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  • Partei der Arbeit (PdA)
  • Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS)
  • Christlichdemokratische Volkspartei (CVP; -2020)
  • Maret, Marianne (pdc/cvp, VS) SR/CE
  • Fontana, Katharina
  • Levrat, Christian (sp/ps, FR) SR/CE
  • Maurer, Ueli (svp/udc) BR EFD / CF DFF

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Jahresrückblick 2020: Öffentliche Finanzen

Im Jahr 2020 wurde in den Medien im Verhältnis zu anderen Themen deutlich weniger über den Themenbereich «Öffentliche Finanzen» berichtet als in den Jahren 2017 bis 2019. Dies lag jedoch nicht am Unterthema «Finanzlage», im Gegenteil: 2020 wurde häufiger über das Budget, die Staatsrechnung oder die öffentlichen Finanzen diskutiert als im Vorjahr. Grund dafür war die Corona-Pandemie, die bei den Medien das Interesse an der Frage weckte, wie es ob der Pandemie um die Bundesfinanzen stehe. Diese Frage war durchaus berechtigt, zumal die Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie sowohl einnahmen- als auch ausgabenseitig grosse Konsequenzen nach sich zogen. Die hohen Ausgaben kündigten sich bereits im März 2020 an, als der Bundesrat dem Parlament in zwei Nachmeldungen zum ersten Nachtragskredit CHF 41.9 Mrd. als Verpflichtungskredite für die Corona-Soforthilfe für Unternehmen sowie CHF 15.3 Mrd. als Nachtragskredite beantragte. Hinzu kamen im zweiten Nachtragskredit im Mai 2020 noch einmal CHF 14.9 Mrd., womit der Bundesrat mehr als CHF 30 Mrd. zur Bekämpfung der Pandemie und ihrer Auswirkungen einzusetzen plante.
Auch die Einnahmen des Bundes litten mehrfach unter Corona: Der Wirtschaftseinbruch führte zu einer Reduktion des Konsums und dadurch zu einem Mehrwertsteuerausfall, die steigende Arbeitslosigkeit sowie die Lohnreduktion durch Kurzarbeit führten zu einer Reduktion der Erträge der Einkommenssteuer, tiefere Gewinne und Konkurse von Unternehmen führten zu tieferen Unternehmenssteuern und die Möglichkeit, Steuerzahlungen im Jahr 2020 zinslos aufzuschieben, führte in mehreren Bereichen zu Steuerausfällen. Zwar war unklar, wie hoch diese Steuerausfälle schlussendlich sein würden, die FK-NR rechnete aber während des ersten Lockdowns mit Ausfällen in der Höhe von CHF 6 bis 8 Mrd. Zusammengenommen ergaben die höheren Ausgaben und tieferen Einnahmen ein erwartetes Defizit von CHF 30 bis 40 Mrd. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 hatte der Bund einen Überschuss von CHF 3 Mrd. erwirtschaftet. Die Gesamtleistung des Bundes im Rahmen der Corona-Krise über die nächsten Jahre hinweg schätzte Finanzminister Maurer im April 2020 gar auf CHF 70 bis CHF 80 Mrd. – sie entspräche damit ungefähr den Bundesausgaben eines Jahres.
Zwar gab es Mitte August 2020 eine zeitweise Entwarnung, als der Bundesrat im Nachtrag IIb ankündigte, dass ein Teil der bereits veranschlagten CHF 31 Mrd. nicht ausgeschöpft werden müsse: Insgesamt fielen «nur» ausserordentliche Ausgaben von CHF 17.8 Mrd. an. Jedoch zeigte sich zu demselben Zeitpunkt auch, dass die Fiskaleinnahmen im ersten Halbjahr 2020 um fast 1.3 Mrd. tiefer lagen als im gleichen Zeitraum 2019. In der Folge gelang es dem Bundesrat aber, die erwarteten Corona-bedingten Mehrkosten für das Jahr 2021 im ordentlichen Voranschlag unterzubringen, ohne dabei die Schuldenbremse auszureizen. Wie Bundesrat Maurer aber bereits zu diesem Zeitpunkt betont hatte, waren diese positiven Meldungen unter anderem von der weiteren Entwicklung der Pandemie abhängig, und so machte die zweite Welle dem Finanzminister noch einmal einen Strich durch die Rechnung: Im September 2020 beantragte der Bundesrat dem Parlament in einer Nachmeldung zum Voranschlag 2021 noch einmal CHF 1.4 Mrd. zur Bekämpfung der Auswirkungen der Pandemie, bewegte sich aber auch damit noch immer im Rahmen des von der Schuldenbremse Erlaubten.
Dass die Schweiz 2020 ein Defizit machen würde, stand ob der grossen Hilfspakete des Bundesrates ausser Frage. Diskutiert wurde in den Medien aber die Frage, wie dieses Defizit verbucht und anschliessend abgebaut werden soll. Sollten die ausserordentlichen Corona-Ausgaben auf das Amortisationskonto der Schuldenbremse gebucht werden oder sollten sie an der Schuldenbremse vorbeigeschleust werden, wie eine 19-zu-5-Mehrheit der FK-NR (Mo. 20.3470) forderte? Einig war man sich mehrheitlich, dass eine Kompensation in den nächsten sechs Jahren, wie es die aktuelle Regelung bei einer Buchung auf das Amortisationskonto verlangen würde, kaum möglich wäre. Stattdessen wurde darüber diskutiert, ob die Schulden innert 10, 20 oder 30 Jahren oder gar ohne zeitliche Zielvorgabe zurückgezahlt werden sollen. Vorgeschlagen wurde auch, den Schuldenabbau durch zusätzliche Einnahmen, zum Beispiel durch die fixe Zuweisung des Gewinnanteils des Bundes an den Einnahmen der SNB, zu beschleunigen (Motion der WAK-NR: Mo. 20.3450).

Abgesehen von Corona lief 2020 insbesondere im Bereich der «Direkten Steuern» einiges. Dass der Themenbereich verglichen mit den Jahren 2017 bis 2019 deutlich weniger mediale Aufmerksamkeit generierte, liegt an den Abstimmungen über die sehr umstrittenen Revisionen der Unternehmenssteuern in den vergangenen Jahren (2017: USR III, 2019: STAF). Im Jahr 2020 stand hingegen zu den direkten Bundessteuern «nur» das Referendum gegen die steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten an, das deutlich weniger Aufmerksamkeit generierte. Hier hatte das Parlament das ursprüngliche Anliegen der Vorlage, den Drittbetreuungsabzug von CH 10'000 auf CHF 25'000 zu erhöhen, um eine Erhöhung des Kinderabzugs von CHF 6'500 auf CHF 10'000 ergänzt. Dagegen hatten SP und Grüne das Referendum ergriffen, weil sie die hohen Kosten dieser Massnahme, das fehlende Geld für andere Projekte und den einseitigen Nutzen der Erhöhung des Kinderabzugs für die Gutverdienenden kritisierten. Die Befürworterinnen und Befürworter der Änderung warben hingegen damit, dass die Vorlage Mittelstand und Familien entlaste. Mit 63.2 Prozent Nein-Stimmen lehnten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Änderung eher überraschend ab.
Daneben wurde im Themenbereich «Direkte Steuern» einmal mehr über die Abschaffung der Heiratsstrafe und damit verbunden über die Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» der CVP diskutiert. Nachdem das Bundesgericht die Abstimmung zur CVP-Initiative im April 2019 annulliert hatte, reichte das Initiativkomitee im Februar 2020 – auch auf Anraten von CVP-Präsident Gerhard Pfister – die von 14 der 15 Mitgliedern unterzeichnete Rückzugserklärung bei der Bundeskanzlei ein. Eine Beschwerde des Vereins Human Life, der sich mit Verweis auf ein Rechtsgutachten gegen den Rückzug wehrte, lehnte das Bundesgericht im Oktober 2020 ab.
Darüber hinaus bereinigte das Parlament das Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung finanzieller Sanktionen, welches entsprechend einer Motion Luginbühl (bdp, BE; Mo.14.3450) die Steuerabzüge von Bussen mit Strafzweck sowie von Bestechungszahlungen an Private und Aufwendungen zur Ermöglichung von Straftaten streichen wollte. Das Parlament entschied sich jedoch, vom Ausland verhängte Bussen weiterhin steuerlich abzugsfähig zu machen, sofern die Sanktionen gegen den schweizerischen Ordre public verstossen oder wenn das Unternehmen glaubhaft darlegen kann, dass es «alles Zumutbare unternommen hat, um sich [nach ausländischem Recht] rechtskonform zu verhalten».

Nicht zuletzt präsentierte der Bundesrat verschiedene neue Reformprojekte, unter anderem das Bundesgesetz über administrative Erleichterungen und die Entlastung des Bundeshaushalts, dessen Ziel die Entlastung des Bundeshaushalts durch verschiedene strukturelle Reformen in der Bundesverwaltung ist. Bereits ein erstes Mal im Parlament behandelt wurden das Bundesgesetz über elektronische Verfahren im Steuerbereich sowie die Botschaft zur Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern» der SP, welche der Bundesrat zuvor zur Ablehnung empfohlen hatte. Anträge auf Erarbeitung eines direkten Gegenentwurfs sowie auf Annahme der Initiative wurden abgelehnt. Auch im Bereich indirekte Steuern sorgte ein neues Initiativprojekt für einiges mediales Aufsehen, nämlich die Volksinitiative «Mikrosteuer auf dem bargeldlosen Zahlungsverkehr». Die Initiative will jede Belastung und Gutschrift des bargeldlosen Zahlungsverkehrs anfänglich mit 0.05 Promille belasten und dafür die Mehrwertsteuer, die direkte Bundessteuer sowie die Stempelabgabe abschaffen. Das Komitee begann im Februar 2020 mit der Unterschriftensammlung.

Ein Novum bei den Voranschlägen gab es Corona-bedingt im Jahr 2020 ebenfalls: Im November erarbeitete die FK-NR aufgrund einer parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 20.481) einen Übergangs- oder Notvoranschlag für das Jahr 2021. Dieser stützte sich auf die bundesrätliche Botschaft und die Mehrheitsentscheide der Kommissionen und sollte zur Anwendung kommen, falls das Parlament bis Ende Jahr kein Budget verabschieden konnte. Soweit kam es jedoch nicht: Nach langwierigen Debatten verabschiedeten National- und Ständerat Mitte Dezember den ordentlichen Voranschlag 2021.

Jahresrückblick 2020: Öffentliche Finanzen
Dossier: Jahresrückblick 2020

Noch bevor der Abstimmungskampf zur Änderung der direkten Bundessteuer zur steuerlichen Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten, über die im Mai 2020 hätte abgestimmt werden sollen, richtig begonnen hatte, gab der Bundesrat im März 2020 bekannt, die Abstimmung aufgrund des Corona-bedingten Lockdowns auf September 2020 zu verschieben.
Die Abstimmungsvorlage umfasste zwei Aspekte: einerseits die im Titel aufgeführte Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs von CH 10'000 auf CHF 25'000, andererseits die der Vorlage von der bürgerlichen Parlamentsmehrheit hinzugefügte Erhöhung des Kinderabzugs von CHF 6'500 auf CHF 10'000. Im Zentrum der Abstimmungskampagne stand der zweite Aspekt, die Erhöhung des Kinderabzugs, wobei dieselbe Frage die Diskussion dominierte, die schon im Rahmen der Parlamentsdebatte im Mittelpunkt gestanden hatte: Wer profitiert von den Kinderabzügen? Zur Beantwortung dieser Frage stützten sich beide Seiten auf die Daten der ESTV, welche Finanzminister Maurer in der Parlamentsdebatte präsentiert hatte.
Die Befürworterinnen und Befürworter stellten den Nutzen der Vorlage für den Mittelstand in den Mittelpunkt ihrer Kampagne. «Der Mittelstand profitiert», warb etwa die CVP auf ihrer Internetseite. Stütze man sich auf die Definition des BFS für «Mittelstand», erhalte der Mittelstand 49 Prozent der Ermässigungen, argumentierte Marianne Binder-Keller gegenüber dem Sonntagsblick. Gegen diese Darstellung wehrten sich die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage: Der (obere) Mittelstand profitiere zwar auch, in erster Linie nütze die Vorlage aber vor allem den Gutverdienenden, kritisierten sie: Je höher das Einkommen, desto grösser sei der Spareffekt. 70 Prozent der Gesamtentlastung kämen so den 15 Prozent der Familien mit den höchsten Löhnen zu, während 45 Prozent der Familien keine Entlastung erfahren würden, da sie keine Bundessteuern bezahlten. Gar als «Klientelpolitik» bezeichnete etwa das liberale Komitee, vor allem bestehend aus Mitgliedern der GLP, die Vorlage. Noch einseitiger sei die Verteilung schliesslich, wenn nicht nur die Familien, sondern alle Haushalte, also auch die Alleinstehenden und die kinderlosen Paare, die ja ebenfalls von den Steuerausfällen betroffen wären, berücksichtigt würden, betonte überdies Jacqueline Badran (sp, ZH). Berücksichtige man diese ebenfalls, profitierten lediglich sechs Prozent aller Haushalte von 70 Prozent der Steuerausfälle. Man lasse jedoch den Mittelstand im Glauben, dass er von der Vorlage profitiere, indem in der Debatte sowie im Abstimmungsbüchlein jeweils das steuerbare Einkommen aufgeführt werde. Dies sei «total irreführend» (Badran gemäss Blick), da niemand die Höhe seines persönlichen steuerbaren Einkommens kenne. Die ESTV begründete die Verwendung des steuerbaren Einkommens jedoch damit, dass sich der tatsächliche Steuerbetrag beim Bruttoeinkommen zwischen verschiedenen Personen stark unterscheiden könne.
Obwohl die Befürworterinnen und Befürworter immer betonten, dass die Mehrheit der Familien profitiere, gab zum Beispiel Philipp Kutter (cvp, ZH), der die Erhöhung der Kinderabzüge im Nationalrat eingebracht hatte, in einem Interview gegenüber der NZZ unumwunden zu, dass die Vorlage auch eine Steuersenkung für Gutverdienende beinhalte: Über den Steuertarif seien allgemeine Steuersenkung für Gutverdienende «chancenlos», mehrheitsfähig sei einzig der «Weg über die Kinderabzüge».

Nicht nur der Mittelstand, sondern auch die Familien standen im Zentrum der Vorlage. Diese müssten endlich unterstützt werden, betonte Philipp Kutter, was mithilfe der aktuellen Vorlage möglich sei: 60 Prozent aller Familien könnten von einer Erhöhung des Kinderabzugs profitieren. Dem entgegnete etwa die NZZ, dass die Familien in den letzten Jahren stark entlastet worden seien (v.a. durch die Reduktion der Bundessteuer für Haushalte mit Kindern), deutlich stärker zumindest als Kinderlose. Brigitte Häberli-Koller (cvp, TG) befürwortete indes insbesondere, dass durch die aktuelle Vorlage alle Familienmodelle unabhängig der Betreuungsform entlastet würden. Die Gesellschaft habe als Ganzes ein Interesse daran, dass die Leute Kinder bekommen, ergänzte Kutter. Familiäre Strukturen seien für die Gesellschaft wichtig, überdies sei man dadurch weniger auf Zuwanderung angewiesen, die ja ebenfalls teilweise auf Ablehnung stosse. Demgegenüber wurde in der NZZ die Frage diskutiert, ob Kinderabzüge überhaupt gerechtfertigt seien. So könne man es als private Konsumentscheidung ansehen, Kinder zu haben; in diesem Falle würden Kinderabzüge der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit widersprechen. Es gäbe aber einen politischen Konsens, dass das Steuerrecht Kinderkosten berücksichtigen solle. Die Entscheidung, wie diese Unterstützung erfolgen solle (durch degressiv wirkende Kinderabzüge, neutral wirkende Abzüge vom Steuerbetrag oder durch progressiv wirkende Kinderzulagen zum Erwerbseinkommen), sei dann eine weitere, umverteilungspolitische Entscheidung.

Ein weiteres Argument der Gegnerinnen und Gegner der Erhöhung des Kinderabzugs lag in den daraus folgenden hohen Kosten: Die Vorlage verursache voraussichtlich fast 40mal höhere Kosten, als für die Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs geplant worden war, und übertreffe damit auch die Kosten der medial deutlich umstritteneren Verlängerung des Vaterschaftsurlaubs. Dadurch sei zukünftig weniger Geld für andere, sinnvollere Projekte vorhanden, argumentierten sie. SP, Grüne und die Kritikerinnen und Kritiker der Vorlage aus der FDP stellten dabei insbesondere die Individualbesteuerung in den Mittelpunkt. Dieser sprachen sie eine deutlich grössere Wirkung auf die Erwerbstätigkeit von Frauen zu als den Drittbetreuungsabzügen. Da sie aber ebenfalls zu hohen Steuerausfällen führen würde, befürchteten sie, dass die Abschaffung der Heiratsstrafe bei Annahme der aktuellen Vorlage auf die lange Bank geschoben würde, weil kein Geld mehr vorhanden wäre. Verstärkt wurde dieses Argument durch die hohen Kosten zur Bewältigung der Corona-Pandemie: Hatte der Bundesrat während der Budgetdebatte fürs Jahr 2020 noch mit einem Überschuss von CHF 344 Mio. gerechnet, wurde jetzt ein Defizit über CHF 20 Mrd. erwartet. Die Medien vermuteten von diesem Defizit nicht nur Auswirkungen auf die Vorlage zum Drittbetreuungs- und zum Kinderabzug, sondern auch auf die gleichzeitig stattfindenden Abstimmungen zu den Kampfflugzeugen und über den Vaterschaftsurlaub. «Angesichts enormer Zusatzlasten kann sich unsere Gesellschaft erst recht keine Steuergeschenke mehr leisten, die nichts bringen», argumentierte etwa GLP-Nationalrat Thomas Brunner (glp, SG). Das sahen die Befürwortenden anders, Philipp Kutter etwa betonte: «Das wird den Bund nicht umbringen».

Schliesslich waren sich Befürwortende und Gegnerschaft nicht einig, inwiefern das ursprüngliche Ziel der Vorlage, die Förderung der Beschäftigung hochgebildeter Personen, insbesondere von Frauen, durch die Ergänzung der Kinderabzüge gefördert wird. Raphaela Birrer argumentierte im Tages-Anzeiger, dass die Erhöhung der Kinderabzüge die Anreize zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit verstärke. In einer Studie zur Wirkung der beiden Abzüge (Kinderabzug und Drittbetreuungsabzug) auf die Erwerbstätigkeit bestätigte Avenir Suisse diesen Effekt nur bedingt: Zwar senkten beide Abzüge den Grenzsteuersatz (also die Besteuerung von zusätzlichem Einkommen) und förderten damit die Erwerbstätigkeit, jedoch sei der entsprechende Effekt des Kinderabzugs gering. Zudem senke er auch den Grenzsteuersatz von Einverdienerhaushalten, wodurch die Erwerbstätigkeit von Frauen nicht gesteigert werde. Von der Erhöhung des Betreuungskostenabzugs sei hingegen ein deutlich stärkerer Effekt auf die Erwerbstätigkeit zu erwarten, damit könne der Anreiz des aktuellen Steuersystems für Zweitverdienende, nicht oder nur wenig zu arbeiten, gemildert werden. Die GLP stellte entsprechend insbesondere diesen Aspekt in den Mittelpunkt und sprach von einer Mogelpackung, weil die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch die Erhöhung des Kinderabzugs nicht verbessert werde. Nationalrätin Christa Markwalder (fdp, BE), die sich ebenfalls im liberalen Komitee engagierte, reichte im Juni 2020 eine parlamentarische Initiative (Pa.Iv. 20.455) ein, mit der sie das Originalanliegen der Vorlage, also den Drittbetreuungsabzug, erneut aufnahm. Damit sollte dieser bei einer Ablehnung der Vorlage möglichst schnell verwirklicht werden können.
Die Frage, ob die Vorlage Anreize zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit beinhalte oder nicht, hatte aber noch eine zweite Komponente. So störte sich die Weltwoche überhaupt daran, dass das Steuerrecht «für alle möglichen Zwecke instrumentalisiert» werde. Es sei nicht dafür da, «bestimmte Lebensmodelle zu fördern», argumentierte Katharina Fontana. Zudem sei es unmöglich, Steuergerechtigkeit herzustellen, zumal sich niemand jemals gerecht besteuert fühle.

Bezüglich der Komitees gibt es weniger zu sagen. Auf der Befürworterseite der Vorlage standen insbesondere die CVP und die SVP. Ja-Parolen gaben auch die BDP, EVP und die FDP.Liberalen aus, unterstützt wurden sie vom Gewerbeverband. Die Medien interessierten sich indes insbesondere für die Position der Freisinnigen, zumal sie die Vorlage im Parlament anfangs bekämpft, ihr mit ihrem Meinungswandel dann aber zum Durchbruch verholfen hatten. Nun wolle sich die Partei nicht an der Kampagne beteiligen, so die WOZ, zumal sie intern gespalten war: Einzelne Personen, darunter Ständerat Andrea Caroni (fdp, AR) und Nationalrätin Christa Markwalder, sprachen sich gegen die Vorlage aus und beteiligten sich gar am liberalen Nein-Komitee. Dieses setzte sich insbesondere aus Mitgliedern der GLP zusammen und kämpfte vor allem dagegen, dass die «Mogelpackung» viel koste, aber keine oder gar negative Auswirkungen hätte. Damit würden «keine Anreize für arbeitstätige Elternteile geschaffen», betonte Kathrin Bertschy (glp, BE). Auf linker Seite kämpften vor allem die SP und die Grünen, welche die Unterschriften für das Referendum gesammelt hatten, für ein Nein. Unterstützt wurden sie von den Gewerkschaften, aber auch Avenir Suisse sprach sich gegen die Kinderabzüge aus. Stimmfreigabe erteilten hingegen unter anderem die FDP Frauen. Sie befürworteten zwar den Drittbetreuungsabzug, störten sich aber an den hohen Kosten des Kinderabzugs, durch den das wichtigere Projekt der Individualbesteuerung weiter hinausgeschoben werde. Auch der Arbeitgeberverband entschied sich für Stimmfreigabe, nachdem er das Projekt im Parlament noch bekämpft hatte, da es «kaum zu einer stärkeren Arbeitstätigkeit der Eltern beitrage», wie der Blick berichtete. Dasselbe geschah mit Economiesuisse, der das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Vorlage anfangs zu wenig ausgewogen gewesen sei. Der Sonntags-Blick vermutete, dass sich die Verbände nicht zu einer Nein-Parole hätten durchringen können, da das Referendum «aus dem falschen politischen Lager» stammte. Interessant war für die Medien schliesslich auch die Position des Bundesrates, insbesondere von Finanzminister Maurer. Dieser hatte die Vorlage im Parlament mit deutlichen Worten bekämpft, vertrat nun aber – wie im Gesetz für politische Rechte geregelt – die Position des Parlaments. Ersteres hatte er so gut getan, dass sich auch die NZZ nicht sicher war, ob er denn nun die Vorlage persönlich befürworte, wie seine Partei, oder sie ablehne.

Der Abstimmungskampf zur Vorlage verlief ungemein schwach. So stand sie deutlich im Schatten der Corona-Pandemie sowie der anderen vier Vorlagen. Sie wurde gemäss Analysen vom Fög und von Année Politique Suisse einerseits nur sehr schwach in Zeitungsinseraten beworben und andererseits auch in den Medien vergleichsweise selten thematisiert. Die briefliche Stimmabgabe deutete anfänglich auf mässiges Interesse am Super-Sonntag hin, wie der Abstimmungstag mit fünf Vorlagen in den Medien genannt wurde. Die SP schaltete sieben kurze Animationsfilme und gab ein Comic-Heftchen zu den Filmen aus, um zu verhindern, dass die Vorlage untergeht. Die ersten Vorumfragen Mitte August 2020 zeigten dann auch, dass die Meinungsbildung zur Vorlage noch nicht weit fortgeschritten war. Auf diese Tatsache wurde in den entsprechenden Berichten das Zwischenergebnis, wonach die Sympathisierenden von SP und Grünen die Vorlage mehrheitlich befürworteten, zurückgeführt. Besserverdienende gaben zu diesem Zeitpunkt an, der Vorlage eher zuzustimmen. Christian Levrat (sp, FR) hoffte, diese Personen durch die Kampagne noch umstimmen zu können. Die erste Tamedia-Umfrage ergab insgesamt eine Zustimmung («dafür» oder «eher dafür») von 55 Prozent und eine Ablehnung von 37 Prozent, während die SRG-Vorumfrage mit 51 Prozent zu 43 Prozent zu ähnlichen Ergebnissen kam. Diese Zahlen kehrten sich bis zum Termin der letzten Welle Mitte September um: Die Tamedia-Umfrage ergab eine Zustimmung von 46 Prozent und eine Ablehnung von 51 Prozent, die SRG-Umfrage eine von 43 Prozent zu 52 Prozent. Bei den Sympathisierenden von SP und Grünen war die Zustimmung vom ersten zum zweiten Termin gemäss SRG-Umfragen um 19 respektive 14 Prozentpunkte gesunken, bei den Sympathisierenden der GLP ebenfalls um 12 Prozentpunkte. Bei den übrigen Parteien nahm sie ebenfalls leicht ab.

Das Resultat der Abstimmung zur Änderung der direkten Bundessteuer über die steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten war schliesslich deutlicher, als die Vorumfragen und die Ausgangslage viele Kommentatorinnen und Kommentatoren hatten vermuten lassen: Mit 63.2 Prozent Nein-Stimmen lehnte das Stimmvolk die Vorlage mit einer vergleichsweise hohen Stimmbeteiligung von 59.2 Prozent deutlich ab. Dieses Nein lasse jedoch einigen Interpretationsspielraum, betonten die Medien. So gab es zwischen den Kantonen doch beträchtliche Unterschiede: Am kritischsten zeigte sich die Stimmbevölkerung im Kanton Appenzell-Ausserrhoden (28.1%), gefolgt von denjenigen in Appenzell-Innerrhoden (29.3%) und Bern (29.5%), am höchsten lag die Zustimmung im Tessin (52.0%) und in Genf (50.1%), beide Kantonsbevölkerungen hätten die Vorlage angenommen. Allgemein wurde gemäss BFS ersichtlich, dass die italienischsprachige (52.0%) und die französischsprachige Schweiz (48.5%) der Vorlage deutlich mehr abgewinnen konnten als die Deutschschweiz. Kaum Unterschiede waren zwischen Stadt und Land erkennbar: Die ländlichen Regionen (35.3%) lehnten die Vorlage ähnlich stark ab wie die Kernstädte (35.8%). Das Resultat könne nicht mit dem Links-Rechts-Schema erklärt werden, betonte die NZZ. Stattdessen seien vor allem die persönliche Einstellung zur Familienpolitik und zur Rolle des Staates relevant gewesen. Die externe Kinderbetreuung würde in der Romandie stärker akzeptiert und durch den Staat stärker unterstützt als in der Deutschschweiz, betonte denn auch CVP-Ständerätin Marianne Maret (cvp, VS) gegenüber der NZZ. Entsprechend habe in der Westschweiz vor allem der Drittbetreuungsabzug im Mittelpunkt gestanden, während in der Deutschschweiz hauptsächlich über den Kinderabzug diskutiert worden sei, stellte SP-Nationalrätin Franziska Roth (sp, SO) fest. Eine zu späte Kampagne in der Romandie machte schliesslich SP-Nationalrat Roger Nordmann für den hohen Anteil Ja-Stimmen in der französischsprachigen Schweiz verantwortlich. Christian Levrat erachtete das Ergebnis insgesamt als Absage des Volkes an die bürgerliche Steuerpolitik und als Ausblick auf andere bürgerliche Projekte zur Abschaffung der Stempelabgabe, der Industriezölle, des Eigenmietwerts oder der Heiratsstrafe. Stattdessen müssten nun Familien mit tiefen und mittleren Einkommen entlastet werden, insbesondere durch die Senkung der Krankenkassenprämien und die kostenlose Bereitstellung von Kita-Plätzen. Philipp Kutter wollte die Entlastung von Familien weiterverfolgen und plante anstelle des Kinderabzugs einen Abzug vom Steuerbetrag. Dass neben der Erhöhung des Kinderabzugs auch die Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs gescheitert war, erachtete Christa Markwalder nicht als entmutigend und setzte auf ihre eingereichte parlamentarische Initiative. Anders als bei der ersten Behandlung des Themas im Nationalrat, als sich die SP- und die Grüne-Fraktion gegen Eintreten ausgesprochen hatten, kündigte Christian Levrat an, die parlamentarische Initiative zu unterstützen. Dies sei aber nur ein erster Schritt, zusätzlich brauche es auch Lösungen, die sich für die Mehrheit der Bevölkerung auszahlten.


Abstimmung vom 27. September 2020

Beteiligung: 59.2%
Ja: 1'164'415 (36.8%)
Nein: 2'003'179 (63.2%)

Parolen:
- Ja: BDP (1*), CVP, EVP (1*), FDP (1*), SVP; SGV
- Nein: EDU, GLP (1*), GPS, PdA, SD, SP; SGB, SSV, Travail.Suisse, VPOD
- Stimmfreigabe: Economiesuisse, SAV
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten

Eigentlich hätte die Stimmbevölkerung am 17. Mai 2020 über drei Vorlagen abstimmen sollen. Allerdings beschloss der Bundesrat am 18. März angesichts der Covid-Pandemie, die Abstimmungen über die Begrenzungsinitiative, das Jagdgesetz und die Erhöhung der Kinderabzüge zu verschieben. In ihrer Medienmitteilung begründete die Regierung ihren Entscheid mit der erschwerten Meinungsbildung und der nicht sicher zu gewährleistenden Abstimmungsorganisation. Aufgrund des Versammlungsverbots könnten ferner auch keine Informations- und Publikumsveranstaltungen stattfinden. Neben der Absage der Urnengänge empfahl der Bundesrat den Kantonen, Gemeindeversammlungen zu verbieten. Zudem kündigte er eine Verordnung für einen Fristenstillstand an.
In den Medien wurde der Entscheid mehrheitlich begrüsst. Auch die SVP, die mit der Kampagne für ihre Begrenzungsinitiative bereits begonnen hatte, stand hinter dem Entscheid des Bundesrats. Die Menschen hätten jetzt andere Probleme, gab Thomas Aeschi (svp, ZG) der Aargauer Zeitung zu Protokoll. Für den Entscheid habe man Verständnis, gab Eric Nussbaumer (sp, BL) die Befindlichkeiten in der SP zum Ausdruck, es sei allerdings demokratiepolitisch heikel, wenn neben dem Parlament nun auch die Stimmbevölkerung keine politischen Rechte mehr ausübe. Man hätte sich auch angesichts der schleppenden Verhandlungen mit der EU eine raschere Klärung bei der Begrenzungsinitiative gewünscht, präzisierte Christian Levrat (sp, FR) in Le Temps.
In den Medien wurden zudem vergleichbare Situationen gesucht. Selbst während der beiden Weltkriege und der spanischen Grippe 1918 sei es nicht zu Verschiebungen von Urnengängen gekommen, wohl aber 1951, als es die Maul- und Klauenseuche an vielen Orten verunmöglicht habe, den Urnengang durchzuführen.
Verschiedene Kantone gingen derweil unterschiedlich mit der Corona-Situation um. Im Kanton Schwyz wurden kantonale und im Kanton Luzern Ende März noch lokale Wahlen durchgeführt. Rund 90 Prozent der Bevölkerung würde sowieso brieflich abstimmen; einzig die Auszählung würde wohl länger dauern – so die Behörden. Eine Verschiebung sei angesichts der weit fortgeschrittenen Meinungsbildung aber nicht angebracht. Im Kanton Tessin hingegen, der stark unter der Pandemie litt, wurden die kommunalen Wahlen von Anfang April verschoben. Die zweiten Wahlgänge der lokalen Wahlen in Genf wiederum fanden statt – allerdings ohne Urne. Wer nicht brieflich stimmen konnte, durfte seinen Wahlzettel Dorfpolizisten übergeben, die diese auf Anfrage abholten.

Ende April entschied der Bundesrat dann, die drei Vorlagen auf den Abstimmungstermin vom 27. September 2020 zu verlegen, an dem auch über die Beschaffung der neuen Kampfjets und über den Vaterschaftsurlaub abgestimmt werden sollte. Die Medien sprachen in der Folge aufgrund der fünf nationalen Abstimmungen von einem «Supersonntag».

Volksabstimmungen vom Mai 2020 verschoben

Wie angekündigt begann die SP kurze Zeit nach der parlamentarischen Schlussberatung mit der Unterschriftensammlung für das Referendum gegen die Erhöhung des Kinderabzugs. Die Partei wehrte sich dagegen, dass zukünftig CHF 10'000 statt wie bisher CHF 6'500 pro Kind von den Steuern abgezogen werden können. Von diesem «Reichenbonus» würden Alleinerziehende respektive Eltern mit zwei Kindern erst ab einem Jahreseinkommen von CHF 100'000 respektive CHF 120'000 profitieren, den Maximalbetrag erreiche man erst ab CHF 200'000 respektive 300'000, betonten Exponentinnen und Exponenten der Partei. Bei einem Jahreseinkommen von CHF 100'000 zahle man jährlich CHF 90 bis 210 weniger Steuern, bei einem Einkommen von CHF 150'000 CHF 168 bis 490 weniger und ab einem Einkommen von CHF 200'000 CHF 910. So kämen entsprechend 70 Prozent der Entlastung den 15 Prozent der Familien mit den höchsten Einkommen zu Gute. «Die, die jetzt entlastet werden, merken nicht einmal, dass sie entlastet werden», kritisierte etwa Anita Fetz (sp, BS) die Massnahme. Stattdessen könnten für dieselben Kosten von CHF 350 Mio. die Prämienverbilligungen um über 10 Prozent aufgestockt werden. Dieser Kritik hatte Finanzminister Maurer in der Parlamentsdebatte beigepflichtet: 85 Prozent aller Familien würden kaum oder gar nicht von der Änderung profitieren. «Das ist eine Steuerentlastung für höhere Einkommen. Das kann man wollen, aber dann darf man das nicht als Familienvorlage verkaufen», betonte er. Diese Kritik liess Beat Walti (fdp, ZH) gegenüber der NZZ nicht gelten: Zwar profitierten die Familien von Gutverdienenden von dieser Änderung, sie bezahlten aber auch den Grossteil der Steuern – 44 Prozent der Familien mit Kindern bezahlen keine Bundessteuer – und trügen dadurch eine erhebliche Abgabenlast mit einer Grenzbelastung gegen 50 Prozent. Wenn man schon die Progression nicht ändern könne, müsse man halt die Abzüge erhöhen.
Mit dem Hauptargument des «Reichenbonus» machte sich die SP Schweiz zusammen mit den Grünen an die Unterschriftensammlung. Unterstützt wurden sie gemäss Medien ab Ende November von einem liberalen Nein-Komitee – hauptsächlich bestehend aus Mitgliedern der GLP und einzelnen Jungfreisinnigen. Dieses kritisierte die Erhöhung des Kinderabzugs als «Herdprämie» oder als «Konkubinatsstrafe». Ursprünglich habe die Vorlage dazu gedient, die Arbeitsanreize für gutverdienende Frauen zu erhöhen. Dadurch dass nun die Kinderabzüge aber für alle Familien erhöht würden, würden die Arbeitsanreize von Frauen mit mehreren Kindern verringert, kritisierte etwa Kathrin Bertschy (glp, BE) die Änderung. Durch die Unterstützung von Einverdiener-Haushalten – neben anderen Haushaltsformen – würde auch ein konservatives Familienbild gestärkt. Unterstützung erhielten die Referendumsführenden dabei auch von Avenir Suisse. Deren Forschungsleiter Marco Salvi betonte gegenüber der Presse, dass ein Zielkonflikt zwischen finanzieller Entlastung der Familien und Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bestehe und diese Vorlage nur wenig zur Stärkung der Vereinbarkeit beitrage – und allenfalls sogar kontraproduktiv sei. Die Experten der Steuerverwaltung erwarteten gemäss Medien aufgrund sich gegenseitig aufhebender Effekte auch «keinen nennenswerten Einfluss» auf die Arbeitsanreize von Zweitverdienenden.
Zwar zeigten sich auch die Kantone nicht erfreut über die Vorlage, zumal sie diese CHF 70 Mio. pro Jahr kosten würde, ohne dass sie zuvor in einer Vernehmlassung die Möglichkeit gehabt hätten, ihre Meinung zu der Erhöhung der Kinderabzüge kundzutun. Dennoch wollten sie sich nicht an einem Referendum beteiligen.

Am 14. Januar 2020 reichte die SP nach eigenen Angaben 60'000 beglaubigte Unterschriften ein, was die NZZ als «Machtdemonstration» der Partei verstand, die «scheinbar mühelos» ein Referendum zustandegebracht habe. Parteipräsiedent Levrat (sp, FR) betonte denn auch gegenüber dem Blick, dass man das Referendum aus eigener Kraft zustande gebracht habe. Ende Januar bestätigte die Bundeskanzlei das Zustandekommen des Referendums mit 53'088 gültigen Unterschriften.

Steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten

Die SP muste bei den Nationalratswahlen 2019 eine Niederlage einstecken und erreichte – gemäss verschiedenen Zeitungen – die tiefste Parteistärke auf nationaler Ebene seit Einführung des Proporzwalhrechts 1919. Die Partei verzeichnete in den Nationalratswahlen 2019 einen Stimmenanteil von 16.8 Prozent. In der Tat war dies das schlechteste Ergebnis der Partei seit 1919. Seit 2007 erreichten die Sozialdemokraten stets eine Parteistärke von ca. 18/19 Prozent. Die SP verlor im Vergleich zu 2015 zwei Prozentpunkte und vier Sitze (neu: 39 Sitze), blieb aber trotzdem die zweitstärkste Partei im Nationalrat nach der SVP.
Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR) zeigte sich nicht zufrieden über das Resultat – wie er gegenüber der Presse betonte. Er erklärte den Rückgang damit, dass die SP einen Teil ihrer Wähler und Wählerinnen an die Grünen verloren habe. Weil diese Personen ein starkes Signal für die Umwelt hätten setzen wollen, hätten sie trotz ähnlicher Positionen die Grünen statt der SP gewählt, da die Grünen das «grün» bereits im Namen hätten. Die SP sei somit von der Grünen Welle überrollt worden. Diese Begründung teilte auch Priska Seiler Graf (sp, ZH) – Co-Präsidentin der SP Zürich. Daniel Jositsch (sp, ZH) hingegen führte die Verluste auf die Vernachlässigung sozialliberaler Positionen und die Aufgabe der Rolle als europapolitische Partei zurück. Juso-Parteipräsidentin Ronja Jansen (BL, sp) äusserte schliesslich in der Presse fundamentale Kritik an der Parteiposition und unterstrich, dass die SP zu stark in die Mitte gerückt sei und die Menschen mit einer «lauwarmen Politik der Kompromisse» nicht begeistern könne.
Als Reaktion auf die Niederlage berichteten die Medien über einen möglichen Rücktritt von Parteipräsident Levrat und spekulierten, dass dieser sein Amt im April 2020 – nach 12 Jahren – wohl abgeben werde. Levrat kommentierte diese Gerüche über seinen Rücktritt in einem Interview im SonntagsBlick und betonte nur, dass die Partei diese Frage ohne Zeitdruck diskutieren werde.

Resultate der SP bei den Nationalratswahlen

Im Konkordanzsystem Schweiz mangelt es – anders etwa als in einem System mit einem Präsidenten – an Köpfen, mit denen man aufgrund der zunehmenden Personalisierung Medienberichte besser verkaufen kann. Es verwundert deshalb nicht, dass sich die Medien für einzelne Exekutivmitglieder interessieren sowie gerne und häufig auch Spekulationen über Rücktritte und mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger amtierender Bundesrätinnen und Bundesräte anstellen. Dies taten sie auch bereits kurz nach der Wahl des neuen Bundesrates Cassis: Schliesslich ist nach der Wahl auch für das Regierungskollegium immer auch vor der Wahl.
In der Tat hatte Doris Leuthard ja bereits im Sommer 2017 ihren Rücktritt auf spätestens Ende der Legislatur im Herbst 2019 angekündigt. Dies war eine Steilvorlage für die Medien, die insbesondere den Umstand thematisierten, dass mit dem Rücktritt der Aargauerin nur noch eine Frau, nämlich Simonetta Sommaruga, in der Regierung sässe und die CVP deshalb gut daran täte, Frauen als mögliche Kandidatinnen aufzubauen – häufig genannt wurden die Ambitionen von Viola Amherd (cvp, VS). Freilich standen bei den Christdemokraten auch einige Männer in den Startlöchern: In den Medien kursierten insbesondere die Namen von Parteipräsident Gerhard Pfister (cvp, ZG), der Ständeräte Konrad Graber (cvp, LU) und Pirmin Bischof (cvp, SO), aber auch Benedikt Würth (SG, cvp), Regierungsrat des Kantons St. Gallen, und Bundeskanzler Walter Thurnherr wurden als Kandidaten gehandelt. Der Bundeskanzler winkte jedoch relativ rasch ab und auch Parteipräsident Pfister zog sich mit dem Argument zurück, einen Austausch im Präsidium kurz vor den Wahlen vermeiden zu wollen. Auch Konrad Graber nahm sich mit seiner Ende August gemachten Ankündigung, bei den eidgenössischen Wahlen 2019 nicht mehr antreten zu wollen, aus dem Rennen.
Ende April 2018 gab dann auch Johann Schneider-Ammann bekannt, dass er keine weitere Legislatur mehr anstrebe. Neben der Forderung, dass auch die FDP nun ein Frauenticket aufstellen müsse, wurde mit der Ankündigung des Berner Magistraten auch die Diskussion um einen konzertierten Doppel- (zusammen mit Leuthard) oder gar Dreierrücktritt (zusammen mit Ueli Maurer) angestossen. Das Parlament müsse eine möglichst grosse Auswahl haben, damit eine genügend grosse Frauenvertretung gesichert sei, lautete der Tenor in den Medien. Auch das Kandidatenkarussell für die Nachfolge des Berner Magistraten begann sich rasch zu drehen. Neben Karin Keller-Sutter (fdp, SG), die bei der Wahl Schneider-Ammanns 2010 noch unterlegen war, brachten die Medien Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ), die Ständeräte Andrea Caroni (fdp, AR), Martin Schmid (fdp, GR) und Ruedi Noser (fdp, ZH) sowie Nationalrat Beat Walti (fdp, ZH) ins Spiel. Auch beim Freisinn zogen sich einige potenzielle Papabili allerdings bereits vor dem definitiven Rücktritt Schneider-Ammans zurück. So gab Petra Gössi etwa zu Protokoll, ihrer Partei eine Kandidatur nicht zumuten zu wollen. Mit dem Namen Keller-Sutter wurde in den Medien häufig auch der Anspruch der Zentral- und Ostschweiz auf einen Bundesratssitz zur Sprache gebracht.
Rücktrittspotenzial sahen die Medien schliesslich auch bei Ueli Maurer, bei dem sie vermuteten, dass er mit 67 Jahren und nach zehn Jahren im Amt bald genug haben könnte. Von verschiedener Seite wurde Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR) als mögliche Nachfolgerin ins Spiel gebracht, die in mehreren Interviews ihre Bereitschaft signalisierte. Hierfür kam aber wenig später ein Dementi von der SVP-Spitze – Vater Christoph Blocher gab zu Protokoll, dass er seine Tochter nicht in das «Gefängnis» Landesregierung stecken wolle. Maurer selber gab in einem Interview zu Protokoll, dass er auf das Ende einer Legislatur zurücktreten werde – ob 2023, 2027 oder 2031 sei noch offen.
Ein vorläufiges Ende nahm zumindest ein Teil der Spekulationen Mitte September, als sowohl Johann Schneider-Ammann als auch Doris Leuthard ihren Rücktritt auf Ende 2018 bekannt gaben. In der Tat gilt die Herbstsession ein Jahr vor den Wahlen als idealer Zeitpunkt für einen Rücktritt vor Ende einer Legislatur, weil so Ersatzwahlen noch vor Ende eines Jahres stattfinden können. Rücktritte in einem Wahljahr selber gelten eher als unschicklich. Freilich war laut Aussage von Doris Leuthard der Doppelrücktritt vorher nicht abgesprochen worden; Schneider-Ammann habe immer davon gesprochen, erst auf Ende Legislatur 2019 zurückzutreten. In den Medien wurde das Vorpreschen des FDP-Bundesrats – er hatte seinen Rücktritt zwei Tage vor Doris Leuthard der Presse verkündet – als geplanter Mediencoup gewertet.

Spekulationen Rücktritt Bundesräte nach der Wahl von Cassis

Si, pour le Conseil fédéral, le projet d'accord-cadre avec l'UE est en grande partie favorable à la Suisse et conforme au mandat de négociation, il juge également prématuré de procéder à sa signature, et ce notamment en raison de questions relatives aux mesures d'accompagnement ou à la directive sur le droit des citoyens de l'UE qui demeurent sans réponse. L'exécutif national a donc annoncé, au début du mois de décembre 2018, son intention de soumettre le texte de l’accord institutionnel à consultation auprès d'acteurs politiques et économiques. Dans le contexte de la libre circulation des personnes, le Conseil fédéral estime en effet insuffisants les trois types de mesures d'accompagnement garantis par le texte de l'accord – délai d’annonce préalable fixé à quatre jours ouvrables dans les secteurs à risques, dépôt d’une garantie financière proportionnée pour les prestataires de service n’ayant pas respecté leurs obligations financières et demande de documents aux prestataires de services indépendants également basée sur les risques. Autre point de litige, la Suisse souhaite que l'accord mentionne de façon explicite l'exception à la reprise de la directive relative au droit des citoyens, alors que l'UE penche pour la reprise de ladite directive à l'échelle helvétique. Dans son communiqué de presse, la Direction des affaires européennes (DAE) précise que le champ d'application de l'accord négocié concerne les cinq accords d'accès au marché relatifs à la libre circulation des personnes, aux transports terrestres, au transport aérien, aux obstacles techniques au commerce (ARM) et à l’agriculture, ainsi que les futurs accords d’accès au marché, à l'exemple de l’accord sur l’électricité en discussion. Sous réserve de certaines exceptions, une reprise automatique du droit européen n'est pas envisagée. Tout développement du droit de l'UE fera ainsi «l’objet d’une décision indépendante de la Suisse dans le plein respect de ses procédures législatives». En ce qui concerne le règlement des différends, le texte soumis à consultation ne prévoit aucunement la mise en place d'une institution supranationale, mais envisage plutôt «un mécanisme de règlement des différends basé sur un tribunal arbitral paritaire».
«Berne joue la montre avec l'Union européenne», titre la Tribune de Genève au lendemain de l'annonce du Conseil fédéral, se demandant si la consultation en question ne s'apparente pas à un «exercice alibi», tant et si bien qu'en l'état, l'accord constitutionnel négocié avec l'UE ne recueille les faveurs ni du PS, ni de l'UDC. Selon le quotidien genevois, la décision du Conseil fédéral présente toutefois des points positifs: les nouvelles conseillères fédérales Karin Keller-Sutter et Viola Amherd prendront notamment part au verdict final, et si votation il devait y avoir, celle-ci se tiendrait après les élections fédérales d'automne 2019. La presse helvétique s'interroge également sur la réaction du voisin européen et des éventuelles représailles, à l'exemple de l'équivalence boursière que la Suisse pourrait ne pas obtenir. «Nous ne sommes pas sous pression!», a rétorqué le ministre des Finances Ueli Maurer en conférence de presse. Néanmoins, le Conseil fédéral a une fois de plus fait savoir que la Suisse remplit intégralement les conditions exigées pour la reconnaissance de l’équivalence boursière suisse selon MIFIR 23, tout en appelant à une avancée dans ce sens de la part de l'Union européenne.

Le Conseil fédéral décide de lancer des consultations sur le texte de l’accord institutionnel
Dossier: Institutionelles Rahmenabkommen

Gleich mehrere Medien berichteten in diesem Jahr über die politischen Gräben der Schweiz. So widmete die NZZ dem Stadt-Land-Graben eine eigene Serie, aber auch von einer «Wiedergeburt des Röstigrabens» war die Rede: Weil angeblich nur ein Drittel der Deutschschweizer jährlich in die Romandie reisen, wird in einem Kommentar in der Aargauer Zeitung, wenn auch nicht ganz ohne Ironie, mit der Überlegung gespielt, ob die deutschschweizerische Bevölkerung die Küste Thailands besser kenne als die Riviera des Lac Léman. Mit zunehmender zeitlicher Distanz zur EWR-Abstimmung, so die Aargauer Zeitung weiter, schien sich der Röstigraben zwar zu verkleinern, vergangene Abstimmungen wie die Initiative gegen Masseneinwanderung hätten jedoch gezeigt, dass die Deutschschweizer und die Romands etwa in Migrationsfragen weiterhin unterschiedlicher Ansicht seien.
Einen allgemeineren Blick auf die unterschiedlichen politischen Einstellungen der Einwohnerinnen und Einwohner der Deutschschweiz und der Romandie warf die NZZ. Dass die Linke in der Romandie insgesamt stärker sei, habe damit zu tun, dass dort der Anti-Kommunismus während dem Kalten Krieg weniger stark ausgeprägt gewesen sei, erklärte sie. Auch seien in der Deutschschweiz der Nationalmythos um Wilhelm Tell und die Legende der Eidgenossenschaft wegen ihres direkten Bezugs zur Region populärer und könnten von Parteien wie der SVP eher als Politikum aufgegriffen werden.
Auch der Stadt-Land-Graben wurde in den Medien thematisiert. Die NZZ erachtete es als nicht verwunderlich, dass die Deutschschweizer Städte fast durchgehend rot-grüne Regierungen aufwiesen, während die SVP in den Kantonsparlamenten besonders stark vertreten sei. Denn die SVP, so die NZZ weiter, politisiere am urbanen Lifestyle vorbei, während die SP mit ihrem Programm zu wenig Rücksicht auf die ländliche Bevölkerung nehme. Auch fehlten heute vermehrt die Brückenbauer zwischen den Regionen. Ein Grund für das Erstarken der rot-grünen Politik in den Städten sei beispielsweise die Bewältigung der dortigen Verkehrs-, Drogen- und Wohnungsprobleme respektive das diesbezügliche Scheitern der bürgerlichen Parteien in den 1990er-Jahren. Hinzu kämen laut Daniel Kübler, Professor für Demokratieforschung, heute ausgeprägt städtisch-linke Themen wie die externe Kinderbetreuung in Kindertagesstätten, welche wie auch der Umweltschutz oder die Sozialpolitik auf dem Land eher weniger stark gewichtet würden. Ebenfalls ein heisses Thema im Spannungsfeld zwischen Stadt und Land war in den Medien die Zuwanderung: In Städten, hielt die NZZ fest, sei man demnach dem «Fremden» gegenüber weniger misstrauisch eingestellt als auf dem Land, da in urbanen Regionen durch engeren Kontakt mit Migranten Vorurteile oder Ängste eher abgebaut werden können.
Betrachte man die Stadt-Land-Gräben schweizweit im Vergleich zwischen den Sprachregionen, seien gemäss NZZ zwischen städtischen und ländlichen Gebieten in der Romandie weniger frappante Unterschiede auszumachen als in der Deutschschweiz. Zurückzuführen sei dies beispielsweise auf den industriellen Charakter des Jurabogens, wo die ländliche Infrastruktur bereits früh städtisch geprägt worden sei und Gewerkschaften mehr Einfluss erlangten als in der Deutschschweiz. Kleiner als in der Romandie und dem Tessin, führte der Professor für Politikwissenschaft Markus Freitag in der NZZ aus, sei hingegen die Stadt-Land-Kluft in der Deutschschweiz in Bezug auf das Vertrauen in föderale Institutionen. Dieses sei allgemein im deutschsprachigen Raum durchgehend höher als in der lateinischen Schweiz, wo man wie etwa im Tessin dem Bundesrat eher misstraue oder ihm eher mit Unbehagen begegne.

Sorge bereiteten die verschiedenen Gräben etwa dem SP-Präsidenten Christian Levrat (sp, FR), welcher in einem Interview in der NZZ zu Protokoll gab, dass die Spaltungen keine positive Entwicklung seien, da sich die geografischen Unterschiede auch politisch äusserten und schlecht für den Zusammenhalt des Landes seien. Auch im Tagesanzeiger war man der Meinung, für die Schweiz werde es ungemütlich, wenn dieser Trend anhalte. Etwas weniger dramatisch sah die Situation derweil Markus Freitag in der NZZ: Zumindest auf den Stadt-Land-Graben bezogen fielen nämlich die Unterschiede weniger frappant aus, wenn die Agglomeration, wo vorwiegend bürgerlich-liberale Politik gemacht werde, als separate Region berücksichtigt werde. Zwar bleibe die Stadt rot-grün und das Land konservativ, Wertekonflikte schwächten sich aber eher ab, da die politischen Meinungsgrenzen durch diese zusätzliche Abstufung fliessender verliefen. Wie bereits 2012 vom BFS festgehalten worden war, lebten nämlich unterdessen fast drei Viertel der Bevölkerung in einem Agglomerationsgebiet.

Politischen Gräben in der Schweiz
Dossier: Politischen Gräben in der Schweiz

Noch in der Herbstsession 2018 bereinigten die Räte den AHV-Steuer-Deal. Die WAK-SR beantragte der kleinen Kammer, alle Änderungen des Nationalrats anzunehmen. Bezüglich des Kapitaleinlageprinzips (KEP) hatte die WAK-NR über den Sommer zahlreiche Abklärungen getroffen, um die der Ständerat gebeten hatte, und nun entsprechende formelle Verbesserungen vorgenommen. Auch die beiden inhaltlichen Änderungen zum KEP hiess die ständerätliche Kommission gut und der Ständerat akzeptierte sie stillschweigend. Umstrittener war hingegen die Änderung des Nationalrats bezüglich der Gemeinden. Auch hier sehe die WAK-SR keine Schwierigkeiten, zumal den einzelnen Gemeinden daraus kein Rechtsanspruch entstehe, erklärte Pirmin Bischof (cvp, SO). Gemäss Bundesrat Maurer habe die entsprechende Formulierung bei den Kantonsvertreterinnen und -vertretern zudem «nicht viel mehr als ein Achselzucken» ausgelöst. Der Finanzminister erwartete daher diesbezüglich keinen Widerstand von den Kantonen. Einige Ständeräte erachteten die Formulierung jedoch als problematisch. Sie kritisierten insbesondere den Eingriff in die Organisationsfreiheit der Kantone heftig. Einen Antrag Eberle (svp, TG) auf Streichung beider Versionen – die Auswirkungen des Gesetzes auf die Gemeinden sollten also weder berücksichtigt, noch abgegolten werden – lehnte der Ständerat jedoch mit 30 zu 12 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) ab und nahm die Vorlage stillschweigend an.
Bevor das Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) jedoch reif war für die Schlussabstimmungen, mussten noch einige Änderungswünsche der Redaktionskommission behandelt werden. Die beiden Räte akzeptierten diese stillschweigend und brachten die Vorlage anschliessend mit 112 zu 67 Stimmen (bei 11 Enthaltungen) respektive 39 zu 4 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) unter Dach und Fach.

Bereits zu diesem Zeitpunkt waren sich die Kommentatoren in den Medien einig, dass das Volk 2019 sehr wahrscheinlich über das STAF abstimmen wird. Die Jungparteien der Grünen und der Grünliberalen hatten zu diesem Zeitpunkt bereits angekündigt, das Referendum ergreifen zu wollen. Widerstand gegen die Vorlage hatten unter anderem auch Westschweizer Gewerkschaften, Grüne und Jungsozialisten angekündigt. Unklar waren noch die Haltungen der SP und der Gewerkschaften, die in ausserordentlichen Delegiertenversammlungen gefasst werden sollten. Hingegen betonten Vertreter der SVP mehrfach, dass die Partei das Referendum nicht ergreifen, jedoch vermutlich die Nein-Parole zum Gesetz ausgeben werde.

Steuervorlage 17 (SV17) und Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF; BRG 18.031)
Dossier: Unternehmenssteuerreform III, Steuervorlage 17 und AHV-Steuer-Deal (STAF)

Ranglisten haben etwas Eingängiges: Mit ihrer Hilfe lassen sich vermeintliche Unterschiede fest- und darstellen. So versuchen öfters auch die Medien Parlamentarierinnen und Parlamentarier einzuordnen und zu vergleichen. 2017 präsentierte die Sonntagszeitung ein Parlamentarierrating, mit welchem der Einfluss aller Parlamentsmitglieder gemessen werden sollte, und die NZZ wartete mit ihrem jährlichen Links-Rechts-Rating auf.
Der Einfluss wurde in der Sonntagszeitung anhand der Kommissionszugehörigkeit, der in den Räten vorgebrachten Voten, der Anzahl erfolgreicher politischer Vorstösse, der Ämter im Rat und in der Partei, der Medienpräsenz und dem ausserparlamentarischen Beziehungsnetz gemessen. Zwar wies die Zeitung nicht aus, wie sie diese Elemente miteinander verknüpfte und gewichtete, die Rangliste diente ihr aber als Grundlage für immerhin drei ganze Zeitungsseiten. Laut den Berechnungen war SP-Parteipräsident Christian Levrat (FR) in den Jahren 2015–2017 der einflussreichste Parlamentarier, gefolgt von Pirmin Bischof (svp, SO) und Gerhard Pfister (cvp, ZG). Die «Flop 15» – so die Sonntagszeitung – wurden angeführt von Géraldine Marchand-Balet (cvp, VS), Hermann Hess (fdp, TG) und David Zuberbühler (svp, AR). Die Rangierungen verleiteten die Zeitung zu weiteren Analysen: So sei der Einfluss der SVP und der FDP, gemessen am Anteil Fraktionsangehöriger unter den Top 50, verglichen mit dem Rating 2014 gestiegen und der Einfluss des Kantons Zürich gesunken. Mit einem Vergleich der Rangliste hinsichtlich Medienpräsenz und dem Gesamtrang konnte die Zeitung zudem «die grössten Blender» ausmachen. Zwar häufig in den Medien, aber sonst nur wenig einflussreich waren laut dieser Berechnung etwa Tim Guldimann (sp, ZH), Andreas Glarner (svp, AG) oder Benoît Genecand (fdp, GE). Einzelne Regionalzeitungen diskutierten in der Folge «ihre» kantonalen Vertreterinnen und Vertreter. Solche Ratings seien nicht entscheidend, aber es fühle sich immer gut an, wenn man vorne sei, beurteilte Christian Levrat die Auswertung.

Wichtigste Erkenntnis der von der NZZ präsentierten Links-Rechts-Positionierung, die seit 1999 jährlich auf der Basis von in den Räten durchgeführten Abstimmungen von der Forschungsstelle Sotomo durchgeführt wird – auch in der NZZ wurde die Methode zur Messung von Links und Rechts lediglich sehr kryptisch mit den Begriffen «D-Nominate» und «Alpha-Nominate» angedeutet und dem Hinweis versehen, dass diese Methode für den amerikanischen Kongress entwickelt worden seien und die ideologische Position der Abgeordneten messe –, war die zunehmende Fraktionsdisziplin. Der Druck, auf Fraktionslinie zu stimmen, habe dazu geführt, dass es kaum noch Überlappungen in der ideologischen Positionierung zwischen den einzelnen Parteien gebe. Vor allem die CVP – sie variiert auf der Gesamtskala von -10 (links) bis +10 (rechts) zwischen 0.2 (Gerhard Pfister) und -1.7 (Barbara Schmid-Federer, ZH) – sei wesentlich geschlossener als früher, als sie noch Fraktionsmitglieder gehabt habe, die sich am rechten Rand bei der Position von (linken) FDP- und SVP-Mitgliedern befunden und am linken Rand die «rechten Ausläufer der SP» berührt hätten. Die FDP-Mitglieder, die Positionen zwischen 0.3 (Christa Markwalder, BE) und 2.4 (Bruno Pezzatti, ZG) einnahmen, sowie die SVP-Mitglieder (Jean-Pierre Grin, VD: 6.1 bis Erich Hess, BE: 10.0) lagen ziemlich weit auseinander. Der Median des gesamten Nationalrats verlief genau zwischen der CVP und der FDP. Auf der Ratslinken gab es mehr ideologische Gemeinsamkeiten: Zwar war die SP insgesamt etwas linker als die Grünen – die Werte variierten bei den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zwischen -8.2 (Chantal Galladé, ZH) und -9.9 (Silvia Schenker, BS) und bei den Grünen zwischen -9.4 (Lisa Mazzone, GE) und -7.8 (Bastien Girod, ZH) –, aber die Durchmischung war wesentlich stärker als im Block der Bürgerlichen. Die grösste Geschlossenheit wies die GLP auf, bei der sich Kathrin Bertschy (BE) und Tiana Angelina Moser (ZH) mit einem Wert von -3.0 ideologisch nur marginal von Martin Bäumle (ZH, -2.7) entfernt positionierten. Die BDP wies mehr Varianz auf: Sowohl Rosmarie Quadranti (ZH, -1.6) als auch Hans Grunder (BE, -0.2) fanden sich ideologisch leicht links der Mitte. Interessant war, dass sich die Kleinstparteien am Rand ihrer Fraktionen ansiedelten. Sowohl die Lega und das MCG bei der SVP-Fraktion, als auch die EVP bei der CVP-Fraktion wiesen im Rating ideologische Differenzen zu ihrer Fraktion auf.
Im Ständerat waren zwar die verschiedenen Parteien ebenfalls voneinander getrennt, es kam aber zwischen CVP und FDP zu Überlappungen und die Gesamtvarianz der Positionen in der kleinen Kammer war geringer. Sie reichte von Liliane Maury Pasquier (sp, GE; -8.3) bis Peter Föhn (svp, SZ; 9.8), wobei sich Letzterer am rechten Rand ziemlich alleine auf weiter Flur befand, gefolgt von Werner Hösli (svp, GL; 7.6). Bei der FDP gesellten sich Fabio Abate (TI, -0.2) und vor allem Raphaël Comte (NE; -1.6) zum Lager der CVP, das von -2.4 (Anne Seydoux-Christe, JU) bis 0 (Isidor Baumann, UR) reichte. Am rechten Rand der FDP politisierte Philipp Müller (AG, 3.4) und lag damit nahe bei Thomas Minder (SH, 4.8), der als Parteiloser der SVP-Fraktion angehört. Von der SP sassen mit Pascale Bruderer (AG, -5.2) , Claude Janiak (BL, -5.5), Hans Stöckli (BE, -5.6) und Daniel Jositsch (ZH, -5.6) vier im Vergleich zum Nationalrat ziemlich gemässigte Genossinnen und Genossen in der kleinen Kammer.

Nationalratsrating

Unmittelbar nach dem Nein der Stimmbevölkerung zur Unternehmenssteuerreform III an der Urne betonten sowohl Gewinner als auch Verlierer die Wichtigkeit des Projektes und die Dringlichkeit einer neuen Vorlage. Einig war man sich mehr oder weniger darüber, dass kein kompletter Neubeginn nötig sei, sondern dass man entsprechend dem sogenannten Plan B auf der bisherigen Vorlage aufbauen könne. Bezüglich der effektiven Ausgestaltung der neuen Vorlage gingen die Meinungen aber weit auseinander. So meldeten sich zahlreiche Parteien, Verbände und Interessenorganisationen mit eigenen Positionspapieren, Eckpunkten und Vorschlägen zu Wort, darunter der Gewerbeverband, die SP oder auch die kantonalen Finanzdirektoren zusammen mit den Städte- und Gemeindevertretern.

Die neue Steuerungsgruppe von Finanzminister Maurer, welche mit Eva Herzog (BS, sp), Serge Dal Busco (GE, cvp), Heinz Tännler (ZG, svp) und Benedikt Würth (SG, cvp) vier Vertreterinnen und Vertreter der Finanzdirektorenkonferenz (FDK) umfasste, präsentierte Ende Mai – und somit in Rekordzeit – die Eckwerte der neuen, als „Steuervorlage 17” betitelten Vorlage. Diese hatte sich am Vorbild des Kantons Waadt orientiert, dem es durch ein soziales Abfedern der Steuerausfälle durch höhere Kinderzulagen gelungen war, sowohl bei der kantonalen Vorlage zur Umsetzung der Unternehmenssteuerreform III als auch bei der entsprechenden nationalen Vorlage an der Urne eine Mehrheit zu erzielen. Entsprechend beschränkte sich der Vorschlag der Steuerungsgruppe nicht nur auf eine Reduktion der den Kantonen zur Verfügung stehenden Entlastungsmassnahmen: eine engere Fassung des Patentabzugs sowie des Abzugs für Forschung und Entwicklung, ein Verzicht auf die Möglichkeit zur Einführung einer zinsbereinigten Gewinnsteuer sowie vor allem eine Beschränkung der maximalen Steuerentlastung durch die neuen Steuerabzüge auf 70 Prozent anstelle von zuvor 80 Prozent. Vielmehr verstärkte die Steuerungsgruppe mit der Steigerung der Dividendenbesteuerung von 60 auf 70 Prozent auch die Gegenfinanzierung und sorgte mit der von der SP geforderten Erhöhung der Kinderzulagen um CHF 30 für eine Entlastung der Familien. Zusätzlich wurden durch die Aufnahme einer Klausel zur ausdrücklichen Berücksichtigung von Städten und Gemeinden auch deren Bedenken berücksichtigt. Ansonsten übernahm die Steuervorlage 17 die Bestimmungen aus dem Unternehmenssteuerreformgesetz III, insbesondere bezüglich der Abschaffung der kritisierten Steuerprivilegien sowie bezüglich der Kompensation der Kantone durch eine Steigerung des Kantonsanteils an den Bundessteuern von 17 Prozent auf 21.2 Prozent.

Kurz darauf präsentierte der Bundesrat die neue Vorlage, die weitgehend auf dem Vorschlag der Steuerungsgruppe beruhte. Einen entscheidenden Unterschied wies die bundesrätliche Vorlage jedoch auf: Sie sah vor, den Kantonsanteil an den Bundessteuern nur auf 20.5 Prozent zu steigern, wodurch die Kantone anstelle von der ursprünglich vorgesehenen CHF 1 Mrd. noch CHF 820 Mio. erhalten würden. Entsprechend empört zeigten sich die Kantone von dieser Klausel, zumal sie in der kurzen Diskussion dazu in der Steuerungsgruppe keinerlei Anklang gefunden hatte, wie Heinz Tännler und Benedikt Würth erklärten. Die Kantone waren jedoch nicht als Einzige unzufrieden mit dem bundesrätlichen Vorschlag: Die SP und die Gewerkschaften hiessen zwar die Richtung der Verbesserungen gut, befürchteten jedoch, dass die Kantone ihre Unternehmenssteuern dadurch trotzdem stark senken würden. Zudem sollten die Kinderzulagen und die Dividendenbesteuerung stärker erhöht werden. Der Gewerbeverband sorgte sich aufgrund der steigenden Dividendenbesteuerung um die Zukunft der KMU, während die internationalen Grosskonzerne davon nicht stark betroffen seien. Kritisch beurteilte der Finanzdirektor des Kantons Zürich, Ernst Stocker (ZH, svp), vor allem den Verzicht auf die zinsbereinigte Gewinnsteuer. Da sich der Kanton Zürich in einer speziellen Situation befindet, indem er besonders stark von der Abschaffung der alten Steuerprivilegien betroffen ist, sich gleichzeitig aber keine grosse Senkung der ordentlichen Gewinnsteuersätze leisten kann, ist er stark auf den Eigenkapitalzinsabzug angewiesen. Anfangs September 2017 schickte der Bundesrat die Vorlage schliesslich in die Vernehmlassung, während der die interessierten Kreise bis Dezember 2017 die Möglichkeit haben, ihre Kritik anzubringen.

Steuervorlage 17 (SV17) und Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF; BRG 18.031)
Dossier: Unternehmenssteuerreform III, Steuervorlage 17 und AHV-Steuer-Deal (STAF)

A l'invitation de la Neue Zürcher Zeitung, les président-e-s des quatre plus grands partis échangent leurs points de vue sur leur idée de la patrie (ou "Heimat" en allemand). Petra Gössi pour le Parti libéral-radical et Albert Rösti pour l'Union démocratique du centre citent l'élément de la nature comme constitutif de leur vision de la partie. Pour les deux également, la patrie est l'endroit où l'on se sent à l'aise, en sécurité et où l'on a ses proches. Le président du Parti socialiste, Christian Levrat, quant à lui construit son image de la patrie autour de la variété et du vivre ensemble entre différentes cultures, langues et religions. Gerhard Pfister – président du Parti démocrate chrétien – fait également mention de la diversité et cite pour exemple son canton d'origine, Zoug, comme étant une Suisse en miniature – un canton où la campagne et le monde international se côtoient.
Les chef-fe-s de partis ont également réagi aux réponses d'un questionnaire sur cette idée de la patrie, fait par l'institution et musée "Stapferhaus" de Lenzbourg en Argovie. Celui-ci révèle que les 1000 suisses interrogés lient leur sentiment de patrie principalement aux humains y vivant, aux paysages et aux traditions. L'importance de la nature ressort fortement de ce sondage – les montagnes y prenant une signification particulière – et cela même pour les citadins. Selon le politologue Michael Hermann qui a analysé les résultats, la nature ferait même office d'agrafe patriotique. Par ailleurs, les personnes estimant que la patrie est en danger (la moitié des sondé-e-s) citent en premier lieu la destruction de la nature, puis le bétonnage intensif et troisièmement les cultures étrangères comme sources de menace.
Albert Rösti voit dans ces différentes menaces un vecteur commun qu'est l'immigration et postule que les Suisses et Suissesses se rattachent à une langue et à des valeurs communes. Il rappelle, par ailleurs, que tous ceux habitant en Suisse doivent respecter l'ordre juridique ainsi que la Constitution fortement teintée – tout comme l'hymne national – de christianisme. Christian Levrat fait remarquer que la Suisse ne possède pas qu'une langue commune et n'est pas faite que d'une seule culture unie. A la culture chrétienne prônée par les présidents de l'UDC et du PDC, il oppose la Suisse moderne et libérale fondée en 1848. Petra Gössi, quant à elle, estime, tout comme Christian Levrat, que la Suisse est un Etat séculaire, reposant sur les valeurs des Lumières et de la liberté. Malgré tout, elle considère qu'une Suisse multiculturelle ne peut fonctionner. Gerhard Pfister, en réponse aux propos de Christian Levrat, est de l'avis que la gauche sous-estime l'apport et l'influence du christianisme sur notre société, et considère que le christianisme (ainsi que le judaïsme) a été le socle de la démocratie. Ce dernier estime également que cette peur de la destruction de la nature est à lier avec la peur de la croissance. Le oui à l'initiative dite "d'immigration de masse" est un signe qui irait en ce sens.
L'une des autres menaces ressortant du questionnaire est la globalisation. Celle-ci est perçue différemment par les quatre président-e-s. Pour le chef de file du Parti socialiste, l'évolution du droit international est l'un des aspects positifs de ce phénomène, car cela permet de contrôler les firmes multinationales. Le président de l'UDC, quant à lui, considère que la libre circulation des matières est fondamentale pour le bon fonctionnement de l'économie, mais que celle-ci ne doit surtout pas s'accompagner de la libre circulation des personnes – vue comme non-compatible avec le sentiment de patrie. Petra Gössi reconnait que la globalisation et les changements rapides qu'elle implique font peur et estime que le rôle de la politique est de préparer au mieux les gens devant subir ses effets négatifs. Finalement, Gerhard Pfister voit un contre-mouvement à ce phénomène de globalisation où cette idée de patrie deviendrait de plus en plus importante pour la population.

Les chefs des trois plus grands partis échangent leurs points de vue sur leur idée de la patrie

In der Wintersession 2016 beriet der Nationalrat den Voranschlag 2017 als Erstrat. Dabei setzte er den Rotstift vor allem im Eigenbereich an. So beschloss er unter anderem Kürzungen beim Bundespersonal, bei externen Beratern und Dienstleistungen sowie bei der Informatik, sprach aber mehr Geld für die Landwirtschaft und die Bildung als es der Bundesrat vorgesehen hatte. Die Hauptdiskussion im Nationalrat drehte sich aber um die vom Bundesrat vorgesehene ausserordentliche Budgetierung von Asylausgaben in der Höhe von CHF 400 Mio. und die grundlegende Frage, ob ein solches Vorgehen eine Aufweichung der Schuldenbremse darstelle. Während die Mehrheit der FK-NR die Kriterien der Ausserordentlichkeit bei der Schuldenbremse, insbesondere die Einmaligkeit und Unvorhersehbarkeit, als nicht gegeben erachtete, wies Philipp Hadorn (sp, SO) im Namen der Kommissionsminderheit darauf hin, dass bei der Erarbeitung dieser Ausnahmeklausel das Asylwesen explizit als Anwendungsfall erwähnt worden war. Die Finanzkommission des Nationalrats beantragte diesbezüglich, die Asylausgaben aufgrund der neusten Schätzungen des SEM mithilfe von dessen ursprünglicher Schätzmethode zu kalkulieren und nicht – wie es der Bundesrat getan hatte – aufgrund der vom SEM neu entwickelten Schätzmethode vom Mai 2016. Dadurch konnte die Schätzung der Anzahl Asylgesuche von 45‘000, mit denen der Bundesrat im Sommer 2016 gerechnet hatte, auf etwa 30‘000 Asylgesuche reduziert werden. In Übereinstimmung mit diesen neuen Zahlen reduzierte die Finanzkommission die Betriebsausgaben bei den Empfangs- und Verfahrenszentren und die Ausgaben bei der Sozialhilfe für Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Flüchtlinge um etwa CHF 340 Mio. Zusammen mit einer Kreditsperre im Umfang von 60 Mio., die auf alle Departemente verteilt werden sollte, würde dies einen Verzicht auf ausserordentliche Asylausgaben erlauben. Dieser Konzeptentscheid war in der Kommission mit 13 zu 12 Stimmen knapp angenommen worden, noch knapper fiel die Entscheidung im Nationalrat aus: Dieser stimmte dem Kommissionsvorschlag nur dank dem Stichentscheid von Ratspräsident Stahl (svp, ZH) mit 97 zu 96 Stimmen zu. Bundesrat Maurer kritisierte das Vorgehen, bei Bedarf plötzlich die Diskussionsgrundlage zu ändern und nicht wie üblich und bei allen anderen Budgetpositionen die Zahlen von Juni 2016 zu verwenden. Diese Praxis, „wenn es unangenehm wird, noch gewisse Änderungen [vorzunehmen]“, gefährde die Schuldenbremse stärker als die Ausserordentlichkeit gewisser Ausgaben.

Bei der Gesamtabstimmung sprachen sich die Fraktionen der SP und der Grünen mehrheitlich gegen den Voranschlag aus, weil ihnen die Sparanstrengungen deutlich zu weit gingen. Gleichzeitig beschloss aber auch die SVP-Fraktion, den Voranschlag abzulehnen und begründete dieses Vorgehen damit, dass in Zeiten ohne Rezession ein ausgeglichenes Budget angestrebt werden sollte. Damit lehnte der Nationalrat den Voranschlag 2017 mit 77 zu 113 Stimmen bei 3 Enthaltungen ab. Der Ständerat wird somit bei seiner Beratung am 5. Dezember 2016 nur den Bericht des Bundesrates, nicht aber die Beschlüsse des Nationalrates diskutieren. Anschliessend wird sich der Nationalrat noch einmal mit dem Voranschlag beschäftigen müssen, wobei er theoretisch mit der Diskussion nochmals von vorne beginnen müsste. Zum ersten Mal stellte sich beim Bund damit auch die Frage, was wäre, wenn die Räte bis zum 1. Januar 2017 kein Budget verabschieden könnten. Denn obwohl die meisten Kantone solche Regelungen kennen, sieht der Bund für diesen Fall keinen rechtlich vorgeschriebenen Ablauf vor. Gemäss Philipp Rohr, dem Sprecher der Finanzverwaltung, dürfte der Bund dann theoretisch keine Zahlungen mehr tätigen. Um dies zu verhindern, müsste das Parlament eine Art Notbudget beschliessen, bevor in der Frühlingssession ein neuer ordentlicher Voranschlag erarbeitet werden könnte. Olivier Feller (fdp, VD) reichte in der Folge eine Motion ein, welche diese rechtliche Lücke schliessen soll.

Voranschlag 2017 (BRG 16.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2017: Voranschlag und Staatsrechnung

Ende November erschien das NZZ-Parlamentarierrating 2016 und bildete das erste Jahr nach den Wahlen 2015 ab. Der Rechtsrutsch der Wahlen zeichnete sich im Rating deutlich ab. Der Median der Positionen aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die aufgrund paarweiser Vergleiche des Abstimmungsverhaltens während der vier vergangenen Sessionen errechnet werden, rückte auf der Skala von -10 (absolut links) bis + 10 (absolut rechts) von 0.8 (2015) auf 1.7. Gleich drei SVP-Fraktionsmitglieder nahmen die rechte Extremposition (10) ein: Marcel Dettling (SZ), Erich Hess (BE) und, wie bereits 2015, Pirmin Schwander (SZ). Lisa Mazzone (gp, GE) positionierte sich mit einem Wert von -9.6 am linken Extrempol.
Vom Rechtsrutsch habe – gemessen an der Anzahl gewonnener Abstimmungen im Rat – vor allem die FDP, kaum aber die SVP profitiert, so die Studie. Bei den Parteien zeigten sich insgesamt nur leichte Verschiebungen. So hatte sich die SVP noch einmal nach rechts verschoben und nahm insgesamt den Wert 8.0 ein (2015: 7.7.). Jean-Pierre Grin (VD) besetzte mit 6.3 die moderateste Position in der Volkspartei. Damit war er dennoch ziemlich weit vom am meisten rechts stehenden FDP-Fraktionsmitglied entfernt: Bruno Pezzatti (ZG) erreichte einen Wert von 3.4. Den linken Rand der FDP, die sich im Vergleich zu 2015 nicht verändert hatte und fraktionsübergreifend konstant bei 2.2 blieb, nahm erneut Christa Markwalder mit 1.4 ein. Damit war die Bernerin leicht linker positioniert als Daniel Fässler (AI), der mit 1.9 den rechten Rand der CVP besetzte. Den Gegenpol bei den Christlichdemokraten nahm Barbara Schmid-Federer (ZH) mit -0.9 ein. Auch die CVP blieb im Vergleich zu 2015 konstant bei 0.6. Innerhalb des Spektrums der CVP-EVP-Fraktion fand sich die BDP (0.9: Hans Grunder, BE bis -0.5: Rosmarie Quadranti, ZH), die leicht nach links gerutscht war (0.2). Deutlich am linken Rand der CVP-Fraktion positionierte sich die EVP mit Maja Ingold (ZH, -2.8) und Marianne Streiff-Feller (BE, -3.1). Einen Linksrutsch verzeichnete auch die GLP, die sich bei -2.7 positionierte und sich wie schon 2015 sehr geschlossen zeigte. Nur gerade 0.5 Skalenpunkte trennten Kathrin Bertschy (BE, -2.8) von Martin Bäumle (ZH, -2.3). Etwas geschlossener als 2015 zeigte sich auch die SP, die fraktionsübergreifend bei -8.3 zu liegen kam. Chantal Galladé (ZH, -6.6) fuhr dabei den sozialliberalsten Kurs. Gleich drei Fraktionsmitglieder positionierten sich beim linken Extremwert der SP, bei -9.1: Bea Heim (SO), Susanne Leutenegger Oberholzer (BL) und Silvia Schenker (BS). Die Grünen schliesslich positionierten sich insgesamt bei -9.0 und die Fraktionsmitglieder überlappten sich stark mit der SP: Daniel Brélaz (VD, -7.9) zeigte sich dabei sogar noch etwas rechter als die gesamte SP.
Die Forschungsstelle Sotomo, welche das Rating durchführte, wertete auch 2016 den Ständerat aus. Erneut zeigte sich eine geringere Polarisierung als in der grossen Kammer. Zwar lagen auch in der kleinen Kammer die Extremwerte weit auseinander, Lilian Maury Pasquier (sp, GE, -9.5) und Peter Föhn (svp, SZ, 9.8) fanden sich aber ziemlich alleine auf weiter Flur. Alle anderen Ständeratsmitglieder befanden sich zwischen -6.2 (Christian Levrat, sp, FR) und 7.3 (Hannes Germann, svp, SH).

Nationalratsrating

Am 19. November 2016 bestimmte die SP-Fraktion mit der Nominierung der zweiten Nationalrats-Vizepräsidentin im Prinzip die zukünftige Nationalratspräsidentin. Die Parteien besetzen dieses Amt im Turnus und die Regel will, dass die Positionen jährlich weitergegeben werden: Die erste Vizepräsidentin oder der erste Vizepräsident steigt zur Präsidentin oder zum Präsidenten auf und die zweite Vizepräsidentschaft nimmt neu die Position im ersten Vizepräsidium ein. Somit ist die Wahl ins zweite Vizepräsidium durch die Fraktionen praktisch Voraussetzung für eine spätere Nationalratspräsidentschaft. Für die SP, die 2018/2019 die Spitzenposition im Nationalrat besetzen wird, war klar, dass dieses Amt wieder durch eine Frau besetzt werden soll. In der Geschichte der Schweiz standen der grossen Kammer bisher zwölf Frauen als Präsidentin vor. Nach Pascale Bruderer (AG) im Jahr 2009/2010 und Stéphane Rossini 2014/2015 sollte wieder eine Genossin an der Reihe sein und die 13. Frau Nationalratspräsidentin werden. Im Vorfeld kursierten drei Namen: Chantal Galladé (ZH), Edith Graf-Litscher (TG) und Marina Carobbio Guscetti (TI). Im zweiten Wahlgang setzte sich Carobbio Guscetti mit 28 zu 21 Stimmen knapp vor Chantal Galladé durch. Dass die Wahl auf eine Tessinerin fiel, sei ein Zeichen für den nationalen Zusammenhalt, gab die Gekürte zu Protokoll. In der Presse wurde die Wahl allerdings mit einiger Überraschung kommentiert, da in der SP bereits die beiden Präsidien von Partei (Christian Levrat, FR) und Fraktion (Roger Nordmann, VD) durch Personen aus der lateinischsprachigen Schweiz besetzt seien.

Nationalratspräsidium

In der Woche nach der Schlussabstimmung in den eidgenössischen Räten über das revidierte BÜPF stellte sich – wie von SVP-Nationalrat und Komitee-Chef Franz Grüter (svp, LU) bereits seit längerem angekündigt – das Referendumskomitee „Stop BÜPF“ vor. Ihm gehörten neben der Piratenpartei, der Alternativen Liste und der Partei der Arbeit auch die Jungfreisinnigen, die Jungen Grünliberalen, die Junge SVP sowie die Juso an. Dazu kamen sieben zivilgesellschaftliche Organisationen, namentlich die Digitale Gesellschaft, der Verein Grundrechte, Operation Libero, die Internet Society Schweiz, der Chaos Computer Club Schweiz, die Stiftung pEp und Wilhelm Tux. Diese ungewöhnliche Allianz von Jungparteien von links bis rechts deutete darauf hin, dass in dieser Frage weniger ein parteiideologischer als vielmehr ein Generationenkonflikt vorlag. Mitte April präsentierte das Komitee seine Argumente. Im Zentrum der Kritik stand einerseits die als „unverhältnismässig“ angesehene Vorratsdatenspeicherung, bei der zwar die Frist zur Aufbewahrung der Daten nicht verlängert, aber der Kreis der Anbieter, die Daten für die Behörden bereithalten müssen, ausgeweitet wurde. Andererseits störten sich die BÜPF-Gegner an den Staatstrojanern, die fortan in fremde Computersysteme eindringen und so verschlüsselte Kommunikation abhören können. Besonders stossend sei hierbei, dass die Staatstrojaner bestehende Sicherheitslücken ausnutzen sollen, wodurch ein „legaler Schwarzmarkt von Sicherheitslücken“ geschaffen werde, so Norbert Bollow, Präsident der Digitalen Gesellschaft. Zum Abhören verschlüsselter Kommunikation gebe es auch andere Mittel, betonte JGLP-Co-Präsident Pascal Vuichard und verwies auf die Firma Skype, welche auf Gerichtsbeschluss hin mit den Behörden kooperiere. Vonseiten der IT-Anbieter kritisierte Jean-Marc Hensch, Geschäftsführer des Branchenverbandes Swico, die „überrissenen Mitwirkungspflichten“, da auch kleinere Anbieter einen automatischen Zugriff der Behörden auf ihre Systeme einrichten müssten. Im Grundsatz war sich das Komitee einig, dass die Privatsphäre nicht auf Vorrat eingeschränkt werden solle – mit den Worten von Juso-Präsident Fabian Molina: „Im Zweifel für die Freiheit.“ Ebenfalls im April trat die SP nach einem entsprechenden, äusserst knappen Beschluss der Delegiertenversammlung dem Referendumskomitee bei, allerdings gegen den Widerstand ihres Parteipräsidenten Christian Levrat (sp, FR) und entgegen der Mehrheit der Bundeshausfraktion, die das BÜPF im Parlament gutgeheissen hatte.
Einen Monat vor Ablauf der Referendumsfrist am 7. Juli 2016 wurde bekannt, dass die Unterschriftensammlung bis anhin harzig verlaufen war und deshalb noch rund die Hälfte der benötigten 50'000 Unterschriften fehlten. Daraufhin erklärte Juso-Präsident Fabian Molina den Abbruch der offiziellen Unterschriftensammlung. Er zeigte sich enttäuscht über die schwache Sammelleistung der bürgerlichen Jungparteien und glaubte nicht mehr an den Erfolg des Referendums. Die Allianzpartner ihrerseits bezeichneten den Rückzug Molinas als feige und unzuverlässig und beklagten auch das mangelnde Engagement der Juso, welche das Unterschriften-Soll auch nicht erfüllt hätten. Dennoch wollten sie nicht aufgeben und setzten die Unterschriftensammlung auch ohne Beteiligung der Juso fort. Ende Juni sah es denn auch tatsächlich danach aus, dass sich der Einsatz im Schlussspurt gelohnt hätte: Das Komitee verkündete, 55'000 Unterschriften erhalten zu haben, die lediglich noch beglaubigt werden müssten. Nach dem Austritt der Juso habe sich ein „gewaltiger Alarmismus“ breitgemacht, der die Sammler zusätzlich anspornte, erklärte Hernani Marques vom Chaos Computer Club. Er zeigte sich zuversichtlich, dass mindestens 51'000 gültige Unterschriften beisammen seien und das Referendum damit zustande komme.
Wie sich am Tag des Ablaufs der Referendumsfrist herausstellte, hatte sich das Komitee jedoch verkalkuliert. Von den gut 55'000 gesammelten Unterschriften trafen nur rund 45'000 rechtzeitig beglaubigt ein, damit sie bei der Bundeskanzlei hätten eingereicht werden können. Damit war das Referendum im allerletzten Moment gescheitert. Für das Komitee sei es eine „gewaltige Enttäuschung“. Schuld daran seien aber weder die Sammlerinnen und Sammler noch die Gemeinden, sondern das Komitee selbst, das in der Anfangsphase zu viel Zeit verloren habe, gab es in einer Mitteilung bekannt. Damit wird das BÜPF wie von den eidgenössischen Räten verabschiedet in Kraft treten.

BÜPF-Revision (BRG 13.025)
Dossier: Staatliche Überwachung

Im Ständerat erfolgte die Beratung einer Motion der SP-Fraktion, die die Schaffung eines Trennbankensystems forderte, zeitgleich mit einem Vorstoss der SVP-Fraktion, der das gleiche Anliegen zum Inhalt hatte. Wie Ständerat Schmid (fdp, GR), Sprecher der zuständigen WAK-SR, zu Beginn der Debatte erläuterte, erachtete die Kommission den eingeschlagenen Weg zur Bekämpfung des „too-big-to-fail"-Problems, der auf höhere Eigenkapitalquoten, strengere Liquiditätsvorschriften und auf durch die Banken zu erstellende Notfallpläne setzte, jedoch auf harte organisatorische Massnahmen wie beispielsweise ein Verbot gewisser Geschäftsfelder verzichtete, als richtig. Die Schaffung eines Trennbankensystems würde dieser Vorgehensweise jedoch zuwiderlaufen, weshalb die Kommission den Vorstoss zur Ablehnung empfahl. Betreffend der Forderung nach einer Leverage Ratio von 6% rief der Kommissionssprecher in Erinnerung, dass diese im Rahmen der neuen „too-big-to-fail"-Gesetzgebung bereits weitgehend umgesetzt sei. Sogar Ständerat Levrat (sp, FR), von dessen eigener Fraktion eine der zur Debatte stehenden Motionen eingereicht worden war, gestand ein, dass die Forderung nach einem Trennbankensystem nicht mehr zeitgemäss sei und keinen Beitrag zur Lösung des „too-big-to-fail"-Problems leisten könne. Einzig Ständerat Minder (parteilos, SH) versuchte, seine Kollegen von der Notwendigkeit der vorliegenden Motionen zu überzeugen, indem er diverse Skandale und Verfehlungen aufzählte, in die sich UBS und CS in den letzten Jahren verstrickt hatten, und die gemäss Minder aufzeigten, dass diese Grossbanken zu gross seien, „um seriös überwacht und kontrolliert zu sein". Die kleine Kammer liess sich von dieser Argumentation jedoch nicht überzeugen, folgte dem Bundesrat und ihrer vorberatenden Kommission und sprach sich mit 28 zu 6 Stimmen bei 7 Enthaltungen dafür aus, die beiden Motionen abzulehnen.

SP fordert Trennbankensystem (Mo. 13.3743)
Dossier: Too-big-to-fail (TBTF) nach der Finanzkrise 2008

Anfang März 2015 standen die Präsidenten der drei bürgerlichen Parteien CVP (Christophe Darbellay; cvp, VS), FDP (Phillip Müller; fdp, AG) und SVP (Toni Brunner; svp, SG) vor die Medien, um einen bürgerlichen Schulterschluss in der Wirtschaftspolitik anzukünden. Mit Hilfe eines Programms, das möglichst viele gemeinsame Punkte wie etwa ein Verbot neuer Steuern in den nächsten fünf Jahren oder die Bekämpfung administrativer Kosten für Unternehmen enthalte, wolle man einen einheitlichen bürgerlichen wirtschaftspolitischen Kurs einschlagen, um den von der Frankenstärke verursachten Problemen Herr zu werden.
Weniger konkrete Übereinstimmung fand sich im Ende März vorgelegten Programm dann freilich in der AHV-, der Energie- und der Europapolitik. Das St. Galler Tagblatt sprach denn auch von einer «bürgerliche[n] Schnittmenge mit Lücke». Die Linke reagierte skeptisch auf das gemeinsame Wirtschaftsprogramm. Christian Levrat (sp, FR), Parteipräsident der SP, sprach davon, dass FDP und CVP vor der SVP kapitulierten und zu Juniorpartnerinnen würden, sich damit aber für die anstehenden eidgenössischen Wahlen wohl «das eigene Grab schaufeln» würden. In Le Temps wurde die Vermutung geäussert, dass vor allem die CVP mit diesem Bündnis die rechte Flanke sichern wolle; dies sei nach dem BDP-Nein zu einer Fusion mit der CVP nötig, so die «Schweiz am Sonntag».
Das als gemeinsamer roter Faden gedachte bürgerliche Projekt bekam schon im Mai 2015 erste Risse. Die CVP versagte einem im Rahmen des Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspakets (KAP) von der SVP gestellten Antrag für eine Deckelung der Staatsausgaben ihre Unterstützung und hiess auch Mehrausgaben im Kulturbereich gut. Freilich hatten sich auch FDP und SVP im Rahmen des KAP für ein höheres Armeebudget und eine Entschärfung des Sparprogramms in der Agrarpolitik ausgesprochen. Der Blick sprach deshalb von einem «Wortbruch in Serie» und von einem gebrochenen «Sparschwur» und startete für die Sommersession 2015 einen «Schwur-Check», um aufzuzeigen, wo die bürgerlichen Parteien von ihren Sparversprechen abwichen. In der Folge meldeten sich im Boulevardblatt kritische Stimmen von CVP- und FDP-Nationalratsmitgliedern, wonach der Schulterschluss zu einem Verlust der Glaubwürdigkeit der eigenen Partei führen könnte.
Mitte Juni bezeichnete dann SVP-Parteipräsident Toni Brunner den Schulterschluss in einem Interview in der «Schweiz am Sonntag» als «Makulatur». Grund dafür war vor allem auch die Weigerung der FDP, mit der SVP flächendeckende Listenverbindungen für die eidgenössischen Wahlen einzugehen. Die SVP habe alles versucht, die beiden anderen Parteien «auf den Pfad der Tugend zurückzubringen», die CVP bewege sich aber nach links und der FDP sei egal, ob bei den Wahlen die SP oder die SVP zulege. In der Folge kam es zu gegenseitigen Schuldzuweisungen via Medien. Laut Christophe Darbellay verabschiede sich die SVP aus dem bürgerlichen Lager, weil sie keine Hand für Lösungen biete. Zurückhaltender zeigte sich Philipp Müller. Man dürfe nicht nur auf die Differenzen zeigen, sondern müsse auch darauf schauen, was die bürgerliche Zusammenarbeit bereits gebracht habe. Die FDP halte deshalb am Schulterschluss fest, weil es ihr um den Erhalt von Arbeitsplätzen gehe. Die in der Herbstsession von der bürgerlichen Mehrheit gegen den Willen der eigenen Bundesratsmitglieder gutgeheissenen Deregulierungsvorstösse wurden denn etwa von der Aargauer Zeitung als «Lebenszeichen» für die angekündigte bürgerliche Zusammenarbeit interpretiert.

Bürgerlicher Schulterschluss in der Wirtschaftspolitik

Nach den Anschlägen in Paris haben die Schweizer Muslime ihre Forderung nach der Anerkennung des Islams als Landeskirche erneut aufgegriffen. Ihr designiertes Ziel hierbei sei es, Muslime besser in die hiesige Gesellschaft integrieren zu können und zugleich aufkommenden Radikalisierungstendenzen Einhalt bieten zu können. Erste Gesuche hierfür seien bereits in Vorbereitung und würden zunächst im Pilotkanton Basel-Stadt und zu einem späteren Zeitpunkt dann auch in der Waadt eingereicht. Für den Vorstoss verantwortlich zeigen sich die beiden nationalen Muslim-Verbände KIOS und FIDS. Die Organisationen erarbeiten zur Zeit gemeinsam ein Musterstatut für islamische Gesellschaften, welches den kantonalen Verfassungen entspreche, um somit eine solide Grundlage für das staatliche Akzeptanzsiegel zu schaffen. Das Gesuch selbst soll sodann von offiziellen Muslimvertreterinnen und -vertretern, welche mittels Testwahlen von Basler Muslimen bestimmt werden, an offizieller Stelle eingereicht werden. Farhad Afshar, Präsident der KIOS, betonte, dass den Frauen für die Wahlen das gleiche aktive und passive Wahlrecht zugesprochen werde wie den Männern. Zudem soll zur Offenlegung der geforderten demokratischen Organisation und Transparenz eine unabhängige Rekurskommission geschaffen werden. Somit greift das Musterstatut relevante Eckpfeiler des juristischen Gutachtens auf, welches im Jahr zuvor an der Universität Luzern in Auftrag gegeben worden war. Dass nebst dem Kanton Basel-Stadt auch die Waadt in den Fokus der beiden Verbände gerückt war, kam nicht von ungefähr: Im November des vergangenen Jahres hatte der Waadtländer Staatsrat Anpassungen im Reglement für die Anerkennung weiterer, auch nicht christlicher Religionsgemeinschaften vorgenommen. Beide Muslimverbände erhoffen sich durch den Vorstoss zunächst die "kleine Anerkennung" – welche in Basel schon länger möglich ist – zu erlangen, um danach die volle staatliche Anerkennung zu erreichen. Der Kirchenstatus würde es der Gemeinschaft ermöglichen, eine adäquate islamisch-religiöse Infrastruktur aufzugleisen und hätte zugleich auch eine starke Signalwirkung an die anderen Kantone.
In der Schweizer Parteienlandschaft sind aber nicht alle von diesem Vorstoss angetan. Die SVP-Spitze beispielsweise stellte zwar klar, dass sie die Kultusfreiheit zu keinem Zeitpunkt in Frage stelle, die Anerkennung des Islams als integralen Bestandteil der Landeskirche jedoch explizit ablehne. Mit einer verfassungsrechtlichen Anerkennung seien diverse Privilegien verbunden, deren Fürsprache aber – zur Wahrung des religiösen Friedens – der Mitsprache der kantonalen Bürger bedürfe. Zudem seien die Muslime in keiner Organisation zusammengefasst, welche alle Glaubensangehörigen vertrete. Christoph Neuhaus (BE, svp), Berner Kirchendirektor und Regierungsrat, schlägt als eine mögliche Alternative zur staatlichen Anerkennung eine Anerkennung der muslimischen Gemeinschaften als gemeinnützige Vereine vor. Dadurch könne man die nötige Transparenz schaffen und hätte noch einen gewissen Einfluss auf die Vereinstätigkeit. Christian Levrat (sp, FR) betrachtet die Diskussion jedoch aus einer ganz anderen Perspektive: Die SVP schüre mit ihrer Haltung lediglich den Hass gegen die Muslime und würde sich somit zugleich auch gegen jegliche Integrationsmassnahmen wehren. Die Schweiz müsse aber viel entschiedener gegen die Islamophobie vorgehen und sich vermehrt für die Integration einsetzen, wobei genau diese Anerkennung als eine passende Massnahme zu verstehen sei. Dieser Meinung schloss sich auch Regula Rytz (gp, BE) an und betonte, dass durch eine solche Anerkennung zugleich auch die Rechte und Pflichten klar geregelt werden könnten. Christophe Darbellay (cvp, VS) hielt sich indes etwas mehr zurück: Zur Religionsfreiheit gebe es definitiv ein Ja, nicht aber zur Anerkennung, schliesslich sei die Schweiz ein christlich-abendländisch geprägtes Land und, wie Erfahrungen mit anderen Glaubensgemeinschaften zeigten, sei eine staatliche Anerkennung für eine gelungene Integration nicht vonnöten. Philipp Müller (fdp, AG) hingegen stellte klar, dass die staatliche Anerkennung den Kantonen obliege, wobei für ihn persönlich die kulturelle Verwurzelung einer Glaubensgemeinschaft innerhalb eines Kantons im Fokus stehe. Zudem verwies er auf die viel diskutierte Trennung von Staat und Kirche, welche zwischenzeitlich sogar Anklang in der Kirche selbst finde.
So befindet selbst der Churer Generalvikar Martin Grichting, dass das heutige System nicht mehr mit der Religionsvielfalt in der Schweiz vereinbar sei. Anstelle der Volkskirche könne er sich eine kleinere Glaubensgemeinschaft mit einer treuen Gefolgschaft vorstellen. Gerade in der heutigen Zeit, in der so viele Personen aus der Kirche austreten würden und sehr wahrscheinlich irgendwann mehr als die Hälfte der Steuerzahlenden konfessionslos sein werde, stelle sich unweigerlich die Frage nach der Legitimationsgrundlage für die staatlich unterstützte Erhebung der Kirchensteuer – in diesem Sinne hätten die Landeskirchen also ausgedient.

Anerkennung ausserchristlicher Religionsgemeinschaften

Als Ziel der SP für die eidgenössischen Wahlen 2015 nannte Parteipräsident Levrat die Erringung von 20% Wähleranteil. Dies würde einem Wachstum von 1,3 Prozentpunkten gleichkommen. Die SP will vor allem ihre eigene Klientel mobilisieren und verdeutlichen, dass es eine Partei brauche, die der SVP die Stirn biete. Mit dem bereits 2011 verwendeten Slogan „Für alle statt für wenige“, mit einer Betonung von Arbeits-, Wohnungs- und Rentenpolitik und der Propagierung einer offenen Schweiz sollen vor allem SP-Wählerinnen und Wähler aus Agglomerationsregionen an die Urne gebracht werden. Ende Jahr gab die SP bekannt, entgegen der ursprünglichen Ankündigungen, nicht mit einer Initiative in den Wahlkampf zu ziehen. Ursprünglich war aus sechs Initiativprojekten mit der Kindergutschriftinitiative eines ausgewählt worden, mit dem im Wahljahr auf Stimmenfang gegangen werden sollte. Die Genossen wollten sich aber letztlich lieber auf ihre neuartige Mobilisierungsidee konzentrieren: Rund 10‘000 SP-Mitglieder sollen in den Wochen vor den Wahlen jeweils 10 potenzielle SP-Wählerinnen und -Wähler anrufen und sie um ihre Stimme bitten. Voraussichtlich werden die Genossen für die eidgenössischen Wahlen 2015 wieder flächendeckende Listenverbindungen mit den Grünen eingehen. Man müsse vor allem verhindern, dass es in der Regierung zu einer rechtsbürgerlichen Mehrheit komme. Dabei sei grundsätzlich egal, ob es zwei SVP- und einen FDP-Sitz oder zwei FDP- und einen SVP-Sitz im Bundesrat habe. Den Sitz von Widmer-Schlumpf gedenke man ein weiteres Mal zu verteidigen, gab Levrat in einem Interview mit "Le Temps" bekannt.

Ziel der SP für die eidgenössischen Wahlen 2015

In einem Interview mit der „Sonntagszeitung" Mitte September unterstellte SP-Parteipräsident Christian Levrat der SVP „faschistoide Tendenzen“ und „menschenverachtende Positionen“. Dies brachte dem Freiburger SP-Ständerat einige Kritik ein. Levrat selber bereute die Aussage nicht. Die SVP setze sich gegen die Europäische Menschenrechtskonvention ein, stelle laufend die Schweizer Institutionen wie Bundesgericht, Bundesrat oder Parlament in Frage und bekämpfe das Asylrecht. Gegen diese gefährliche Radikalisierung, die so vor zwei Jahren noch nicht möglich gewesen wäre, müsse man sich zur Wehr setzen.

SP faschistoide Tendenzen

Auch 2014 war die direkte Demokratie Auslöserin für Gedanken und Polemik zur nationalen Kohäsion. Allen voran das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative sorgte für zahlreiche Reaktionen. So wurde etwa der sich bei der Abstimmung zeigende Sprachgraben kurz nach dem Urnengang vom ehemaligen SVP-Bundesrat Christoph Blocher mit einem „schwächeren Bewusstsein der Welschen für die Schweiz“ erklärt. Diese in einem Interview mit der BaZ gemachte Aussage sorgte auf beiden Seiten der Saane für teilweise harsche Reaktionen. Künstlerisch wurde die Aussage vom Maison du dessin de presse in Morge verarbeitet, wo eine Ausstellung mit dem Titel „Les Romands sont-ils Suisses?“ mit verschiedenen Karikaturen zum Thema stattfand. Blocher hatte bereits Anfang Januar – wie bereits vor der EWR-Abstimmung 1992 – Niklaus von Flüe bemüht, der gemahnt haben soll, den Zaun nicht zu weit zu machen. Die sich auf der Verliererseite breit machende Konsternation verschaffte sich in einigen Unmutsbekundungen Luft. So demonstrierten Anfang März auf Aufruf eines Bündnisses von verschiedenen Parteien, Gewerkschaften und Ausländerorganisationen rund 12'000 Personen auf dem Bundesplatz für eine offene und solidarische Schweiz. Mehrere Organisationen – ähnlich wie noch 1992 nach dem EWR-Nein – wurden ins Leben gerufen, so etwa die Aktion Libero, die sich unter anderem für den Erhalt der bilateralen Verträge einsetzen will. Mitte Oktober riefen über 100 Persönlichkeiten, darunter etwa auch die alt-Bundesräte Pascal Couchepin (fdp, VS) und Micheline Calmy-Rey (sp, GE) zu einem Überdenken der negativen Einstellung zur europäischen Integration der Schweiz auf. Die Weltoffenheit der Schweiz und die guten wirtschaftlichen Beziehungen zur EU waren zudem häufiger Gegenstand der behördlichen 1.-August-Reden. Ausnahme bildete Bundesrat Maurer, der Carl Spittelers „Standpunkt“ als Appell für die Eigenständigkeit und Neutralität der Schweiz zitierte. Beklagt wurde im Berichtjahr auch hie und da ein Wandel von der Konkordanz zur „Diskordanz“: Die noch 2011 mit der Stärkung der „neuen“ Mitte einhergehende Hoffnung auf ein Ende der Polarisierung habe sich zerschlagen, die Regierungsparteien seien nicht mehr an Kompromissen interessiert und die Stimmbevölkerung – aufgehetzt von Brandstiftern – habe auf Fundamentalopposition geschaltet. Die Schweizer Politik müsse wieder zu mehr Verständigung zurückkehren. Bei einer im August veröffentlichten GfS-Umfrage bei rund 1000 Befragten unterstützten 75% die Forderung nach mehr Kompromissbereitschaft, um das politische System zu stärken und zu deblockieren. Für Diskussionen sorgten die Vorwürfe der Parteipräsidenten der SP und der BDP: Martin Landolt (bdp, GL) wie auch Christian Levrat (sp, FR) warfen der SVP „faschistoide Tendenzen“ vor. Levrat begründete dies damit, dass die Volkspartei die Institutionen verleumde, Völker- und Menschenrechte angreife und das Asylrecht abschaffen wolle. Auch der Parteipräsident der BDP, Martin Landolt, attackierte die SVP und warf ihr eine die menschliche Würde missachtende und heuchlerische Politik vor. Er frage sich, bis zu welchem Punkt eine Politik „noch brauner werden“ müsse, „bis alle merken, dass sie stinkt“. Die als „provozierender Elektroschock“ (Levrat) gedachten Vorwürfe stiessen auch bei Rechtsextremismus-Experten auf Kritik. Während CVP-Präsident Darbellay eine gewisse Radikalisierung der SVP nicht abstreiten, dafür aber keine Vergleiche mit dem Faschismus anstellen wollte, kritisierte der Parteipräsident der FDP, Philipp Müller (AG), die Debatte als „daneben“. Nicht zu den Vorwürfen äussern wollte sich SVP-Parteipräsident Toni Brunner (SG). In den Medien wurden die Vorwürfe unterschiedlich kommentiert. Während die NZZ etwa darauf hinwies, dass die politischen Debatten in der Regel sachlich blieben, wurden die Parteichefs im Blick als Politclowns betitelt. Die Ablehnung der teilweise als Schicksalsabstimmungen bezeichneten drei Initiativen, die im November zur Abstimmung gelangten – Ecopop-Initiative, Abschaffung der Pauschalbesteuerung und Goldinitiative – schien zumindest vorübergehend die Diskussionen um den nationalen Zusammenhalt etwas zu beruhigen.

Verlust des politischen und gesellschaftlichen nationalen Zusammenhalts

Ein Wechsel an der Spitze der SP scheint für die nächste Zeit nicht geplant zu sein. An der Delegiertenversammlung Ende Juni in Winterthur wurden der seit 2008 amtierende Parteipräsident Christian Levrat und das fünfköpfige Vizepräsidium, bestehend aus Jacqueline Fehr (ZH), Barbara Gysi (SG), Géraldine Savary (VD), Marina Carobbio Guscetti (TI) und David Roth (LU) wiedergewählt. Levrat gab bekannt, sich auch nach den Wahlen 2015 weiterhin als Präsident zur Verfügung zu stellen. Er wurde von der SP des Kantons Freiburg Ende Jahr auch wieder als Ständeratskandidat nominiert.

SP Parteipräsident

An der Delegiertenversammlung in Winterthur Ende Juni betonte SP-Parteipräsident Levrat die Bedeutung von Steuern für das Funktionieren der Schweiz. Ohne Steuern gäbe es weder Service Public, noch Schulen, Strassen oder Landwirtschaft. Umso wichtiger sei, dass die Steuerpolitik nach dem Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit ausgerichtet würde. Die Genossen verlangten deshalb eine faire Steuerbelastung gemäss der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und eine Aufhebung des Steuerwettbewerbs zwischen den Kantonen. In einem Positionspapier forderten die Delegierten die Aufhebung von Steuerprivilegien, lehnten allerdings ein von der Sektion Zürich gefordertes Verbot von Lizenzboxen bei der Unternehmenssteuerreform III ab.

SP Steuerpolitik

Als Reaktion auf das Ja zur Masseneinwanderungsinitiative forderte Parteipräsident Christian Levrat in einem ganzseitigen offenen Brief im "Blick" eine Umsetzung des Begehrens, die möglichst nahe am Volkswillen sei. Die Initiative sei auf dem Land angenommen, in der Stadt aber verworfen worden. Deshalb seien die Massnahmen für die Umsetzung vor allem auf die ländlichen Regionen zu konzentrieren. Levrat forderte neben einer Verschärfung des Raumplanungsgesetzes und der wortgetreuen Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative auch eine Beschränkung der Zahl ausländischer Arbeitskräfte für die Landwirtschaft, mehr Kontrollen gegen Schwarzarbeit in ländlichen Gebieten oder die Erhöhung von Hypozinsen in peripheren Regionen. Wenn Kontingentsysteme eingeführt würden, so müssten diese nach Branchen und Kantonen festgelegt werden, wobei die Städte die grössten Kontingente an ausländischen Facharbeitern erhalten müssten. Mit diesen Forderungen wollte Levrat provozieren und die SVP-Versprechungen "entlarven". Er weckte dabei zahlreiche empörte Gegenreaktionen der Initianten. Ende Juni veröffentlichten die Sozialdemokraten dann ihre ernster gemeinten Vorschläge für eine Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative. Sie wandten sich gegen die Idee von Kontingenten und wollten der Abhängigkeit von ausländischen Fachkräften durch innenpolitische Reformen Herr werden. Frauen und ältere Arbeitnehmende müssten im Markt behalten werden. Zudem soll ein von Arbeitgebern gespeister Fonds geschaffen werden, mit dem die Kosten für die Integration gedeckt werden sollen. Firmen, die ausländische Fachkräfte engagieren, müssten in diesen Fonds einzahlen. Zudem sollen Steuerprivilegien für Ausländer – etwa die Pauschalbesteuerung – abgeschafft werden. Parteiintern stiessen die Forderungen allerdings auch auf Skepsis. Es sei nicht an der SP, für eine fremdenfeindliche SVP-Initiative völkerrechtlich verträgliche Umsetzungskonzepte zu finden – gab etwa Cedric Wermuth (sp, AG) zu Protokoll. Das Papier wurde an der Delegiertenversammlung Ende Oktober in Liestal ausführlich und emotional diskutiert. Letztlich wurde es gutgeheissen, aber auf Antrag der St. Galler und der Waadtländer Kantonalsektion wurde die Idee des Integrationsfonds gestrichen.

Umsetzungsvorschlag der SP zur Masseneinwanderungsinitiative
Dossier: Masseneinwanderungsinitiative