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Zwischen April und Juli 2017 fand die Vernehmlassung zur Änderung des AHVG zur Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und Optimierung in der 2. Säule der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge statt. 73 Organisationen, darunter alle Kantone sowie die KdK, vier in der Bundesversammlung vertretene Parteien sowie verschiedene Verbände der Wirtschaft, Fachverbände oder Durchführungsstellen, beteiligten sich an der Vernehmlassung, wie das BSV in seinem erst im August 2019 erschienenen Ergebnisbericht zur Vernehmlassung erklärte. Der Bundesrat definierte in seiner Botschaft vier Hauptpunkte der Revision: die risiko- und wirkungsorientierte Aufsicht, die Verbesserung der Governance in der 1. Säule, die Steuerung und Aufsicht über Informationssysteme und die punktuelle Optimierung der 2. Säule.
9 Kantone unterstützten die Änderungen zur 1. Säule grundsätzlich; 14 weitere Kantone fürchteten trotz ihrer eigentlichen Zustimmung um die kostengünstige Durchführung der Aufsicht. Die SP – und mit ihr der SGB und Travail.Suisse – hielt eine Anpassung des Systems insgesamt für angemessen, die CVP befürwortete eine Beschränkung der Gesetzesänderung auf alle Aspekte zur Modernisierung der Aufsicht. Die FDP und die SVP lehnten die Änderung ab, da sie punktuelle Korrekturen bevorzugen würden und die Kosten der Revision fürchteten. Letztere Ansicht teilten auch der Arbeitgeberverband und der Bauernverband, Centre Patronal und FER. Die Vorsorge- und Versicherungseinrichtungen forderten insbesondere eine Beibehaltung des bisherigen, dezentralen Systems. Zahlreiche unterschiedliche Organisationen (verschiedene Kantone, die FDP oder Mitglieder des SGV) kritisierten überdies die starke Konzentration der Vorlage auf operative Fragen. Grösstenteils auf Zustimmung stiessen hingegen die Massnahmen in der 2. Säule.

Aufsicht in der 1. Säule (BRG 19.080)

Nachdem die Initiative zur Eliminierung der Heiratsstrafe gemäss den Ergebnissen der Vox-Analyse nicht am Inhalt, sondern an der darin aufgeführten Ehe-Definition gescheitert war, hatte die CVP-Fraktion im März 2016 eine Motion eingereicht, die eine Beseitigung der Benachteiligungen von Ehepaaren und Paaren in eingetragener Partnerschaft gegenüber Nichtverheirateten in der AHV vorsah. Die Ungleichbehandlung werde insbesondere bei der AHV als stossend empfunden, wo Verheiratete und Paare in eingetragener Partnerschaft bis zu CHF 1175 weniger erhielten als unverheiratete Paare. Der Bundesrat liess dieses Argument nicht gelten: Ehepaare seien in den Sozialversicherungen insgesamt gegenüber Unverheirateten privilegiert. Bei einer allfälligen Annahme der Motion müssten daher auch diese Ungleichbehandlungen mitberücksichtigt, entsprechend alle zivilstandsabhängigen Regelungen aufgehoben und somit die erste Säule umfassend umgebaut werden. Von einem solchen Umbau würden aber nur Ehepaare mit Maximalrenten profitieren, daher müsste auch sichergestellt werden, dass nicht Personen mit tieferen Einkommen diese Verbesserungen finanzieren müssten. Schliesslich verwies der Bundesrat auf die Behandlung der Reform der Altersvorsorge 2020, in deren Rahmen die entsprechenden Fragen bereits behandelt würden.

In der Nationalratsdebatte während der Frühjahrssession 2018 pflichtete Ruth Humbel (cvp, AG) im Namen ihrer Fraktion dem Bundesrat bei, dass bei einer Abschaffung der Benachteiligung auch die Privilegien korrigiert werden müssten. Sie widersprach ihm jedoch bezüglich der Profiteure der Reform: Gemäss der AHV-Statistik 2016 werde die Ehepaarrente nicht nur bei der Maximalrente, sondern bei Beitragslücken bereits auf einer tieferen Stufe plafoniert. 2016 seien demnach 88 Prozent aller Ehepaare von einer plafonierten Rente betroffen gewesen. Auf Nachfrage erklärte sie zudem, diese Gleichstellung durch Abschaffung der übrigen Privilegien Verheirateter und durch Korrekturen bei Witwen- und Kinderrenten finanzieren zu wollen. Diese Kosten würden sich gemäss Gesundheitsminister Berset auf CHF 2.6 Mrd. belaufen, was er als weiteren Grund anführte, die Motion abzulehnen. Schliesslich sei ein neues Projekt zur Reform der Altersvorsorge in Arbeit, das im Sommer 2018 in die Vernehmlassung geschickt werde. In dessen Rahmen könnten solche Anliegen besser eingebracht werden als durch isolierte Projekte wie die vorgelegte Motion. Eine aus den SVP-, CVP- und BDP-Fraktionen bestehende Mehrheit des Nationalrats bestand jedoch auf einer eigenständigen Behandlung dieser Frage und nahm die Motion mit 102 zu 88 Stimmen bei 2 Enthaltungen an.

Beseitigung der Heiratsstrafe auch in der AHV

Auf Vorschlag der Bundeskanzlei legte der Bundesrat den Abstimmungstermin für die Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV“ auf den 25. September 2016 fest. Er entsprach damit nicht dem Wunsch der bürgerlichen Parteien, die Initiative möglichst früh an die Urne zu bringen, damit diese vor der Beratung der Reform der Altersvorsorge 2020 durch den Nationalrat vom Tisch gewesen wäre. Die Kommissionssitzungen zur Reform fanden folglich vor der Volksabstimmung über die Initiative statt, die Plenardebatte begann am Tag nach dem Abstimmungssonntag.

Auf der Befürworterseite formierten sich nebst dem lancierenden Gewerkschaftsbund die SP und JUSO, die Grünen, sämtliche anderen Gewerkschaftsorganisationen sowie verschiedene, jedoch nicht alle Senioren- und Seniorinnenverbände. Wichtigstes Argument der Befürworter war der Umstand, dass die Entwicklung der AHV-Renten nicht mit jener der Löhne Schritt halten könne und gleichzeitig die Lebenskosten, insbesondere für Mieten und Krankenkassen, angestiegen seien, weshalb es eines Ausgleichs bedürfe. Dieser Ausgleich sei mittels der AHV, im Gegensatz zur zweiten Säule, günstig und effizient vorzunehmen. Bei den Pensionskassen sei in den nächsten Jahren dagegen mit Rentenkürzungen von 15 bis 20% zu rechnen, ein weiterer Grund für eine Aufstockung der ersten Säule. Die AHV bezeichneten die Befürworter und Befürworterinnen als nicht nur das gerechteste, sondern aufgrund des Umlageverfahrens auch das sicherste Sozialwerk. An einer Medienkonferenz Ende Juni lancierte das Pro-Komitee seine Kampagne und kündigte an, bis zum Abstimmungstag eine grosse Auswahl an niederschwelligen Anlässen durchzuführen, um eine breite Mobilisierung zu erreichen.

Auf der Gegnerseite fanden sich neben den Bundesbehörden die bürgerlichen Parteien SVP, FDP, CVP, EVP, GLP und BDP sowie die Wirtschaftsverbände (Arbeitgeberverband, Gewerbeverband, Economiesuisse und Bauernverband). Sie warnten, angesichts der demografischen Entwicklung führe die Initiative zu Mehrkosten in unverantwortlicher Höhe und stünde damit vollkommen quer zu den tatsächlichen Entwicklungen. Bis ins Jahr 2030 wäre demnach bei Annahme der Initiative die Finanzierungslücke in der AHV fast doppelt so gross, wie sie es gemäss dem aktuellen Szenario ist, was auf Kosten der jungen Beitragszahlerinnen und -zahler gehen werde. Die Situation der Rentnerinnen und Rentner mit den tiefsten Einkommen würden zudem durch die Initiative kaum verbessert, weil diese ohnehin durch Ergänzungsleistungen unterstützt werden, welche bei einer Anhebung der AHV entsprechend gesenkt würden. Die Erhöhung der AHV sei nicht notwendig, da diese mittels des Mischindex' laufend an die Teuerung und damit an die Lohnentwicklung angepasst würde, und die Aussage der Initiantinnen und Initanten, die Renten der zweiten Säule würden stark sinken und es gelte daher die erste Säule zu stärken, entspreche nicht den Tatsachen. Überhaupt sei eine Gesamtreform der Altersvorsorge angezeigt; punktuelle Massnahmen wie die von der Initiative angestrebte Erhöhung seien keine Lösung. Auch das Gegenkomitee kündigte beim Start der Kampagne eine Reihe von Aktionen an.

Am Umstand, dass nebst den Parteien sämtliche grossen und viele mittlere und kleine Berufs- und Interessenorganisationen zur Initiative Stellung bezogen, lässt sich die zugeschriebene Wichtigkeit der Vorlage ablesen. Dies hängt zweifellos mit der parallel zum Abstimmungskampf im Parlament weiter diskutierten Reform der Altersvorsorge zusammen, deren durch den Bundesrat vorgesehener fein austarierter Massnahmenmix durch eine Annahme der Initiative auf den Kopf gestellt würde.

Im Juli bezog Bundesrat Berset im Namen des Gesamtbundesrates Stellung zur Initiative. Er wies auf die Konsequenzen einer Annahme für die Reform der Altersvorsorge hin, insbesondere da die Rentenerhöhung bereits per Anfang 2018 eingeführt werden müsste, womit wenig Zeit für eine Anpassung der Reform bliebe. Das Defizit der AHV würde rasch ansteigen. Der sozialdemokratische Vorsteher des Innendepartements erklärte an der Medienkonferenz explizit, er habe die Initiative dem Bundesrat zur Ablehnung empfohlen. Damit stellte sich Berset einmal mehr gegen ein Anliegen seiner eigenen Partei, und wiederum erhielt er von den Medien und vielen politischen Akteuren ein gutes Zeugnis für seine Ausführung dieser Aufgabe.

Die erste Tamedia-Umfrage, publiziert Mitte August, zeigte eine Zustimmung von 60% für die Initiative. Dieser hohe Wert überraschte; insbesondere gaben neben den Anhängerinnen und Anhänger des linken Lagers auch SVP- und CVP-Wählende mehrheitlich an, für oder eher für die Initiative zu sein. Auch die erste SRG-Umfrage, eine Woche später publiziert, zeigte einen Ja-Trend, wenn auch weniger deutlich. Die Zustimmung geriet in der Folge ins Bröckeln, womit sich Ende August ein enges Rennen abzeichnete. Die Anzahl der Unentschlossenen blieb vergleichsweise hoch. Mitte September wies die Tamedia-Umfrage ein Gleichgewicht zwischen Befürwortern und Gegnern aus, während die SRG-Umfrage ein Nein vorhersagte. Erstere zeigte zudem einen deutlichen Altersgraben: Während jüngere Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Initiative klar kritisch gegenüberstanden, gaben ältere ebenso klar an, sie annehmen zu wollen. Angesichts der Übermacht älterer Stimmender an der Urne war deshalb vereinzelt der Begriff der „Gerontokratie" zu vernehmen.

Am 25. September 2016 legten schliesslich bei einer als durchschnittlich einzustufenden Stimmbeteiligung rund 41% der Stimmenden ein Ja, 59% ein Nein in die Urne. Nur in den Kantonen Jura, Neuenburg, Genf, Tessin und Waadt traf die Initiative auf Zustimmung, womit sich annähernd ein Röstigraben ergab. Besonders deutlich wurde die Initiative in ländlichen Gebieten der Deutschschweiz abgelehnt. Das Nein der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger wurde im Allgemeinen als Anschub für die anstehende Rentendebatte gedeutet, wobei Uneinigkeit darüber herrschte, ob die Position der Linken dadurch geschwächt wurde.


Abstimmung vom 25. September 2016

Beteiligung: 43,13%
Ja: 921'375 (40,60%) / Stände: 5
Nein: 1'348'032 (59,40%) / Stände: 15 6/2

Parolen
– Ja: SP, GPS; SGB, Travail.Suisse
– Nein: SVP (1*), CVP, FDP, GLP, BDP, EVP; Economiesuisse, SGV, SAV
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV“

Ende März 2015 begann der parlamentarische Prozess zur Reform der Altersvorsorge 2020 mit der Beratung in der Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats. Entgegen früheren Forderungen, die Reform an den Bundesrat zurückzuweisen, damit dieser sie in zwei Pakete aufspalte, beschloss die Kommission einstimmig, dem Plenum Eintreten zu empfehlen. Die Detailberatungen zogen sich von April bis August, wobei die SGK-SR im Mai eine Sondersitzung ansetzte und Mitte August teils in Anwesenheit des Sozialministers Berset tagte. Die Zeit drängte, denn aus mehreren Gründen schien es wichtig, die Vorlage noch im September 2015 ins Plenum bringen zu können. Einerseits kann nur so verhindert werden, dass aufgrund der auslaufenden IV-Zusatzfinanzierung die Mehrwertsteuer per Ende 2017 gesenkt würde, bloss um kurze Zeit später bei Inkrafttreten der Reform wieder erhöht zu werden – ein aufwändiger und teurer Vorgang, und damit ein möglicher Grund für die Wirtschaftsverbände, die Reform entschlossen zu bekämpfen. Andererseits, so zumindest die Darstellung in der Presse, setzten sich vier gestandene Sozialpolitikerinnen und -politiker aus den Mittefraktionen im Ständerat dafür ein, die Reform noch vor den Wahlen zu beraten, da sie bei diesen nicht mehr antraten und entsprechend nach der Herbstsession aus dem Rat ausscheiden würden. Es handelte sich dabei um Urs Schwaller (cvp, FR), Verena Diener (glp, ZH), Felix Gutzwiller (fdp, ZH) und Doris Fiala (fdp, ZH). Nicht zuletzt bestand das Gefühl eines generellen Zeitdrucks angesichts der negativen Entwicklungen in der ersten und zweiten Säule.

Am 17. August präsentierte die Kommission die Ergebnisse der Beratung in einer Medienkonferenz. Nach rund 45 Stunden Beratungszeit hatte sie die Reform letztlich einstimmig mit 9 zu 0 Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen. Der Erhöhung des Rentenalters für Frauen stimmte die Kommission zu, und sie verkürzte dabei den Anpassungszeitraum von sechs auf vier Jahre. Die punktuelle Erhöhung des Referenzalters für Frauen sah die SGK eingebettet in allgemeine Bestrebungen zur Flexibilisierung des Zeitpunktes des Altersrücktritts. Die Änderungen bei den Witwen- und Waisenrenten lehnte die Kommissionsmehrheit dagegen ab, womit gegenüber dem Bundesratsentwurf Einsparungen in der Höhe von CHF 340 Mio. wegfallen. Sie folgte dem Bundesrat bei der Senkung des BVG-Umwandlungssatzes auf 6 Prozent. Jedoch entwarf die Kommission ganz andere Ausgleichsmassnahmen als jene, die die Regierung vorgesehen hatte: Nur ein Teil des Ausgleichs sollte über die berufliche Vorsorge geschehen, so die Idee, der andere Teil soll über die AHV abgewickelt werden. Der Grundsatzentscheid dazu war in der Kommission einstimmig mit drei Enthaltungen gefallen. Konkret soll der Koordinationsabzug in der zweiten Säule nur leicht gesenkt und nicht gestrichen werden, dafür sollen alle neuen AHV-Renten um CHF 70 aufgestockt und der Plafond für Ehepaar-Renten in der AHV von 150 auf 155% einer Einzelrente erhöht werden. Zudem sollen die Altersgutschriften in der beruflichen Vorsorge gegenüber dem Entwurf des Bundesrats erhöht und anders gestaffelt werden. Der Beitragsbeginn soll von aktuell 25 auf 21 Jahre gesenkt werden. Auf einen Interventionsmechanismus in der AHV, eine Schuldenbremse, welche bei der Unterschreitung eines Schwellenwerts zu automatischen Beitragserhöhungen und Leistungseinschränkungen führen würde, wollte die Kommission verzichten. Bezüglich der Finanzierung der Reform sah die Ständeratskommission im Gegensatz zum Bundesrat eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um nur ein anstelle von 1,5 Prozent vor. Die Anpassung sollte zudem in drei Schritten erfolgen. Die Ausgabenerhöhungen bei der AHV sollten innerhalb dieser finanziert werden, und zwar mit 0,3 Lohnprozenten, die je hälftig auf Arbeitgeber und Arbeitnehmende zu verteilen sind. Die vom Bundesrat vorgesehene Senkung des Bundesanteils in der AHV-Finanzierung lehnte die Kommission ab. Aus der Vorlage streichen wollte die SGK-SR ebenso die beiden bundesrätlichen Vorschläge, den Vorbezug der AHV-Rente für Personen mit tiefem und mittlerem Einkommen abzufedern und die AHV-Beiträge für Selbstständige und Arbeitnehmende zu vereinheitlichen sowie die für erstere sinkende Beitragsskala abzuschaffen. Eine zusätzliche Belastung der Selbstständigerwerbenden um CHF 330 Mio., wie sie der ursprüngliche Entwurf verursacht hätte, wollte die Kommissionsmehrheit nicht hinnehmen. Grundsätzlich verfolgte die SGK-SR mit dem Verzicht auf verschiedene vom Bundesrat vorgesehene Anpassungen das Ziel, die Reform als ganze zu entlasten. Insgesamt waren zu den Mehrheitsanträgen der Kommission 13 Minderheitsanträge eingegangen, über welche das Ständeratsplenum zu entscheiden hat.

In Medien und Öffentlichkeit wurde der von der Kommission des Nationalrats vorgesehene Ausbau bei der AHV als grosse Überraschung aufgenommen. Auch die geplante Finanzierung über eine Erhöhung der Lohnbeiträge kam unerwartet. Die Rede war von einer Mitte-Links-Allianz aus CVP und SP, welche die Vorlage geprägt und sich gegenseitig das Einbringen zentraler Inhalte des Parteiprogramms in die Reform ermöglicht habe – die Erhöhung der AHV-Renten bei der SP, die Besserstellung der Ehepaare bei der CVP. Gleichzeitig schien klar, dass die Reform Bersets mit dem Entscheid der ständerätlichen Kommission eine erste Hürde genommen hatte. Insbesondere die geplante Erhöhung der AHV-Renten führte jedoch zu Kritik: Damit würden die Einsparungen, welche durch die Erhöhung des Frauenrentenalters entstehen, gleich wieder aufgebraucht, so bürgerliche Exponenten. Weiterhin wurde von verschiedener Seite angemerkt, die Reform sichere die Finanzierung der Altersvorsorge bloss bis ins Jahr 2030, nicht jedoch darüber hinausgehend.

Reform «Altervorsorge 2020» (BRG 14.088)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Die Vernehmlassung zur Reform der Altersvorsorge 2020 dauerte bis Ende März 2014. Am Vernehmlassungsverfahren beteiligten sich alle Kantone, alle grösseren Parteien, die eingeladenen Spitzenverbände der Wirtschaft und diverse Organisationen von Versicherten und Versicherern. Insgesamt gingen 168 Stellungnahmen ein. Ein Grossteil äusserte sich unter anderem zur Revision als Ganzes, wovon rund drei Viertel deren grundsätzliche Stossrichtung – eine gemeinsame Betrachtung der 1. und 2. Säule – begrüssen. Dazu gehören die bürgerlichen Mitteparteien mit Ausnahme der FDP und eine Mehrheit der Kantone, wobei einige jedoch starke Kostenfolgen befürchten. Der Freisinn beurteilt die Reform äusserst kritisch: Umfangreichen Mehreinnahmen stünden nur geringe Einsparungen gegenüber. Damit sei die Reform chancenlos. Ein ausgewogener Kompromiss hätte dagegen Erfolgschancen. Die SVP lehnt die Stossrichtung der Reform aus ähnlichen Überlegungen dagegen grundsätzlich ab und schlägt eine Aufteilung in drei Pakete vor. Arbeitgeberverband, Economiesuisse und Gewerbeverband kritisierten das Paket als überladen und zu stark auf Mehreinnahmen fokussierend; erstere forderten eine Erhöhung des Rentenalters, um die Rentenhöhe erhalten zu können. SP und Grüne sowie der Gewerkschaftsbund plädierten für eine Stärkung bzw. Erhaltung der 1. Säule; die Interessen der Versicherten müssten im Mittelpunkt stehen. Der Gewerkschaftsbund lehnt zudem eine Staffelung der Reform explizit ab, ebenso jegliche Erhöhungen des Rentenalters und die Senkung des Umwandlungssatzes in der 2. Säule. Weiter bemängelten linke Parteien, Gewerkschaften und Frauenorganisationen, die Einsparungen fielen einseitig zulasten der Frauen aus.
Die im Vernehmlassungsverfahren geäusserten Standpunkte entsprachen weitgehend den bereits zuvor öffentlich bezogenen Positionen. Die stark divergierenden Forderungen der verschiedenen Akteure führten rasch zur Befürchtung, die Reform werde im Parlament scheitern und damit weitere kostbare Zeit für eine Neuaufgleisung der Altersvorsorge ungenutzt verstreichen. Im Juni entschied der Bundesrat, das Reformpaket voranzutreiben und noch im Jahr 2014 eine Botschaft auszuformulieren. Dabei sollten einige kleinere Korrekturen zum Vernehmlassungsentwurf vorgenommen werden: Die Mehrwertsteuer-Erhöhung zugunsten der AHV soll auf maximal 1,5 anstelle von 2 Prozentpunkten beschränkt werden, die bereits seit 1999 erhobenen MWSt.-Anteile für die AHV sollen an diese zweckgebunden und der Bundesbeitrag im Gegenzug entsprechend gesenkt werden, und der Koordinationsabzug im obligatorischen Teil der 2. Säule soll abgeschafft werden. Der Bundesrat gab jedoch an, er wolle sich in der Botschaft in weiten Teilen an den Vorentwurf halten, was umgehend auf Kritik stiess. So soll insbesondere an der Behandlung der Reformen der 1. und 2. Säule in einem einzigen Paket festgehalten werden, ebenso an der Abschaffung von Witwenrenten für Frauen ohne minderjährige Kinder. In der Folge war in der Presse zunehmend von einer drohenden Rückweisung der Vorlage durch das Parlament an den Bundesrat die Rede, damit dieser sie in einzelne, kleinere Pakete aufteilen würde. Mitte November wurde bekannt, dass der Entwurf zuerst in den Ständerat kommen würde, was Innenminister Bersets Wunsch entsprechen dürfte. Während die rückweisungswilligen Parteien SVP, FDP und BDP im Nationalrat mehrheitsfähig sind, dürfte im Ständerat die in dieser Sache kompromissbereitere CVP eine Schlüsselrolle spielen. Zudem äusserten sich verschiedene Ständeratsmitglieder der Mitteparteien skeptisch gegenüber einer diskussionslosen Rückweisung, welche zu unnötigen Verzögerungen führen würde. Nichtsdestotrotz erklärten diverse Medien die Reformvorlage bereits für gescheitert, sprachen sich doch auch die bürgerlichen Sozialpolitikerinnen und -politiker im Ständerat für eine Auftrennung der Reform in ihre Bestandteile aus, wobei sie diese jedoch selbst vornehmen und nicht dem Bundesrat überlassen wollten. Einer ebenfalls Mitte November publizierten repräsentativen Umfrage zufolge, welche GfS Bern im Auftrag von Pro Senectute duchgeführt hatte, würden sich 62% der Stimmberechtigten (Stichzeitpunkt Ende September bzw. Anfang Oktober 2014) deutlich oder eher für die Rentenreform aussprechen und nur 28% klar oder eher dagegen.

Reform «Altervorsorge 2020» (BRG 14.088)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Die CVP reichte im November ihre Initiative „Für Ehe und Familie – Gegen die Heiratsstrafe!“ ein. Die Initiative verlangt, die Benachteiligung der Ehe gegenüber anderen Lebensformen insbesondere bei den Steuern und Sozialversicherungen aufzuheben. Siehe dazu hier.

„Für Ehe und Familie – Gegen die Heiratsstrafe!“

Im Frühjahr nahm die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates die Beratung dieser Vorlage auf. Sie verlangte vom BSV eine Reihe von Zusatzberichten zu den gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten der Revision sowie zur Koordination mit der 1. BVG-Revision. Mehr wissen wollte sie insbesondere über die finanzielle Entwicklung der AHV, die Situation der Frauen, die wirtschaftliche Bedeutung der Witwen- und Witwerrente sowie die Lage der über 60-Jährigen auf dem Arbeitsmarkt. Auskunft verlangte sie auch darüber, ob das Leistungsprofil des BVG dem Verfassungsauftrag (Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung) noch entspricht. Beim Ausbau der Finanzierung über Mehrwertsteuerprozente folgte die SGK grundsätzlich dem Bundesrat, lehnte es aber ab, gleichzeitig mit dieser Vorlage auch die Finanzierung der IV zu regeln. Sie bekräftigte zudem ihren Willen, die Einnahmen aus den für die AHV bestimmten Mehrwertsteuerprozenten vollumfänglich dieser zukommen zu lassen. Den Vorschlag, den Beitragssatz der Selbstständigerwerbenden von 7,8 auf 8,1% zu erhöhen und den Freibetrag für Rentner aufzuheben, hiess sie trotz Opposition aus Gewerbekreisen gut. Andere Weichenstellungen als der Bundesrat nahm sie dagegen bei den Witwenrenten vor, welche sie weniger stark abbauen wollte. Nach dem Modell der Kommission soll eine Witwe einen unbefristeten Rentenanspruch haben, wenn sie über 45 Jahre alt ist, bevor das jüngste Kind das 18. Altersjahr vollendet hat; der Bundesrat hatte die Altersgrenze bei 50 Jahren angesetzt. Für die laufenden Renten beschloss die SGK die volle Besitzstandsgarantie; der Bundesrat hatte lediglich eine Schonfrist von drei Jahren vorgesehen. Damit niemand durch die Maschen fällt, sollen nach dem Vorschlag der Kommission Witwen und Witwer in prekären finanziellen Verhältnissen Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben – unabhängig davon, ob sie eine Verwitwetenrente beziehen oder nicht. Aus Rücksicht auf die anstehende Volksabstimmung über die beiden Rentenalterinitiativen beschloss die SGK, die Frage des flexiblen Rentenalters erst im kommenden Jahr zu behandeln.

Gegen einen Abbau bei den Witwenrenten wehrten sich nach der SP auch die Frauenorganisationen der bürgerlichen Parteien FDP und CVP, die fanden, eine gänzliche Abkehr vom Versorgerprinzip beim Aufbau der Altersvorsorge sei nicht reif, solange es nicht bessere Strukturen für die Erwerbstätigkeit von Müttern (insbesondere ausserhäusliche Kinderbetreuung) gebe. Nationalrätin Egerszegi (fdp, AG) regte an, die Witwer- und Witwenrenten analog zu den EL nur noch finanzschwachen Personen und nicht mehr nach dem Gieskannenprinzip auszurichten.

FDP-Parteipräsident Steinegger sprach sich für eine generelle Erhöhung des Rentenalters auf 66 oder 67 Jahre aus anstatt einer Anhebung der Mehrwertsteuer. Er nahm damit Überlegungen der beiden freisinnigen Bundesräte Villiger und Couchepin auf, die bereits im Vorjahr ein Pensionsalter „65 plus“ zur Diskussion gestellt hatten. Die welschen Freisinnigen distanzierten sich von den Aussagen Steineggers, die sie als für ihre Wählerschaft verunsichernd bezeichneten.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Nach mehrmaliger Verschiebung leitete der Bundesrat Anfang Februar dem Parlament seine Botschaft zur 11. AHV-Revision zu. Die Vorlage stützte sich auf das 1998 einer Vernehmlassung unterzogene erste Projekt, auf die Zwischenentscheide des Bundesrates von Ende März 1999 sowie auf eine neue Gesamtschau zur Weiterentwicklung der Sozialversicherungen bis zum Jahr 2025. Im Zentrum der Revision stehen die finanzielle Konsolidierung sowie die Anpassung an neue gesellschaftliche Realitäten. Durch Sparmassnahmen und Mehreinnahmen soll die AHV/IV-Rechnung um rund CHF 1,2 Mrd. pro Jahr entlastet werden. Als Zusatzfinanzierung möchte der Bundesrat die Mehrwertsteuer ab 2003 um 1,5 Prozentpunkte erhöhen (1% für die IV, 0,5% für die AHV). Wenn die Reserven des AHV-Ausgleichsfonds unter die Schwelle von 70% einer Jahresausgabe sinken, soll zur Ergänzung des bereits 1999 eingeführten „Demographieprozents“ ein weiterer halber Prozentpunkt zu Gunsten der AHV erhoben werden. Weitere Mehreinnahmen ergeben sich durch die Heraufsetzung des Beitragssatzes der Selbstständigerwerbenden und durch die Aufhebung des Freibetrags für erwerbstätige Rentnerinnen und Rentner. Einsparungen entfallen auf die Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters der Frauen von 64 auf 65 Jahre, die schrittweisen Einschränkung des Anspruchs auf eine Witwenrente sowie auf den von zwei auf drei Jahre verlangsamten Teuerungsausgleich auf den Renten. Die rund CHF 400 Mio., die sich aus den Einsparungen durch das höhere Frauenrentenalter ergeben, werden für die Finanzierung eines sozial verträglich ausgestalteten flexiblen Altersrücktritts verwendet. Bis zuletzt hatte sich Bundesrätin Dreifuss für CHF 600 Mio. eingesetzt. Einige Wochen später vertrat der Bundesrat in seiner Botschaft zur Verwendung der überschüssigen Goldreserven der Nationalbank die Meinung, dass ein Teil davon zur sozialen Abfederung der 11. AHV-Revision im Bereich Rentenalter und Witwenrente eingesetzt werden könnte. Einen entsprechenden Antrag stellte er aber nicht, da es in einem ersten Schritt darum gehe, den legalen Rahmen für die Solidaritätsstiftung zu schaffen.

Die Vorschläge fanden in keinem parteipolitischen oder sozialpartnerschaftlichen Lager Zustimmung. Arbeitgeber- und Gewerbeverband lehnten sowohl die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes als auch Zusatzleistungen für tiefere Einkommen beim flexiblen Altersrücktritt ab. Die FDP erklärte, sie würde der Flexibilisierung nur zustimmen, wenn diese kostenneutral ausgestaltet werde, während sich die SVP grundsätzlich dagegen stemmte. Gleich wie die FDP verlangte auch die CVP eine Gesamtschau sämtlicher Sozialversicherungen; nur wenn diese vorliege, sei sie überhaupt bereit, auf die Vorlage einzutreten. Ganz anders reagierte die SP. Sie sprach von einem schwer wiegenden Sozialabbau, der vor allem die Frauen treffe. Der SGB bezeichnete die Vorlage als unausgewogen; sie bringe nur den Ärmsten und den Reichsten etwas, den Normalverdienenden aber wenig bis nichts. Der CNG erachtete die Vorlage als generelle Demontage der AHV und drohte offen mit dem Referendum.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

In ersten Reaktionen stiessen die Vorschläge des Bundesrates von Rechts bis Links auf Kritik. Der Arbeitgeberverband erklärte, die Regierung setze falsche Prioritäten; nicht die Flexibilisierung des Rentenalters sei vordringlich, sondern die Sanierung der AHV, wozu Mehreinnahmen über die Mehrwertsteuer nichts taugten. Der Gewerbeverband unterstützte das einheitliche Rentenalter für Mann und Frau, lehnte jede Erhöhung des Beitragssatzes für Selbständigerwerbende hingegen kategorisch ab. Die FDP äusserte sich ebenfalls positiv zur vorgesehenen Gleichstellung von Mann und Frau, meldete aber bereits Opposition gegen das Modell der langen Erwerbsdauer an, da es ausbildungsfeindlich sei. Die SP sah in den bundesrätlichen Vorschlägen einen Schritt in die richtige Richtung, bedauerte aber, dass die Einsparungen einmal mehr einseitig zu Lasten der Frauen gehen sollen. Für den SGB gingen die vorgeschlagenen Flexibilisierungsmodelle eindeutig zu wenig weit. Einzig die CVP zeigte sich auf der ganzen Linie zufrieden und meinte, die Gleichstellung der Geschlechter sei ebenso zu begrüssen wie die Beschaffung zusätzlicher Finanzmittel über die Mehrwertsteuer. Im Lauf der Vernehmlassung änderte sich kaum etwas an diesen ersten Stellungnahmen; allerdings wurde klar, dass die bürgerlichen Bundesratsparteien und die Wirtschaftsverbände nur auf die 11. AHV-Revision einzutreten gewillt sind, wenn der Bundesrat vorgängig eine Gesamtstrategie für die Sicherung aller Sozialwerke vorlegt.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Kurz vor Weihnachten stellte das EDI den zweiten Bericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe Finanzierung der Sozialversicherung (IDA-FiSo-2) der Öffentlichkeit vor. Nachdem der erste Bericht die finanziellen Folgen der Weiterführung des geltenden Leistungssystems in den Jahren 2010 und 2025 dargestellt hatte, wurden mit dem zweiten Bericht die möglichen Aus-, Um- oder Abbauszenarien im Leistungsbereich dargestellt. IDA-FiSo-1 war im Vorjahr zum Schluss gelangt, dass im Jahre 2010 15,3 Mia. Fr. mehr nötig sind, um die heutigen Sozialleistungen inklusive Mutterschaftsversicherung zu finanzieren. Der Bundesrat hatte IDA-FiSo-2 daraufhin den Auftrag erteilt, anhand von drei Szenarien darzustellen, was getan werden müsste, um den Mehrbedarf auf 9 Mia. Fr. zu beschränken, welche Massnahmen die Fortführung des Status quo fordert und welche die Erhöhung der Ausgaben auf 18 Mia. Fr. Der IDA-FiSo-2-Bericht zeigte den Gestaltungsraum innerhalb der einzelnen Sozialversicherungszweige auf sowie die Auswirkungen für das ganze System, die Versicherten und die Wirtschaft. Bei allen Varianten wurde mit einem finanziellen Mehrbedarf gerechnet.

Sowohl die bürgerlichen Parteien und die Arbeitgeber auf der einen, als auch die SP und die Gewerkschaften auf der anderen Seite sahen sich von den Schlussfolgerungen des Berichtes in ihren Ansichten bestätigt. Die FDP fand, dass jetzt weder ein Ausbau noch die Schliessung von Lücken im sozialen Netz möglich sei. Sie forderte den Bundesrat auf, für die mittel- und langfristigen Aspekte der Finanzierung der Sozialwerke zu einem Gespräch am runden Tisch einzuladen. Die SVP verlangte ein Sanierungspaket, das auf der Leistungsseite zwingende Korrekturen vornehme. Die Arbeitgeber vertraten die Auffassung, dass nur das Szenario "gezielter Abbau" wirtschaftsverträglich sei, und dass im jetzigen Zeitpunkt die Einführung einer Mutterschaftsversicherung nicht zur Diskussion stehen könne. Gegen jeglichen Ausbau war auch der Schweizerische Gewerbeverband; er verlangte unter anderem ein einheitliches Rentenalter von mindestens 65 Jahren, eine Kürzung der Bezugsdauer bei der Arbeitslosenversicherung sowie Kostendämpfungen im Gesundheitswesen.

Ganz andere Schlüsse zogen SP und Gewerkschaften aus dem Bericht. Für die Sozialdemokraten zeigte dieser, dass kein Bedarf für Leistungsabbauszenarien im Sozialversicherungsbereich bestehe und auch ein Moratorium wirtschaftspolitisch nicht zu rechtfertigen sei. Aus dem Bericht sei zudem ersichtlich, dass die Politik in der Ausgestaltung der sozialen Schweiz der nächsten Jahrzehnte einen sehr grossen Spielraum habe. Für den Christlichnationalen Gewerkschaftsbund (CNG) stellte der Bericht eine gute Ausgangslage dar, um die Auseinandersetzungen über die künftige Ausgestaltung der Sozialwerke zu versachlichen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hingegen bezeichnete den Bericht als mangelhaft. Er liste unzählige Abbauvorschläge auf und beschränke sich dabei auf die Bezifferung der möglichen Einsparungen. Dabei hätten die Experten vergessen, die Folgen für die Betroffenen darzulegen. SP und SGB verlangten die rasche Realisierung der Mutterschaftsversicherung und der Ruhestandsrente.

Einmal mehr zwischen den Fronten versuchte sich die CVP zu positionieren. Die Partei sprach sich sowohl gegen den Abbau als auch gegen den Ausbau, sondern für den Umbau der Sozialversicherungen auf dem Niveau der heutigen Sozialleistungsquote sowie für eine Mutterschaftsversicherung aus. Sie kritisierte aber, die Arbeitsgruppe sei von zu optimistischen Arbeitslosenquoten (maximal 3,5%) ausgegangen. Sparpotential ortete sie in mehr Eigenverantwortung und in der Missbrauchsbekämpfung.

Drei-Säulen-Bericht/IDA FiSo

Der Ständerat erteilte nach ausgedehnten Vorarbeiten dem aus CVP-Kreisen lancierten Modell einer Einheitsrente eine deutliche Absage und kehrte zum Splitting-Modell zurück, verzichtete aber auf die im Vorschlag des Nationalrates enthaltene steilere Rentenformel zugunsten der 1992 eingeführten geknickten Formel. Um Rentenverluste bei den verwitweten IV- und Altersrentnerinnen und -rentnern zu vermeiden, soll bei diesem Personenkreis ein 20-prozentiger Zuschlag zur Rente ausgerichtet werden, allerdings höchstens bis zum Betrag der Maximalrente. Im Unterschied zum Nationalrat beschloss die kleine Kammer zudem, vier Jahre nach Inkrafttreten der Revision auch die altrechtlichen Renten in das neue System zu überführen. Damit soll die jahrelange Parallelführung zweier Rentensysteme und die Ungleichbehandlung von Alt- und Neurentnerinnen und -rentnern beseitigt werden.

Bereits zu Beginn der Debatte wurde deutlich, dass auch im Ständerat der hauptsächlichste Diskussionspunkt die Heraufsetzung des Rentenalters der Frauen sein würde. Zwei Rückweisungsanträge Onken (sp, TG) und Petitpierre (fdp, GE), welche den Bundesrat beauftragen wollten, eine Ruhestandsrente einzuführen bzw. das Rentenalter von der Beitragsdauer abhängig zu machen, wurden ebenso verworfen wie der Antrag einer Kommissionsminderheit, das heutige Rentenalter beizubehalten. Hingegen wurde ein Antrag Beerli (fdp, BE) / Cottier (cvp, FR) angenommen, wonach während einer Übergangsfrist der Kürzungssatz für die Frauen beim Vorbezug von 6,8% auf 3,4% halbiert werden soll. Ein Antrag Onken, die Vorlage in einen Rentenalter- und einen Splitting-Teil aufzuschlüsseln, wurde mit 32:5 Stimmen deutlich abgelehnt.

10. AHV-Revision (BRG 90.021)
Dossier: 10. Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV; 1980-1998)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Suivant les recommandations du Conseil fédéral et des Chambres, le peuple a rejeté l'initiative lancée par les Organisations progressistes (POCH) demandant qu'en l'espace de trois ans l'âge ouvrant le droit à la rente AVS soit abaissé à 62 ans pour les hommes et à 60 ans pour les femmes. Soutenue par le Parti du travail et le Parti socialiste ouvrier, l'initiative précisait en outre que cet âge pouvait être ultérieurement abaissé par voie législative, mais qu'il ne pouvait être relevé. En effet, les initiants proposaient que l'âge donnant droit aux rentes soit atteint en deux étapes. La première fixant la limite à 62 ans pour les hommes et 60 pour les femmes, la seconde devant établir l'égalité entre homme et femme. Au cours du débat qui a précédé le scrutin populaire, partisans et adversaires de l'abaissement de l'âge de la retraite ont tour à tour invoqué des motifs d'ordre démographique, financier, économique et social pour étayer leur argumentation.

Les opposants ont estimé que les conséquences financières de cette requête populaire n'étaient supportables ni pour les salariés ni pour l'économie et pas davantage pour les pouvoirs publics. L'acceptation de cette initiative aurait entraîné, selon le Conseil fédéral, des dépenses supplémentaires de l'ordre de 2,1 milliards de francs par an. Comme les initiants excluaient toute possibilité d'abaisser le montant des rentes, il en aurait résulté, toujours selon les estimations du gouvernement, une augmentation des prélèvements sur les salaires de 1,55% ainsi qu'un accroissement de la charge de la Confédération et des cantons de 295 millions de francs. L'initiative aurait également eu des répercussions d'ordre financier sur d'autres branches de la sécurité sociale, notamment sur le régime des prestations complémentaires à l'AVS et sur la prévoyance professionnelle. A propos du financement, les initiants ont tenu à rappeler que les contributions de la Confédération avaient été réduites de 25 à 20% lors de la 9e révision de l'AVS et ont suggéré que l'accroissement de la charge des pouvoirs publics soit compensé par une diminution des dépenses militaires afin de n'entraîner aucune augmentation des cotisations salariales.
L'inexorable vieillissement de la population, conjugué à une espérance de vie en constante augmentation, a permis aux opposants de présenter l'initiative comme dangereuse pour le financement futur de l'AVS. En effet, l'évolution démographique de la Suisse entraîne une détérioration du rapport entre cotisants et rentiers. Une baisse de l'âge donnant droit à la rente constituerait à leurs yeux une mise en danger de la sécurité sociale. Autre argument brandi par les opposants, la menace que fait peser l'initiative sur la 10e révision de l'AVS.

L'aspect social et humain de l'âge de la retraite a également servi d'argument pour les partisans comme pour les adversaires de l'initiative. Pour les premiers cités, un abaissement de l'âge de la retraite permet une réelle amélioration de la qualité de la vie, répond à une nécessité sociale et s'appuie sur un réel désir de nombreux salariés. Quant aux seconds, ils ont souligné que, face à une espérance de vie toujours plus longue, de nombreux travailleurs redoutent un retrait prématuré de la vie professionnelle, signe pour eux d'une mise au ban de la société.


Initiative visant à abaisser l'âge donnant droit à la rente AVS. Votation du 12 juin 1988
Participation: 42,0%
Non: 1 153 540 (64,9%) / 21 cantons
Oui: 624 390 (35,1%) / 2 cantons (TI, JU)

Mots d'ordre:
Non: PRD, PDC, UDC, PLS, AdI, PEP, PES, AN, PA; Vorort, UCAP, USAM, USP, Assoc. suisse des employés.
Oui: PSS, POCH, PST, Alliance verte; USS, CSCS, Confédération romande du travail.


L'analyse Vox réalisée à l'issue du scrutin a démontré que le souverain avait rejeté l'initiative en raison des risques financiers qu'elle aurait pu entraîner. Pour les opposants, la Suisse n'est pas assez riche pour supporter un accroissement du nombre des personnes jouissant des rentes AVS. Toujours selon cette analyse, le déséquilibre croissant entre le nombre de cotisants et celui des bénéficiaires des rentes a également constitué un motif de rejet. La minorité qui s'est dégagée des urnes et les motifs qui ont incité les votants à rejeter l'initiative, permettent cependant d'avancer l'hypothèse suivant laquelle un relèvement de l'âge de la retraite serait mal perçue par une large part de la population. Ce résultat peut conforter la position du Conseil fédéral qui, malgré les pressions des milieux économiques, a refusé de procéder à un relèvement de l'âge de la retraite pour les femmes dans son programme pour la 10' révision de l'AVS.

Initiative populaire visant à abaisser l'âge de la retraite des hommes (à 62 ans) et pour les femmes (à 60 ans; BRG 85.045)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Pour la droite et les associations patronales, la révision de l'AVS doit être susceptible de répondre au problème du financement à long terme des prestations sociales, rendu crucial en raison de la chute de la natalité (un nombre de plus en plus réduit de personnes actives doit subvenir aux besoins d'un effectif grandissant de rentiers) et aux considérations d'ordre financier. Ainsi, le PDC s'est prononcé en faveur d'un modèle de l'AVS qui mettrait hommes et femmes sur un pied d'égalité, mais sans entraîner de coûts supplémentaires. En d'autres termes, il s'agit d'instaurer la retraite à 64 ans pour tous avec toutefois la possibilité d'une rente diminuée dès 62 ans.

Quant au PRD et à l'UDC, ils accordent la priorité au principe de la neutralité des coûts et rejettent par conséquent toute solution entraînant une hausse des dépenses. Parmi les propositions formulées par l'Union centrale des associations patronales figure le relèvement de l'âge de la retraite à 66 ans, tant pour les hommes que pour les femmes. Si elle reconnaît que sa proposition serait politiquement difficilement réalisable, elle a cependant indiqué que ce passage ne s'effectuerait pas brusquement et qu'il devrait être combiné avec l'importante question de la flexibilité de la retraite et de la réalisation de l'égalité entre hommes et femmes.

10. AHV-Revision (BRG 90.021)
Dossier: 10. Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV; 1980-1998)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter