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Mit der Standesinitiative "Nein zur systematischen Kriminalisierung von Bankangestellten" trug der Kanton Genf die Forderung an den Bund, die automatische Weitergabe von Mitarbeiterdaten Schweizerischer Unternehmungen an ausländische Staaten zu verbieten. Zudem sollten bereits erfolgte Genehmigungen für solche Datenlieferungen annulliert und die betroffenen Personen von bereits durchgeführten Datensendungen von Seiten des Staates rechtlich und finanziell unterstützt werden. Die Standesinitiative war 2012 als Reaktion auf die Lieferung von Mitarbeiterdaten diverser Banken an die USA im Zuge des Steuerstreits angeregt und 2015 beim Bund eingereicht worden.
Die vorberatende WAK-SR und ihr Sprecher Schmid (fdp, GR) äusserten sich ablehnend gegenüber der Standesinitiative. Als besonders stossend wurde zum einen die offene Formulierung des Begehrens und die Konsequenz daraus, dass die neuen Regeln nicht nur für Banken, sondern auch für andere Unternehmungen gelten sollten, empfunden. Dies wäre gemäss Kommission problematisch, weil in gewissen Branchen die Herausgabe von Informationen zu Mitarbeitern (z.B. betreffend Qualifikationen) Voraussetzung dafür ist, um überhaupt exportieren zu können. Zum anderen störte sich die WAK-SR an der in der Standesinitiative enthaltenen Rückwirkungsklausel, die mit bestehenden Regeln und Abkommen in Widerspruch stehen könnte. Auf zentrale Aspekte der Standesinitiative reagierend, rief die Kommission sodann in Erinnerung, dass der Bundesrat in seiner Musterverfügung vom Juli 2013 betroffenen Mitarbeitern die Möglichkeit geschaffen habe, eine Widerspruchsklage gegen sie betreffende Datenlieferungen zu erheben und dass die Banken dazu verpflichtet worden seien, Fonds zu äufnen, um betroffenen Mitarbeitern in rechtlicher und finanzieller Hinsicht beistehen zu können. Die WAK-SR empfahl aus all diesen Gründen, der Standesinitiative des Kantons Genf keine Folge zu geben. Die kleine Kammer folgte diesem Antrag diskussionslos.

Standesinitiative "Nein zur systematischen Kriminalisierung von Bankangestellten"

Im Dezember 2014 präsentierte die Expertengruppe „Brunetti II“ ihren Schlussbericht zur Weiterentwicklung der Finanzmarktstrategie. In Sachen Aussenbeziehungen regte die Gruppe Sondierungsgespräche mit der EU betreffend Machbarkeit eines Finanzdienstleistungsabkommens an. Gleichzeitig sollte die Frage des Marktzugangs für Schweizer Finanzinstitute erörtert werden. Entsprechende Empfehlungen sprachen die Expertinnen und Experten schon im Frühjahr 2014 aus. Nach Medienberichten beantragten Eveline Widmer-Schlumpf und Didier Burkhalter dem Gesamtbundesrat aber erst im Dezember, Sondierungsgespräche mit der EU in Sachen Finanzdienstleistungsabkommen zu suchen. Ein weiterer Fokus des Schlussberichts lag auf der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes. Konkret empfahl die Gruppe die Umstellung der Verrechnungssteuer auf das Zahlstellenprinzip. Eine entsprechende Vorlage schickte die Landesregierung ebenfalls im Dezember 2014 in die Vernehmlassung. Zu guter Letzt äusserte sich der Bericht auch zur Finanzstabilität. Im Speziellen regten die Expertinnen und Experten eine Überprüfung der Systemobergrenze in der Einlagesicherung für Bankeinlagen an. Ebenfalls prüfenswert erachtete das Gremium eine Vorfinanzierung der Einlagesicherung. Am meisten Aufsehen erregten jedoch die Empfehlungen im Zusammenhang mit den Kapitalanforderungen für (Gross-)Banken. Die Schweiz solle gemäss Schlussbericht zu den Ländern mit „international führenden“ Eigenkapitalerfordernissen gehören. Mehrheitlich wurde diese Empfehlung als Aufforderung zur Verschärfung der (ungewichteten) Eigenkapitalerfordernisse interpretiert, kannten doch andere wichtige Finanzplätze (beispielsweise die USA und das Vereinigte Königreich) strengere Eigenkapitalanforderungen. Gleichzeitig mit der Kenntnisnahme des Schlussberichts der Expertengruppe entschied der Bundesrat, einen „Beirat Zukunft Finanzplatz“ einzusetzen. Dieser sollte erneut durch Professor Aymo Brunetti präsidiert werden und losgelöst vom Tagesgeschäft mit allen massgeblichen Akteuren der Finanzbranche Fragen zur Finanzmarktstrategie erörtern und dem Bundesrat gegebenenfalls Empfehlungen unterbreiten.

Expertenkommission untersucht Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes (2013–2014)
Dossier: Too-big-to-fail (TBTF) nach der Finanzkrise 2008

2014 wurden weitere Schritte in Richtung eines internationalen automatischen Informationsaustausches (AIA) in Steuerangelegenheiten gemacht. Der Bundesrat hatte sich im Rahmen der Finanzmarktstrategie im Juni 2013 bereit erklärt, bei den Erarbeitungen eines internationalen Standards für den automatischen Informationsaustausch mitzuwirken. Im Januar 2014 präsentierte die OECD im Auftrag der G20 die Eckpunkte des künftigen AIA. Diese lehnten sich stark an die US-Regelungen des Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) an, mit dem Unterschied, dass der AIA nicht bei der Staatsbürgerschaft ansetzen sollte, sondern beim Residenten. Durch den AIA sollten Banken und andere Finanzintermediäre zur Sammlung verschiedener Einkommens- und Vermögensangaben von natürlichen und juristischen Personen verpflichtet werden. Davon ausgeschlossen waren einzig börsenkotierte Firmen, internationale Organisationen und staatliche Betriebe. Bei Spezialgesellschaften (beispielsweise Trusts) sollten die Finanzintermediäre angehalten werden, die wirtschaftlich berechtigten Personen zu identifizieren. Den von der Schweiz vorgebrachten Bedingungen (Spezialitätenprinzip, Datenschutz, Reziprozität und Identifikation des wirtschaftlich Berechtigten auch bei Spezialgesellschaften) wurde mehrheitlich entsprochen. Aufgrund der Ausgestaltung der vorgeschlagenen AIA-Regelungen war ein innerschweizerischer Konflikt betreffend Bankgeheimnis zu erwarten. Weil auch Schweizer Bürgerinnen und Bürger potenziell Kunden ausländischer Finanzinstitute waren, würden Schweizer Behörden durch den AIA Informationen zu deren Einkommens- und Vermögensbewegung erhalten, nicht aber von Einkommens- und Vermögenswerten inländischer Konti und Anlagen. Eveline Widmer-Schlumpf erachtete das Vertrauensverhältnis zwischen Staat und Bürger als dadurch nicht beeinträchtigt. Wenn das Vertrauen gerechtfertigt sei, hätten die Bürgerinnen und Bürger mit Konti im Ausland nichts zu befürchten, liess sich die Bundesrätin zitieren. Nach der Veröffentlichung der AIA-Eckpunkte im Januar 2014 kam es in den Medien zu Diskussionen betreffend einer vermeintlichen Spezialbehandlung der USA. Diese sollten gemäss den präsentierten Eckpunkten in manchen Fällen nicht verpflichtet sein, die wirtschaftlich berechtigten Personen eines Trusts identifizieren zu müssen, beispielsweise wenn sich dieser in einem Land ausserhalb des FATCA-Netzwerks befand (zum Beispiel in Panama). Diese Ausnahme sei „extrem beschränkt“, erklärte der OECD-Steuerchef Pascal Saint-Amans. Das Modellabkommen, das im Rahmen der OECD erarbeit würde, sei zudem nicht sakrosankt. Es stünde jedem Land frei, mit den USA bilateral eine restriktivere Regelung zu vereinbaren. Zudem werde das bei der OECD angesiedelte Global Forum allfällige Mängel in der Steuertransparenz ansprechen. Im Juli 2014 legte die Pariser Organisation eine vollständige Version des erarbeiteten Standards (Modellabkommen, technische Details zur Umsetzung sowie kommentierte Auslegungen) vor. Die G20 bestätigten diese Marschrichtung im September 2014, worauf 51 Staaten und Territorien im Oktober 2014 beschlossen, den neuen Standard per 2017 umzusetzen (Multilateral Competent Authority Agreement, MCAA). Weil sich das MCAA auf das Amtshilfeübereinkommen (Europaratskonvention zur Steueramtshilfe) stützte, das vom Bundesrat erst Anfang 2015 in die Vernehmlassung geschickt wurde (siehe unten), unterschrieb die Schweiz das Abkommen am 19.11.14 nur mit Vorbehalten. Ebenfalls auf Januar 2015 stellt der Bundesrat die Vernehmlassung zur Umsetzungsgesetzgebung zum AIA in Aussicht. Diese sollte mitunter festhalten, unter welchen Bedingungen die Schweiz bereit sein würde, mit einem Staat den AIA zu vereinbaren. Unter Vorbehalt der parlamentarischen Zustimmung war am Jahresende 2014 absehbar, dass die Schweiz frühestens 2018 Daten liefern würde.

Automatischen Informationsaustausch (AIA)
Dossier: Informationsaustausch - Steueramtshilfeverordnung (AIA)

Bereits seit Ende 2013 waren im Zusammenhang mit den Entwicklungen in Richtung Automatischer Informationsaustausch (AIA) Gespräche mit der EU geführt worden. Diese fanden im Rahmen der Verhandlungen zur Revision der EU-Richtlinie zur Zinsbesteuerung statt, in welcher die EU explizit die „internationalen Entwicklungen“ berücksichtigen wollte. Die Revision sah vor, bestehende Steuerschlupflöcher in der Zinsbesteuerungsrichtlinie zu stopfen. Neu sollten beispielsweise auch Zinserträge von Stiftungen und Trusts dem Regelwerk unterstehen. EU-intern wurde die Revision im März 2014 verabschiedet; dies nachdem Österreich und Luxemburg entsprechende Änderungen jahrelang blockiert hatten. Weil die Revision ebenfalls vorsah, das EU-Recht an die neuen globalen Standards (sprich: AIA) anzupassen, sobald diese vorlagen, kam die Änderung einer EU-internen Übernahme des AIA gleich. Die Drittstaaten Liechtenstein, Monaco, Andorra, San Marino und die Schweiz wurden mit der Verabschiedung der EU-internen Revision diplomatisch unter Druck gesetzt, den AIA ebenfalls zu übernehmen. Würden die Drittstaaten „kein[en] genügende[n] Fortschritt [erzielen]“, wollte die Kommission „mögliche Optionen erkunden, um die Befolgung des neuen Standards sicherzustellen“. Weil die angepassten Regelungen betreffend Zinsbesteuerung erst per 2017 in Kraft treten sollten und sich Österreich und Luxemburg dagegen wehrten, zwei Systemwechsel innert kürzester Zeit vorzunehmen, war die Revision der Zinsbesteuerungsregelungen aus praktischer Sicht Makulatur. Konsequenterweise stoppten die EU und die Schweiz die entsprechenden Verhandlungen im Mai 2014. Der Bundesrat verabschiedete im Herbst 2014, nach Konsultation des Parlaments und der Kantone, ein Verhandlungsmandat zur Einführung eines AIA mit „Partnerstaaten“. Dazu gehörten neben den USA (Wechsel zum Modell 1 mit Reziprozität in FATCA) und anderen Ländern auch die EU. Entsprechende Gespräche waren bis zum Jahresende noch nicht abgeschlossen, mitunter weil die gesetzliche Grundlage zur Einführung eines AIA in der Schweiz noch nicht geschaffen war. Am Jahresende schien es eher unwahrscheinlich, dass die Verhandlungen betreffend AIA mit den Fragen zum Marktzugang und zur Vergangenheitsbewältigung verknüpft werden konnten. Eine solche Strategie hatte die Expertengruppe Brunetti I 2013 vorgeschlagen. Bereits im Februar 2014 stellte Bundesrätin Widmer-Schlumpf jedoch fest, dass die Zeit knapper geworden sei, Lösungen für die Fragen des Marktzugangs und der Vergangenheitsbewältigung gleichzeitig mit den Verhandlungen zum AIA zu finden, weil der internationale Standard zum AIA schneller komme als erwartet.

Verhandlungsmandat zur Einführung eines AIA mit „Partnerstaaten“

2013 kamen das Bundesgesetz zur Umsetzung von FATCA (Foreign Account Tax Compliance Act) und der zugehörige Staatsvertrag in die eidgenössischen Räte. Die US-Regulierung FATCA verpflichtete Finanzintermediäre weltweit zu Datenmeldungen betreffend potenziell in den USA steuerpflichtigen Kunden an die US-Behörden. Im Falle einer Nicht-Kooperation sollten die Institute durch eine prohibitiv hohe Quellsteuer von 30% auf ihren Erträgen auf US-Wertschriften faktisch vom US-Finanzmarkt ausgeschlossen werden. Eine solche Quellensteuer sollte auch für Kunden gelten, die einer Datenmeldung nicht zustimmten. Für die Schweiz stellte FATCA im Angesicht des Bankgeheimnisses ein Problem dar, weil Konsens darüber herrschte, dass hiesigen Finanzintermediären der Zugang zum amerikanischen Finanzmarkt erhalten bleiben musste, automatische Datenmeldungen aber – unter anderem – das Bankgeheimnis und Art. 271 StGB (verbotene Handlungen für einen fremden Staat) verletzten. Auch aus diesem Grund hatte der Bundesrat 2012 ein bilaterales Abkommen mit den USA paraphiert, das verschiedene Erleichterungen bei der Umsetzung von FATCA vorsah. Es befreite zum einen Sozialversicherungen und Pensionskassen, Sach- und Schadenversicherungen sowie Lokalbanken mit über 98% Kunden aus dem Inland oder der EU von umfangreichen Meldepflichten. Zudem legte der Staatsvertrag fest, dass die Banken nicht den Strafbestimmungen von Art. 271 StGB unterliegen sollten. Eine umständliche Regelung wurde betreffend Datenmeldungen getroffen, die es nach Ansicht des Bundesrats aber erlaubte, das Bankgeheimnis zu wahren. Den schweizerischen Finanzintermediären wurden individuelle Datenmeldungen nur bei Zustimmung der betroffenen Kunden erlaubt. Bei Nicht-Zustimmung der Kunden war eine aggregierte Datenmeldung über alle sogenannt „nicht-kooperativen“ Kunden vorgesehen, aufgrund welcher die USA ein Amtshilfegesuch (Gruppenanfrage mit spezifischem Verhaltensmuster, in diesem Fall die Nicht-Zustimmung zur Datenmeldung) einreichen konnten. Dieser Anfrage war nach gängiger Leseart zu entsprechen, weshalb Bundesrätin Widmer-Schlumpf bereits 2012 anerkannt hatte, dass das ausgehandelte Modell 2 zwar nicht formell einem automatischen Informationsaustausch (AIA) entspreche, diesem aber sehr nahe käme. Auf Reziprozität hatte die Landesregierung, im Angesicht der damals noch laufenden Bestrebungen, der internationalen Abgeltungssteuer als Alternative zum AIA zum Durchbruch zu verhelfen, verzichtet.
Der Bundesrat unterschrieb das FATCA-Abkommen im Februar 2013. Die parlamentarischen Beratungen zum Staatsvertrag und zum entsprechenden Bundesgesetz über die Umsetzung des FATCA-Abkommens folgten im Sommer 2013. Im Vorfeld kündigten sowohl die Grünen (aufgrund der fehlenden Reziprozität) als auch die SVP (aus Gründen des Souveränitätsverlustes) ihre ablehnende Haltung an, was der SP erlaubte, taktisch mit einem Nein zu drohen, um den Bundesrat zur Aushandlung eines automatischen Informationsaustauschs – unter anderem gegenüber der EU – zu drängen. Weil zum Zeitpunkt der parlamentarischen Beratungen (Juni 2013) sowohl Luxemburg als auch Österreich ihre grundsätzliche Ablehnung des AIA aufgegeben hatten (Frühjahr 2013) und damit der Weg frei schien für einen EU-internen und globalen Informationsaustausch, konnte die SP das Gesicht wahren und zu einem Ja übergehen. Im Ständerat (Erstrat) versuchte sie zwar mittels Rückweisungsantrag die Aushandlung von Modell 1 (automatischer Informationsaustausch ohne Umweg über die Amtshilfe) zu fordern, scheiterte aber klar mit 11 zu 23 Stimmen, weil die Bürgerlichen auf den Bundesrat verwiesen, der in der Vorwoche beschlossen hatte, einen AIA nur auf Basis eines weltweit koordinierten Vorgehens zu übernehmen und nicht bilateral anzustreben. In der Gesamtabstimmung passierte sowohl das Abkommen (mit 34 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen) als auch das Bundesgesetz (mit 35 zu 0 Stimmen bei 4 Enthaltungen) mit grosser Mehrheit. In der Grossen Kammer wurde in der Herbstsession mit verschiedenen Anträgen versucht, die Vorlage zu Fall zu bringen. Während sich die SVP mit Verweis auf den Souveränitätsverlust der Schweiz für Nichteintreten stark machte, forderten sowohl die Grünen als auch ein Einzelantrag Nidegger (svp, GE) die Rückweisung der Vorlage mit dem Auftrag, bilateral einen AIA mit den USA auszuarbeiten. Die Nichteintretensanträge zweier Kommissionsminderheiten waren chancenlos (126 zu 50 Stimmen), ebenso die von den Grünen und der SVP unterstützten Rückweisungsanträge (107 zu 64 Stimmen bzw. 116 zu 63 Stimmen). In der Detailberatung brachte die SP ihre Präferenz für den AIA ein, indem sie das Bundesgesetz um einen Passus ergänzen wollte, der den Bundesrat zu Verhandlungen über einen AIA mit den USA verpflichten sollte, sobald der Bundesrat diesen zum Standard für die Schweiz erklärte. Der Antrag scheiterte jedoch mit 54 zu 118 Stimmen am Widerstand der bürgerlichen Parteien. Weil die Inkraftsetzungsbestimmungen ohne Gegenantrag geändert wurden – die USA verschob im Sommer das Einführungsdatum erneut (vom 1. Januar auf den 1. Juli 2014) – kam das Geschäft nochmals in den Ständerat, wo die nationalrätlichen Anpassungen diskussionslos bestätigt wurden. In den Schlussabstimmungen passierte das Abkommen mit 34 zu 4 Stimmen bei 4 Enthaltungen im Ständerat und mit 114 zu 55 Stimmen (26 Enthaltungen) im Nationalrat. Das Bundesgesetz zur Umsetzung des Staatsvertrags wurde von den Kantonsvertretern mit 36 zu 3 Stimmen (3 Enthaltungen) gutgeheissen und passierte mit 114 zu 54 Stimmen (24 Enthaltungen) die grosse Kammer. Die Enthaltungen im Nationalrat entfielen auf die Grünen und rund einen Viertel der SP-Fraktion. Durch die Annahme der beiden Geschäfte wurde eine erleichterte Umsetzung der US-Regelung unter Wahrung schweizerischen Rechts und der wirtschaftlichen Interessen des Finanzplatzes ermöglicht.

Erleichterungen bei der Umsetzung von FATCA

Im Gegensatz zur ursprünglich angepeilten Globallösung war das offerierte US-Programm zur Vergangenheitsbewältigung für die Banken freiwillig; die Bedingungen wurden aber alleine von den USA gestellt. Mit dem Bundesgesetz sollte lediglich der gesetzliche Rahmen für die Banken geschaffen werden, um den Forderungen der Amerikaner entsprechen zu können. Das Bundesgesetz und das US-Programm konnten deshalb, auch im Falle einer Annahme, nicht als abschliessenden Lösung des Steuerstreits bezeichnet werden, weil eine mögliche Nicht-Teilnahme einzelner Banken am US-Programm das Potenzial für erneute Eskalation (Androhung einer Strafklage, etc.) bargen.

Globallösung für den Finanzplatz Schweiz

Im US-Steuerstreit wurden 2013 grosse Fortschritte erzielt. Bereits ab April berichteten Medien über eine sich anbahnende Übereinkunft mit den USA. Nachdem jahrelang keine Bewegung in Richtung Lösung des Steuerstreits gekommen war, ging es ab Frühjahr 2013 Schlag auf Schlag. Ende Mai einigten sich der Bundesrat und die Spitzen der Bundesratsparteien darauf, in der Junisession ein Rahmengesetz zu einem Abkommen mit den USA im Eilverfahren zu behandeln, obwohl der Inhalt des Abkommens zum Zeitpunkt dieser Abmachung noch nicht definitiv ausgehandelt war.

Globallösung für den Finanzplatz Schweiz

Eine 2011 von beiden Räten überwiesene Motion Bischof, die vom Bundesrat gefordert hatte, die Diskriminierung des Schweizer Finanzplatzes gegenüber Vertragspartnern von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), namentlich den USA, bezüglich Bankgeheimnis zu bekämpfen, wurde 2012 vom Bundesrat zur Abschreibung empfohlen. Er sah keinen Anlass zu gesetzgeberischen Massnahmen. National- und Ständerat lehnten den Abschreibungsantrag jedoch ab, weshalb das Begehren am Jahresende nach wie vor beim Bundesrat pendent war.

Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz mit dem Vereinigten Königreich (UK) und den USA
Dossier: Bankgeheimnis
Dossier: Doppelbesteuerungsabkommen

Die absehbare Einführung der US-Regulierungen des Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) beschäftigte im Berichtsjahr weniger das Parlament als vielmehr die Schweizer Diplomatie. In seiner ursprünglichen Form sah FATCA für alle potenziell in den USA steuerpflichtigen Kunden eine Datenmeldung an die US-Steuerbehörde (IRS) durch die betreuenden Finanzintermediäre vor. Im Falle einer Nicht-Zustimmung zur Datenmeldung durch einen betroffenen Kunden sollten alle US-Zahlungen an diesen sogenannt „unkooperativen“ Kunden mit eine Quellsteuer von 30% belegt werden. Zusätzlich waren in diesem Fall die Einfrierung der betroffenen Kundengelder und die anschliessende Saldierung der entsprechenden Konti vorgesehen. Von der Meldepflicht ausgenommen werden sollten unter anderem Lokalbanken, deren Kunden zu mindestens 98% aus dem Inland stammten. Diese Institute wurden a priori als FATCA-konform angesehen. International stiess FATCA wegen seiner extraterritorialen Wirkung auf Kritik, vor allem weil die Regelung häufig im Konflikt mit den lokalen Rechtsordnungen stand. Zusätzlich bemängelten Finanzverbände die unverhältnismässig hohen Kosten der Umsetzung. Für die Schweiz war besonders stossend, dass kaum eine Lokalbank mindestens 98% Schweizer Kundenbeziehungen unterhielt, weil viele Banken Kunden im grenznahen Ausland betreuten. Derweil wurden den EU-Finanzinstituten die Bürger sämtlicher Mitgliedsstaaten als inländische Kunden angerechnet. Das bilaterale Abkommen zwischen der Schweiz und den USA, das Ende 2012 paraphiert wurde, sah für den Schweizer Finanzplatz verschiedene Erleichterungen bei der Umsetzung von FATCA vor. Unter anderem wurde die Meldungspflicht von potenziell in den USA steuerpflichtigen Personen auf 1.1.14 verschoben. Zusätzlich wurden Sozialversicherungen, Pensionskassen sowie Sach- und Schadenversicherungen von FATCA ausgenommen. Lokalbanken, deren Kunden zu mindestens 98% aus der Schweiz oder der EU stammten, wurden ebenfalls als a priori FATCA-konform angesehen, was einer faktische Ausnahme von der Meldepflicht entsprach und den befürchteten Wettbewerbsnachteil gegenüber Finanzintermediären aus dem EU-Raum abwendete. Im Gegenzug wurde den Schweizer Lokalbanken verboten, US-Kundengelder abzulehnen. Die wichtigste Regelung betraf jedoch die Datenlieferung an die USA, weil diese nach ursprünglichem Abkommen im Konflikt mit dem schweizerischen Bankkundengeheimnis gestanden hätte. Der Vertrag sah vor, dass Schweizer Finanzintermediäre direkt Kundeninformationen in die USA übermitteln sollten, falls der Kunde der Datenlieferung zustimmte. Andernfalls war, im Gegensatz zur erlassenen FATCA-Regelung, weder ein Quellsteuerabzug auf US-Wertschriften noch die Schliessung der betroffenen Kundenkonti vorgesehen. Allerdings verpflichteten sich die Finanzdienstleister in diesem Fall dazu, aggregierte Informationen zu den unkooperativen Kunden an die USA zu übermitteln, worauf diese ein Amtshilfegesuch an die Schweizer Behörden stellen konnten (Gruppenanfrage mit spezifischen Verhaltensmuster, in diesem Falle die Nicht-Zustimmung zur Offenlegung der Konti). Die Schweizer Behörden konnten darauf die Herausgabe der Kundeninformationen verfügen. Bundesrätin Widmer-Schlumpf anerkannte, dass die gefundene Lösung zwar formell keinem automatischen Informationsaustausch entsprach, faktisch diesem aber sehr nahe kam. Für die internationale Verhandlungsposition bezüglich des von der Schweiz gegenüber dem automatischen Informationsaustausch bevorzugten Abgeltungssteuerkonzepts war es offentsichtlich wichtig, formell keinem automatischen Informationsaustausch zuzustimmen. Dies scheint mit ein Grund zu sein, weshalb die Schweiz auf Reziprozität verzichtete, also von den USA keine Datenlieferungen zu in der Schweiz steuerpflichtigen Personen erhalten wollte. Mit dem FATCA-Vertrag setzen sich die eidgenössischen Räte ab 2013 auseinander.

Erleichterungen bei der Umsetzung von FATCA

In einer dritten Ausprägung des US-Steuerstreits stand die im Parlament behandelte Ergänzung des neuen US-DBA von 2009 mit der Möglichkeit von Gruppenanfragen aufgrund von Verhaltensmustern im Vordergrund. Dieses Geschäft kam in der Frühjahrssession in den Nationalrat, nachdem der Ständerat die Ergänzung bereit 2011 angenommen hatte. Die Zustimmung zu dieser Erweiterung galt als wichtiger Baustein im Zusammenhang mit den Verhandlungen für eine Globallösung zum Steuerstreit mit den USA. Ebenso war abzusehen, dass Gruppenanfragen aufgrund von Verhaltensmuster innert kurzer Frist OECD-Standard erlangen würde und dass sich die Schweiz dieser Neuauslegung nicht widersetzen konnte. Die SVP kritisierte zwar die weitere Aushöhlung des Bankgeheimnisses, kam mit ihrem Nichteintretensantrag allerdings nicht durch. Kurioserweise schlug sie dem Bundesrat gar vor, in einer Notsituation wie im Falle der UBS 2011 zu Notrecht zu greifen, womit der vorauseilende Gehorsam gegenüber den USA und der OECD hinfällig würde. Im Kontrast dazu appellierte die SP an den Bundesrat, Verhandlungen mit der EU über den automatischen Informationsaustausch aufzunehmen. Zusätzlich liess die Partei verlauten, dass sie dem Abkommen nur zustimmen würde, wenn der Bundesrat in der vorgesehenen Weissgeldvorlage, die für 2013 traktandiert ist, eine Selbstdeklaration der Bankkunden vorsehen werde. Eveline Widmer-Schlumpf gab diesbezüglich ein Versprechen ab; am Jahresende schien eine absolute Umsetzung der Selbstdeklaration jedoch nicht sehr wahrscheinlich. Die FDP ihrerseits verlangte vom Bundesrat die Zusicherung, dass das neue DBA erst ratifiziert würde, wenn eine Globallösung gefunden sei. Die Landesregierung sicherte ein solches Vorgehen zu, wollte dies allerdings nicht in den Bundesbeschluss schreiben, um seine Verhandlungsposition nicht zu schwächen. Ein entsprechender Antrag der SVP auf schriftliche Fixierung wurde im Ratsplenum klar abgelehnt. In der Schlussabstimmung stellte sich lediglich die SVP gegen die Vorlage. Das Geschäft passierte in der im Nationalrat mit 134 zu 56 und im Ständerat mit 39 zu 0 Stimmen bei vier Enthaltungen.

Verhandlungen mit den USA zu Beilegung des Steuerstreits

Im Februar 2009 hatte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) unter Anwendung von Notrecht (Schutzverfügung nach Art. 25 und 26 Bankengesetz) eine Lieferung von 255 Kundendaten durch die UBS an die USA angeordnet. Damit sollte eine mögliche existenzbedrohende US-Strafklage gegen die UBS verhindert werden. Dieses Vorgehen wurde 2011 vom Bundesgericht gestützt, womit das erstinstanzliche Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Januar 2010 hinfällig wurde. Im Nachgang der durch die Finma angeordneten Datenlieferung und unter dem starken Druck der USA (Zivilklage gegen die UBS) war der Bundesrat bereit, in einem Protokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit den USA die ungenaue Rechtslage des DBA zu präzisieren (September 2009). Danach sollte Amtshilfe (rückwirkend) auch bei fortgesetzter, schwerer Steuerhinterziehung möglich sein. Im konkreten Fall führte die Präzisierung zur Prüfung von Datenlieferungen von 4'450 UBS-Kunden, welche seit dem Jahr 2000 der fortgesetzten, schweren Steuerhinterziehung verdächtigt wurden. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Jahr 2010 eine Beschwerde gegen diesen Teil der neuen Regelung gutgeheissen. Es stellte fest, dass die rückwirkend geltende Auslegung der DBA-Regelung im Protokoll zum DBA einer Rechtsgrundlage entbehrte. Das Parlament hatte im September 2010 das mittlerweile als Staatsvertrag behandelte, völkerrechtlich geschlossene und bindende Protokoll zum DBA in Form eines einfachen Bundesbeschlusses widerwillig gutgeheissen. Dadurch wurde die Datenlieferung im Zusammenhang mit den 4'450 UBS-Kunden und deren Steuerhinterziehung ab 2000 legalisiert. Die allgemeine, nicht rückwirkende Anpassung des DBA (Amtshilfe bei Steuerhinterziehung) bedurfte keiner Zustimmung durch das Parlament und kann durch die Vertragsstaaten USA und Schweiz ratifiziert und per September 2009 in Kraft gesetzt werden, was allerdings bis Ende 2011 durch keine der Parteien erfolgte.

Protokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit den USA

Im Zusammenhang mit den US-Regulierungen des Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA), welche ab 1.1.13 schrittweise in Kraft treten, forderte eine Motion Briner (fdp, SH) die nötigen Anpassungen schweizerischen Rechts, die Souveränitätskonflikte mit den USA verhindern helfen sollten. Er argumentierte, dass sowohl das Bankengesetz als auch das Strafgesetzbuch angepasst werden müssten, weil Fatca extraterritoriale Wirkung hätte. Diese entfalte sich durch die weitreichenden Informationspflichten, die auf die in den USA tätigen Finanzintermediäre zukämen. Diese Informationspflichten würden den heute gültigen Regeln des Strafgesetzbuchs und des Bankengesetzes widersprechen, wie sie von Schweizer Finanzinstituten eingehalten werden müssen. Die nötigen Anpassungen sollten derart ausgestaltet werden, dass die Schweiz gegenüber dem Ausland nicht benachteiligt werde. Dazu sollte der Bundesrat auch Verhandlungen mit den USA führen. Der Bundesrat begrüsste die Motion. Sie wurde in beiden Räten stillschweigend angenommen.

Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA)

Die USA verschärften ab Dezember 2011 den Druck auf den Schweizer Finanzplatz erneut. Sie forderten zusätzlich zu den bereits erhaltenen anonymisierten statistischen Angaben zu US-Kundenbeziehungen in der Schweiz unter anderem Informationen bezüglich Korrespondenz mit und über die US-Kunden und die Bezahlung einer Busse in der Grössenordnung von nun CHF 3 Mia. (Summe für den gesamten Finanzplatz). Abkommen dieser Form wurden elf Schweizer Banken individuell unterbreitet, womit sich die Krise von einer Globallösung (Vergangenheitsbewältigung für den gesamten Finanzplatz) wegbewegte. Die Erfüllung der Bedingungen hätte für das einzelne Institut Klagefreiheit bedeutet, nicht aber für den gesamten Finanzplatz.

USA verschärft Druck auf den Schweizer Finanzplatz erneut (2011)
Dossier: Too-big-to-fail (TBTF) nach der Finanzkrise 2008

Die Verhandlungen mit den USA zu Beilegung des Steuerstreits entwickelten sich im Sommer 2011 dahingehend, dass ein Vergleich immer wahrscheinlicher wurde. Kurz bevor der Ständerat als Erstrat die Anpassung der bestehenden DBA an die zukünftig zu erwartenden OECD-Standards (Zulassung von Gruppenanfragen) beriet, berichtete Staatssekretär Michael Ambühl (Chefunterhändler mit den USA), dass die Vereinigten Staaten zu einer Globallösung bereit wären. Dazu forderten die USA die Übernahme der künftigen OECD-Standards im neuen US-Doppelbesteuerungsabkommen per September 2009 sowie die Lieferung von anonymisierten statistischen Daten zu US-Kundenbeziehungen von zehn Schweizer Banken (Mindestguthaben USD 50 000; Zeitraum 2002 bis 2010). Diese Datenlieferung, die nach gängiger Lesart keinen Bruch mit dem Bankgeheimnis darstellte, wurde im September 2011 teilweise direkt durch die Banken, in Absprache mit dem zuständigen Staatssekretariat für internationale Finanzfragen getätigt. Weiter sollte der gesamte Finanzplatz eine Busse im Umfang von ungefähr CHF 2 Mia. bezahlen. Im Gegenzug versicherten die USA, auf Straf- und Zivilklagen gegen Schweizer Banken verzichten zu wollen. Der Vergleich scheiterte vorerst am Widerstand des Ständerats: Politiker der SVP, CVP und FDP monierten, dass der Umfang der Gruppenanfragen zu wenig genau umrissen und daher die seriöse Prüfung der Vorlage nicht möglich sei. Das Geschäft wurde vertagt. In der Wintersession 2011 verhalfen die Mitteparteien, ideell unterstützt durch die Bankiervereinigung, der Vorlage im Ständerat zum Durchbruch. Lediglich die SVP wehrte sich gegen die vorzeitige Übernahme der künftigen OECD-Standards im neuen DBA mit den USA mit Hinweis auf den Bruch des Bankgeheimnisses. Die Ergänzung der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen mit den künftigen OECD-Standards wird 2012 vom Nationalrat behandelt werden.

Verhandlungen mit den USA zu Beilegung des Steuerstreits

Eine Motion Bischof (cvp, SO) beschäftigte sich mit den Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz mit dem Vereinigten Königreich (UK) und den USA.Sie verlangte, dass alle Vertragspartner in Sachen Bankkundengeheimnis ähnliche Regelungen vorsehen müssten. Ivo Bischof erwähnte rechtliche Möglichkeiten in Grossbritannien und den USA, die verhinderten, die wirtschaftlich Berechtigten eines Vermögenswerts offenzulegen. Der Bundesrat wurde beauftragt, eine entsprechende Gesetzesänderung für die Schweiz vorzuschlagen, die eine solche Möglichkeit ebenfalls einschliesse. So sollte ein kompetitiver Rechtsrahmen für den Schweizer Finanzplatz geschaffen werden. Bischof sah ein, dass die Lösungen im Vereinigten Königreich und den USA unbefriedigend seien, ging aber offensichtlich davon aus, dass die ausländischen Regelungen in den Verhandlungen nicht zur Disposition stehen würden. Trotz Einwand des Bundesrats, dass die Motion seinen Handlungsspielraum in den Verhandlungen um die Doppelbesteuerungsabkommen einschränke, wurde sie im Nationalrat (Erstrat) mit 81 zu 75 und im Ständerat (Zweitrat) mit 21 zu 12 angenommen. Zusätzlich zur CVP unterstützte allein die SVP die Motion, während die übrigen Parteien den Vorstoss ablehnten.

Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz mit dem Vereinigten Königreich (UK) und den USA
Dossier: Bankgeheimnis
Dossier: Doppelbesteuerungsabkommen

Der Staatsvertrag in Sachen DBA/UBS regelte zwar nur den Einzelfall UBS, sah aber im Sinne eines Präzedenzfalls Verhandlungen über ein ähnliches Abkommen vor, sollte eine weitere Unternehmung in vergleichbarem Ausmass („gleiches Handlungsmuster unter gleichen Umständen“) US-Recht gebrochen haben wie die UBS. Ein solches Abkommen hätte bei entsprechendem Abschluss ebenfalls rückwirkende Datenlieferung im Zusammenhang mit fortgesetzter, schwerer Steuerhinterziehung ausgelöst. Die USA nutzten diese Präzedenzwirkung um im Berichtsjahr Druck auf die ebenfalls systemrelevante Credit Suisse (CS) aufzubauen. Die US-Behörden beschuldigten die Bank, ähnlich wie die UBS gehandelt zu haben und forderten sie dazu auf, ebenfalls rückwirkend, Kundendaten zu liefern. Weil im Bundesbeschluss vom September 2010 betreffend rückwirkende Datenlieferungsoption nur der Einzelfall UBS erfasst war, hätte eine entsprechende Anwendung des genannten Passus erneut via Staatsvertrag und Absegnung durch das Parlament erfolgen müssen. Dies löste unter allen grossen Parteien starken Wiederstand aus, wenngleich anerkannt wurde, dass eine US-Strafklage gegen die CS ebenfalls existenzbedrohendes Ausmass annehmen würde. Der Bundesrat schloss einen neuerlichen Staatsvertrag mit rückwirkender Amtshilfe dezidiert aus, weil er das Verhalten der CS als ungleich weniger gravierend einstufte als jenes der UBS. Dabei äusserte er rechtsstaatliche Bedenken bezüglich der Rückwirkung. Genannter Passus konnte nur bis zur Erfüllung des UBS-Staatsvertrags angewendet werden, was zum Zeitpunkt der US-Drohungen schon fast vollständig der Fall war (vollständig spätestens ab September 2011). Weil der Bundesrat eine erneute Anwendung von Notrecht kategorisch ausschloss, schien es jedoch ungeachtet der Vorgeschichte möglich, dass die Schweiz erneut den Weg via Staatsvertrag nehmen musste, wenn entsprechender Druck aus den USA im Falle der CS stark und glaubwürdig ansteigen würde.

Druck auf die ebenfalls systemrelevante Credit Suisse (CS; 2011)
Dossier: Too-big-to-fail (TBTF) nach der Finanzkrise 2008

Das Parlament befasste sich im Juni mit dem Geschäft. Die kleine Kammer sah sich als Erstrat vor das Dilemma gestellt, bei einer Annahme des Vertrags die Verletzung des Bankgeheimnisses und damit schweizerischen Rechts zu akzeptieren, bei einer Ablehnung aber eine völkerrechtlich verbindliche Vereinbarung zu missachten. Da im Fall einer Ablehnung politische, rechtliche und wirtschaftliche Retorsionsmassnahmen zu befürchten waren, votierte die Ratsmehrheit mit wenig Begeisterung und im Sinn einer Güterabwägung für eine Annahme des Vertrags. Zwei Vorbehalte gegenüber dem Abkommen gelangten als Minderheitsanträge zur Debatte. Sowohl der von einzelnen CVP-, SVP-, SP-, SVP-, und GPS-Ständeräten gestützte Antrag eines Rückwirkungsverbots als auch die Forderung der SP, den Vertrag dem fakultativen Referendum zu unterstellen, wurden mit 32 zu 10 bzw. 27 zu 13 Stimmen abgelehnt. In der Schlussabstimmung wurde die unveränderte Bundesratsvorlage nach fünfstündiger Debatte und gegen den Willen der Ratslinken mit 31 zu 12 Stimmen akzeptiert. 

Protokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit den USA

Ende August meldete das Bundesverwaltungsgericht neuen Personalbedarf an. Anlass dazu war die grosse Anzahl von Beschwerden, die im Zusammenhang mit dem Amtshilfegesuch der USA bei der Aufklärung von Steuerdelikten von Kunden der schweizerischen Grossbank UBS zu erwarten waren. Um die UBS vor zivilrechtlichen Klagen zu schützen, hatte sich die Schweiz in einem am 19. August unterzeichneten bilateralen Abkommen verpflichtet, ein rund 4450 Konten betreffendes Amtshilfegesuch der USA innert eines Jahres zu bearbeiten. Die für die Bewältigung dieser Arbeit erforderlichen Richterstellen sollten jedoch nicht dauerhaft eingerichtet werden. Da die rechtlichen Grundlagen für die Schaffung von befristeten Richterstellen noch fehlen, beantragte die Rechtskommission des Nationalrats mit dem Einverständnis ihrer Schwesterkommission der kleinen Kammer, eine entsprechende Verordnung der Bundesversammlung und die Bewilligung von höchstens fünf zusätzlichen, auf zwei Jahre befristeten Richterstellen. Eine aus Mitgliedern der SVP gebildete Kommissionsminderheit bekämpfte diesen Vorschlag, der Bundesrat unterstützte ihn. Der Nationalrat nahm die befristete Erhöhung der Richterzahl und die zugrundeliegende Rechtsgrundlage gegen den Widerstand der SVP an. Nachdem auch die kleine Kammer oppositionslos damit einverstanden war, konnte die Vorlage noch in der Herbstsession verabschiedet werden.

Stellenerhöhung beim Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit dem Amtshilfegesuch der USA zur UBS (Pa.Iv. 09.475)
Dossier: Anzahl Richterinnen- und Richterstellen an den eidgenössischen Gerichten

Ab Juli verhandelte die schweizerische Regierung dann auch direkt mit der US-Exekutive. Anfangs August zeichnete sich eine aussergerichtliche Lösung ab, die am 12. August konkret wurde: Die Schweiz schloss mit den USA einen Staatsvertrag ab. Darin ist festgehalten, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung bei 4450 UBS-Konten von US-Bürgern entscheiden muss, ob Amtshilfe wegen Verdachts auf Steuerbetrug oder schwere Steuerhinterziehung gewährt wird. Diese Entscheide müssen innerhalb von einem Jahr getroffen werden. Als Gegenleistung zogen die US-Behörden ihre Zivilklage gegen die UBS zurück. National- und Ständerat bewilligten in der Herbstsession die Schaffung von zusätzlichen, zeitlich befristeten Richterstellen beim Bundesverwaltungsgericht zur Bewältigung von allfälligen Rekursen von UBS-Kunden.

Untersuchung der US-Steuerbehörde IRS

Die schweizerische Grossbank UBS war 2007 in den USA unter besonderen Druck geraten. Eine Untersuchung der US-Behörden wegen Beihilfe der Bank zu Steuerbetrug ging 2009 weiter. Im Februar verlangten die mit der langen Dauer des schweizerischen Rechtshilfeverfahrens unzufriedenen Amerikaner die Herausgabe von Informationen über 250 Bankkundendossiers und drohten bei einer Weigerung die Verhängung einer riesigen Busse gegen die UBS, welche sie wohl in den Konkurs getrieben hätte. Die Finma befahl daraufhin der UBS die Übermittlung dieser Informationen und berief sich dabei auf einen Notstandsartikel im Bankengesetz. Der Bundesrat verteidigte diese Aktion der Finma und wies darauf hin, dass die von der UBS in den USA begangenen Handlungen auch in der Schweiz strafbar seien. Unmittelbar nach der Übermittlung dieser Daten verlangten US-Steuerbehörden via eine privatrechtliche Gerichtsklage in Miami Auskünfte über die Inhaber von weiteren 52 000 Konten. Mit Unterstützung des Bundesrates verweigerte die UBS diese schweizerischen Gesetzen und auch dem DBA mit den USA widersprechende Herausgabe von Daten ohne konkrete Verdachtsmomente gegenüber den Kontoinhabern.

Untersuchung der US-Steuerbehörde IRS

In der Frühjahrssession, also kurz nach der Bekanntgabe der neuen Strategie des Bundesrates, führten beide Parlamentskammern grosse Debatten über die Zukunft des Finanzplatzes Schweiz und dabei insbesondere über das vom Ausland immer stärker attackierte Bankgeheimnis bei Steuerhinterziehung durch. Der Nationalrat, wo die Diskussion besonders emotional geführt wurde, behandelte eine Reihe von Motionen, Postulaten und Interpellationen zu diesem Thema. Die Linke wiederholte in der Diskussion ihre seit Jahrzehnten vertretene Position, dass sich die Schweiz mit ihrem Festhalten am gegenwärtig praktizierten Bankgeheimnis (keine Rechtshilfe bei Steuerhinterziehung) international isoliere und damit auch dem Wirtschaftsstandort Schweiz schade. Die FDP und die CVP verteidigten die Politik des Bundesrates. Die SVP kritisierte diese Haltung des Bundesrates als Kapitulation in einem Wirtschaftskrieg. Sie forderte die Verankerung des Bankgeheimnisses in der Bundesverfassung und lehnte die Amtshilfe bei Steuerhinterziehung ab. Zudem verlangte sie von der Regierung einen Gegenangriff auf Grossbritannien und die USA, welche Steuerhinterziehern ebenfalls Schlupflöcher anbieten würden.

Im Anschluss an diese Auseinandersetzung lehnte der Nationalrat mehrere Motionen und Postulate der SP-Fraktion ab. Darunter befand sich auch die Forderung, im Inland Steuerhinterziehung strafrechtlich zu verfolgen, den Personalbestand der Steuerverwaltung aufzustocken und in den Ausschüssen der UNO und der OECD zu Fragen der Steuerhinterziehung und Steuervereinheitlichung mitzuarbeiten. Keinen Erfolg hatte auch eine Motion der SVP-Fraktion, welche verlangte, dass keine Doppelbesteuerungsabkommen gemäss OECD-Standard mit Nicht-OECD-Staaten abgeschlossen werden. Der Rat überwies einzig eine auch vom Bundesrat empfohlene Motion Fässler (sp, SG) für die Einsetzung einer Task-Force, welche sich mit den Problemen im Zusammenhang mit den Auseinandersetzung zwischen der USA und der schweizerischen Grossbank UBS befasst.

Debatten über die Zukunft des Finanzplatzes Schweiz

Unter besonderen Druck geriet die schweizerische Grossbank UBS in den USA. Dort hatte Ende 2007 ein Immobilienmakler im Rahmen einer Untersuchung der US-Steuerbehörde IRS zugegeben, mit Hilfe von Angestellten der UBS Hunderte von Millionen Dollar vor den Steuerbehörden versteckt zu haben. Im Rahmen der Abklärungen gegen die UBS verhafteten die amerikanischen Behörden einen aktuellen und einen früheren UBS-Mitarbeiter. Letzterer trat als Kronzeuge auf und gab den Behörden ausführlich Auskunft über die Mittel, mit welchen UBS-Angestellte amerikanische Kunden bei der Steuerhinterziehung und -umgehung unterstützt hatten. Nach diplomatischen Bemühungen der Schweiz, welche befürchtete, dass die UBS unter dem Druck einer Lizenzverweigerung die Kundenbeziehungen offen legen könnte und damit gegen schweizerisches Recht verstossen würde, reichten die US-Behörden bei der Schweiz ein ordentliches Rechtshilfegesuch ein. Das Tempo, das die Schweiz bei der Behandlung dieses Gesuchs anschlug, erschien den Amerikanern jedoch als zu zögerlich. Ende 2008 verlangten sie ultimativ den Abschluss dieses Rechtshilfeverfahrens bis Anfang 2009.

Untersuchung der US-Steuerbehörde IRS

Als sich die beiden Seiten bei weiteren Verhandlungen anfangs Juli nicht einigen konnten, erhöhte die amerikanische Seite den Druck mit der oben dargestellten Wiederbelebung der Boykottdrohungen. Die Banken blieben vorerst bei ihrem Angebot und die Verhandlungen gingen, begleitet von viel an das breite Publikum gerichtete Rhetorik und Polemik von seiten der amerikanischen Organisationen und Anwälte weiter. Nach zähen Verhandlungen unter dem Vorsitz von Edward Korman, des für die Sammelklagen gegen die UBS (als Nachfolgerin des SBV und der SGB) und die Crédit Suisse zuständigen New Yorker Richters, kam es am 12. August zu einer Einigung. Die Beteiligten unterzeichneten ein Abkommen, welches die beiden Grossbanken zur Bezahlung von USD 1.32 Mia. in vier über drei Jahre verteilte Raten verpflichtet. Diese Summe setzt sich zusammen aus einer Pauschalzahlung von 850 Mio. (wobei die Banken auf Solidaritätsbeiträge der Schweizer Industrie hoffen) und die bereits geleistete Einlage in den Spezialfonds für Holocaustopfer (70 Mio.). Eingeschlossen sind aber auch die Gelder, die im Rahmen der Suchaktion des Volker-Komitees (siehe oben) aufgespürt werden. Dieser Betrag wird inkl. Zinsen und Entschädigungen auf rund USD 400 Mio. geschätzt. Explizit eingeschlossen in diesem Vergleich der Banken mit den jüdischen Organisationen und den Anwälten der Sammelkläger sind sämtliche Forderungen gegenüber den Schweizer Behörden, der Nationalbank und der Wirtschaft mit Ausnahme der Versicherungsgesellschaften. Ebenfalls in diesem Betrag enthalten sind sämtliche Anwaltskosten der Kläger.

Aufklärung über allfällige Vermögenswerte von Nazi–Opfern auf Schweizerbanken (Mo. 95.3257)
Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken

Ende Mai veröffentlichte die Kommission Bergier einen Zwischenbericht zum Goldhandel der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs. Er bestätigte die wichtige Rolle der Schweizerischen Nationalbank bei den Goldverkäufen Deutschlands, brachte aber keine aufsehenerregenden neuen Erkenntnisse. Eine Präzisierung brachte der Bericht in bezug auf den Umfang der von der Deutschen Reichsbank gekauften Goldbarren, die nachweislich, aber ohne dass die SNB dies damals erkennen konnte, von Opfern des Holocaust stammten. Deren Wert betrug gemäss den Erkenntnissen der Bergier-Kommission CHF 582'000. Dieser Zwischenbericht bestätigte allerdings die jüdischen Organisationen, aber auch US-Unterstaatssekretär Eizenstat in ihrer Haltung, dass sich die SNB an der Globallösung der Banken beteiligen müsse. Ende Juni reichten amerikanische Anwälte, welche bereits Sammelklagen gegen die Schweizer Grossbanken eingereicht hatten, beim Bundesbezirksgericht in Washington zudem auch eine solche gegen die Schweizerische Nationalbank ein. Die Nationalbank ihrerseits stritt die im Bericht erwähnten Handlungen nicht ab, kritisierte jedoch die Bergier-Kommission, weil sie es unterlassen habe, neben der historischen und politischen Analyse auch eine ökonomische vorzunehmen. Diese hätte unter anderem berücksichtigen müssen, dass der Spielraum der damaligen SNB-Leitung auch durch die Blockierung ihrer Guthaben in den USA eingeengt worden sei.

Goldhandel der SNB mit Deutschland während dem zweiten Weltkrieg

Ganz auf Eis gelegt waren die Boykotte allerdings nicht. Im Mai beschloss das Parlament des US-Staates New Jersey ein Gesetz, das die staatlichen Behörden zu einem Boykott schweizerischer Banken verpflichtet; die ursprünglich geplanten Sperren gegen andere schweizerische Unternehmen wurden hingegen fallengelassen (der Senat als Zweitkammer brauchte wegen des Abschlusses einer Globallösung im August das Gesetz nicht mehr zu beraten). Anfangs Juli, als die Verhandlungen mit den Banken über eine Globallösung ins Stocken gerieten, sprach sich der vom New Yorker Finanzchef Alan Hevesi formierte Ausschuss für eine Aufhebung des Moratoriums aus und gab damit den staatlichen Behörden freie Hand für die Ergreifung von Boykottmassnahmen. Unmittelbar nach diesem Entscheid gaben weitere Finanzchefs von Bundesstaaten und Gemeinden ihre Boykottpläne bekannt, die bis zum Abschluss einer Vereinbarung stufenweise gesteigert werden sollten und z.B. im Falle der Stadt New York auf alle schweizerischen Firmen ausgedehnt worden wären. Bundespräsident Cotti forderte darauf US-Präsidenten Clinton in einem „persönlichen Brief“ auf, sich gegen diese angedrohten Massnahmen einzusetzen.

Aufklärung über allfällige Vermögenswerte von Nazi–Opfern auf Schweizerbanken (Mo. 95.3257)
Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken