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Jahresrückblick 2021: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport

Auch im Jahr 2021 bestimmte die Covid-19-Pandemie massgeblich den Takt in der Schweizer Gesundheitspolitik. Unabhängig davon gaben hingegen insbesondere Geschäfte im Zusammenhang mit verschiedenen Volksinitiativen zu reden.

Am prominentesten diskutiert wurde in den Medien die Pflegeinitiative, wie beispielsweise Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse (im Anhang) zeigt – noch nie in den letzten vier Jahren wurde anteilsmässig häufiger über das Thema «Pflege» diskutiert als im Jahr 2021 (vgl. Abbildung 2). Die Pflegeinitiative zielte auf eine Verbesserung des Pflegendenstatus ab und wollte durch eine genügende Anzahl diplomierter Pflegefachpersonen den «Zugang aller zu einer ausreichenden Pflege von hoher Qualität» sicherstellen. Ende November 2021 nahm eine Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Vorlage an (61.0%). Mit Ausnahme eines Kantons sagten ferner alle Stände Ja und hörten damit nicht auf ihre Vertreterinnen und Vertreter in Bundesbern, welche die Initiative zur Ablehnung empfohlen hatten. Stattdessen wollten Regierung und Parlament den in der Initiative dargelegten Problemen mittels eines von der SGK-NR ausgearbeiteten indirekten Gegenvorschlags auf Gesetzesebene begegnen. Dieser hätte neben einer Ausbildungsoffensive auch eine Kompetenzerweiterung bezüglich selbständiger Abrechnung von Pflegeleistungen vorgesehen. In den Medien wurde der Abstimmungserfolg des Initiativkomitees unter anderem – aber nicht ausschliesslich – mit der Covid-19-Pandemie erklärt.

2021 ebenfalls auf der Traktandenliste des Parlaments stand die Organspende-Initiative und der dazu vom Bundesrat lancierte indirekte Gegenvorschlag. Einigkeit herrschte darüber, dass der Status quo der Zustimmungslösung nicht zufriedenstellend sei. Das Volksbegehren, welches beabsichtigte, dass neu alle Menschen automatisch zu Organspenderinnen und -spendern werden sollten, falls sie sich nicht explizit dagegen ausgesprochen hatten, ging jedoch sowohl dem Bundesrat als auch den beiden Kammern zu weit. Die Landesregierung forderte daher in ihrem Gegenvorschlag eine erweiterte Zustimmungslösung, bei der die Meinung der Angehörigen ebenfalls berücksichtigt wird. Nachdem der Nationalrat das Volksbegehren zunächst (denkbar knapp) zur Annahme empfohlen hatte, folgte er in der Herbstsession dem Ständerat, der sich einstimmig gegen die Initiative ausgesprochen hatte. Der indirekte Gegenvorschlag hingegen war weitgehend unbestritten und wurde von beiden Räten grossmehrheitlich für eine gute Lösung befunden, worauf das Initiativkomitee die Initiative bedingt zurückzog.

Die dritte Volksinitiative, mit der sich das Parlament 2021 im Gesundheitsbereich beschäftigte, war die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung», welche ein lückenloses Tabakwerbeverbot zum Inhalt hat. Auch dieses Volksbegehren ging National- und Ständerat zu weit, weshalb sie die Initiative zur Ablehnung empfahlen. Parallel dazu befasste sich das Parlament mit einem neuen Tabakproduktegesetz, das im Herbst 2021 verabschiedet wurde und unter anderem ebenfalls Bestimmungen zu Tabakwerbung beinhaltete. Die beiden Kammern präsentierten die Gesetzesrevision als indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative.

Als Folge der ersten Welle der Covid-19-Pandemie im Vorjahr beklagten viele Spitäler finanzielle Einbussen. Die Kantone Schaffhausen, Aargau, Tessin und Basel-Stadt reagierten 2021 mit vier Standesinitiativen, mittels welcher sie den Bund dazu auffordern wollten, für die Ertragsausfälle, die in Zusammenhang mit dem vom Bundesrat angeordneten Verbot «nicht dringend angezeigte[r] medizinische[r] Eingriffe und Therapien» entstanden waren, aufzukommen. Der Ständerat gab den Geschäften in der Wintersession 2021 mit 21 zu 19 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) keine Folge.

Verglichen mit dem Vorjahr, als die Medien sehr ausführlich über die Sportpolitik berichteten (vgl. Abbildung 2), erhielt dieses Thema im Jahr 2021 nur beschränkt Beachtung. Erneut medial diskutiert wurden unter anderem die finanziellen Schwierigkeiten der Sportvereine, deren Unterstützung auch vom Ausgang der Abstimmung über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes abhing.
Im Parlament wurde insbesondere die Frage diskutiert, wie eine Mitsprache der Bevölkerung bei der Organisation und der finanziellen Unterstützung Olympischer Spiele ermöglicht werden kann. Diesbezüglich zeigte sich der Nationalrat offener als der Ständerat, als er in der Sommersession ein entsprechendes Postulat der WBK-NR annahm und einer parlamentarischen Initiative Semadeni (sp, GR) Folge gab. Letztere schickte der Ständerat in der darauffolgenden Session allerdings bachab. Das Parlament diskutierte des Weiteren über die Finanzhilfen an Sportanlagen von nationaler Bedeutung 2022–2027 (NASAK 5), wobei der Ständerat den bundesrätlichen Entwurf in der Herbstsession guthiess und der Nationalrat ihm in der Wintersession folgte.

Im Bereich Sozialhilfe beugte sich die kleine Kammer in der Frühjahrssession 2021 über eine Motion Carobbio Guscetti (sp, TI), welche darauf abzielte, Sofortmassnahmen gegen das durch die Covid-19-Pandemie verursachte Armutsrisiko zu ergreifen. Das Geschäft fand jedoch bei den Kantonsvertreterinnen und -vertretern keine Mehrheit. Medial thematisiert wurden unter anderem die möglichen Folgen der Pandemie für die Sozialhilfe sowie ein Urteil des EGMR, in welchem der Kanton Genf bezüglich seines Bettelverbotes kritisiert wurde.

Jahresrückblick 2021: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
Dossier: Jahresrückblick 2021

Um zu verhindern, dass die seit dem 13. März 2020 vom Bundesrat verabschiedeten Verordnungen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie, die sich direkt auf Artikel 185 Absatz 3 der Bundesverfassung stützen, welcher der Regierung das befristete Erlassen von Verordnungen und Verfügungen als Reaktion auf schwere Störungen der öffentlichen Ordnung erlaubt, nach sechs Monaten automatisch ausser Kraft treten, unterbreitete der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft über die Rechtsgrundlagen dieser Verordnungen. Seit April 2020 hatten die Bundeskanzlei und das EJPD dieses dringliche Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie, kurz Covid-19-Gesetz, erarbeitet. Dieses soll den Bundesrat dazu befähigen, auch künftig entsprechende erforderliche Massnahmen weiterzuführen und anzupassen.

Zwischen dem 19. Juni 2020 und dem 10. Juli 2020 wurde der Gesetzesentwurf in eine verkürzte Vernehmlassung geschickt, in welcher über 1'000 Stellungnahmen eingingen. Der Grossteil der Stellungnehmenden waren Privatpersonen, die der Vorlage argwöhnisch gegenüberstanden. Bei den Kantonen stiess das Gesetz auf grössere Zustimmung, wobei alle von ihnen Änderungsvorschläge oder Kommentare einbrachten. 14 Kantone (ZH, BE, LU, OW, NW, GL, FR, SO, SH, AI, SG, GR, TG und GE) sprachen sich grundsätzlich für den Entwurf aus, da sie die Existenz einer rechtlichen Basis für das Weiterverfolgen der durch den Bundesrat getroffenen Massnahmen als eine Notwendigkeit erachteten. Weder eine ausdrückliche Zustimmung noch eine Ablehnung erfuhr die Vorlage von Seiten weiterer elf Kantone (UR, ZG, BS, BL, AR, AG, TI, VD, VS, NE und JU). Der Kanton Schwyz und die KdK sahen explizit von einer Stellungnahme ab. Letztere wird ihre Meinung aller Voraussicht nach zu einem späteren Zeitpunkt einbringen. Bei den Parteien stiess der Gesetzesentwurf auf unterschiedlich grosse Unterstützung. Während ihm die CVP und EVP bedingungslos zustimmten, knüpften die GLP, die Grünen und die EDU ihre Zustimmung an Vorbehalte. Gegen die Vorlage in der vorliegenden Form sprachen sich FDP.Liberale, SP und SVP aus. Die BDP, Ensemble à Gauche, die Lega und die PdA verzichteten trotz Einladung auf eine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf. Von den 60 Organisationen, die am Vernehmlassungsverfahren teilnahmen, unterstützten 27 das Vorhaben, 33 stimmten ihm zwar nicht explizit zu, lehnten es aber auch nicht ausdrücklich ab – keine einzige stellte sich somit ausdrücklich dagegen.

Am 12. August 2020 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zum Gesetzesentwurf, nachdem er als Reaktion auf die Vernehmlassungsantworten einige Änderungen am Vorentwurf vorgenommen hatte – namentlich die Aufnahme des «generellen und verbindlichen Einbezug[s] der Kantone» und die vollständige Überarbeitung der Bestimmungen zum Gesundheitswesen, dem Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz sowie dem Kulturbereich. Der Gesetzesentwurf besteht insgesamt aus 14 Artikeln, welche die Befugnisse der Landesregierung im Umgang mit der Covid-19-Epidemie insbesondere bezüglich der Eindämmung der Auswirkungen auf die Gesellschaft, Wirtschaft und die Behörden festlegen. Er betrifft überdies auch den Ausländerinnen-, Ausländer- und Asylbereich, die Entschädigung bei Erwerbsausfall, die Arbeitslosenversicherung sowie «justizielle, verfahrensrechtliche, gesellschaftsrechtliche und insolvenzrechtliche Massnahmen». Zudem wurde vorgesehen, dass das Gesetz lediglich bis Ende 2021, anstatt wie ursprünglich geplant bis Ende 2022, befristet werden soll. Für Bestimmungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung wurde jedoch eine Befristung bis Ende 2022 festgehalten.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Ende Februar 2019 legte der Bundesrat die Botschaft zur Änderung des BetmG und der damit verbundenen Ausführungsverordnung vor. Damit entsprach er Forderungen von fünf gleichlautenden Motionen zur Schaffung gesetzlicher Grundlagen, welche die Durchführung von Studien zur regulierten Cannabis-Abgabe ermöglichen soll. Die Motionen waren jeweils in den erstberatenden Räten auf Zustimmung gestossen (Nationalrat: Mo. 17.4111; Mo. 17.4112; Mo. 17.4113; Mo.17.4114. Ständerat: Mo. 17.4210). Verschiedene Städte und Kantone hatten in der Vergangenheit Interesse an entsprechenden Projekten bekundet, um Erkenntnisse zu alternativen Regulierungsmodellen zu generieren, da die momentane Situation mit florierendem Schwarzmarkt, fehlender Qualitätskontrolle und hohen Repressionskosten unbefriedigend sei. Aufgrund der bisher gültigen Rechtsgrundlage war die Realisierung solcher Studien bisher jedoch nicht möglich gewesen.

Der bundesrätliche Entwurf sah für die einzelnen Pilotversuche eine örtliche Begrenzung auf eine oder mehrere Gemeinden und eine zeitliche Begrenzung auf maximal fünf Jahre (mit Verlängerungsmöglichkeit um zwei Jahre) pro Studie vor. Weiter soll die Zahl der an einer entsprechenden Studie teilnehmenden Personen nicht mehr als 5'000 betragen. Zur Gewährleistung des Jugendschutzes müssten die Partizipantinnen und Partizipanten volljährig sein, bereits vor Studienbeginn Cannabis konsumiert haben und in einer Gemeinde wohnen, die an einem entsprechenden Pilotversuch teilnimmt. Der Gesamt-THC-Gehalt soll auf 20 Prozent beschränkt werden. Ebenso sollen die Bezugsmenge einer Begrenzung unterliegen, das Produkt zum Eigenverbrauch verwendet werden und die Weitergabe des Cannabis an Drittpersonen verboten sein. Während der Bezug der Droge nicht unentgeltlich erfolgen soll, soll diese aber von der Tabaksteuer befreit werden. Abgegeben werden soll das Produkt an speziell im Rahmen der Studien festzulegenden Verkaufsstellen wie Apotheken oder Cannabis Social Clubs. Der Konsum im öffentlich zugänglichen Raum soll nicht zulässig sein und der Gesundheitszustand der Studienteilnehmenden müsse überwacht werden. Auch soll verschiedenen Pflichten zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nachgekommen werden. Als Bewilligungsbehörde würde das BAG für die Kontrolle der Einhaltung rechtlicher Vorgaben verantwortlich sein. Ferner wollte der Entwurf des Bundesrates die Gültigkeit des Experimentierartikels auf zehn Jahre einschränken. Danach sollen die durch die unterschiedlichen Versuche gemachten Befunde im Hinblick auf die Weiterführung einer evidenzbasierten Diskussion über die Cannabispolitik zusammengeführt werden. Das allgemeine Cannabisverbot gelte aber weiterhin in der ganzen Schweiz. Nicht Bestandteil des Entwurfes sei zudem die Diskussion um den medizinischen Cannabis.

Anlässlich der Vernehmlassung, die vom 4. Juli 2018 bis zum 25. Oktober 2018 dauerte, gingen 126 Stellungnahmen ein. Im Grossen und Ganzen waren die Vernehmlassungsteilnehmenden positiv gegenüber der Änderung des BetmG und der Ausführungsverordnung eingestellt. Bei den Kantonen hatten Aargau, Appenzell Ausserrhoden und Solothurn keine Vorbehalte, Bern, Glarus, Nidwalden und Schwyz sprachen sich jedoch grundsätzlich gegen die Vorlage aus. 18 weitere Kantone stimmten ihr mit Vorbehalten und Änderungswünschen zu, währenddem der Kanton Freiburg eine grundsätzliche Überarbeitung verlangte. Die Piratenpartei war die einzige Partei, die den Entwurf ohne Weiteres begrüsste. BDP, FDP, GPS, SP und up! zeigten sich unter Vorbehalten damit einverstanden, die SVP, CVP, EVP und EDU waren hingegen dagegen. Zehn Gemeinden (Bern, Zürich, Luzern, Lausanne, Winterthur, Biel, Ostermundigen, St. Gallen, Thun, Werdenberg) hiessen die Vorlage generell gut; es wurden jedoch noch einzelne Vorbehalte und Änderungswünsche angebracht. Von den Vertreterinnen und Vertretern aus dem Bereich Gesundheit/Sucht und Wissenschaft sagten 31 mit Vorbehalten und vier (Vereinigung Cerebral Schweiz, RADIX, Infodrog, SNF) ausdrücklich Ja zum Entwurf, drei (JoD, EgD, DAD) lehnten ihn ab. Es war in erster Linie die Verordnung, auf die in den Stellungnahmen eingegangen wurde. Dabei waren hauptsächlich die Besteuerung der Cannabisprodukte, die Teilnahmebedingungen an den wissenschaftlichen Studien und Fragen zum Vollzug im öffentlichen Raum ein Thema.

Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BRG 19.021)
Dossier: Voraussetzungen für die Durchführung von Studien zur regulierten Cannabis-Abgabe für Genusszwecke schaffen

Der Nationalrat hiess eine Motion des Ständerates aus dem Vorjahr gut, welche klare Regeln für die Aufteilung von staatlich beschlagnahmten deliktisch erworbener Gelder auf die an einer Untersuchung beteiligten Behörden verlangt. Eine Motion Heim (cvp, SO), welche forderte, dass derartige Gelder, wenn sie aus Drogendelikten stammen, vom Bund gleich wie bereits von einigen Kantonen (FR, GE, VD) für die Drogenprävention und -bekämpfung verwendet werden, wurde in Postulatsform überwiesen. Die Forderung Heims war auch von der Interessengemeinschaft private Drogenhilfe (IGPD) vorgebracht worden. In der Wintersession gab der Nationalrat auch noch einer parlamentarischen Initiative Gross (sp, TG) mit entsprechendem Inhalt Folge.

Bundesgesetz zur Aufteilung von staatlich beschlagnahmten deliktisch erworbener Gelder

Im Abstimmungskampf, der von beiden Seiten sehr intensiv und emotional geführt wurde, waren die Fronten von Anbeginn klar. Die drei Bundesratsparteien CVP, FDP und SP sowie die Grünen engagierten sich in einem gemeinsamen Abstimmungskomitee gegen die Initiative. Sie fanden die Unterstützung von rund 20 gesamtschweizerischen Organisationen aus den Bereichen Medizin, Drogen, Sozialarbeit, Kirche und Jugendfragen, die sich in einer Nationalen Arbeitsgemeinschaft Suchtpolitik (NAS) zusammenschlossen, sowie die praktisch einhellige Gefolgschaft aller Printmedien, auch jener aus der Romandie. Mehrere Kantons- und Stadtregierungen, die für gewöhnlich keine Empfehlungen für eidgenössische Urnengänge abgeben, sprachen sich ebenfalls gegen die Initiative aus, unter anderem jene in den besonders von der Drogenproblematik betroffenen Kantonen Basel-Stadt, Bern, Genf und Zürich. Ihnen schloss sich der 1996 zum Zweck einer intensiveren drogenpolitischen Koordination gebildete Nationale Drogenausschuss von Bund, Kantonen und Städten an. Der Bundesrat seinerseits eröffnete seinen Abstimmungskampf viel früher als gewöhnlich. In ungewohnt scharfer Weise bezeichnete Bundesrätin Dreifuss die Ziele der Initiative als unrealistisch, unwirksam und unmenschlich; eine Annahme der Initiative hätte für die eigentlichen Opfer, die Drogensüchtigen, verheerende Folgen und würde dazu führen, dass weiterhin die (noch) nicht ausstiegswilligen Konsumenten härter bekämpft würden als die eigentlichen Profiteure einer repressiven Drogenpolitik, nämlich die Drogenmafia.

Volksinitiativen «für eine vernünftige Drogenpolitik» (Droleg-Initiative) und «Jugend ohne Drogen» sowie direkter Gegenvorschlag (BRG 95.046)

Als erster welscher Kanton will sich auch Genf an den Versuchen mit der medizinisch kontrollierten Heroinabgabe beteiligen. Der Genfer Grosse Rat nahm eine entsprechende – von allen Parteien mit Ausnahme der LP unterstützte – Motion ohne grosse Diskussionen an. Der Staatsrat stimmte ebenfalls zu, worauf Genf in die Liste der Teilnehmer an den ausgeweiteten Heroinprogrammen aufgenommen wurde. Aber auch in den anderen Westschweizer Kantonen weichten sich die starren Fronten – zumindest was die Methadon- und Spritzenabgabe anbelangt – allmählich auf.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Nach einer ersten konsequenten «Ausdünnung» der offenen Drogenszene am Zürcher Letten wurde das Areal Mitte Februar 1995 polizeilich geräumt. Die aufgegriffenen Drogensüchtigen wurden an ihre Wohngemeinden oder -kantone überstellt. Anfänglich dominierte der Eindruck, dass diese Auflösung besser koordiniert und deshalb erfolgreicher sei als jene des Platzsspitzes 1993. Nach einigen Monaten zeigte sich jedoch, dass wieder eine Verlagerung zu schwer kontrollierbaren «Kleinszenen» in den angrenzenden Stadtkreisen erfolgt war.
Einzelne Kantone (insbesondere Genf) machten rechtsstaatliche Bedenken gegenüber den polizeilich durchgeführten Rückschaffungen der auswärtigen Drogenkonsumenten in ihre Wohngemeinden oder -kantone geltend, worauf dem freiwilligen und zivilen Charakter der Rückführungen mehr Rechnung getragen wurde. Geschlossen wurden Ende Januar 1995 auch die offenen Szenen in Solothurn und Olten.

Koordinierte Aktion der Städte gegen die offene Drogenszene (1991–1995)

Gemäss den offiziellen Statistiken starben im Berichtsjahr 419 Menschen am Drogenkonsum, 14 mehr als 1991. In den Kantonen Bern, Waadt und Zürich nahm die Anzahl der Drogentoten ab, in angrenzenden Kantonen wie Genf, Luzern, Solothurn, St. Gallen, Tessin und Wallis stieg sie dagegen an.

Zahl der Drogentoten (1991–1993)