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Am 1. Januar 2022 zählte die Schweiz 2'148 politische Gemeinden. Aufgrund von Gemeindefusionen hatte die Anzahl Gemeinden seit Januar 2021 damit um 24 abgenommen, seit Januar 2000 insgesamt um 751 Gemeinden.
Gemeindefusionen wurden zwischen dem 2. Januar 2021 und dem 1. Januar 2022 in den Kantonen Aargau, Freiburg, Tessin und Waadt vollzogen. Eine Besonderheit stellte dabei die Gemeindefusion in Murten FR dar: Sie umfasste nebst den freiburgischen Gemeinden Galmiz, Gempenach und Murten auch die bisher zum Kanton Bern gehörige Gemeinde Clavaleyres. Weil damit die Kantonsgrenzen verschoben wurden, mussten nebst den beteiligten Gemeinden auch die Kantone Bern und Freiburg sowie die Bundesversammlung dem Vorhaben ihren Segen erteilen.
Zwei besonders prominente Fusionsprojekte standen 2021 freilich im Gegenwind: Das seit 2017 laufende Vorhaben einer Fusion der Stadt Freiburg mit den umliegenden Gemeinden wurde beerdigt, nachdem eine Konsultativabstimmung im September 2021 in sechs von neun potenziellen Fusionsgemeinden negativ ausgefallen war. Und von den Gemeinden um die Stadt Bern beschlossen 2021 auch Kehrsatz und Frauenkappelen den Ausstieg aus den Fusionsabklärungen, nachdem Bolligen und Bremgarten dies bereits früher getan hatten und Köniz gar nie eingestiegen war. Im Projekt verblieben somit noch die Stadt Bern und Ostermundigen.
Der Politologe Michael Strebel wies in einem NZZ-Interview indessen darauf hin, dass solche prominenten Fehlschläge nicht darüber hinwegtäuschen sollten, dass Fusionsprojekte in der Schweiz «in Abstimmungen eigentlich sehr erfolgreich sind»: Von rund 440 Fusionsprojekten, die seit der Jahrtausendwende in einer Schlussabstimmung den Stimmberechtigten der beteiligten Gemeinden vorgelegt worden seien, seien rund drei Viertel in sämtlichen Gemeinden angenommen worden. Wie das Beispiel von Freiburg illustriert, schaffen es viele Vorhaben mit schlechteren Erfolgsaussichten freilich gar nicht bis in eine Schlussabstimmung, sondern scheitern schon früher. Auswirkungen von Gemeindefusionen seien gemäss Strebel oft bessere Leistungen für die Bevölkerung (etwa längere Öffnungszeiten der Gemeindeverwaltung oder bessere ÖV-Verbindungen), aber selten finanzielle Einsparungen. Zumindest kurzfristig führten Gemeindefusionen zudem oft zu einer geringeren Stimmbeteiligung. Einen solchen negativen Effekt auf die Stimmbeteiligung wies auch eine neue Studie zum Kanton Glarus nach (Frey et al. 2021), wo die Stimmberechtigten an der Landsgemeinde 2006 eine besonders weitgehende Gemeindefusion beschlossen hatten.

Gemeindefusionen 2021
Dossier: Gemeindefusionen

Die Kantonalsektionen der BDP und der CVP fällten in den Jahren 2020 und 2021 Entscheide über ihren Zusammenschluss zur neuen Partei «Die Mitte». Zusätzlichen Schub erhielt dieser Prozess, nachdem die Delegierten der BDP und der CVP Schweiz Mitte November 2020 einer Fusion der Bundesparteien zugestimmt hatten und diese per 1. Januar 2021 vollzogen worden war. An diesem Datum wurden alle noch bestehenden Kantonalsektionen von BDP und CVP zu Sektionen der fusionierten Mutterpartei, womit die Mitte zunächst in den meisten Kantonen über jeweils zwei Sektionen verfügte. Jede Sektion konnte und musste sodann autonom über ihre Zukunft entscheiden, da die Kantonalparteien (und auch die Lokalparteien) in der Schweiz organisationsrechtlich eigenständige Einheiten sind.
Dabei bedauerten die BDP-Mitglieder zwar allenthalben, dass die Etablierung als eigenständige Partei letztlich gescheitert war. In den meisten Kantonen regte sich unter ihnen aber keine oder keine nennenswerte Opposition gegen die Auflösung ihrer Sektion und den Zusammenschluss mit der jeweiligen CVP-Sektion. Exponentinnen und Exponenten, die damit nicht einverstanden waren, wählten eher den Weg des Parteiaustritts. Auch in den meisten CVP-Sektionen gab es keinen prinzipiellen Widerstand gegen eine Fusion; allerdings war die Fusionsdiskussion eng mit der Umbenennung zu «Die Mitte» und somit der Streichung des «C» aus dem Parteinamen verknüpft, die nicht in allen CVP-Kantonalparteien gleich gut ankam. Zugunsten einer Fusion wurden in den meisten Kantonen die folgenden vier Argumente vorgebracht: Erstens seien die inhaltlichen Überschneidungen der beiden Parteien schon bisher gross. Zweitens erhöhe ein Zusammengehen die Schlagkraft der politischen Mitte. Drittens könne man dadurch parteiintern einen breiteren Pool an motivierten Personen zusammenbringen und eine neue Dynamik entfachen. Und viertens ergänze man sich aufgrund teils unterschiedlich verteilter lokaler Hochburgen der beiden Partner wahlarithmetisch gut: Die CVP war nach wie vor stärker in katholischen Gebieten verankert, die BDP stärker in protestantischen Regionen.

Zu den ersten BDP-Sektionen, die ihre Auflösung und ein Zusammengehen mit der CVP beschlossen, gehörten bemerkenswerterweise jene der beiden BDP-Hochburgen Glarus und Bern, wo der Leidensdruck bei einer rein kantonalen Betrachtungsweise eigentlich geringer war als in anderen Kantonen: In der bernischen wie in der glarnerischen Politik hatte die BDP bis zuletzt noch eine bedeutende Rolle gespielt und sogar etwas (in Glarus) beziehungsweise deutlich (in Bern) mehr Mandate als die CVP inne. Das Aufgehen der BDP in der neuen Mittepartei wurde in diesen beiden Kantonen stark mit dem Wunsch begründet, Teil einer Partei zu sein, die auch auf nationaler Ebene eine nennenswerte Rolle spielt. Auch die Parteibasis liess sich von dieser Überlegung überzeugen: In Glarus entschieden sich die BDP-Mitglieder – darunter auch der BDP-Schweiz-Präsident und erklärte Fusionsbefürworter Martin Landolt – am 3. November 2020 einstimmig für die Fusion, die CVP folgte zwei Tage später mit 84 Prozent Zustimmung. Der Fusionsentscheid fiel in Glarus somit schon rund zwei Wochen vor dem Entscheid der Bundesparteien – und wurde deshalb unter den Vorbehalt gestellt, dass sich auch die nationalen Parteien zum selben Schritt entschliessen würden. Nachdem diese Bedingung erfüllt war und die zunächst auf Januar 2021 angesetzte Gründungsversammlung wegen der Covid-19-Pandemie hatte verschoben werden müssen, wurde der Zusammenschluss in Glarus schliesslich im Mai 2021 formell vollzogen.
Mit Bern traf auch die grösste BDP-Sektion, welche rund die Hälfte aller Schweizer BDP-Mitglieder stellte, schon einige Tage vor den nationalen Mutterparteien ihren Entscheid. Am 11. November 2020 sagten hier bei der BDP 95 Prozent und bei der CVP 93 Prozent der stimmenden Mitglieder Ja zur kantonalen Fusion. Als Grund für den frühen Zeitpunkt gaben die Spitzen der beiden Berner Parteien an, man wolle sich schon als fusionierte Partei auf die kantonalen Gesamterneuerungswahlen vom März 2022 vorbereiten können. Formell vollzogen – mit der Verabschiedung der neuen Statuten und der Wahl des neuen Vorstands – wurde die Berner Fusion dann im März 2021.

In Graubünden, dem dritten BDP-Gründerkanton nebst Bern und Glarus, verlief der Fusionsprozess harziger. Sowohl die CVP als auch die BDP gehörten hier zu den drei stärksten Parteien im Kanton, die beiden potenziellen Fusionspartner standen sich kantonal auf Augenhöhe gegenüber. Historisch hatte im konfessionell gemischten Kanton Graubünden zwischen ihren Vorläufern – den katholischen Konservativen und den reformierten Demokraten (welche sich 1971 der SVP Schweiz angeschlossen hatten) – lange eine ausgeprägte Rivalität geherrscht, in den 1940er Jahren war sogar von einem «Kulturkampf» die Rede (Südostschweiz vom 9.6.2021). Vielleicht spielte auch diese historische Erblast eine Rolle dafür, dass in den Reihen der Bündner BDP 2020 zunächst nicht nur eine Vereinigung mit der CVP, sondern auch ein Zusammengehen mit der FDP oder der GLP erwogen wurde. Auch ein Weiterbestehen der kantonalen BDP mit einer blossen Intensivierung der Zusammenarbeit mit der CVP wurde diskutiert. Die Bündner CVP-Führung wiederum äusserte Bedenken, dass eine Fusion gut etablierte Parteistrukturen gefährden und in CVP- respektive BDP-Stammlanden eine Abwanderung von Wählenden bringen könnte: «Eins plus eins muss nicht zwingend zwei ergeben», liess CVP-Kantonalpräsident Stefan Engler verlauten. Es gab Befürchtungen, dass man als fusionierte Partei die drei von fünf Regierungssitzen und die über 50 von 120 Grossratssitzen schlechter halten könnte. Zudem war in der CVP Graubünden zunächst nicht klar, ob sich eine Mehrheit zu einer Streichung des «C» aus dem Parteinamen würde durchringen können – was wiederum in den Reihen der BDP als Bedingung für ein Zusammengehen galt. Nachdem die beiden Mutterparteien Ende 2020 ihre Fusion auf nationaler Ebene besiegelt hatten, nahm der Prozess aber auch in Graubünden stärker Fahrt auf – auch deshalb, weil die Parteispitzen rechtzeitig vor den kantonalen Gesamterneuerungswahlen vom Mai 2022 Klarheit schaffen wollten. Die BDP-Mitglieder bekannten sich bei einer Mitgliederversammlung informell zum Ziel einer Fusion, eine Projektgruppe aus beiden Parteien nahm ihre Arbeit auf und im Januar 2021 gaben die Junge BDP und die Junge CVP ihre Unterstützung für eine Fusion bekannt. Ende März 2021 sprach sich schliesslich auch die kantonale Parteileitung der CVP erstmals offiziell für eine Fusion – und für eine Umbenennung in «Die Mitte» – aus. In einer gemeinsamen Medienmitteilung der Bündner BDP- und CVP-Geschäftsleitungen wurden die Fusionsbestrebungen auch mit dem anstehenden Wechsel Graubündens vom Majorz- zum Doppelproporzsystem für die Grossratswahlen begründet: Mit dem neuen Wahlsystem werde eine flächendeckende Präsenz im ganzen Kanton wichtiger, deshalb würden die beiden regional unterschiedlich verankerten Fusionspartner einander gut ergänzen. Im April 2021 folgten eine konsultative Urabstimmung bei der CVP und eine Mitgliederumfrage bei der BDP, wobei sich 86 Prozent der CVP- und fast 95 Prozent der BDP-Mitglieder für die Fusion aussprachen. Die NZZ ging davon aus, dass die Nein-Stimmen in der BDP ideologisch begründet waren, da die Bündner BDP aufgrund ihres historischen Erbes etwas weiter rechts zu verorten sei als die CVP; dies gelte für jüngere BDP-Mitglieder allerdings nicht mehr und wie die Südostschweiz aufzeigte, waren sich die beiden Sektionen bei den kantonalen und nationalen Abstimmungsparolen ab 2016 praktisch immer einig. Im Mai 2021 wurden die Statuten für die neue Partei vorgestellt. Sie basierten auf jenen der CVP Graubünden, seien aber «vollständig überarbeitet worden» und sahen für Partei und Fraktion für eine Übergangszeit eine Doppelspitze vor, um beiden Fusionspartnern eine gleichwertige Vertretung zu garantieren. Nach diesen langwierigen Vorarbeiten war es am 7. Juni 2021 schliesslich auch in Graubünden so weit: Zunächst noch in getrennten Delegiertenversammlungen wurde die Fusion von der CVP mit 74 zu 1 Stimmen bei 4 Enthaltungen, von der BDP einstimmig gutgeheissen. Noch am selben Abend folgte die erste gemeinsame Delegiertenversammlung der «Mitte Graubünden» mit der Wahl der neuen paritätischen Doppelspitze. Bis zum Schluss blieb der Fusionsprozess aber von Nebengeräuschen begleitet: Zwischen Dezember 2020 und Juni 2021 traten insgesamt drei BDP-Grossräte zur FDP und einer zur SVP über, aus den Reihen der CVP wechselte ein Grossrat zur SP; auch der dreiköpfige Vorstand der BDP-Ortssektion Chur war geschlossen zur FDP übergetreten, weil für ihn ein Zusammengehen mit der CVP «keine Option» war.

In den Kantonen Aargau im Januar 2021, in Zürich im März 2021 und in Freiburg im Juni 2021 fielen die Entscheide der BDP-Basis zugunsten der Fusion einstimmig aus, wobei zumindest in den ersten beiden Kantonen ein kleiner Teil der BDP-Mitglieder und -Mandatsträger nicht in die neue Mitte-Partei übertrat, sondern zur GLP oder zur FDP wechselte oder aber parteilos wurde. Seitens der CVP gab es in Zürich bloss eine einzige Gegenstimme gegen die Fusion, im Aargau und in Freiburg wurden die CVP-Beschlüsse in der Presse nicht thematisiert.

Einen besonderen Weg wählte im Juni 2021 die BDP Thurgau: Auch sie löste sich auf, beschloss aber – soweit ersichtlich als einzige BDP-Kantonalpartei – kein Zusammengehen mit der kantonalen CVP. Man wolle es den einzelnen Mitgliedern überlassen, ob und welcher anderen Partei sie sich anschliessen möchten, erklärte die Kantonalpartei. Gemäss Medienberichten gab es unter den zuletzt rund 50 Thurgauer BDP-Mitgliedern etliche, die ihre Zukunft in der GLP sahen; andere traten zur Mitte über, wiederum andere wollten keiner Partei mehr angehören.

Als letzte Kantonalsektionen der BDP verschwanden schliesslich die Baselbieter und die Genfer BDP von der politischen Landkarte. Die BDP Basel-Landschaft hatte vor ihrem Entscheid über eine Fusion abwarten wollen, ob die potenzielle Fusionspartnerin das «C» aus dem Namen streichen und sich zum neuen Parteinamen «Die Mitte» bekennen würde – ein Schritt, der in der CVP Basel-Landschaft zunächst umstritten war, letztlich aber doch vollzogen wurde. Nachdem diese Vorbedingung der BDP erfüllt und zudem klargestelt war, dass sich auch BDP-Mitglieder in kommunale und kantonale Leitungsfunktionen der neuen Mittepartei wählen lassen könnten, entschied sich die BDP-Basis Ende September 2021 schliesslich einstimmig dafür, ihre Sektion in der künftigen «Mitte» aufgehen zu lassen. Nicht alle der zuletzt rund 60 Baselbieter BDP-Mitglieder traten indessen in die neue Mittepartei über; so schloss sich etwa eine Gemeinderätin der GLP an und der kantonale Parteipräsident entschied sich für die Parteilosigkeit. Die BDP Genf war schliesslich die letzte BDP-Kantonalpartei, die über ihr Schicksal entschied: Im Dezember 2021 beschlossen auch hier die Mitglieder einstimmig, ihre Sektion in die «Mitte» einzugliedern.
Die Parteifusionen in Basel-Landschaft und Genf wurden per 1. Januar 2022 vollzogen. Genau ein Jahr nach der Bildung der nationalen «Mitte» war der Fusionsprozess somit in den Kantonen abgeschlossen und die BDP hörte auch auf kantonaler Ebene auf zu existieren. Einzelne CVP-Sektionen bestanden hingegen noch weiter, weil sie den Namenswechsel zumindest vorerst nicht mitmachten.

Auflösung der BDP und Zusammenschluss mit der CVP zur Mitte

Jahresrückblick 2021: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport

Auch im Jahr 2021 bestimmte die Covid-19-Pandemie massgeblich den Takt in der Schweizer Gesundheitspolitik. Unabhängig davon gaben hingegen insbesondere Geschäfte im Zusammenhang mit verschiedenen Volksinitiativen zu reden.

Am prominentesten diskutiert wurde in den Medien die Pflegeinitiative, wie beispielsweise Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse (im Anhang) zeigt – noch nie in den letzten vier Jahren wurde anteilsmässig häufiger über das Thema «Pflege» diskutiert als im Jahr 2021 (vgl. Abbildung 2). Die Pflegeinitiative zielte auf eine Verbesserung des Pflegendenstatus ab und wollte durch eine genügende Anzahl diplomierter Pflegefachpersonen den «Zugang aller zu einer ausreichenden Pflege von hoher Qualität» sicherstellen. Ende November 2021 nahm eine Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Vorlage an (61.0%). Mit Ausnahme eines Kantons sagten ferner alle Stände Ja und hörten damit nicht auf ihre Vertreterinnen und Vertreter in Bundesbern, welche die Initiative zur Ablehnung empfohlen hatten. Stattdessen wollten Regierung und Parlament den in der Initiative dargelegten Problemen mittels eines von der SGK-NR ausgearbeiteten indirekten Gegenvorschlags auf Gesetzesebene begegnen. Dieser hätte neben einer Ausbildungsoffensive auch eine Kompetenzerweiterung bezüglich selbständiger Abrechnung von Pflegeleistungen vorgesehen. In den Medien wurde der Abstimmungserfolg des Initiativkomitees unter anderem – aber nicht ausschliesslich – mit der Covid-19-Pandemie erklärt.

2021 ebenfalls auf der Traktandenliste des Parlaments stand die Organspende-Initiative und der dazu vom Bundesrat lancierte indirekte Gegenvorschlag. Einigkeit herrschte darüber, dass der Status quo der Zustimmungslösung nicht zufriedenstellend sei. Das Volksbegehren, welches beabsichtigte, dass neu alle Menschen automatisch zu Organspenderinnen und -spendern werden sollten, falls sie sich nicht explizit dagegen ausgesprochen hatten, ging jedoch sowohl dem Bundesrat als auch den beiden Kammern zu weit. Die Landesregierung forderte daher in ihrem Gegenvorschlag eine erweiterte Zustimmungslösung, bei der die Meinung der Angehörigen ebenfalls berücksichtigt wird. Nachdem der Nationalrat das Volksbegehren zunächst (denkbar knapp) zur Annahme empfohlen hatte, folgte er in der Herbstsession dem Ständerat, der sich einstimmig gegen die Initiative ausgesprochen hatte. Der indirekte Gegenvorschlag hingegen war weitgehend unbestritten und wurde von beiden Räten grossmehrheitlich für eine gute Lösung befunden, worauf das Initiativkomitee die Initiative bedingt zurückzog.

Die dritte Volksinitiative, mit der sich das Parlament 2021 im Gesundheitsbereich beschäftigte, war die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung», welche ein lückenloses Tabakwerbeverbot zum Inhalt hat. Auch dieses Volksbegehren ging National- und Ständerat zu weit, weshalb sie die Initiative zur Ablehnung empfahlen. Parallel dazu befasste sich das Parlament mit einem neuen Tabakproduktegesetz, das im Herbst 2021 verabschiedet wurde und unter anderem ebenfalls Bestimmungen zu Tabakwerbung beinhaltete. Die beiden Kammern präsentierten die Gesetzesrevision als indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative.

Als Folge der ersten Welle der Covid-19-Pandemie im Vorjahr beklagten viele Spitäler finanzielle Einbussen. Die Kantone Schaffhausen, Aargau, Tessin und Basel-Stadt reagierten 2021 mit vier Standesinitiativen, mittels welcher sie den Bund dazu auffordern wollten, für die Ertragsausfälle, die in Zusammenhang mit dem vom Bundesrat angeordneten Verbot «nicht dringend angezeigte[r] medizinische[r] Eingriffe und Therapien» entstanden waren, aufzukommen. Der Ständerat gab den Geschäften in der Wintersession 2021 mit 21 zu 19 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) keine Folge.

Verglichen mit dem Vorjahr, als die Medien sehr ausführlich über die Sportpolitik berichteten (vgl. Abbildung 2), erhielt dieses Thema im Jahr 2021 nur beschränkt Beachtung. Erneut medial diskutiert wurden unter anderem die finanziellen Schwierigkeiten der Sportvereine, deren Unterstützung auch vom Ausgang der Abstimmung über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes abhing.
Im Parlament wurde insbesondere die Frage diskutiert, wie eine Mitsprache der Bevölkerung bei der Organisation und der finanziellen Unterstützung Olympischer Spiele ermöglicht werden kann. Diesbezüglich zeigte sich der Nationalrat offener als der Ständerat, als er in der Sommersession ein entsprechendes Postulat der WBK-NR annahm und einer parlamentarischen Initiative Semadeni (sp, GR) Folge gab. Letztere schickte der Ständerat in der darauffolgenden Session allerdings bachab. Das Parlament diskutierte des Weiteren über die Finanzhilfen an Sportanlagen von nationaler Bedeutung 2022–2027 (NASAK 5), wobei der Ständerat den bundesrätlichen Entwurf in der Herbstsession guthiess und der Nationalrat ihm in der Wintersession folgte.

Im Bereich Sozialhilfe beugte sich die kleine Kammer in der Frühjahrssession 2021 über eine Motion Carobbio Guscetti (sp, TI), welche darauf abzielte, Sofortmassnahmen gegen das durch die Covid-19-Pandemie verursachte Armutsrisiko zu ergreifen. Das Geschäft fand jedoch bei den Kantonsvertreterinnen und -vertretern keine Mehrheit. Medial thematisiert wurden unter anderem die möglichen Folgen der Pandemie für die Sozialhilfe sowie ein Urteil des EGMR, in welchem der Kanton Genf bezüglich seines Bettelverbotes kritisiert wurde.

Jahresrückblick 2021: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
Dossier: Jahresrückblick 2021

In der Wintersession 2021 befasste sich der Ständerat mit vier Standesinitiativen der Kantone Schaffhausen, Aargau, Tessin und Basel-Stadt (Kt.Iv. 20.331; Kt.Iv. 21.304; Kt.Iv. 21.307; Kt.Iv. 21.312), die den Bund dazu auffordern wollten, für die während der ersten Covid-19-Welle entstandenen Ertragsausfälle der Spitäler aufzukommen. Peter Hegglin (mitte, ZG) erläuterte für die SGK-SR, dass es für eine «seriöse Beratung», inwiefern sich der Bund finanziell beteiligen soll, den Schlussbericht in Erfüllung des Postulates 20.3135, welcher auf Ende 2023 angekündigt sei, abzuwarten gelte. Daher habe die Kommission den Standesinitiativen keine Folge gegeben. Minderheitensprecher Hannes Germann (svp, SH) erwiderte, dass sich der Bund an den Kosten beteiligen solle, da er mit seinem Durchführungsverbot von nicht dringend angezeigten medizinischen Eingriffen und Therapien das Subsidiaritätsprinzip verletzt und in die kantonale Autonomie eingegriffen habe. Der dadurch entstandene Schaden belaufe sich gemäss Schätzungen des Dachverbands der Spitäler H+ Ende 2020 auf CHF 1.5 bis 1.8 Mrd. Auch Maya Graf (gp, BL) plädierte für Folgegeben und bezeichnete die Spitäler als «unsere wichtigsten Gesundheitsversorger». Mit 21 zu 19 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) gab das Stöckli den Kantonsbegehren knapp keine Folge.

Auch der Bund soll für die Spitäler zahlen (St.Iv. 20.331; St.Iv. 21.304; St.Iv. 21.307; St.Iv. 21.312)

Nachdem die RK-SR die Vorprüfung der fünf Standesinitiativen (Kt.Iv. BE 08.316; Kt.Iv. SG 09.313; Kt.Iv. TI 09.314; Kt.Iv. FR 09.332; Kt.Iv. ZG 10.302) wieder aufgenommen hatte, nachdem sie zuvor zehn Jahre lang sistiert gewesen waren, kam sie zum Schluss, dass die Forderungen der fünf Standesinitiativen für einen stärkeren Schutz von Jugendlichen vor gewaltvollen Videospielen im Entwurf des Bundesrates zum neuen Bundesgesetz zum Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiel einbezogen würden und dass beide Kammern im Rahmen der Debatte über das Gesetz ihre Anliegen einbringen können. Da damit keine weiteren Massnahmen nötig seien, beantragten die RK-SR sowie die RK-NR, den kantonalen Begehren keine Folge zu geben. Die beiden Räte folgten diesen Anträgen diskussionslos und stillschweigend.

Verbot von gewaltvollen Videospielen (Kt.Iv. BE 08.316; Kt.Iv. SG 09.313; Kt.Iv. TI 09.314; Kt.Iv. FR 09.332; Kt.Iv. ZG 10.302)

Im November 2021 beriet die RK-NR die St. Galler Standesinitiative betreffend eine Erhöhung des Strafrahmens für die Herstellung von Kinderpornografie und für Gewaltdarstellungen. Da in der Zwischenzeit die Höchststrafe für die Herstellung von Kinderpornografie im Rahmen der Lanzarote-Konvention angepasst worden und der Tatbestand der Gewaltdarstellung Gegenstand der Harmonisierung der Strafrahmen gewesen war, sah die Kommission keinen Bedarf mehr für einen separaten Erlassentwurf. Der Nationalrat sah dies als Zweitrat gleich und gab der Standesinitiative in der Wintersession 2021 keine Folge, womit das Geschäft erledigt war.

Revision des Strafgesetzbuches (Kt.Iv. 08.334)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Nachdem die Räte unterschiedliche Urteile über die Unterstützungswürdigkeit der St. Galler Standesinitiative für die Aufhebung der Verjährungsfrist für die schwersten Verbrechen gefällt hatten, prüfte die RK-SR das Anliegen im Oktober 2021 zum zweiten Mal. Sie blieb bei ihrem Standpunkt und empfahl die Initiative mit 8 zu 5 Stimmen ein zweites Mal zur Ablehnung, während die Minderheit wiederum Folgegeben beantragte. Im Ständeratsplenum in der Wintersession 2021 schloss Minderheitssprecher Daniel Jositsch (sp, ZH) sein Votum mit der Feststellung, dass die Zeit heute auf der Seite der Mörderinnen und Mörder sei; die Standesinitiative wolle dagegen, dass die Zeit auf der Seite der Opfer sei. Auf der Gegenseite argumentierte Beat Rieder (mitte, VS), es sei ein «Märchen, dass Cold Cases nach dreissig, vierzig Jahren aufgeklärt werden könnten». Mathias Zopfi (gp, GL) fügte an, es sei fast unmöglich, nach so langer Zeit einen Mord zu beweisen, weil es für die Qualifizierung einer Tötung als Mord eine Absicht, ein Motiv brauche, was mit einer DNA-Spur nicht nachgewiesen werden könne. Am Ende einer engagierten Debatte gab die Ständekammer der Standesinitiative mit 21 zu 20 Stimmen knapp Folge. Die zuständige Kommission wird nun eine entsprechende Gesetzesvorlage ausarbeiten.

Keine Verjährungsfristen für Schwerstverbrecher (Kt.Iv. 19.300)

Im Frühling 2021 gab das UVEK bekannt, die letzte Bewilligung für die Durchführung einer Sondierbohrung erteilt zu haben. Damit hatte die NAGRA bei der Suche nach geeigneten Standorten für die Errichtung von Tiefenlagern vom Bund insgesamt 22 Mal grünes Licht für solche Bohrungen zur Erkundung des Untergrundes erhalten (und bei zwei der insgesamt 24 eingereichten Gesuche nachträglich einen Rückzug vorgenommen). In dieser dritten Etappe der Standortevaluierung, in welcher vornehmlich die drei Standortgebiete Jura Ost (AG), Nördlich Lägern (AG und ZH) sowie Zürich Nordost (ZH und TG) im Fokus stehen, soll ein genaueres und detaillierteres Verständnis der Eignung des Untergrunds für die Endlagerung radioaktiver Abfälle erlangt werden. Im November 2020 hatte die NAGRA bestätigt, dass sie diese drei Standortgebiete weiterhin als geeignet betrachte und dass dort sichere Tiefenlager gebaut werden könnten, wie die NZZ schrieb. Im Jahr 2022 will die NAGRA bekannt geben, für welche Gebiete sie bis 2024 Rahmenbewilligungsgesuche beim Bundesrat einreichen möchte. Bereits im Jahr zuvor wurde die Untersuchung von Standorten für die Errichtung von Tiefenlagern teils emotional mitverfolgt. Der Aargauer Zeitung zufolge erklärte der Aargauer Regierungsrat im April 2021 etwa, dass er zwar konstruktiv bei der Suche mitarbeiten möchte, ein Tiefenlager auf dem Kantonsgebiet aber unerwünscht sei. Der Kanton Aargau trage bereits «überproportionale Lasten für die ganze Schweiz» (namentlich den Durchgangsverkehr und die bestehenden Atomkraftwerke, wie der Tages-Anzeiger ausführte), weshalb ihm eine weitere Belastung «nicht zugemutet werden» könne, gab das Blatt die Haltung der Kantonsregierung wieder. Die Zürcher Kantonsregierung liess verlauten, sich nicht mehr grundsätzlich gegen die Errichtung eines Endlagers auf dem Kantonsgebiet zu wehren, zog jedoch eine «rote Linie» (Thurgauer Zeitung) bei der Frage des Verpackungszentrums. Diese sogenannte «heisse Zelle», wie die oberirdische Anlage für die Endverpackung der radioaktiven Abfälle in spezielle Behälter genannt wird, dürfe im Sinne einer Lastenverteilung nicht auch noch auf dem Gebiet des Kantons Zürich zu stehen kommen, wie der Tages-Anzeiger im April 2021 berichtete. Nebst dieser Bedingung nannte der Zürcher Regierungsrat auch, dass durch die vielen Bauten an der Oberfläche keine Trinkwasserressourcen gefährdet werden dürften, eine Forderung, welcher sich auch der Kanton Thurgau und der Kanton Schaffhausen anschlossen. Der Regierungsrat des Kantons Thurgau werde gemäss der Thurgauer Zeitung für den sichersten Standort einstehen und setze sich deshalb für einen transparenten, sachbasierten und nachvollziehbaren Prozess ein. Man widersetze sich damit einer Standortwahl im Kanton Thurgau nicht grundsätzlich. Der an die Standortregion Zürich Nordost angrenzende Kanton Schaffhausen krisierte hingegen den Prozess der Standortsuche, zumal die detaillierten Begründungen zur Standortwahl nicht im Jahr 2022 mit der Bekanntgabe der Standortwahl, sondern erst zwei Jahre später mit der Einreichung des Rahmenbewilligungsgesuchs erfolgen werden. Bevor nicht alle Aspekte im Detail geklärt seien, dürfe die NAGRA im Jahr 2022 deshalb keine Standortwahl treffen, so die Meinung des Schaffhauser Regierungsrats. Zu Diskussionen führte schliesslich auch die Frage nach finanziellen Entschädigungen: Bezüglich Belastung forderten die drei Standortregionen in einem gemeinsamen Brief, dass sie, falls sie für die Errichtung des Endlagers ausgewählt würden, für ihren Beitrag zu einer Lösung über einige Jahre hinweg finanziell – in den Medien wurde eine Zahl von total mindestens CHF 800 Mio. genannt – entschädigt würden, so wie dies von den Entsorgungspflichtigen ursprünglich vorgesehen worden sei. Wenn eine Gemeinde einen Anteil von den «zehn Dreifachturnhallen», die «bis unters Dach» mit Atommüll gefüllt sind, unter sich beherberge, so habe dies beispielsweise grosse Auswirkungen auf die Immobilienpreise, auf den Absatz von Agrarprodukten oder auf den Tourismus, wie die Thurgauer Zeitung schrieb. Eine finanzielle Entschädigung sei zwar gesetzlich nicht vorgeschrieben, entspreche jedoch wohl dem politischen Willen einer Mehrheit, wie BFE-Sprecher Stefan Jordi gegenüber der Thurgauer Zeitung erklärte.

Endlager für radioaktive Abfälle (3. Etappe; 2018–2029)
Dossier: Debatte um die Entsorgung radioaktiver Abfälle ab dem Jahr 2000

Die Kantone Schaffhausen, Aargau, Tessin und Basel-Stadt verlangten in vier ähnlich gelagerten Standesinitiativen (Kt.Iv. 20.331; Kt.Iv. 21.304; Kt.Iv. 21.307; Kt.Iv. 21.312) die Beteiligung des Bundes an den Ertragsausfällen der Spitäler, die auf das durch den Bundesrat erlassene Verbot von «nicht dringend angezeigten medizinischen Eingriffe[n] und Therapien» vom März 2020 zurückzuführen sind. Es gehe nicht an, dass sich der Bund nun aus der Verantwortung stehle, ist etwa der Begründung des Kantons Schaffhausen zu entnehmen. Damit keine kantonalen Ungleichbehandlungen entstünden, solle die Koordination der Kompensation zwischen dem Bund, den Kantonen und den Krankenkassen über die GDK erfolgen. Im November 2021 nahm sich die SGK-SR den Standesinitiativen an. Ihr zufolge falle das Bereitstellen der für die Pandemie notwendigen Spitalkapazitäten in den Aufgabenbereich der Kantone. In Krisensituationen liege es an allen Staatsebenen, einen Teil der Last zu übernehmen. Bislang sei es der Bund gewesen, der 80 Prozent der Kosten, die im Zusammenhang mit der Pandemie angefallen sind, übernommen habe. Daher beantragte die Kommission mit 9 zu 3 Stimmen, den Standesinitiative keine Folge zu geben.

Auch der Bund soll für die Spitäler zahlen (St.Iv. 20.331; St.Iv. 21.304; St.Iv. 21.307; St.Iv. 21.312)

Der Nationalrat befasste sich in der Herbstsession 2021 mit einer Motion Hösli (svp, GL), welche von Jakob Stark (svp, TG) übernommen worden war, zur Verkleinerung des Gewässerraums. Die Kommissionssprechenden Pierre-André Page (svp, FR) und Priska Wismer-Felder (mitte, LU) erläuterten die Argumente der knappen Kommissionsmehrheit (13 zu 12 Stimmen), welche die Motion zur Annahme empfahl. Wismer-Felder führte aus, dass ein von der Kommission verlangter Zusatzbericht zu den Auswirkungen der Motion aufgezeigt habe, dass in den drei im Bericht untersuchten Kantonen Glarus, Graubünden und Aargau lediglich rund 1.8 Prozent der Landwirtschaftsbetriebe von der in der Motion geforderten Bestimmung betroffen wären. Mit der vorliegenden Motion könne das GSchG so geändert werden, dass diesen Betrieben, die mit der geltenden Regelung in ihrer Existenz bedroht seien, geholfen werden könne.
Martina Munz (sp, SH) vertrat die Kommissionsminderheit. Sie kritisierte, dass die Mehrheit der UREK-NR ignoriere, dass mit dieser Motion der Schutz der Biodiversität sowie der Hochwasserschutz leiden würden. Während in den drei untersuchten Kantonen 0.1 bis 1.4 Prozent an ertragreicher Futtermittelfläche gewonnen werden könnten, gingen zwischen 25 und 75 Prozent der Gewässerraumfläche verloren. Sie sei doch sehr erstaunt darüber, dass einige wenige Landwirte mehr Gehör erhielten als die Kantone durch ihre LDK und BPUK, zumal Erstere bereits mit CHF 200 Mio. entschädigt worden seien. Die Mehrheit des Rates sah dies ähnlich: Die grosse Kammer lehnte die Motion mit 100 zu 84 Stimmen (bei 1 Enthaltung) ab. Die befürwortenden Stimmen stammten von den geschlossen stimmenden Grünen-, SP- und GLP-Fraktionen, von der Hälfte der FDP.Liberalen-Fraktion sowie von einzelnen Mitgliedern der Mitte- und der SVP-Fraktionen. Der Vorstoss ist damit erledigt.

Gewässerräume. Geografische und topografische Verhältnisse besser berücksichtigen (Mo. 19.4374)

Ende September 2021 gab das BAG bekannt, dass die mittlere Krankenkassenprämie 2022 erstmals seit 2008 nicht ansteigen, sondern um 0.2 Prozent sinken werde. Seit 2011 war die mittlere Prämie, also die durchschnittlich bezahlte Prämie, jährlich durchschnittlich um 2.4 Prozent angestiegen. Der Bundesrat führte den Rückgang auf seine Änderung der KVAV von April 2021 zurück, gemäss welcher die Versicherungen die Prämie durch Reserveabbau um 1.2 Prozent hätten senken und ihre Prämien allgemein knapper hätten kalkulieren können. Darüber hinaus werden die Versicherungen 2021 CHF 134 Mio. an zu hohen Prämieneinnahmen auf Genehmigung des BAG zurückerstatten. Somit war der Prämienrückgang also nicht durch einen Kostenrückgang begründet, wie etwa die NZZ betonte.
Weiterhin gross waren die regionalen Unterschiede in der Prämienentwicklung: In 14 Kantonen sanken die Prämien, in Basel-Stadt und Genf gar um 2.1 und 1.5 Prozent, hingegen kam es in 12 Kantonen, insbesondere der Ost- und Zentralschweiz, zu einem Prämienanstieg (OW: 1.4%, GL: 1.1%, NW: 0.9%, AI: 0.7%, AR, TG und LU: alle 0.6%, UR: 0.5%, SO: 0.4%, AG: 0.3%, SG und SH: beide 0.2%). Somit erfuhren für einmal diejenigen Kantone mit überdurchschnittlich hohen Prämien eine Entlastung, während die Kantone mit unterdurchschnittlichen Prämien einen Prämienanstieg zu verzeichnen hatten. Kaum Auswirkungen hatte dies jedoch auf die regionalen Unterschiede in der Prämienhöhe: Im Jahr 2022 weisen weiterhin die Kantone Basel-Stadt (CHF 409.80) und Genf (CHF 399.90) die höchsten mittleren Prämien auf, die niedrigsten fallen weiterhin in den Kantonen Appenzell-Innerrhoden (CHF 214.80) und Uri (CHF 243.80) an.
Insbesondere in der Ostschweiz sorgte die Prämienerhöhung für Ärger, wie die regionalen Medien berichteten. Die tiefen Prämien in der Ostschweiz seien durch tiefe Gesundheitskosten begründet, entsprechend sei die aktuelle Prämienerhöhung auf eine Umverteilung der Prämiengelder von der Ost- in die Westschweiz zurückzuführen, wurde vermutet. Dies veranlasste Christian Lohr (mitte, TG; Ip. 21.4263), Jakob Stark (svp, TG; Ip. 21.4328) und Mike Egger (svp, SG; Ip. 21.4228) zu Interpellationen an den Bundesrat. Der Bundesrat erklärte, dass Prämienveränderungen nicht aufgrund der aktuellen Höhe der Kosten, sondern aufgrund der erwarteten Änderungen der Kosten entstünden – in verschiedenen Ost- und Zentralschweizer Kantonen werde mit einem Kostenanstieg, in Basel-Stadt und Genf hingegen mit einer Kostenreduktion gerechnet. Zudem seien die Prämien etwa in den Ostschweizer Kantonen im Jahr 2021 gleich geblieben oder sogar gesenkt worden, weshalb jetzt eine Korrektur nötig sei.

Krankenkassenprämien 2022
Dossier: Prämien- und Kostenentwicklung in der Krankenversicherung (seit 2010)

In der Herbstsession 2021 befasste sich der Nationalrat mit insgesamt neun Standesinitiativen betreffend einer CO2-Abgabe auf den Flugverkehr respektive einer Besteuerung von Kerosin. Neben der Standesinitiative des Kantons St. Gallen standen auch diejenigen der Kantone Genf (Kt.Iv. 19.304), Basel-Stadt (Kt.Iv. 20.307), Luzern (Kt.Iv. 19.310), Wallis (Kt.Iv. 19.314), Freiburg (Kt.Iv. 19.315), Bern (Kt.Iv. 19.319), Neuenburg (Kt.Iv. 20.317) und Basel-Landschaft (Kt.Iv. 20.319) zur Debatte.
Nach einer kurzen Diskussion lehnte der Nationalrat alle Initiativen mit jeweils ähnlichen Stimmenverhältnissen ab. Die Befürworterinnen und Befürworter stammten aus den Reihen der SP- und der Grünen-Fraktionen. Auch einzelne Vertreterinnen und Vertreter der GLP- und der Mitte-Fraktionen stimmten den Initiativen zu.

Standesinitiative des Kantones St. Gallen für eine Besteuerung der Flugtickets in der Höhe der CO2-Abgabe auf Flugbenzin/Kerosin (Kt.Iv. 19.305)
Dossier: Flugticketabgabe

Stände- und Nationalrat haben in der Herbstsession 2021 den geänderten Verfassungen der Kantone Uri, Schaffhausen, Aargau, Tessin und Genf oppositionslos die Gewährleistung erteilt. Die einzige Wortmeldung zum Geschäft kam von Kommissionssprecher Andrea Caroni (fdp, AR) im Ständerat. Er führte aus, dass das Geschäft auch in der Kommission kaum zu Diskussionen Anlass gegeben hatte. Einzige Ausnahme seien die neuen Genfer Verfassungsbestimmungen über die Steuerpolitik gewesen, nach denen sich der Kanton für eine Verringerung des interkantonalen Steuerwettbewerbs und bei der kantonalen Umsetzung von Steuerreformen des Bundes für eine stärkere Steuerprogression einsetzen soll. Die Kommission sei aber wie schon der Bundesrat in seiner Botschaft zum Schluss gekommen, dass diese Bestimmungen unproblematisch seien, solange sich der Kanton Genf bei der Umsetzung in den Grenzen des Bundesrechts bewege. Einer Gewährleistung stehe somit nichts im Weg.

Garantie des constitutions cantonales (UR, SH, AG, TI, GE) (MCF 21.040)
Dossier: Gewährleistung kantonaler Verfassungen

Afin de lutter contre le tourisme d'achat, une initiative cantonale saint-galloise préconise la soumission des marchandises privées à la TVA helvétique si la TVA étrangère a été remboursée. Cette initiative cantonale est en ligne avec l'initiative cantonale thurgovienne 18.316. Après la décision de la chambre des cantons de donner suite à l'initiative, les Commissions de l'économie et des redevances du Conseil national (CER-CN) et du Conseil des États (CER-CE) se sont penchées sur la proposition. La CER-CN et la CER-CE ont recommandé, par respectivement 17 voix contre 7, et 6 voix contre 4 et 3 abstentions, de ne pas donner suite à l'initiative. D'abord, les parlementaires ont souligné les difficultés de mise en œuvre de la proposition. Puis, ils ont indiqué que même en cas de mise en œuvre, l'initiative ne réduirait pas le tourisme d'achat qui repose essentiellement sur les différences de prix entre la Suisse et les pays limitrophes. A l'opposé, une minorité de la CER-CE, formée de sénateurs et sénatrices de gauche, ont souligné l'argument de l'équité fiscale et pointé du doigt la nécessité d'envoyer un signal fort aux cantons frontaliers.
Malgré les recommandations de ne pas donner suite, les deux chambres ont pris le contre-pied de leur Commissions. Dans un premier temps, le Conseil national a donné suite à l'initiative cantonale par 108 voix contre 60 et 14 abstentions. Les opposants et opposantes ont formé une alliance hétéroclite avec 24 voix PS, 11 voix PLR, 8 voix UDC, 2 voix Verts et 15 voix PVL. Néanmoins, ces voix dissidentes n'ont pas résonné suffisamment fort. Puis, dans un deuxième temps, alors que le Conseil des États avait refusé de donner suite en 2019, il a validé l'initiative cantonale, en 2021, par 28 voix contre 10 et 5 abstentions. Ainsi, après un refus initial, et une double recommandation de rejet de la CER-CN et de la CER-CE, l'initiative cantonale continue sa route.

Standesinitiativen für eine Beseitigung der Wertfreigrenze im Einkaufstourismus (Kt.Iv. 18.300 und Kt.Iv. 18.316)
Dossier: Abbau von Handelshemmnissen. Parallelimporte
Dossier: Einkaufstourismus

Mit der Umsetzung der Lanzarote-Konvention und der laufenden Revision des StGB im Zuge der Strafrahmenharmonisierung sei dem Anliegen der St. Galler Standesinitiative, den Strafrahmen für Gewaltdarstellungen und die Herstellung von Kinderpornografie zu erhöhen, bereits Rechnung getragen worden, befand die RK-SR im August 2021. Mangels Bedarf für einen gesonderten Erlassentwurf beantragte sie ihrem Rat einstimmig, der seit zehn Jahren sistierten Standesinitiative keine Folge zu geben. Der Ständerat folgte diesem Antrag in der darauffolgenden Herbstsession stillschweigend.

Revision des Strafgesetzbuches (Kt.Iv. 08.334)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Wie er ein Jahr zuvor angekündigt hatte, empfahl der Bundesrat die Prämien-Entlastungs-Initiative in seiner im September 2021 publizierten Botschaft zur Ablehnung und stellte ihr einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Er wolle das Anliegen der Initiative, die «Bevölkerung bei den Prämien zu entlasten», im Rahmen des KVG umsetzen, eine Verfassungsänderung sei dafür nicht notwendig. So wolle er dafür sorgen, dass die Anteile verschiedener Kantone an der Prämienverbilligung nicht weiter sinken. Demnach soll zukünftig ein Mindestbeitrag für die Kantone in Abhängigkeit der Bruttokosten der OKP für die im Kanton Versicherten sowie in Abhängigkeit der mit den Prämienverbilligungen verbleibenden Belastung der Versicherten festgesetzt werden.
In der dazu durchgeführten Vernehmlassung mit 57 Teilnehmenden, unter anderem der GDK, der SODK, allen Kantonen, sechs Parteien sowie verschiedenen Verbänden, war der Gegenvorschlag auf geteilte Meinungen gestossen. Ihre Unterstützung sagten die Kantone Waadt und Tessin, die SP und die Grüne Partei, der Gewerkschaftsbund sowie verschiedene Konsumenten- und andere Verbände zu und auch die FDP, die Mitte, die EVP und die Versichererverbände begrüssten gemäss Botschaft den Vorentwurf. Ablehnend reagierten elf Kantone (AR, BL, GL, LU, NW, OW, SG, SZ, UR, ZG, ZH), die SVP und der Gewerbeverband. Alternativvorschläge machten die CLASS, welche die Bundesbeiträge nach deren Bedarf an die Kantone verteilen wollte, und die GDK, die alle kantonalen Beiträge an die Prämien, auch diejenigen über die Sozialhilfe oder die EL, zur Berechnung des Mindestanteils einbeziehen wollte.

Eidgenössische Volksinitiative «Maximal 10 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien (Prämien-Entlastungs-Initiative)» und indirekter Gegenvorschlag (BRG 21.063)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)
Dossier: Prämienverbilligung
Dossier: Volksinitiativen zum Thema «Krankenkasse» (seit 2015)

In der Herbstsession 2021 bestätigte der Ständerat seinen Entscheid aus der ersten Behandlung der Standesinitiative des Kantons St. Gallen für ein Verbot von Provisionszahlungen für Wechsel der Grundversicherung. Mit 8 zu 3 Stimmen hatte die Mehrheit der SGK-SR erneut beantragt, der Initiative keine Folge zu geben, zumal der Weg über den bundesrätlichen Entwurf in Erfüllung ihrer Motion (Mo. 18.4091) und somit über eine Selbstregulierung der Branche zu bevorzugen sei. Der Entwurf des Bundesrates sehe eine Verbindlicherklärung der Branchenlösungen zu einem Verbot der telefonischen Kaltakquise – also der Anrufe bei Personen, welche nicht bei den entsprechenden Versicherungen versichert sind –, eine Begrenzung der Provisionen, einen Verzicht auf Leistungen von Callcentern, eine obligatorische Ausbildung sowie eine Pflicht zur Führung eines zu unterzeichnenden Beratungsprotokolls vor, wie Josef Dittli (fdp, UR) dem Rat als Kommissionssprecher erläuterte. Eine Kommissionsminderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) befürwortete hingegen die restriktivere Regelung gemäss Standesinitiative, welche die entsprechenden Vermittlerprovisionen gänzlich verbieten wollte. Die Minderheitensprecherin kritisierte in der Ratsdebatte, dass die Gefahr bestehe, dass die Branchenvereinbarung nicht verbindlich erklärt werden könne, «wenn die nötige Repräsentativität der Versicherer nicht gegeben» sei. So kommt es gemäss dem bundesrätlichen Vorschlag erst zu einer Verbindlicherklärung, wenn sich Versicherungen, die zwei Drittel der Versicherten abdecken, hinter eine Vereinbarung stellen. Mit 29 zu 11 Stimmen gab der Ständerat der Initiative des Kantons St. Gallen jedoch keine Folge.

Keine Prämiengelder für Vermittlungsprovisionen (St.Iv. 18.305)

Die UREK-NR befasste sich im August 2021 mit der Standesinitiative St. Gallen bezüglich einer Flugticketabgabe sowie mit acht weiteren, ähnlich gelagerten Standesinitiativen (Kt. Iv. GE 19.304; Kt. Iv. LU 19.310; Kt. Iv. VS 19.314; Kt. Iv. FR 19.315; Kt. Iv. BE 19.319 und Kt. Iv. NE 20.317, sowie Kt. Iv. BS 20.307 und Kt. Iv. BL 20.319). Die Kommission lehnte die Initiativen allesamt ab. Nach der Ablehnung des totalrevidierten CO2-Gesetzes an der Urne, welches eine Flugticketabgabe beinhaltet hätte, wollte die Mehrheit der UREK-NR nun eine umfassende Diskussion über die Zukunft des klimaverträglichen Flugverkehrs führen. Sie reichte daher einen eigenen Vorstoss (Po. 21.3973) zu diesem Thema ein.

Standesinitiative des Kantones St. Gallen für eine Besteuerung der Flugtickets in der Höhe der CO2-Abgabe auf Flugbenzin/Kerosin (Kt.Iv. 19.305)
Dossier: Flugticketabgabe

Die Vernehmlassung zur Revision des Sexualstrafrechts, die in der ersten Jahreshälfte 2021 durchgeführt wurde, wurde von einer lebhaften öffentlichen Debatte begleitet. Vor allem die Tatsache, dass die zuständige RK-SR im Vernehmlassungsentwurf keine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung zur Debatte stellte, sorgte für Unverständnis bei den linken Parteien sowie bei Frauen- und Menschenrechtsorganisationen. Nur die Zustimmungslösung verwirkliche die sexuelle Selbstbestimmung, weil Sex ohne Einverständnis grundsätzlich als Vergewaltigung anzusehen sei, argumentierten sie. Demgegenüber traten Kritikerinnen und Kritiker mit Bedenken an die Medien, dass eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung faktisch die Beweislast im Strafprozess umkehre und zu mehr Falschanschuldigungen führen könnte.
Das rege Interesse spiegelte sich denn auch in der rekordhohen Zahl an Stellungnahmen: Von den Kantonen, Parteien und Verbänden sowie interessierten Kreisen gingen 124 individuelle Stellungnahmen ein. Darüber hinaus wurden im Zuge der Kampagne «Nur Ja heisst Ja! – Art. 190 ändern» der SP Frauen* mehr als 10'000 gleichlautende Stellungnahmen von Privatpersonen eingereicht. Noch nie hätten sich in einer Vernehmlassung so viele Einzelpersonen geäussert, berichtete die Presse. Wie der im August 2021 erschienene Ergebnisbericht zeigte, wurde der Bedarf für eine Revision des Sexualstrafrechts überwiegend bejaht, wobei sich an der konkreten Ausgestaltung die Geister schieden. Dabei waren nicht nur diverse Mindest- und Höchststrafmasse umstritten, sondern insbesondere auch der von der RK-SR neu eingeführte Grundtatbestand des sexuellen Übergriffs (Art. 187a StGB). Im Gegensatz zur Vergewaltigung, die im Vorentwurf wie bisher über ein Nötigungselement definiert wird, sollte der neue Tatbestand den Geschlechtsverkehr gegen den Willen einer Person erfassen, wenn diese nicht dazu genötigt wird. Diese Unterscheidung wurde von vielen Teilnehmenden kritisiert, weil sie die Klassifizierung einer Sexualstraftat als Vergewaltigung weiterhin an der Reaktion des Opfers festmache bzw. daran, dass der Täter oder die Täterin dessen (physischen) Widerstand überwunden haben müsse. Wenn das Opfer allerdings in einen Schockzustand gerate und sich gar nicht wehren könne, sei eine Nötigung in diesem Sinne gar nicht erforderlich, um den Tatbestand der Vergewaltigung zu erfüllen. Stattdessen wurde gefordert, diesen Aspekt in Artikel 189 StGB (sexuelle Nötigung) und 190 StGB (Vergewaltigung) zu integrieren. Diese Ansicht wurde von rund zwei Dritteln der Teilnehmenden vertreten. Höchst umstritten war des Weiteren die im Vorentwurf vorgesehene «Nein-heisst-Nein»-Lösung: Strafbar soll es werden, «gegen den Willen einer Person oder überraschend» eine sexuelle Handlung vorzunehmen. 36 Teilnehmende sprachen sich hierfür aus. Demgegenüber hätten sich 80 Teilnehmende eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung gewünscht, also die Ersetzung des Ausdrucks «gegen den Willen» durch «ohne Einwilligung». Dies würde gesellschaftspolitisch ein wichtiges Signal setzen, dass bestimmte Verhaltensweisen gesellschaftlich nicht toleriert würden, erklärten verschiedene Frauenrechtsorganisationen. Unter den Parteien sprachen sich die SP, die Grünen und die GLP für die Zustimmungslösung aus. Während sich die Mitte dazu nicht äusserte, weil ein solcher Vorschlag nicht Gegenstand der Vernehmlassung war, zeigte sich die FDP grundsätzlich offen für eine «Nur-Ja-heisst-Ja»-Regel; die FDP-Frauen mit Präsidentin Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp, SG) an der Spitze traten in den Medien unterdessen prominent für die Zustimmungslösung ein. Dezidiert dagegen äusserte sich die SVP. Die Kantone zeigten sich in dieser Frage gespalten, wobei sich gemäss NZZ für ein ursprünglich linkes Anliegen «auffällig viele» Kantone positiv zur Zustimmungslösung äusserten – neben Zürich und den meisten Westschweizer Kantonen notabene auch «diverse konservativere Kantone wie Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen oder Nidwalden».
Zusätzlich befeuert wurde die öffentliche Debatte um Zustimmungs- oder Widerspruchslösung durch die Anfang August 2021 ausgesprochene Urteilsbegründung des Basler Appellationsgerichts in einem Vergewaltigungsfall. Das Appellationsgericht hatte die Freiheitsstrafe für einen Vergewaltiger verkürzt und in der mündlichen Urteilsbegründung unter anderem angeführt, das Opfer habe «Signale gesendet» und «mit dem Feuer gespielt». Obwohl sich das Gericht ob der prompten und heftigen öffentlichen Kritik zu einer Stellungnahme gedrängt sah, in der es versuchte, die in der Öffentlichkeit entstandenen «Missverständnisse» zu erklären, wurden diese Aussagen in den Medien dahingehend interpretiert, dass das Gericht dem Opfer die Mitschuld an der Vergewaltigung gebe. Vor diesem Hintergrund erhielten die Forderungen nach einer «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung weiteren Auftrieb, nun auch explizit verstärkt durch Stellungnahmen von Fachpersonen aus der Psychologie und dem Rechtswesen.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Im Juni 2021 gab der Bundesrat die Ausgleichszahlungen des Finanzausgleichs für das Jahr 2022 bekannt. Demnach steigen die Zahlungen gegenüber dem Vorjahr um CHF 91 Mio. und betragen im Jahr 2022 insgesamt CHF 5.3 Mrd. Dieser Anstieg ist vor allem auf die Erhöhung des soziodemografischen Lastenausgleichs (um CHF 62 Mio.) und auf die Ausgleichszahlungen an die ressourcenschwächsten Kantone (CHF 120 Mio.) zurückzuführen, wie sie in der FiLaG-Revision 2019 beschlossen worden waren. Ebenfalls im Zusammenhang mit dieser Revision wurde der Zielwert der garantierten Mindestausstattung für das Jahr 2022 zum letzten Mal reduziert, er kam neu bei 86.5 Prozent zu liegen (2021: 87.1%). Der Ressourcenausgleich (vertikal und horizontal) sank insgesamt um CHF 74 Mio., was neben der tieferen Dotation (CHF -210 Mio.) auch der Erhöhung des Ressourcenpotenzials (CHF 114 Mio.) und der Disparitäten (CHF 23 Mio.) geschuldet war. Insgesamt stieg der Ressourcenausgleich bei 14 Kantonen an – insbesondere bei den Kantonen Schwyz und St. Gallen (je plus 2.0 Indexpunkte) – und sank bei 12 Kantonen – insbesondere beim Kanton Obwalden (-14.4 Indexpunkte). Letzterer Kanton wechselte damit auch vom Lager der Nettozahler, das im Jahr 2022 noch aus den Kantonen Basel-Stadt, Genf, Nidwalden, Schwyz, Zug und Zürich besteht, ins Lager der Nettoempfänger. Den Grund für den starken Rückgang des Ressourcenpotenzials des Kantons Obwalden sieht der Bericht in einem Einmaleffekt aus dem Jahr 2015, welcher das Einkommen pro Einwohnerin und Einwohner in diesem Jahr stark erhöht hatte und bis im Vorjahr in die Berechnung des Ressourcenpotenzials eingeflossen war.
Gleichzeitig mit der Veröffentlichung der Ausgleichszahlungen berichtete der Bundesrat auch über die Vernehmlassung zu einer von der FDK geforderten Verordnungsänderung aufgrund eines Sonderfalls im Kanton Bern 2021. Dieser Änderungsvorschlag traf nur bei 2 Kantonen auf Zustimmung, die übrigen 24 und mit ihnen die FDK lehnten es ab, das Finanzausgleichssystem aufgrund von Sonderfällen zu ändern.

Finanzausgleichszahlungen 2022
Dossier: Jährliche Finanzausgleichszahlungen

Le Conseil fédéral propose au Parlement d'accorder la garantie fédérale aux constitutions de cinq cantons après que celles-ci aient été révisées. Dans le canton d'Uri, la modification constitutionnelle concerne le droit de nécessité. Adopté en votation populaire le 29 novembre 2020, le nouvel article (art. 90, al. 3, cst. UR) permet au Conseil d'Etat d'introduire des arrêtés de nécessité pour une durée limitée. Ceux-ci doivent être validés a posteriori par le Grand Conseil. La constitution du canton de Schaffhouse a été dotée d'un article traitant de la transparence du financement de la vie politique (art. 37a, cst. SH). Cette disposition, qui oblige notamment les personnes élues ou candidates à des fonctions publiques à publier leurs liens d'intérêt, est similaire à celles ajoutées aux constitutions de Schwyz et Fribourg, validées par le Parlement en mars 2019. En Argovie, les compétences des autorités scolaires (§ 31 let. b, cst. AG) ont fait l'objet d'une modification alors que l'article 55bis cst. AG sur la mise en œuvre de la loi fédérale sur les jeux d'argent a été abrogé. Au Tessin, un article concernant le principe de subsidiarité (art. 4, al. 4, cst TI), accepté par le peuple le 9 février 2020, a été ajouté à la constitution. Enfin, plusieurs modifications ont eu lieu dans le canton de Genève. Alors que la présidence du Conseil d'Etat était attribuée auparavant pour toute la législature, les membres de l'exécutif l'occuperont désormais pour une année, avant de céder la place à un.e collègue (art. 105, al. 2 et 3, cst GE). Les autres changements concernent notamment la concurrence fiscale intercantonale, les institutions de maintien, d'aide et de soins à domicile et les droits des personnes en situation de handicap.
Après vérification, ces modifications sont conformes au droit fédéral, raison pour laquelle le Conseil fédéral recommande leur adoption.

Garantie des constitutions cantonales (UR, SH, AG, TI, GE) (MCF 21.040)
Dossier: Gewährleistung kantonaler Verfassungen

Die RK-NR kam im April 2021 wie schon ihre Schwesterkommission mehrheitlich zum Schluss, dass die Verjährungsfristen auch bei schwersten Verbrechen beibehalten werden sollten. Diese erfüllten im Rechtssystem wichtige Funktionen, namentlich zur Wiederherstellung des Rechtsfriedens, zur Vermeidung von Justizirrtümern und zur Beschleunigung der Verfahren. Mit 13 zu 8 Stimmen beantragte sie, der Standesinitiative des Kantons St. Gallen für die Aufhebung der Verjährungsfrist für lebenslange Strafen keine Folge zu geben. Die Kommissionsminderheit plädierte für Folgegeben und verwies auf die angenommene Unverjährbarkeitsinitiative, mit der die Stimmbevölkerung bekräftigt habe, dass die allerschlimmsten Straftaten nicht verjähren sollten. Der Nationalrat zeigte sich in der Frage in der Sommersession 2021 gespalten: Äusserst knapp – mit 90 zu 89 Stimmen bei 10 Enthaltungen – folgte er dem Minderheitsantrag und gab der Initiative Folge. Dafür sprach sich mehrheitlich das bürgerliche Lager aus, während auf der links-grünen Ratsseite die Ablehnung überwog.

Keine Verjährungsfristen für Schwerstverbrecher (Kt.Iv. 19.300)

In Erfüllung einer Motion der SGK-SR (Mo. 18.4091) legte der Bundesrat im Mai 2021 die Botschaft zum Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit in der OKP und den Zusatzversicherungen vor. Wie von der Motion vorgesehen, soll der Bundesrat im Sinne der Selbstregulierung Branchenlösungen der Krankenversicherungen im Bereich der Vermittlertätigkeit allgemeinverbindlich erklären können, wenn sie von Versicherungen eingereicht werden, die mindestens zwei Drittel aller Versicherten in der Schweiz abdecken. Dadurch würden die Bestimmungen auch für Versicherungen, die der Vereinbarung nicht beigetreten sind, obligatorisch. Solche Regelungen sind vorgesehen bezüglich eines Verbots der Telefonwerbung bei Personen, die nie bei der fraglichen Versicherung versichert waren, bezüglich der Ausbildung der Vermittlerinnen und Vermittler, einer Einschränkung ihrer Entschädigungen und der Notwendigkeit von unterschriebenen Beratungsprotokollen.

Zwischen Mai und September 2020 hatte der Bundesrat dazu eine Vernehmlassung durchgeführt, bei der 84 Stellungnahmen eingingen. Vollständig einverstanden mit dem Gesetz zeigten sich 13 Kantone (AI, AR, BE, BL, NE, NW, OW, SO, TG, TI, UR, VS, ZG), die CVP sowie der Schweizerische Verband der Versicherungsgeneralagenten. Vollständig abgelehnt wurde sie von Economiesuisse und dem Gewerbeverband, dem Schweizerischen Konsumentenforum kf und verschiedenen Versicherungsbrokern. Die übrigen Akteure anerkannten jeweils den Regulierungsbedarf, empfanden den Entwurf aber als zu weitgehend (FDP, SVP, Bauernverband, Centre Patronal und verschiedene Versicherer sowie Curafutura und Santésuisse) respektive als zu wenig weitgehend (Kantone AG, BS, GE, JU, LU, VD; SP, Grüne, Gewerkschaftsbund, Konsumentenverbände FRC und SKS, Ombudsstelle Krankenversicherung).
Die Organisationen, welchen der Entwurf zu weit ging, kritisierten insbesondere die Definition der Vermittlertätigkeit, bei der der Bundesrat neben den externen auch die internen Vermittlerinnen und Vermittler berücksichtigt. Kritisiert wurde auch das vorgesehene Sanktionssystem und der vorgeschriebene Ausbildungsstandard, da dieser nicht durch das SBFI überprüft werde. Zudem wurde die Notwendigkeit eines neuen Gesetzes von verschiedenen Teilnehmenden verneint und eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit von kleinen Versicherungen befürchtet. Weiterführende Forderungen waren hingegen eine Muss- statt einer Kann-Bestimmung zum Abschluss einer Vereinbarung sowie die Schaffung einer subsidiären Kompetenz des Bundesrates, wenn die Versicherungen keine gemeinsame Vereinbarung erzielen.

Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit (BRG 21.043)

Ende März 2021 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zu den Finanzhilfen an Sportanlagen von nationaler Bedeutung im Rahmen des nationalen Sportanlagenkonzepts 5 (NASAK 5). Diese gründet auf dem Bericht eines Postulats Hêche (sp, JU; Po. 16.4085). Der Botschaft ist zu entnehmen, dass sich zwar die Finanzhilfe aufbauend auf den Vorläuferkonzepten NASAK 1–4 als effektives Sportförderungsmittel erwiesen habe, dass aber nach wie vor quantitative und qualitative Schwachstellen existierten. Mit den NASAK-Verpflichtungskrediten 2022–2027 soll nun die kontinuierliche Weiterführung des Programms gewährleistet werden; dabei werde neben einer Modernisierung der bestehenden NASAK-Infrastrukturen auch die Einrichtung neuer Sportanlagen beabsichtigt. Der Bund unterstütze letzteres Vorhaben in den verschiedenen Landesregionen. So seien Beiträge an drei grössere Neubauten in den Kantonen St. Gallen und Tessin vorgesehen. Durch den Um- und Neubau von Sportstätten – die für Ausbildung, Training oder Wettkampf konzipiert seien – sollen die notwendigen infrastrukturellen Voraussetzungen für die Entwicklung des Schweizer Spitzensports geschaffen werden. Zu den Sportarten, deren Projekte in Genuss von Bundesbeiträge kämen, gehörten verschiedene Ballsportarten wie auch der Wasser-, Eis-, Schwimm- und Schneesport. Damit Finanzhilfen gesprochen würden, müssten die gesetzlichen Subventionsvoraussetzungen wie zum Beispiel die Einhaltung der Ethik-Charta des Sports erfüllt werden. Insgesamt werde im Zusammenhang mit den NASAK-Finanzhilfen ein Investitionsvolumen von CHF 900 Mio. erwartet. Von der «bedürfnisgerechte[n] Weiterführung des NASAK» verspreche man sich die fortbestehende Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz als Gastgeberin von Sportveranstaltungen internationaler Natur.
Der Bundesrat verzichtete auf ein Vernehmlassungsverfahren, da das Programm für den Bund nicht mit wesentlichen politischen, finanziellen, wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen oder kulturellen Auswirkungen verbunden sei und die Kantone frei über eine allfällige finanzielle Unterstützung und deren Umfang entscheiden könnten.

Sportanlagen von nationaler Bedeutung. Finanzhilfen (NASAK 5) (BRG 21.030)

Bereits kurz vor dem Abstimmungssonntag im November 2020 zur Konzernverantwortungsinitiative reichten die Jungfreisinnigen in fünf Kantonen (AG, BE, SG, TG, ZH) eine Stimmrechtsbeschwerde gegen die Landeskirchen und deren aktive Beteiligung am Abstimmungskampf zu Gunsten der Initiative ein. Als die Kantonsregierungen nicht darauf eintraten, da diese Frage auf nationaler Ebene geregelt werde, richtete die Jungpartei ihre Beschwerde an das Bundesgericht. Sie beschuldigte die Kirchen, gegen Artikel 34 der Bundesverfassung – welcher Sachlichkeit, Transparenz und Verhältnismässigkeit vorschreibt – verstossen zu haben, und verlangten, dass sich die Religionsgemeinschaften in zukünftigen Abstimmungskämpfen neutral verhalten müssten. In einer Stellungnahme an das Bundesgericht, welche in den Medien teilweise veröffentlicht wurde, teilte die Bundeskanzlei (BK) die Vorwürfe der Jungpartei und stellte fest, dass das Engagement der katholischen und reformierten Landeskirchen im Zuge des Abstimmungskampfes zur KVI «zumindest grenzwertig» gewesen sei, insbesondere da Gegenargumente keinen Eingang in ihre Argumentation gefunden hätten. Die Kirche sei eine öffentlich-rechtlich anerkannte Körperschaft, welche einen staatlichen Auftrag wahrnehme. Dafür erhalte sie gewisse Privilegien, wie etwa das Recht, Steuern erheben zu dürfen, was sie dazu verpflichte, sich an Grundrechte wie die Gewährung der Abstimmungsfreiheit zu halten. Inwiefern die Kirchen im Rahmen ihrer Werbung für die KVI gegen diese Vorgaben verstossen hätten, sei zu klären.

Im März 2021 schrieb das Bundesgericht die fünf Stimmrechtsbeschwerden der Jungfreisinnigen als gegenstandslos ab. Das aktuelle Interesse, welches nötig sei, um ein solches Leiturteil zu fällen, sei nicht gegeben, da die Initiative am Ständemehr gescheitert sei. Das Bundesgericht stimmte jedoch zu, dass ein Interesse bestehen könnte, in diesem Feld Klarheit zu schaffen – jedoch sei dies nur möglich, wenn sich die kirchlichen Interventionen im Abstimmungskampf auf das Ergebnis auswirken würden. Während die Jungfreisinnigen das Urteil bedauerten und weiterhin auf ihrer Forderung nach Neutralität der Kirchen bestanden, begrüsste das Komitee «Kirche für Konzernverantwortung», dem über 700 Kirchgemeinden und Pfarreien angehörten, das Ergebnis. Es sei selbstverständlich, dass sich die Kirche in einer Demokratie zu politischen Fragen äussere und an öffentlichen Debatten teilnehme. Gleichzeitig seien sich die Kirchen auch bewusst, dass eine Aufarbeitung angezeigt sei – eine solche versprachen in der Folge Daniel Kosch, Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz (RKZ), sowie Rita Famos, die neue Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS).

Kirchenposition zur KVI