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Im Anschluss an die Gesamterneuerungswahlen und die Vereidigung der Bundesrätinnen und Bundesräte schritt die Vereinigte Bundesversammlung zur Wahl der Bundespräsidentin und des Vizepräsidenten 2020. Turnusgemäss wurde die amtierende Vizepräsidentin Simonetta Sommaruga zur Präsidentin gewählt. Von den 243 ausgeteilten Wahlzetteln waren 37 leer und 6 ungültig. Von den 200 gültigen Stimmen erhielt die SP-Magistratin 186 – 14 Stimmen entfielen auf Diverse – und trat damit zum zweiten Mal nach 2015 ein Präsidialjahr an. Fünf Jahre zuvor hatte Sommaruga noch fünf Stimmen weniger erhalten.
In ihrer an die Wahl folgenden Ansprache betonte die Neo-Präsidentin, dass zu Beginn der neuen Legislatur Aufbruchstimmung in der Luft liege. Noch nie zuvor habe ein Parlament die Bevölkerung so breit abgebildet, noch nie hätte es darin so viele Mütter, Frauen und junge Menschen gegeben. Es gebe jetzt im Parlament einen Wickeltisch und ein Stillzimmer und zwar dort, wo früher geraucht worden sei. «Sie sehen: Die Luft wird besser». Altersvorsorge, Klimaschutz und das Verhältnis zu Europa seien die Themen, die sie in ihrem Präsidialjahr besonders beachten wolle. Es brauche Zusammenarbeit, wozu sie auch heftige Debatten und Uneinigkeit zähle. Am Schluss müssten aber Lösungen gefunden werden, die die Bevölkerung mittrage. Die direkte Demokratie stelle hohe Anforderungen an Bundesrat und Parlament und das sei auch gut so, endete die Vorsteherin des UVEK und erhielt dafür grossen Beifall.
Zum Vizepräsidenten wählte die Vereinigte Bundesversammlung ebenfalls gemäss Turnus den amtierenden Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Von den noch 240 ausgeteilten Wahlzetteln gingen 238 ein. 52 blieben leer und 3 waren ungültig. Parmelin erhielt 168 Stimmen und 15 entfielen auf Diverse. Damit lag der Wirtschaftsminister leicht über dem Schnitt, der bei Wahlen für das Vizepräsidium seit dem Jahr 2000 bei knapp 163 Stimmen liegt.

2020 - Simonetta Sommaruga
Dossier: Wahlen des Bundespräsidiums

«Walter Buser galt als vorsichtig und besonnen [...], ein Schaffer im Hintergrund, ehrgeizig und zuverlässig», war im Nachruf über den ersten und einzigen Bundeskanzler der SP im Tages-Anzeiger zu lesen. 1926 geboren, studierte Buser Rechtswissenschaften und war nebenher für sozialdemokratische Tageszeitungen als Redaktor tätig – später war er Chefredaktor der «Sozialdemokratischen Bundeshauskorrespondenz». Nach einer ausserordentlichen Professur an der Universität Basel trat er 1965 in die Bundesverwaltung ein und leitete dort den Rechts- und Informationsdienst des EDI. 1968 wurde er Vizekanzler und 1981 wurde er in einer Kampfwahl gegen Konkurrenten aus der CVP und der SVP zum Bundeskanzler gewählt. Ursächlich dafür, dass er im vierten Wahlgang vor allem auch von der FDP unterstützt wurde, waren die guten Kontakte Busers zu den Medien. In seiner 10-jährigen Amtszeit führte Walter Buser denn auch ein, dass die Regierung regelmässig Pressekonferenzen abhielt, und war federführend bei der Broschüre «Der Bund – kurz erklärt», die in einfacher Sprache das politische System der Schweiz erklärt und auch heute noch regelmässig neu verfasst wird. Buser war zudem treibende Kraft bei der Reform des Abstimmungsverfahrens für Volksinitiativen mit Gegenentwurf.
Fast wäre Walter Buser auch Bundesrat geworden. Er spielte nämlich eine Nebenrolle bei der Nichtwahl von Lilian Uchtenhagen (sp, ZH). Weil die designierte Sozialdemokratin den Bürgerlichen nicht genehm war, streckten diese ihre Fühler nach einem Sprengkandidaten aus und fragten dabei auch den amtierenden Bundeskanzler an. Dieser soll aber nach einem Gespräch mit dem damaligen SP-Parteipräsidenten Helmut Hubacher (sp, BS) abgesagt haben. Buser ging 1991 in Pension und übernahm 1993 die Präsidentschaft des Forum Helveticum. Mitte August 2019 verstarb der gebürtige Baselbieter im Alter von 93 Jahren.

Tod von alt-Bundekanzler Walter Buser
Dossier: Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler

Nach zwei Legislaturen kündigte Corina Casanova Ende Juni etwas überraschend ihren Rücktritt als Bundeskanzlerin an. Casanova hatte sich 2007 gegen zwei weitere Kandidierende durchgesetzt und der CVP damit den Posten des so genannten "achten Bundesrats" gesichert, wollte aber für eine dritte Amtszeit nicht mehr kandidieren. Die Bündnerin hatte sich während ihrer Zeit allerdings weniger stark als ihre Vorgängerin und ihre Vorgänger aktiv in politische Geschäfte eingemischt. Vielmehr wurde sie für ihre Bemühungen einer konsequenten Digitalisierung und die effiziente Abwicklung der Regierungsgeschäfte gelobt – die Zeitung La Liberté bezeichnete sie gar als "Madame Digitalisation". In der Öffentlichkeit war Casanova kaum aufgefallen, obwohl sie stark hinter dem Aufbau von E-Voting oder der Einführung des Primates der elektronischen Version der Amtsschriften stand.
Anders als 2007 kam es 2015 nicht zu einer Kampfwahl um die Bundeskanzlei. Offiziell spielt zwar die Parteifarbe der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers keine Rolle, bei der Zusammensetzung des Bundesrates wurde der Posten des achten Bundesrates in der Vergangenheit auch schon als Argument in der Absprache um die Verteilung der Regierungssitze angeführt. Obwohl die SVP noch nie einen Bundeskanzler gestellt hatte, nominierte sie keinen Kandidaten. Man wolle sich vielmehr auf die Eroberung eines zweiten Bundesratssitzes konzentrieren. Dass auch die anderen Parteien keinen Anspruch erhoben, lag wohl daran, dass die CVP Anfang Oktober mit dem amtierenden Generalsekretär des UVEK, Walter Thurnherr, einen äusserst starken Kandidaten ins Rennen schickte. Thurnherr war früher persönlicher Mitarbeiter von Flavio Cotti, Generalsekretär im EDA und im EVD (heute WBF) unter Jospeh Deiss und Doris Leuthard, die ihn bei ihrem Departementswechesl ins UVEK mitgenommen hatte. Die SP liebäugelte zwar eine Weile mit einer eigenen Kandidatur – gehandelt wurden der aktuelle Vizekanzler André Simonazzi oder die stellvertretende Generalsekretärin der Bundesversammlung Martina Buol – steckte ihre Ambitionen nach den eidgenössischen Wahlen aber wieder zurück, weil ein Angriff auf die CVP das Mitte-Links-Lager schwächen würde und deshalb wenig sinnvoll sei. Weil seit Beginn des 20. Jahrhunderts mit zwei Ausnahmen immer Vizekanzler ins Kanzleramt gewählt wurden, sprach die Presse auch dem zweiten Vizekanzler, Thomas Helbling von der FDP, gute Chancen zu.
Für die Wahl zum neuen Bundeskanzler blieb Walter Thurnherr dann allerdings der einzige Kandidat. Dies wurde in den Kommentarspalten nicht dem Bedeutungsverlust des Bundeskanzleramtes zugeschrieben, das sich zwar immer mehr zu einer Dienstleistungsstelle gewandelt habe, aber nach wie vor einen grossen Gestaltungsspielraum zulasse, sondern vielmehr mit den Qualitäten des Bewerbers erklärt. Dass Thurnherr als Idealbesetzung gilt, widerspiegelte sich auch im Glanzresultat bei seiner Wahl unmittelbar nach den Bundesratserneuerungswahlen: 230 der anwesenden 245 Parlamentarierinnen und Parlamentarier schrieben seinen Namen auf den Wahlzettel. Thurnherr erklärte, dass er sich nicht als achten Bundesrat sehe, dass er sich aber bei Bedarf durchaus kritisch in einzelne Bundesratsgeschäfte einbringen werde. In den Kommentarspalten wurde die Erwartung geäussert, dass der studierte Physiker das Amt weniger diskret und technokratisch interpretieren werde als seine Vorgängerin.

2015: Auf Bundeskanzlerin Corina Casanova folgt Walther Thurnheer
Dossier: Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler

Die so genannte Lex Leuenberger, eine Karenzfrist für die Übernahme von Mandaten durch ehemalige Bundesrätinnen und Bundesräte, war zwar in der Zwischenzeit kein Thema mehr, in einem Interview mit dem Westschweizer Radio RTS plauderte der ehemalige SP-Bundesrat aber aus dem Nähkästchen. Er sei von seiner Partei fallengelassen und zu seinem Rücktritt gedrängt worden. Tatsächlich war der Ausstieg Leuenbergers aus der Exekutive 2010, trotz 15-jähriger Amtszeit, ziemlich überraschend gekommen. Er habe deshalb wohl "etwas zu nervös" Job-Angebote gesucht und das Implenia-Mandat angenommen. Es war dieser Einsitz im Verwaltungsrat der Baufirma, der ursächlich war für die Kritik am ehemaligen Infrastrukturminister sowie für die Idee einer Lex Leuenberger. Er habe das Amt damals auch deshalb übernommen – so Leuenberger weiter –, um seine Partei ein wenig zu provozieren. Er habe aber rasch eingesehen, dass das nicht sehr weise gewesen sei und deshalb sein Verwaltungsratsmandat nach zwei Jahren wieder abgegeben.

Karenzfrist für die Übernahme von Verwaltungsratsmandaten (Pa. Iv. 10.511)
Dossier: Karenzfrist für Bundesratsmitglieder

Obwohl die grossangelegte Regierungsreform nach rund zehnjähriger Behandlungszeit 2013 endgültig gescheitert war und dabei auch Vorschläge zur Erhöhung der Anzahl Bundesräte abgelehnt wurden, hielt die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-NR) an dieser Idee fest und lancierte eine auch von ihrer Schwesterkommission (SPK-SR) unterstützte parlamentarische Initiative. Begründet wird die Idee insbesondere mit der ungenügenden Vertretung der Sprachregionen im Regierungsgremium – eine der 2012 abgelehnten Forderungen war eine Standesinitiative des Kantons Tessin gewesen. Zudem sei die seit 1848 stark gewachsene Regierungstätigkeit auf zusätzliche Schultern zu verteilen, was nicht nur zu höherer Legitimation, sondern auch zu einer sinnvolleren Departementsbildung führen könne. Wie gering die Unterstützung für diese Idee allerdings nach wie vor ist, zeigte die von März bis Juli 2015 durchgeführte Vernehmlassung des Entwurfs der SPK-NR: 19 Kantonsregierungen lehnen die Reform ab, fünf begrüssen sie und zwei äussern sich skeptisch. Von den Parteien sprechen sich CVP, FDP, GLP und SVP gegen die Reformidee aus, während sie von SP, GP und BDP begrüsst wird. Während auf Gegnerseite darauf hingewiesen wird, dass sprachliche Repräsentation eine Frage des politischen Willens sei und eine Aufstockung hohe Kosten verursachen würde, wiesen die Befürworter darauf hin, dass der hohe Arbeitsaufwand zu einer Delegation von Verantwortung an die Verwaltung führe, was aus parlamentarischer Sicht keine gute Entwicklung darstelle. Die Behandlung des Geschäftes wie auch eine Anfang Februar 2014 eingereichte Petition (14.2005), die ebenfalls eine Erhöhung der Anzahl Bundesräte fordert, wird wohl 2016 in Angriff genommen.

Erhöhung der Anzahl Bundesräte (Pa.Iv. 13.443)
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Zu einer ersten Klärung der Situation trugen die Parlamentswahlen bei. So zogen die Grünen aufgrund der Niederlage bei den Parlamentswahlen ihren Anspruch auf einen Bundesratssitz zurück und traten nicht bei den Erneuerungswahlen an, obwohl sie noch vor den Wahlen einen Regierungssitz für sich reklamiert hatten. Sie hatten dabei nicht nur mit ihrer Wählerstärke sondern auch mit der wachsenden Bedeutung und Berücksichtigung der Umweltpolitik argumentiert und eine Liste mit möglichen Kandidierenden (darunter die Regierungsräte Bernhard Pulver (BE) und Guy Morin (BS), der Genfer Ständerat Robert Cramer oder die Zürcher Stadträtin Ruth Genner) ins Gespräch gebracht. Die BDP hingegen sah dank ihres Erfolges bei den Wahlen keinen Anlass, ihre Bundesrätin zurückzuziehen. Eveline Widmer-Schlumpf gab Ende Oktober denn auch definitiv bekannt, sich für die Wiederwahl bereitzustellen. Die SVP ihrerseits, die bei den Wahlen Sitze einbüssen musste, schloss vorerst eine Kampfkandidatur gegen die FDP aus.

Die SP brachte mögliche Kandidaten für die Nachfolge von Micheline Calmy-Rey früh in Stellung und nutzte die Auswahlprozedur geschickt für zusätzliche Medienaufmerksamkeit im Wahlkampf. Die Partei bekräftigte, dass nur Kandidierende aus der lateinischen Schweiz in Frage kämen. Als Topfavoriten galten der Waadtländer Staatsrat Pierre-Yves Maillard und der Freiburger Ständerat Alain Berset. Kandidaturen reichten zudem Nationalrat Stéphane Rossini (VS) und die Tessiner Nationalrätin Marina Carobbio ein. Die SP-Fraktion präsentierte Ende November mit Alain Berset und Pierre-Yves Maillard ein Zweierticket. Die Nichtnomination von Marina Carobbio stiess insbesondere in der Südschweiz auf Enttäuschung, bedeutete dies doch, dass das Tessin seit 1996 (Rücktritt von Flavio Cotti) weiter auf eine Vertretung in der Landesregierung warten musste.

Obwohl die SVP sich schon sehr früh als Herausforderin profilierte, tat sie sich mit der Suche nach Kandidierenden schwer. Zwar brachte sich Jean-François Rime (FR) schon früh in Stellung. Die als Favoriten gehandelten Kandidaten sagten aber spätestens nach den Parlamentswahlen alle ab: So verzichteten etwa der nicht in den Ständerat gewählte Caspar Baader (BL) oder der neue Ständerat Roland Eberle (TG). Auch Nationalrat Adrian Amstutz (BE), der im November seine Wiederwahl in den Ständerat nicht geschafft hatte, verzichtete genauso auf eine Kandidatur wie der umworbene Nationalrat Peter Spuhler (TG) und Parteipräsident Toni Brunner (SG). Zum Problem der SVP wurde allgemein die Wählbarkeit der Kandidierenden: Während linientreue Hardliner vom Parlament als nicht wählbar betrachtet wurden, hatten es moderate SVP-Exponenten schwer, die Hürde der Fraktionsnominierung zu überspringen. Bis Ende November meldeten schliesslich Nationalrat Guy Parmelin (VD), Ständerat Hannes Germann (SH), und die Regierungsräte Jakob Stark (TG) und Heinz Tännler (ZG) ihre Ambitionen an. Eher überraschend kam die Kandidatur von Nationalrat und Gewerbeverbandspräsident Bruno Zuppiger (ZH), der als Schwergewicht betrachtet wurde und der angab, auf Bitte von Christoph Blocher (ZH) anzutreten. Zuppiger war jeweils schon bei den Bundesratswahlen 2003, 2007 und 2008 von der SP als valabler SVP-Kandidat ins Spiel gebracht worden. Er galt deshalb weit über das bürgerliche Lager hinaus als wählbar und wurde denn auch prompt neben Rime auf ein Zweierticket gehievt. Allerdings zwang ihn ein von der Weltwoche verbreiteter Vorwurf, bei einer Erbschaft unrechtmässig Geld abgezweigt zu haben, zum Rückzug seiner Kandidatur. Die Presse ging mit der SVP-Spitze, die offenbar von der Sache gewusst hatte und vorerst an Zuppiger festhielt, hart ins Gericht. In einer Nacht- und Nebelaktion stellte die SVP in der Folge nicht etwa einen der von den Kantonalsektionen nominierten Kandidaten, sondern Nationalrat Hansjörg Walter als Ersatzkandidaten auf. Dieser hatte sich im offiziellen Nominationsverfahren nicht zur Verfügung gestellt, weil er das Amt des Nationalratspräsidenten übernehmen wollte. Der Wechsel wurde in der Presse als unprofessionell, unglaubwürdig und peinlich bezeichnet und die Spitze der SVP musste Fehler bei der Beurteilung der Kandidaten einräumen. Walter selber, der noch 2008 aufgrund einer einzigen Stimme nicht zum Bundesrat und im Berichtjahr mit einem glänzenden Resultat zum Nationalratspräsidenten gewählt worden war, machte deutlich, dass er nur gegen den Sitz der BDP antreten würde.

Nach den Hearings gaben sowohl die Grünen als auch die SP bekannt, dass sie ihrer Fraktion die Wiederwahl von Eveline Widmer-Schlumpf empfehlen würden. Die CVP und die BDP diskutierten gleichzeitig über eine stärkere künftige Kooperation. Es zeichnete sich deshalb ab, dass die SVP höchstens auf Kosten der FDP einen zweiten Sitz erhalten würde.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2011 – Nachfolge Micheline Calmy-Rey
Dossier: Wahlen des Bundespräsidiums
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Die Reform der Regierung wurde auch in einzelnen Policies versucht. So bildete die Sondersession zur Gesundheitspolitik im April den Rahmen für einen Vorstoss der sozialdemokratischen Fraktion für die Schaffung eines Staatssekretärs. Die Motion, die eine Verbesserung der Steuerung des föderal stark zersplitterten Gesundheitswesens durch einen Staatssekretär anvisierte, hatte jedoch weder beim Bundesrat noch beim Nationalrat eine Chance. Darüber hinaus war auch die Idee eines Bildungsdepartementes Gegenstand parlamentarischer Diskussion. Der Bundesrat hatte diesbezüglich im Juni des Berichtsjahres eine Reorganisation der Departemente beschlossen. Vorgesehen ist, dass ab 2013 das bis anhin dem EDI angehörende Staatssekretariat für Bildung und Forschung sowie der Bereich der ETH gemeinsam mit dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie im EVD angesiedelt werden. (Siehe dazu auch die Interpellation Aubert (10.3056) und hier.) Mit der Neuorganisation wurde auch das für Europafragen zuständige Integrationsbüro dem EDA und das Bundesamt für Veterinärwesen dem EDI unterstellt (bisher EVD). Zudem versprach der Bundesrat, die Kooperation zwischen den Bundesstellen zu fördern und systematisch zu evaluieren.

Staatssekretär für das Gesundheitswesen und die soziale Sicherheit (09.3534)
Dossier: Bundesratsvorlage für eine Staatsleitungs- und Regierungsreform 2001

Viel zu reden gab die Departementsverteilung, die erstmals seit 1960 mit einer sogenannten grossen Rochade und vier neuen Departementsvorstehern endete. Die Presse mutmasste, dass die Verteilung nicht sehr konsensual vonstattengegangen war. Es wäre nur teilweise nach dem Anciennitätsprinzip vorgegangen worden: Bundesrätin Calmy-Rey wollte nicht wechseln; Doris Leuthard wünschte einen Wechsel ins Uvek und Eveline Widmer-Schlumpf wollte das Finanzdepartement übernehmen. Beide Wünsche wurden gewährt. Da weder Didier Burkhalter noch Ueli Maurer wechseln wollten, blieben das Justiz- und Polizeidepartement und das Volkswirtschaftsdepartement übrig. Obwohl Simonetta Sommaruga laut ungeschriebenem Anciennitätsprinzip zuerst ihre Wünsche hätte äussern dürfen, wurde schliesslich Johann Schneider-Ammann das Volkswirtschaftsdepartement übergeben, da die bürgerliche Regierungsmehrheit dieses Departement nicht der ehemaligen Konsumentenschützerin hätte überlassen wollen. Obwohl sie als Nichtjuristin eher nicht in das JPD passen würde, hätte die neu gewählte Magistratin dieses nun übernehmen müssen. Die SP – allen Voran ihr Präsident Christian Levrat (FR) – reagierte sehr verärgert auf die Verteilung und warf den anderen Parteien einen Coup und eine Strafaktion gegen Sommaruga vor. Auch die SVP und die Grünen äusserten Unmut über die Departementswechsel. Ein Jahr vor den nationalen Wahlen Wechsel vorzunehmen, sei eine Zwängerei und demokratisch fragwürdig. Nur die FDP, die CVP und die BDP zeigten sich zufrieden mit der neuen Verteilung.

Bundesratsersatzwahlen 2010 – Nachfolge Moritz Leuenberger und Hans-Rudolf Merz
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Am 3. September bestimmten die Fraktionen ihre Kandidaturen. Die FDP nominierte die St. Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter und den Nationalrat Johann Schneider-Ammann (BE). Die drei weiteren Nationalräte Peter Malama (BS), Ruedi Noser (ZH) und Ignazio Cassis (TI), die von den jeweiligen Kantonalsektionen portiert wurden, wurden nicht berücksichtigt. Auch die SP nominierte zwei aus vier Kandidatinnen: Ständerätin Simonetta Sommaruga (BE) und Nationalrätin Jacqueline Fehr (ZH) erzielten mehr Fraktionsstimmen als Nationalrätin Hildegard Fässler (SG) und die baselstädtische Finanzdirektorin Eva Herzog. Die SVP nominierte – nachdem sowohl die Nationalräte Caspar Baader (BL), Peter Spuhler (TG) und Ulrich Giezendanner (AG) abgesagt hatten – Nationalrat Jean-François Rime (FR) und die Grünen traten mit Nationalrätin Brigit Wyss (SO) als Sprengkandidatin an. Auch die CVP meldete ihren Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz an, wollte aber die Wahlen 2011 abwarten.

Bundesratsersatzwahlen 2010 – Nachfolge Moritz Leuenberger und Hans-Rudolf Merz
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Am 1. Juni stimmte das Volk über die von rechtsbürgerlichen Kreisen eingereichte VolksinitiativeVolkssouveränität statt Behördenpropaganda“ ab. Das Begehren verlangte zur Hauptsache, dass sich die Landesregierung in Zukunft, abgesehen von einer kurzen Verlautbarung, nicht mehr im Vorfeld von Volksabstimmungen äussern darf. Die Kampagne war sehr lau. Ein aus Vertretern aller grossen Parteien ausser der SVP gebildetes Komitee trat als Gegner in Erscheinung. Für die Initiative setzten sich nur die SVP und die kleinen Rechtsaussenparteien EDU, SD und Lega ein. Dabei trat die SVP kaum in den Vordergrund und verwendete ihre Propagandamittel in erster Linie zugunsten der gleichzeitig zum Entscheid vorgelegten Einbürgerungsinitiative.


Abstimmung vom 1. Juni 2008

Beteiligung: 45,2%

Ja: 538 928 (24,8%) / 0 Stand
Nein: 1 634 196 (75,2%) / 20 6/2 Stände

Parolen: Ja: SVP (2)*, EDU (1)*, SD, Lega, FPS.
Nein: FDP, CVP, SP, GP, GLP, EVP, LP, CSP, PdA; Economiesuisse, SGV, SGB, Travail.Suisse.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen


Die Initiative wurde deutlich, mit mit 1'634'196 Nein gegen 538'928 Ja (75%) abgelehnt, kein einziger Kanton stimmte zu. Sogar der notorisch behördenkritische Kanton Schwyz verwarf sie mit 59% Nein-Stimmen. Überdurchschnittlich stark war die Ablehnung in den städtischen Agglomerationen und in der Westschweiz. In der französischsprachigen Schweiz sprachen sich weniger als 20% für das Volksbegehren aus. Mit der Ablehnung der Volksinitiative trat der im Vorjahr vom Parlament beschlossene indirekte Gegenvorschlag in Kraft.

Volksinitiative Volkssouveränität statt Behördenpropaganda (BRG 05.054)

Die SP begann spätestens im Sommer Avancen gegenüber der CVP (die 2003 wegen der Wahl Blochers ihren zweiten Bundesratssitz verloren hatte) zu machen. Sie schlug ihr vor, gemeinsam einen Sitz für die CVP zurückzuerobern. Zuerst monierte Parteipräsident Fehr (sp, SH), die mit zwei Sitzen überproportional vertretene FDP ins Visier zu nehmen. Die CVP reagierte jedoch zurückhaltend bis ablehnend auf diesen Vorschlag, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie vor den Parlamentswahlen kein Interesse hatte, als Partnerin der Linken zu erscheinen. Aber auch die Grünen stellten sich in diesem Fall nicht hinter die SP, sondern verlangten vielmehr einen Sitz für sich selbst, und zwar denjenigen von Blocher. Ende August nahm die SVP diese öffentlichen Forderungen nach einer Abwahl Blochers – notabene von Parteien, die Blocher auch 2003 nicht die Stimme gegeben hatten – zum Anlass, um an einer Medienkonferenz von einem „Geheimplan“ zur Abwahl Blochers zu warnen. Sie lancierte eine millionenteure Inserate- und Plakatekampagne, in der sie mit dem Slogan: „Blocher stärken! SVP wählen“ dazu aufrief, bei den Parlamentswahlen dafür zu sorgen, dass der von diesem „Geheimplan“ bedrohte Blocher Bundesrat bleiben könne. Ohne Blocher in der Landesregierung würden gemäss den SVP-Inseraten die Steuern ansteigen, die Schweiz der EU beitreten, die demokratischen Rechte abgebaut und die Kriminalität zunehmen. Der Bericht einer Subkommission der GPK-NR im Sommer 2006, der die Beteiligung Blochers an einem Komplott zur Entlassung von Bundesanwalt Roschacher suggerierte, stellte für Blocher und die SVP einen weiteren Beweis für die Existenz eines solchen Geheimplans gegen Blocher dar. Diese Inseratekampagne der SVP sorgte auch bei Freisinnigen, namentlich aus der französischen Schweiz, für Unmut. Bundesrat Couchepin kritisierte sie in einem Interview im Radio der italienischen Schweiz und erwähnte, dass diese Werbung, die das Wohl des Landes von der Wiederwahl einer einzigen Person abhängig mache, ihn an die Propaganda der italienischen Faschisten mit dem Duce Mussolini erinnere.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrates 2007

Auf Antrag seiner SPK beschloss der Nationalrat mit 84 zu 74 Stimmen, der parlamentarischen Initiative der SP-Fraktion für eine neue Verfassungsbestimmung, welche jedem Geschlecht mindestens drei Sitze im Bundesrat zusichert, keine Folge zu geben. Die SPK begründete ihren Ablehnungsantrag vor allem damit, dass eine solche Vorschrift die Auswahlmöglichkeiten zu stark einschränken würde. Dies sei umso mehr der Fall, als auf die bestehenden und von der Kommissionsmehrheit als wichtiger erachteten Verfassungsvorgaben über die sprachliche und regionale Ausgewogenheit nicht verzichtet werden soll.

Vorstoss für eine Frauenquote im Bundesrat (Pa.Iv. 04.410)
Dossier: Bestrebungen für Frauenquoten in politischen Ämtern, Kommissionen und der Verwaltung
Dossier: Frauenanteil im Bundesrat

Die Bundesratswahlen vom 10. Dezember des Vorjahres mit der Abwahl von Ruth Metzler und der Nichtwahl der Freisinnigen Christine Beerli gaben der Forderung nach einer fixen Geschlechterquote für die Zusammensetzung der Regierung wieder einen gewissen Auftrieb. Die SP-Fraktion reichte im Nationalrat eine parlamentarische Initiative für mindestens drei Sitze für jedes Geschlecht ein. Die SPK empfahl, diesem Vorstoss keine Folge zu geben.

Vorstoss für eine Frauenquote im Bundesrat (Pa.Iv. 04.410)
Dossier: Bestrebungen für Frauenquoten in politischen Ämtern, Kommissionen und der Verwaltung
Dossier: Frauenanteil im Bundesrat

Im Nationalrat beantragte die SVP zwar Eintreten, da sie den grundsätzlichen Zielen zustimme, aber Rückweisung an den Bundesrat, da die in der Legislaturplanung und dem Finanzplan vorgeschlagene Politik nicht mit der neuen Verfassungsbestimmung über die Schuldenbremse vereinbar sei. Formal gelte diese zwar nur für die Budgetbeschlüsse, sie sei nach Meinung der SVP aber auch bei der Formulierung der Projekte zu respektieren. Nicht mit den Zielen und deren Gewichtung einverstanden waren hingegen die Grünen; sie plädierten für Nichteintreten. Beide Anträge wurden abgelehnt. In der Detaildebatte gab es zu den Zielen Dutzende von Abänderungsanträgen der Linken und der SVP, die sich jedoch nicht durchzusetzen vermochten. Erfolg hatten aber einzelne Anträge der Kommissionsmehrheit, welche gewisse Präzisierungen und Ergänzungen anbrachten (etwa die Beschleunigung der Bildungsreform). Gegen den Widerstand der Linken und der CVP fügte der Rat eine neue Bestimmung ein, welche die Realisierung der Legislaturziele unter den expliziten Vorbehalt ihrer Finanzierbarkeit stellte. Vor der Gesamtabstimmung beklagten sich die Fraktionen der SP, der GP sowie der SVP, dass ihre Anträge allesamt abgelehnt worden seien. Die Linke erklärte, die Legislaturziele seien damit zu einem rechtsbürgerlichen Programm geworden, das sie ablehne; für die SVP war es wegen der Anreicherung durch einige SP/CVP-Anliegen (etwa die Schaffung von Naturparks resp. die Ausarbeitung eines Sprachengesetzes) zu einem linken und finanziell nicht verantwortbaren Programm geworden, das für sie nicht akzeptabel sei. Nach der insgesamt 16-stündigen Debatte lehnte der Nationalrat die Legislaturplanung mit 87 zu 64 Stimmen ab. Der Ständerat trat auf die Legislaturplanung ein, stimmte den Ergänzungen des Nationalrats zu und nahm darüber hinaus noch einige zusätzliche Elemente auf. Insbesondere schrieb er fest, dass die vom Bundesrat angestrebte Beseitigung der strukturellen Haushaltsdefizite bis 2007 primär durch eine Senkung der Ausgaben zu geschehen habe. In einem zweiten Anlauf im Nationalrat setzte sich erneut die ablehnende Koalition aus der Linken und der SVP durch. Der Rat beschloss mit 112:64 Stimmen, nicht noch einmal auf das Geschäft einzutreten, womit es auch für den Ständerat aus den Traktanden fiel. Der Bundesrat bedauerte, dass sich das Parlament nicht explizit hinter sein Programm stellte, erklärte aber, dass er damit leben könne. Die Debatte verdeutlichte den seit der Neubestellung des Parlaments geringer gewordenen Kompromisswillen der beiden Pole (SP/GP und SVP) und deren gewachsene Bereitschaft, auch in sogenannt unheiligen Allianzen Regierungsprojekte zu blockieren. Gemeinsam verfügen die Linke und die SVP über 125 der 200 Sitze im Nationalrat (im 1999 gewählten Parlament waren es noch 108 gewesen). Die Spezialkommission „Legislaturplanung“ des Nationalrats war trotz dieser verunglückten Premiere des neuen Verfahrens der parlamentarischen Behandlung der Legislaturziele der Meinung, dass dieses beibehalten werden solle. Sie möchte allerdings eine Straffung der Redezeiten und die Beschränkung des Rechts auf Abänderungsanträge auf die Fraktionen einführen.

Legislaturplanung 2003-2007 (BRG 04.012)
Dossier: Legislaturplanungsberichte

Während sich die Wirtschaft über das Wahlergebnis freute, reagierte die Linke, und dabei insbesondere ihre weiblichen Vertreterinnen mit Empörung. Nicht nur zog der von ihnen kategorisch als nicht wählbar erklärte Blocher in die Landesregierung ein, sondern durch den Sieg von Merz über die von der Linken unterstützte Beerli wurde die Vertretung der wirtschaftsnahen Rechten im Bundesrat noch zusätzlich verstärkt. Dazu kam, dass mit der Nichtwiederwahl Metzlers und der Niederlage von Beerli die Frauenvertretung in der Regierung auf Calmy-Rey zusammenschrumpfte. Daran waren allerdings die SP-Parlamentarierinnen nicht ganz unschuldig, hatten sie doch nach eigener Aussage bei der Besetzung des CVP-Sitzes für den ihnen politisch näher stehenden Deiss und nicht für Metzler gestimmt. Unzufrieden mit dem Wahlausgang waren aber auch die Frauen der CVP und der FDP. Am Abend nach der Wahl fand in Bern eine erste Protestdemonstration statt, welche am folgenden Samstag in grösserem Rahmen mit rund 12'000 Teilnehmenden wiederholt wurde.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2003

Am Abend des Wahlsonntags überraschte der Präsident der SVP, Ueli Maurer, die Präsidenten der anderen Parteien vor laufender Fernsehkamera mit der ultimativ vorgetragenen Forderung, dass bei der Gesamterneuerungswahl vom Dezember Christoph Blocher anstelle einer der bisherigen CVP-Vertreter in den Bundesrat zu wählen sei, ansonsten die SVP aus der Regierung austreten werde. Wie sich in letzterem Fall der amtierende Bundesrat der SVP, Samuel Schmid, verhalten würde, blieb offen. Die SVP-Fraktionsführung und später auch die Fraktion und eine Delegiertenversammlung sanktionierten dieses in kleinem Kreis vorbereitete Vorgehen Maurers erst im Nachhinein, aber ohne wesentliche Opposition. Die rasch verstummende parteiinterne Kritik monierte, dass die üblichen Prozeduren bei der Kandidatennomination missachtet würden, und dass ein so wichtiger Entscheid wie ein Regierungsaustritt nur von einer Delegiertenversammlung oder einer Urabstimmung gefällt werden könne.

Die beiden anderen bürgerlichen Regierungsparteien reagierten unterschiedlich. Die FDP kritisierte zwar das aggressive Vorgehen der SVP, sah aber keinen Grund, deren Anspruch auf einen der beiden CVP-Sitze und die Kandidatur Blocher zu bekämpfen. Die von der SVP anvisierte CVP erklärte hingegen, dass ihre Vertreter nicht zurücktreten würden und die Partei sie dabei voll unterstützen werde. Auch ihre Bundesräte Deiss und Metzler liessen nie Zweifel daran aufkommen, dass sie wieder kandidieren würden. Obwohl es an der kompromisslosen Haltung der CVP auch parteiinterne Kritik gab, welche befürchtete, dass nach dem neuerlichen Wahlsieg der SVP ein Beharren auf den zwei Bundesratssitzen für die CVP kontraproduktiv wäre, hielt die CVP-Spitze bis zur Bundesratswahl vom 10. Dezember an dieser Linie fest. In der Vorbereitung des Terrains für die Bundesratswahl machte sich die CVP die Idee der SP zu Eigen, dass die SVP, zumindest vorläufig, den durch die Demission Villigers freiwerdenden FDP-Sitz erhalten solle. Dabei griff sie die FDP auch inhaltlich an: Mit ihrer Unterstützung der Kandidatur Blocher sei diese zum Anhängsel der SVP geworden und nicht mehr repräsentativ für ihre gemässigt bürgerliche Wählerschaft. Diese werde einzig noch durch die CVP vertreten, weshalb deren Anspruch auf zwei Sitze gerechtfertigt sei. Eine Woche vor der Wahl beschloss die Fraktion, an der Wiederkandidatur sowohl von Deiss als auch von Metzler festzuhalten. Zudem entschied sie, dass die zuerst antretende Metzler bei einer Nichtwahl nicht gegen den nach ihr zu wählenden Deiss antreten dürfe.

Die Haltung der SP war nicht eindeutig und zudem stark von taktischen Interessen geprägt. Im Sommer hatte Parteipräsidentin Brunner eine gewisse Bereitschaft erkennen lassen, der SVP einen zweiten Regierungssitz zulasten der CVP einzuräumen. Sie begründete diese von einem Teil der Linken als Tabubruch empfundene Unterstützung der SVP nicht mit deren Wählerstärke, sondern mit dem Verhalten der CVP, welche zu weit nach rechts gerückt sei. Indirekt gab sie damit der CVP zu verstehen, dass eine SP-Unterstützung für die Verteidigung ihrer beiden Regierungssitze nicht gratis zu haben sei. In der Phase der Wahlvorbereitungen konkretisierte die SP-Spitze diesen Preis und verlangte von der CVP Zusicherungen, in konkreten sozial-, wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen die SP-Positionen mitzutragen. Derartige Vorstösse wurden auch von den Grünen gemacht, welche aber rasch zur Erkenntnis kamen, dass die Positionen der CVP und der GP zu weit voneinander entfernt sind, um eine tragfähige Mitte-Links-Regierung zu bilden. Rechnerisch wäre eine derartige Koalition möglich gewesen, verfügte doch die Linke mit der CVP über eine knappe Mehrheit von 125:121 Stimmen in der Bundesversammlung. Obwohl die CVP der SP keine inhaltlichen Zugeständnisse machte, beschloss die SP-Fraktion eine Woche vor der Wahl, die beiden Kandidierenden der CVP zu unterstützen. Nach den Nationalratswahlen war von Brunner auch die von der CVP dankbar aufgenommene Idee ins Spiel gebracht worden, dass die SVP, zumindest vorläufig, den durch die Demission Villigers freiwerdenden FDP-Sitz erhalten könnte.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2003

Das herausragende Ereignis des Jahres in diesem Bereich war aber nicht die Neubesetzung des freisinnigen Bundesratssitzes, sondern das Aufbrechen der seit 1959 praktizierten Formel für die parteipolitische Zusammensetzung der Landesregierung, die sogenannte Zauberformel. Bereits im Vorfeld der Nationalratswahlen wurde darüber spekuliert, ob bei einem weiteren Vormarsch der SVP auf Kosten der FDP und der CVP ein zweiter Sitz für die SVP noch zu vermeiden wäre. Allerdings wurde die Abwahl (bzw. Nichtwiederwahl) eines der beiden wiederkandidierenden Regierungsmitglieder der CVP noch als wenig wahrscheinlicher Tabubruch bezeichnet. Eine Nichtwiederwahl hatte es seit 1848 erst zweimal (1854, Ochsenbein, und 1872, Chalet-Venel) gegeben. Beide wurden allerdings durch Herausforderer aus derselben Partei (FDP) verdrängt. Aus den Parlamentswahlen vom 19. Oktober ging die SVP mit einem Wähleranteil von 26,7% (+4,2%) als eindeutige Siegerin hervor. Indem sie in den französischsprachigen Kantonen Genf, Neuenburg und Waadt zur stärksten bürgerlichen Partei wurde, konnte sie auch ihr bisheriges Manko, fast ausschliesslich eine Deutschschweizer Partei zu sein, abstreifen. Verloren hatten die CVP, welche noch auf 14,4% (-1,5%) kam, und die FDP mit 17,3% (-2,6%); die SP vermochte hingegen ihren Wähleranteil um 0,8% auf 23,3% zu steigern.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2003

Dass der freiwerdende Sitz bei der SP bleiben sollte und vorzugsweise mit einer Frau aus der lateinischen Schweiz zu besetzen sei, wurde nur gerade von der SVP bestritten. Die Medien brachten die Regierungsrätinnen Micheline Calmy-Rey (GE) und Patrizia Pesenti (TI) sowie die Genfer Nationalratspräsidentin Liliane Maury Pasquier als aussichtsreichste Kandidatinnen ins Spiel. Als Aussenseiter wurde zudem der Neuenburger Ständerat Jean Studer gehandelt. Von den Kantonalsektionen der SP wurden zuhanden der SP-Fraktion diese vier sowie die Freiburger Regierungsrätin Ruth Lüthi vorgeschlagen. Dabei führte die Nomination von Lüthi zu einer vor allem von Medienschaffenden ausgetragenen Polemik zwischen der Deutsch- und der Welschschweiz. Da Lüthi, welche seit 30 Jahren in der offiziell französischsprachigen Stadt Freiburg wohnt und dort auch ihre gesamte politische Karriere absolviert hat, im Kanton Solothurn aufgewachsen ist, wurde sie von einem Teil der welschen Medien nicht als Kandidatin der französischen Schweiz anerkannt. Nachdem die Leitung der SPS der Fraktion empfohlen hatte, auf die Kandidatinnen aus der Romandie (d.h. Calmy-Rey, Maury Pasquier und Lüthi, nicht aber die Tessinerin Pesenti und der Neuenburger Studer) zu setzen, nominierte diese Micheline Calmy-Rey und Ruth Lüthi, wobei klar wurde, dass sie die Genferin bevorzugte.

Bundesratsersatzwahl 2002

Die Grünen kündigten kurz nach Ogis Demission an, dass sie eine eigene Kandidatin aufstellen würden, was sie mit der Nominierung von Nationalrätin Cécile Bühlmann (LU) dann auch taten. Die SP versuchte vergeblich, die FDP und die CVP von der Opportunität eines Rauswurfs der SVP aus der Regierung zu überzeugen. Ihr Angebot, zu diesem Zweck eine freisinnige Kandidatur zu unterstützen, fand lediglich bei einigen Freisinnigen aus der Romandie Interesse. Der Versuch, die SVP aus dem BR abzuwählen, fand in der SP-Fraktion mit 29:5 Stimmen eine klare Mehrheit. Danach lancierten einzelne SP-Politiker die Idee, mit Ulrich Siegrist wenigstens einen möglichst weit vom politischen Kurs seiner Partei entfernten Vertreter der SVP zu wählen. Ganz zum Schluss der Kampagne versuchte die SP dann auch noch, den FDP-Präsidenten Franz Steinegger (UR) ins Spiel zu bringen. Die FDP und die CVP hatten zwar keine Lust, der SVP den Bundesratssitz zu entreissen; aber sie machten von Anfang an klar, dass sie niemanden unterstützen würden, der auf der radikalen aussenpolitischen Linie von Nationalrat Blocher und seiner Zürcher SVP politisiert. Da Eberle und auch Fuhrer sowohl beim UNO-Beitritt als auch bei der Frage der Bewaffnung von schweizerischen Armeekontingenten bei Friedenseinsätzen im Ausland eine von Blocher divergierende Meinung vertreten, waren für sie grundsätzlich alle vier SVP-Politiker wählbar. Beide Fraktionen verzichteten darauf, eine bestimmte Kandidatur zu unterstützen. Die Fraktion der Liberalen sprach sich für Schmid aus.

Bundesratsersatzwahlen 2000

Der Wahlsieg der SVP bei den Nationalratswahlen, welcher sie von der viertgrössten zur wählermässig stärksten Partei hatte anwachsen lassen, belebte die sporadisch aufkeimende Diskussion um die Fortführung der sogenannten Zauberformel für die parteipolitische Zusammensetzung der Landesregierung. Unmittelbar nach den Nationalratswahlen verlangten Parteipräsident Maurer (ZH) und Nationalrat Blocher (svp, ZH) einen der beiden CVP-Sitze, da diese nun zur schwächsten Bundesratspartei geworden sei. Diese Forderung wurde von der SVP übernommen; die von der Partei reklamierte Aussprache über eine neue Regierungszusammensetzung stiess aber bei den anderen Bundesratsparteien auf kein Interesse. Die FDP zeigte keine Lust, einen der beiden im Frühjahr frisch gewählten CVP-Vertreter bereits wieder abzuwählen, und auch die SP konnte kein Interesse an der Schwächung der politischen Mitte zugunsten der SVP haben. In der Folge änderte deshalb die SVP ihre Stossrichtung und verlangte einen der beiden SP-Sitze. Mit dieser Forderung konnte sie zwar bei einigen Freisinnigen auf Unterstützung hoffen, provozierte aber auch eine Gegenreaktion bei der SP, welche erklärte, dass bei einer Abwahl eines ihrer beiden Regierungsmitglieder auch das andere zurücktreten würde. Die FDP gestand zwar zu, dass eine rein bürgerliche Regierung nicht ohne Reiz wäre, gab aber zu bedenken, dass die bestehenden Volksrechte die Regierungspolitik lähmen könnten und zudem der SP ihre Oppositionsrolle zu einfach machen würden. Ende November nominierte die SVP-Fraktion ihren Bisherigen Adolf Ogi sowie, als Herausforderer für die beiden Sozialdemokraten, Christoph Blocher. Die CVP-Fraktion sprach sich einstimmig und die FDP-Fraktion bei einigen Gegenstimmen für die Bestätigung der Bisherigen und damit gegen die Wahl von Blocher aus.

Bundesratswahl 1999

Die Reaktion auf die vom Bundesrat im Vorjahr in die Vernehmlassung gegebenen Vorschläge für eine Regierungsreform fiel eher negativ aus. Die Variante mit einem gestärkten Bundespräsidenten fand bei den grossen Parteien keinen Anklang, da sich dessen Rolle nicht mit dem weiterhin vorgesehenen Kollegialitätsprinzip würde vereinbaren lassen. Einzig der Vorort und der Bauernverband sowie die Grünen und die Schweizer Demokraten sprachen sich dafür aus. Eine zweistufige Regierung mit Bundesräten als Regierungskollegium und ihnen unterstellten Fachministern fand in abgewandelter Form, d.h. mit einer gleichzeitigen Stärkung des Präsidialamtes, zwar bei der FDP Anklang, nicht aber bei der SVP. Die SP und die CVP wie auch der Gewerkschaftsbund und der Gewerbeverband beurteilten dieses Modell zwar grundsätzlich positiv, lehnten jedoch eine Verkleinerung des Bundesrates auf fünf Mitglieder ab. Der Bundesrat beschloss in der Folge, dieses zweistufige Modell weiter zu verfolgen und sich mit den Details einer solchen Regelung, wie z.B. der Frage, ob die Fachminister vom Parlament oder der Regierung zu wählen seien, auseinanderzusetzen.

Vorbereitungsarbeiten des Bundesrats für eine neue Vorlage zur Regierungsreform

Für eine Mehrheit der SP-Leitung war klar, dass ihr zweiter Bundesrat neben Ruth Dreifuss ein Mann sein sollte. Angesichts der bestehenden relativen Übervertretung der lateinischen Schweiz in der Regierung war auch seine deutschschweizerische Herkunft unbestritten. Als aussichtsreichste Kandidaten präsentierten die Medien bereits zwei Tage nach Stichs Rücktrittsankündigung die Nationalräte Leuenberger (ZH) und Marti (GL) - beide verfügen als Mitglieder von Kantonsregierungen über Exekutiverfahrung - sowie die Ständeräte Piller (FR) und Onken (TG). Als weiteren Anwärter schlug die SP des Kantons Basel-Land den ehemaligen Ständerat und amtierenden Regierungsrat Edi Belser vor. Als einzige Frau präsentierte die Berner SP alt Nationalrätin Gret Haller, welche als momentane Auslandschweizerin - sie ist Diplomatin beim Europarat - aufgrund ihres Zürcher Heimatscheins wählbar wäre. Am 16. September einigte sich der SP-Vorstand auf einen Dreiervorschlag Leuenberger/Piller/Haller (in der Reihenfolge der erzielten Stimmen) zuhanden der Fraktion; eine Empfehlung, wieviele von diesen Bewerbern definitiv ins Rennen geschickt werden sollten, gab er nicht ab. Die Fraktion beschloss, mit dem Zweiervorschlag Leuenberger/Piller vor die Vereinigte Bundesversammlung zu treten. Die Fraktionen der drei anderen Bundesratsparteien verzichteten auf eine Empfehlung zugunsten eines der beiden Kandidaten; beide wurden als annehmbar taxiert. Die Grünen zeigten sich enttäuscht über den Verzicht auf eine Frauenkandidatur und beschlossen, zumindest im ersten Wahlgang für Gret Haller zu stimmen.

Bundesratswahlen 1995

Am 30. August teilte der im Dezember 1983 gewählte Bundesrat Otto Stich (sp) zur allgemeinen Überraschung mit, dass er auf Ende Oktober demissionieren werde. Im Laufe des Jahres hatten sich zwar bürgerliche Politiker mehrmals für seinen Rücktritt ausgesprochen. Aber noch Mitte August hatte das SP-Sekretariat erklärt, dass mit einem Rücktritt nicht zu rechnen sei. In Würdigungen wurde Stichs Leistung als Finanzminister gelobt; namentlich in der französischsprachigen Schweiz wurde aber auch seine EU-kritische Haltung und sein als ungenügend empfundenes Bemühen um die Kontaktpflege mit der Romandie kritisiert.

Bundesratswahlen 1995

Konkrete politische Gründe für die Nichtwahl Brunners liessen sich eigentlich kaum ausmachen. Sie hatte zwar seinerzeit der GSoA-Initiative für eine Abschaffung der Armee zugestimmt, das traf aber auch auf Dreifuss zu. Sowohl bürgerliche als auch linke Kommentatoren ordneten sie — wie auch Matthey und die schliesslich gewählte Dreifuss — dem gemässigt-reformistischen Flügel innerhalb der SP zu. Dass es auch nicht um die Frage ging, ob der Bundesrat ein reines Männergremium bleiben soll, zeigte die Wahl von Ruth Dreifuss. Ausschlaggebend dürfte wohl gewesen sein, dass die jugendlich und spontan wirkende Brunner dem Rollenverständnis einer Mehrzahl der Parlamentarier nicht entsprach. Darüber hinaus zeigte der Wahlvorgang aber auch auf, dass sowohl der SP als auch den drei bürgerlichen Regierungsparteien zumindest momentan ausserordentlich viel an der Beibehaltung der sogenannten Zauberformel für die Regierungszusammensetzung gelegen war.

Bundesratsersatzwahl 1993

Am 10. März trat die Bundesversammlung erneut zusammen. Vor dem Bundeshaus demonstrierten rund 10'000 Frauen und Männer für die Wahl Brunners. Das sonst während Sessionen übliche Demonstrationsverbot auf dem Bundesplatz war von den Berner Behörden in Absprache mit Nationalrats-Präsident Schmidhalter (cvp, VS) aufgehoben worden. Matthey erklärte, dass er die vor einer Woche erfolgte Wahl nicht annehme, da er von der SP-Fraktion nicht unterstützt werde. In der Geschichte des Bundesstaates war es bisher fünfmal zu einer Nichtannahme der Wahl zum Bundesrat gekommen; zum erstenmal geschah dies jetzt auf Druck einer Partei. Von einigen Staatsrechtlern wurde die Durchführung dieser Wahl deshalb heftig kritisiert. Für diesen nun eingetretenen Fall einer Nichtannahme hatte die SVP-Fraktion eine Verschiebung der Wahl um eine Woche vorgeschlagen. Sie begründete diesen Antrag damit, dass die zwei Tage zuvor nominierte Kandidatin Dreifuss noch zuwenig bekannt sei. Zudem könne unter diesen Begleitumständen — gemeint war damit vor allem die gleichzeitig auf dem Bundesplatz stattfindende Demonstration — eine seriöse Wahl nicht vorgenommen werden. Der auch von den Liberalen, der AP und der SD/Lega unterstützte Ordnungsantrag wurde mit 117 zu 62 Stimmen abgelehnt.

Vor dem Wahlgang kam es nochmals zu einer kurzen Diskussion. Die LP gab bekannt, dass sie keine der beiden Kandidatinnen unterstützen werde, und die FDP rief zur Wahl von Ruth Dreifuss auf. Im ersten Wahlgang erhielten Brunner und Dreifuss fast gleich viele Stimmen (90 resp. 92). Deren 54 entfielen auf die freisinnige Nationalrätin Spoerry (ZH), welche daraufhin erklärte, dass sie nicht kandidiere und die Stimmen einer welschen Frau gegeben werden sollten. Auch im zweiten Wahlgang erreichte keine der Kandidatinnen das absolute Mehr; aber Dreifuss steigerte sich auf 112 Stimmen. Brunner kam noch auf deren 86; sie forderte daraufhin diejenigen, welche ihr die Stimme gegeben hatten, zur Unterstützung von Dreifuss auf. Im dritten Wahlgang wurde Ruth Dreifuss bei einem absoluten Mehr von 96 Stimmen — die Vertreter der AP sowie ein Teil der SD/Lega-Fraktion hatten den Saal verlassen, 38 Abgeordnete legten leer ein — mit 144 Stimmen gewählt. Sie nahm die Wahl an, womit der Kanton Genf seit 1919 erstmals wieder in der Landesregierung vertreten ist. Mit Ruth Dreifuss ist zudem zum erstenmal eine Angehörige der jüdischen Religionsgemeinschaft in der Landesregierung vertreten.

Bundesratsersatzwahl 1993