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Zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative Rickli (svp, ZH) für die staatliche Haftung bei bedingten Entlassungen und Strafvollzugslockerungen hatte die RK-NR vorgeschlagen, Art. 380a StGB dahingehend zu erweitern, dass der Staat für im geöffneten Straf- oder Massnahmenvollzug durch einen Rückfall verursachte Schäden haftet, und zwar unabhängig von einem unerlaubten Handeln oder Verschulden vonseiten des Staates (Kausalhaftung). In der Vernehmlassung fiel dieser Vorschlag jedoch durch: Bei 40 von 46 Vernehmlasserinnen und Vernehmlassern stiess der Vorentwurf auf uneingeschränkte Ablehnung; nur die BDP und der Schweizerische Gewerbeverband brachten ihre vorbehaltlose Unterstützung zum Ausdruck, während die CVP mit Vorbehalt zustimmte. Die Hauptkritik der Vernehmlassungsteilnehmenden bezog sich dabei nicht auf die Umsetzung, sondern auf das Anliegen an sich, da es das System der stufenweisen Wiedereingliederung von Gefangenen torpediere. Es wurde mithin befürchtet, die Regelung führe zu weniger gewährten Vollzugsöffnungen, zu mehr Gerichtsverfahren infolge Anfechtung der ablehnenden Entscheide sowie zu erhöhtem Platzbedarf und damit zu mehr Überbelegung in Strafanstalten. Einerseits würde so die Rückfallgefahr nicht gemindert und die öffentliche Sicherheit nicht erhöht. Andererseits wäre eine solche Regelung mit erheblichem Mehraufwand für die Kantone verbunden, in deren Zuständigkeit der Strafvollzug liegt. Nicht zuletzt darum lehnten alle 25 teilnehmenden Kantone den Entwurf einhellig ab. Für die Kommissionsmehrheit war dieses Ergebnis Grund genug, die parlamentarische Initiative nicht weiterzuverfolgen und dem Rat mit 15 zu 9 Stimmen deren Abschreibung zu beantragen. Eine Minderheit Rickli wollte die Umsetzung des Vorstosses dennoch weiterverfolgen und beantragte dementsprechend die Verlängerung der Behandlungsfrist. Es müsse endlich etwas dagegen getan werden, dass nie jemand die Verantwortung übernehme, wenn ein Täter während gelockerten Strafvollzugs oder bedingter Entlassung rückfällig werde, appellierte Andrea Martina Geissbühler (svp, BE) an das Nationalratsplenum; zur Sicherheit der Bevölkerung müssten Täter im Zweifel eingesperrt bleiben. Der Nationalrat gab diesem Minderheitsantrag in der Sommersession 2019 mit 101 zu 87 Stimmen bei einer Enthaltung statt, womit er die Behandlungsfrist bis zur Sommersession 2021 verlängerte. Neben der geschlossenen SVP-Fraktion stimmten auch grosse Teile der FDP-, CVP- und BDP-Fraktionen für die Fristverlängerung, während sich das links-grüne Lager abgesehen von der einen Enthaltung geschlossen dagegen stellte.

Haftung bei bedingten Entlassungen und Strafvollzugslockerungen (Pa.Iv. 13.430)

Frischen Wind in die gesellschaftliche Debatte ums nationale Verhüllungsverbot brachte die grossmehrheitliche Zustimmung des St. Galler Stimmvolks zu einem Verhüllungsverbot auf kantonaler Ebene im September 2018. Damit war St. Gallen nach dem Tessin der zweite Kanton, in dem die Gesichtsverhüllung in der Öffentlichkeit verboten wurde. Der Präsident des Initiativkomitees der nationalen Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot», der Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann, deutete die St. Galler Entscheidung als ein positives Zeichen für die bevorstehende Abstimmung über das schweizweite Verhüllungsverbot. Bundespräsident Berset gab demgegenüber in der Presse zu Protokoll, man nehme das Resultat auf Kantonsebene zur Kenntnis, aber auf nationaler Ebene sei die Debatte eine andere – dies wohl, weil die St. Galler Bestimmung die Gesichtsverhüllung nur dann verbietet, wenn von ihr eine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit ausgeht.
Im Zuge der gleichzeitig laufenden Vernehmlassung zum Bundesgesetz über das Gesichtsverhüllungsverbot, das vom Bundesrat als indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative aus der Taufe gehoben worden war, taten im Herbst 2018 zahlreiche Akteure ihre Ansichten zur Burkafrage in den Medien kund. Unter den Parteien lehnten neben der SVP – ihres Erachtens nehme der bundesrätliche Gegenvorschlag das Anliegen der Initiative nicht ernst – auch die Grünen den indirekten Gegenvorschlag ab. Sie betrachteten den Gegenvorschlag als unverhältnismässig und unnütz, da Nötigung ohnehin bereits verboten sei und der Gegenvorschlag genauso wenig zu den Rechten und zur Gleichberechtigung muslimischer Frauen beitrage wie die Initiative; letztlich schürten beide Vorurteile gegen die muslimische Bevölkerung. Auf der anderen Seite begrüsste die GLP den Vorschlag des Bundesrates vorbehaltlos. Die CVP und die FDP unterstützten beide die Stossrichtung des Bundesrates, brachten aber entgegengesetzte Vorbehalte zum Ausdruck. Während sich die CVP eine weitergehende Regelung im Sinne eines auf Gesetzesebene verankerten, allgemeinen Verhüllungsverbots wünschte, lehnte die FDP ein solches auf nationaler Ebene kategorisch ab – dies liege in der Kompetenz der Kantone – und zweifelte generell am Gesetzgebungsbedarf in dieser Frage, da es sich bei der Burka in der Schweiz um eine marginale Erscheinung handle. Für gut befand die FDP jedoch die klaren Regeln zum Behördenkontakt. Dieser Teil des bundesrätlichen Vorschlags war – neben der Feststellung, es sei richtig, der Initiative überhaupt mit einem indirekten Gegenvorschlag entgegenzutreten – auch der einzige Punkt, den die SP mehr oder weniger einhellig unterstützte. In allem, was darüber hinausging, zeigten sich die Sozialdemokraten gespalten. Der Waadtländer Nationalrat Pierre-Yves Maillard, der sich schon zuvor als Burka-Gegner zu erkennen gegeben hatte, fand in seiner Partei rund 40 Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die ein Verbot der Burka in der Schweiz befürworteten, wenn auch nicht in der Bundesverfassung, sondern auf Gesetzesstufe. Sein Lausanner Parteikollege Benoît Gaillard bezeichnete die Burka als eine religiöse Praxis, die der Gleichstellung von Mann und Frau, den Menschenrechten und den Fundamenten der Demokratie zuwiderlaufe. Man dürfe nicht ein Jahrhundert des Kampfes für die Gleichstellung der Geschlechter der Toleranz gegenüber einer religiösen Minderheit opfern, denn der Gesichtsschleier beraube die Frauen ihrer öffentlichen Existenz, was nicht mit der Schweizer Bürgerschaft vereinbar sei. Der bundesrätliche Gegenvorschlag tauge demnach gemäss Maillard nicht, um den Erfolg der Initiative zu verhindern. Ebenfalls für ein Burkaverbot auf Gesetzesstufe sprach sich die Waadtländer Ständerätin Géraldine Savary aus; sie sah den Vorschlag des Bundesrates als geeigneten Ausgangspunkt für die entsprechende parlamentarische Debatte. Mit einer rein parlamentarischen Lösung, hoffte sie, könnte die Abstimmung über die Volksinitiative verhindert und der Abstimmungskampf vermieden werden, der die muslimische Bevölkerung stigmatisieren und die Frauen «als Geiseln nehmen» werde, wie sie der «Tribune de Genève» erklärte. Eine andere Ansicht vertrat hingegen beispielsweise der Genfer Nationalrat Carlo Sommaruga, der den Gegenvorschlag genügend überzeugend fand, um den zögernden Teil der Wählerschaft zu gewinnen. Er erlaube die Bestrafung von Nötigung und lasse gleichzeitig den Frauen, die sich aus freien Stücken verschleiern wollten, die Wahl; allen unsere Vorstellung von Gleichheit aufzuzwingen wäre hingegen Ausdruck eines «kolonialen Feminismus», wie Sommaruga von «Le Temps» zitiert wurde.
Von den insgesamt 69 eingegangenen Stellungnahmen qualifizierte der Ergebnisbericht zur Vernehmlassung rund zwei Drittel, mehrheitlich mit Vorbehalten, als befürwortend und ein Drittel als ablehnend. Neben der SVP, den Grünen, der EVP, der EDU, dem Egerkinger Komitee, der EKR, dem SGB und vier weiteren Organisationen lehnten sowohl die KKJPD als auch sieben Kantone den bundesrätlichen Gegenvorschlag ab. Ihrer Ansicht nach sollten die Kantone selbst über die Frage des Verhüllungsverbots entscheiden können beziehungsweise bringe der Vorschlag des Bundesrates keinen Mehrwert gegenüber dem geltenden Recht. Demgegenüber unterstützten die übrigen Parteien der Bundesversammlung, 18 Kantone, verschiedene Frauen- und Menschenrechtsorganisationen sowie u.a. die EKF, die SKG, der schweizerische Tourismusverband und Hotelleriesuisse den Gegenvorschlag, wobei einige von ihnen erklärten, dass dieser sogar noch weiter gehen dürfte. Positiv hervorgehoben wurde von verschiedenen Teilnehmenden, dass der Gegenvorschlag die Autonomie der Kantone wahre und so auch Rücksicht auf die Tourismusdestinationen nehme, dass er Probleme gezielt dort löse, wo sie aufträten, und dass er klare und einfach anwendbare Regeln enthalte. Der Bezug zur Initiative wurde unterschiedlich beurteilt. Während einige die Ansicht vertraten, der Gegenvorschlag nehme das Anliegen der Initiative auf und beseitige deren unangemessene Punkte, sahen andere keine Vergleichbarkeit mit der Initiative. Passend zum Tenor der Vernehmlassungsergebnisse resümierte der Tages-Anzeiger, der Vorschlag des Bundesrates sei «umstritten, aber nicht chancenlos».

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Mitte Dezember 2017 gab der Bundesrat den Medien bekannt, dass er die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» ablehne, ihr aber mit einem indirekten Gegenvorschlag begegnen möchte. Die Initiative für ein nationales Verbot sei abzulehnen, weil die Kantone selber entscheiden können sollten, ob sie die Gesichtsverhüllung im öffentlichen Raum verbieten wollen oder nicht. So hätten die Kantone Tessin und St. Gallen ein solches Verbot befürwortet, während es in Zürich, Solothurn, Schwyz, Basel-Stadt und Glarus abgelehnt worden sei. Diesen unterschiedlichen Befindlichkeiten gelte es Rechnung zu tragen. Der Bundesrat anerkenne jedoch, dass die Gesichtsverhüllung problematisch sein könne, und zwar zum einen, wenn jemand zur Verhüllung gezwungen werde, und zum anderen im Kontakt mit den Behörden. Er wollte sich dieser Problematik daher mit einem indirekten Gegenvorschlag annehmen, der Regelungen auf Gesetzesebene vorsehe, ohne den Kompetenzbereich des Bundes zu überschreiten. Konkret solle es im Strafgesetzbuch ausdrücklich verboten werden, jemanden zur Verhüllung des Gesichts zu zwingen. Zudem solle der Kontakt mit Bundesbehörden und Bundesrecht vollziehenden Behörden unter Androhung von Strafe unverhüllt erfolgen müssen. Der Bundesrat beauftragte das EJPD mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Vernehmlassungsvorlage bis Ende Juni 2018.
Bei den Initianten vermochte der Vorschlag des Bundesrats wenig Eindruck zu erwecken; er sei «schwammig» und entspreche nicht dem Anliegen der Initiative, so Walter Wobmann (svp, SO) gegenüber der Basler Zeitung. Das Komitee halte an der Initiative fest und blicke der Abstimmung nach wie vor zuversichtlich entgegen. Die SVP lehnte den bundesrätlichen Vorschlag ebenfalls als «wirkungslos» ab, wie in der Presse zu lesen war. Auf wenig Gegenliebe stiess der Vorschlag indes auch bei den Grünen. Nationalrat Balthasar Glättli (gp, ZH) bezeichnete ihn gegenüber der Basler Zeitung als «falsch und überflüssig», weil Nötigung ohnehin strafbar sei, und machte ihm in der Aargauer Zeitung den gleichen Vorwurf wie der Initiative selbst, nämlich zur «Stimmungsmache gegen Muslime in der Schweiz» beizutragen. Positiver äusserten sich die CVP und die SP zur Stossrichtung des Bundesrates, wenngleich sich die SP weiter auf ihren eigenen direkten Gegenentwurf zur Verbesserung der Gleichstellung der Frauen konzentrieren wollte. SP-Nationalrat Cédric Wermuth (sp, AG) bedauerte im Tages-Anzeiger, dass der Bundesrat sich nicht getraut habe, «die Debatte neu auszurichten», und dass der Gegenvorschlag «keine Antwort auf das Unbehagen» liefere, das hinter der Initiative stehe. Von verschiedenen Seiten wurde der bundesrätliche Vorschlag auch als nicht oder nur schwer umsetzbar kritisiert, da Frauen, die gezwungen werden, sich zu verschleiern, dies eher nicht bei der Polizei zur Anzeige bringen würden. Ständerat Andrea Caroni (fdp, AR), der bereits ein Gegenkomitee zur Initiative gegründet hatte, begrüsste dagegen den Vorschlag des Bundesrates. Er sei zwar nicht «das Ei des Kolumbus», eröffne aber die Möglichkeit für eine gezielte Debatte über die Probleme im Zusammenhang mit der Gesichtsverhüllung und über allfällige Lösungen, so Caroni gegenüber «Le Temps».

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Zur Vernehmlassung zum Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen, deren Frist Ende Januar 2016 abgelaufen war, wurde im Juli 2017 der Ergebnisbericht veröffentlicht. Die 58 eingegangenen Stellungnahmen verteilten sich auf 25 Kantone (der Kanton Glarus verzichtete ausdrücklich auf eine Stellungnahme), sechs politische Parteien (BDP, CVP, FDP, GP, SP, SVP) und 27 weitere Organisationen. Die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen wurde von allen Vernehmlassungsteilnehmenden als Notwendigkeit anerkannt, wenn auch die Meinungen darüber auseinandergingen, wie diese Verbesserung erzielt werden soll.
Bei den zivilrechtlichen Gewaltschutzmassnahmen war vor allem die Möglichkeit der elektronischen Überwachung («Electronic Monitoring») von Tatpersonen sehr umstritten. Während die grosse Mehrheit der Vernehmlasserinnen und Vernehmlasser die Einführung einer solchen Möglichkeit grundsätzlich begrüsste, zweifelten andere die Wirksamkeit einer solchen Massnahme generell an, da das resultierende Sicherheitsgefühl trügerisch und die Massnahme gegen telefonisches oder Online-Stalking erfolglos sei. Doch auch von den Befürwortern des Electronic Monitoring äusserten Viele Bedenken im Hinblick auf dessen Umsetzung. So stosse die Überwachungstechnologie heutzutage noch an Grenzen, innerhalb derer nur eine passive, retrospektive Überwachung möglich sei und keine aktive Überwachung mit unmittelbarer polizeilicher Intervention, wie sie im Vorentwurf angedacht wäre. Auch die Ortungsgenauigkeit der verfügbaren GPS- und LBS-Systeme lasse – mit geografisch bzw. topografisch bedingten Abweichungen von bis zu 25 km im schlechtesten Fall – zu wünschen übrig und ermögliche kaum ein genügend schnelles Eingreifen, um eine Gewalttat zu verhindern. Geeignet sei eine solche Massnahme ohnehin nur, wenn das Risiko einer Gewaltausübung nicht zu gross sei, weshalb die Eignungsabklärung immer mit einer Risikoabschätzung verbunden werden müsste. Neben der Kritik am hohen finanziellen und personellen Aufwand wurde auch die Verhältnismässigkeit angezweifelt: Angesichts dessen, dass es sich bei den betroffenen Personen nicht um rechtskräftig Verurteilte handle, stehe die vorgesehene 12-monatige Tragepflicht der elektronischen Fussfessel in keinem Verhältnis zur Sanktion, welche im Falle eines strafrechtlichen Schuldspruchs zu erwarten wäre. Ganz allgemein wurde auch kritisiert, dass das Electronic Monitoring als eine eigentlich strafrechtliche Vollzugsmassnahme im Zivilrecht fehl am Platz sei. Solche Skepsis äusserten nebst 20 Kantonen, der Grünen Partei und der SP auch mehrere juristische Vereinigungen, das Centre Patronal, die KKJPD, der SGV, die Universität Lausanne, die KKPKS, der Kinderschutz Schweiz, die Schweizerische Konferenz gegen häusliche Gewalt, die Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten, der Städteverband und Travail.Suisse.
Ebenfalls kontrovers aufgenommen wurde die Bestimmung, wonach die Kantone Weiterbildungsmöglichkeiten für Personen, die mit Gewaltschutzfällen zu tun haben – beispielsweise im Rahmen einer Tätigkeit bei der Kriseninterventionsstelle oder bei Gerichten –, bereitstellen müssen. Während sich knapp die Hälfte der Vernehmlassungsteilnehmenden positiv dazu äusserte, kam das Vorhaben bei rund einem Fünftel der Stellungnehmenden nicht gut an. Moniert wurde hauptsächlich der Verstoss gegen das föderalistische Prinzip, da es sich bei der Weiterbildung um eine kantonale Kompetenz handle. Von einer breiten Mehrheit begrüsst wurde hingegen die vorgesehene Mitteilungspflicht von Gewaltschutzentscheiden des Zivilgerichtes an andere Behörden wie die KESB und die kantonale Kriseninterventionsstelle, soweit dies notwendig erscheint, damit letztere ihre Aufgaben erfüllen können. Ebenso mehrheitlich positiv aufgenommen wurden die Anpassungen an der Zivilprozessordnung, darunter der Wegfall der Gerichtskosten und des Schlichtungsverfahrens.
Bei den strafrechtlichen Gewaltschutzmassnahmen wurde vor allem die Änderung begrüsst, dass die Sistierung, Wiederanhandnahme und Einstellung eines Verfahrens nicht mehr allein vom Willen des Opfers abhängig sein und der Behörde eine umfassende Interessenabwägung ermöglicht werden soll. Kritisiert wurde hierbei jedoch der umfangreiche Katalog der bei der Sistierung zu beachtenden Kriterien sowie im Detail die Vorschrift, dass die Behörde ein allfällig von der beschuldigten Person besuchtes Lernprogramm gegen Gewalt beim Sistierungsentscheid berücksichtigen soll. Mehrere Kantone bedauerten, der Anreiz zum Besuch solcher Lernprogramme sei zu lasch und Weitere forderten zusammen mit der SP, den Juristinnen Schweiz, der Schweizerischen Konferenz gegen häusliche Gewalt, der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten und dem Städteverband gar eine obligatorische Verknüpfung der Verfahrenssistierung mit dem Besuch eines Lernprogramms gegen Gewalt. Sehr umstritten war ausserdem die Frage, ob das Opfer vor der Einstellung des Verfahrens zwingend angehört werden muss.
Von sieben Kantonen, der CVP, der Grünen Partei und der SP sowie von der KKPKS, der Interkantonalen Arbeitsgemeinschaft der Geschädigten- und Opfervertretung, dem Kinderschutz Schweiz, Pro Familia, der Schweizerischen Konferenz gegen häusliche Gewalt, der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten, dem Städteverband, Terre des Femmes und von mehreren juristischen Vereinigungen wurde die Vernehmlassungsantwort überdies dazu genutzt, für die Einführung einer spezifischen Stalking-Strafnorm zu plädieren, obwohl – oder gerade weil – eine solche nicht Gegenstand des Vorentwurfs war.

Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen (BRG 17.062)
Dossier: Verbesserung des Schutzes für Stalking-Opfer

Am 3. September 2015 war die Vernehmlassungsfrist zur Umsetzung der Pädophilen-Initiative abgelaufen. Im Februar 2016 veröffentlichte das Bundesamt für Justiz die Vernehmlassungsergebnisse. Nebst allen 26 Kantonen hatten fünf Parteien (BDP, CVP, FDP, SP und SVP), drei gesamtschweizerische Dachverbände (SSV, SGV und SGB) sowie 41 weitere interessierte Organisationen und Institutionen eine Stellungnahme abgegeben. Auf eine Stellungnahme ausdrücklich verzichtet hatten der Schweizerische Gemeindeverband, der Arbeitgeberverband sowie die Bundesanwaltschaft. Der Vernehmlassungsbericht zeigte deutlich, dass eine grosse Mehrheit der Stellungnehmenden – darunter die FDP, 24 Kantone sowie zahlreiche Organisationen aus den Bereichen Sport und Freizeit – dem ersten Entwurf des Bundesrates positiv gegenüberstanden und die darin vorgesehene Ausnahmebestimmung begrüssten. Der hiermit gewährte gerichtliche Ermessensspielraum sei wichtig, um Spannungen zwischen Art. 123c BV und rechtsstaatlichen Prinzipien, insbesondere der Verhältnismässigkeit, sowie den internationalen Menschenrechtsgarantien abzubauen. Für die SP barg auch diese Umsetzungsvariante noch zu viel Konfliktpotenzial; sie plädierte für eine „konsequent grund- und völkerrechtskonforme Umsetzung“ des Verfassungsartikels. Im Gegensatz dazu lehnten die BDP, die CVP und die SVP, die Kantone Schwyz und Wallis sowie das Komitee „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen“ die Umsetzungsvariante mit Härtefallklausel ab. Die Ausnahmebestimmung erfülle in ihren Augen die Forderung des Verfassungsartikels und damit den Willen des Stimmvolkes nicht, indem sie dem Gericht die Möglichkeit gebe, vom zwingenden, lebenslangen Tätigkeitsverbot abzusehen. Die einzig zulässige Ausnahme müsse auf die einvernehmliche Jugendliebe beschränkt bleiben. Nur die zweite Variante ohne generelle Ausnahmebestimmung komme dieser Forderung nach. Mit dieser Position befanden sie sich unter den Vernehmlassungsteilnehmenden jedoch klar in der Minderheit.

Umsetzung der Pädophilen-Initiative (16.048)
Dossier: Pädophilen-Initiative

Die Räte behandelten 2012 eine 2004 eingereichte parlamentarische Initiative der christlichdemokratischen Fraktion, welche den Konsum von Betäubungsmitteln des Wirkungstyps von Cannabis den Ordnungsbussenverfahren unterstellen sowie die Prävention und den Jugendschutz verstärken will. Die Debatte reduzierte sich jedoch auf die Frage nach der Bestrafung des Cannabiskonsums. Einig waren sich die Räte, dass erwachsene Cannabiskonsumenten, die nicht mehr als zehn Gramm Cannabis auf sich tragen, mit einer Ordnungsbusse bestraft werden und dadurch die Polizei und die Justiz entlastet werden sollen. Ein Streitpunkt ergab sich jedoch betreffend der Höhe die Busse. Während der Nationalrat 200 Franken verlangen wollte, beharrte der Ständerat auf 100 Franken. Erst in der dritten Beratung stimmte der Nationalrat dem Antrag der kleinen Kammer zu. So konnte die Gesetzesänderung in der Schlussabstimmung im Ständerat mit 31 zu 11 und im Nationalrat mit 128 zu 57 Stimmen angenommen werden. Im Nationalrat votierte die SVP-Fraktion geschlossen dagegen.

Ordnungsbussen für Cannabiskonsum

In Umsetzung einer angenommenen parlamentarischen Initiative der christdemokratischen Fraktion erarbeitete die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats eine Revision des Betäubungsmittelgesetzes. Neu soll die Polizei den Cannabiskonsum mit einer Ordnungsbusse in der Höhe von CHF 100 ahnden können, wenn der Täter nicht mehr als 10 Gramm Cannabis bei sich trägt. Nach der Vernehmlassung beschloss die Kommission, das Ordnungsbussensystem nur für erwachsene Cannabiskonsumenten einzuführen. Die Vorlage kommt im kommenden Jahr ins Parlament.

Ordnungsbussen für Cannabiskonsum

Mit einer von Parteikollegen, aber auch vielen Vertretern der SVP und der LP sowie einigen Freisinnigen und Christlichdemokraten unterzeichneten parlamentarischen Initiative verlangte Nationalrat Scherrer (fp, BE) die Schaffung von gesetzlichen Grundlagen für die Einrichtung von Schnellgerichten für die rasche Aburteilung von Kleindelinquenten wie Ladendiebe, Schwarzfahrer, Sprayer etc. Er berief sich dabei auf Erfahrungen in den USA (namentlich New York), wo sich solche Einrichtungen als effizientes Mittel zur Bekämpfung derartiger Delikte erwiesen hätten. Auf Antrag seiner Kommission für Rechtsfragen, welche primär damit argumentiert hatte, dass die Prozessordnung vorläufig noch in den Kompetenzbereich der Kantone falle, lehnte der Rat den Vorstoss mit deutlichem Mehr ab.

Schnellgerichten für die rasche Aburteilung von Kleindelinquenten (Pa.Iv. 98.409)

In der Vernehmlassung stiess insbesondere die Aufwertung der Bestechung im Privatbereich zu einem Offizialdelikt auf breite Kritik. Alle vier Bundesratsparteien, aber auch der Vorort und die linke Vereinigung «Demokratische Juristinnen und Juristen» lehnten diese Gleichbehandlung von staatlicher und privater Sphäre ab. Wenig Zustimmung fanden auch die neuen Vorschriften über das sogenannte Anfüttern. Dieser Tatbestand sei derart unklar, dass die Gefahr von willkürlicher Strafverfolgung bestehe. Mit der Strafbarkeit der Bestechung ausländischer Beamter erklärte sich der Vorort einverstanden, auch wenn er zu bedenken gab, dass damit die Bewerbung um Staatsaufträge in Ländern, wo derartige Zahlungen landesüblich seien, gravierend erschwert würde.

Reform des Korruptionsstrafrechts betreffend Bestechung im nichtstaatlichen Bereich
Dossier: Änderung des StG betreffend Korruption von Beamten

Der Ständerat stimmte in der Dezembersession den Anträgen des Bundesrats weitgehend zu. Einen Antrag Morniroli (lega, TI) auf Schaffung einer «Kronzeugenregelung» lehnte er deutlich ab. Der Nationalrat überwies ferner ein Postulat der CVP-Fraktion (Po. 93.3347), worin namentlich Mittel und Personal für eine Verbesserung der Koordination zwischen den Organen des Bundes, der Kantone und des Auslands im Kampf gegen das organisierte Verbrechen sowie Rechtsgrundlagen für die verdeckte Fahndung gefordert werden.

Ergänzende Massnahmen zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens (BRG 93.058)

Als Erstrat befasste sich der Nationalrat mit den vom Bundesrat 1991 vorgeschlagenen Änderungen des Strafrechts in bezug auf nicht erlaubte Handlungen gegen das Vermögen und auf das Fälschen von Urkunden. In der Eintretensdebatte begrüssten sämtliche Fraktionen diese Rechtsanpassung an die neuen Formen der Wirtschaftskriminalität. In der Detailberatung stimmte der Rat der von der Kommission vorgeschlagenen weniger strengen Bestrafung von Personen, welche ohne Bereicherungsabsichten in ein Computersystem eindringen (sog. Hacking) zu. Einen von Vertretern der SP unterstützten Antrag auf vollständige Straffreiheit für derartige Aktivitäten lehnte er hingegen ab. Mit Stichentscheid des Präsidenten abgelehnt wurde auch ein von der SP, der GP, dem LdU und Teilen der CVP unterstützter Antrag, es dem Richter zu erlauben, bei Bagatelldelikten von einer Strafverfolgung abzusehen (sog. Opportunitätsprinzip). Im übrigen nahm der Rat eine Reihe von Korrekturen am Regierungsentwurf vor, ohne allerdings Wesentliches zu verändern. Im Anschluss an seine Debatte überwies der Nationalrat oppositionslos eine Motion (Mo. 93.3037), welche die Vorlage eines Bundesgesetzes über die wirtschaftliche Strafrechtspflege in Kriegszeiten verlangt. Der Ständerat stimmte den neuen Bestimmungen in der Wintersession zu, schuf aber doch einige Differenzen zum Nationalrat. Insbesondere nahm er als zusätzlichen strafbaren Tatbestand auch noch das Einschleusen von Viren in Computersysteme sowie die Herstellung und Verbreitung derartiger Programme in das Gesetz auf.

Strafbare Handlungen gegen das Vermögen und Urkundenfälschungen (BRG 91.032)

Infolge des Referendums der EDU und des Vereins «Recht auf Leben» fand am 17. Mai 1992 eine Volksabstimmung über das neue Sexualstrafrecht statt. Die wesentlichsten Punkte der Revision waren die Entkriminalisierung sexueller Beziehungen zwischen nahezu gleichaltrigen Kindern (bei Beibehaltung des Schutzalters 16), die Bestrafung der Vergewaltigung in der Ehe, die vollständige Gleichbehandlung von hetero- und homosexuellem Verhalten sowie die Differenzierung zwischen weicher und harter Pornographie und analog zum Brutaloverbot die Bestrafung der letzteren (z.B. sexuelle Darstellungen mit Beteiligung von Kindern oder Tieren). Für die breite Front der Befürworter bedeutete die Revision primär eine fällige Anpassung der rund fünfzig Jahre alten Bestimmungen an die gewandelten Verhaltensweisen und Moralvorstellungen. Die Gegner, zu denen sich neben den beiden im Referendumskomitee vertretenen Gruppierungen noch die Schweizer Demokraten und die Auto-Partei gesellten, sahen in den neuen Bestimmungen einen Angriff auf die guten Sitten, den christlichen Glauben und die in der Bibel festgelegten Prinzipien.

Die Stimmberechtigten hiessen die Revision mit 73.1% Ja-Stimmen gut. Abgelehnt wurde die Vorlage einzig im Wallis, wo die CVP wie auch in Freiburg die Nein-Parole ausgegeben hatte (das deutschsprachige Oberwallis nahm das Sexualstrafrecht mit 58% Ja an). Die ebenfalls stark katholisch geprägten Kantone der Innerschweiz stimmten hingegen deutlich zu. Die nach der Abstimmung durchgeführte Vox-Befragung ergab, dass es sich für die Ja-Stimmenden vor allem um die Anpassung eines veralteten Gesetzes an die heutigen Verhaltensweisen und Moralvorstellungen gehandelt hat, während bei den Gegnern gerade der Widerstand gegen diesen Wandel im Vordergrund stand. Die neuen Bestimmungen traten auf den 1.10.1992 in Kraft.


Sexualstrafrecht: Abstimmung vom 17. Mai 1992

Beteiligung: 39,2%
Ja: 1'255'604 (73,1%)
Nein: 461'723 (26,9%)

Parolen:
- Ja: FDP (1*), SP, CVP (2*), SVP (1*), GP, LP, LdU, EVP (1*), PdA; SGB, CNG, SGV.
- Nein: AP, SD, EDU.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Revision des Sexualstrafrechts (BRG 85.047)
Dossier: Revision Sexualstrafrecht - Sexuelle Integrität und Vergewaltigung in der Ehe