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Jahresrückblick 2019: Kultur, Sprache, Kirchen

2019 war hinsichtlich der Kultur-, Sprach- und Kirchenpolitik vergleichsweise ein eher moderater Jahrgang, sowohl im Vergleich zu anderen Politikbereichen, als auch im direkten Vergleich zu den Vorjahren. Eine APS-Zeitungsanalyse zeigt auf, dass alle drei Politikbereiche von einem rückläufigen Trend betroffen sind, wobei sich dieser besonders in der Medienberichterstattung zur Kirchen- und Religionspolitik am stärksten zeigt – hier hat sich der Anteil themenspezifischer Artikel seit 2016 nahezu halbiert. Im Jahresverlauf wurden über die drei Themenbereiche betrachtet unterschiedliche Entwicklungen ersichtlich: Während die Sprachthemen auf nationaler Ebene offensichtlich im Allgemeinen wenig Beachtung fanden, wurden kirchenpolitische Themen besonders Anfangs und Ende Jahr stark diskutiert und fielen dann dem obligaten «Sommerloch» zum Opfer. Die Kulturpolitik hingegen sah sich mit einem regelrechten «Sommerhoch» konfrontiert, nachdem es ab März 2019 eher ruhig geworden war.

Das Hauptaugenmerk der Parlamentarierinnen und Parlamentarier lag 2019 hinsichtlich der kulturpolitischen Entwicklungen mit Sicherheit auf der Revision des Schweizer Urheberrechts. Nach rund 7-jähriger Vorarbeit und einer vom Ständerat im Frühjahr 2019 zwecks Sondierung der Lage des europäischen Urheberrechts auferlegten Rückweisung, wurden im Sommer schliesslich die Weichen gestellt und das Gesamtpaket im Herbst gebündelt. Da die angestrebte Revision Einfluss auf verschiedene Bereiche hat, blieben die negativen Reaktionen indes nicht aus; deshalb ist es auch wenig erstaunlich, dass kurz nach der Schlussabstimmung bereits das Referendum ergriffen wurde. Ob die URG-Revision effektiv gelungen ist, wird sich Mitte Januar 2020 zeigen, wenn die Referendumsfrist abgelaufen ist.
Die Ratifizierungen internationaler Abkommen wie des Übereinkommens über den Schutz des Unterwasser-Kulturerbes und des Rahmenübereinkommens des Europarats über den Wert des Kulturerbes standen hingegen ausser Diskussion.
Ein anderer Fokus wurde im Kulturjahr 2019 wiederum auf die Kulturförderung gelegt. Im Frühjahr wurde die Kulturbotschaft 2021–2024 in die Vernehmlassung geschickt und bis im September zur Stellungnahme freigegeben. Der Ergebnisbericht lag Ende Jahr zwar noch nicht vor, jedoch geben die im Verlauf des Jahres gefällten Entscheide zu diversen Vorstössen mit Referenz auf die Kulturbotschaft (Kulturabgeltung an die Stadt Bern, Einführung eines schweizerischen Jugendkulturgutscheins, Auswirkungen der Urbanisierung auf die Kulturförderung, Aufgabenteilung zwischen SBFI und BAK, Erhöhung des Kredits für die Förderung des Sprachaustausches) einen ersten Hinweis auf mögliche Herausforderungen hinsichtlich der weiteren Beratungen .
Auch im Bereich Heimatschutz und Denkmalpflege blieben die Institutionen nicht untätig. So wurde eine Motion Regazzi (cvp, TI; Mo. 17.4308), die eine Anpassung der Bewertungskriterien für die ISOS-Aufnahme verlangte, stillschweigend angenommen und die Vernehmlassungsergebnisse zur Totalrevision des VISOS vielen mehrheitlich positiv aus, was auf ein Inkrafttreten der revidierten Verordnung auf den 1. Januar 2020 hindeutete.
In der ausserparlamentarischen Debatte fand das Fête de Vignerons, das drei Jahre nach seiner Aufnahme ins UNESCO Weltkulturerbe und 20 Jahre nach der letzten Austragung neuerlich in Vevey (VD) stattfand, grosse Beachtung – leider aufgrund der finanziellen Bruchlandung nicht nur positive. Ein wiederkehrendes Thema war 2019 auch die Raubkunst, wobei der Fokus in diesem Jahr auf den afrikanischen Kontinent und die im Kontext der Kolonialisierung erbeuteten Schätze gerichtet wurde. Auch das Volk der Fahrenden war 2019 insbesondere in den Kantonen ein Thema, da sich die Frage der Durchgangsplätze nicht nur im Kanton Bern aufgetan hatte.

Im Bereich der Sprachpolitik standen in diesem Jahr die Mehrsprachigkeit und damit zusammenhängend die Förderung des Austausches zwischen den Sprachgemeinschaften sowie der Erhalt des Rätoromanischen im Fokus. So forderte eine Motion Bourgeois (fdp, FR; Mo. 17.3654), dass öffentliche Ausschreibungen des Bundes künftig in den wichtigsten Landessprachen zu erfolgen hätten, und eine Motion Gmür-Schönenberger (cvp, LU; Mo. 18.4156), dass TV-Produktionen nicht mehr synchronisiert, sondern sowohl Eigenproduktionen in den Landessprachen, als auch englischsprachige Produktionen in der Originalsprache ausgestrahlt und lediglich noch untertitelt werden sollen.
Mit dem Begehen der 100-Jahr-Feier der Lia Rumantscha wurden indes Bestrebungen aufgezeigt, das Rätoromanische wieder mehr aufs Parkett zu bringen und insbesondere auch einem Publikum ausserhalb des Bergkantons ins Gedächtnis zu rufen. Nicht zuletzt seit einem im Frühjahr erschienene Bericht des ZDA war deutlich geworden, dass es für das Rätoromanische in der Schweiz fünf vor zwölf geschlagen hat.

In Bezug auf kirchen- und religionspolitische Themen stand in diesem Jahr die SVP mit ihren islamkritischen Parolen auf prominentem Parkett. Mit ihrem Vorstoss zur Bekämpfung der Ausbreitung eines radikalen Islams war sie im Parlament zwar gescheitert, generierte aber mit den daraus resultierenden Wahlplakaten des der SVP nahestehenden Egerkinger-Komitees im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen 2019 ein grosses Medienecho. Auch die Motion Wobmann (svp, SO; Mo. 17.3583), die ein Verbot der Verteilaktion «Lies!» zum Ziel hatte, scheiterte – nach einer rund 1.5-jährigen Sistierung – am Ständerat. Wie eine bereits im Sommer veröffentlichte Studie aufzeigte, nahm die SVP auch in den Kantonen eine dominante Rolle in der Religionsdebatte ein. So war es nur wenig erstaunlich, dass die Anfangs Jahr neuerlich aufkommende Frage, ob man als guter Christ noch die SVP wählen dürfe, wieder zu diskutieren gab; nicht zuletzt, weil damit auch verschiedentliche Kirchenaustritte – nebst den ohnehin zunehmenden Kirchenaustritten – von SVP-Politikerinnen und -Politikern einhergingen, welche sich lieber dem Churer Bischof Huonder zuwenden wollten. Dieser seinerseits wurde schliesslich nach zweijährigem Aufschub zu Pfingsten Abberufen, nutzte die Zeit bis dahin aber für einen Rundumschlag gegen die Landeskirchen und stellte sich noch immer quer zu den Missbrauchsvorwürfen in der Kirche.
Wie sich die Kirche zum Staat verhalten soll und in welchem Masse sich Theologen in die politische Debatte einbringen dürfen, wurde seit Anfang Jahr im Rahmen eines von Gerhard Pfister (cvp, ZG) neu gegründeten Think-Tanks «Kirche/Politik» erläutert.
Eine für viele eher überraschende Kunde kam im Herbst von Seiten der reformierten Kirchen: Diese hatten sich nach langen Diskussionen für die «Ehe für alle» ausgesprochen, wobei sie im Wissen um die konservativen Kräfte innerhalb der Glaubensgemeinschaft die Gewissensfreiheit der Pfarrpersonen gewährleisten wollten. Unerfreulich waren 2019 die Meldungen über die Rückkehr und rasche Zunahme des Antisemitismus in der Schweiz.

Die 2019 im Vorfeld des angekündigten Frauenstreiks virulent diskutierte Genderthematik fand ihren Einzug auch im Bereich der Kultur, Sprache und Kirche. So wurden Frauen, und spezifisch ihr Schaffen und ihre Stellung in der Kunst und Kultur, wesentlich stärker thematisiert als in den vergangenen Jahren. Auch die Diskussion um gendergerechte Sprache wurde in diesem Jahr wieder virulenter aufgegriffen. Besonders überraschend kam auch die Ankündigung der Kirchenfrauen, sich am diesjährigen Frauenstreik zu beteiligen, um ein Zeichen gegen die männliche Dominanz innerhalb der Institution zu setzen.

Jahresrückblick 2019: Kultur, Sprache, Kirchen
Dossier: Jahresrückblick 2019

Im Rahmen eines Nationalfondsprojekts haben sich die Schweizer Linguisten Beat Siebenhaar (Universität Leipzig) und Adrian Leemann (Cambridge University) in einer europaweit einzigartigen Dialekt-Studie der unterschiedlichen Schweizer Dialekte angenommen. Hierbei wurden Tonhöhe, Intonation und Sprechgeschwindigkeit des Berner, Walliser, Bündner und Zürcher Dialekts miteinander verglichen. Die Ergebnisse der Studie besagen, dass die Walliser die absoluten Schnellsprecher der Nation sind. Verglichen mit den anderen Dialekten weisen sie in Bezug auf Lautaussprache, Wortsilben, Wort- und Satzendendehnung sowie Phrasenlänge wesentlich kürzere Messwerte auf. Die Berner hingegen bilden in all diesen Messdimensionen (bis auf die Phrasenlänge) das Schlusslicht. Während sich noch in den 1990er-Jahren der Berner Dialekt bei Volksbefragungen – aufgrund ebendieser Gemächlichkeit und des ganz eigenen Redestils – als einer der beliebtesten Schweizer Dialekte etablieren konnte, ergab eine neuere Studie von Adrian Leemann, dass sich mittlerweile der, oft als arrogant wahrgenommene, Zürcher Dialekt zum Beliebtesten gemausert hat. In diversen Bereichen sei der Zürcher Dialekt mit grosser Kompetenz, Vertrauenswürdigkeit und Respekt verbunden.

Dialekt Studien

Im Kanton Freiburg verabschiedete die «Constituante» in den ersten Monaten des Jahres ihren Verfassungsentwurf, wobei sich die Regelung der Sprachenfrage als besondere Knacknuss erwies. Die vorberatende Kommission hatte davon abgesehen, das 1990 in die Verfassung aufgenommene und von vielen Romands vehement vertretene Territorialitätsprinzip in der Verfassung zu belassen und sich stattdessen am Wortlaut der neuen Bundesverfassung orientiert, wonach Staat und Gemeinden auf die herkömmliche sprachliche Zusammensetzung der Gebiete achten und auf die angestammten Minderheiten Rücksicht nehmen.
Zudem war sie der deutschsprachigen Bevölkerung an der Sprachengrenze insofern entgegen gekommen als sie bestimmte, dass deren Kinder den Ort der Einschulung frei wählen können. Beide Verfassungsartikel hatten vor der «Constituante» keine Chance. In der Vernehmlassung sprachen sich über 65 Prozent der Antwortenden für das Territorialitätsprinzip aus, ebenso alle Parteien mit Ausnahme der CSP (Nein) und der SP (keine Empfehlung). Nach einer Marathondebatte setzte sich eine Formulierung durch, welche die Zweisprachigkeit zwar als wesentlichen Bestandteil der Identität des Kantons und seiner Hauptstadt anerkennt, bei den Amtssprachen aber auf ein durchgehendes Territorialitätsprinzip setzt, mit Ausnahmemöglichkeiten für Gemeinden mit einer bedeutenden angestammten sprachlichen Minderheit. Der Artikel über die Einschulung an der Sprachgrenze wurde ersatzlos gestrichen, womit auch hier weiterhin das Territorialitätsprinzip gilt. Dass die Angst der Romands vor einer schleichenden Germanisierung eigentlich unbegründet ist, hatten im Vorjahr die Zahlen der Volkszählung 2000 ergeben, welche eine Zunahme des Französischen im Kanton Freiburg belegten.

Im Mai präsentierte zudem der Regierungsrat des Kantons Bern in einem gemeinsamen Gesetz die künftige Stellung des Berner Jura sowie Massnahmen zur Unterstützung der französischsprachigen Bevölkerung und der Förderung der Zweisprachigkeit im Amtsbezirk Biel.

«Constituante» des Kantons Freiburg verabschiedet zwei Verfassungsänderungen

Die Stadt Bern strich ihren Beitrag an die auf ihrem Gemeindegebiet liegende Französische Schule. Bisher hatte sie 10 Prozent der Betriebskosten der Schule übernommen. In der Fragestunde der Frühjahrssession sprachen zwei welsche Abgeordnete – Bugnon (cvp, VD) und Dupraz (fdp, GE) – Bundesrätin Dreifuss darauf an und baten sie zu prüfen, ob allenfalls der Bund die nun fehlenden CHF 350'000 übernehmen könnte. Dreifuss unterstrich die Bedeutung dieser Schule für die Familien der französischsprachigen Bundesangestellten und Diplomaten, erklärte aber, der Bund könne nicht mehr als die bis anhin geleisteten 25 Prozent übernehmen. Sie bedauerte den Entscheid der Stadt Bern, verwies aber darauf, dass es sich bei der Französischen Schule um eine Kantonsschule handelt, weshalb dies in erster Linie eine Angelegenheit des Kantons Bern sei. Ähnlich abschlägig beantworte der Bundesrat auch eine Einfache Anfrage Rennwald (sp, JU).

Finanzierung der Französische Schule in Bern nicht geregelt (Frage 02.5005/02.5506 und A. 02.1006)

Die Kantone Graubünden, Freiburg, Bern und Solothurn meldeten ihren Anspruch auf die Beherbergung des im Entwurf zum Sprachengesetz vorgesehenen Instituts zur Förderung der Mehrsprachigkeit an. Der Kanton Graubünden machte geltend, er sei von der Problematik der Mehrsprachigkeit intensiv betroffen und biete daher gute Voraussetzungen als Standort für die Mehrsprachigkeitsforschung. Bern wies auf das in Biel angesiedelte «Forum der Zweisprachigkeit» hin, Freiburg auf seine Rolle als einzige zweisprachige Universitätsstadt und Solothurn auf seine Lage an der Schwelle der Deutschschweiz zur Romandie und am Schnittpunkt der Nord-, Süd-, West- und Ostverbindungen sowie auf den Umstand, dass sich der Geschäftssitz der ch-Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit seit 1967 in Solothurn befindet.

Kantone ringen um Standort eines Instituts zur Förderung der Mehrsprachigkeit
Dossier: Schaffung eines Instituts zur Föderung der Mehrsprachigkeit

Der Entwurf zum Sprachengesetz wurde in der Vernehmlassung tendenziell positiv aufgenommen, weshalb der Bundesrat dem EDI den Auftrag erteilte, auf dieser Basis und in Zusammenarbeit mit den Kantonen die Botschaft auszuarbeiten. Die Notwendigkeit zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage war bei den Kantonen unbestritten, doch lehnten sie alle Vorschläge ab, welche ihre Kompetenzen in den Bereichen Schule und Bildung tangieren könnten. Mit Ausnahme der SVP, die keinen Gesetzgebungsbedarf sah, hiessen alle Parteien ein Sprachengesetz grundsätzlich gut. Breite Zustimmung fanden die Abschnitte über die Amtssprachen des Bundes, über die Förderung der mehrsprachigen Kantone sowie des Rätoromanischen und Italienischen. Die Bundesratsparteien forderten darüber hinaus eine angemessene Vertretung der Sprachregionen in der Bundesverwaltung. Unterschiedlich wurde der Abschnitt über die Förderung der Verständigung und des Austauschs beurteilt. Während SP, Grüne und EVP hier dem Bund durchaus eigene Kompetenzen einräumen wollten, äusserten sich FDP und CVP aus föderalistischen sowie finanzpolitischen Gründen eher zurückhaltend. Allgemein gut aufgenommen wurde der vorgesehene Austausch von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften zwischen den Sprachregionen. Mehrere Vernehmlassungsteilnehmer bedauerten, dass sich der Entwurf nicht zur Frage der Landessprachen als erste Fremdsprache im Unterricht und damit zu der Kontroverse über das Frühenglisch äussert. Drei französischsprachige und drei zweisprachige Kantone (GE, NE, JU, VS, FR und BE), drei Parteien (Grüne, EVP, SD) sowie die Erziehungsdirektorenkonferenz der Suisse romande und des Tessins verlangten eine Regelung im Sinn der Festschreibung einer Landessprache als erste Fremdsprache. Die SP begrüsste zwar eine Landessprache als erste Fremdsprache, äusserte jedoch Verständnis dafür, dass diese Frage nicht im Sprachengesetz geregelt werden kann. CVP und SVP waren hingegen der Meinung, die Frage des Frühenglisch sei Sache der Kantone. Auf keine Unterstützung stiess die vorgesehene Bundeskompetenz, Immigranten Kurse in heimatlicher Sprache und Kultur anzubieten. Die Parteien waren sich einig, dass eine derartige Bestimmung nicht in ein Gesetz über die Landessprachen gehört.

Bundesrat beschliesst 2004 vorläufigen Verzicht auf ein Sprachengesetz
Dossier: Bestrebungen zur Ausarbeitung eines Sprachengesetzes

Ein ehemaliger Landrat aus dem Kanton Baselland reichte daraufhin bei einem Gericht im Kanton Bern eine Klage ein, welche verlangte, die Erziehungsdirektoren seien im Sinn einer vorsorglichen und einstweiligen Massnahme anzuweisen, sämtliche Schritte zur Einführung der neuen deutschen Schreibweise zu sistieren, bis in der Bundesrepublik ein endgültiger Entscheid zu dieser Frage gefallen sei. Die Erziehungsdirektorenkonferenz sah sich trotz dieser Klage keineswegs gemüssigt, von ihren Plänen, die Reform ab 1998 schrittweise einzuführen, abzuweichen. Auch sie betonte, die Reform sei sinnvoll, gehe nicht zu weit und bilde vor allem für die Schulen eine Erleichterung. Das Berner Gericht trat auf die Klage ohnehin nicht ein, weil der Kläger nicht glaubhaft machen konnte, dass er durch die Reform in seinen persönlichen Rechten betroffen sei.

Erziehungsdirektorenkonferenz ab 1998

Als erste Stadt gab sich Biel - mit finanzieller Unterstützung des Kantons Bern - einen "Monsieur Bilingue", welcher das Ende 1996 gegründete Forum für die Zweisprachigkeit leitet. Diese Institution will den Bilinguismus professionell fördern und sich mit den besonderen Problemen des Zusammenlebens verschiedener Sprachgruppen in einer zweisprachigen Stadt und Region befassen. Ebenfalls in Biel nahm eine jahrzehntelange paradoxe Situation ein Ende. Während 42 Jahren lebten das deutschsprachige Gymnasium und das französischsprachige Lycée unter einem Dach, vermieden aber ostentativ jeden Kontakt. Nun rauften sich die Leiter der beiden Lehranstalten zusammen und boten erstmals eine zweisprachige Maturitätsausbildung an.

Biel Forum für die Zweisprachigkeit

Im Spannungsverhältnis zwischen Sprachenfreiheit und Territorialitätsprinzip gewichtete das Bundesgericht in einem konkreten Anwendungsfall die individuelle Sprachenfreiheit höher als das Interesse einer Gemeinde an einer homogenen Sprachenlandschaft und rügte die Erziehungsdirektion des Kantons Bern, die einem in einer deutschsprachigen Gemeinde an der Sprachengrenze wohnhaften Kind untersagt hatte, auf Kosten der Eltern eine französischsprachige Primarschule in der Stadt Biel zu besuchen. In ihrem Grundsatzurteil beschieden die Lausanner Richter, eine offensichtliche Beschränkung der Sprachenfreiheit sei nur zulässig, wenn sie auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und sich als verhältnismässig erweist.

Sprachenfreiheit und Territorialitätsprinzip

Nach dem Ständerat lehnte auch der Nationalrat diskussionslos und mit deutlicher Mehrheit drei Standesinitiativen der Kantone Bern, Freiburg und Wallis ab, mit denen diese eine Bundesentschädigung für ihre durch die Zweisprachigkeit bedingten Mehrkosten verlangten. Die grosse Kammer übernahm dabei die Argumentation des Ständerates und ihrer vorberatenden Kommission, wonach Zwei- und Mehrsprachigkeit im administrativen und im schulischen Bereich zwar zusätzliche Kosten verursache, eine Sprachenvielfalt innerhalb der Kantonsgrenzen aber bereichernd sei. Einzelne Sprecher machten geltend, für die Unterstützung der mehrsprachigen Kantone könne es auch noch andere Wege als jene über direkte Bundessubventionen geben, so etwa über den interkantonalen Finanzausgleich.

Standesinitiative zugunsten mehrsprachiger Kantone

Die kleine Kammer lehnte auf Antrag ihrer Kommission diskussionslos drei ähnlichlautende Standesinitiativen der Kantone Bern, Freiburg und Wallis ab, welche verlangten, der Bund solle die zweisprachigen Kantone bei ihren besonderen Leistungen zur Erhaltung und Förderung der Mehrsprachigkeit finanziell unterstützen. Die Kommission stellte in Aussicht, dass je nach Ausgestaltung des Sprachenartikels gewisse Beiträge eventuell möglich werden könnten, betonte aber auch ganz klar, dass die Mehrsprachigkeit eines Kantons nicht in erster Linie eine Belastung, sondern eine Bereicherung von nicht zu unterschätzendem Wert darstelle.

Standesinitiative zugunsten mehrsprachiger Kantone

Der Berner Grosse Rat bewilligte mit klarem Mehr jedoch mit zahlreichen Enthaltungen einen Kredit von 570'000 Fr. für das Forschungsprojekt "Mehrsprachigkeit im Kanton Bern". Die Studie soll dem Kanton Erkenntnisse zu seiner kulturellen Identität bringen und ihm helfen, seine traditionelle Brückenfunktion zwischen den Sprachgebieten wahrzunehmen.

Mehrsprachigkeit im Kanton Bern

Der Kanton Bern reichte eine Standesinitiative ein, welche die Bundesbehörden auffordert, den mehrsprachigen Kantonen für die besonderen Leistungen zur Erhaltung und Förderung ihrer Sprachenvielfalt eine Unterstützung des Bundes zu gewähren.

Vgl. Standesinitiative Freiburg 1990.

Standesinitiative zugunsten mehrsprachiger Kantone

Der Forderung der Tessiner Abgeordneten nach einer sukzessiven Erhöhung der Zahl der italienischsprachigen Bundesbeamten war Bundespräsident Cotti bereits anfangs Jahr zuvorgekommen, als er für sein Departement eine Quotenregelung bei der Personalauswahl einführte. Mit dieser Sofortmassnahme soll im EDI eine angemessene Vertretung der sprachlichen Bevölkerungsgruppen sichergestellt und der Anteil des weiblichen Personals erhöht werden. Ziel ist, bis Ende 1992 Verhältniswerte von 70% deutsch- (heute 74%), 20% französisch- (17%) und 10% italienischsprachige Mitarbeiter (7,5%) zu erreichen. Um den Dienst in der zentralen Bundesverwaltung für Tessiner attraktiver zu machen, regten die Motionäre ebenfalls die Schaffung einer dreisprachigen Schule (deutsch/französisch-italienisch) in Bern an. Auch dieser Wunsch stiess bei Bundespräsident Cotti auf viel Sympathie; er verwies jedoch auf den Grundsatz der kantonalen Schulhoheit und spielte so den Ball dem Kanton Bern zu.

In ihrem Inspektionsbericht 1991 bemängelte zudem die GPK des Nationalrates die nach wie vor markante Untervertretung der sprachlichen Minderheiten in der Bundesverwaltung.

Erhöhung der Zahl der italienischsprachigen Bundesbeamten

Der in einer Motion geforderten besseren Berücksichtigung der italienischen Sprache in der Bundesversammlung entsprach der Bundesrat mit Antrag auf Änderung des Geschäftsverkehrsgesetzes: Für die Promulgation von Gesetzen sollte auch ein italienisches Original vorliegen. Das in der Verfassung verankerte Recht des Parlamentariers auf Gebrauch seiner Muttersprache bei der Gesetzgebung sollte durch die Bereitstellung der Texte in den drei Amtssprachen für jede Session gewährleistet werden. Bisher war der italienische Text nur zu Beginn eines Gesetzgebungsverfahrens vorgelegt worden, ohne dass Textänderungen nachgetragen worden wären. An der faktischen Zweisprachigkeit des Parlaments würde sich jedoch nichts ändern.

Zur Förderung sprachlicher Minderheiten wurden weitere Massnahmen getroffen: Eine von der Ligia Romantscha (LR) patronierte Dieta Romantscha diskutierte Massnahmen zur Stärkung des Romanischen; sie sollte alle zwei Jahre zusammentreten. Die bernische Kommission, die sich mit der Gründung eines jurassischen Kulturzentrums befasst, machte, nachdem grundlegende Meinungsverschiedenheiten beseitigt werden konnten, erste Vorschläge. Einen Beitrag zum friedlichen Zusammenleben verschiedener Sprachgruppen leistete der Kanton Freiburg mit einer Sprachencharta, die als Basisdokument für ein modernes Sprachenrecht bezeichnet wurde. Einige Kritik erwuchs aus der mit dem Prinzip der Universalität der auswärtigen Beziehungen begründeten Nichtbeteiligung der Schweiz an der Konferenz von Niamey. Obwohl eine Mitgliedschaft in der neu gegründeten «Agence de coopération culturelle et technique dans le cadre de la francophonie» (ACCT) abgelehnt wurde, wäre es nach Ansicht des Bundesrates möglich, an einzelnen Aktionen teilzunehmen.

Viersprachige Schweiz

Verschiedenes wurde zur Förderung sprachlicher Minderheiten vorgekehrt: So erhöhte der Bund seinen jährlichen Beitrag an die Ligia Romontscha (LR) von CHF 110'000 auf CHF 190'000, der bernische Regierungsrat beschloss die Einsetzung einer rein jurassischen Kommission zur Ausarbeitung eines Projekts für ein Jurassisches Kulturzentrum und der Freiburger Staatsrat erklärte sich in Beantwortung einer Petition aus dem Jahre 1962 grundsätzlich zu einer Verbesserung der rechtlichen und politischen Stellung der deutschsprachigen Minderheit bereit. Umstritten waren dagegen in deutschschweizerischen wie in welschen Kreisen die Bestrebungen, von Paris aus im Namen der «Francophonie» westschweizerische Politiker zu einer organisierten Zusammenarbeit heranzuziehen; die Nationalräte Wilhelm (k.-chr., BE) und Baechtold (soz., VD) sowie Vertreter der Kantonsparlamente Genfs und des Wallis folgten immerhin der Einladung zur ersten Generalversammlung der Association internationale des parlementaires de langue française in Versailles. Die schweizerische kulturelle Aussenpolitik trat insbesondere durch eine von Pro Helvetia organisierte photographische Architekturausstellung in Moskau in Erscheinung.

Frankophoniegipfel