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  • Eidgenössisch Demokratische Union (EDU)
  • Freisinnig Demokratische Partei.Die Liberalen (FDP)
  • Maret, Marianne (pdc/cvp, VS) SR/CE
  • Markwalder, Christa (fdp/plr, BE) NR/CN
  • Wasserfallen, Christian (fdp/plr, BE) NR/CN

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Noch bevor der Abstimmungskampf zur Änderung der direkten Bundessteuer zur steuerlichen Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten, über die im Mai 2020 hätte abgestimmt werden sollen, richtig begonnen hatte, gab der Bundesrat im März 2020 bekannt, die Abstimmung aufgrund des Corona-bedingten Lockdowns auf September 2020 zu verschieben.
Die Abstimmungsvorlage umfasste zwei Aspekte: einerseits die im Titel aufgeführte Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs von CH 10'000 auf CHF 25'000, andererseits die der Vorlage von der bürgerlichen Parlamentsmehrheit hinzugefügte Erhöhung des Kinderabzugs von CHF 6'500 auf CHF 10'000. Im Zentrum der Abstimmungskampagne stand der zweite Aspekt, die Erhöhung des Kinderabzugs, wobei dieselbe Frage die Diskussion dominierte, die schon im Rahmen der Parlamentsdebatte im Mittelpunkt gestanden hatte: Wer profitiert von den Kinderabzügen? Zur Beantwortung dieser Frage stützten sich beide Seiten auf die Daten der ESTV, welche Finanzminister Maurer in der Parlamentsdebatte präsentiert hatte.
Die Befürworterinnen und Befürworter stellten den Nutzen der Vorlage für den Mittelstand in den Mittelpunkt ihrer Kampagne. «Der Mittelstand profitiert», warb etwa die CVP auf ihrer Internetseite. Stütze man sich auf die Definition des BFS für «Mittelstand», erhalte der Mittelstand 49 Prozent der Ermässigungen, argumentierte Marianne Binder-Keller gegenüber dem Sonntagsblick. Gegen diese Darstellung wehrten sich die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage: Der (obere) Mittelstand profitiere zwar auch, in erster Linie nütze die Vorlage aber vor allem den Gutverdienenden, kritisierten sie: Je höher das Einkommen, desto grösser sei der Spareffekt. 70 Prozent der Gesamtentlastung kämen so den 15 Prozent der Familien mit den höchsten Löhnen zu, während 45 Prozent der Familien keine Entlastung erfahren würden, da sie keine Bundessteuern bezahlten. Gar als «Klientelpolitik» bezeichnete etwa das liberale Komitee, vor allem bestehend aus Mitgliedern der GLP, die Vorlage. Noch einseitiger sei die Verteilung schliesslich, wenn nicht nur die Familien, sondern alle Haushalte, also auch die Alleinstehenden und die kinderlosen Paare, die ja ebenfalls von den Steuerausfällen betroffen wären, berücksichtigt würden, betonte überdies Jacqueline Badran (sp, ZH). Berücksichtige man diese ebenfalls, profitierten lediglich sechs Prozent aller Haushalte von 70 Prozent der Steuerausfälle. Man lasse jedoch den Mittelstand im Glauben, dass er von der Vorlage profitiere, indem in der Debatte sowie im Abstimmungsbüchlein jeweils das steuerbare Einkommen aufgeführt werde. Dies sei «total irreführend» (Badran gemäss Blick), da niemand die Höhe seines persönlichen steuerbaren Einkommens kenne. Die ESTV begründete die Verwendung des steuerbaren Einkommens jedoch damit, dass sich der tatsächliche Steuerbetrag beim Bruttoeinkommen zwischen verschiedenen Personen stark unterscheiden könne.
Obwohl die Befürworterinnen und Befürworter immer betonten, dass die Mehrheit der Familien profitiere, gab zum Beispiel Philipp Kutter (cvp, ZH), der die Erhöhung der Kinderabzüge im Nationalrat eingebracht hatte, in einem Interview gegenüber der NZZ unumwunden zu, dass die Vorlage auch eine Steuersenkung für Gutverdienende beinhalte: Über den Steuertarif seien allgemeine Steuersenkung für Gutverdienende «chancenlos», mehrheitsfähig sei einzig der «Weg über die Kinderabzüge».

Nicht nur der Mittelstand, sondern auch die Familien standen im Zentrum der Vorlage. Diese müssten endlich unterstützt werden, betonte Philipp Kutter, was mithilfe der aktuellen Vorlage möglich sei: 60 Prozent aller Familien könnten von einer Erhöhung des Kinderabzugs profitieren. Dem entgegnete etwa die NZZ, dass die Familien in den letzten Jahren stark entlastet worden seien (v.a. durch die Reduktion der Bundessteuer für Haushalte mit Kindern), deutlich stärker zumindest als Kinderlose. Brigitte Häberli-Koller (cvp, TG) befürwortete indes insbesondere, dass durch die aktuelle Vorlage alle Familienmodelle unabhängig der Betreuungsform entlastet würden. Die Gesellschaft habe als Ganzes ein Interesse daran, dass die Leute Kinder bekommen, ergänzte Kutter. Familiäre Strukturen seien für die Gesellschaft wichtig, überdies sei man dadurch weniger auf Zuwanderung angewiesen, die ja ebenfalls teilweise auf Ablehnung stosse. Demgegenüber wurde in der NZZ die Frage diskutiert, ob Kinderabzüge überhaupt gerechtfertigt seien. So könne man es als private Konsumentscheidung ansehen, Kinder zu haben; in diesem Falle würden Kinderabzüge der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit widersprechen. Es gäbe aber einen politischen Konsens, dass das Steuerrecht Kinderkosten berücksichtigen solle. Die Entscheidung, wie diese Unterstützung erfolgen solle (durch degressiv wirkende Kinderabzüge, neutral wirkende Abzüge vom Steuerbetrag oder durch progressiv wirkende Kinderzulagen zum Erwerbseinkommen), sei dann eine weitere, umverteilungspolitische Entscheidung.

Ein weiteres Argument der Gegnerinnen und Gegner der Erhöhung des Kinderabzugs lag in den daraus folgenden hohen Kosten: Die Vorlage verursache voraussichtlich fast 40mal höhere Kosten, als für die Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs geplant worden war, und übertreffe damit auch die Kosten der medial deutlich umstritteneren Verlängerung des Vaterschaftsurlaubs. Dadurch sei zukünftig weniger Geld für andere, sinnvollere Projekte vorhanden, argumentierten sie. SP, Grüne und die Kritikerinnen und Kritiker der Vorlage aus der FDP stellten dabei insbesondere die Individualbesteuerung in den Mittelpunkt. Dieser sprachen sie eine deutlich grössere Wirkung auf die Erwerbstätigkeit von Frauen zu als den Drittbetreuungsabzügen. Da sie aber ebenfalls zu hohen Steuerausfällen führen würde, befürchteten sie, dass die Abschaffung der Heiratsstrafe bei Annahme der aktuellen Vorlage auf die lange Bank geschoben würde, weil kein Geld mehr vorhanden wäre. Verstärkt wurde dieses Argument durch die hohen Kosten zur Bewältigung der Corona-Pandemie: Hatte der Bundesrat während der Budgetdebatte fürs Jahr 2020 noch mit einem Überschuss von CHF 344 Mio. gerechnet, wurde jetzt ein Defizit über CHF 20 Mrd. erwartet. Die Medien vermuteten von diesem Defizit nicht nur Auswirkungen auf die Vorlage zum Drittbetreuungs- und zum Kinderabzug, sondern auch auf die gleichzeitig stattfindenden Abstimmungen zu den Kampfflugzeugen und über den Vaterschaftsurlaub. «Angesichts enormer Zusatzlasten kann sich unsere Gesellschaft erst recht keine Steuergeschenke mehr leisten, die nichts bringen», argumentierte etwa GLP-Nationalrat Thomas Brunner (glp, SG). Das sahen die Befürwortenden anders, Philipp Kutter etwa betonte: «Das wird den Bund nicht umbringen».

Schliesslich waren sich Befürwortende und Gegnerschaft nicht einig, inwiefern das ursprüngliche Ziel der Vorlage, die Förderung der Beschäftigung hochgebildeter Personen, insbesondere von Frauen, durch die Ergänzung der Kinderabzüge gefördert wird. Raphaela Birrer argumentierte im Tages-Anzeiger, dass die Erhöhung der Kinderabzüge die Anreize zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit verstärke. In einer Studie zur Wirkung der beiden Abzüge (Kinderabzug und Drittbetreuungsabzug) auf die Erwerbstätigkeit bestätigte Avenir Suisse diesen Effekt nur bedingt: Zwar senkten beide Abzüge den Grenzsteuersatz (also die Besteuerung von zusätzlichem Einkommen) und förderten damit die Erwerbstätigkeit, jedoch sei der entsprechende Effekt des Kinderabzugs gering. Zudem senke er auch den Grenzsteuersatz von Einverdienerhaushalten, wodurch die Erwerbstätigkeit von Frauen nicht gesteigert werde. Von der Erhöhung des Betreuungskostenabzugs sei hingegen ein deutlich stärkerer Effekt auf die Erwerbstätigkeit zu erwarten, damit könne der Anreiz des aktuellen Steuersystems für Zweitverdienende, nicht oder nur wenig zu arbeiten, gemildert werden. Die GLP stellte entsprechend insbesondere diesen Aspekt in den Mittelpunkt und sprach von einer Mogelpackung, weil die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch die Erhöhung des Kinderabzugs nicht verbessert werde. Nationalrätin Christa Markwalder (fdp, BE), die sich ebenfalls im liberalen Komitee engagierte, reichte im Juni 2020 eine parlamentarische Initiative (Pa.Iv. 20.455) ein, mit der sie das Originalanliegen der Vorlage, also den Drittbetreuungsabzug, erneut aufnahm. Damit sollte dieser bei einer Ablehnung der Vorlage möglichst schnell verwirklicht werden können.
Die Frage, ob die Vorlage Anreize zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit beinhalte oder nicht, hatte aber noch eine zweite Komponente. So störte sich die Weltwoche überhaupt daran, dass das Steuerrecht «für alle möglichen Zwecke instrumentalisiert» werde. Es sei nicht dafür da, «bestimmte Lebensmodelle zu fördern», argumentierte Katharina Fontana. Zudem sei es unmöglich, Steuergerechtigkeit herzustellen, zumal sich niemand jemals gerecht besteuert fühle.

Bezüglich der Komitees gibt es weniger zu sagen. Auf der Befürworterseite der Vorlage standen insbesondere die CVP und die SVP. Ja-Parolen gaben auch die BDP, EVP und die FDP.Liberalen aus, unterstützt wurden sie vom Gewerbeverband. Die Medien interessierten sich indes insbesondere für die Position der Freisinnigen, zumal sie die Vorlage im Parlament anfangs bekämpft, ihr mit ihrem Meinungswandel dann aber zum Durchbruch verholfen hatten. Nun wolle sich die Partei nicht an der Kampagne beteiligen, so die WOZ, zumal sie intern gespalten war: Einzelne Personen, darunter Ständerat Andrea Caroni (fdp, AR) und Nationalrätin Christa Markwalder, sprachen sich gegen die Vorlage aus und beteiligten sich gar am liberalen Nein-Komitee. Dieses setzte sich insbesondere aus Mitgliedern der GLP zusammen und kämpfte vor allem dagegen, dass die «Mogelpackung» viel koste, aber keine oder gar negative Auswirkungen hätte. Damit würden «keine Anreize für arbeitstätige Elternteile geschaffen», betonte Kathrin Bertschy (glp, BE). Auf linker Seite kämpften vor allem die SP und die Grünen, welche die Unterschriften für das Referendum gesammelt hatten, für ein Nein. Unterstützt wurden sie von den Gewerkschaften, aber auch Avenir Suisse sprach sich gegen die Kinderabzüge aus. Stimmfreigabe erteilten hingegen unter anderem die FDP Frauen. Sie befürworteten zwar den Drittbetreuungsabzug, störten sich aber an den hohen Kosten des Kinderabzugs, durch den das wichtigere Projekt der Individualbesteuerung weiter hinausgeschoben werde. Auch der Arbeitgeberverband entschied sich für Stimmfreigabe, nachdem er das Projekt im Parlament noch bekämpft hatte, da es «kaum zu einer stärkeren Arbeitstätigkeit der Eltern beitrage», wie der Blick berichtete. Dasselbe geschah mit Economiesuisse, der das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Vorlage anfangs zu wenig ausgewogen gewesen sei. Der Sonntags-Blick vermutete, dass sich die Verbände nicht zu einer Nein-Parole hätten durchringen können, da das Referendum «aus dem falschen politischen Lager» stammte. Interessant war für die Medien schliesslich auch die Position des Bundesrates, insbesondere von Finanzminister Maurer. Dieser hatte die Vorlage im Parlament mit deutlichen Worten bekämpft, vertrat nun aber – wie im Gesetz für politische Rechte geregelt – die Position des Parlaments. Ersteres hatte er so gut getan, dass sich auch die NZZ nicht sicher war, ob er denn nun die Vorlage persönlich befürworte, wie seine Partei, oder sie ablehne.

Der Abstimmungskampf zur Vorlage verlief ungemein schwach. So stand sie deutlich im Schatten der Corona-Pandemie sowie der anderen vier Vorlagen. Sie wurde gemäss Analysen vom Fög und von Année Politique Suisse einerseits nur sehr schwach in Zeitungsinseraten beworben und andererseits auch in den Medien vergleichsweise selten thematisiert. Die briefliche Stimmabgabe deutete anfänglich auf mässiges Interesse am Super-Sonntag hin, wie der Abstimmungstag mit fünf Vorlagen in den Medien genannt wurde. Die SP schaltete sieben kurze Animationsfilme und gab ein Comic-Heftchen zu den Filmen aus, um zu verhindern, dass die Vorlage untergeht. Die ersten Vorumfragen Mitte August 2020 zeigten dann auch, dass die Meinungsbildung zur Vorlage noch nicht weit fortgeschritten war. Auf diese Tatsache wurde in den entsprechenden Berichten das Zwischenergebnis, wonach die Sympathisierenden von SP und Grünen die Vorlage mehrheitlich befürworteten, zurückgeführt. Besserverdienende gaben zu diesem Zeitpunkt an, der Vorlage eher zuzustimmen. Christian Levrat (sp, FR) hoffte, diese Personen durch die Kampagne noch umstimmen zu können. Die erste Tamedia-Umfrage ergab insgesamt eine Zustimmung («dafür» oder «eher dafür») von 55 Prozent und eine Ablehnung von 37 Prozent, während die SRG-Vorumfrage mit 51 Prozent zu 43 Prozent zu ähnlichen Ergebnissen kam. Diese Zahlen kehrten sich bis zum Termin der letzten Welle Mitte September um: Die Tamedia-Umfrage ergab eine Zustimmung von 46 Prozent und eine Ablehnung von 51 Prozent, die SRG-Umfrage eine von 43 Prozent zu 52 Prozent. Bei den Sympathisierenden von SP und Grünen war die Zustimmung vom ersten zum zweiten Termin gemäss SRG-Umfragen um 19 respektive 14 Prozentpunkte gesunken, bei den Sympathisierenden der GLP ebenfalls um 12 Prozentpunkte. Bei den übrigen Parteien nahm sie ebenfalls leicht ab.

Das Resultat der Abstimmung zur Änderung der direkten Bundessteuer über die steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten war schliesslich deutlicher, als die Vorumfragen und die Ausgangslage viele Kommentatorinnen und Kommentatoren hatten vermuten lassen: Mit 63.2 Prozent Nein-Stimmen lehnte das Stimmvolk die Vorlage mit einer vergleichsweise hohen Stimmbeteiligung von 59.2 Prozent deutlich ab. Dieses Nein lasse jedoch einigen Interpretationsspielraum, betonten die Medien. So gab es zwischen den Kantonen doch beträchtliche Unterschiede: Am kritischsten zeigte sich die Stimmbevölkerung im Kanton Appenzell-Ausserrhoden (28.1%), gefolgt von denjenigen in Appenzell-Innerrhoden (29.3%) und Bern (29.5%), am höchsten lag die Zustimmung im Tessin (52.0%) und in Genf (50.1%), beide Kantonsbevölkerungen hätten die Vorlage angenommen. Allgemein wurde gemäss BFS ersichtlich, dass die italienischsprachige (52.0%) und die französischsprachige Schweiz (48.5%) der Vorlage deutlich mehr abgewinnen konnten als die Deutschschweiz. Kaum Unterschiede waren zwischen Stadt und Land erkennbar: Die ländlichen Regionen (35.3%) lehnten die Vorlage ähnlich stark ab wie die Kernstädte (35.8%). Das Resultat könne nicht mit dem Links-Rechts-Schema erklärt werden, betonte die NZZ. Stattdessen seien vor allem die persönliche Einstellung zur Familienpolitik und zur Rolle des Staates relevant gewesen. Die externe Kinderbetreuung würde in der Romandie stärker akzeptiert und durch den Staat stärker unterstützt als in der Deutschschweiz, betonte denn auch CVP-Ständerätin Marianne Maret (cvp, VS) gegenüber der NZZ. Entsprechend habe in der Westschweiz vor allem der Drittbetreuungsabzug im Mittelpunkt gestanden, während in der Deutschschweiz hauptsächlich über den Kinderabzug diskutiert worden sei, stellte SP-Nationalrätin Franziska Roth (sp, SO) fest. Eine zu späte Kampagne in der Romandie machte schliesslich SP-Nationalrat Roger Nordmann für den hohen Anteil Ja-Stimmen in der französischsprachigen Schweiz verantwortlich. Christian Levrat erachtete das Ergebnis insgesamt als Absage des Volkes an die bürgerliche Steuerpolitik und als Ausblick auf andere bürgerliche Projekte zur Abschaffung der Stempelabgabe, der Industriezölle, des Eigenmietwerts oder der Heiratsstrafe. Stattdessen müssten nun Familien mit tiefen und mittleren Einkommen entlastet werden, insbesondere durch die Senkung der Krankenkassenprämien und die kostenlose Bereitstellung von Kita-Plätzen. Philipp Kutter wollte die Entlastung von Familien weiterverfolgen und plante anstelle des Kinderabzugs einen Abzug vom Steuerbetrag. Dass neben der Erhöhung des Kinderabzugs auch die Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs gescheitert war, erachtete Christa Markwalder nicht als entmutigend und setzte auf ihre eingereichte parlamentarische Initiative. Anders als bei der ersten Behandlung des Themas im Nationalrat, als sich die SP- und die Grüne-Fraktion gegen Eintreten ausgesprochen hatten, kündigte Christian Levrat an, die parlamentarische Initiative zu unterstützen. Dies sei aber nur ein erster Schritt, zusätzlich brauche es auch Lösungen, die sich für die Mehrheit der Bevölkerung auszahlten.


Abstimmung vom 27. September 2020

Beteiligung: 59.2%
Ja: 1'164'415 (36.8%)
Nein: 2'003'179 (63.2%)

Parolen:
- Ja: BDP (1*), CVP, EVP (1*), FDP (1*), SVP; SGV
- Nein: EDU, GLP (1*), GPS, PdA, SD, SP; SGB, SSV, Travail.Suisse, VPOD
- Stimmfreigabe: Economiesuisse, SAV
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten

Ca. 8 Monate vor den eidgenössischen Wahlen 2019 versuchte FDP-Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) den Kurs der FDP bezüglich der Klimafrage und des CO2-Gesetzes zu ändern und löste damit eine interne Diskussion über diese Frage aus. Ausgangspunkt der Kursänderung war die Meinungsänderung der FDP bezüglich einiger konkreter Aspekte des CO2-Gesetzes, nachdem dieses unter Opposition der Linken und der SVP in der Wintersession 2018 im erstberatenden Nationalrat abgelehnt worden war. So zum Beispiel sei die Partei nicht mehr gegen die Flugticket-Abgabe, so Gössi. Auch für ein Inlandziel, also die Festlegung eines Wertes der angibt, wie hoch die Verminderung der CO2-Emissionen in der Schweiz sein muss, könnte die FDP Hand bieten, wenn dadurch ein breiter Kompromiss geschaffen werden könne. Kurz vor dem Interview mit der FDP-Parteipräsidentin im Tages-Anzeiger hatte sich die vorberatende UREK-SR mit Unterstützung von FDP-Vertreterinnen und -Vertretern bereits für ein Inlandziel ausgesprochen. Einige FDP-Politiker, wie zum Beispiel die Ständeräte Thomas Hefti (fdp, GL) und Ruedi Noser (fdp, ZH) befürworteten den Einsatz der Partei für einen stärkeren Schutz des Klimas. So sass der Zürcher Ständerat beispielsweise im Komitee der Gletscherinitiative, während der Glarner gegenüber der NZZ betonte, dass das Klima zu schützen richtig und wichtig sei. Andere Parteimitglieder, wie zum Beispiel Christian Wasserfallen (fdp, BE) zeigten sich gegenüber einzelnen Aspekten des neuen CO2-Gesetzes, wie der Flugticketabgabe, eher skeptisch. Gössi betonte, dass die Partei bereit sei, Kompromisse bei der Revision des CO2-Gesetzes einzugehen und vor allem allgemein eine aktivere und wirksamere Klimapolitik wollte. Gegenüber dem Tages-Anzeiger betonte die Parteipräsidentin zudem, dass das vermehrte Engagement der Partei für die Klimapolitik keine Wahltaktik sei. Das Klima sei ein Thema, das die zukünftigen Generationen stark betreffe, deswegen müsse sich auch die FDP diesem Thema widmen.
Um die Meinung der Parteibasis über die Umweltpolitik einzuholen, führte die Partei eine Umfrage bei ihren Parteimitgliedern durch, in der sie unter anderem erfragten, welches Gewicht die Mitglieder dem Klimawandel im Vergleich zu Themen wie der Altersvorsorge oder den Gesundheitskosten zuschrieben, ob der Mensch einen Einfluss auf das Klima habe und ob die Befragten strengere Vorschriften beim Klimaschutz oder mehr Eigenverantwortung befürworteten. Dies sei jedoch keine Urabstimmung, betonte Parteipräsidentin Gössi, die Resultate seien somit nicht direkt bindend für die Bundeshausfraktion. Die Idee einer solche Umfrage wurde schon von Gössi gegenüber dem Tages-Anzeiger im Februar 2019 geschildert. Trotz der Einbindung der Basis äusserte die Presse unter anderem Kritik am Stil Gössis: Sie habe die Klimawende parteiintern nur im engsten Kreis abgestimmt, aber weder die Vizepräsidentinnen und -präsidenten noch die für das CO2-Gesetz zuständigen Kommissionsmitglieder konsultiert.
Die Ergebnisse der Befragung, welche der Sonntags-Blick Ende April 2019 publizierte, zeigten, dass 78 Prozent der insgesamt 14'198 Befragten der Meinung waren, die FDP solle sich künftig mehr für den Klima- und Umweltschutz engagieren. Weitere 68 Prozent der Befragten befürworteten die Förderung des CO2-freien Verkehrs auf der Strasse, 73 Prozent der Befragten sprachen sich für eine Flugticketabgabe und 59 Prozent der Befragten für die Förderung von Subventionen für erneuerbare Energien aus. Diese Resultate präzisierte die NZZ ein paar Tage später: Zwar sei der Umweltschutz für die FDP-Mitglieder ein wichtiges Thema, was bei der Berichterstattung zur Umfrage jedoch gefehlt habe, sei, dass die Parteimitglieder die Gesundheitskosten, die Altersvorsorge und die Beziehungen zur Europäischen Union als noch wichtiger einschätzten. Die FDP hätte die Umfrage nicht veröffentlichen wollen, so dass zum Schluss nur einzelne Resultate – aus dem Zusammenhang gerissen – publiziert worden seien.
Basierend auf diesen Ergebnissen und der breiten Unterstützung der Parteibasis zur Klimafrage verfassten die Begleitgruppe, die Fachkommission Umwelt und Energie inklusive der Mitglieder der UREK, der FDP-Vorstand und die Konferenz der kantonalen Parteipräsidenten (PPK) ein neues Positionspapier, das bei der Delegiertenversammlung vom Juni 2019 deutlich gutgeheissen wurde. Das Papier umfasste die neue Ausrichtung der FDP in Bezug auf Klima und Umwelt, die sich auf verschiedene freisinnige Grundsätze wie Fortschritt, Forschung und Innovation, Eigenverantwortung und Lenkungsmassnahmen stützte. Die Grundsätze wurden dann auf vier zentrale Bereiche der Gesellschaft, nämlich Natur/Landschaft, Wohnen, Arbeit/Bildung und Verkehr, angewendet, wobei pro Bereich verschiedene Massnahmen geschildert wurden. Der neue Kurs der Partei und das neue Positionspapier würden für Wasserfallen und die anderen Kritiker schwer zu verdauen sein – wie der SonntagsBlick Ende Juni 2019 schrieb. Ob die ganze Fraktion im Parlament den Beschlüssen über die Klimapolitik folgen wird, war eine offene Frage; für Fraktionschef Beat Walti verfügte die FDP jetzt zumindest über eine Grundlage und eine Legitimation, klimafreundlichere Entscheidungen auch im Parlament zu treffen.

Kursänderung der FDP bezüglich der Klimafrage und des CO2-Gesetzes
Dossier: Klimawandel in der Schweiz

Die FDP verlor bei den Ständeratswahlen 2019 einen Sitz (neu: 12 Mandate). Im Tessin verlor die Partei ihren historischen Sitz im Stöckli zugunsten der SVP, nachdem die Tessiner Freisinnigen dort seit 1848 ununterbrochen vertreten gewesen waren. Der bisher im Nationalrat tätige Giovanni Merlini, der nur für den Ständerat kandierte, wurde nicht gewählt. Stattdessen wurde der SVP-Kandidat Marco Chiesa ins Stöckli geschickt.
Im Kanton Bern kam es zu einem Eklat, wie der Tages-Anzeiger berichtete. So trat Christa Markwalder (fdp, BE) für den zweiten Wahlgang an, um den Sitz von BDP-Ständerat Werner Luginbühl anzugreifen, obwohl die BDP-Kandidatin Beatrice Simon im ersten Umgang mit über 20'000 Stimmen vor FDP-Kandidatin Markwalder gelegen hatte. Die Kandidatur von Markwalder konkurrenzierte damit Simon, die dann ihren Verzicht bekannt gab. Markwalder wurde im zweiten Wahlgang vierte, hinter Regula Rytz und den gewählten Werner Salzmann und Hans Stöckli.

Resultate der FDP bei den Ständeratswahlen 2019

Wenn man im Spätsommer der Landstrasse entlang fährt und über Kilometer hinweg eine willkürliche Aufreihung meist fremder Gesichter entdeckt, wird auch den politisch Uninteressierten bewusst, dass der nationale Wahlherbst vor der Türe stehen muss. Auch im Herbst 2019 war dieses Spektakel schweizweit deutlich zu sehen. Die Parteien und ihre Kandidatinnen und Kandidaten warben fleissig für sich und ihre Anliegen – mal originell, mal weniger, aber immer mit dem Bisschen «je ne sais quoi», das der Politik eben inhärent ist. Bisweilen schreckten einige auch nicht vor einer ordentlichen Portion Provokation zurück, so beispielsweise die SVP mit ihrem im August publizierten, wurmstichigen Apfel-Plakat oder die CVP mit ihrer Online-Kampagne, mit der sie offensichtlich gegen die anderen Parteien schoss.
Da in einem demokratisch konsolidierten Land wie der Schweiz die Meinungsäusserungsfreiheit einen hohen Stellenwert geniesst und nach Möglichkeit auch eine harte politische Auseinandersetzung über heikle Themen ermöglicht werden soll, gibt es in der Schweiz kaum rechtliche Grundlagen, die gezielt den Wahl- bzw. Abstimmungskampf regeln. Dies wurde knapp drei Wochen vor den Wahlen deutlich, als es ein prominenter Akteur, der mit Parteipolitik im eigentlichen Sinne nur wenig zu tun hat, mit einer Plakat-Aktion in die Medien schaffte: das «Egerkinger Komitee» mit seinem prominentesten Vertreter Walter Wobmann (svp, SO). In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden in verschiedenen Schweizer Städten und auf den Social-Media-Accounts des Komitees unzählige Wahlplakate aufgehängt und aufgeschaltet, auf denen jeweils das Konterfei vier prominenter FDP-Exponenten zu sehen war: Parteipräsidentin Petra Gössi (SZ), Fraktionschef Beat Walti (ZH), Nationalrätin Christa Markwalder (BE) sowie Nationalrat Christian Wasserfallen (BE). Betitelt wurde das Ganze mit dem Slogan: «Die FDP schützt radikale Islamisten in der Schweiz – Wollen Sie solche FDP-Mitläufer wirklich wählen?» Stein des Anstosses war eine nur wenige Wochen zuvor in der Herbstsession abgelehnte Motion der SVP-Fraktion zur Bekämpfung der Ausbreitung eines radikalen Islams in der Schweiz, die auch dank grosser Unterstützung der FDP-Fraktion zu Fall gebracht worden war.
Die FDP-Spitze liess diesen Angriff nicht auf sich sitzen und zog die Angelegenheit einen Tag nach Bekanntwerden vor das Bezirksgericht Andelfingen (ZH), dem Sitz des Egerkinger Komitees. Dort suchte sie, wie in diversen Medien berichtet wurde, um Erlass eines Superprovisoriums (einer ohne Anhörung der Gegenpartei erlassenen vorsorglichen Massnahme) an, weil sich die anvisierten Personen in ihrer Persönlichkeit verletzt fühlten, u.a. im Recht auf das eigene Bild. Petra Gössi liess im «Blick» verlauten, sie lasse sich nicht unterstellen, radikale Islamisten zu schützen; vielmehr sei die Motion der SVP «reine Symbolpolitik, die nicht umsetzbar gewesen wäre oder gar nichts gebracht hätte», gewesen. Das Gericht bestätigte zwei Tage nach dem Ansuchen die superprovisorische Verfügung und forderte das Komitee auf, die Plakat- und Social-Media-Anzeigen innert 24 Stunden zu entfernen. Komme es dieser Aufforderung nicht nach, würden Bussen in Höhe von CHF 10'000 verhängt und auch für weitere geplante Veröffentlichungen zusätzlich erhoben werden. Wobmann und sein Komitee – oder wie es der Tages-Anzeiger betitelte: die «SVP-Kampftruppe» – ignorierten das Gerichtsurteil aber gänzlich und liessen nonchalant verlauten: «Wir entfernen die Plakate sicher nicht.» Gemäss Wobmann handle es sich bei diesem Urteil lediglich um einen politischen Entscheid; er sprach gar von «Zensur». Zudem sei die Plakat-Kampagne sowieso lediglich auf den Zeitraum einer Woche beschränkt gewesen und werde bereits am Montag nach dem Urteil enden. Des Weiteren sei das Entfernen innert 24 Stunden gar nicht möglich – was wiederum von der verantwortlichen Plakatgesellschaft Clear Channel so nicht bestätigt wurde.
In der Wochenendpresse wurde dann tatsächlich eine Wende im Plakat-Krimi kundgetan: Das Egerkinger Komitee wolle doch dem «Gericht gehorchen» und habe Clear Channel einen entsprechenden Auftrag erteilt, wie der Tages-Anzeiger informierte. Die gesetzte Frist von 24 Stunden reiche zum Entfernen der Plakate zwar nicht, liess die Plakatgesellschaft verkünden, man werde diese aber auf Kosten des Komitees frühzeitig überkleben. Weshalb es nun doch zum Umschwung kam, wollte Wobmann den Medien nicht mitteilen. Stattdessen hatte sich in der Zwischenzeit eine andere Politgrösse zur Plakataktion geäussert: SVP-Übervater Christoph Blocher. Im Gespräch auf «Teleblocher» antwortete er auf die Frage, was er denn von diesem Urteil halte, lediglich mit einem Lachen und meinte: «Da habe ich nur gelacht.» Es sei eben schon etwas «komisch», wenn das Gericht ein solches Urteil fälle, da sich die genannten Politikerinnen und Politiker doch lediglich gegen einen vermeintlichen Rufschaden wehrten, den sie durch ihr Abstimmungsverhalten grundsätzlich selbst zu verschulden hätten. In Rezitation des ehemaligen Deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, meinte er hierzu mit einem verschmitzten Unterton: «Wer den Dampf nicht erträgt, soll nicht in die Küche gehen.» Der Frage, was er denn vom Plakat selbst halte, wich er aus und betonte, dass er selbst mit dieser Kampagne nichts zu tun habe, gar erst über die Medien davon erfahren habe. Den Schritt, den das Komitee gegangen sei, empfand er jedoch als «mutig».

Stopp der Ausbreitung des radikalen Islams in der Schweiz! - Plakataktion des Egerkinger-Komitees
Dossier: Stopp der Ausbreitung des radikalen Islams in der Schweiz!
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Ranglisten haben etwas Eingängiges: Mit ihrer Hilfe lassen sich vermeintliche Unterschiede fest- und darstellen. So versuchen öfters auch die Medien Parlamentarierinnen und Parlamentarier einzuordnen und zu vergleichen. 2017 präsentierte die Sonntagszeitung ein Parlamentarierrating, mit welchem der Einfluss aller Parlamentsmitglieder gemessen werden sollte, und die NZZ wartete mit ihrem jährlichen Links-Rechts-Rating auf.
Der Einfluss wurde in der Sonntagszeitung anhand der Kommissionszugehörigkeit, der in den Räten vorgebrachten Voten, der Anzahl erfolgreicher politischer Vorstösse, der Ämter im Rat und in der Partei, der Medienpräsenz und dem ausserparlamentarischen Beziehungsnetz gemessen. Zwar wies die Zeitung nicht aus, wie sie diese Elemente miteinander verknüpfte und gewichtete, die Rangliste diente ihr aber als Grundlage für immerhin drei ganze Zeitungsseiten. Laut den Berechnungen war SP-Parteipräsident Christian Levrat (FR) in den Jahren 2015–2017 der einflussreichste Parlamentarier, gefolgt von Pirmin Bischof (svp, SO) und Gerhard Pfister (cvp, ZG). Die «Flop 15» – so die Sonntagszeitung – wurden angeführt von Géraldine Marchand-Balet (cvp, VS), Hermann Hess (fdp, TG) und David Zuberbühler (svp, AR). Die Rangierungen verleiteten die Zeitung zu weiteren Analysen: So sei der Einfluss der SVP und der FDP, gemessen am Anteil Fraktionsangehöriger unter den Top 50, verglichen mit dem Rating 2014 gestiegen und der Einfluss des Kantons Zürich gesunken. Mit einem Vergleich der Rangliste hinsichtlich Medienpräsenz und dem Gesamtrang konnte die Zeitung zudem «die grössten Blender» ausmachen. Zwar häufig in den Medien, aber sonst nur wenig einflussreich waren laut dieser Berechnung etwa Tim Guldimann (sp, ZH), Andreas Glarner (svp, AG) oder Benoît Genecand (fdp, GE). Einzelne Regionalzeitungen diskutierten in der Folge «ihre» kantonalen Vertreterinnen und Vertreter. Solche Ratings seien nicht entscheidend, aber es fühle sich immer gut an, wenn man vorne sei, beurteilte Christian Levrat die Auswertung.

Wichtigste Erkenntnis der von der NZZ präsentierten Links-Rechts-Positionierung, die seit 1999 jährlich auf der Basis von in den Räten durchgeführten Abstimmungen von der Forschungsstelle Sotomo durchgeführt wird – auch in der NZZ wurde die Methode zur Messung von Links und Rechts lediglich sehr kryptisch mit den Begriffen «D-Nominate» und «Alpha-Nominate» angedeutet und dem Hinweis versehen, dass diese Methode für den amerikanischen Kongress entwickelt worden seien und die ideologische Position der Abgeordneten messe –, war die zunehmende Fraktionsdisziplin. Der Druck, auf Fraktionslinie zu stimmen, habe dazu geführt, dass es kaum noch Überlappungen in der ideologischen Positionierung zwischen den einzelnen Parteien gebe. Vor allem die CVP – sie variiert auf der Gesamtskala von -10 (links) bis +10 (rechts) zwischen 0.2 (Gerhard Pfister) und -1.7 (Barbara Schmid-Federer, ZH) – sei wesentlich geschlossener als früher, als sie noch Fraktionsmitglieder gehabt habe, die sich am rechten Rand bei der Position von (linken) FDP- und SVP-Mitgliedern befunden und am linken Rand die «rechten Ausläufer der SP» berührt hätten. Die FDP-Mitglieder, die Positionen zwischen 0.3 (Christa Markwalder, BE) und 2.4 (Bruno Pezzatti, ZG) einnahmen, sowie die SVP-Mitglieder (Jean-Pierre Grin, VD: 6.1 bis Erich Hess, BE: 10.0) lagen ziemlich weit auseinander. Der Median des gesamten Nationalrats verlief genau zwischen der CVP und der FDP. Auf der Ratslinken gab es mehr ideologische Gemeinsamkeiten: Zwar war die SP insgesamt etwas linker als die Grünen – die Werte variierten bei den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zwischen -8.2 (Chantal Galladé, ZH) und -9.9 (Silvia Schenker, BS) und bei den Grünen zwischen -9.4 (Lisa Mazzone, GE) und -7.8 (Bastien Girod, ZH) –, aber die Durchmischung war wesentlich stärker als im Block der Bürgerlichen. Die grösste Geschlossenheit wies die GLP auf, bei der sich Kathrin Bertschy (BE) und Tiana Angelina Moser (ZH) mit einem Wert von -3.0 ideologisch nur marginal von Martin Bäumle (ZH, -2.7) entfernt positionierten. Die BDP wies mehr Varianz auf: Sowohl Rosmarie Quadranti (ZH, -1.6) als auch Hans Grunder (BE, -0.2) fanden sich ideologisch leicht links der Mitte. Interessant war, dass sich die Kleinstparteien am Rand ihrer Fraktionen ansiedelten. Sowohl die Lega und das MCG bei der SVP-Fraktion, als auch die EVP bei der CVP-Fraktion wiesen im Rating ideologische Differenzen zu ihrer Fraktion auf.
Im Ständerat waren zwar die verschiedenen Parteien ebenfalls voneinander getrennt, es kam aber zwischen CVP und FDP zu Überlappungen und die Gesamtvarianz der Positionen in der kleinen Kammer war geringer. Sie reichte von Liliane Maury Pasquier (sp, GE; -8.3) bis Peter Föhn (svp, SZ; 9.8), wobei sich Letzterer am rechten Rand ziemlich alleine auf weiter Flur befand, gefolgt von Werner Hösli (svp, GL; 7.6). Bei der FDP gesellten sich Fabio Abate (TI, -0.2) und vor allem Raphaël Comte (NE; -1.6) zum Lager der CVP, das von -2.4 (Anne Seydoux-Christe, JU) bis 0 (Isidor Baumann, UR) reichte. Am rechten Rand der FDP politisierte Philipp Müller (AG, 3.4) und lag damit nahe bei Thomas Minder (SH, 4.8), der als Parteiloser der SVP-Fraktion angehört. Von der SP sassen mit Pascale Bruderer (AG, -5.2) , Claude Janiak (BL, -5.5), Hans Stöckli (BE, -5.6) und Daniel Jositsch (ZH, -5.6) vier im Vergleich zum Nationalrat ziemlich gemässigte Genossinnen und Genossen in der kleinen Kammer.

Nationalratsrating

Die Wahl von Beat Walti (fdp, ZH) zum neuen Fraktionschef der FDP galt als Formsache, trat der seit 2014 im Nationalrat sitzende Kantonalzürcher Parteipräsident doch ohne Gegenkandidierende zur Wahl. Zwar wurde in den Medien zuerst vermutet, dass auch Christian Wasserfallen (fdp, BE) die Fraktion präsidieren wollte, dieser zog sich freilich früh mit dem Argument mangelnder Zeit zurück. Da Walti seit der Wahl des vorherigen Fraktionschefs Ignazio Cassis in den Bundesrat die FDP-Gruppe als Vize-Präsident ad interim geleitet und «keine Anlaufschwierigkeiten» gehabt hatte, wie Ständerat und Ex-FDP-Präsident Philipp Müller (fdp, AG) in den Medien betonte, wurde nicht mit Überraschungen gerechnet. In der Tat war nach der fraktionsinternen Wahl in den Medien zu lesen, dass der Zürcher einstimmig gewählt worden sei.

FDP - neuer Fraktionschef

Ende November erschien das NZZ-Parlamentarierrating 2016 und bildete das erste Jahr nach den Wahlen 2015 ab. Der Rechtsrutsch der Wahlen zeichnete sich im Rating deutlich ab. Der Median der Positionen aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die aufgrund paarweiser Vergleiche des Abstimmungsverhaltens während der vier vergangenen Sessionen errechnet werden, rückte auf der Skala von -10 (absolut links) bis + 10 (absolut rechts) von 0.8 (2015) auf 1.7. Gleich drei SVP-Fraktionsmitglieder nahmen die rechte Extremposition (10) ein: Marcel Dettling (SZ), Erich Hess (BE) und, wie bereits 2015, Pirmin Schwander (SZ). Lisa Mazzone (gp, GE) positionierte sich mit einem Wert von -9.6 am linken Extrempol.
Vom Rechtsrutsch habe – gemessen an der Anzahl gewonnener Abstimmungen im Rat – vor allem die FDP, kaum aber die SVP profitiert, so die Studie. Bei den Parteien zeigten sich insgesamt nur leichte Verschiebungen. So hatte sich die SVP noch einmal nach rechts verschoben und nahm insgesamt den Wert 8.0 ein (2015: 7.7.). Jean-Pierre Grin (VD) besetzte mit 6.3 die moderateste Position in der Volkspartei. Damit war er dennoch ziemlich weit vom am meisten rechts stehenden FDP-Fraktionsmitglied entfernt: Bruno Pezzatti (ZG) erreichte einen Wert von 3.4. Den linken Rand der FDP, die sich im Vergleich zu 2015 nicht verändert hatte und fraktionsübergreifend konstant bei 2.2 blieb, nahm erneut Christa Markwalder mit 1.4 ein. Damit war die Bernerin leicht linker positioniert als Daniel Fässler (AI), der mit 1.9 den rechten Rand der CVP besetzte. Den Gegenpol bei den Christlichdemokraten nahm Barbara Schmid-Federer (ZH) mit -0.9 ein. Auch die CVP blieb im Vergleich zu 2015 konstant bei 0.6. Innerhalb des Spektrums der CVP-EVP-Fraktion fand sich die BDP (0.9: Hans Grunder, BE bis -0.5: Rosmarie Quadranti, ZH), die leicht nach links gerutscht war (0.2). Deutlich am linken Rand der CVP-Fraktion positionierte sich die EVP mit Maja Ingold (ZH, -2.8) und Marianne Streiff-Feller (BE, -3.1). Einen Linksrutsch verzeichnete auch die GLP, die sich bei -2.7 positionierte und sich wie schon 2015 sehr geschlossen zeigte. Nur gerade 0.5 Skalenpunkte trennten Kathrin Bertschy (BE, -2.8) von Martin Bäumle (ZH, -2.3). Etwas geschlossener als 2015 zeigte sich auch die SP, die fraktionsübergreifend bei -8.3 zu liegen kam. Chantal Galladé (ZH, -6.6) fuhr dabei den sozialliberalsten Kurs. Gleich drei Fraktionsmitglieder positionierten sich beim linken Extremwert der SP, bei -9.1: Bea Heim (SO), Susanne Leutenegger Oberholzer (BL) und Silvia Schenker (BS). Die Grünen schliesslich positionierten sich insgesamt bei -9.0 und die Fraktionsmitglieder überlappten sich stark mit der SP: Daniel Brélaz (VD, -7.9) zeigte sich dabei sogar noch etwas rechter als die gesamte SP.
Die Forschungsstelle Sotomo, welche das Rating durchführte, wertete auch 2016 den Ständerat aus. Erneut zeigte sich eine geringere Polarisierung als in der grossen Kammer. Zwar lagen auch in der kleinen Kammer die Extremwerte weit auseinander, Lilian Maury Pasquier (sp, GE, -9.5) und Peter Föhn (svp, SZ, 9.8) fanden sich aber ziemlich alleine auf weiter Flur. Alle anderen Ständeratsmitglieder befanden sich zwischen -6.2 (Christian Levrat, sp, FR) und 7.3 (Hannes Germann, svp, SH).

Nationalratsrating

Gemäss CO2-Gesetz und dessen Verordnung sind Unternehmen bei Herstellung, Gewinnung und Einfuhr von Brennstoffen zu einer CO2-Abgabe verpflichtet. Im Anhang 7 zur CO2-Verordnung definiert der Bundesrat Wirtschaftszweige, deren Unternehmen sich unter bestimmten Voraussetzungen von der Abgabe befreien können – dies unter der Bedingung, dass sie ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 in einem bestimmten Umfang reduzieren und die Fortschritte in einem jährlichen Bericht festhalten. Die geltenden Bestimmungen sehen ferner vor, dass nur Unternehmen, die gemäss aktuellen Zahlen pro Jahr Treibhausgase im Umfang von mehr als 100 Tonnen CO2-Äquivalent ausstossen, eine solche Vereinbarung abschliessen können. Unter dem Titel "Bürokratieabbau" verlangt eine von der FDP-Fraktion eingereichte Motion nun, Unternehmen die Befreiung von der CO2-Abgabepflicht zu erleichtern. Konkret soll der Anhang 7 mit der Definition der notwendigen Tätigkeiten zur Abgabebefreiung gestrichen werden; stattdessen sollen sämtliche produzierende Branchen aus Industrie und Gewerbe sowie auch gewisse Dienstleistungserbringer, namentlich Hotelbetriebe, zur Befreiung von der Abgabe ermächtigt werden. Darüber hinaus soll es auch KMU erleichtert werden, Vereinbarungen zur Verminderung der Treibhausgasemissionen abzuschliessen und sich so von der CO2-Abgabe zu befreien. Als Begründung fügten die Motionäre zum einen Wettbewerbsnachteile für Schweizer Unternehmen an, da Unternehmen in umliegenden Ländern keine CO2-Abgabe zu entrichten hätten. Zum anderen sei der Abschluss solcher Vereinbarungen wesentlich zielführender im Hinblick auf die Verringerung von Treibhausgasemissionen als das Bezahlen der CO2-Abgabe.
In seiner Antwort stellte sich der Bundesrat gegen die Motion. Man hätte sich während den Beratungen zum CO2-Gesetz in den Jahren 2010 und 2011 gegen eine flächendeckende Abgabebefreiung ausgesprochen und die Befreiungsmöglichkeit als flankierende Massnahme für energieintensive Unternehmen eingeführt; eine Abkehr von dieser Regelung bedürfte folglich einer Gesetzesanpassung. Ebenfalls abgelehnt worden sei damals der Vorschlag, dass die Nettobelastung aus der CO2-Abgabe nach Abzug der Rückverteilung ausschlaggebend für die Berechtigung zur Abgabebefreiung sein soll. Dies fordern die Motionäre anstelle der in Anhang 7 geregelten Tätigkeiten. Nicht zuletzt betonte der Bundesrat, dass gerade die von der FDP-Fraktion vorgeschlagene Regelung den Bürokratieaufwand noch erhöhen würde, da mit zusätzlichen Zielvereinbarungen zu rechnen sei, die es zu prüfen gälte. Bei positivem Bescheid müssten zudem die daraus resultierenden Verpflichtungen überwacht und bei Erfüllung die Abgabe zurückerstattet werden. Mit Stichentscheid der Präsidentin Markwalder (fdp, BE) nahm der Nationalrat in der Herbstsession 2016 das Anliegen als Erstrat mit kleinstmöglicher Mehrheit an. Für die Motion stimmten die geschlossenen Fraktionen der FDP und SVP.

Motion verlangt weitere Befreiungsmöglichkeit von CO2-Abgabe für Unternehmen (Mo.15.3545)
Dossier: Totalrevision des CO2-Gesetzes

An der Delegiertenversammlung Mitte April 2016 in Bern wählte die FDP ein neues Präsidium. Philip Müller (fdp, AG), 2015 in den Ständerat gewählt, trat etwas überraschend als Präsident zurück, weil er sich ganz auf die Kantonsvertretung konzentrieren wolle. Er hatte das Amt 2012 von Fulvio Pelli (fdp, TI) als zuerst «belächelter Nichtakademiker» (NZZ) übernommen und wurde in Bern für seinen «unermüdlichen Einsatz» gefeiert, der als mitursächlich für die «Positivspirale» und die jüngsten eidgenössischen Wahlerfolge betrachtet wurde. Seine «direkte, bodenständige und ehrliche Art» habe geholfen, neue Wählerinnen und Wähler zu gewinnen, war der Medienmitteilung der Partei zu entnehmen.
Zur Nachfolgerin Müllers wurde Petra Gössi (fdp, SZ) gekürt – als einzige sich zur Verfügung stellende Kandidatin einstimmig und ohne Enthaltungen. Die 40-jährige ehemalige Schwyzer Kantonalparteipräsidentin war 2011 in den Nationalrat gewählt worden und hatte den Sitz 2015 erfolgreich verteidigt. In den Medien wurde der dritten Frau an der Spitze des Freisinns (nach Christiane Langenberger und Marianne Kleiner) wenig Kredit eingeräumt. Es werde für die als «trocken» geltende und in Bern noch nicht sehr bekannte Wirtschaftsberaterin nicht leicht werden, die FDP in ihrer momentanen Bestform zu halten, argwöhnte etwa der Sonntagsblick. Darüber hinaus könne sie sich im Gegensatz zu Müller kaum glaubhaft von der Finanzwirtschaft distanzieren. In einigen Medien wurde eine von ihr beratene Firma mit den Panama Papers in Verbindung gebracht. Le Temps prognostizierte einen «changement de génération, mais aussi du style».
Neben Gössi wurden neu Andrea Caroni (fdp, AR), Philippe Nantermod (fdp, VS) und Christian Vitta (Ti, fdp) ins Vize-Präsidium gewählt. Christian Wasserfallen (fdp, BE), von vielen Medien als Nachfolger für Müller gehandelt, und Christian Lüscher (fdp, VD) wurden im Vizepräsidialamt bestätigt. Gössi bezeichnete die fünf im Schnitt 40 Jahre alten Vizepräsidenten als ihre «Boygroup». Aus dem Präsidium zurückgetreten waren neben Müller auch Vincenzo Pedrazzini (SZ, fdp), Carlo Speziali (TI, fdp) und Isabelle Moret (fdp, VD). Nach ihrer Wahl zur neuen FDP-Präsidentin trat Gössi aus dem Vorstand des Gewerbeverbands und des Hauseigentümerverbands zurück.

Neues FDP-Präsidium mit Gössi als Präsidentin (2016)
Dossier: FDP-Präsidentinnen und -Präsidenten seit 2000

Nach dem Rücktritt von Gabi Huber (fdp, UR) aus Bundesbern, musste die FDP ein neues Fraktionspräsidium bestimmen. Zwei Kandidaten wollten in die Fussstapfen der Urnerin treten: Christian Wasserfallen (fdp, BE) und Ignazio Cassis (fdp, TI), beide seit 2007 für die FDP im Nationalrat. In den Medien wurde auch eine mögliche Kandidatur von Beat Walti (fdp, ZH) diskutiert, der seit 2014 im Nationalrat sass. Nach den für die FDP erfolgreichen eidgenössischen Wahlen 2015 und kurz vor den anstehenden Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats musste der Nachfolger der in der Presse als «eiserne Lady» bezeichneten Huber gefunden werden. Die Deutschschweizer Medien sahen Beat Walti als Favoriten, da ein Gespann aus Christian Wasserfallen und Parteipräsident Philipp Müller als zu rechts wahrgenommen werde und Ignazio Cassis zwar als Vertreter der lateinischen Schweiz punkten könne, aber als zu wenig stark gelte. Allerdings stellte sich Walti gar nicht zur Verfügung, da sich der zeitliche Anspruch des Amtes nicht mit seinem Beruf vereinbaren lasse. Die Wahl am 20. November fiel dann schliesslich auf Ignazio Cassis, der letztlich deutliche 38 von 54 Stimmen auf sich vereinen konnte. Die Medien waren sich einig, dass es für Cassis schwierig werden würde, Gabi Huber vergessen zu machen, die es geschafft habe, aus der losen FDP-Fraktion eine geschlossen auftretende liberale Kraft zu machen.

FDP Gabi Huber

Zur letzten offiziellen Aufgabe des Alterspräsidenten nach eidgenössischen Wahlen gehört die Organisation der Wahl des Nationalratspräsidenten oder der Nationalratspräsidentin. 2015 oblag diese Aufgabe Luzi Stamm (svp, AG). Zur Wahl vorgeschlagen war die Vizepräsidentin von 2014, Christa Markwalder (fdp, BE), die offiziell von allen Fraktionen unterstützt wurde. Von den 199 eingelangten Wahlzetteln stand auf 159 der Name der Freisinnigen. 14 Wahlzettel blieben leer, zwei waren ungültig, zwölf gingen an den Parteikollegen Christian Wasserfallen – der Markwalder 2013 in der FDP-internen Ausmarchung unterlegen war – und 12 Stimmen fielen auf Diverse. Markwalder bedankte sich in einer Rede für die Wahl. Sie wolle ihr Präsidialjahr unter das Motto "Respekt" stellen. Sie zog einen Vergleich zwischen Politik und Musik: Es gelte den richtigen Ton zu treffen, taktvoll zu sein und Disharmonien zu korrigieren. Um diese Metapher zu unterstreichen, spielte Markwalder zusammen mit Kathrin Bertschy (glp, BE), Maja Ingold (evp, ZH) und Balthasar Glättli (gp, ZH), die zusammen das Bundeshausquartett bilden, einen Walzer von Antonin Dvorak. Dass ein "Miliz-Streichquartett" aus vier verschiedenen Parteien die Legislatur eröffne – so Markwalder weiter – symbolisiere das Zusammenspiel, dass auch in der Politik essenziell sei.
In der Presse wurde die 40-jährige Markwalder als gut vernetzte Aussenpolitikerin beschrieben. Sie sitzt seit ihrem 28. Lebensjahr im Nationalrat und steht für eine enge Verbindung zwischen der Schweiz und der EU ein. Acht Jahre lang war sie Präsidentin der Neuen Europäischen Bewegung Schweiz (Nebs), die einen EU-Beitritt anstrebt. Immer wieder wurde auch die so genannte "Kasachstan-Affäre" beschrieben, bei der die Bernerin mit "einem blauen Auge davongekommen" sei (NZZ). Dass ihr die Sache kaum geschadet hat, bewies nicht nur ihre Wiederwahl im Oktober 2015, sondern auch die Wahl zur Nationalratspräsidentin, die die Krönung ihrer Karriere darstelle (AZ), auch wenn die 159 Stimmen ein vergleichsweise "mässiges Resultat" ergäben (TA).
Mit der Wahl von Christa Markwalder zur Nationalratspräsidentin und der gleichzeitigen Wahl von Raphaël Comte (fdp, NE) zum Ständeratspräsidenten sowie von Johann Schneider-Ammann zum Bundespräsidenten, waren die höchsten Ämter der Eidgenossenschaft 2015 ganz in den Händen der FDP – 2014 war die SP Nutzniesserin dieser aufgrund von Rotation allerdings eher zufälligen Konstellation.
Zum ersten Vizepräsidenten wurde Jürg Stahl (svp, ZH) gewählt. Er erhielt 163 von 181 gültigen Stimmen. Von den 192 eingelangten Wahlzetteln waren neun leer, zwei ungültig und 18 enthielten diverse andere Namen. Der Sitz des zweiten Vizepräsidenten wird 2015 von Dominique de Buman (cvp, FR) besetzt. Der Freiburger Christdemokrat konnte 107 Stimmen auf sich vereinen. Von den lediglich noch 153 eingelangten Wahlzetteln blieben 20 leer und auf 26 standen andere Namen als de Buman.

Wahl des Nationalratspräsidenten 2015
Dossier: Nationalrat und Ständerat. Wahl des Präsidiums und des Büros

Im September präsentierte die NZZ das von Sotomo errechnete Parlamentarierrating 2015. Die ideologische Ausrichtung aller Parlamentsmitglieder wird mit Hilfe paarweiser Vergleiche aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier hinsichtlich ihres Abstimmungsverhaltens berechnet. Die Skala reicht von -10 (ganz links) bis +10 (ganz rechts). Die rechte Extremposition wurde im Rating 2015 von Pirmin Schwander (svp, SZ) und Lukas Reimann (svp, SG) besetzt. Am linken Rand fand sich mit einem Wert von -9.5 Christine Häsler (gp, BE).
Am deutlichsten rechts und zwar ohne Überschneidung mit anderen Fraktionen stand die SVP, deren Mitglieder zwischen 6.3 (Jean-Pierre Grin, VD) und 10 positioniert wurden. Die FDP-Mitglieder schwankten zwischen 1.6 (Christa Markwalder, BE) und 4.1 (Hans-Peter Portmann, ZH) und überschnitten sich damit sowohl mit der BDP (0.9: Rosmarie Quadranti, ZH bis 2.1: Urs Gasche, BE) als auch teilweise mit der CVP, bei der Gerhard Pfister (ZG) und Ruedi Lustenberger (LU) mit dem Wert von 3.0 den rechten und Jacques Neirynck (VD) mit -1.6 den linken Rand abdeckten. Die beiden EVP-Vertreterinnen, die der CVP-EVP-Fraktion angehören, waren dabei pointierter links (-2.8) als der Rest der CVP-Fraktion. Die GLP-Fraktion zeigte sich ziemlich geschlossen und links der Mitte. Bei den Grünliberalen wurden die Extreme von Thomas Böhni (TG, -1.7) und Martin Bäumle (ZH, -1.2) eingenommen. In ihrem Gesamtwert von -8.0 deckungsgleich zeigten sich die Grünen und die SP. Während die Genossinnen und Genossen Extremwerte zwischen -9.1 (Carlo Sommaruga, GE und Susanne Leutenegger Oberholzer, BL) und -5.7 (Daniel Jositsch, ZH) einnahmen, fanden sich bei den Grünen Christine Häsler (-.9.5) und Yvonne Gilli (SG, -6.8) an den Fraktionspolen.
Der Median des gesamten Nationalrats lag bei 0.8; das Parlament politisierte also leicht rechts der Mitte. Die Studie stellte bei der Analyse der gesamten 49. Legislatur allerdings im Vergleich mit der 48. Legislatur einen Linksrutsch fest. Insbesondere in der Verkehrs- und Energiepolitik habe Mitte-Links erfolgreich koaliert.

Erstmals konnte aufgrund der neu eingeführten elektronischen Stimmanlage auch der Ständerat vermessen werden. Insgesamt zeigte sich in der kleinen Kammer eine wesentlich schwächere Polarisierung als bei der Volksvertretung. Zwar gab es auch im Ständerat Extrempositionen – Robert Cramer (gp, GE) mit -9.6 zur Linken und Peter Föhn (svp, SZ) mit 9.6 zur Rechten –, die überwiegende Mehrheit der Ständerätinnen und Ständeräte fanden sich aber zwischen den Werten -4 bis +5.

Nationalratsrating

Am 6. Mai 2015 leitete ein NZZ-Artikel eine eigentliche Kaskade ein, die später als „Kasachstan-Affäre” nicht nur zahlreiche Diskussionen und Vorstösse zu Lobbyismus- und Kommissionsgeheimnisregelungen im Bundeshaus auslöste, sondern auch Gesuche der Bundesanwaltschaft, zwei Parlamentsmitgliedern die Immunität zu entziehen, provozierte.

Der NZZ-Journalist Markus Häfliger hatte gestützt auf E-Mails, die Unbekannte ins Internet gestellt hatten, recherchiert, dass eine von Christa Markwalder (fdp, BE) eingereichte Interpellation formale Ungereimtheiten aufweist. Der Vorstoss war von Marie-Louise Baumann, Senior Advisor bei der PR-Firma Burson-Marsteller, ausformuliert worden, die wiederum von einem kasachischen Politiker hierfür finanziell honoriert worden war. Entsprechend konnten im Vorstoss starke Überarbeitungen aus Kasachstan selbst ausgewiesen werden. Dass Vorstösse von Parlamentarierinnen und Parlamentariern von Dritten formuliert werden, ist nicht selten. Dass allerdings ein autokratisches Land indirekt Einfluss nimmt und dafür bezahlt, sei weniger alltäglich – so Häfliger in der NZZ. In der Interpellation war der Bundesrat angefragt worden, wie er die Demokratisierungsprozesse in Kasachstan und die Partei Ak Schol – die indirekte Auftraggeberin der Interpellation – unterstütze. Markwalder habe zudem drei von Baumann formulierte und von den kasachischen Auftraggebern überarbeitete Fragen zu Kasachstan in der APK-NR eingereicht. In einer ersten Reaktion im NZZ-Artikel selber gab Markwalder zu Protokoll, nicht gewusst zu haben, dass Baumann sich derart eng mit Kasachstan abgesprochen habe. Sie habe in guter Absicht gehandelt und es handle sich letztlich um eine harmlose Interpellation, von der andere finanziell profitiert hätten, was sie ärgere. Sie sei wohl zu gutgläubig gewesen.

Die Reaktionen am nächsten Tag in der Presse waren zuerst noch zurückhaltend. Von „käuflicher” (AZ) oder „ferngesteuerter” Politik (Blick) war die Rede und davon, dass man es mit CHF 7'000 – die Summe die Burson-Marsteller für das Verfassen und Überarbeiten der Interpellation verlangt hatte – ins Bundeshaus schaffe (Le Matin). Hinterfragt wurden zunächst die „kasachischen Verflechtungen” (NLZ) der Berner FDP-Politikerin.
In der Folge nahm die mediale Debatte dann aber Fahrt in zweifache Richtung auf. Auf der einen Seite wurde der Lobbyismus diskutiert. „Politik-Einflüsterer” hätten Konjunktur und Lobbying sei ein lukratives Business (AZ). Die „Käuflichkeit von Politikern” sei „pikant” (WW). Allerdings – so die Meinung in den meisten Medien – sei das Milizsystem bei der Formulierung von Vorstössen auf ausserparlamentarische Expertise angewiesen. Weil ein breiter Mitarbeiterstab fehle, würden sich die meisten Parlamentarierinnen und Parlamentarier etwa von Mitgliedern der Bundesverwaltung oder Vertreterinnen und Vertretern von Verbänden und NGO's Vorstösse zumindest vorformulieren lassen. Zahlreiche Parlamentsmitglieder nahmen Christa Markwalder entsprechend in Schutz. Gefordert wurde aber mehr Transparenz und eine Reform des Badge-Systems, also der Zulassungsregeln von Lobbyisten ins Bundeshaus. Weil zahlreiche entsprechende parlamentarische Vorstösse allerdings bisher chancenlos geblieben waren, spielte Thomas Minder (parteilos, SH) mit dem Gedanken, eine Volksinitiative zu lancieren, und zahlreiche Parlamentarier kündigten an, neuerliche Vorstösse für mehr Transparenz zum „krass unterreglementierten Lobbying” (AZ) zu lancieren.

Auf der anderen Seite geriet die Person Christa Markwalder immer stärker ins Zwielicht. Die Bernerin sei selber eine „knallharte Lobbyistin” – vor allem für die Krankenkassen – und so stark verbandelt, dass sie den Überblick verliere (Blick). Ein gefundenes Fressen war die Geschichte für die Sonntags-Medien. Die Sonntagszeitung fand heraus, dass die Antworten, die Markwalder auf ihre Fragen an die APK-NR erhalten hatte, an Kasachstan weitergeleitet worden waren, obwohl es sich dabei vermutlich um Dokumente gehandelt habe, die dem Kommissionsgeheimnis unterstellt seien. Markwalder dementierte, Dokumente weitergegeben zu haben; sie habe sie lediglich mit Baumann geteilt. Die FDP stellte allerdings in einer Medienmitteilung klar, dass Markwalder von der Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und Baumann gewusst habe, aber nicht genügend transparent informiert worden sei. Die Partei verlangte von Markwalder und Baumann vollständige Transparenz und eine Offenlegung aller Dokumente. In der Presse wurden erste Forderungen der Ratsrechten laut, dass die designierte Nationalratspräsidentin ihr Amt im kommenden Jahr nicht antreten dürfe. Markwalder bezeichnet das Ganze als „Rufmordkampagne”; sie sehe sich als Medienopfer (TA) und die letzten Tage seien für sie „die Hölle” gewesen (Blick).
Ende Mai gab die Bundesanwaltschaft bekannt, dass gegen Markwalder zwei Strafanzeigen von Privatpersonen eingegangen seien und sie Ermittlungen aufnehmen wolle, wenn die Immunität der Bernerin aufgehoben werde, wonach sie ersuche. Die APK-NR entschied sich ihrerseits mit 18 zu 0 Stimmen bei 5 Enthaltungen, keine Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung einzureichen. Die Kommission entschied sich gar mit 14 zu 9 Stimmen (1 Enthaltung) dafür, die besagten Dokumente (die Fragen von Markwalder und die Antworten des Bundesrates) zu veröffentlichen. Auch das Büro-NR beschloss Anfang Juni, auf disziplinarische Massnahmen gegen Markwalder zu verzichten, da diese das Amtsgeheimnis zwar verletzt habe, aber nur geringfügig. Ein Teil des Parlaments applaudierte nach der Bekanntgabe des Büros, um Solidarität zu signalisieren. Zwar stand eine Entscheidung über die Forderung der Bundesanwaltschaft zur Aufhebung der Immunität noch aus, die Presse zeigte sich ob der starken Rückendeckung für Markwalder aber doch einigermassen erstaunt. „Même pas une tape sur les doigts”, wunderte sich etwa Le Temps. Die Classe Politique beschütze sich wieder einmal gegenseitig, liess sich Christoph Mörgeli (svp, ZH) im Blick zitieren. Die Parlamentsmitglieder hätten „nicht begriffen, dass ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel” stehe. Die Angelegenheit dürfe nicht als erledigt betrachtet werden (TA).
Noch einmal aufgekocht wurde die Affäre, weil im Nachgang des Entscheids des Büros bekannt wurde, dass weitere Dokumente an Kasachstan weitergegeben worden waren, die aber nicht in die Beurteilung der APK-NR eingeflossen zu sein schienen. In der Tat hatte Markwalder auch Antworten des Bundesrates zu Tschechien und Bosnien weitergegeben. Die SVP forderte, den Fall nicht einfach ad acta zu legen oder aber über eine generelle Aufhebung des Kommissionsgeheimnisses nachzudenken.
Die Immunitätskommission des Nationalrats (IK-NR) nahm dann den Ball Anfang Juli wieder auf. Zwar entschied sich die IK-NR, nachdem sie festgestellt hatte, dass die strafrechtlich relevanten Tätigkeiten mit dem Parlamentsmandat zusammenhängen, und auf das Gesuch der Bundesanwaltschaft eingetreten war, die Immunität der Bernerin nicht aufzuheben. Sie forderte das Büro-NR aber mit 4 zu 4 Stimmen und einer Enthaltung bei Stichentscheid des Vizepräsidenten (Gerhard Pfister; cvp, ZG) auf, nochmals auf den Entscheid zurückzukommen und Disziplinarmassnahmen zu ergreifen. Das Kommissionsgeheimnis dürfe nicht ausgehöhlt werden, begründete Pfister den Entscheid. Mitte August bestätigte die Rechtskommission des Ständerats (RK-SR) den Entscheid der IK-NR: Einstimmig trat sie auf das Gesuch ein und mit 10 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung entschied sie, die Immunität nicht aufzuheben. Das Verhalten der Berner Freisinnigen sei zwar wenig besonnen und unvorsichtig gewesen und die Weitergabe der Dokumente zu Tschechien und Bosnien sei kritisch zu beurteilen, eine Aufhebung der Immunität sei aber nicht zu rechtfertigen.
Mitte August entschied das Büro-NR schliesslich, nicht auf die Forderung der IK-NR einzutreten. Es gebe keine neuen Fakten, die ein Rückkommen auf den ursprünglichen Entscheid rechtfertigten. Allerdings fordert das Büro eine umfassende Auseinandersetzung über Lobbyismus. Die zur Zeit dieser Forderung hängigen 13 Vorstösse zum Thema zeigten deutlich, dass eine vertiefte Diskussion angezeigt sei. Damit war Markwalder definitiv aus dem Schneider.

Die „Affäre Markwalder” (AZ) war vollends zur Kasachstan-Affäre geworden, als bekannt wurde, dass Walter Müller (fdp, SG) und Christian Miesch (svp, BL) eine von Burson-Marsteller organisierte Reise ins autokratische Land unternahmen, ohne selber für die Reisekosten aufgekommen zu sein. Das Geld sei von Kasachstan aus geflossen. Müller, welcher der Freundschaftsgruppe Schweiz-Kasachstan angehört, gab zu Protokoll, weder gewusst zu haben, dass die Reise von Kasachstan bezahlt worden war, noch dass die organisierende PR-Agentur mit Kasachstan verbandelt sei. Die Juso reichte bei der Bundesanwaltschaft Klage wegen Verdachts auf Vorteilnahme gegen Müller ein. Weil Miesch zum Zeitpunkt der Reise noch nicht im Nationalrat sass, wurde gegen ihn keine Anzeige eingereicht. Müller, der von seiner eigenen Partei gerügt wurde, wollte das Geld für die Reise zurückzahlen.
Die IK-NR beriet das Gesuch der Bundesanwaltschaft um Aufhebung der Immunität von Müller (15.191) an der gleichen Sitzung, an der sie auch den Entscheid zu Christa Markwalder gefällt hatte. Müllers Immunität wurde einstimmig nicht aufgehoben. Die Reise stehe im Zusammenhang mit seinem Mandat, weshalb auf das Gesuch einzutreten sei. Müller habe sich zwar nicht an die Empfehlungen zum Korruptionsstrafrecht gehalten, die institutionellen Interessen würden jedoch die rechtsstaatlichen überwiegen. Zum gleichen Schluss kam die RK-SR, die einstimmig Eintreten beschloss und mit 10 zu 2 Stimmen entschied, Müllers Immunität nicht aufzuheben. Allerdings wünschte sich die ständerätliche Kommission, dass die Empfehlungen für Reisen von Parlamentsmitgliedern durch das Büro verbindlicher formuliert werden.

Ein Nachspiel hatte die Affäre auch für die Lobbyistin Marie-Louise Baumann. Sie wurde aus dem Bundeshaus verbannt, musste also den Badge, den sie von Corina Eichenberger (fdp, AG) erhalten hatte, zurückgeben. Sie entschuldigte sich öffentlich bei Markwalder und zeigte sich über den Verlauf der Affäre erschüttert. Die Standesskommission der Schweizerischen Public Affairs Gesellschaft (SPAG) kam zudem zum Schluss, dass Baumann die Standesregeln nicht vollständig beachtet habe, und sprach eine Rüge aus. Es liege zwar keine Täuschung vor, aber sie hätte mehr Transparenz schaffen müssen; die Kommunikation sei nicht optimal gewesen. Die 69-Jährige kündigte an, ihre Tätigkeit als Lobbyistin im Parlament per Ende der Legislatur zu beenden. Zudem wurde die Zusammenarbeit zwischen Burson-Marsteller und Baumann beendet.

Das Thema Lobbying, aber auch die Diskussion um den Rahmen des Kommissionsgeheimnisses, liessen in der Folge das Parlament eine Weile nicht mehr los.

"Kasachstan-Affäre"
Dossier: Lobbyismus im Bundeshaus

Wie die SVP und die CVP musste auch die FDP bei den Parolenfassungen zu den eidgenössischen Abstimmungsvorlagen einige abweichende Kantonalsektionen verdauen. So sprachen sich die Delegierten in Schwanden gegen die Pädophileninitiative aus, und zwar mit 181 zu 59 Stimmen entgegen der Empfehlung der Kantonalpräsidenten, die für das Begehren mit 14 zu 7 Stimmen ein Ja empfohlen hatten. Den Ausschlag gab das Argument, dass der Initiativtext unpräzise formuliert und lückenhaft sei. Der Dissens machte sich in vier Kantonen bemerkbar: Die FDP Genf, Waadt, Jura und Freiburg beschlossen ein Ja; in Luzern und Neuenburg beschlossen die Kantonalsektionen zudem eine Stimmfreigabe. Auch die Gastroinitiative wurde an der gesamtschweizerischen FDP-Delegiertenversammlung in Bern mit 143 zu 72 Stimmen bei 13 Enthaltungen abgelehnt. Das Votum des Parteipräsidenten, dass das Anliegen durchaus sympathisch sei, der Idee des von der FDP eigentlich vertretenen Einheitssatzes bei der Mehrwertsteuer aber entgegenwirke, war letztlich Zünglein an der Waage. Freilich spiegelte sich auch hier die parteiinterne Gespaltenheit in den Parolenfassungen der Kantone: Nicht weniger als neun Kantonalsektionen (BS, FR, GR, NE, SO, TI, VD, VS) beschlossen ein Ja bzw. Stimmfreigabe (JU). Die Finanzierung und den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur hatten die Delegierten bereits im Oktober 2013 mit 150 zu 8 Stimmen gutgeheissen. Hier wichen die Kantone Glarus und Schwyz von der nationalen Empfehlung ab. Gegen den Gegenvorschlag zur Hausarztinitiative, für den die Konferenz der Parteipräsidenten die Ja-Parole ausgegeben hatte, wehrten sich ebenfalls der Kanton Schwyz und der Kanton Jura, die beide ein Nein beschlossen. Keine Abweichungen gab es bei den anderen Parolen, die denn auch wesentlich deutlicher ausfielen. Bereits im Dezember 2013 hatte die Konferenz der kantonalen FDP-Parteipräsidenten ein Nein gegen die Abtreibungsinitiative gefasst. In Schwanden lehnten die Delegierten Mitte Januar die Masseneinwanderungsinitiative wuchtig mit 277 zu 4 Stimmen ab. Das Begehren schade dem Erfolgsmodell Schweiz. Ende März trafen sich die Delegierten in Schaffhausen, wo sie einerseits die Mindestlohninitiative ablehnten (mit 279 zu 1 Stimme) und andererseits den Kauf des Gripen-Kampfjets befürworteten (mit 244 zu 10 Stimmen). Ende Juni erteilten die Delegierten in Freiburg der Initiative für eine Einheitskrankenkasse mit 232 zu 2 Stimmen eine Abfuhr. Mitte Oktober fassten die FDP-Delegierten in Bern dreimal die Nein-Parole: Mit jeweils 238 zu 1 Stimme wurden die Ecopop-Initiative und die Gold-Initiative, und einstimmig mit 239 zu 0 Stimmen die Abschaffung der Pauschalbesteuerung zur Ablehnung empfohlen. Als schwierig wird sich wohl die Positionierung der FDP zum neuen Radio- und TV-Gesetz (RTVG) erweisen, gegen das ein Referendum angekündigt wurde. Die FDP-Fraktion hatte sich zwar im Parlament mehrheitlich gegen das neue Gesetz gewandt, im überparteilichen Pro-Komitee fanden sich aber zahlreiche FDP-Nationalratsmitglieder wie etwa Kurt Fluri (fdp, SO), Christa Markwalder (fdp, BE) oder Isabelle Moret (fdp, GE). Auch 2015 dürfte es für die Freisinnigen also wieder abweichende Kantonalsektionen geben.

FDP Parolenfassungen

Am 30. März wurde der Parteipräsident der FDP, Philipp Müller (AG), an der Delegiertenversammlung in Schaffhausen einstimmig und mit stehenden Ovationen in seinem Amt bestätigt. Müller wurde auch in der Presse ein gutes Zeugnis ausgestellt. Seine direkte Art habe zur Popularisierung der Partei beigetragen. Die Linie der Partei sei deutlicher geworden und die Mitglieder aktiver. Das Klischee des „pseudo-UDC“, das ihm einige Liberale aus der Romandie vor seiner Wahl ins Präsidium 2012 angehängt hatten, habe sich nicht bestätigt. Im Gegenteil: Müller entpuppe sich als echter Liberaler. Seine Kollegen im Nationalrat attestierten ihm hohes Engagement. Allerdings eckte Müller mit seiner jovialen und teilweise ins vulgäre abdriftenden Art auch ab und zu an. Zudem gab es nach wie vor Stimmen, die Müller im Vergleich zu seinem Vorgänger, Fulvio Pelli (TI) nicht als nationalen Präsidenten, sondern als Deutschschweizer wahrnahmen. Dies war insbesondere deshalb ein Problem, weil die FDP in der Romandie stärker verankert ist. Im Schnitt unterstützen 20% der Romands die PLR, während die FDP in der Deutschschweiz durchschnittlich 13% Wählerstärke aufweist. Auch das Etikett des „Monsieur 18%“ blieb an ihm haften: Müller hatte vor 14 Jahren mit einer Initiative den Ausländeranteil auf 18% der Bevölkerung beschränken wollen. Vielleicht auch dank seinem Faible für Asylpolitik schaffte Müller aber den Spagat zwischen Wirtschaftspartei und Volksnähe – dies schienen zumindest Umfragen Ende März zu bestätigen. An der Delegiertenversammlung ebenfalls bestätigt wurde das bisherige Vizepräsidium, bestehend aus Christian Lüscher (GE), Isabelle Moret (VD), Carla Speziali (TI) und Christian Wasserfallen (BE). Als Wahlkampfleiter wurde Vincenzo Pedrazzini (SZ) bestimmt.

Amtsübergabe als FDP-Präsident von Pelli zu Müller (2012)
Dossier: FDP-Präsidentinnen und -Präsidenten seit 2000

Das Parlamentarierrating der NZZ zeigte, dass die FDP-Fraktion in den letzten Jahren deutlich homogener geworden war. Auf der aufgrund des Abstimmungsverhaltens gebildeten Skala von -10 (links) bis +10 (rechts) bewegten sich die freisinnigen Abgeordneten zwischen +1,3 (Markwalder) und +3,8 (Leutenegger). Im Vergleich zum Jahr 2000, als die Spannbreite noch von -1,7 bis +9,4 reichte, ist die Fraktion also wesentlich geschlossener geworden. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich Fraktionsmitglieder bei abweichender Meinung eher ihrer Stimme enthalten, als auf ihrer Meinung zu beharren – so die NZZ.

FDP-Fraktion homogener

Das Nationalratspräsidium wurde 2013 von Maya Graf (gp, BL) geführt, der ersten grünen Nationalrätin in diesem Amt. Als ihr Nachfolger wurde Vizepräsident Ruedi Lustenberger (cvp, LU) in der Wintersession mit 175 von 183 gültigen Stimmen bestätigt. Neuer erster Vizepräsident wurde Stéphane Rossini (sp, VS) mit 166 von 169 gültigen Stimmen. Für das Amt des zweiten Vizepräsidenten, das 2014 turnusgemäss der FDP zugesprochen wird, kandidierten bei der FDP-internen Ausmarchung drei Kandidierende. Die Freisinnigen entschieden sich aus dem jungen Trio Caroni (AR), Wasserfallen (BE) und Markwalder (BE) für die erfahrenere Christa Markwalder, die damit aller Voraussicht nach, ihre Wiederwahl bei den Nationalratswahlen 2015 vorausgesetzt, das Präsidium 2016 inne haben wird. Markwalder erhielt 137 von 173 gültigen Stimmen; 24 Stimmen entfielen auf Wasserfallen. Den Vorsitz im Ständerat besetzte im Berichtjahr Filippo Lombardi (cvp, TI). Ihm zur Seite standen Hannes Germann (svp, SH) und Claude Hêche (sp, JU), die in der Wintersession zum Nachfolger von Lombardi bzw. zum neuen ersten Vizepräsidenten gewählt wurden. Germann erhielt dabei alle 42 gültigen Stimmen und auf Hêche entfielen 40 der 41 gültigen Stimmen. Mit Raphaël Comte (NE) wird die FDP 2016 zudem voraussichtlich auch einen relativ jungen Ständeratspräsidenten stellen; Comte wurde mit 36 von 39 gültigen Stimmen zum neuen zweiten Vizepräsidenten gewählt.

Wahlen für das Nationalrats- und Ständeratspräsidium 2013
Dossier: Nationalrat und Ständerat. Wahl des Präsidiums und des Büros

Mitte November kürte die Bundeshausfraktion die Kandidierenden für das zweite Vizepräsidium in beiden Parlamentskammern. 2016 wird die FDP den Vorsitz im Stände- und im Nationalrat innehaben. Die von einer Fraktion vorgeschlagenen Kandidierende werden im Normalfall gewählt und rücken vom zweiten Vize- zum ersten Vizepräsident bzw. vom ersten Vize- zum Präsidenten auf. Um das Amt im Nationalrat bewarben sich Christa Markwalder, Christian Wasserfallen und Andrea Caroni, während für die kleine Kammer einzig die Kandidatur von Raphaël Comte anstand. Das Ständeratsamt wäre eigentlich für den allerdings kurz zuvor verstorbenen Pankraz Freitag vorgesehen gewesen. Nominiert wurden schliesslich Markwalder und Comte.

Vizepräsidium in beiden Parlamentskammern

Innerhalb der Partei sorgte die Familienpolitik für einigen Wirbel. Noch 2012 hatte die FDP mit einem Positionspapier für eine liberale Familienpolitik auf sich aufmerksam gemacht. Anfang Jahr hatte die Präsidentenkonferenz dann allerdings mit einem Nein zum Familienartikel einige FDP-Mitglieder und insbesondere die Frauensektion vor den Kopf gestossen. Die Differenzen innerhalb des Freisinns bezüglich seiner Familienpolitik kamen mit der SVP-Familieninitiative ein zweites Mal zu Tage. Mitte April sprach sich der Berner Nationalrat Christian Wasserfallen für eine Unterstützung des SVP-Begehrens aus. Es müsse ein Zeichen für die traditionelle Familie gesetzt werden. Die Partei fasste dann im Oktober allerdings eine überraschend deutliche Nein-Parole, was ihr prompt geharnischte Kritik seitens der SVP bescherte.

Familienpolitik

Nach sieben Amtsjahren gab Fulvio Pelli (TI) am 21. April die Präsidentschaft der FDP ab. Karin Keller-Sutter (SG) wäre als Nachfolgerin zuoberst auf der Wunschliste gestanden, da sie aus der Deutschschweiz stammt, ein nationales Profil und die nötige Konsenskompetenz aufweise, die es für dieses Amt brauche. Die St. Galler Ständerätin sagte jedoch ab, weil für sie das Präsidialamt nicht mit dem Ständeratsmandat vereinbar sei. Mit Ruedi Noser (ZH), Philipp Müller (AG), dem Vizepräsidenten Vincenzo Pedrazzini (SZ), Andrea Caroni (AR), Martin Schmid (GR), Christian Wasserfallen (BE) oder Pankraz Freitag (GL) wurden in der Presse einige mögliche Namen genannt, die Findungskommission klagte jedoch über eine eigentliche Kandidatenflaute und zahlreiche Absagen. Anfang März stellte die Kommission dann mit Pankraz Freitag (GL) und Philipp Müller (AG) zwei unterschiedlich profilierte Papabili vor, die sich an verschiedenen Hearings in den Kantonen präsentieren mussten. Dem medial besser bekannten und in Bern auch besser vernetzten Müller wurden in der Presse die besseren Chancen eingeräumt: Dem gelernten Gipser wurde eher zugetraut, aus der FDP wieder eine Volksbewegung zu machen als dem von Wirtschaftskreisen unterstützte Glarner Mathematiklehrer. Müller hatte sich allerdings in der Romandie aufgrund seiner dezidierten und harten Asylpolitik nicht viele Freunde geschaffen. Zu einer Kampfwahl kam es jedoch nicht, da sich Freitag Mitte März als Kandidat zurückzog. Müller wurde am 22. April schliesslich ohne Gegenstimme mit 330 zu 0 Stimmen gewählt. Pelli wurde an derselben Abgeordnetenversammlung in Bern für seine Leistungen für die FDP mit stehenden Ovationen geehrt. Zwar habe er den Wählerschwund nicht aufhalten können, es sei ihm aber gelungen, interne Grabenkämpfe zu lindern. Darüber hinaus dürfe die Fusion mit den Liberalen als Erfolg verbucht werden. Die künftigen Erfolge der FDP würden auch eine Ernte von Pellis Wirken sein. Müller startete mit einer eigentlichen Tour de Suisse in sein Präsidium. Nach einigen Wochen mussten auch seine Kritiker anerkennen, dass der Neue für viel Schwung und eine grössere Nähe zur Basis sorge.

Amtsübergabe als FDP-Präsident von Pelli zu Müller (2012)
Dossier: FDP-Präsidentinnen und -Präsidenten seit 2000

Für die fünf Sitze des Vizepräsidiums bewarben sich sechs Kandidierende. Um eine bessere regionale Vertretung zu erhalten, hatte die FDP das Vizepräsidium von vier auf fünf Sitze erweitert. Gewählt wurden Christian Lüscher (GE), Christian Wasserfallen (BE), Isabelle Moret (VD), Vincenzo Pedrazzini (SZ) und Carla Speziali (TI). Über die Klinge springen musste Carmen Walker-Späh (ZH).

Neues Vizepräsidium für die FDP

Weil die Tessiner FDP eine Amtszeitbeschränkung von 16 Jahren für Volksvertreter kennt, hätte Fulvio Pelli (TI) eigentlich nicht mehr zu den Nationalratswahlen antreten dürfen. Die Statuten sehen allerdings Sonderbewilligungen vor, die dem Parteipräsidenten und Aushängeschild der Tessiner FDP vom Parteivorstand auch gewährt wurden. Pelli selber kündigte an, solange im Nationalrat zu bleiben, wie er Präsident sei. Er war aufgrund der gehäuften Niederlagen seiner Partei bei kantonalen Wahlen und der intransparenten Kommunikation in seiner Funktion als Verwaltungsratspräsident bei der Tessiner Kantonalbank auch in der Südschweiz nicht unumstritten. Seine äusserst knappe Wiederwahl in den Nationalrat – 54 Stimmen verhalfen ihm dazu – liess die Kritiker ebenfalls nicht verstummen. Pelli selber gab nach der Niederlage bei den eidgenössischen Wahlen bekannt, im April 2012 sein Amt abzugeben. Dies habe er bereits vor zwei Jahren beschlossen. Als potentielle Nachfolgerinnen und Nachfolger wurden Karin Keller-Sutter (SG), Philipp Müller (AG), Christian Wasserfallen (BE), Ruedi Noser (ZH) und Andrea Caroni (AR) ins Spiel gebracht. Keller-Sutter kündigte früh an, dass für sie das Amt als Parteipräsidentin mit jenem als Ständerätin unvereinbar sei. Eine Findungskommission wurde im Dezember eingesetzt und als Wahltermin der 21. April 2012 festgelegt.

Amtsübergabe als FDP-Präsident von Pelli zu Müller (2012)
Dossier: FDP-Präsidentinnen und -Präsidenten seit 2000

Au Conseil national, lors de la session d’automne, la majorité de la CEATE-CN a proposé au plénum de recommander le rejet de l’initiative et de ne pas entrer en matière sur le contre-projet, le jugeant inutile en raison de la révision de la loi sur le CO2 adoptée par les députés lors de la session d’été au titre de contre-projet indirect à l’initiative « pour un climat sain », laquelle prévoit un taux d’émission moyen de 150 gr/km pour les automobiles dès 2013. Lors de la discussion, seuls le PS et les Verts ont plaidé en faveur de l’initiative, estimant ses revendications modérées et profitables à la réduction des émissions de dioxyde de carbone et au renforcement de la sécurité routière. Suivant le gouvernement et la commission, les députés ont recommandé, par 116 voix contre 58, le rejet de l’initiative. Concernant le contre-projet, outre la proposition de non entrée en matière de la CEATE-CN, le PBD a déposé une proposition de renvoi à la commission afin que celle-ci en retravaille le texte de telle sorte qu’il ne contienne aucune interdiction visant les nouvelles voitures, mais qu’il reprenne les normes de l’UE et prévoie de ramener à 130 gr/km d’ici à 2015 les émissions des voitures neuves, conformément à la motion précitée de la CEATE-CN. Si le PLR et l’UDC s’y sont opposés, se ralliant à la CEATE-CN, le PS, les Verts et la quasi totalité du groupe PDC-PEV-Verts libéraux ont soutenu la proposition du PBD. Ainsi, par 95 voix contre 75, les députés ont approuvé l’entrée en matière et renvoyé le contre-projet à leur commission. Cette dernière a rapidement présenté un nouveau texte pratiquement identique au projet initial du Conseil fédéral et la chambre du peuple a repris ses travaux lors la session d’hiver. Lors de la discussion par article, les députés ont approuvé, par 111 voix contre 70, l’abaissement à 130 gr/km d’ici à 2015 des émissions maximales autorisées pour les voitures neuves, rejetant par là même la proposition d’une minorité Wasserfallen (plr, BE) visant à repousser le délai à fin 2017. Le plénum a en outre refusé, par 121 voix contre 60, d’introduire un second objectif à 95 gr/km d’ici à 2020, ainsi que le souhaitait une minorité Teuscher (pe, BE). Sur proposition de la CEATE-CN, les autres dispositions ont été approuvées selon le projet du Conseil fédéral. Au vote sur l’ensemble, le Conseil national a adopté le contre-projet, par 105 voix contre 65, en dépit du rejet unanime de l’UDC. Les chambres ont en outre prorogé d'un an le délai de traitement de l'initiative, soit jusqu'au 25 février 2012. Par ailleurs, dans l’attente de l’examen du contre-projet, le CE a prorogé jusqu’à la session d’hiver 2012 le délai de traitement de l’initiative du canton de Berne en faveur de l’instauration d’une imposition différenciée des véhicules afin de promouvoir les plus respectueux de l’environnement.

Initiative für „menschenfreundlichere Fahrzeuge“ (Offroader-Initiative)

La campagne a été marquée dès son démarrage par la division du PRD. Déjà lors des débats aux chambres, plusieurs élus radicaux s’étaient distanciés du parti, estimant l’initiative excessive et contraire à l’Etat de droit. Fer de lance du comité d’initiative, la conseillère nationale Doris Fiala (prd, ZH) a d’ailleurs vertement critiqué les quatre radicaux qui s’étaient abstenus lors du premier vote à la chambre basse, les jugeant responsables de l’échec au parlement. Signe des vives tensions internes au parti, la direction a décidé que l’assemblée des délégués voterait à bulletin secret pour déterminer le mot d’ordre du parti, de sorte à protéger les minoritaires. À l’issue du vote, les délégués ont décidé de soutenir l’initiative par 142 voix contre 57 et 17 abstentions. Loin de se résigner, les minoritaires, soit dix parlementaires fédéraux, des anciens conseillers aux Etats et la section genevoise du PRD ont mené une campagne très active. Les parlementaires, anciens et actuels, qui se sont engagés contre l’initiative étaient Christine Egerszegi (AG), Erika Forster (SG), Kurt Fluri (SO), Rolf Büttiker (SO), Dick Marti (TI), Olivier Français (VD), Hugues Hiltpold (GE), Corina Eichenberger (AG), Christa Markwalder (BE), Peter Malama (BS), Thomas Pfisterer (AG), Thierry Béguin (NE), Gilles Petitpierre (GE) et René Rhinow (BS).

Volksinitiative „Verbandsbeschwerderecht: Schluss mit der Verhinderungspolitik – Mehr Wachstum für die Schweiz!“

Anfang April präsentierte die FDP-Parteileitung einen Vorschlag für drei Kernthemen, auf die sich die FDP konzentrieren solle: Erstens den Kampf für mehr und gute Arbeitsplätze, zweitens das Einstehen für den nationalen Zusammenhalt und die Sicherung der Sozialwerke und drittens den Einsatz für einen schlanken und bürgerfreundlichen Staat. Für die Umsetzung dieser Schwerpunkte sollen bekannte Persönlichkeiten aus der Partei, so genannte „Leuchttürme“, verantwortlich sein. Am Parteitag im April nahmen die Delegierten diesen Vorschlag an, alle Änderungsanträge scheiterten. Zu „Leuchttürmen“ wurden bestimmt: Johann Schneider-Ammann (NR BE) und Isabelle Moret (NR VD) für das Thema Arbeitsplätze, Christa Markwalder (NR BE) und Ignazio Cassis (NR TI) für das Thema sozialer Zusammenhalt und Sozialwerke sowie Philipp Müller (NR AG) und der Liberale Christian Lüscher (NR GE) für das Thema bürgerfreundlicher Staat. Mit der Ausrichtung auf drei Schwerpunkte wurde das Konzept der „vier Schweizen“, mit dem die FDP den Wahlkampf 2007 bestritten hatte, nach Einschätzungen in der Presse mehr oder weniger fallengelassen. Das Konzept hatte als zu abstrakt gegolten. Mit der Festlegung auf das neue Programm sollte nun auch die von Pelli gemachte Aussage gelten, dass zu schweigen habe, wer von der beschlossenen Parteilinie abweicht. Kontrovers diskutiert wurde der Gesundheitsartikel, zu dem die Parolenfassung anstand: Die Vorlage erhielt mit 110 Ja zu 81 Nein nur halbherzige Unterstützung, obwohl sie von FDP-Parlamentariern massgeblich mitentwickelt worden war. Pelli warb für den Gesundheitsartikel: Er stehe für die freie Wahl des Arztes und des Spitals, die monistische Finanzierung und einen kontrollierten Wettbewerb. Bundespräsident Pascal Couchepin hingegen bezeichnete die Vorlage als unnötig. Ein klares Nein gab es für die Einbürgerungsinitiative der SVP und die Initiative „für Volkssouveränität statt Behördenpropaganda“. Fulvio Pelli wurde von den Delegierten als Parteipräsident bestätigt, Ruedi Noser als Vizepräsident. Isabelle Moret (NR VD) wurde neu ins Vizepräsidium gewählt. Sie war die einzige Kandidatin für die Nachfolge der beiden zurücktretenden VizepräsidentInnen Léonard Bender (VS) und Gabi Huber (UR). Ein Platz im Vizepräsidium wurde für einen zukünftigen Vertreter der Liberalen frei gehalten.

FDP will sich in Zukunft aud drei Kernthemen konzentrieren