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Jahresrückblick 2020: Öffentliche Finanzen

Im Jahr 2020 wurde in den Medien im Verhältnis zu anderen Themen deutlich weniger über den Themenbereich «Öffentliche Finanzen» berichtet als in den Jahren 2017 bis 2019. Dies lag jedoch nicht am Unterthema «Finanzlage», im Gegenteil: 2020 wurde häufiger über das Budget, die Staatsrechnung oder die öffentlichen Finanzen diskutiert als im Vorjahr. Grund dafür war die Corona-Pandemie, die bei den Medien das Interesse an der Frage weckte, wie es ob der Pandemie um die Bundesfinanzen stehe. Diese Frage war durchaus berechtigt, zumal die Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie sowohl einnahmen- als auch ausgabenseitig grosse Konsequenzen nach sich zogen. Die hohen Ausgaben kündigten sich bereits im März 2020 an, als der Bundesrat dem Parlament in zwei Nachmeldungen zum ersten Nachtragskredit CHF 41.9 Mrd. als Verpflichtungskredite für die Corona-Soforthilfe für Unternehmen sowie CHF 15.3 Mrd. als Nachtragskredite beantragte. Hinzu kamen im zweiten Nachtragskredit im Mai 2020 noch einmal CHF 14.9 Mrd., womit der Bundesrat mehr als CHF 30 Mrd. zur Bekämpfung der Pandemie und ihrer Auswirkungen einzusetzen plante.
Auch die Einnahmen des Bundes litten mehrfach unter Corona: Der Wirtschaftseinbruch führte zu einer Reduktion des Konsums und dadurch zu einem Mehrwertsteuerausfall, die steigende Arbeitslosigkeit sowie die Lohnreduktion durch Kurzarbeit führten zu einer Reduktion der Erträge der Einkommenssteuer, tiefere Gewinne und Konkurse von Unternehmen führten zu tieferen Unternehmenssteuern und die Möglichkeit, Steuerzahlungen im Jahr 2020 zinslos aufzuschieben, führte in mehreren Bereichen zu Steuerausfällen. Zwar war unklar, wie hoch diese Steuerausfälle schlussendlich sein würden, die FK-NR rechnete aber während des ersten Lockdowns mit Ausfällen in der Höhe von CHF 6 bis 8 Mrd. Zusammengenommen ergaben die höheren Ausgaben und tieferen Einnahmen ein erwartetes Defizit von CHF 30 bis 40 Mrd. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 hatte der Bund einen Überschuss von CHF 3 Mrd. erwirtschaftet. Die Gesamtleistung des Bundes im Rahmen der Corona-Krise über die nächsten Jahre hinweg schätzte Finanzminister Maurer im April 2020 gar auf CHF 70 bis CHF 80 Mrd. – sie entspräche damit ungefähr den Bundesausgaben eines Jahres.
Zwar gab es Mitte August 2020 eine zeitweise Entwarnung, als der Bundesrat im Nachtrag IIb ankündigte, dass ein Teil der bereits veranschlagten CHF 31 Mrd. nicht ausgeschöpft werden müsse: Insgesamt fielen «nur» ausserordentliche Ausgaben von CHF 17.8 Mrd. an. Jedoch zeigte sich zu demselben Zeitpunkt auch, dass die Fiskaleinnahmen im ersten Halbjahr 2020 um fast 1.3 Mrd. tiefer lagen als im gleichen Zeitraum 2019. In der Folge gelang es dem Bundesrat aber, die erwarteten Corona-bedingten Mehrkosten für das Jahr 2021 im ordentlichen Voranschlag unterzubringen, ohne dabei die Schuldenbremse auszureizen. Wie Bundesrat Maurer aber bereits zu diesem Zeitpunkt betont hatte, waren diese positiven Meldungen unter anderem von der weiteren Entwicklung der Pandemie abhängig, und so machte die zweite Welle dem Finanzminister noch einmal einen Strich durch die Rechnung: Im September 2020 beantragte der Bundesrat dem Parlament in einer Nachmeldung zum Voranschlag 2021 noch einmal CHF 1.4 Mrd. zur Bekämpfung der Auswirkungen der Pandemie, bewegte sich aber auch damit noch immer im Rahmen des von der Schuldenbremse Erlaubten.
Dass die Schweiz 2020 ein Defizit machen würde, stand ob der grossen Hilfspakete des Bundesrates ausser Frage. Diskutiert wurde in den Medien aber die Frage, wie dieses Defizit verbucht und anschliessend abgebaut werden soll. Sollten die ausserordentlichen Corona-Ausgaben auf das Amortisationskonto der Schuldenbremse gebucht werden oder sollten sie an der Schuldenbremse vorbeigeschleust werden, wie eine 19-zu-5-Mehrheit der FK-NR (Mo. 20.3470) forderte? Einig war man sich mehrheitlich, dass eine Kompensation in den nächsten sechs Jahren, wie es die aktuelle Regelung bei einer Buchung auf das Amortisationskonto verlangen würde, kaum möglich wäre. Stattdessen wurde darüber diskutiert, ob die Schulden innert 10, 20 oder 30 Jahren oder gar ohne zeitliche Zielvorgabe zurückgezahlt werden sollen. Vorgeschlagen wurde auch, den Schuldenabbau durch zusätzliche Einnahmen, zum Beispiel durch die fixe Zuweisung des Gewinnanteils des Bundes an den Einnahmen der SNB, zu beschleunigen (Motion der WAK-NR: Mo. 20.3450).

Abgesehen von Corona lief 2020 insbesondere im Bereich der «Direkten Steuern» einiges. Dass der Themenbereich verglichen mit den Jahren 2017 bis 2019 deutlich weniger mediale Aufmerksamkeit generierte, liegt an den Abstimmungen über die sehr umstrittenen Revisionen der Unternehmenssteuern in den vergangenen Jahren (2017: USR III, 2019: STAF). Im Jahr 2020 stand hingegen zu den direkten Bundessteuern «nur» das Referendum gegen die steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten an, das deutlich weniger Aufmerksamkeit generierte. Hier hatte das Parlament das ursprüngliche Anliegen der Vorlage, den Drittbetreuungsabzug von CH 10'000 auf CHF 25'000 zu erhöhen, um eine Erhöhung des Kinderabzugs von CHF 6'500 auf CHF 10'000 ergänzt. Dagegen hatten SP und Grüne das Referendum ergriffen, weil sie die hohen Kosten dieser Massnahme, das fehlende Geld für andere Projekte und den einseitigen Nutzen der Erhöhung des Kinderabzugs für die Gutverdienenden kritisierten. Die Befürworterinnen und Befürworter der Änderung warben hingegen damit, dass die Vorlage Mittelstand und Familien entlaste. Mit 63.2 Prozent Nein-Stimmen lehnten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Änderung eher überraschend ab.
Daneben wurde im Themenbereich «Direkte Steuern» einmal mehr über die Abschaffung der Heiratsstrafe und damit verbunden über die Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» der CVP diskutiert. Nachdem das Bundesgericht die Abstimmung zur CVP-Initiative im April 2019 annulliert hatte, reichte das Initiativkomitee im Februar 2020 – auch auf Anraten von CVP-Präsident Gerhard Pfister – die von 14 der 15 Mitgliedern unterzeichnete Rückzugserklärung bei der Bundeskanzlei ein. Eine Beschwerde des Vereins Human Life, der sich mit Verweis auf ein Rechtsgutachten gegen den Rückzug wehrte, lehnte das Bundesgericht im Oktober 2020 ab.
Darüber hinaus bereinigte das Parlament das Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung finanzieller Sanktionen, welches entsprechend einer Motion Luginbühl (bdp, BE; Mo.14.3450) die Steuerabzüge von Bussen mit Strafzweck sowie von Bestechungszahlungen an Private und Aufwendungen zur Ermöglichung von Straftaten streichen wollte. Das Parlament entschied sich jedoch, vom Ausland verhängte Bussen weiterhin steuerlich abzugsfähig zu machen, sofern die Sanktionen gegen den schweizerischen Ordre public verstossen oder wenn das Unternehmen glaubhaft darlegen kann, dass es «alles Zumutbare unternommen hat, um sich [nach ausländischem Recht] rechtskonform zu verhalten».

Nicht zuletzt präsentierte der Bundesrat verschiedene neue Reformprojekte, unter anderem das Bundesgesetz über administrative Erleichterungen und die Entlastung des Bundeshaushalts, dessen Ziel die Entlastung des Bundeshaushalts durch verschiedene strukturelle Reformen in der Bundesverwaltung ist. Bereits ein erstes Mal im Parlament behandelt wurden das Bundesgesetz über elektronische Verfahren im Steuerbereich sowie die Botschaft zur Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern» der SP, welche der Bundesrat zuvor zur Ablehnung empfohlen hatte. Anträge auf Erarbeitung eines direkten Gegenentwurfs sowie auf Annahme der Initiative wurden abgelehnt. Auch im Bereich indirekte Steuern sorgte ein neues Initiativprojekt für einiges mediales Aufsehen, nämlich die Volksinitiative «Mikrosteuer auf dem bargeldlosen Zahlungsverkehr». Die Initiative will jede Belastung und Gutschrift des bargeldlosen Zahlungsverkehrs anfänglich mit 0.05 Promille belasten und dafür die Mehrwertsteuer, die direkte Bundessteuer sowie die Stempelabgabe abschaffen. Das Komitee begann im Februar 2020 mit der Unterschriftensammlung.

Ein Novum bei den Voranschlägen gab es Corona-bedingt im Jahr 2020 ebenfalls: Im November erarbeitete die FK-NR aufgrund einer parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 20.481) einen Übergangs- oder Notvoranschlag für das Jahr 2021. Dieser stützte sich auf die bundesrätliche Botschaft und die Mehrheitsentscheide der Kommissionen und sollte zur Anwendung kommen, falls das Parlament bis Ende Jahr kein Budget verabschieden konnte. Soweit kam es jedoch nicht: Nach langwierigen Debatten verabschiedeten National- und Ständerat Mitte Dezember den ordentlichen Voranschlag 2021.

Jahresrückblick 2020: Öffentliche Finanzen
Dossier: Jahresrückblick 2020

Im Oktober 2020 erliess das Bundesgericht sein Urteil gegen die Beschwerde des Vereins Human Life sowie mehrerer Privatpersonen gegen den Rückzug der Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» durch die CVP. Darin hielt es fest, dass ein Komitee eine eidgenössische Initiative gemäss Bundesgesetz über die politischen Rechte solange zurückziehen könne, bis der Bundesrat den Abstimmungstermin festgesetzt habe. Da mit dieser Bestimmung sichergestellt werden solle, dass eine Initiative nicht kurz vor der Abstimmung zurückgezogen werde, gebe es keinen Grund, sie in diesem speziellen Fall nicht anzuwenden. Auch den Vorwurf, wonach der Rückzug gegen die Abstimmungsfreiheit verstosse, verneinte das Gericht. Es gebe keinen Anspruch auf eine Anerkennung eines Abstimmungsergebnisses, bei dem der freie Wille der Stimmberechtigten nicht unverfälscht zum Ausdruck gekommen sei. Nach Aufhebung der Abstimmung sei ihre Wiederholung für die Wiederherstellung des «Vertrauens der Stimmberechtigten in die demokratischen Prozesse» nicht notwendig. Schliesslich habe der Rückzug nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen, zumal es für einen Rückzug keines besonderen Grundes bedürfe.

Volksinitiative der CVP «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Volksinitiative «für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»: Initiative, Annullierung und Rückzug
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?

Noch bevor der Abstimmungskampf zur Änderung der direkten Bundessteuer zur steuerlichen Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten, über die im Mai 2020 hätte abgestimmt werden sollen, richtig begonnen hatte, gab der Bundesrat im März 2020 bekannt, die Abstimmung aufgrund des Corona-bedingten Lockdowns auf September 2020 zu verschieben.
Die Abstimmungsvorlage umfasste zwei Aspekte: einerseits die im Titel aufgeführte Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs von CH 10'000 auf CHF 25'000, andererseits die der Vorlage von der bürgerlichen Parlamentsmehrheit hinzugefügte Erhöhung des Kinderabzugs von CHF 6'500 auf CHF 10'000. Im Zentrum der Abstimmungskampagne stand der zweite Aspekt, die Erhöhung des Kinderabzugs, wobei dieselbe Frage die Diskussion dominierte, die schon im Rahmen der Parlamentsdebatte im Mittelpunkt gestanden hatte: Wer profitiert von den Kinderabzügen? Zur Beantwortung dieser Frage stützten sich beide Seiten auf die Daten der ESTV, welche Finanzminister Maurer in der Parlamentsdebatte präsentiert hatte.
Die Befürworterinnen und Befürworter stellten den Nutzen der Vorlage für den Mittelstand in den Mittelpunkt ihrer Kampagne. «Der Mittelstand profitiert», warb etwa die CVP auf ihrer Internetseite. Stütze man sich auf die Definition des BFS für «Mittelstand», erhalte der Mittelstand 49 Prozent der Ermässigungen, argumentierte Marianne Binder-Keller gegenüber dem Sonntagsblick. Gegen diese Darstellung wehrten sich die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage: Der (obere) Mittelstand profitiere zwar auch, in erster Linie nütze die Vorlage aber vor allem den Gutverdienenden, kritisierten sie: Je höher das Einkommen, desto grösser sei der Spareffekt. 70 Prozent der Gesamtentlastung kämen so den 15 Prozent der Familien mit den höchsten Löhnen zu, während 45 Prozent der Familien keine Entlastung erfahren würden, da sie keine Bundessteuern bezahlten. Gar als «Klientelpolitik» bezeichnete etwa das liberale Komitee, vor allem bestehend aus Mitgliedern der GLP, die Vorlage. Noch einseitiger sei die Verteilung schliesslich, wenn nicht nur die Familien, sondern alle Haushalte, also auch die Alleinstehenden und die kinderlosen Paare, die ja ebenfalls von den Steuerausfällen betroffen wären, berücksichtigt würden, betonte überdies Jacqueline Badran (sp, ZH). Berücksichtige man diese ebenfalls, profitierten lediglich sechs Prozent aller Haushalte von 70 Prozent der Steuerausfälle. Man lasse jedoch den Mittelstand im Glauben, dass er von der Vorlage profitiere, indem in der Debatte sowie im Abstimmungsbüchlein jeweils das steuerbare Einkommen aufgeführt werde. Dies sei «total irreführend» (Badran gemäss Blick), da niemand die Höhe seines persönlichen steuerbaren Einkommens kenne. Die ESTV begründete die Verwendung des steuerbaren Einkommens jedoch damit, dass sich der tatsächliche Steuerbetrag beim Bruttoeinkommen zwischen verschiedenen Personen stark unterscheiden könne.
Obwohl die Befürworterinnen und Befürworter immer betonten, dass die Mehrheit der Familien profitiere, gab zum Beispiel Philipp Kutter (cvp, ZH), der die Erhöhung der Kinderabzüge im Nationalrat eingebracht hatte, in einem Interview gegenüber der NZZ unumwunden zu, dass die Vorlage auch eine Steuersenkung für Gutverdienende beinhalte: Über den Steuertarif seien allgemeine Steuersenkung für Gutverdienende «chancenlos», mehrheitsfähig sei einzig der «Weg über die Kinderabzüge».

Nicht nur der Mittelstand, sondern auch die Familien standen im Zentrum der Vorlage. Diese müssten endlich unterstützt werden, betonte Philipp Kutter, was mithilfe der aktuellen Vorlage möglich sei: 60 Prozent aller Familien könnten von einer Erhöhung des Kinderabzugs profitieren. Dem entgegnete etwa die NZZ, dass die Familien in den letzten Jahren stark entlastet worden seien (v.a. durch die Reduktion der Bundessteuer für Haushalte mit Kindern), deutlich stärker zumindest als Kinderlose. Brigitte Häberli-Koller (cvp, TG) befürwortete indes insbesondere, dass durch die aktuelle Vorlage alle Familienmodelle unabhängig der Betreuungsform entlastet würden. Die Gesellschaft habe als Ganzes ein Interesse daran, dass die Leute Kinder bekommen, ergänzte Kutter. Familiäre Strukturen seien für die Gesellschaft wichtig, überdies sei man dadurch weniger auf Zuwanderung angewiesen, die ja ebenfalls teilweise auf Ablehnung stosse. Demgegenüber wurde in der NZZ die Frage diskutiert, ob Kinderabzüge überhaupt gerechtfertigt seien. So könne man es als private Konsumentscheidung ansehen, Kinder zu haben; in diesem Falle würden Kinderabzüge der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit widersprechen. Es gäbe aber einen politischen Konsens, dass das Steuerrecht Kinderkosten berücksichtigen solle. Die Entscheidung, wie diese Unterstützung erfolgen solle (durch degressiv wirkende Kinderabzüge, neutral wirkende Abzüge vom Steuerbetrag oder durch progressiv wirkende Kinderzulagen zum Erwerbseinkommen), sei dann eine weitere, umverteilungspolitische Entscheidung.

Ein weiteres Argument der Gegnerinnen und Gegner der Erhöhung des Kinderabzugs lag in den daraus folgenden hohen Kosten: Die Vorlage verursache voraussichtlich fast 40mal höhere Kosten, als für die Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs geplant worden war, und übertreffe damit auch die Kosten der medial deutlich umstritteneren Verlängerung des Vaterschaftsurlaubs. Dadurch sei zukünftig weniger Geld für andere, sinnvollere Projekte vorhanden, argumentierten sie. SP, Grüne und die Kritikerinnen und Kritiker der Vorlage aus der FDP stellten dabei insbesondere die Individualbesteuerung in den Mittelpunkt. Dieser sprachen sie eine deutlich grössere Wirkung auf die Erwerbstätigkeit von Frauen zu als den Drittbetreuungsabzügen. Da sie aber ebenfalls zu hohen Steuerausfällen führen würde, befürchteten sie, dass die Abschaffung der Heiratsstrafe bei Annahme der aktuellen Vorlage auf die lange Bank geschoben würde, weil kein Geld mehr vorhanden wäre. Verstärkt wurde dieses Argument durch die hohen Kosten zur Bewältigung der Corona-Pandemie: Hatte der Bundesrat während der Budgetdebatte fürs Jahr 2020 noch mit einem Überschuss von CHF 344 Mio. gerechnet, wurde jetzt ein Defizit über CHF 20 Mrd. erwartet. Die Medien vermuteten von diesem Defizit nicht nur Auswirkungen auf die Vorlage zum Drittbetreuungs- und zum Kinderabzug, sondern auch auf die gleichzeitig stattfindenden Abstimmungen zu den Kampfflugzeugen und über den Vaterschaftsurlaub. «Angesichts enormer Zusatzlasten kann sich unsere Gesellschaft erst recht keine Steuergeschenke mehr leisten, die nichts bringen», argumentierte etwa GLP-Nationalrat Thomas Brunner (glp, SG). Das sahen die Befürwortenden anders, Philipp Kutter etwa betonte: «Das wird den Bund nicht umbringen».

Schliesslich waren sich Befürwortende und Gegnerschaft nicht einig, inwiefern das ursprüngliche Ziel der Vorlage, die Förderung der Beschäftigung hochgebildeter Personen, insbesondere von Frauen, durch die Ergänzung der Kinderabzüge gefördert wird. Raphaela Birrer argumentierte im Tages-Anzeiger, dass die Erhöhung der Kinderabzüge die Anreize zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit verstärke. In einer Studie zur Wirkung der beiden Abzüge (Kinderabzug und Drittbetreuungsabzug) auf die Erwerbstätigkeit bestätigte Avenir Suisse diesen Effekt nur bedingt: Zwar senkten beide Abzüge den Grenzsteuersatz (also die Besteuerung von zusätzlichem Einkommen) und förderten damit die Erwerbstätigkeit, jedoch sei der entsprechende Effekt des Kinderabzugs gering. Zudem senke er auch den Grenzsteuersatz von Einverdienerhaushalten, wodurch die Erwerbstätigkeit von Frauen nicht gesteigert werde. Von der Erhöhung des Betreuungskostenabzugs sei hingegen ein deutlich stärkerer Effekt auf die Erwerbstätigkeit zu erwarten, damit könne der Anreiz des aktuellen Steuersystems für Zweitverdienende, nicht oder nur wenig zu arbeiten, gemildert werden. Die GLP stellte entsprechend insbesondere diesen Aspekt in den Mittelpunkt und sprach von einer Mogelpackung, weil die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch die Erhöhung des Kinderabzugs nicht verbessert werde. Nationalrätin Christa Markwalder (fdp, BE), die sich ebenfalls im liberalen Komitee engagierte, reichte im Juni 2020 eine parlamentarische Initiative (Pa.Iv. 20.455) ein, mit der sie das Originalanliegen der Vorlage, also den Drittbetreuungsabzug, erneut aufnahm. Damit sollte dieser bei einer Ablehnung der Vorlage möglichst schnell verwirklicht werden können.
Die Frage, ob die Vorlage Anreize zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit beinhalte oder nicht, hatte aber noch eine zweite Komponente. So störte sich die Weltwoche überhaupt daran, dass das Steuerrecht «für alle möglichen Zwecke instrumentalisiert» werde. Es sei nicht dafür da, «bestimmte Lebensmodelle zu fördern», argumentierte Katharina Fontana. Zudem sei es unmöglich, Steuergerechtigkeit herzustellen, zumal sich niemand jemals gerecht besteuert fühle.

Bezüglich der Komitees gibt es weniger zu sagen. Auf der Befürworterseite der Vorlage standen insbesondere die CVP und die SVP. Ja-Parolen gaben auch die BDP, EVP und die FDP.Liberalen aus, unterstützt wurden sie vom Gewerbeverband. Die Medien interessierten sich indes insbesondere für die Position der Freisinnigen, zumal sie die Vorlage im Parlament anfangs bekämpft, ihr mit ihrem Meinungswandel dann aber zum Durchbruch verholfen hatten. Nun wolle sich die Partei nicht an der Kampagne beteiligen, so die WOZ, zumal sie intern gespalten war: Einzelne Personen, darunter Ständerat Andrea Caroni (fdp, AR) und Nationalrätin Christa Markwalder, sprachen sich gegen die Vorlage aus und beteiligten sich gar am liberalen Nein-Komitee. Dieses setzte sich insbesondere aus Mitgliedern der GLP zusammen und kämpfte vor allem dagegen, dass die «Mogelpackung» viel koste, aber keine oder gar negative Auswirkungen hätte. Damit würden «keine Anreize für arbeitstätige Elternteile geschaffen», betonte Kathrin Bertschy (glp, BE). Auf linker Seite kämpften vor allem die SP und die Grünen, welche die Unterschriften für das Referendum gesammelt hatten, für ein Nein. Unterstützt wurden sie von den Gewerkschaften, aber auch Avenir Suisse sprach sich gegen die Kinderabzüge aus. Stimmfreigabe erteilten hingegen unter anderem die FDP Frauen. Sie befürworteten zwar den Drittbetreuungsabzug, störten sich aber an den hohen Kosten des Kinderabzugs, durch den das wichtigere Projekt der Individualbesteuerung weiter hinausgeschoben werde. Auch der Arbeitgeberverband entschied sich für Stimmfreigabe, nachdem er das Projekt im Parlament noch bekämpft hatte, da es «kaum zu einer stärkeren Arbeitstätigkeit der Eltern beitrage», wie der Blick berichtete. Dasselbe geschah mit Economiesuisse, der das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Vorlage anfangs zu wenig ausgewogen gewesen sei. Der Sonntags-Blick vermutete, dass sich die Verbände nicht zu einer Nein-Parole hätten durchringen können, da das Referendum «aus dem falschen politischen Lager» stammte. Interessant war für die Medien schliesslich auch die Position des Bundesrates, insbesondere von Finanzminister Maurer. Dieser hatte die Vorlage im Parlament mit deutlichen Worten bekämpft, vertrat nun aber – wie im Gesetz für politische Rechte geregelt – die Position des Parlaments. Ersteres hatte er so gut getan, dass sich auch die NZZ nicht sicher war, ob er denn nun die Vorlage persönlich befürworte, wie seine Partei, oder sie ablehne.

Der Abstimmungskampf zur Vorlage verlief ungemein schwach. So stand sie deutlich im Schatten der Corona-Pandemie sowie der anderen vier Vorlagen. Sie wurde gemäss Analysen vom Fög und von Année Politique Suisse einerseits nur sehr schwach in Zeitungsinseraten beworben und andererseits auch in den Medien vergleichsweise selten thematisiert. Die briefliche Stimmabgabe deutete anfänglich auf mässiges Interesse am Super-Sonntag hin, wie der Abstimmungstag mit fünf Vorlagen in den Medien genannt wurde. Die SP schaltete sieben kurze Animationsfilme und gab ein Comic-Heftchen zu den Filmen aus, um zu verhindern, dass die Vorlage untergeht. Die ersten Vorumfragen Mitte August 2020 zeigten dann auch, dass die Meinungsbildung zur Vorlage noch nicht weit fortgeschritten war. Auf diese Tatsache wurde in den entsprechenden Berichten das Zwischenergebnis, wonach die Sympathisierenden von SP und Grünen die Vorlage mehrheitlich befürworteten, zurückgeführt. Besserverdienende gaben zu diesem Zeitpunkt an, der Vorlage eher zuzustimmen. Christian Levrat (sp, FR) hoffte, diese Personen durch die Kampagne noch umstimmen zu können. Die erste Tamedia-Umfrage ergab insgesamt eine Zustimmung («dafür» oder «eher dafür») von 55 Prozent und eine Ablehnung von 37 Prozent, während die SRG-Vorumfrage mit 51 Prozent zu 43 Prozent zu ähnlichen Ergebnissen kam. Diese Zahlen kehrten sich bis zum Termin der letzten Welle Mitte September um: Die Tamedia-Umfrage ergab eine Zustimmung von 46 Prozent und eine Ablehnung von 51 Prozent, die SRG-Umfrage eine von 43 Prozent zu 52 Prozent. Bei den Sympathisierenden von SP und Grünen war die Zustimmung vom ersten zum zweiten Termin gemäss SRG-Umfragen um 19 respektive 14 Prozentpunkte gesunken, bei den Sympathisierenden der GLP ebenfalls um 12 Prozentpunkte. Bei den übrigen Parteien nahm sie ebenfalls leicht ab.

Das Resultat der Abstimmung zur Änderung der direkten Bundessteuer über die steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten war schliesslich deutlicher, als die Vorumfragen und die Ausgangslage viele Kommentatorinnen und Kommentatoren hatten vermuten lassen: Mit 63.2 Prozent Nein-Stimmen lehnte das Stimmvolk die Vorlage mit einer vergleichsweise hohen Stimmbeteiligung von 59.2 Prozent deutlich ab. Dieses Nein lasse jedoch einigen Interpretationsspielraum, betonten die Medien. So gab es zwischen den Kantonen doch beträchtliche Unterschiede: Am kritischsten zeigte sich die Stimmbevölkerung im Kanton Appenzell-Ausserrhoden (28.1%), gefolgt von denjenigen in Appenzell-Innerrhoden (29.3%) und Bern (29.5%), am höchsten lag die Zustimmung im Tessin (52.0%) und in Genf (50.1%), beide Kantonsbevölkerungen hätten die Vorlage angenommen. Allgemein wurde gemäss BFS ersichtlich, dass die italienischsprachige (52.0%) und die französischsprachige Schweiz (48.5%) der Vorlage deutlich mehr abgewinnen konnten als die Deutschschweiz. Kaum Unterschiede waren zwischen Stadt und Land erkennbar: Die ländlichen Regionen (35.3%) lehnten die Vorlage ähnlich stark ab wie die Kernstädte (35.8%). Das Resultat könne nicht mit dem Links-Rechts-Schema erklärt werden, betonte die NZZ. Stattdessen seien vor allem die persönliche Einstellung zur Familienpolitik und zur Rolle des Staates relevant gewesen. Die externe Kinderbetreuung würde in der Romandie stärker akzeptiert und durch den Staat stärker unterstützt als in der Deutschschweiz, betonte denn auch CVP-Ständerätin Marianne Maret (cvp, VS) gegenüber der NZZ. Entsprechend habe in der Westschweiz vor allem der Drittbetreuungsabzug im Mittelpunkt gestanden, während in der Deutschschweiz hauptsächlich über den Kinderabzug diskutiert worden sei, stellte SP-Nationalrätin Franziska Roth (sp, SO) fest. Eine zu späte Kampagne in der Romandie machte schliesslich SP-Nationalrat Roger Nordmann für den hohen Anteil Ja-Stimmen in der französischsprachigen Schweiz verantwortlich. Christian Levrat erachtete das Ergebnis insgesamt als Absage des Volkes an die bürgerliche Steuerpolitik und als Ausblick auf andere bürgerliche Projekte zur Abschaffung der Stempelabgabe, der Industriezölle, des Eigenmietwerts oder der Heiratsstrafe. Stattdessen müssten nun Familien mit tiefen und mittleren Einkommen entlastet werden, insbesondere durch die Senkung der Krankenkassenprämien und die kostenlose Bereitstellung von Kita-Plätzen. Philipp Kutter wollte die Entlastung von Familien weiterverfolgen und plante anstelle des Kinderabzugs einen Abzug vom Steuerbetrag. Dass neben der Erhöhung des Kinderabzugs auch die Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs gescheitert war, erachtete Christa Markwalder nicht als entmutigend und setzte auf ihre eingereichte parlamentarische Initiative. Anders als bei der ersten Behandlung des Themas im Nationalrat, als sich die SP- und die Grüne-Fraktion gegen Eintreten ausgesprochen hatten, kündigte Christian Levrat an, die parlamentarische Initiative zu unterstützen. Dies sei aber nur ein erster Schritt, zusätzlich brauche es auch Lösungen, die sich für die Mehrheit der Bevölkerung auszahlten.


Abstimmung vom 27. September 2020

Beteiligung: 59.2%
Ja: 1'164'415 (36.8%)
Nein: 2'003'179 (63.2%)

Parolen:
- Ja: BDP (1*), CVP, EVP (1*), FDP (1*), SVP; SGV
- Nein: EDU, GLP (1*), GPS, PdA, SD, SP; SGB, SSV, Travail.Suisse, VPOD
- Stimmfreigabe: Economiesuisse, SAV
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten

Nach der Annullierung der Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» durch das Bundesgericht im April 2019 stand die CVP vor der Frage, ob sie ihre Initiative zurückziehen soll oder nicht. Als Reaktion auf das Bundesgerichtsurteil hatte der Bundesrat im August 2019 eine Zusatzbotschaft zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer bezüglich einer ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung, dem aktuellen Bundesratsgeschäft zur Abschaffung der Heiratsstrafe, vorgelegt. Auf Letzteres setzte die CVP gemäss Medienberichten ihre Hoffnung: Würde das Bundesratsgeschäft bis Mai 2020 quasi als Gegenvorschlag zur Initiative verabschiedet, könnte die Partei die Initiative ohne Gesichtsverlust zurückziehen und müsste das aufgrund der – gemäss Medien auch innerhalb der CVP – steigenden Zustimmung zur Ehe für alle gestiegene Risiko einer Niederlage in einer erneuten Abstimmung nicht eingehen. Dazu kam es jedoch nicht: Im September und Dezember 2019 entschieden sich Ständerat und Nationalrat dafür, das Geschäft an den Bundesrat zurückzuweisen und diesen mit einer neuen Auslegeordnung zu den Vor- und Nachteilen verschiedener Steuermodelle zu beauftragen. Obwohl im Anschluss daran verschiedene CVP-Mitglieder betonten, an der Initiative festhalten zu wollen, gab CVP-Präsident Pfister im Januar 2020 bekannt, dass das Parteipräsidium dem Initiativkomitee den Rückzug der Initiative unter gleichzeitiger Lancierung einer neuen Initiative mit ähnlichem Anliegen, aber ohne Ehedefinition, beantragen werde. Am 4. Februar 2020 reichte das Initiativkomitee schliesslich die von 14 der 15 Mitgliedern unterzeichnete Rückzugserklärung bei der Bundeskanzlei ein.
Damit war die Geschichte der CVP-Initiative jedoch noch nicht zu Ende: Bereits vor dem offiziellen Rückzug hatte der Verein Human Life, der nach eigenen Angaben 15'000 Unterschriften für die Initiative gesammelt hatte, angekündigt, Beschwerde gegen den Rückzug einzureichen. Ein Rechtsgutachten sei zum Schluss gekommen, dass die Initiative nach der Aufhebung des Abstimmungsergebnisses «direkt zur Wiederholungsabstimmung vorgelegt werden muss, da für ein anderweitiges Vorgehen keine gesetzliche Grundlage besteht». Die Rückzugserklärung verletze die politischen Rechte der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, deren Interesse höher zu gewichten sei als dasjenige des Initiativkomitees.

Volksinitiative der CVP «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Volksinitiative «für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»: Initiative, Annullierung und Rückzug
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?

Wie angekündigt begann die SP kurze Zeit nach der parlamentarischen Schlussberatung mit der Unterschriftensammlung für das Referendum gegen die Erhöhung des Kinderabzugs. Die Partei wehrte sich dagegen, dass zukünftig CHF 10'000 statt wie bisher CHF 6'500 pro Kind von den Steuern abgezogen werden können. Von diesem «Reichenbonus» würden Alleinerziehende respektive Eltern mit zwei Kindern erst ab einem Jahreseinkommen von CHF 100'000 respektive CHF 120'000 profitieren, den Maximalbetrag erreiche man erst ab CHF 200'000 respektive 300'000, betonten Exponentinnen und Exponenten der Partei. Bei einem Jahreseinkommen von CHF 100'000 zahle man jährlich CHF 90 bis 210 weniger Steuern, bei einem Einkommen von CHF 150'000 CHF 168 bis 490 weniger und ab einem Einkommen von CHF 200'000 CHF 910. So kämen entsprechend 70 Prozent der Entlastung den 15 Prozent der Familien mit den höchsten Einkommen zu Gute. «Die, die jetzt entlastet werden, merken nicht einmal, dass sie entlastet werden», kritisierte etwa Anita Fetz (sp, BS) die Massnahme. Stattdessen könnten für dieselben Kosten von CHF 350 Mio. die Prämienverbilligungen um über 10 Prozent aufgestockt werden. Dieser Kritik hatte Finanzminister Maurer in der Parlamentsdebatte beigepflichtet: 85 Prozent aller Familien würden kaum oder gar nicht von der Änderung profitieren. «Das ist eine Steuerentlastung für höhere Einkommen. Das kann man wollen, aber dann darf man das nicht als Familienvorlage verkaufen», betonte er. Diese Kritik liess Beat Walti (fdp, ZH) gegenüber der NZZ nicht gelten: Zwar profitierten die Familien von Gutverdienenden von dieser Änderung, sie bezahlten aber auch den Grossteil der Steuern – 44 Prozent der Familien mit Kindern bezahlen keine Bundessteuer – und trügen dadurch eine erhebliche Abgabenlast mit einer Grenzbelastung gegen 50 Prozent. Wenn man schon die Progression nicht ändern könne, müsse man halt die Abzüge erhöhen.
Mit dem Hauptargument des «Reichenbonus» machte sich die SP Schweiz zusammen mit den Grünen an die Unterschriftensammlung. Unterstützt wurden sie gemäss Medien ab Ende November von einem liberalen Nein-Komitee – hauptsächlich bestehend aus Mitgliedern der GLP und einzelnen Jungfreisinnigen. Dieses kritisierte die Erhöhung des Kinderabzugs als «Herdprämie» oder als «Konkubinatsstrafe». Ursprünglich habe die Vorlage dazu gedient, die Arbeitsanreize für gutverdienende Frauen zu erhöhen. Dadurch dass nun die Kinderabzüge aber für alle Familien erhöht würden, würden die Arbeitsanreize von Frauen mit mehreren Kindern verringert, kritisierte etwa Kathrin Bertschy (glp, BE) die Änderung. Durch die Unterstützung von Einverdiener-Haushalten – neben anderen Haushaltsformen – würde auch ein konservatives Familienbild gestärkt. Unterstützung erhielten die Referendumsführenden dabei auch von Avenir Suisse. Deren Forschungsleiter Marco Salvi betonte gegenüber der Presse, dass ein Zielkonflikt zwischen finanzieller Entlastung der Familien und Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bestehe und diese Vorlage nur wenig zur Stärkung der Vereinbarkeit beitrage – und allenfalls sogar kontraproduktiv sei. Die Experten der Steuerverwaltung erwarteten gemäss Medien aufgrund sich gegenseitig aufhebender Effekte auch «keinen nennenswerten Einfluss» auf die Arbeitsanreize von Zweitverdienenden.
Zwar zeigten sich auch die Kantone nicht erfreut über die Vorlage, zumal sie diese CHF 70 Mio. pro Jahr kosten würde, ohne dass sie zuvor in einer Vernehmlassung die Möglichkeit gehabt hätten, ihre Meinung zu der Erhöhung der Kinderabzüge kundzutun. Dennoch wollten sie sich nicht an einem Referendum beteiligen.

Am 14. Januar 2020 reichte die SP nach eigenen Angaben 60'000 beglaubigte Unterschriften ein, was die NZZ als «Machtdemonstration» der Partei verstand, die «scheinbar mühelos» ein Referendum zustandegebracht habe. Parteipräsiedent Levrat (sp, FR) betonte denn auch gegenüber dem Blick, dass man das Referendum aus eigener Kraft zustande gebracht habe. Ende Januar bestätigte die Bundeskanzlei das Zustandekommen des Referendums mit 53'088 gültigen Unterschriften.

Steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten

Rund zwei Monate nachdem das Bundesgericht die Abstimmung über die Initiative der CVP gegen die Heiratsstrafe annulliert hatte, reichten CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) im Nationalrat und Pirmin Bischof (cvp, SO) im Ständerat zwei gleichlautende Motionen für eine Neubehandlung der Volksinitiative «für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» im Parlament ein. Darin forderten sie den Bundesrat auf, dem Parlament die Möglichkeit zu geben, sich noch einmal unter Vorlage der korrekten Zahlen eine Meinung zur Initiative bilden zu können, und entsprechend den Bundesbeschluss über die Entscheidung des Parlaments vom Juni 2015 per sofort aufzuheben. Denn nicht nur das Schweizer Volk, auch das Schweizer Parlament habe auf der Basis von falschen Zahlen entschieden. Der Bundesrat solle dem Parlament nun eine neue Botschaft zur Volksinitiative oder eine Zusatzbotschaft zu einem relevanten, im Parlament hängigen Geschäft unterbreiten.
Der Bundesrat erklärte, dass der entsprechende Bundesbeschluss nicht Teil des Bundesgerichtsurteils gewesen und somit weiterhin gültig sei und er – oder auch das Bundesgericht – nicht die Kompetenz hätten, diesen Beschluss zu ändern oder aufzuheben. Durch eine Zusatzbotschaft zum im Parlament hängigen «Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer für eine (ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung)» erhalte das Parlament aber die Möglichkeit, das Anliegen der Volksinitiative nochmals inhaltlich zu beraten.
Da er sein Anliegen durch die Zusatzbotschaft erfüllt sah, zog Pirmin Bischof seine Motion Anfang September 2019 zurück. Diskussionslos lehnte der Nationalrat in der Herbstsession 2019 auch die Motion Pfister ab.

Neubehandlung der Volksinitiative "für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe" im Parlament (Mo. 19.3757)
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Volksinitiative «für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»: Initiative, Annullierung und Rückzug
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?

Im Juni 2018 erklärte das EFD in einer Medienmitteilung, dass die bisherigen Angaben zur Höhe der von der Heiratsstrafe betroffenen Zweiverdienerehepaaren falsch gewesen seien: Bisher sei man von 80'000 betroffenen Zweiverdienerehepaaren ausgegangen, habe dabei aber die entsprechenden Ehepaare mit Kindern vergessen mitzuzählen. Durch Einschluss dieser Gruppe erhöht sich die Zahl auf 454'000 Ehepaare; kombiniert mit den zuvor korrekt berechneten 250‘000 betroffenen Rentnerehepaaren zahlen folglich insgesamt 704'000 Ehepaare mehr Steuern als Konkubinatspaare. Die ursprünglich kommunizierte Zahl von 80'000 hatte unter anderem auch als Informationsgrundlage zur Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» gedient, die 2016 mit 49.2 Prozent Ja-Stimmen nur knapp gescheitert war. Entsprechend reichte die CVP als Initiantin des Anliegens nur wenige Tage nach Bekanntwerden der korrekten Zahlen in acht Kantonen Abstimmungsbeschwerden ein und zog diese nach Nichteintretensentscheiden in den Kantonen ans Bundesgericht weiter. In der Folge entschied sich die WAK-SR mit 11 zu 0 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) die Beratung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer bezüglich einer ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung zu sistieren, bis der Bundesrat Rechenschaft über die Fehler abgelegt und korrekte Zahlen vorgelegt habe. Bis dahin sollte auch das Urteil des Bundesgerichts zu den Abstimmungsbeschwerden vorliegen, erklärte die Kommission.

Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung; BRG 18.034)
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?
Dossier: Bestrebungen zur Einführung der Individualbesteuerung

Im Juni 2018 erklärte das EFD in einer Medienmitteilung, dass die bisherigen Angaben zur Höhe der von der Heiratsstrafe betroffenen Zweiverdienerehepaaren falsch gewesen seien: Bisher sei man von 80'000 betroffenen Zweiverdienerehepaaren ausgegangen, habe dabei aber die entsprechenden Ehepaare mit Kindern vergessen mitzuzählen. Durch Einschluss dieser Gruppe erhöht sich die Zahl auf 454'000 Ehepaare; kombiniert mit den zuvor korrekt berechneten 250‘000 betroffenen Rentnerehepaaren zahlen folglich insgesamt 704'000 Ehepaare mehr Steuern als Konkubinatspaare.
Die ursprünglich kommunizierte Zahl von 80'000 hatte unter anderem auch als Informationsgrundlage zur Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» gedient, die 2016 mit 49.2 Prozent Ja-Stimmen nur knapp gescheitert war. Entsprechend reichte die CVP als Initiantin des Anliegens nur wenige Tage nach Bekanntwerden der korrekten Zahlen in acht Kantonen Abstimmungsbeschwerden ein und zog diese nach Nichteintretensentscheiden in den Kantonen ans Bundesgericht weiter.
In den Medien wurde in der Folge spekuliert, ob das Bundesgericht den Beschwerden stattgeben werde und ob die Abstimmung allenfalls gar wiederholt werden könnte, was in der Schweizer Geschichte der direkten Demokratie einmalig wäre. Die Medien zogen Parallelen zur Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform II aus dem Jahr 2008, die mit 49.5 Prozent Ja-Stimmen knapp angenommen worden war und zu deutlich grösseren Steuerausfällen geführt hatte, als angekündigt worden war. Obwohl das Bundesgericht den Klägern damals recht gab und den Bundesrat rügte, lehnte es eine Wiederholung der Abstimmung ab, da sich die Unternehmen bereits auf die neue Rechtslage eingestellt hätten und die Rechtssicherheit vorgehe. Da es aber bei der Initiative gegen die Heiratsstrafe nicht zu einer Änderung gekommen sei, liege die Situation hier anders, spekulierten die Medien: Die Abstimmung könne wiederholt werden, ohne zum Beispiel das laufende Projekt des Bundesrates zur Abschaffung der Heiratsstrafe zu gefährden, erklärte zum Beispiel der Tagesanzeiger. Anders sehe es hingegen für die von den Grünliberalen eingereichte parlamentarische Initiative Ehe für alle aus, betonte dieselbe Zeitung weiter. Bei einer allfälligen Annahme der Initiative gegen die Heiratsstrafe würde deren Definition der Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau mit der vom Geschlecht unabhängigen, «gesetzlich geregelten Lebensgemeinschaft», wie sie die parlamentarische Initiative auf Verfassungsstufe festschreiben möchte, kollidieren.
Darüber hinaus wurde die Frage diskutiert, wieso es einer neuerlichen Abstimmung bedürfe, wenn doch der Bundesrat bereits eine Vorlage zur Abschaffung der Heiratsstrafe präsentiert habe. Pirmin Bischof (cvp, SO) entgegnete diesbezüglich, dass eine Annahme des Vorstosses im Parlament nicht gesichert sei und zudem nicht klar sei, ob die Abschaffung der Heiratsstrafe ihm Sinne der CVP – also durch ein Splitting – erfolge.
In der Folge sistierte die WAK-SR die Beratung des bundesrätlichen Vorschlags zur Abschaffung der Heiratsstrafe, bis der Bundesrat Rechenschaft über die Fehler abgelegt und korrekte Zahlen vorgelegt habe. Bis dahin sollte auch das Urteil des Bundesgerichts vorliegen, erklärte die Kommission.

Volksinitiative der CVP «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Volksinitiative «für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»: Initiative, Annullierung und Rückzug
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?

Mit der 2011 lancierten Volksinitiative "Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe" kam am 28. Februar 2016 die zweite CVP-Initiative innerhalb eines Jahres zur Abstimmung. Die Initiative verlangte, dass die Ehe gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens nicht benachteiligt wird, insbesondere in Bezug auf Steuern und Sozialversicherungen. FDP, BDP, SP, GP und GLP fassten allesamt die Nein-Parole und folgten damit dem Parlament, das sich nach langem Hin und Her dafür entschieden hatte, der Initiative keinen direkten Gegenvorschlag gegenüberzustellen. Unterstützung erhielt die CVP von Seiten der SVP, der EVP und der EDU, die die Ja-Parole beschlossen hatten. Wie bereits im Vorjahr verlief der Abstimmungskampf zur Initiative der CVP verhältnismässig lau. So wurden etwa für das am gleichen Tag zur Abstimmung gebrachte Referendum über die zweite Gotthardröhre rund zehnmal mehr Inserate in Schweizer Tages- und Wochenzeitungen geschaltet als für die Initiative gegen die Heiratsstrafe. Im Falle der Durchsetzungsinitiative der SVP, über die das Schweizer Volk ebenfalls am 28. Februar 2016 befand, fanden rund viermal mehr Inserate Eingang in der Tagespresse als für das CVP-Volksbegehren. Dies spielte den Befürwortern in die Karten, da es sich laut den Experten von gfs.bern um eine "potenzielle Mehrheitsinitiative" des bürgerlich-konservativen Lagers handelte. Im Laufe des Wahlkampfs verschafften sich die Gegner dann aber immer mehr Gehör und vermochten ihre Argumente besser zu platzieren. Insbesondere das Argument, wonach die Initiative gleichgeschlechtliche Paare diskriminiere, war in den Medien präsent. Passend zum zähen parlamentarischen Ringen um die Frage, ob man dem Begehren der CVP einen direkten Gegenentwurf gegenüberstellen wolle, und der Tatsache, dass mit dem Initiativtext mehrere Konfliktlinien salient wurden, fiel am Ende das Abstimmungsresultat knapp aus: 49,2% der Partizipierenden und 18 Stände stimmten der Vorlage zu, womit die Vorlage zwar ein Ständemehr, nicht aber das Volksmehr hinter sich hatte und entsprechend abgelehnt wurde. Die gesamtschweizerische Stimmbeteiligung betrug 63,3%. Die höchsten Ja-Stimmenanteile erreichte die Initiative in den Kantonen Jura (60,1%), Wallis (57,0%) und Appenzell Innerrhoden (55,6%). Am wenigsten Zustimmung erhielt das Anliegen in den bevölkerungsreichen Kantonen Basel-Stadt (39,5%), Zürich (43,5%) und Waadt (45,7%).

Abstimmung vom 28. Februrar 2016

Beteiligung 63,3%
Ja 1'609'152 (49,2%) / Stände 15 3/2
Nein 1'664'224 (50,8%) / Stände 5 3/2

Parolen:
-Ja: CVP, SVP, EVP, EDU
-Nein: FDP, BDP, SP, GP, GLP

Volksinitiative der CVP «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Volksinitiative «für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»: Initiative, Annullierung und Rückzug
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?

Die VOX-Analyse zur Volksinitiative "Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen" zeigte, dass nur gerade die Hälfte der CVP-Anhänger dem Anliegen ihrer Partei zugestimmt hatten. Bei der SVP, die etwas überraschend die Ja-Parole beschlossen hatte, war gar weniger als ein Drittel der Parteibasis der Empfehlung gefolgt. Die VOX-Analyse kam überdies zum Schluss, dass der gesellschaftspolitische Konflikt, der bei früheren familienpolitischen Vorlagen eine wichtige Rolle gespielt hatte, bei der CVP-Familieninitiative kaum zum Tragen gekommen war. Die Initiative sei, so die Autoren, vielmehr aus fiskalpolitischen Gründen abgelehnt worden. Eine Mehrzahl der befragten Personen hatte angegeben, gegen die Initiative gestimmt zu haben, weil vor allem bessergestellte Familien davon profitiert hätten. Neben dem Fairness-Argument, das im Wahlkampf vor allem von linker Seite eingebracht worden war, hatten auch die drohenden Steuerausfälle ein Nein begünstigt.

Volksinitiative "Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen"

Am 18. März 2015 schritten National- und Ständerat zur Schlussabstimmung über die Volksinitiative "Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe", die 2011 von der CVP lanciert und der im Winter 2014/15 von National- und Ständerat ein direkter Gegenvorschlag gegenübergestellt worden war. Während der Nationalrat dem Gegenentwurf mit 100 zu 81 Stimmen bei 4 Enthaltungen, wie bei Schlussabstimmungen üblich, neuerlich zustimmte, ereignete sich in der kleinen Kammer schon fast Historisches: Der Ständerät stimmte in der Schlussabstimmung mit 22 zu 20 Stimmen bei 1 Enthaltung gegen den Gegenvorschlag, den er zwei Wochen zuvor auf Anraten der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-SR) noch mit 24 zu 19 Stimmen bei 1 Enthaltung gutgeheissen hatte. Damit war der Gegenvorschlag definitiv vom Tisch. Das Zünglein an der Waage hatten vier Ständeräte der FDP-Liberalen-Fraktion und ein Vertreter der SVP gespielt. Diese gingen nach der CVP-Abstimmungsschlappe vom 8. März 2015 wohl davon aus, dass die zweite Familieninitiative der Christlichdemokraten auch ohne Gegenvorschlag abgelehnt werden würde.

Volksinitiative der CVP «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Volksinitiative «für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»: Initiative, Annullierung und Rückzug
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?

Die 2011 von der CVP lancierte Volksinitiative "Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen" kam am 8. März 2015 zur Abstimmung. Es war dies die erste Volksinitiative der Christlichdemokraten seit 1941. Damals hatten die Katholisch-Konservativen die Einführung der Kinderzulagen gefordert und 1945 nach der Annahme eines parlamentarischen Gegenentwurfs einen Teilerfolg verbuchen können. Anders präsentierte sich die Ausgangslage 70 Jahre später: Zwar drehte sich das Begehren der CVP, wohl auch aufgrund der nahenden Nationalrats- und Ständeratswahlen, wieder um das Thema der Kinderzulagen, diesmal hatte das Parlament aber auf die Ausarbeitung eines Gegenentwurfs verzichtet und Volk und Ständen empfohlen, Kinder- und Ausbildungszulagen nicht von den Steuern auszunehmen. Bei der Parolenfassung im Vorfeld des Urnenganges hatte sich auf nationaler Ebene Überraschendes abgespielt: Neben der CVP, die als Initiantin naturgemäss bereits im Parlament geschlossen für ihr Ansinnen gestimmt hatte, sprach sich auch eine Mehrheit der SVP-Delegierten (144 zu 96 Stimmen) und die EVP für eine Annahme der Volksinitiative aus. Im Nationalrat hatten sich nur vereinzelte Exponentinnen und Exponenten der Volkspartei für das Anliegen stark gemacht, eine Mehrheit hatte gegen die steuerliche Entlastung von Familien gestimmt. So auch bei der EVP: Die beiden EVP-Parlamentarierinnen, die der CVP-Fraktion angehörten, hatten entgegen der Fraktionslinie votiert, die Partei beschloss dann aber gleichwohl die Ja-Parole. Die Nein-Parole fassten neben den Grünen auch die SP, die BDP und die FDP. Der Abstimmungskampf verlief dann trotz der Konfliktlinie durch die Regierungsparteien verhältnismässig lau. Die Kampagne der Befürworter wurde fast ausschliesslich von der CVP getragen. Auf Plakaten, in Inseraten und im Internet war sie mit dem Slogan "Familien stärken" präsent. Einen herben Dämpfer erlitten die Befürworter, als im Januar alle elf amtierenden für ein kantonales Finanzdepartement zuständigen CVP-Regierungsräte im Abstimmungskampf Stellung gegen die Initiative bezogen. Sie brachten vor, dass bei einer Annahme gerade die Kantone mit hohen finanziellen Ausfällen zu rechnen hätten und dass Steuererhöhungen oder Sparpakete nötig würden, um diese Einbussen zu kompensieren. Die von linker Seite vorgebrachten Argumente, wonach von einer Annahme fast ausschliesslich privilegierte Familien profitieren würden, waren im lauen Abstimmungskampf kaum zu hören. Die Volksinitiative wurde schliesslich von Volk und Ständen deutlich verworfen. Nur gerade 24,6% der Partizipierenden stimmten der Vorlage zu. Die gesamtschweizerische Stimmbeteiligung betrug 42,1%. Die höchsten Ja-Stimmenanteile erreichte die Initiative in den Kantonen Jura (42,8%), Freiburg (32,6%) und Wallis (32,2%). Am wenigsten Zustimmung erhielt das Anliegen in den Kantonen Glarus (16,9%), Appenzell Ausserrhoden (20,4%) und Zürich (20,4%).

Abstimmung vom 8. März 2015

Beteiligung 42,1%
Ja 537'795 (24,6%) / Stände 0
Nein 1'650'109 (75,4%) / Stände 20 6/2

Parolen:
-Ja: CVP, SVP, EVP
-Nein: SP, FDP, BDP, GPS

Volksinitiative "Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen"

Im Dezember 2014 sprach sich der Nationalrat bei einer Enthaltung mit 102 zu 86 Stimmen dafür aus, der von der CVP lancierten Volksinitiative "Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe" einen direkten Gegenentwurf gegenüberzustellen und die Volksinitiative zur Ablehnung zu empfehlen. Der direkte Gegenentwurf, der von der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-NR) mit 13 zu 12 Stimmen gefasst wurde, enthält im Kern ebenfalls die Abschaffung der sogenannten "Heiratsstrafe", verzichtet aber auf eine Definition des Ehebegriffs und eine Präzisierung der Ehe aus steuerlicher Sicht als Wirtschaftsgemeinschaft. In der Vernehmlassung zeigten sich wie in der Kommission zwei ähnlich grosse Lager, wobei in erster Linie steuerliche Präferenzen die Konfliktlinie bestimmten. 13 Kantone sowie die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren (FDK) sprachen sich für eine Verankerung der Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft in steuerlicher Hinsicht aus, 12 Kantone stellten sich hinter den Gegenvorschlag der Kommission. Bei der Frage der Ehe-Definition vertraten "nur" zwei Kantone (Basel-Landschaft und Wallis) die Auffassung, dass die Ehe vorbehaltlos als Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau in die Verfassung aufgenommen werden sollte. Im Parlament war es dann eine Koalition aus Ratslinken, FDP und GLP, die sich durchzusetzen vermochte. Während die Sozialdemokraten und die Grünen dem direkten Gegenvorschlag in erster Linie zustimmten, um eine künftige Besserstellung von eingetragenen Partnerschaften nicht zu verunmöglichen, sprach sich der Freisinn für den Vorschlag der Kommission aus, weil nur dieser eine "zivilstandsneutrale Besteuerung" ermöglichen könne. Der Ständerat hatte sich zum Jahresende noch nicht mit dem Geschäft befasst.

Volksinitiative der CVP «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Volksinitiative «für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»: Initiative, Annullierung und Rückzug
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?

Im Jahr 2014 folgten beide Kammern dem Bundesrat und lehnten die Volksinitiative "Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen" ab. Die CVP stand als Initiantin in beiden Räten weitgehend alleine da. In der Schlussabstimmung im September stimmten im Nationalrat nur gerade 35, im Ständerat 12 Parlamentarierinnen und Parlamentarier dem Begehren zu. Das in der Debatte immer wieder vorgebrachte Argument der erwarteten Mindereinnahmen von jährlich rund CHF 760 Mio. bei den Kantonen und Gemeinden bzw. CHF 200 Mio. beim Bund wog offenbar zu schwer. Daneben wiesen die Gegner der Volksinitiative darauf hin, dass die Hälfte der Haushalte mit Kindern bereits heute von der direkten Bundessteuer befreit sei und die Initiative damit fast ausschliesslich privilegierten Familien zugutekommen würde. Die Abstimmung über die Volksinitiative wurde auf den 8. März 2015 angesetzt.

Volksinitiative "Familien stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen"

Im Mai beschloss die CVP, gleichzeitig zwei Volksinitiativen im Bereich der Familienbesteuerung zu lancieren. Das eine Begehren fordert die Streichung der Besteuerung von Kinder- und Ausbildungszulagen, während sich das andere gegen die Heiratsstrafe richtet.

Volksinitiative der CVP «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Volksinitiative «für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»: Initiative, Annullierung und Rückzug
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?

Parteien, Kantone und Economiesuisse äusserten sich kritisch zum Ansinnen des Bundesrates. Das Ziel, die steuerliche Ungleichbehandlung von Zweiverdienerehepaaren aufzuheben, war unbestritten, ungeeignet und untauglich seien hingegen der vorgeschlagene Zweiverdienerabzug und die Gegenfinanzierung, weil sie zu einer Mehrbelastung der Alleinstehenden führten. Zudem hätten Zweiverdienerehepaare nun im Vergleich zu Einverdienerehepaaren und Konkubinatspaaren deutlich weniger zu bezahlen als nach geltendem Recht. SVP, CVP und Economiesuisse sprachen sich für ein Teilsplitting aus, das auch die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren befürwortete; SP und FDP bevorzugten die Einführung der Individualbesteuerung.

Sofortmassnahmen im Bereich der Ehepaarbesteuerung (BRG 06.037)
Dossier: Abschaffung der Heiratsstrafe
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?
Dossier: Bestrebungen zur Einführung der Individualbesteuerung

Obschon Bundesrat Merz das Parlament um einen klaren Richtungsentscheid in der Frage der Familienbesteuerung und eines allfälligen Wechsels hin zur Individualbesteuerung gebeten hatte, überwiesen die Räte bis im Herbst mehrere sich teilweise widersprechende Motionen: Während die FDP-Fraktion die Einführung der Individualbesteuerung verlangte, forderten die Christlichdemokraten eine Gleichstellung der Ehepaare unabhängig vom System (Mo. 04.3380). Donzé (evp, BE) (Mo. 04.3263) schlug zur Aufhebung der Diskriminierung von Ehepaaren gegenüber Konkubinatspaaren die Prüfung eines Vollsplittings und die Einführung eines Kinderabzuges vom Steuerbetrag vor. Ein Begehren der SP (Mo. 03.3616), welches pro Kind ebenfalls einen Abzug nicht vom steuerbaren Einkommen, sondern vom Steuerbetrag sowie die Einführung der Individualbesteuerung ohne Zwischenstufe des Splittings vorsah, wurde vom Nationalrat hingegen abgelehnt, ebenso wie die in der CVP-Motion enthaltene Forderung nach einer Entlastung der Familien. Auf Zustimmung stiess jedoch eine Motion Meier-Schatz (cvp, SG) (Mo. 04.3632), welche den Kantonen die Wiedereinführung des vor wenigen Jahren gestrichenen Ausbildungsabzugs ermöglicht. Der Ständerat überwies einen Vorstoss seiner WAK (Mo. 05.3464), welcher Sofortmassnahmen zur Reduktion der Diskriminierung bei der Ehegattenbesteuerung verlangt. Gemäss Kommissionssprecher Wicki (cvp, LU) verschliesse sich die Finanzdirektorenkonferenz der Diskussion um den Systemwechsel nicht, doch hege sie aufgrund der befürchteten Steuerausfälle Vorbehalte gegenüber der Individualbesteuerung. Zudem brauche der Systemwechsel Zeit; die Kantone rechneten für die nötige Gesetzesänderung und die Umsetzung der Verwaltungspraxis mit einer Frist von bis zu zehn Jahren.

Verschiedene der Individualbesteuerung widersprechende Motionen (Mo. 04.3380, Mo. 04.3263, Mo. 04.3632)
Dossier: Reform der Ehe- und Familienbesteuerung seit 2000 – Gemeinschaftsbesteuerung oder Individualbesteuerung?
Dossier: Bestrebungen zur Einführung der Individualbesteuerung

Als Postulat erfolgreich war eine Motion der CVP-Fraktion zur Besserstellung der Familien bei der direkten Bundessteuer. Die jüngste wirtschaftliche Entwicklung hat in den Augen der Fraktion mit einer zunehmenden Diskrepanz zwischen Einkommen und Lebensbedarf zu einer generellen Abwertung der Familie als Lebensform geführt. Der verminderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Eltern gegenüber kinderlosen Paaren sei im Steuersystem verstärkt Rechnung zu tragen. Entsprechend dem Bericht Locher zur Revision der Familienbesteuerung forderte die Fraktion deshalb die separate Einkommensbesteuerung bei verheirateten Personen mit minderjährigen oder in Ausbildung stehenden Kindern . Mit Stichentscheid des Ständeratspräsidenten wurde in der Herbstsession ausserdem eine Motion der Legislaturplanungs-Kommission des Nationalrates (Mo. 00.3193) als erfüllt abgeschrieben, die eine stärkere Berücksichtigung der wirklichen Kosten der Familien bei der Besteuerung sowie die Einführung einer Familienverträglichkeitsprüfung bei Entscheiden und Erlassen verfolgt hatte. (Siehe dazu auch hier) Der Nationalrat hatte bereits im Frühjahr eine Motion Baumann (gp, BE) (Mo. 98.3103) als Postulat überwiesen, die den Kantonen die Einführung einer zivilstandsunabhängigen Besteuerung ermöglichen will.

separate Einkommensbesteuerung zivilstandsunabhängigen Besteuerung

Als Antwort auf die an der Urne im Vorjahr gescheiterte Mutterschaftsversicherung forderte die CVP-Fraktion mit einer parlamentarischen Initiative eine Erhöhung des Kinderabzugs bei der direkten Steuer auf mindestens 7200 Fr. Für Kinder in Ausbildung sowie für die berufsbedingte Kinderbetreuung sollen zusätzliche Abzüge eingeführt werden. Zur Wahrung der Ertragsneutralität schlug die CVP vor, eine Verschiebung auf Einnahmen aus der Mehrwertsteuer zu prüfen. Der Nationalrat folgte dem Antrag seiner WAK, die bei drei Enthaltungen einstimmig für das Begehren votiert hatte. Sodann überwies der Rat eine Motion von Ständerätin Simmen (cvp, SO) (Mo. 99.3378), die dieselben Anliegen verfolgte.

Kinderabzugs bei der direkten Steuer