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  • Lohr, Christian (cvp/pdc, TG) NR/CN

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Wie schon bei den letzten Nationalratswahlen erreichte die Zahl der Kandidierenden im Kanton Thurgau ein neues Höchstmass. Die 123 Anwärter verteilten sich auf 22 verschiedene Listen, welche fast ausnahmslos von den etablierten Mutter- und Jungparteien präsentiert wurden. Die hohe Zahl der Listen lässt sich dadurch erklären, dass teilweise selbst kleine Parteien wie die GLP oder die EDU noch Speziallisten einreichten (GLPKMU, EDU Gewerbe) und sogar die Jungfreisinnigen geteilt antraten (JF Thurgau, JF Bodensee). Der Frauenanteil ging verglichen mit 2011 nochmals leicht zurück von 35.3% auf 33.3%. Zu vergeben waren im Ostschweizer Kanton insgesamt sechs Nationalratssitze.

Im Hinblick auf die Wahlen befanden sich insbesondere die beiden ökologischen Parteien – die Grünen und die GLP – in einer schwierigen Situation. Der kantonale und nationale Trend deutete für beide auf Verluste hin. Für die Grünen stellte sich die Frage, ob sie wie 2011 mit den Sozialdemokraten eine Verbindung eingehen oder sich gar mit der GLP zusammentun sollten. In ersterem Szenario wäre die Sicherung des Mandats von SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher höchstwahrscheinlich gewesen, in letzterem Szenario hätte jedoch ein potenzieller Sitzgewinn gewunken. Angesichts der schlechten Prognosen sowohl für die Grünen selber als auch für die GLP wäre dies aber mit einem hohen Risiko verbunden gewesen. Aus diesem Grund kam es im linken Lager wiederum zum klassischen Schulterschluss zwischen GPS und SP.
In der Mitte verblieben die Grünliberalen zunächst alleine, da die anderen Zentrumsparteien CVP, BDP und EVP bereits mit der FDP eine grosse Allianz geschmiedet hatten. Rein rechnerisch war damit praktisch klar, dass die FDP ihren 2011 an die GLP verlorenen Sitz zurückholen würde. Ein Hauptgrund für den freisinnigen Sitzverlust bei den letzten nationalen Wahlen war im Alleingang des Freisinns gefunden worden. Die GLP entschied sich schliesslich doch noch, mit ihrem Nationalrat Thomas Böhni der Mitte-Verbindung beizutreten, da ein potenzieller Sitzgewinn dieser Koalition auf Kosten der SVP möglicherweise doch noch den GLP-Sitz retten konnte. Wahrscheinlicher war jedoch, dass die CVP, die mit Christian Lohr einen ungefährdeten Sitz zu verteidigen hatte, vom potenziellen Verlust des SVP-Mandat profitieren könnte.
Die SVP ihrerseits schloss sich mit der EDU zusammen, nachdem letztere bei den vorhergehenden Wahlen noch in der Mitteallianz vertreten gewesen war. Angesichts des im nationalen Vergleichs hohen Wähleranteils der EDU (3.5%) und der knappen Ausgangslage was die Sitzverteilung betrifft, erschien eine solche Verbindung für die SVP einleuchtend. Nach dem Rücktritt von Peter Spuhler aus dem Nationalrat musste die Thurgauer SVP erstmals wieder ohne ihre starke „Lokomotive“ in den Wahlkampf ziehen. Dieser Umstand sorgte, neben den wahltaktischen Diskussionen, als beinahe einziges Thema für Gesprächsstoff im Hinblick auf die Wahlen. Im August beklagte sich Ex-Nationalrat Spuhler über die starke Fokussierung des nationalen SVP-Wahlkampfs auf die Asylpolitik. Seines Erachtens hätte man sich vermehrt Wirtschafts- und Gewerbethemen widmen sollen. Im Kanton selber sorgte die Entscheidung der Thurgauer Industrie- und Handelskammer für Erstaunen, da sich diese für keines der bisherigen Nationalratsmitglieder aussprach. Die amtierenden Nationalräte der SVP, Hansjörg Walter, Markus Hausammann und die nachgerückte Verena Herzog figurierten nicht auf der Liste der Empfehlungen der Industrie- und Handelskammer.

Am Wahltag zeigten sich im für stabile politische Verhältnisse bekannten Thurgau keine grossen Veränderungen. Als Wahlsiegerin konnte sich die FDP feiern lassen, welche nicht nur den grössten Gewinn verzeichnete (+1.8 Prozentpunkte, neu: 13%), sondern auch wie erwartet den 2011 an die GLP verlorenen Sitz wieder zurückeroberte. Für die Freisinnigen schaffte der Unternehmer Hermann Hess den Sprung nach Bern. Die Grünliberalen mussten trotz Wählerzuwachs (+1.0 Prozentpunkte, neu: 6.2%) ihr einziges Mandat abgeben, was für Thomas Böhni die Abwahl bedeutete. Die SVP legte als zweite Wahlsiegerin überraschend um 1.2 Prozentpunkte zu (neu: 39.9%) und verteidigte unterstützt von der EDU (3.5%, +0.1 Prozentpunkte) locker ihre drei Sitze. Die CVP mit Christian Lohr verlor (-1.3 Prozentpunkte, neu: 13.1%) ebenso wie die BDP (-1.2 Prozentpunkte, neu: 3.8%). Die SP sicherte sich mit den Grünen im Schlepptau den Sitz von Edith Graf-Litscher ohne Probleme. Die Sozialdemokraten legten dabei um 1 Prozentpunkt zu (neu: 12.7%), während die Grünen wie erwartet Federn lassen mussten (-1.6 Prozentpunkte, neu: 5.4%). Die Thurgauer Delegation sieht neu folgendermassen aus: 3 SVP, 1 FDP, 1 CVP, 1 SP. Die Wahlbeteiligung war mit 46.6% fast so hoch wie 2011 (46.7%) und der Frauenanteil blieb unverändert bei einem Drittel.

Kanton Thurgau -Nationalratswahlen 2015
Dossier: Resultate Nationalratswahlen 2015 (nach Kantonen)

Auf den 17 eingereichten Listen im Kanton Thurgau kandidierten 102 Personen. Nicht nur die Kandidierendenzahl hatte damit im Vergleich zu 2007 stark zugenommen (75), sondern auch die Listenzahl (14), was sich durch den erstmaligen Antritt der BDP und der GLP erklären lässt. Auch im Kanton Thurgau war der Frauenanteil unter den Kandidierenden rückläufig. Waren 2007 noch zwei Fünftel Frauen, fiel der Anteil 2011 auf 35,3%. Von den sechs Sitzen waren durch den Rücktritt von J. Alexander Baumann (svp) und Werner Messmer (fdp) zwei vakant. Während sowohl die FDP als auch die SVP im Gegensatz zu vor vier Jahren den Alleingang wählten, verbanden sich die Grünen mit der SP. Darüber hinaus kam es zu einer grossen Listenverbindung zwischen den neuen (BDP, GLP) und den alten kleinen Parteien (EVP und EDU).

Die Hypothek der FDP, ihren vakanten Sitz ohne Hilfe der SVP verteidigen zu müssen, wog für die Freisinnigen zu schwer. Ihr Wähleranteil sank zwar nur von 12,1% (2007) auf 11,2% (2011), sie mussten ihren Sitz aber trotzdem an die GLP abgeben. Diese machte zwar lediglich 5,2%, da allerdings auch die BDP (5,%), die EVP (2,9%, +0,1 Prozentpunkte) und die EDU (3,5%, +0,9 Prozentpunkte) Stimmen erzielten, gewann sie den Sitz dank der letztlich für sie geschickten Listenverbindung. Den ehemaligen Sitz von Werner Messmer (fdp) nahm neu Thomas Böhni (glp) ein. Die Grünen verloren 3,2 Prozentpunkte und kamen auf 7% Wähleranteil, was nicht für einen Sitz reichte. Die SP konnte im Thurgau hingegen leicht zulegen (12,1%, +0,4 Prozentpunkte) und ihren Sitz damit verteidigen. Dies schaffte auch die CVP, die einen Verlust von 0,8 Prozentpunkten zu verkraften hatte (neu: 14,4%). Für die wiedergewählte, im zweiten Wahlgang aber in den Ständerat bestellte Brigitte Koller-Häberli (cvp) zog neu der körperlich schwerstbehinderte Christian Lohr nach Bern. Mit Abstand stärkste Partei im Thurgau blieb trotz einem Verlust von 3,6 Prozentpunkten die SVP, welche 38,7% der Thurgauer Wählerschaft hinter sich wusste und ihre drei Sitze damit locker verteidigen konnte. Markus Hausammann ersetzte den zurück getretenen Baumann. Somit fand sich unter den Thurgauer Abgeordneten mit Edith Graf-Litscher (sp) nur noch eine Frau (2007: 2 Frauen). Die Wahlbeteiligung war 2011 mit 46,7% praktisch gleich hoch wie 2007 (46,9%).

Kanton Thurgau – Nationalratswahlen 2011
Dossier: Resultate Nationalratswahlen 2011 (nach Kantonen)