Bei Volksinitiativen kommt es vor, dass die Initianten mit einem vom Parlament beschlossenen indirekten Gegenvorschlag zufrieden sind und ihr Begehren eigentlich zurückziehen möchten. Oft enthält dieser Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe die Klausel, dass er nur dann in Kraft treten kann, wenn die Initiative entweder zurückgezogen oder in der Volksabstimmung abgelehnt worden ist. Da damit die offizielle Publikation des Gegenvorschlags und der Beginn der Sammelfrist für ein allfälliges Referendum erst nach dem Rückzug erfolgen, sind die Initianten über dessen Schicksal im Ungewissen und verzichten aus diesem Grund manchmal auf einen Rückzug. Ständerat Lombardi (cvp, TI) schlug deshalb in der Form einer parlamentarischen Initiative die Einführung des bedingten Rückzugs einer Volksinitiative vor. Die SPK des Ständerats arbeitete eine entsprechende Teilrevision des Gesetzes über die politischen Rechte aus. Da mit der Volksinitiative „Lebendiges Wasser“ und der als indirekten Gegenvorschlag konzipierten Revision des Gewässerschutzgesetzes ein konkreter Anwendungsfall im Parlament hängig war, drängte sie auf eine rasche Behandlung des Geschäfts. Sie beantragte, dass der Rückzug einer Volksinitiative nur dann gelten soll, wenn der Gegenvorschlag auch wirklich in Kraft tritt. Wird das Referendum ergriffen und der Gegenvorschlag vom Volk abgelehnt, dann findet anschliessend eine Abstimmung über die Volksinitiative statt. In der Vernehmlassung hatten sich FDP und SVP skeptisch gezeigt, der Bundesrat hingegen sprach sich für diese Neuerung aus.

Das Parlament hiess die Einführung des bedingten Rückzugs einer Volksinitiative bereits in der Herbstsession gut. Im Ständerat geschah dies einstimmig. Im Nationalrat stellte die SVP erfolglos einen Nichteintretensantrag, wobei die Begründung allerdings verwirrend war. Gemäss ihrem Sprecher Schibli (svp, ZH) würde diese bedingte Rückzugsmöglichkeit die Rechte des Volkes einschränken, da dieses Anspruch darauf habe, in jedem Fall über eine Initiative abzustimmen. Auch eine Mehrheit der FDP war für Nichteintreten, da die Neuerung die Ausübung der Volksrechte komplizierter gestalten würde. In der Schlussabstimmung verabschiedete der Nationalrat die neuen Bestimmungen mit 106 zu 88 Stimmen; dagegen waren die praktisch geschlossene SVP und eine grosse Mehrheit der FDP. In der kleinen Kammer gab es keine Gegenstimmen.

Bedingte Rückzüge von Volksinitiativen