde ohne Gegenstimme von der SiK-SR so beantragt. Nach Abklärungen mit der Oberzolldirektion, dem Grenzwachtkorps selbst und der Militärpolizei sowie unter Berücksichtigung zweier hängiger Standesinitiativen, die ebenfalls eine Aufstockung des GWK fordern (St. Iv. VS 18.307 und St. Iv. GR 17.318), kam die Kommission zum Schluss, dass gegenwärtig eine Unterstützung durch die Armee nicht notwendig sei. Gleichwohl wurde die abgeänderte Fassung der Motion zur Annahme empfohlen, denn so habe man im Bedarfsfall eine gesetzliche Grundlage. Eine Kommissionsminderheit Hêche (sp, JU) lehnte die Motion gesamthaft ab. Sie war der Ansicht, der Vorstoss sei unnötig, da in der Notfallplanung Asyl ein solcher subsidiärer Einsatz bereits vorgesehen sei.
Nach der Ständeratsdebatte obsiegte die Kommissionsminderheit. Sekundiert wurde die Kommissionsminderheit von Bundesrat Maurer – das GWK ist im EFD angesiedelt: Die Regierung erachte die Forderungen bereits als erfüllt. Eine Notfallplanung liege «fix und fertig in der Schublade» und die im Bedarfsfall nötige Unterstützung könne innert dreier Tage mobilisiert werden. Es stimmten 29 Standesvertreterinnen und -vertreter für den Minderheitsantrag und somit für Ablehnung, 14 unterstützten den geänderten Kommissionsvorschlag.

Unterstützung des Grenzwachtkorps durch die Militärpolizei

Mittels Motion forderte Nationalrat Daniel Fässler (cvp, AI), wieder eine Bewilligungspflicht für ausländische Redner an politischen Veranstaltungen einzuführen. Eine solche Bestimmung hatte es in der Schweiz schon einmal gegeben, bis sie 1998 aufgehoben worden war, weil sie als überholt und verfassungswidrig angesehen worden war. Der Motionär war der Ansicht, seit 1998 verfüge die Schweiz über kein taugliches Mittel mehr, Auftritte von ausländischen Politikerinnen und Politikern in der Schweiz zu unterbinden. Beispielhaft habe dies ein geplanter, umstrittener Auftritt des türkischen Aussenministers 2017 in Zürich gezeigt, den die zuständigen Zürcher Behörden nur unter Berufung auf den Brandschutz hätten verhindern können. So etwas sei «eines Staatswesens unwürdig», die aufgehobenen Regeln hätten sich zuvor jahrzehntelang bewährt und «die Ruhe in unserem Land» garantiert, so Fässler. Der Bundesrat stellte sich indes auf den Standpunkt, die lokalen Behörden hätten grundsätzlich die Möglichkeit, politische Veranstaltungen nicht oder nur unter Auflagen zu bewilligen. Darüber hinaus könne das Fedpol gestützt auf das Ausländergesetz ein Einreiseverbot gegen ausländische Personen erlassen, wenn diese die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz gefährdeten. Gestützt auf das NDG könne der Bundesrat einer ausländischen Person zudem via Tätigkeitsverbot untersagen, an einer politischen Veranstaltung in der Schweiz aufzutreten, wenn der Auftritt dazu diene, terroristische oder gewaltextremistische Aktivitäten zu propagieren. Die Bewilligungspflicht stelle also einen unverhältnismässigen Eingriff in die Meinungsäusserungsfreiheit dar. Die knappe Mehrheit der Nationalrätinnen und Nationalräte sah dies jedoch anders und stimmte der Motion im Herbst 2018 mit 90 zu 85 Stimmen bei 3 Enthaltungen zu.

Mo. Fässler: Bewilligungspflicht für ausländische Redner an politischen Veranstaltungen

La CIP-CN, sous réserve de l'approbation du Conseil des Etats, propose à son conseil l'octroi de la garantie fédérale aux constitutions révisées des cantons d'Obwald, de Bâle-Campagne, du Tessin, de Neuchâtel, de Genève et de Zurich. Le Conseil national, comme le Conseil des Etats, adhère au projet du Conseil fédéral.

Garantie des constitutions cantonales (ZH, OW, NE, TI, GE, BL) (MCF 18.046)
Dossier: Gewährleistung kantonaler Verfassungen

Une masse rocheuse, de trois millions de mètres cubes, s'est détachée de la paroi du Piz Cengalo en août 2017. La coulée de boue qui s'en est suivie, n'a pas épargné le village de Bondo. Le risque, suite à des chutes de pierres répétées lors des années précédentes, était connu par le service sismologique suisse. Un an après, huit personnes sont toujours portées disparues et les dégâts sont estimés à 41 millions de francs. Depuis la catastrophe, le système d'alarme a été amélioré et un plan d'urgence a été instauré. La police cantonale grisonne a ouvert une enquête pour déterminer si le risque avait suffisamment été thématisé par les autorités de Bregaglia. Elle vient de transmettre son dossier au ministère public des Grisons.

Bergsturz bei Bondo

Das UVEK erteilte im Sommer 2018 der NAGRA drei Bewilligungen für die Durchführung von Sondierbohrungen an den Standorten Bülach (ZH) im Standortgebiet «Nördlich Lägern» sowie in Trüllikon (ZH) und Marthalen (ZH) – beide im Standortgebiet «Zürich Nord-Ost». Die NAGRA hatte zuvor 22 Gesuche für Sondierbohrungen in den noch verbleibenden drei potentiellen Endlagergebieten «Jura Ost» im Kanton Aargau, «Nördlich Lägern» und «Zürich Nord-Ost» – beide im Kanton Zürich – eingereicht. Weitere Entscheide für zusätzliche Bohrungen in diesen drei Gebieten werden vom UVEK folgen. Mittels solcher Sondierbohrungen soll ermittelt werden, ob die gewählten Standorte zur Errichtung geologischer Tiefenlager für radioaktive Abfälle geeignet wären. Im Jahr 2022 will die NAGRA dann bekannt geben, für welche Standorte sie Rahmenbewilligungsgesuche ausarbeiten wird.

Endlager für radioaktive Abfälle (3. Etappe; 2018–2029)
Dossier: Debatte um die Entsorgung radioaktiver Abfälle ab dem Jahr 2000

Im Kanton Zürich wird es kein Obligatorium zum Erlernen und Singen des Schweizerpsalms an Schulen geben. Dies entschied der Zürcher Kantonsrat in einer Sitzung im Juli 2018 und lehnte eine entsprechende Forderung von SVP- und EDU-Politikern mit 108 zu 51 Stimmen ab. In der mitten während der Fussball-Weltmeisterschaft stattfindenden Debatte wurden denn auch Verbindungen zwischen der Nationalhymne und dem Fussball hergestellt. So störte sich etwa Prisca Koller (fdp) daran, dass viele Nationalspieler während des Abspielens der Nationalhymne nur die Lippen bewegten, äusserte aber ihre Zweifel darüber, ob dies denn anders wäre, wenn sie in der Primarschule die Hymne auswendig gelernt hätten. Neben dem Argument der Integration brachte schliesslich Jürg Trachsel (svp) eine auf einer empirischen Beobachtung basierende Vermutung ins Spiel: Der französische Nationalspieler Kylian Mbappé habe am vergangenen Samstag lauthals die französische Hymne gesungen, bevor er Frankreich mit zwei Treffern ins Achtelfinale katapultiert hatte. Ob sich diese Vermutung in einer gross angelegten Studie bestätigen liesse und ob dies in der Frage des Hymnenobligatoriums an Schulen einen Meinungsumschwung herbeiführen würde, wurde an diesem Punkt offen gelassen.

Schweizer Psalm als schulischer Pflichtstoff
Dossier: Bedeutung der Nationalhymne und Erneuerungsversuche

Le Parc National du Locarnese ne verra pas le jour. Le projet d'un deuxième parc national suisse, au côté de celui des Grisons, est tombé à l'eau, puisque six des huit communes appelées à voter l'ont refusé. Les communes d'Ascona et Bosco Gurin ont dit oui au projet, contrairement à Brissago, Losone, Centovalli, Ronco sopra Ascona, Onsernone et Terre di Pedemonte. Le projet prévoyait une étendue protégée de 128 km2, composée d'une zone de protection renforcée où de nombreuses activités humaines auraient été interdites. L'objectif était de permettre à la nature de s'y développer librement. Elle aurait été entourée d'une seconde zone, non soumise à des restrictions, devant assurer sa protection et celle de la nature. Le parc aurait bénéficier de 52 millions de francs pour valoriser le territoire sur dix ans. Les promoteurs estimaient des retombées économiques de 200 millions de francs, ainsi que la création d'une vingtaine d'emplois directs et 200 postes de travail indirects. La campagne fut très animée. D'après les observateurs, c'est la crainte de la population de perdre la liberté dont elle jouit, qui explique ce vote.

Parc National du Locarnese

Im Juni musste in Graubünden der 120-köpfige Grosse Rat neu bestellt werden. Im Südostschweizer Kanton wurde weiterhin im Majorzsystem gewählt, wobei sich dies in einer stattlichen Zahl von 39 Wahlkreisen abspielte. Auf eine erneute Beschwerde gegen das Mehrheitswahlrecht – eingereicht im September 2017 – war das Verwaltungsgericht des Kantons aufgrund einer Formalie gar nicht erst eingegangen. Das der Kleinräumigkeit geschuldete spezifische Bündner Wahlsystem hatte zur Folge, dass erdrutschartige Verschiebungen im Rat unwahrscheinlich waren. Für die zu vergebenden 120 Sitze bewarben sich denn auch nur 166 Kandidierende, was – im interkantonalen Vergleich äusserst überschaubaren – 1,38 Anwärtern pro Sitz entsprach. Entsprechend standen in 15 von 39 Wahlkreisen faktisch stille Wahlen an. Trotzdem waren auch aufgrund der insgesamt 34 Rücktritte gewisse Verschiebungen zu erwarten.
Ziemlich prekär schien die Situation für die drittgrösste Partei, die BDP. Sie musste verkraften, dass sich die Hälfte ihrer Amtsinhaber (13 von 26) nicht mehr zur Wahl stellte. Einer ihrer ursprünglich 27 Sitze war ausserdem bereits durch Duri Campells Wahl in den Nationalrat an die FDP übergegangen. Letztere stellte mit 35 Sitzen die grösste Fraktion im Grossen Rat. Die Freisinnigen hatten ihrerseits 8 Abgänge zu verkraften. Bei der CVP hingegen traten lediglich 5 der bisher 31 Ratsmitglieder nicht mehr an. Ebenfalls 5 Abgänge kompensieren mussten die Sozialdemokraten, welche im Gegensatz zur CVP aber nur 15 Grossrätinnen und Grossräte stellten. Die SVP hielt 9 Mandate, wobei 3 Ratsmitglieder ihren Rücktritt bekannt gegeben hatten. Für die GLP schliesslich, kandidierten die beiden Bisherigen Walter von Ballmoos und Jürg Kappeler ein weiteres Mal.
Der Wahlkampf um den Grossen Rat wurde grösstenteils durch die Regierungsratswahlen und den Baukartellskandal überschattet. Die Wettbewerbskommission hatte aufgedeckt, dass Baufirmen im Engadin über Jahre hinweg Preise abgesprochen hatten, wobei der Bündner Baumeisterverband eine wichtige Rolle gespielt haben soll. Da mehrere BDP-Vertreter wie der ursprüngliche Regierungsratskandidat und Geschäftsführer des Baumeisterverbands, Andreas Felix, in den Skandal verwickelt waren, drohte der Partei auch für die Grossratswahlen ein verhängnisvoller Imageschaden. In Kombination mit den bereits erwähnten Rücktritten sorgte die Affäre dafür, dass man für die BDP bei den Grossratswahlen Verluste erwartete. Den Davoser Sitz der zurücktretenden Elisabeth Mani-Helstab, beispielsweise, überliess die Partei kampflos, da man keine Kandidatinnen oder Kandidaten gefunden hatte. Einen längeren Negativtrend zu stoppen, versuchte die CVP. Von ursprünglich 40 Sitzen im Jahr 2002 war die christlich demokratische Fraktion über die Jahre kontinuierlich auf 31 geschrumpft. Die SVP hatte dagegen nach der Zäsur durch die BDP-Gründung quasi einen Neuaufbau vornehmen müssen. 2014 war es der Partei die Sitzzahl immerhin gelungen, ihre Mandate von 4 auf 9 mehr als zu verdoppeln. Und auch 2018 wollte die Partei ihr Wählerpotenzial in weitere Sitzgewinne ummünzen. Gesteigert hatte sich bei den letzten Wahlen 2014 auch die SP, und zwar um 3 Sitze auf 15 Mandate. Sie hatte damit das beste Ergebnis der kantonalen Parteigeschichte erzielt. In Anbetracht der zahlreichen Abgänge hätte deshalb schon die Bestätigung dieses Ergebnisses als Erfolg verbucht werden können. Bei den liberalen Parteien wollte sich die FDP als stärkste Fraktion im Kanton behaupten, während die GLP Fraktionsstärke anpeilte. Die Grünliberalen hatte gute Chancen zumindest einen Sitz hinzu zu gewinnen, da in Chur mit alt-Nationalrat Josias Gasser eine profilierte Persönlichkeit antrat.
Ein Thema war der notorisch tiefe Frauenanteil im kantonalen Parlament. Mit 23 Grossrätinnen lag dieser nämlich nur bei 19.2%. Für die diesjährigen Wahlen stellten sich 33 Kandidatinnen zur Wahl, jedoch nicht gleichmässig über den Kanton verteilt. In 22 der 39 Kreise – und damit in mehr als der Hälfte – stand den Wählenden keine einzige Frau zur Auswahl. Dieser Umstand wurde in den Bündner Medien teilweise beanstandet.

Bei den Grossratswahlen Mitte Juni kam die BDP mit einem blauen Auge davon. Zwar sah es für die Mittepartei unmittelbar am Wahltag mit 6 Sitzverlusten noch relativ düster aus; aber die zweiten Wahlgänge im Juli bescherten ihr noch zwei zusätzliche Mandate. Damit schloss die BDP im Endresultat mit 23 Sitzen ab (2014: 27). Grosse Gewinnerin war – eher überraschend – erneut die SP. Sie gewann nochmals drei Sitze hinzu und verbesserte damit ihr historisches Ergebnis von vor vier Jahren auf neu 18 Sitze. Die SVP musste neben dem verpassten Einzug in den Regierungsrat auch in den Grossratswahlen eine Enttäuschung verarbeiten. Zwar konnte sie ihre 9 Sitze halten, aber den Ansprüchen der Volkspartei genügte dies offensichtlich nicht. Ihre Spitzenposition ausbauen konnte hingegen die FDP. Die weiterhin stärkste Partei hält fortan 36 Mandate (2014: 34). Die CVP musste einen Sitzverlust hinnehmen und kommt neu auf 30 Sitze (2014: 31). Die Grünliberalen, schliesslich, konnten in der Tat mit Josias Gasser einen Churer Sitz erobern, jedoch blieb es bei diesem einen zusätzlichen Mandat. Somit kann die GLP weiterhin keine eigene Fraktion bilden, kommt aber neu immerhin auf 3 Sitze (2014: 2). Als einzige Parteilose schaffte die italienischsprachige Grossrätin Nicoletta Noi-Togni aus San Vittore die Wahl. Die Frauenvertretung im Grossen Rat vergrösserte sich von 23 auf 26 Grossrätinnen, was anteilsmässig 21.7% entsprach (2014: 19.2%). In Trins verteidigte gar die erst 21-jährige Sozialdemokratin Julia Müller den freiwerdenden Sitz von Neo-Regierungsrat Peter Peyer. Die Wahlbeteiligung im Kanton Graubünden sank allerdings auf nur noch 35.8% (2014: 43.1%).

Grossratswahlen Graubünden 2018
Dossier: Kantonale Wahlen - Graubünden
Dossier: Kantonale Parlamentswahlen 2018

Bei den Erneuerungswahlen für den fünfköpfigen Regierungsrat im Kanton Graubünden, mussten zwei abtretende Exekutivmitglieder ersetzt werden. Barbara Janom Steiner von der BDP blieb aufgrund der Amtszeitbeschränkung nichts anderes übrig, als auf eine erneute Kandidatur zu verzichten. SP-Regierungsrat Martin Jäger hingegen entschied sich freiwillig zum altersbedingten Gang in den Ruhestand. Die Amtsinhaber Christian Rathgeb (FDP), Mario Cavigelli (CVP) und Jon Domenic Parolini (BDP) hatten sich hingegen die Verteidigung ihrer Mandate zum Ziel gesetzt. Die CVP ergänzte ihren Wahlvorschlag mit einem Herausforderer: sie beabsichtigte mit ihrem Fraktionspräsidenten Marcus Caduff einen zweiten Sitz zu erobern. Die Bürgerlich-Demokraten wollten lediglich den Sitz der abtretenden Regierungsrätin Janom Steiner bewahren. Sie schickten dafür ihren Präsidenten Andreas Felix ins Rennen. Für die SP sollte Gewerkschafter Peter Peyer das Mandat Jägers in den eigenen Reihen behalten. Schliesslich peilte auch die SVP die ersehnte Rückkehr in die Exekutive an. Diese sollte der Polizeikommandant des Kantons Graubünden, Walter Schlegel, bewerkstelligen. Ursprünglich hatte man bei der SVP und auch bei der FDP mit einem Zweierticket geliebäugelt. Schlussendlich verwarfen aber beide Parteien dieses Vorhaben. Die Grünliberalen verzichteten ebenfalls auf eine im Vorjahr noch in Betracht gezogene Kandidatur.
In diesem rein männlichen Kandidatenreigen schienen die drei Bisherigen zunächst die besten Chancen auf eine Wiederwahl zu besitzen. Das Rennen um die zwei freiwerdenden Sitze präsentierte sich hingegen äusserst offen, obschon SP-Mann Peyer und SVP-Kandidat Schlegel in den Prognosen leicht favorisiert wurden. Deren Wahl hätte einer «fünf mal Eins»-Konstellation mit je einem Sitz für die grossen Parteien entsprochen.
Bevor der Wahlkampf aber überhaupt so richtig in die Gänge kam, erschütterte Ende April der Baukartellskandal die Bündner Politlandschaft. Die Wettbewerbskommission des Bundes machte publik, dass im Unterengadin hohe Bussen gegen mehrere Baufirmen verhängt worden seien, welche zwischen 1997 und 2012 untereinander Preisabsprachen durchgeführt hatten. Dabei ging es um insgesamt 350 bis 400 Aufträge und ein Bauvolumen von mindestens 100 Millionen Schweizer Franken. Die Aufdeckung des schweizweit grössten Falles von Bauabsprachen hatte insbesondere für BDP-Kandidat Andreas Felix schwerwiegende Konsequenzen. Dieser stand nämlich als Präsident dem Bündner Baumeisterverband vor. Zwar betonte er, nichts von den Absprachen gewusst zu haben, musste aber letztlich aus Glaubwürdigkeitsgründen auf seine Regierungsratskandidatur – und auch auf seine BDP-Präsidentschaft – verzichten. Der Skandal stellte den bis anhin recht unspektakulären Bündner Wahlkampf ziemlich auf den Kopf. Neben Felix stand auch sein BDP-Parteikollege Parolini in der Kritik. Dieser amtete zur besagten Zeit als Gemeindepräsident von Scuol und wurde offenbar auf mutmassliche Absprachen hingewiesen. Weil Parolini es aber unterlassen hatte, den Vorwürfen eine Untersuchung folgen zu lassen, musste er sich nun als tatenloser Mitwisser in der Affäre verantworten. Nach dem Rücktritt von Felix plante man bei der BDP, es zunächst bei einer Einer-Kandidatur mit Parolini zu belassen. Kurz darauf kündigte die Partei aber an, doch nach einem zweiten Bewerber zu suchen – nur um einige Tagen später das Vorhaben erneut zu begraben, weil man in der kurzen Zeit keine Ersatzkandidatur aufbauen könne.
Dem Durcheinander bei der BDP zum Trotz, wurden wenig später aus den sechs verbliebenen Kandidierenden doch wieder deren sieben, da sich der Bündner Autor und Liedermacher Linard Bardill zu einem Antreten entschied. Bardill betrachtete es nach eigenen Aussagen als notwendig, dass nach dem Kartellskandal Menschen in die Regierung kämen, welche «nicht diesem Gemauschel angehören». Über politische Erfahrung verfügte der Sprengkandidat kaum. Er hatte sich vier Jahre zuvor lediglich für das Präsidium seiner Wohngemeinde Scharans beworben – jedoch ohne Erfolg. Die Kandidatur des kontroversen Künstlers weckte in der Bündner Öffentlichkeit zwar gewisse Sympathien, reelle Chancen wurden ihm aber nicht zugesprochen. Trotzdem war im Wahlkampf nun zu spüren, dass die anfängliche Unantastbarkeit der Amtsinhaber zu bröckeln schien – insbesondere was BDP-Regierungsrat Parolini betraf. Neben den Zweifeln an Parolinis Kandidatur war nach dem Verzicht von Andreas Felix auch klar, dass der zweite BDP-Sitz mit Sicherheit verloren gehen würde. Somit bekam das Szenario eines zusätzlichen CVP-Sitzes doch noch einigen Aufwind.
Eine repräsentative Umfrage der Forschungsstelle sotomo sah denn in der Tat CVP-Kandidat Caduff hinter SP-Mann Peyer auf dem fünften Rang. Überraschend landete gar Liedermacher Bardill mit wenig Abstand auf Caduff – und noch vor SVP-Kandidat Schlegel – auf dem sechsten Platz. Dass sich die Amtsinhaber in der Umfrage allesamt behaupteten, dürfte bei der angeschlagenen BDP – trotz unklarer Aussagekraft der Analyse – für etwas Beruhigung gesorgt haben. SVP-Kandidat Schlegel war als Kommandant der Kantonspolizei aufgrund eines bekannt gewordenen Polizeieinsatzes gegen den Whistleblower der Kartell-Affäre, Adam Quadroni ebenfalls ins Rampenlicht geraten. Jedoch blieb stets unklar, ob der besagte Einsatz überhaupt mit der Affäre im Zusammenhang gestanden hatte. Die zahlreichen Enthüllungen und Mutmassungen zum Kartellskandal veranlassten GLP-Präsident Gaudenz Bavier gar dazu, eine Verschiebung der Wahlen zu fordern. Der Vorschlag einer Übergangsregierung war aber nicht nur schwer mit der Bündner Verfassung vereinbar, sondern stiess auch bei den meisten politischen Akteuren auf wenig Gehör.

Die Wahlen vom 10. Juni bescherten dann tatsächlich – der Umfrage im Vorfeld entsprechend – SP-Kandidat Peter Peyer und CVP-Mann Marcus Caduff den Einzug in den Regierungsrat. Caduff erzielte mit 18'960 Stimmen gar das drittbeste Resultat, gefolgt von seinem Grossratskollegen Peyer, welcher 18'466 Stimmen erhielt. Spitzenreiter waren zwei Amtsinhaber, nämlich FDP-Regierungsrat Christian Rathgeb (24'434 Stimmen) und CVP-Magistrat Mario Cavigelli (23'804 Stimmen). Ein regelrechtes Kopf-an-Kopf Rennen zeichnete sich um den fünften Sitz ab. Das bessere Ende für sich, behielt schliesslich doch noch der amtierende BDP-Regierungsrat Jon Domenic Parolini. Hatte dieser am Wahltag noch 68 Stimmen auf SVP-Herausforderer Walter Schlegel gehabt, schrumpfte der dünne Vorsprung mit der Nachzählung auf noch mickrigere 31 Stimmen. Laut Endresultat am darauf folgenden Freitag erhielt Parolini 15'867 und Schlegel 15'836 Stimmen. Auf dem siebten Rang folgte mit 12'206 Stimmen und einem ansehnlichen Resultat Linard Barill. In den Medien war nach dem Wahlsonntag von einem «Denkzettel» und einer «Quittung» für Parolini und dessen Partei, die BDP, zu lesen.
Mit dem Wahlkampfthema Nummer eins im Kanton, dem Baukartellskandal, musste nicht lange nach Erklärungen für das Beinahe-Ausscheiden der BDP aus der Bündner Regierung gesucht werden. Es zeigte sich zudem, dass Parolini die Wahl nur schaffte, weil er in seiner Heimatregion, dem Unterengadin, auf überdurchschnittlichen Rückhalt zählen konnte. Die SVP hingegen scheiterte einmal mehr am Versuch, wieder in den Regierungsrat einzuziehen. Einen Achtungserfolg erzielen konnte dagegen Linard Barill, der zwar chancenlos blieb, aber ein deutlich besseres Resultat als frühere «Protestkandidaturen» erzielte. Schliesslich konnte sich die CVP als Wahlsiegerin feiern lassen, welcher nach vielen schwierigen Jahren im Bündnerland eine Doppelbesetzung gelang. Dementsprechend setzt sich die Exekutive im Südostschweizer Kanton nun wie folgt zusammen: 2 CVP, 1 BDP, 1 SP und 1 FDP. Als früh absehbarer Wermutstropfen verblieb die fehlenden Frauenbeteiligung im Regierungsrat, welche in den Medien bereits im Vorfeld beanstandet wurde.

Regierungsratswahlen 2018 Kanton Graubünden
Dossier: Kantonale Wahlen - Graubünden
Dossier: Kantonale Regierungswahlen 2018

Nachdem der Vorschlag der WAK-SR bereits ausführlich ausserhalb des Parlaments diskutiert worden war, folgte im Juni 2018 die Ständeratsdebatte zur Steuervorlage 17. Kommissionspräsident Pirmin Bischof (cvp, SO) stellte dem Rat den Kommissionsvorschlag detailliert vor und betonte, der Kompromiss sei kein Diktat, auch nicht für die Schwesterkommission, aber er stelle «im Moment die beste Lösung» dar. Um diesen Kompromiss zu erarbeiten, habe die Kommission Vertreterinnen und Vertreter verschiedenster Organisationen und Behörden angehört, darunter Delegierte der FDK, des Kantons Zürich, des Städte- und des Gemeindeverbands, von Economiesuisse oder des Gewerkschaftsbundes. Die ESTV und das BSV hätten zudem auf Verlangen der Kommission 24 Berichte erstellt. Unter anderem war ein Gutachten des Bundesamtes für Justiz zum Schluss gekommen, die Vorlage sei «verfassungsrechtlich vertretbar». Bischof betonte, dass der Kompromiss alle Eckpunkte des Vorschlags der WAK-SR umfasse und nur in seiner Gesamtheit in dieser Breite getragen werde. Würden Teile davon verändert, sei diese Unterstützung nicht mehr vollständig gegeben. Abschliessend betonte Bischof, dass die Kommission offen sei für Alternativvorschläge.
Im Ratsplenum rief die Vorlage ebenfalls gemischte Gefühle hervor. Die in «Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung» (STAF) umgetaufte Vorlage sei eine «Sternstunde der parlamentarischen Arbeit», lobte Roberto Zanetti (sp, SO). Viele Ratsmitglieder betonten hingegen ihre Skepsis, einige wurden sogar richtig deutlich: Thomas Minder (parteilos, SH) sprach von einer «Birchermüesli-Politik», Alex Kuprecht (svp, SZ) von einem «Sündenfall» und Werner Luginbühl (bdp, BE) von einem Kauf von Mehrheiten mit Geschenken. Mehrfach wurde das Gutachten des BJ als politische Gefälligkeit anstelle einer juristischen Einschätzung bezeichnet. Finanzminister Maurer wurde nicht müde, die Wichtigkeit der SV17, respektive dem STAF, zu betonen und den Kompromiss zu loben.
Inhaltlich gab es kaum Streitpunkte, was die NZZ darauf zurückführte, dass die Vorlage ein politischer Balanceakt sei: Man könne kein Element ändern, ohne das alles auseinanderbreche. Dennoch wurden drei Änderungsanträge eingebracht. Eine Minderheit I Zanetti forderte, die minimale Dividendenbesteuerung der Kantone gemäss dem Vorschlag des Bundesrates auf 70 Prozent zu erhöhen, da die Kantone diese Regelung erarbeitet hätten und diese bevorzugen würden. Finanzminister Maurer pflichtete ihm bei und bat den Rat darum, der Minderheit I zu folgen. Gleichzeitig beantragte eine Minderheit II Föhn dem Ständerat, darauf zu verzichten, den Kantonen bezüglich Dividendenbesteuerung Vorgaben zu machen, da die Unternehmen gemäss dem Vorschlag der WAK-SR bereits genügend zur Kasse gebeten würden. Mit 25 zu 14 Stimmen (5 Enthaltungen) und 26 zu 12 Stimmen (6 Enthaltungen) setzte sich der Kommissionvorschlag gegen die zwei Minderheitsvorschläge durch. Eine Minderheit Fetz wollte erreichen, dass die Regeln zum Kapitaleinlageprinzip (KEP) auch auf Nennwertsenkungen angewendet werden und dass Gratisaktien und Gratisnennwerterhöhungen unterbunden werden. Anita Fetz (sp, BS) bat um Zustimmung zu ihrem Minderheitsantrag, damit die bei der Unternehmenssteuerreform II gemachten Fehler korrigiert werden könnten. Mit 30 zu 11 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sprach sich der Ständerat gegen eine solche Änderung aus. Unverändert wurde der Kommissionsvorschlag somit an den Zweitrat weitergereicht.

Steuervorlage 17 (SV17) und Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF; BRG 18.031)
Dossier: Unternehmenssteuerreform III, Steuervorlage 17 und AHV-Steuer-Deal (STAF)

Le Conseil fédéral recommande à l'Assemblée fédérale d'accorder la garantie fédérale aux constitutions révisées des cantons d'Obwald, de Bâle-Campagne, du Tessin, de Neuchâtel, de Genève et de Zurich. Les modifications constitutionnelles concernent le réseau routier zurichois, la procédure de naturalisation pour le canton d'Obwald, les décisions financières et le plan de mission et de finances pour Bâle-Campagne, le service public tessinois, la réforme des institutions neuchâteloise et les droits populaires à Genève.

Garantie des constitutions cantonales (ZH, OW, NE, TI, GE, BL) (MCF 18.046)
Dossier: Gewährleistung kantonaler Verfassungen

Dans la nouvelle version de l'ordonnance sur la protection des eaux (OEaux), approuvée par le Conseil fédéral, figure une dérogation à l'autorisation de déversement d'eaux issues de circuits de refroidissement ouverts. Cet assouplissement vise à réduire le problème découlant de l'obligation de suspendre le déversement d'eaux de refroidissement lorsque la température du cours d'eau excède les 25 degrés. Au-delà de cette température, les autorités pourront donc tolérer des rejets thermiques ayant un effet minime sur la température de l’eau. Des dérogations spécifiques sont accordées aux centrales nucléaires existantes. Toutefois, les nouvelles installations construites devront limiter la production de chaleur et utiliser l'évacuation dans le cours d'eau seulement pour les rejets thermiques non récupérables.
Le projet de modification a été accueilli favorablement par la plupart des cantons et par les milieux économiques interrogés. Ce ne fut pas le cas pour le PS, les organisations environnementales, quelques associations professionnelles et instituts de recherche, et pour huit cantons (AG, BL, FR, GE, LU, TI, TG, VD). Une des principales raisons qui motive leur position est la survie des organismes aquatiques. Pour l'assurer, il faudrait empêcher ou limiter toute hausse de température des cours d'eau par des rejets thermiques.

Ordonnance sur la protection des eaux (OEaux). Révision 2018

Im Februar 2018 gab der Bundesrat bekannt, die WEF-Jahrestreffen auch weiterhin mit einem subsidiären Einsatz der Armee unterstützen zu wollen. Damit sollte diese bereits über geraume Zeit bestehende Zusammenarbeit weitergeführt werden. Dafür wurde dem Parlament beantragt, auch für die Jahre 2019 bis 2021 einen Armeeeinsatz von bis zu 5'000 AdA zu genehmigen. Die Landesregierung zeigte sich in ihrer Botschaft überzeugt, dass die WEF-Treffen in Davos für die Schweiz von grosser Bedeutung seien. Die Armee soll dabei Leistungen im Bereich Objektschutz, Personenschutz, Wahrung der Lufthoheit und Sicherheit im Luftraum erbringen. Dazu kommen Hilfestellungen im Bereich Logistik und Sanität. Angesichts der nach wie vor als verschärft eingeschätzten Sicherheitslage in Europa und im Lichte der in den vergangenen Jahren nötigen Zusatzfinanzierungen wurde der Kostenplafond um CHF 1 Mio. auf neu 9 Mio. erhöht. Die Aufteilung der Kosten sollte jedoch unverändert bleiben, was bedeutet, dass der Bund CHF 3.375 Mio. aufwenden würde. Die übrigen CHF 5.625 Mio. werden vom Kanton Graubünden, der Gemeinde Davos und der WEF-Stiftung getragen. In den Grundzügen glich dieser Armeeeinsatz gemäss vorliegender Botschaft denjenigen der Vorjahre.
In der Frühjahressession kam das Geschäft in den Ständerat, wo es keine Gegenwehr gab. Kommissionssprecher Hegglin (cvp, ZG) brauchte kaum Überzeugungsarbeit zu leisten und konnte sich darauf beschränken, die Eckwerte der Botschaft zusammenzufassen. Einstimmig verabschiedete die Ständekammer sowohl den Bundesbeschluss über den Einsatz der Armee im Assistenzdienst als auch jenen über die Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der Sicherheitsmassnahmen im Kanton Graubünden.

Assistenzeinsatz der Armee am World Economic Forum (BRG 18.023)
Dossier: Armee-Einsätze am World Economic Forum (WEF)

In der ersten Woche der Sommersession 2018 wurde die Motion Quadri (lega, TI) auch vom Ständerat behandelt. Robert Cramer (gp, GE) wies in seiner Funktion als Kommissionssprecher den Rat darauf hin, dass ein Kommissionsmitglied seit der Veröffentlichung des Kommissionsberichtes im April offensichtlich eine Positionsänderung vollzogen habe. Während sich die RK-SR in ihrem Bericht noch mit 10 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung geschlossen für die Ablehnung der Motion ausgesprochen hatte, beantragte nun Ständerat Minder (parteilos, SH) – er hatte sich zuvor noch der Stimme enthalten – mittels eines Einzelantrags die Annahme derselben. Als Antrieb des Meinungswechsels führte Minder die jüngst erteilte Baubewilligung zum Bau der Aksa-Moschee in seinem Heimatkanton Schaffhausen an, welche von ihm selbst auch als neustes «Sorgenkind» im Rahmen dieses Vorstosses betitelt wurde. Die Kantonsbevölkerung habe ob diesem Grossprojekt grosse Bedenken und es herrsche eine weitläufige Aufregung, nicht nur aufgrund der Bedenken hinsichtlich einer zunehmenden Islamisierung, sondern auch weil sich vermehrt die Frage nach der Finanzierung des Projektes aufdränge – folglich die gleiche Frage, wie sie von der angeführten Motion aufgegriffen werde. Die Diskrepanz zwischen den von der Bauherrschaft angegebenen und von externen Bauexperten geschätzten Kosten sei dermassen frappant, dass sich der Vorstand des Türkisch-Islamischen Vereins genötigt gesehen habe, einen öffentlichen Informationsanlass zu veranstalten, um der sowohl medial als auch in der Bevölkerung geschürten Debatte Einhalt zu gebieten. Laut Minder seien Grossmoscheen in der Schweiz definitiv ein heikles Thema, nicht zuletzt auch seit der Schliessung der An-Nur-Moschee in Winterthur. Zudem zeige der Umstand, dass die Motion von einem Tessiner Volksvertreter eingereicht wurde, dass sich das Problem mittlerweile auf mehrere Kantone ausgeweitet habe. Wenn man die Bedenken der Bevölkerung nicht ernst nehme, sei es lediglich noch eine Frage der Zeit, bis diese eine entsprechende Volksinitiative lancieren werde. Diese würde dann entweder Grossmoscheen gänzlich verbieten oder die Forderung der vorliegenden Motion eines Verbots der Auslandsfinanzierung islamischer Gebetsstätten in der Schweiz sowie einer Offenlegungspflicht der Herkunft ihrer finanziellen Mittel aufgreifen. Daher bat Minder den Ständerat, es dem Nationalrat gleichzutun und die Motion anzunehmen.
Der Ständerat kam dieser Bitte aber nicht nach und lehnte den Vorstoss mit 29 zu 7 Stimmen bei 4 Enthaltungen ab. Offensichtlich hatten die abschliessenden Worte von Bundesrätin Sommaruga zu diesem Thema eine grössere Überzeugungskraft als jene von Ständerat Minder. Mit dem Verweis, dass sie mit dem genannten Projekt in Schaffhausen nicht vertraut sei und entsprechend keine Stellung dazu nehmen könne, bat sie Ständerat Minder, dennoch eine klare Trennlinie zwischen dem Bau einer Moschee und den Überlegungen zur Verhinderung von Terrorismusfinanzierung zu ziehen. Wenn jeder Moscheebau mit dem Generalverdacht der Terrorismusfinanzierung einhergehe, sei dies weder ein Dienst an den hiesigen Behörden, die sich effektiv mit dieser Problematik auseinandersetzten, noch ermögliche dies der muslimischen Gemeinschaft, ihre Gebetskultur in der Schweiz zu pflegen. Mit dem Nationalen Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus seien genau solche Fragen mit Nachdruck diskutiert worden und man habe sich über die verschiedenen Staatsebenen auf 26 Massnahmen mit entsprechenden Zuständigkeiten geeinigt, deren Umsetzung nun vom Sicherheitsverbund Schweiz in Angriff genommen werde. Die Bundesrätin erläuterte dem Plenum, dass sie am Vorabend der Debatte an einer Diplomübergabe im Rahmen einer Weiterbildung für religiöse Betreuungspersonen an der Universität Bern teilgenommen habe und dort auf einen regen Austausch zwischen verschiedenen Religionsgruppen gestossen sei. Dies zeige ihr auf, wie man religiöse Betreuung in gewünschter Weise sicherstellen könne: interreligiös und in gegenseitigem Respekt vor den unterschiedlichen Religionen. Es gelte folglich, solche Bestrebungen zu unterstützen; und nicht etwa eine Motion, die einfach generell etwas sage und damit ganze Religionsgemeinschaften unter Generalverdacht stelle.

Islamische Gebetsstätten: Verbot der Finanzierung durch das Ausland und Offenlegungspflicht (Mo. 16.3330)
Dossier: Sicherheitsverbund Schweiz (SVS)
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Von einem «halben Wunder» (Christian Levrat, sp, FR) über eine «Schnapsidee» (Michael Hermann im Tages-Anzeiger) bis hin zu einem «Affront gegen die direkte Demokratie» (Michael Schönenberger in der NZZ) reichten die Beurteilungen des Coups der WAK-SR. Diese hatte in der Pressekonferenz nach ihrer ersten Sitzung zur Steuervorlage 17 alle überrascht, indem sie sich einstimmig für einen eigenen, neuen Vorschlag zur SV17 ausgesprochen hatte: Als soziale Ausgleichsmassnahme soll nicht mehr wie vom Bundesrat vorgeschlagen der Mindestansatz für das Kindergeld erhöht, sondern mehr Geld für die AHV zur Verfügung gestellt werden. Pro Franken, der durch die Steuererleichterungen für Unternehmen weniger an Steuereinnahmen generiert wird, soll ein Franken in die AHV fliessen. Da die WAK-SR mit Kosten von CHF 2.1 Mrd. rechnet, soll entsprechend derselbe Betrag der AHV zu Gute kommen, was diese finanziell bis 2024 oder 2025 absichern soll. Dazu sollen zukünftig das ganze Demografieprozent der Mehrwertsteuer in die AHV fliessen (CHF 520 Mio.) und der Bundesbeitrag an die AHV von 19.55 auf 20.2 Prozent (CHF 300 Mio.) sowie die Lohnbeiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern um je 0.15 Prozentpunkte erhöht werden (CHF 1.2 Mrd.). Dies war jedoch nicht die einzige Neuerung der Kommission: Bei der Gegenfinanzierung reduzierte sie die minimale kantonale Dividendensteuer von 70 auf 50 Prozent, was ungefähr CHF 300 Mio. kostet. Damit soll ein Referendum des SGV oder von Swiss Family Business verhindert werden. Stattdessen soll das Kapitaleinlageprinzip (KEP) mit einer Rückzahlungsregel und einer Teilliquidationsregel eingeschränkt werden: Zukünftig sollen Reserven aus Kapitaleinlagen höchstens in dem Umfang steuerfrei ausgeschüttet werden können, in dem auch steuerbare Dividendenzahlungen vorgenommen werden (Rückzahlungsregel). Beim Rückkauf eigener Aktien müssen solche Reserven zudem im gleichen Umfang reduziert werden wie die Gewinnreserven (Teilliquidationsregel). Diese Regelung gilt jedoch nur für in der Schweiz kotierte Firmen, nicht aber für Kapitaleinlagereserven, die innerhalb eines Konzerns zurückbezahlt werden oder die im Rahmen eines Zuzugs in die Schweiz nach Inkrafttreten der Unternehmenssteuerreform II entstanden sind. Dies soll Bund und Kantonen Mehreinnahmen von CHF 150 Mio. generieren. Auch die sogenannte Lex Zürich soll nun doch eingeführt werden, wobei die zinsbereinigte Gewinnsteuer in «Abzug für Eigenfinanzierung» umbenannt wird und nur Hochsteuerkantonen, in denen die effektive Steuerbelastung für Unternehmen auf allen drei Ebenen über 18.03 Prozent liegt – konkret also nur dem Kanton Zürich –, zur Verfügung stehen soll.

Entstanden war der Kompromiss der Kommission gemäss «NZZ am Sonntag» und Tages-Anzeiger durch Verhandlungen der «Schattenregierung aus dem Stöckli», wie es die «NZZ am Sonntag» formulierte: Der Luzerner CVP-Ständerat Konrad Graber soll die Initiative ergriffen und Ständeratspräsidentin und Kontaktfrau zum Arbeitgeberverband Karin Keller-Sutter (fdp, SG), SP-Präsident Christian Levrat, Kommissionspräsident Pirmin Bischof (cvp, SO), Ruedi Noser (fdp, ZH) als Kontakt zu Economiesuisse sowie Gewerkschaftspräsident Paul Rechsteiner (sp, SG) ins Boot geholt haben. Sie alle seien sich der Relevanz der SV17 und der sozialpolitischen Kompensation bewusst gewesen, hätten aber die Erhöhung der Kinderzulagen für ein untaugliches Instrument gehalten und sich vor einem Referendum – sei es von bürgerlicher Seite aufgrund der Erhöhung der Dividendenbesteuerung und der Kinderzulagen oder von linker Seite wegen der geplanten Steuerrabatte – gefürchtet. In der Kommission sei man sich daher einig gewesen, dass man einen Kompromiss finden müsse, der von allen grossen Parteien und Organisationen mitgetragen werde. Trotz grosser inhaltlicher Unterschiede hätten sich alle dreizehn Mitglieder der WAK-SR einstimmig für das vorgeschlagene Konzept ausgesprochen.

Die bürgerlichen Parteien und Verbände zeigten sich von diesem Kompromiss nicht begeistert. Die SVP, die GLP, Economiesuisse und der Arbeitgeberverband beanstandeten die Vermischung des Finanz- und Gesundheitsdossiers und sprachen sich gegen sachfremde Verknüpfungen aus. Diese würden es den Bürgern verunmöglichen, sich frei für oder gegen die verschiedenen Elemente des Deals zu entscheiden. Eine «Verknüpfung sachfremder Themen grenzt an Nötigung des Stimmvolks», betonte Jürg Grossen (glp, BE). In den Medien und im Parlament war man sich zudem nicht sicher, ob eine solche Verknüpfung verfassungsrechtlich zulässig sei; verschiedene Parlamentarierinnen und Parlamentarier betonten, dass eine entsprechende Volksinitiative wohl wegen fehlender Einheit der Materie für ungültig erklärt werden würde. Die WAK-SR hatte diesbezüglich ein schriftliches Gutachten beim Bundesamt für Justiz (BJ) eingeholt, welches den Kompromiss für «vertretbar» hielt. Zwar gelte das Gebot der Einheit der Materie auch bei Gesetzesvorlagen, solle dort aber «nicht mit derselben Strenge gehandhabt werden [...] wie bei Teilrevisionen der Verfassung», erklärte das BJ. Das Gesetzgebungsverfahren sei strukturell einer Totalrevision, bei der die Einheit der Materie nicht relevant sei, näher als eine Volksinitiative. Dem Gesetzgeber stehe daher bei der Kompromissfindung ein vergleichsweise grosser Gestaltungsspielraum zu. Des Weiteren kritisierten Exponenten der SVP, FDP und des Gewerbeverbandes insbesondere die Finanzspritze an die AHV ohne Erhöhung des Frauenrentenalters. Es bedürfe dringend auch Massnahmen auf Leistungsseite, war mehrfach zu vernehmen, zumal die Linke aufgrund dieser Zusatzfinanzierung später womöglich nicht mehr für eine umfassende AHV-Reform gewonnen werden könne, da man ihr nichts mehr anzubieten habe. Der Arbeitgeberverband, einer der vehementesten Kritiker des Kompromisses, schlug daher vor, das Rentenalter der Männer auf 66, das der Frauen auf 65 Jahre zu erhöhen. Auch die Jungparteien der Grünen, der SVP, der FDP, der CVP und der BDP erklärten ihre Ablehnung des Vorschlags; die jungen Grünliberalen drohten sogar damit, allenfalls das Referendum zu ergreifen. Die Jungparteien kritisierten vor allem die starke Umverteilung von Jung zu Alt, durch welche die Jungen einmal mehr die ganze Last der Revision der Altersvorsorge tragen müssten. Das strukturelle Problem der AHV werde durch finanzielle Zuschüsse auf Kosten der Jungen überdeckt, aber nicht gelöst, erklärte zum Beispiel der Präsident der Jungfreisinnigen, Andri Silberschmidt.

Gemischt waren auch die Rückmeldungen von linker Seite: Die SP nannte den Vorschlag «akzeptabel». Der SGB sprach sich für den Kompromiss aus, TravailSuisse gab sich zwar erst kritisch, liess aber durchblicken, den Kompromiss wohl auch mitzutragen. SP-Präsident Christian Levrat betonte, dass dieser Vorschlag zum sozialen Ausgleich beitrage: Dadurch dass die Summe der Lohnbeiträge bis zu einem jährlichen Bruttolohn von CHF 130‘000 höher sei als die Summe der erhaltenen AHV-Renten, finanzierten 7 Prozent der Grossverdiener faktisch die AHV-Reform. Personen mit tiefen oder mittleren Löhnen würden also davon profitieren. Diese Argumentation überzeugte die Grünen, Teile der SP und verschiedene entwicklungspolitische NGOs jedoch nicht. Sie erklärten, die Vorlage nicht unterstützen zu wollen, da diese zu enormen Steuerausfällen führe, den internationalen Steuerwettbewerb weiter anheize und gegenüber ärmeren Staaten unfair sei. Zudem handle es sich bei dem AHV-Zuschuss nicht um eine Kompensation, wie viele Befürworter des Vorschlags loben würden, da einmal mehr die Arbeitnehmenden die entstehenden Kosten übernehmen müssten und nicht die Unternehmen.

Neben den Parteien und Verbänden äusserte auch ein Teil der Kantone Kritik am Kompromissvorschlag. Mit der Wiederaufnahme der zinsbereinigten Gewinnsteuer war die WAK-SR einer Forderung von Kanton und Stadt Zürich nachgekommen. «Wir mussten Zürich, dem Wirtschaftsmotor der Schweiz, in diesem Punkt entgegenkommen», erklärte Christian Levrat. Da das Instrument stark umstritten ist, sah man es aber nur für Hochsteuerkantone vor, obwohl es elf weitere Kantone ebenfalls gerne angewendet hätten. Diese Regelung verstosse gegen das Gebot der Gleichbehandlung und verhindere einen fairen Steuerwettbewerb, befand Cornelia Stamm Hurter (SH, svp), Finanzdirektorin des Kantons Schaffhausen – der zu eben diesen elf Kantonen gehört. Auch Hannes Germann (svp, SH) kritisierte die Lex Zürich und nannte sie einen «Sündenfall». Finanzminister Maurer hingegen verteidigte den Vorschlag der WAK-SR: «Es macht keinen Sinn, die beste Kuh nicht zu füttern – würde ich jetzt als alter Bauer sagen». Der Steuerabzug könne aber nicht für alle Kantone eingeführt werden, weil der Widerstand dagegen zu gross sei. WAK-SR-Präsident Pirmin Bischof ergänzte, dass auch andere Kantone den Abzug für Eigenfinanzierung einführen könnten; sie müssten dazu einfach ihre Gewinnsteuern erhöhen.

Trotz kritischer Stimmen aus dem ganzen politischen Spektrum blieben Referendumsdrohungen und Fundamentalopposition gegen den Kompromissvorschlag mehrheitlich aus. Selbst der Arbeitgeberverband wollte sich als einer der stärksten Kritiker des Vorschlags nicht festlegen, ob er bei Annahme der Vorlage durch das Parlament wirklich das Referendum ergreifen würde. Die zurückhaltenden Reaktionen der meisten Akteure würden verdeutlichen, dass sich alle bewusst seien, dass sehr viel auf dem Spiel stehe, war die einhellige Meinung in den Medien. Schliesslich habe die Vorlage wegen des grossen Zeitdrucks gute Erfolgsaussichten: Das «Parlament hat gar keine Gelegenheit, den Deal zu zerreden», erklärte die «Schweiz am Wochenende».

Steuervorlage 17 (SV17) und Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF; BRG 18.031)
Dossier: Unternehmenssteuerreform III, Steuervorlage 17 und AHV-Steuer-Deal (STAF)

Mitte Mai 2018 nahm die SPK-SR mit 11 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung einen Gesetzesentwurf an, der die Kündigung von Staatsverträgen regelt. Zwar seien wichtige Verträge bis heute nie gekündigt worden, es gelte aber – insbesondere vor dem Hintergrund von Volksinitiativen, die in jüngerer Vergangenheit in ihrer Umsetzung die Kündigung völkerrechtlicher Verträge forderten – die Regeln «vor dem Spiel» und nicht erst «während des Spiels» zu klären. Die Kommission stellte sich gegen die Haltung des Bundesrates, dass dieser alleine zuständig sei für die Kündigung von internationalen Abkommen. Vielmehr sei die Kündigung gleich zu regeln wie der Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen: Die Bundesversammlung sei es, die Abschlüsse für wichtige, rechtsetzende Verträge genehmige, also müsse es auch das Parlament sein, das solche Verträge auflösen könne. Mitberücksichtigt werden müsste dabei auch das Referendumsrecht: Auch hier müsse das Prinzip des «actus contrarius», also ein Parallelismus der Zuständigkeiten, angewendet werden. Kündigungen von wichtigen Verträgen seien dem Referendum zu unterstellen.
Auf die Vernehmlassung des Gesetzesentwurfs gingen 36 Stellungnahmen ein. Zwei Drittel (die 15 Kantone BE, SZ, NW, ZG, SO, BS, BL, SH, AR, AI, SG, GR, AG, TI, NE; die fünf Parteien BDP, CVP, FDP, GLP, SP sowie der Städteverband, der Gewerbeverband, der Centre Patronal und die Gesellschaft für Aussenpolitik) sahen nicht nur Handlungsbedarf in der Frage zur Klärung der Zuständigkeit für die Kündigung völkerrechtlicher Verträge, sondern beurteilten den Vorentwurf der SPK-SR auch positiv. Die Kantone Thurgau und Glarus sowie die SVP sprachen sich gegen den Vorschlag aus. Die restlichen Kantone (OW, ZH, LU, FR, VD, VS und GE) und Verbände (Gemeindeverband, economiesuisse) nahmen entweder keine Stellung oder enthielten sich, weil sie mitunter die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung nicht sahen (z.B. economiesuisse). Die Gegner der Vorlage befürchteten eine Verkomplizierung des Verfahrens und eine Relativierung der Kompetenzen der Regierung. Die SVP lehnte die Vorschläge ab, weil sie faktisch darauf hinausliefen, die direktdemokratische Mitbestimmung einzuschränken; zwar nicht beim Abschluss aber bei Neuaushandlung oder Kündigung von Staatsverträgen.

Kündigung von Staatsverträgen

Nach elf Amtsjahren kündete Benno Schnüriger, etwas früher als geplant, im Herbst 2017 seinen Rücktritt vom Amt des Synodalratspräsidenten der Zürcher Katholikinnen und Katholiken an und ebnete damit einem historischen Entscheid den Weg: Zum allerersten Mal wählte die Synode des Kantons Zürich im April 2018 eine Frau an die Spitze der katholischen Exekutive. Das bisherige Synodalratsmitglied Franziska Driessen-Reding würde also ab Juli 2018 das Amt der obersten Zürcher Katholikin innehaben. Um der neuen Vorsteherin der Glaubensgemeinschaft etwas auf den Zahn zu fühlen, lud die Luzerner Zeitung im Mai zu einem umfassenden Interview ein. Die designierte Präsidentin nutzte diese Gelegenheit, um über Fragen zur römisch-katholischen Kirche im Allgemeinen und zu ihrer Rolle und Funktion in und für die Schweizer Gesellschaft zu sprechen. Dabei äusserte sie sich zu Themen wie der Rolle der Frauen in der katholischen Kirche und der damit einhergehenden Entwicklung der Frauenordination im Schatten der Männerdominanz, zum Verhältnis der Schweizer Landeskirche zu Rom und ihrer persönlichen Haltung zu den Päpsten Franziskus und Benedikt, zum Verhältnis zu Bischof Vitus Huonder und der Forderung nach einem eigenständigen Bistum Zürich oder zur Akzeptanz verschiedener Religionsgemeinschaften in der Schweiz und der Rolle der Kirche im Feld der Flüchtlings- und Asylpolitik. Während das gesamte Interview zwar auch kritisch, aber im Grossen und Ganzen sachlich geführt wurde, lösten die Antworten der Zürcherin zur Flüchtlings- und Asylfrage im Nachgang des Interviews einen regelrechten Eklat aus.
Gefragt, ob sich denn die Schweizer Asylpolitik mit den katholischen Werten decke und die Katholiken dem persönlichen Beispiel Driessens folgen und Flüchtlinge aufnehmen sollten, antwortete sie: «Wir Kirchen müssen uns in solchen Debatten einbringen. Zwar werden wir kritisiert, die Kirche habe in der Politik nichts zu melden und solle getrennt sein vom Staat. Aber wenn es um Menschenrechte geht, müssen wir laut werden [...]. Der Churer Weihbischof Peter Henrici sagte 2004, ein guter Christ könne nicht SVP wählen. Ich glaube, ich könnte ihm recht geben. Es bereitet mir Mühe, wie man sich als Teil einer Kirche sehen kann, wenn man deren wichtigsten Grundwert nicht achtet: für den Nächsten da zu sein.»
Das sei anmassend und verletzend, polterte tags darauf Thomas Burgherr, Präsident der Aargauer SVP, in der Aargauer Zeitung und forderte Driessen via Facebook zu einer öffentlichen Entschuldigung auf. Die Kirche habe für alle Menschen und Meinungen offen zu sein. Es sei ihm nicht wirklich klar geworden, ob «diese Frau» tatsächlich an Gott glaube, sie klassifiziere zwar, wer ein guter Christ sei, zeige selbst aber kein klares Bekenntnis zu Gott. Er selbst sehe absolut keinen Konflikt zwischen den christlichen Werten und der SVP-Asylpolitik: Jene Flüchtlinge, die an Leib und Leben bedroht seien, müsse man schützen. Was jedoch nicht gehe, seien die vielen Wirtschaftsflüchtlinge, die lediglich das System missbrauchten. Auch die von Driessen angesprochene Anerkennung vom Islam und von orthodoxen Gemeinden unterstütze er nicht, schliesslich seien wir ein «christliches Abendland und wollen das auch bleiben». Die Aargauer Zeitung verwies darauf, dass Driessen betonte, sie wolle niemanden aus der Kirche ausstossen, das Gastrecht aber verteidigen; sie sehe daher auch keinen Grund für eine Entschuldigung. Nationalrätin Flückiger (svp, AG) kündigte in der Luzerner Zeitung indes erste Konsequenzen an: Sie sei masslos enttäuscht über Frau Driessens Aussage und habe bereits das Formular für den Kirchenaustritt heruntergeladen und überlege sich nun, zu den Reformierten zu wechseln. Zwischenzeitlich erwarte sie eine Entschuldigung und eine Stellungnahme des Bistums Basel. Roberto Martullo-Blocher, Ehemann von Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR), forderte gar den Rücktritt der Synodalratspräsidentin und ermahnte sie, nicht zu vergessen, woher denn die meisten Steuergelder für ihre Kantonalkirche kämen – «von den SVP-Leuten». Er selbst war bereits im Januar aus der Kirche ausgetreten, da die Führung der Kantonalkirche stets gegen den Bischof von Chur schiesse, um damit eine Abspaltung vom Bistum zu provozieren. Der Bischof von Chur, Vitus Huonder, hingegen bedauerte es sehr, dass der Eindruck entstanden sei, dass eine Bundesratspartei nicht wählbar sei. Die katholische Kirche halte alle Parteien, die rechtsstaatliche Grundlagen einhalten, für wählbar und bevormunde die Gläubigen politisch nicht. Dennoch versäumte er es nicht, an den vorherrschenden Konflikt zwischen der römisch-katholischen Kirche und den Kantonalkirchen zu erinnern: Die Zürcher Kantonalkirche sei vom Staat geschaffen und somit kein Teil der römisch-katholischen Kirche; Driessen repräsentiere daher nur sich selbst.
Rund zwei Wochen nach Erscheinen des Interviews nahm schliesslich auch der Bischof von Basel, Felix Gmür, im Rahmen eines eigenen Interviews, mit dem Schwerpunkt Asylpolitik, in der Solothurner Zeitung Stellung. Gefragt, ob ein Christ guten Gewissens SVP wählen könne, fragte er lediglich: «Weshalb diese Frage? Die Kirche macht keine Parteipolitik». Darauf hingewiesen, dass Frau Driessen dieser Ansicht sei, erwiderte er lediglich, ob sie denn auch gesagt habe, warum sie dieser Meinung sei. Ansonsten sei diese Aussage nur plakativ. Die Kirche schliesse Menschen mit unterschiedlichen Ansichten nicht aus, man müsse mit diesen ins Gespräch kommen. In gewissen Punkten gebe es sicherlich übereinstimmende Ansichten von Kirche und Parteiprogrammen, in anderen wiederum könnten diese gänzlich divergierend sein; es sei aber nicht die Aufgabe der Kirche, politisches Geschehen zu gestalten. Auf die Anmerkung, dass sich zahlreiche Politiker oft auf die christlich-abendländischen Werte beziehen und ob das denn nicht zu einer Instrumentalisierung der Kirche führe, erwiderte er, dass nicht die Kirche selbst, sondern kirchliche Symbole instrumentalisiert würden, was ein gänzlich falsches Mittel zur Abgrenzung sei. Christliche Identität zeige man am besten, in dem man als Christ lebe, beispielsweise, indem man mehr Ausbildungsmöglichkeiten für junge Asylbewerber anbiete: Das sei eine konkrete Hilfe am Nächsten, weil die Leute so nicht mehr ausgegrenzt würden und von Fürsorge leben müssten. Auf die Anmerkung, dass das jetzt aber schon politisch sei, antwortete er, dass die Kirche lediglich Vorschläge mache und ansage, welchen Weg sie für gut befinde; was umgesetzt werde, bestimme aber die Politik.

Dürfen gute Christen SVP wählen?