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  • Schweizerische Volkspartei (SVP)
  • Freisinnig Demokratische Partei.Die Liberalen (FDP)
  • Thurnherr, Walter (Bundeskanzler / Chancelier de la Confédération)

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Im Konkordanzsystem Schweiz mangelt es – anders etwa als in einem System mit einem Präsidenten – an Köpfen, mit denen man aufgrund der zunehmenden Personalisierung Medienberichte besser verkaufen kann. Es verwundert deshalb nicht, dass sich die Medien für einzelne Exekutivmitglieder interessieren sowie gerne und häufig auch Spekulationen über Rücktritte und mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger amtierender Bundesrätinnen und Bundesräte anstellen. Dies taten sie auch bereits kurz nach der Wahl des neuen Bundesrates Cassis: Schliesslich ist nach der Wahl auch für das Regierungskollegium immer auch vor der Wahl.
In der Tat hatte Doris Leuthard ja bereits im Sommer 2017 ihren Rücktritt auf spätestens Ende der Legislatur im Herbst 2019 angekündigt. Dies war eine Steilvorlage für die Medien, die insbesondere den Umstand thematisierten, dass mit dem Rücktritt der Aargauerin nur noch eine Frau, nämlich Simonetta Sommaruga, in der Regierung sässe und die CVP deshalb gut daran täte, Frauen als mögliche Kandidatinnen aufzubauen – häufig genannt wurden die Ambitionen von Viola Amherd (cvp, VS). Freilich standen bei den Christdemokraten auch einige Männer in den Startlöchern: In den Medien kursierten insbesondere die Namen von Parteipräsident Gerhard Pfister (cvp, ZG), der Ständeräte Konrad Graber (cvp, LU) und Pirmin Bischof (cvp, SO), aber auch Benedikt Würth (SG, cvp), Regierungsrat des Kantons St. Gallen, und Bundeskanzler Walter Thurnherr wurden als Kandidaten gehandelt. Der Bundeskanzler winkte jedoch relativ rasch ab und auch Parteipräsident Pfister zog sich mit dem Argument zurück, einen Austausch im Präsidium kurz vor den Wahlen vermeiden zu wollen. Auch Konrad Graber nahm sich mit seiner Ende August gemachten Ankündigung, bei den eidgenössischen Wahlen 2019 nicht mehr antreten zu wollen, aus dem Rennen.
Ende April 2018 gab dann auch Johann Schneider-Ammann bekannt, dass er keine weitere Legislatur mehr anstrebe. Neben der Forderung, dass auch die FDP nun ein Frauenticket aufstellen müsse, wurde mit der Ankündigung des Berner Magistraten auch die Diskussion um einen konzertierten Doppel- (zusammen mit Leuthard) oder gar Dreierrücktritt (zusammen mit Ueli Maurer) angestossen. Das Parlament müsse eine möglichst grosse Auswahl haben, damit eine genügend grosse Frauenvertretung gesichert sei, lautete der Tenor in den Medien. Auch das Kandidatenkarussell für die Nachfolge des Berner Magistraten begann sich rasch zu drehen. Neben Karin Keller-Sutter (fdp, SG), die bei der Wahl Schneider-Ammanns 2010 noch unterlegen war, brachten die Medien Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ), die Ständeräte Andrea Caroni (fdp, AR), Martin Schmid (fdp, GR) und Ruedi Noser (fdp, ZH) sowie Nationalrat Beat Walti (fdp, ZH) ins Spiel. Auch beim Freisinn zogen sich einige potenzielle Papabili allerdings bereits vor dem definitiven Rücktritt Schneider-Ammans zurück. So gab Petra Gössi etwa zu Protokoll, ihrer Partei eine Kandidatur nicht zumuten zu wollen. Mit dem Namen Keller-Sutter wurde in den Medien häufig auch der Anspruch der Zentral- und Ostschweiz auf einen Bundesratssitz zur Sprache gebracht.
Rücktrittspotenzial sahen die Medien schliesslich auch bei Ueli Maurer, bei dem sie vermuteten, dass er mit 67 Jahren und nach zehn Jahren im Amt bald genug haben könnte. Von verschiedener Seite wurde Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR) als mögliche Nachfolgerin ins Spiel gebracht, die in mehreren Interviews ihre Bereitschaft signalisierte. Hierfür kam aber wenig später ein Dementi von der SVP-Spitze – Vater Christoph Blocher gab zu Protokoll, dass er seine Tochter nicht in das «Gefängnis» Landesregierung stecken wolle. Maurer selber gab in einem Interview zu Protokoll, dass er auf das Ende einer Legislatur zurücktreten werde – ob 2023, 2027 oder 2031 sei noch offen.
Ein vorläufiges Ende nahm zumindest ein Teil der Spekulationen Mitte September, als sowohl Johann Schneider-Ammann als auch Doris Leuthard ihren Rücktritt auf Ende 2018 bekannt gaben. In der Tat gilt die Herbstsession ein Jahr vor den Wahlen als idealer Zeitpunkt für einen Rücktritt vor Ende einer Legislatur, weil so Ersatzwahlen noch vor Ende eines Jahres stattfinden können. Rücktritte in einem Wahljahr selber gelten eher als unschicklich. Freilich war laut Aussage von Doris Leuthard der Doppelrücktritt vorher nicht abgesprochen worden; Schneider-Ammann habe immer davon gesprochen, erst auf Ende Legislatur 2019 zurückzutreten. In den Medien wurde das Vorpreschen des FDP-Bundesrats – er hatte seinen Rücktritt zwei Tage vor Doris Leuthard der Presse verkündet – als geplanter Mediencoup gewertet.

Spekulationen Rücktritt Bundesräte nach der Wahl von Cassis

Die von-Wattenwyl-Gespräche dienen den Parteispitzen als wichtige Möglichkeit des Austausches. In der Regel trifft sich eine Delegation des Bundesrates mit den Partei- und Fraktionspräsidenten der Regierungsparteien, um zentrale Geschäfte und Anliegen im Vorfeld der Sessionen zu diskutieren und zu koordinieren. Im Gegensatz zu 2015 war die BDP nach dem Ausscheiden von Eveline Widmer-Schlumpf nicht mehr an die Gespräche eingeladen.
Die Themen blieben bei den ersten Gesprächen Anfang Februar allerdings dieselben wie schon 2015: Die Legislatur- und Finanzplanung sowie die Umsetzungsarbeiten zum Verfassungsartikel 121a (Steuerung der Zuwanderung) und die Flüchtlingssituation in Europa und der Schweiz.
Zu den zweiten Gesprächen im Mai 2016 traten die Parteien mit drei neuen Präsidien an. Bei der FDP hatte Petra Gössi das Zepter übernommen, die CVP wurde neu von Gerhard Pfister präsidiert und bei der SVP war Albert Rösti neu an die Parteispitze gewählt worden. Gegenstand der Diskussionen war der Sprachenstreit, der durch die Diskussionen um den Frühsprachenunterricht in den Kantonen angeheizt worden war. Im Bereich der internationalen Finanzpolitik wurde die Vermeidung eines möglichen Reputationsschadens für die Schweiz durch die Übernahme internationaler Regulierungen diskutiert. Schliesslich informierte der Bundesrat über die Weiterentwicklung der Armee.
Im August wurde auf Anregung von Bundeskanzler Thurnherr entschieden, die von-Wattenwyl-Gespräche des dritten Quartals künftig in Form einer Klausur durchzuführen. An der nach wie vor freien und informellen Diskussion über wichtige politische Anliegen soll neu der Gesamtbundesrat teilnehmen. Damit soll den Gesprächen ein höherer Stellenwert zugemessen werden. Der früher substanzielle Austausch, der als Zeichen der funktionierenden Konkordanz bewertet wurde – die NZZ sprach von einem eigentlichen Schmiermittel der Konkordanz –, laufe immer mehr Gefahr, ein Leerlauf zu werden oder zu reinen Alibi-Gesprächen zu verkommen. Die einzige Möglichkeit für ein Treffen zwischen Regierung und Bundesratsparteien sei aber wichtig, um Möglichkeiten und Strategien auszuloten. Fix auf der Agenda soll eine Diskussion über die Jahresziele des Folgejahres stehen.
Erstmals trat die Exekutive also am 2. September 2016 in corpore zu den Gesprächen an. Neben den Jahreszielen 2017 des Bundesrates, die Schwerpunkte in der Finanzpolitik, im Infrastrukturbereich, der Bildung und der Europapolitik vorsehen, wurden die Lage im Asylwesen und die durch den Brexit schwieriger gewordenen Verhandlungen mit der EU diskutiert.
Bei den letzten Gesprächen des Jahres Mitte November nahm dann wieder nur eine Delegation des Bundesrates teil. Ueli Maurer informierte über die finanzpolitische Lage und plädierte für eine Annahme des Stabilisierungsprogramms 2017-2019. Im Rahmen der Europapolitik wurde auch über die im Dezember anstehende Entscheidung zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, die Rasa-Initiative und den Brexit diskutiert.

Von-Wattenwyl-Gespräche seit 2013

Nach zwei Legislaturen kündigte Corina Casanova Ende Juni etwas überraschend ihren Rücktritt als Bundeskanzlerin an. Casanova hatte sich 2007 gegen zwei weitere Kandidierende durchgesetzt und der CVP damit den Posten des so genannten "achten Bundesrats" gesichert, wollte aber für eine dritte Amtszeit nicht mehr kandidieren. Die Bündnerin hatte sich während ihrer Zeit allerdings weniger stark als ihre Vorgängerin und ihre Vorgänger aktiv in politische Geschäfte eingemischt. Vielmehr wurde sie für ihre Bemühungen einer konsequenten Digitalisierung und die effiziente Abwicklung der Regierungsgeschäfte gelobt – die Zeitung La Liberté bezeichnete sie gar als "Madame Digitalisation". In der Öffentlichkeit war Casanova kaum aufgefallen, obwohl sie stark hinter dem Aufbau von E-Voting oder der Einführung des Primates der elektronischen Version der Amtsschriften stand.
Anders als 2007 kam es 2015 nicht zu einer Kampfwahl um die Bundeskanzlei. Offiziell spielt zwar die Parteifarbe der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers keine Rolle, bei der Zusammensetzung des Bundesrates wurde der Posten des achten Bundesrates in der Vergangenheit auch schon als Argument in der Absprache um die Verteilung der Regierungssitze angeführt. Obwohl die SVP noch nie einen Bundeskanzler gestellt hatte, nominierte sie keinen Kandidaten. Man wolle sich vielmehr auf die Eroberung eines zweiten Bundesratssitzes konzentrieren. Dass auch die anderen Parteien keinen Anspruch erhoben, lag wohl daran, dass die CVP Anfang Oktober mit dem amtierenden Generalsekretär des UVEK, Walter Thurnherr, einen äusserst starken Kandidaten ins Rennen schickte. Thurnherr war früher persönlicher Mitarbeiter von Flavio Cotti, Generalsekretär im EDA und im EVD (heute WBF) unter Jospeh Deiss und Doris Leuthard, die ihn bei ihrem Departementswechesl ins UVEK mitgenommen hatte. Die SP liebäugelte zwar eine Weile mit einer eigenen Kandidatur – gehandelt wurden der aktuelle Vizekanzler André Simonazzi oder die stellvertretende Generalsekretärin der Bundesversammlung Martina Buol – steckte ihre Ambitionen nach den eidgenössischen Wahlen aber wieder zurück, weil ein Angriff auf die CVP das Mitte-Links-Lager schwächen würde und deshalb wenig sinnvoll sei. Weil seit Beginn des 20. Jahrhunderts mit zwei Ausnahmen immer Vizekanzler ins Kanzleramt gewählt wurden, sprach die Presse auch dem zweiten Vizekanzler, Thomas Helbling von der FDP, gute Chancen zu.
Für die Wahl zum neuen Bundeskanzler blieb Walter Thurnherr dann allerdings der einzige Kandidat. Dies wurde in den Kommentarspalten nicht dem Bedeutungsverlust des Bundeskanzleramtes zugeschrieben, das sich zwar immer mehr zu einer Dienstleistungsstelle gewandelt habe, aber nach wie vor einen grossen Gestaltungsspielraum zulasse, sondern vielmehr mit den Qualitäten des Bewerbers erklärt. Dass Thurnherr als Idealbesetzung gilt, widerspiegelte sich auch im Glanzresultat bei seiner Wahl unmittelbar nach den Bundesratserneuerungswahlen: 230 der anwesenden 245 Parlamentarierinnen und Parlamentarier schrieben seinen Namen auf den Wahlzettel. Thurnherr erklärte, dass er sich nicht als achten Bundesrat sehe, dass er sich aber bei Bedarf durchaus kritisch in einzelne Bundesratsgeschäfte einbringen werde. In den Kommentarspalten wurde die Erwartung geäussert, dass der studierte Physiker das Amt weniger diskret und technokratisch interpretieren werde als seine Vorgängerin.

2015: Auf Bundeskanzlerin Corina Casanova folgt Walther Thurnheer
Dossier: Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler