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Am 7. März 2021 nahm die Schweizer Stimmbevölkerung die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» mit 51.2 Prozent Ja-Stimmen an. Damit fiel das Ergebnis letztlich knapper aus als aufgrund von Vorumfragen erwartet. Die Stimmbeteiligung betrug 51.4 Prozent. Die höchste Zustimmung erfuhr das Verhüllungsverbot im Jura (60.7% Ja), gefolgt vom Tessin (60.5%) und Schwyz (60.2%). In St. Gallen, wo wie im Tessin bereits ein kantonales Verhüllungsverbot gilt, dem 2018 zwei Drittel der Stimmbevölkerung zugestimmt hatten, war die Zustimmung mit 53.1 Prozent vergleichsweise schwach. Am wenigsten Unterstützung erhielt die Initiative im Kanton Basel-Stadt (40.6% Ja), gefolgt von Zürich (45.2%) und Genf (48.7%). Auch die Kantone Appenzell Ausserrhoden (49.1%), Bern (49.6%) und Graubünden (49.6%) lehnten die Initiative knapp ab. Bemerkenswert hoch war die Zustimmung für eine Initiative aus den Reihen der SVP – auch im direkten Vergleich mit dem 2009 angenommenen Minarettverbot, das ebenfalls vom Egerkinger Komitee initiiert worden war – in der Westschweiz. Verschiedene Expertinnen und Experten mutmassten in den Medien, dass einerseits die Nähe zu Frankreich den Diskurs analog der dort geführten Debatten stärker auf den sicherheitspolitischen Aspekt gelenkt habe und andererseits die in der Romandie stark präsenten, prominenten bürgerlichen und linken Stimmen, die sich für die Initiative starkgemacht hatten, wohl erheblichen Einfluss gehabt und den Anti-SVP-Reflex beschränkt hätten.
Die Befürwortendenseite wertete den Entscheid als «ein klares Signal des Widerstands gegen die Islamisierung der Schweiz», wie sich der Urheber des ersten kantonalen Verhüllungsverbots Giorgio Ghiringhelli vom «Corriere del Ticino» zitieren liess. Als «Zeichen gegen den ‹politischen Islam›, der vielen Menschen Unbehagen bereitet», interpretierte die NZZ das Votum. Der Berner SP-Grossrat Mohamed Hamdaoui sah im Resultat dementsprechend einen Positionsbezug der gemässigten Muslime gegen den Islamismus, wie er gegenüber «Le Temps» verlauten liess.
Das unterlegene Lager bedauerte den Volksentscheid derweil aus verschiedenen Gründen. Feministische Kreise, die sich gegen das Verhüllungsverbot starkgemacht hatten, fühlten sich durch das Argument, die Vollverschleierung sei Ausdruck der Unterdrückung der Frauen, für rassistische und xenophobe Zwecke missbraucht, wie deren Vertreterin Meriam Mastour gegenüber der Presse erklärte. Die Tourismusbranche befürchtete einen Imageschaden für die Schweiz und zeigte sich besorgt, dass künftig weniger kaufkräftige und konsumfreudige Gäste aus den Golfstaaten die Schweiz besuchen würden. Die Jungen Grünen und der IZRS erklärten unabhängig voneinander, eine gerichtliche Anfechtung des Verhüllungsverbots wenn nötig bis vor den EGMR unterstützen zu wollen. Pascal Gemperli, Pressesprecher der FIDS, zeigte sich um die Sicherheit der muslimischen Gemeinschaft besorgt und befürchtete zunehmende Aggression und Gewalt gegenüber Musliminnen und Muslimen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter betonte gegenüber den Medien, das Abstimmungsresultat sei nicht als Votum gegen die Musliminnen und Muslime in der Schweiz zu verstehen. Diese Linie wurde im unterlegenen Nein-Lager breit vertreten. Dass der Ja-Anteil gegenüber der Minarettinitiative deutlich abgenommen habe, gebe Anlass zur Hoffnung, dass die Schweiz vielleicht doch nicht so islamfeindlich sei, so der Tenor.
Letztlich sei der Entscheid «vor allem auf symbolischer Ebene bedeutsam», resümierte die NZZ. Die konkreten praktischen Auswirkungen sind in der Tat noch unklar. Wie Karin Keller-Sutter erklärte, liege die Umsetzung bei den Kantonen, weil sie über die Polizeihoheit verfügten. Sie hätten nun zwei Jahre Zeit, entsprechende Gesetze zu erlassen. Der Bund müsse das Verbot unterdessen für diejenigen Bereiche, in denen er zuständig ist – beispielsweise im öffentlichen Transportwesen und im Zollwesen – auf Gesetzesebene konkretisieren. Gemäss dem «Blick» zeigten sich einige Kantonsvertretende wenig motiviert, ein gesetzliches Verhüllungsverbot zu erlassen, und würden die Umsetzung lieber ganz dem Bund überlassen. Initiant Walter Wobmann (svp, SO) warf dem Bund in derselben Zeitung bereits vor, die Initiative nicht umsetzen zu wollen: Ein Bundesgesetz sei «unabdingbar, um zu verhindern, dass am Schluss in jedem Kanton etwas anderes gilt», zitierte ihn das Blatt.


Abstimmung vom 7. März 2021

Beteiligung: 51.42%
Ja: 1'427'344 (51.2%) / Stände: 16 4/2
Nein: 1'360'750 (48.8%) / Stände: 4 2/2

Parolen:
– Ja: EDU, Lega, SD, SVP
– Nein: FDP (4*; Frauen: 1*; Jungfreisinnige: 2*), GLP, GP, KVP, Die Mitte (2*), PdA, SP; EKR, SSV, Travail.Suisse, VPOD, Schweizer Tourismus-Verband, EKS, SBK, Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG), Schweizerischer Rat der Religionen, Katholischer Frauenbund (SKF), Alliance F, Amnesty International, Operation Libero
– Stimmfreigabe: EVP (3*); Schweizerische Evangelische Allianz
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Der Vorentwurf zur Änderung des DNA-Profil-Gesetzes erzeugte in der Vernehmlassung ein überwiegend positives Echo. 43 von insgesamt 51 Stellungnehmenden äusserten ihre grundsätzliche Zustimmung zur Vorlage. Die acht ablehnenden Stellungnahmen stammten vom Kanton Genf, der Grünen Partei, den juristischen Organisationen Association des juristes progressistes, Demokratische Juristinnen und Juristen der Schweiz und dem Anwaltsverband, den Vereinen biorespect und grundrechte.ch sowie der Universität Freiburg. Sie äusserten vor allem grund- und datenschutzrechtliche Bedenken zur neuen Ermittlungsmethode der Phänotypisierung und verwiesen im Zusammenhang mit der Auswertung der biogeografischen Herkunft auf das Risiko von Racial Profiling, d.h. die Gefahr, dass Personen mit bestimmten äusserlichen Merkmalen pauschal verdächtigt würden. Demgegenüber beurteilten 17 Kantone, die stellungnehmenden Organisationen aus Strafverfolgung, Polizei und Rechtsmedizin sowie die GUMEK die vorgeschlagene Regelung als zu wenig flexibel. Mit der abschliessend formulierten Liste von Merkmalen, die bei einer Phänotypisierung ausgewertet werden dürfen (Augen-, Haar- und Hautfarbe, biogeografische Herkunft und Alter) könne dem zu erwartenden Fortschritt in der Forschung nicht Rechnung getragen werden, bedauerten sie. Diese Kritik veranlasste den Bundesrat zur einzigen grösseren Änderung gegenüber dem Vorentwurf. In der Anfang Dezember 2020 präsentierten Botschaft sah er an dieser Stelle zusätzlich zu den fünf genannten Merkmalen eine Delegationsnorm vor, die es ihm erlauben soll, dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt entsprechend weitere äusserlich sichtbare Merkmale für die Phänotypisierung zuzulassen. Den Bedenken bezüglich Racial Profiling begegnete die Regierung in der Botschaft mit dem Argument, die Analyse im Rahmen einer Phänotypisierung erfolge ergebnisoffen; eine «Vorselektion der Ermittlungsbehörden zuungunsten einer bestimmten Population» sei daher ausgeschlossen. Fedpol-Direktorin Nicoletta della Valle ergänzte in der NZZ, die Phänotypisierung könne einer Diskriminierung sogar entgegenwirken, weil Zeuginnen und Zeugen eine Person oft als «zu gross und zu dunkel» beschrieben. Die übrigen Anpassungen betreffend die Löschregelung für DNA-Profile und die Verwandtenrecherche übernahm der Bundesrat aufgrund der positiven Rückmeldungen aus der Vernehmlassung weitestgehend unverändert in den Entwurf.

Änderung des DNA-Profil-Gesetzes (BRG 20.088)
Dossier: DNA-Profile

Mit einer Standesinitiative verlangte der Kanton Genf, dass das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung ausdrücklich in der Bundesverfassung und im Strafgesetzbuch verankert wird. Als Erstrat gab der Ständerat in der Herbstsession 2014 der Initiative keine Folge. Er folgte damit dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit, die in dieser Sache keinen Handlungsbedarf sah, da die «Lebensform» bereits explizit als Diskriminierungsgrund genannt sei. Die Mehrheit der Rechtskommission des Nationalrats war in diesem Punkt jedoch anderer Ansicht und argumentierte, dass Homosexualität nicht nur die Lebensform betreffe, sondern auch die Identität einer Person. Der bestehende Schutz sei daher nicht ausreichend. Der Nationalrat gab der Initiative mit 102 zu 81 Stimmen bei 2 Enthaltungen Folge und gab das Geschäft damit zurück an den Ständerat. Dieser hielt mit gleichbleibender Begründung an seiner Entscheidung fest und liess das Begehren somit scheitern. Die Aufnahme der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung in die Rassismusstrafnorm sei zudem auch Gegenstand einer parlamentarischen Initiative Reynard (sp, VS).

Kt.Iv. GE: Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung

Nachdem die Genfer Regierung 2012 das Kundgebungsgesetz verschärft hatte, legten mehrere linke Organisationen Beschwerde beim Bundesgericht ein. Das neue Gesetz verstosse gegen die Demonstrationsfreiheit. Das Bundesgericht gab den Beschwerdeführern nur in einem Punkt Recht: Es sei nicht zulässig, dass einem Veranstalter die Bewilligung für Demonstrationen bis zu fünf Jahre verweigert würde, wenn es ohne dessen Verschulden bei einer vorgängigen Demonstration zu Krawallen gekommen war.

Loi sur le manifestations

Die Rechtsprechung war weiterhin mit der Suche nach einer einheitlichen Auslegung des Antirassimusgesetzes befasst. In Genf wurde die erstinstanzliche Verurteilung eines Buchhändlers bestätigt, der ein antisemitische Passagen enthaltendes Buch des französischen Philosophen Roger Garaudy verkauft hatte. Da der Buchhändler nicht aus antisemitischen Gründen gehandelt habe, reduzierte das Gericht die Busse. In einem analogen Fall hatte demgegenüber das Waadtländer Kantonsgericht einen erstinstanzlich verurteilten Buchhändler mit der Begründung freigesprochen, dass nur der Autor und der Herausgeber derartiger Publikationen bestraft werden können. Das Bezirksgericht Baden (AG) sprach gegen zwei notorische Holocaust-Leugner, den Basler Publizisten Jürgen Graf und dessen Verleger, den im Aargau lebenden Deutschen Gerhard Förster, exemplarisch hohe Strafen aus. Sie wurden zu einem unbedingten Freiheitsentzug von 15 resp. 12 Monaten verurteilt.

Einheitliche Auslegung des Antirassismusgesetz von 1995
Dossier: Das Antirassismusgesetz von 1995 und dessen Folgen

Damit die Schweiz der Konvention der UNO gegen Rassendiskriminierung beitreten kann, ist eine Teilrevision des Strafgesetzbuchs (StGB) erforderlich. Rassistisch motivierte Körperverletzungen oder der Aufruf zu Gewalt gegen Menschen anderer Hautfarbe sind zwar aufgrund der bestehenden Gesetze strafbar. Andere, subtilere Formen der Diskriminierung können heute jedoch noch nicht geahndet werden. Ende Dezember gab der Bundesrat eine entsprechende Vorlage in die Vernehmlassung. Diese sieht im wesentlichen vor, dass die Verbreitung von Theorien, welche die Überlegenheit einer Rasse behaupten, sowie gewisse diskriminierende Handlungen resp. der Aufruf dazu, wie z.B. die Verweigerung einer öffentlich angebotenen Leistung, unter Strafe gestellt werden sollen.

Beitritt zur UNO-Antirassismuskonvention und Revision des StGB (BRG 92.029)
Dossier: Das Antirassismusgesetz von 1995 und dessen Folgen