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Am 18. April fand die Volksabstimmung über die neue, totalrevidierte Verfassung statt. Mit Ausnahme von links- und rechtsextremen Kleinparteien (PdA, FP, SD) sprachen sich alle nationalen Parteien und auch alle massgeblichen Interessenverbände für die neue Verfassung aus. Unter den Regierungsparteien fiel der Entscheid bei der SVP am knappsten aus: die von den Zürcher Nationalräten Hans Fehr und Schlüer angeführte Opposition unterlag an der Delegiertenversammlung mit 185:92 Stimmen. Für die rechtsbürgerlichen Kritiker ging die Reform über eine Nachführung hinaus. Sie sei vielmehr Ausdruck eines unakzeptablen, von der politischen Mitte und der Linken geprägten Politikverständnisses. Die Sektion Zürich der SVP und in ihrem Gefolge auch diejenigen von Kantonen, wo die SVP erst in den letzten Jahren gegründet worden ist (unter anderem BS, LU, SO, SG), gaben die Nein-Parole aus. Bei der SP, deren Fraktion die neue Verfassung anlässlich der parlamentarischen Verhandlungen ebenfalls heftig kritisiert hatte, entschied sich der Parteivorstand mit 34:3 Stimmen für die Ja-Parole. Die von Nationalrat Rennwald (JU) formulierte Kritik bemängelte das Fehlen von linken Politikinhalten, also gerade das Gegenteil von dem, was der Verfassung von SVP-Seite vorgeworfen wurde.

In der Kampagne schlugen die Wellen nicht sehr hoch. Auf Befürworterseite fiel vor allem der grosse Einsatz des aus dem Amt scheidenden Justizministers Koller auf. Im redaktionellen Teil der Presse war die Stimmung durchwegs positiv, hingegen waren praktisch keine Inserate für die neue Verfassung auszumachen. Die nicht zuletzt in Leserbriefen sehr aktiven Gegner behaupteten, dass sich die Schweiz mit der Verfassung internationalem Recht unterstellen würde (weil darin der auch bisher geltende Vorrang des Völkerrechts nun explizit erwähnt ist), sie zu einem Ausbau des Sozialstaats führe und sich überhaupt die alte Verfassung bewährt habe. In den Inseraten sprachen sie vor allem davon, dass die neue Verfassung eine «Liquidation der Schweiz» einleiten würde; zudem stellten sie darin auch eine ganze Reihe von schlicht falschen Behauptungen auf (z.B. dass in der neuen Verfassung die Begriffe «Schweizerische» und «Eidgenössische» gestrichen worden seien). Neben den erwähnten SVP-Kantonalsektionen, der FP und den SD beteiligten sich auch weit rechtsaussenstehende Organisationen wie der VPM (mit der ihm nahestehenden Zeitschrift «Zeit-Fragen») und «Pro Libertate» an der Kampagne. Dieses über das übliche Mass von Abstimmungspropaganda hinausgehende Verdrehen von Tatsachen durch die Gegner rief in der letzten Woche vor der Abstimmung den Bundesrat mit einer Gegendarstellung auf den Plan.

Volk und Kantone hiessen die totalrevidierte Bundesverfassung am 18. April mit einer relativ knappen Mehrheit von 59.2 Prozent und bei 12 2/2 gegen 8 4/2 Ständestimmen gut. Die Beteiligung fiel mit 35.9 Prozent recht mager aus; besonders niedrig war sie in der Romandie, wo nur gerade 21.6 Prozent von ihrem Stimmrecht Gebrauch machten. Mitverantwortlich dafür war sicher auch der Beschluss des Bundesrates, diese Vorlage in Anbetracht ihrer besonderen Bedeutung allein, d.h. nicht im Multipack mit anderen, für die Stimmbürgerinnen und -bürger attraktiveren Vorlagen zu präsentieren. Am meisten Ja-Stimmen gab es in der französischen Schweiz (mit Ausnahme des Wallis) und im Tessin. Ähnlich deutlich fiel die Zustimmung auch in den Grossstädten der Deutschschweiz aus. Gegen die totalrevidierte Verfassung sprachen sich die kleinen Kantone der Innerschweiz (ohne Zug), die Ostschweiz (ohne Graubünden) sowie der Aargau und das Wallis aus.


Bundesbeschluss über die Neue Bundesverfassung
Abstimmung vom 18. April 1999

Beteiligung: 35.9%
Ja: 969'310 (59.2%) / 12 2/2 Stände
Nein: 669'158 (40.8%) / 8 4/2 Stände

Parolen:
– Ja: SP, FDP, CVP, SVP (8*), LP, LdU, EVP, EDU (1*); SGB, CNG, Vorort, SGV, SBV.
– Nein: FP, SD, PdA; Centre patronal.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Totalrevision der Bundesverfassung: Verfahren und Verfahrensfragen (BRG 96.061)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Nachdem in der zweiten Runde der Differenzbereinigung noch rund ein Dutzend Streitpunkte übriggeblieben waren, präsentierte die aus beiden Ratskammern paritätisch zusammengesetzte Einigungskonferenz in der Dezembersession ihre Vorschläge, welche von beiden Räten akzeptiert wurden. Die SP-Vertreter machten einen letzten Versuch, ihre in der parlamentarischen Auseinandersetzung unterlegenen Vorschläge doch noch in die Verfassung einzubringen. Sie schlugen vor, zwei ihrer Forderungen (aktivere Wirtschaftspolitik des Staates und dabei Einsatz für eine «gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung» bzw. zwingende Verwirklichung der Sozialziele) dem Volk als Alternativfragen vorzulegen. Beide Ratskammern lehnten es jedoch ab, dieses speziell für die Verfassungsrevision geschaffene Instrument der Alternativabstimmung anzuwenden.

Totalrevision der Bundesverfassung: Verfahren und Verfahrensfragen (BRG 96.061)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Nach Beendigung der Detailberatung erklärten sich im Nationalrat die Sozialdemokraten unzufrieden. Nachdem sie mit ihren zahlreichen materiellen Abänderungsanträgen praktisch durchwegs gescheitert waren (eine Ausnahme war die Aufnahme des neuen Kinderartikels, allerdings nicht in der von der SP vorgeschlagenen Formulierung) gaben sie bekannt, dass sie den Verfassungsentwurf in der vorliegenden Form ablehnen würden. Die Gesamtabstimmung fiel bei einer Annahme mit 49:40 Stimmen bei 47 Enthaltungen denn auch sehr mager aus. Neben den Sozialdemokraten hatten sich auch die meisten SVP-Vertreter der Stimme enthalten oder die Vorlage abgelehnt. Zurückgeführt wurde dieses eher konfuse Ergebnis auf eine taktische Stimmabgabe, mit der die Linke markieren wollte, dass für sie die vom Nationalrat beschlossene Version das absolute Minimum darstelle und sie vom Ständerat in der Differenzbereinigung ein weitgehendes Entgegenkommen erwarte. Im Ständerat erfolgte die Zustimmung in der Gesamtabstimmung oppositionslos.

Totalrevision der Bundesverfassung: Verfahren und Verfahrensfragen (BRG 96.061)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Beim Paket «Nachführung» schlossen sich beide Kommissionen dem Bundesratsvorschlag für einen umfassenden Grundrechtskatalog an. Sie waren sich einig, dass in dieser Nachführung auch Platz für bestimmte konsensfähige Neuerungen sein soll. So nahmen sie ein explizites Diskriminierungsverbot auf, in dem die wichtigsten Tatbestände möglicher Diskriminierung (Rasse, Geschlecht, Religion etc.) beispielhaft aufgeführt sind. In einigen Bereichen der Grundrechte schwächte die ständerätliche Kommission die Version des Bundesrates leicht ab; so etwa bei der Garantie des Redaktionsgeheimnisses und des Streikrechts. An der von Wirtschaftsseite bekämpften Aufnahme von Sozialzielen in die Verfassung hielten beide Kommissionen fest, allerdings auch am Zusatz, dass daraus keine direkt anwendbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen abgeleitet werden können. In der Gesamtabstimmung passierte die Nachführung deutlich, wenn sich auch in der nationalrätlichen Kommission fünf der neun SP-Kommissionsmitglieder der Stimme enthielten. Diese Unzufriedenheit der Linken und die über hundert Minderheitsanträge kündigten an, dass die Debatte längst nicht abgeschlossen ist.

Grundrechte und Sozialstaatlichkeit in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Beim Paket «Justizreform» konnte in den Kommissionen ebenfalls kein Konsens gefunden werden. Unumstritten war lediglich die Vereinheitlichung des Straf- und Zivilprozessrechts. Die bürgerlichen Kommissionsmehrheiten stimmten zwar dem Grundkonzept des Bundesrates zu, das auf eine Entlastung des Bundesgerichts durch Zugangsbeschränkungen sowie durch die Stärkung der kantonalen und eidgenössischen Vorinstanzen setzt. Dieses wurde aber von der SP bis zuletzt bekämpft. Da die Linke mit ihrem Vorschlag eines personellen Ausbaus des Bundesgerichtes nicht durchdrang und zudem sich auch der von ihr bekämpfte Vorschlag des Bundesrates für die Einführung einer beschränkten Verfassungsgerichtsbarkeit durchsetzte, lehnten ihre Vertreter in der nationalrätlichen Kommission das Paket in der Schlussabstimmung geschlossen ab.

Justizreform (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Dies zeigte sich auch in den Reaktionen der Bundesratsparteien auf den Verfassungsentwurf. Am schärfsten wandte sich die SP gegen die Erschwerung der Volksrechte durch die Erhöhung der Unterschriftenzahlen für Volksinitiativen und fakultative Referenden. Sie verwies dagegen auf ihre Vorschläge für ein konstruktives Referendum, zu dessen Einführung sie im Herbst 1995 eine Volksinitiative lanciert hatte, und die sogenannte Euro-Volksmotion, die den Stimmberechtigten mehr Einfluss auf die Gestaltung der Aussenpolitik gewähren soll.

Vernehmlassung und «Volksdiskussion» zur Reform der Bundesverfassung
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Die Staatsschutzkrise, aber auch die Diskussionen um die Annäherung an die Europäische Gemeinschaft verliehen dem Prozess der Totalrevision neuen Aufwind. Zuerst reichten die grüne, darauf die sozialdemokratische Fraktion und zuletzt die Freisinnige Nabholz (ZH) Motionen bezüglich einer materiellen Totalrevision der Bundesverfassung ein. Die Motionen der GP und der SP (90.440) verlangen eine Revision in demokratischer, ökologischer, föderalistischer und sozialer Hinsicht und fordern Massnahmen, welche die Entwicklungen in Europa und die daraus abzuleitenden Konsequenzen für die Schweiz mitberücksichtigen; eine derartige Totalrevision würde nach Ansicht beider Parteien einen wesentlichen Schritt zur Überwindung der gegenwärtigen Staatskrise bedeuten. In der Motion Nabholz (90.503) geht es weniger um sachpolitische Ziele als um eine Verbesserung der Innovationsfähigkeit des politischen Systems, wozu insbesondere eine Parlaments- und Regierungsreform im Sinne der Vorschläge der Motion Rhinow (fdp, BL) (Mo. 90.435) gehören würde. Die Motion Nabholz sowie jene der SP-Fraktion sehen einen Verfassungsrat zur Ausarbeitung des Revisionsentwurfs vor; hierzu müsste in die bestehende Verfassung zuerst ein entsprechender Artikel eingefügt werden.

Motionen für materielle Verfassungsreform bzw. Verfassungsrat (Mo, 90.440, Mo. 90.450 und Mo. 90.503)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Die Aufnahme von Bericht und Modellentwurf war gedämpft. Unter den ersten Erklärungen der Regierungsparteien lautete diejenige der CVP am positivsten. Die FDP begrüsste den Antrag, empfahl aber ein behutsames Vorgehen, das es dem Parlament erlauben würde, auch Wegmarken für die konkrete Ausgestaltung des Verfassungsentwurfs zu setzen. Die SP bestritt der Revision ihre Aktualität, und die SVP erklärte sie für überflüssig. Die Präsidenten der vier Fraktionen sprachen sich alle für eine Fortsetzung des Unternehmens aus, allerdings mit unterschiedlichen Zielvorstellungen. Sozialdemokratische Sprecher befürworteten eine weitergehende Reform, als sie die Modellstudie anbietet. Entschiedener äusserten sich Vertreter des Landesrings für eine Totalrevision, wobei sie den im Vorjahr veröffentlichten Entwurf der Juristen A. Kölz und J. P. Müller in den Vordergrund rückten. Die Kommentare der Presse waren dagegen überwiegend skeptisch gestimmt.

Bericht über die Totalrevision der Bundesverfassung (BRG 85.065)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)