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Zwischen Juni und Oktober 2020 führte der Bundesrat eine Vernehmlassung zur Revision des Mehrwertsteuergesetzes durch. Die Regierung plante unzählige Änderungen des Mehrwertsteuergesetzes in den Bereichen Steuerpflicht, Steuerabrechnung und Steuersicherung. Insbesondere war geplant, die ausländischen Versandhandelsunternehmen neu als Leistungserbringende einzustufen, wodurch sie als Lieferanten die Mehrwertsteuer auf alle verkauften Produkte entrichten müssten. Zudem sollten in der Revision zahlreiche parlamentarischen Vorstösse umgesetzt werden.

Im September 2021 präsentierte die ESTV ihren Vernehmlassungsbericht zu den 97 eingegangenen Stellungnahmen, unter anderem von 24 Kantonen, 5 Parteien (CVP, FDP, GPS, SPS und SVP) und 63 Organisationen wie die Dachverbände der Städte und Gemeinden, Dachverbände der Wirtschaft, FDK und übrige Organisationen aus sehr heterogenen Bereichen wie die Post oder die SBB, das Mehrwertsteuer-Konsultativgremium KG, verschiedene Verbände aus dem Gastro- oder Tourismusbereich, aber beispielsweise auch Amazon Services Europe Sàrl oder Rakuten Europe Sàrl (beide mit Sitz in Luxembourg), Curafutura und Santésuisse, der Schweizerische Pensionskassenverband (ASIP), Greenpeace und WWF oder die Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten. Dabei stiessen die zahlreichen Regelungen auf deutlich unterschiedlichen Anklang. Keiner der Vernehmlassungsteilnehmenden sprach sich gegen die Einführung der Plattformbesteuerung aus, auch wenn durchaus Vorbehalte oder Verbesserungsvorschläge vorgebracht wurden. Auch die Auskunftspflicht für Versandhandels- und Dienstleistungsplattformen oder die Einführung des elektronischen Nachweises für die Ausfuhr im Reiseverkehr wurden trotz Fragen und Alternativvorschlägen grundsätzlich akzeptiert.
Als «begrüsst von fast allen» teilte die ESTV verschiedene andere Regelungen, etwa den reduzierten Steuersatz für Produkte der Monatshygiene, die Steuerausnahme für die aktive Teilnahme an kulturellen Anlässen oder die Steuerausnahme für Leistungen der koordinierten Versorgung ein, die jeweils nur von Economiesuisse und teilweise von SwissHoldings abgelehnt wurden.
Die übrigen Massnahmen stiessen auf mehr oder weniger starke Ablehnungen. Besonders kritisch zeigten sich der Schweizerische Expertenverband für Wirtschaftsprüfung, Steuern und Treuhand (EXPERTsuisse) und das Mehrwertsteuer-Konsultativgremium, die zahlreiche der weiteren Bestimmungen, teilweise zusammen mit anderen Akteuren, ablehnten. Auf besonders breiten Widerstand stiess etwa die Ausweitung der Bezugsteuer bei Business to Business-Leistungen (B2B-Leistungen) ausländischer Unternehmen sowie die Beweiserleichterung für ein Gemeinwesen bei Subventionen.

Revision des Mehrwertsteuergesetzes: Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer in einer digitalisierten und globalisierten Wirtschaft (BRG 21.019)
Dossier: Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer in einer globalisierten Wirtschaft – Das Bundesratsgeschäft (BRG 21.019) und der Weg dahin

Jahresrückblick 2020: Öffentliche Finanzen

Im Jahr 2020 wurde in den Medien im Verhältnis zu anderen Themen deutlich weniger über den Themenbereich «Öffentliche Finanzen» berichtet als in den Jahren 2017 bis 2019. Dies lag jedoch nicht am Unterthema «Finanzlage», im Gegenteil: 2020 wurde häufiger über das Budget, die Staatsrechnung oder die öffentlichen Finanzen diskutiert als im Vorjahr. Grund dafür war die Corona-Pandemie, die bei den Medien das Interesse an der Frage weckte, wie es ob der Pandemie um die Bundesfinanzen stehe. Diese Frage war durchaus berechtigt, zumal die Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie sowohl einnahmen- als auch ausgabenseitig grosse Konsequenzen nach sich zogen. Die hohen Ausgaben kündigten sich bereits im März 2020 an, als der Bundesrat dem Parlament in zwei Nachmeldungen zum ersten Nachtragskredit CHF 41.9 Mrd. als Verpflichtungskredite für die Corona-Soforthilfe für Unternehmen sowie CHF 15.3 Mrd. als Nachtragskredite beantragte. Hinzu kamen im zweiten Nachtragskredit im Mai 2020 noch einmal CHF 14.9 Mrd., womit der Bundesrat mehr als CHF 30 Mrd. zur Bekämpfung der Pandemie und ihrer Auswirkungen einzusetzen plante.
Auch die Einnahmen des Bundes litten mehrfach unter Corona: Der Wirtschaftseinbruch führte zu einer Reduktion des Konsums und dadurch zu einem Mehrwertsteuerausfall, die steigende Arbeitslosigkeit sowie die Lohnreduktion durch Kurzarbeit führten zu einer Reduktion der Erträge der Einkommenssteuer, tiefere Gewinne und Konkurse von Unternehmen führten zu tieferen Unternehmenssteuern und die Möglichkeit, Steuerzahlungen im Jahr 2020 zinslos aufzuschieben, führte in mehreren Bereichen zu Steuerausfällen. Zwar war unklar, wie hoch diese Steuerausfälle schlussendlich sein würden, die FK-NR rechnete aber während des ersten Lockdowns mit Ausfällen in der Höhe von CHF 6 bis 8 Mrd. Zusammengenommen ergaben die höheren Ausgaben und tieferen Einnahmen ein erwartetes Defizit von CHF 30 bis 40 Mrd. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 hatte der Bund einen Überschuss von CHF 3 Mrd. erwirtschaftet. Die Gesamtleistung des Bundes im Rahmen der Corona-Krise über die nächsten Jahre hinweg schätzte Finanzminister Maurer im April 2020 gar auf CHF 70 bis CHF 80 Mrd. – sie entspräche damit ungefähr den Bundesausgaben eines Jahres.
Zwar gab es Mitte August 2020 eine zeitweise Entwarnung, als der Bundesrat im Nachtrag IIb ankündigte, dass ein Teil der bereits veranschlagten CHF 31 Mrd. nicht ausgeschöpft werden müsse: Insgesamt fielen «nur» ausserordentliche Ausgaben von CHF 17.8 Mrd. an. Jedoch zeigte sich zu demselben Zeitpunkt auch, dass die Fiskaleinnahmen im ersten Halbjahr 2020 um fast 1.3 Mrd. tiefer lagen als im gleichen Zeitraum 2019. In der Folge gelang es dem Bundesrat aber, die erwarteten Corona-bedingten Mehrkosten für das Jahr 2021 im ordentlichen Voranschlag unterzubringen, ohne dabei die Schuldenbremse auszureizen. Wie Bundesrat Maurer aber bereits zu diesem Zeitpunkt betont hatte, waren diese positiven Meldungen unter anderem von der weiteren Entwicklung der Pandemie abhängig, und so machte die zweite Welle dem Finanzminister noch einmal einen Strich durch die Rechnung: Im September 2020 beantragte der Bundesrat dem Parlament in einer Nachmeldung zum Voranschlag 2021 noch einmal CHF 1.4 Mrd. zur Bekämpfung der Auswirkungen der Pandemie, bewegte sich aber auch damit noch immer im Rahmen des von der Schuldenbremse Erlaubten.
Dass die Schweiz 2020 ein Defizit machen würde, stand ob der grossen Hilfspakete des Bundesrates ausser Frage. Diskutiert wurde in den Medien aber die Frage, wie dieses Defizit verbucht und anschliessend abgebaut werden soll. Sollten die ausserordentlichen Corona-Ausgaben auf das Amortisationskonto der Schuldenbremse gebucht werden oder sollten sie an der Schuldenbremse vorbeigeschleust werden, wie eine 19-zu-5-Mehrheit der FK-NR (Mo. 20.3470) forderte? Einig war man sich mehrheitlich, dass eine Kompensation in den nächsten sechs Jahren, wie es die aktuelle Regelung bei einer Buchung auf das Amortisationskonto verlangen würde, kaum möglich wäre. Stattdessen wurde darüber diskutiert, ob die Schulden innert 10, 20 oder 30 Jahren oder gar ohne zeitliche Zielvorgabe zurückgezahlt werden sollen. Vorgeschlagen wurde auch, den Schuldenabbau durch zusätzliche Einnahmen, zum Beispiel durch die fixe Zuweisung des Gewinnanteils des Bundes an den Einnahmen der SNB, zu beschleunigen (Motion der WAK-NR: Mo. 20.3450).

Abgesehen von Corona lief 2020 insbesondere im Bereich der «Direkten Steuern» einiges. Dass der Themenbereich verglichen mit den Jahren 2017 bis 2019 deutlich weniger mediale Aufmerksamkeit generierte, liegt an den Abstimmungen über die sehr umstrittenen Revisionen der Unternehmenssteuern in den vergangenen Jahren (2017: USR III, 2019: STAF). Im Jahr 2020 stand hingegen zu den direkten Bundessteuern «nur» das Referendum gegen die steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten an, das deutlich weniger Aufmerksamkeit generierte. Hier hatte das Parlament das ursprüngliche Anliegen der Vorlage, den Drittbetreuungsabzug von CH 10'000 auf CHF 25'000 zu erhöhen, um eine Erhöhung des Kinderabzugs von CHF 6'500 auf CHF 10'000 ergänzt. Dagegen hatten SP und Grüne das Referendum ergriffen, weil sie die hohen Kosten dieser Massnahme, das fehlende Geld für andere Projekte und den einseitigen Nutzen der Erhöhung des Kinderabzugs für die Gutverdienenden kritisierten. Die Befürworterinnen und Befürworter der Änderung warben hingegen damit, dass die Vorlage Mittelstand und Familien entlaste. Mit 63.2 Prozent Nein-Stimmen lehnten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Änderung eher überraschend ab.
Daneben wurde im Themenbereich «Direkte Steuern» einmal mehr über die Abschaffung der Heiratsstrafe und damit verbunden über die Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» der CVP diskutiert. Nachdem das Bundesgericht die Abstimmung zur CVP-Initiative im April 2019 annulliert hatte, reichte das Initiativkomitee im Februar 2020 – auch auf Anraten von CVP-Präsident Gerhard Pfister – die von 14 der 15 Mitgliedern unterzeichnete Rückzugserklärung bei der Bundeskanzlei ein. Eine Beschwerde des Vereins Human Life, der sich mit Verweis auf ein Rechtsgutachten gegen den Rückzug wehrte, lehnte das Bundesgericht im Oktober 2020 ab.
Darüber hinaus bereinigte das Parlament das Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung finanzieller Sanktionen, welches entsprechend einer Motion Luginbühl (bdp, BE; Mo.14.3450) die Steuerabzüge von Bussen mit Strafzweck sowie von Bestechungszahlungen an Private und Aufwendungen zur Ermöglichung von Straftaten streichen wollte. Das Parlament entschied sich jedoch, vom Ausland verhängte Bussen weiterhin steuerlich abzugsfähig zu machen, sofern die Sanktionen gegen den schweizerischen Ordre public verstossen oder wenn das Unternehmen glaubhaft darlegen kann, dass es «alles Zumutbare unternommen hat, um sich [nach ausländischem Recht] rechtskonform zu verhalten».

Nicht zuletzt präsentierte der Bundesrat verschiedene neue Reformprojekte, unter anderem das Bundesgesetz über administrative Erleichterungen und die Entlastung des Bundeshaushalts, dessen Ziel die Entlastung des Bundeshaushalts durch verschiedene strukturelle Reformen in der Bundesverwaltung ist. Bereits ein erstes Mal im Parlament behandelt wurden das Bundesgesetz über elektronische Verfahren im Steuerbereich sowie die Botschaft zur Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern» der SP, welche der Bundesrat zuvor zur Ablehnung empfohlen hatte. Anträge auf Erarbeitung eines direkten Gegenentwurfs sowie auf Annahme der Initiative wurden abgelehnt. Auch im Bereich indirekte Steuern sorgte ein neues Initiativprojekt für einiges mediales Aufsehen, nämlich die Volksinitiative «Mikrosteuer auf dem bargeldlosen Zahlungsverkehr». Die Initiative will jede Belastung und Gutschrift des bargeldlosen Zahlungsverkehrs anfänglich mit 0.05 Promille belasten und dafür die Mehrwertsteuer, die direkte Bundessteuer sowie die Stempelabgabe abschaffen. Das Komitee begann im Februar 2020 mit der Unterschriftensammlung.

Ein Novum bei den Voranschlägen gab es Corona-bedingt im Jahr 2020 ebenfalls: Im November erarbeitete die FK-NR aufgrund einer parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 20.481) einen Übergangs- oder Notvoranschlag für das Jahr 2021. Dieser stützte sich auf die bundesrätliche Botschaft und die Mehrheitsentscheide der Kommissionen und sollte zur Anwendung kommen, falls das Parlament bis Ende Jahr kein Budget verabschieden konnte. Soweit kam es jedoch nicht: Nach langwierigen Debatten verabschiedeten National- und Ständerat Mitte Dezember den ordentlichen Voranschlag 2021.

Jahresrückblick 2020: Öffentliche Finanzen
Dossier: Jahresrückblick 2020

Die Neue Finanzordnung 2021 soll es dem Bundesrat ermöglichen, die direkten Bundessteuern (DBST) und die Mehrwertsteuer (MWST) befristet bis zum 31. Dezember 2035 auch weiterhin erheben zu können. Die geltende Finanzordnung erlaubt ihm dies lediglich bis 2020. In der Wintersession beriet der Nationalrat als Erstrat den entsprechenden Bundesbeschluss. Aufgrund der Wichtigkeit dieser Steuern – sie machen gemeinsam mit CHF 42 Mrd. pro Jahr mehr als 60 Prozent des Bundeshaushaltes aus – war die Verlängerung an sich unbestritten. Diskutiert wurde stattdessen über die Frage, ob die Regelung wie bis anhin befristet werden soll oder nicht – und allenfalls auf wie viele Jahre. Im Vernehmlassungsentwurf hatte der Bundesrat wie bereits im Bundesbeschluss zur Neuen Finanzordnung im Jahr 2002 eine Aufhebung der Befristung vorgeschlagen. Die Kantone hatten eine solche Änderung grösstenteils befürwortet, die Verbände waren ungefähr zur Hälfte dafür, die Parteien lehnten sie jedoch mehrheitlich ab. Der Bundesrat strich entsprechend den Vorschlag aus dem Bundesbeschluss, was die Nationalräte jedoch nicht von dessen Diskussion abhielt. Die sozialdemokratische und die grüne Fraktion beantragten durch einen Antrag Birrer-Heimo (sp, LU) eine Aufhebung der Befristung mit der Begründung, dass die Erhebung dieser Steuer aufgrund ihrer Relevanz sowie mangels Alternativen nicht in Frage gestellt werden könne und daher die regelmässig wiederkehrenden Abstimmungen darüber keinen Demokratiegewinn, sondern lediglich unnötige Kosten mit sich bringen würden. Eine erneute Befristung sei zudem nicht zentral für die kritische Diskussion des Steuersystems des Bundes sowie dessen Ausgaben und Einnahmen, da eine solche kaum im Rahmen der Neuen Finanzordnung, sondern im Rahmen von Sachabstimmungen stattfinde. Auf der anderen Seite bevorzugte die SVP-Fraktion, in Form eines Antrags Amaudruz (svp, GE), eine Befristung der Steuern auf 10 anstelle von 15 Jahren, was dem Volk eine häufigere Überprüfung der Angemessenheit dieser Steuern erlauben würde. Für den bundesrätlichen Vorschlag argumentierte Leo Müller (cvp, LU), dass eine erneute Befristung auf 15 Jahre einerseits der Tatsache Rechnung trage, dass die Aufhebung der Befristung der Bundessteuern bereits 1977, 1979 sowie 1991 an der Urne abgelehnt worden war, dass sie andererseits aber das Volk nicht bereits in kürzester Zeit wieder an die Urne rufe – wie es bei einer Befristung auf 10 Jahre der Fall wäre. Diese Meinung teilte die Mehrheit des Nationalrats und nahm den Entwurf des Bundesrates mit 178 zu 9 Stimmen an. Bestätigt wurde damit auch die Streichung einer mit dem Inkrafttreten des Biersteuergesetzes vom 6. Oktober 2006 hinfällig gewordenen Übergangsbestimmung zur Erhebung der Biersteuer (Art. 196 Ziff. 15 BV). Die Vorlage geht nun an den Ständerat, abschliessend werden Volk und Stände über die Verlängerung der Erhebung der Bundessteuern entscheiden.

Neue Finanzordnung 2021 (BRG 16.053)

Am 28. September 2014 gelangte die Volksinitiative "Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!" zur Abstimmung. Das drei Jahre zuvor vom Wirteverband GastroSuisse eingereichte Begehren forderte, dass gastgewerbliche Leistungen dem gleichen Steuersatz unterliegen wie die Lieferung von Nahrungsmitteln. Bislang wurden nur Take-away-Einkäufe zum reduzierten Satz von 2,5% besteuert. Für Restaurantleistungen galt der Normalsatz von 8%. Nachdem sich bereits der Nationalrat in der Wintersession 2013 bei 16 Enthaltungen mit 94 zu 78 Stimmen gegen die Initiative ausgesprochen hatte, empfahl im März 2014 auch der Ständerat die Ablehnung des Volksbegehrens. In der kleinen Kammer stimmten bei 2 Enthaltungen 24 Parlamentarierinnen und Parlamentarier gegen und 13 für die Annahme der Volksinitiative. Neben den geschätzten Mindereinnahmen von CHF 750 Mio., die eine Reduktion des Steuersatzes für Restaurants auf 2,5% mit sich gebracht hätte, sprach aus Sicht der Gegner gegen die Initiative, dass mit deren Annahme der bei vielen Personen beliebte Einheitssatz vom Tisch gewesen wäre, da sie zwei separate Sätze für Nahrungsmittel und andere gastgewerbliche Leistungen wie alkoholische Getränke, Tabak und andere Raucherwaren vorsah. Obgleich das Anliegen im Parlament einigen Anklang fand, war ein indirekter Gegenvorschlag der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-NR) bereits im Oktober 2013 zurückgezogen worden. Das eingeführte Abgrenzungskriterium zwischen warmen und kalten Speisen vermochte in der Vernehmlassung nicht zu überzeugen. Die nationalen Parteien folgten beim Fassen ihrer Parolen grösstenteils ihren Abgeordneten. Auf nationaler Ebene gaben die SVP und die EDU die Ja-Parole aus, die CVP beschloss die Stimmfreigabe und die restlichen nationalen Parteien fassten die Nein-Parole. Es wichen jedoch etliche Kantonalsektionen und Jungparteien von den Stimmempfehlungen ihrer Mutterparteien ab. Von den grossen Verbänden erhielt das Anliegen der GastroSuisse nur gerade Unterstützung durch den Schweizerischen Gewerbeverband (SGV). Der Abstimmungskampf verlief sehr einseitig. Die Befürworter der Vorlage bewarben ihre Position deutlich häufiger als die Gegner. Dennoch sprachen sich bei einer Wahlbeteiligung von 45,9% letztlich nur 28,5% der Stimmenden für die Vorlage aus, die auch in keinem Kanton eine Mehrheit auf sich vereinen konnte. Die höchsten Ja-Stimmenanteile wurden in den Kantonen Uri (35,4%), Tessin (35,3%) und Jura (35,1%) gezählt. In den Kantonen Zürich (23,9%), Zug (24,2%) und St. Gallen (26,8%) fand das Anliegen am wenigsten Rückhalt.


Abstimmung vom 28. September 2014

Beteiligung: 47,0%
Ja: 684 563 (28,5%) / 0 Stände
Nein: 1 718 827 (71,5%) / 20 6/2 Stände

Parolen:
– Ja: SVP, EDU, GastroSuisse, sgv.
– Nein: SPS, FDP(9)*, GPS, GLP, BDP, EVP, eco, SBV, TravS.
– Stimmfreigabe: CVP(13)*
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!“

Der Ständerat hiess in der Frühjahrssession eine bereits im Oktober 2005 eingereichte und im Jahre 2007 durch den Nationalrat angenommene Motion der sozialdemokratischen Fraktion gut. Der Bundesrat wurde damit beauftragt, die Reform der Mehrwertsteuer sozialverträglich auszugestalten.

Reform der Mehrwertsteuer sozialverträglich

Eine Motion der SP setzte sich dafür ein, dass die Reform der Mehrwertsteuer sozialverträglich ausgestaltet wird. Die Entlastung von Unternehmen und Verwaltung solle nicht von Haushalten mit tiefen und mittleren Einkommen finanziert werden. Dieser Meinung waren auch der Bundesrat und der Nationalrat, welche die Motion annahmen.

Reform der Mehrwertsteuer sozialverträglich

Die nationalrätliche WAK hielt an ihren Anträgen fest und verabschiedete den MWSt-Gesetz-Entwurf mit 13 zu 10 Stimmen. Die SP leistete in der Frühjahrssession im Nationalrat jedoch entschlossenen Widerstand gegen die Steuerausfälle und drohte mit dem Referendum. Ein Rückweisungsantrag Marti (sp, GL) mit der Bedingung, dass die neue Vorlage mit Steuerausfällen von höchstens CHF 200 Mio. verbunden sein dürfe, wurde mit 102 zu 61 Stimmen abgelehnt. Nicht zuletzt aufgrund der SP-Referendumsdrohung kam in der Detailberatung aber im besonders umstrittenen Bereich der Geschäftsspesen mit 93 zu 60 Stimmen ein Kompromissvorschlag David (cvp, SG) durch. Danach soll der Bundesrat in einer Verordnung definieren, welche Auslagen als geschäftlich zu gelten haben und zum Vorsteuerabzug berechtigen, wobei er sich an der Praxis der direkten Bundessteuer zu orientieren hat. Ausserdem sollen Verpflegungsspesen zwar zu 100% abgezogen werden können, der Bundesrat soll aber Maximalbeträge festlegen. Gemäss dem Antragssteller würden die Steuerausfälle in diesem Bereich damit auf CHF 30 Mio. reduziert. Der Antrag der WAK, den Vorsteuerabzug auf geschäftlich begründeten Spesen auch ohne Nachweis mit Originalbelegen zu gewähren, ging einer Ratsmehrheit zu weit.

Ansonsten hielt sich der Nationalrat weitgehend an die Anträge der WAK. So wehrten sich Bundesrat und Linke vergebens gegen eine Erhöhung der Limite für die pauschale Abrechnung (Saldosteuersatz) auf einen Umsatz bis CHF 5 Mio. und einen Steuerbetrag von CHF 75'000 pro Jahr. Der Bundesrat wollte die Limite bei CHF 1.5 Mio. bzw. CHF 40'000 ansetzen. Eine Ratsmehrheit stimmte auch dem erweiterten Optionsrecht insbesondere bei der Krankenpflege, der Sozialfürsorge und im Sport- und Kulturbereich, sowie der MWSt-Befreiung für Brockenstuben und Startgelder inkl. Verpflegung und «Nebenleistungen» zu. Zusätzliche Anträge, die auch Prothesen und Heilmittel sowie extern erbrachte Leistungen im Spital- und Heilbereich (z.B. Reinigung und Verpflegung) sowie die Tiermedizin von der Steuer ausnehmen wollten, wurden abgelehnt. Nur Spott erntete ausserdem ein Antrag des Landwirtschaftsvertreters Wyss (svp, BE), der den Empfängern öffentlicher Subventionen den ungekürzten Vorsteuerabzug gewähren wollte, was Ausfälle von CHF 880 Mio. bedeutet hätte. Bei den echten Steuerbefreiten gab vor allem der internationale Luftverkehr zu reden. Der Rat fand sich aber schliesslich damit ab, dass internationale Flüge von der Steuer befreit bleiben müssen, solange auch die EU so verfährt. Ein Antrag von links-grüner Seite, gleich lange Spiesse für den öffentlichen Bahnverkehr zu schaffen und diesen ebenfalls von der Steuer auszunehmen, wurde ebenso abgelehnt wie ein Antrag Wiederkehr (ldu, ZH), der für den öffentlichen Personenverkehr einen MWSt-Sondersatz von 3% einführen wollte. Ein solcher hätte Ertragsausfälle von jährlich rund CHF 150 Mio. zur Folge. Der Auslandumsatz der Reisebüros soll gemäss Nationalrat auch in Zukunft von der MWSt befreit sein. Dagegen soll Samnaun künftig auch auf Waren MWSt-pflichtig werden. Mit 79 zu 53 Stimmen hiess der Nationalrat das Mehrwertsteuergesetz schliesslich gut. Die SP, welche die beschlossenen Einnahmenausfälle von jährlich rund CHF 240 Mio. - bei Gesamterträgen von rund CHF 12 Mrd. - als «ungerechtfertigtes Steuergeschenk» ablehnte, liess ihre Referendumsdrohung stehen.

Pa.Iv. Dettling Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer

Der Gesetzesentwurf stiess bei den vier Bundesratsparteien auf Kritik. Während die SP das Gesetz als «Vorlage für Steuervermeidungsspezialisten» rundweg ablehnte, bezeichneten die bürgerlichen Bundesratsparteien Steuerausfälle in dieser Höhe als politisch nicht opportun. Vehement gegen dieses Gesetz wehrten sich insbesondere auch die Reisebüros, die neu zur Kasse gebeten werden, indem sie Auslandreisen besteuern müssten. Damit hätten sie jährliche Mehraufwendungen von CHF 20 Mio. zu übernehmen. Im Oktober errechnete die Eidg. Steuerverwaltung die Steuerausfälle des vorgeschlagenen MWSt-Gesetzes auf CHF 470 Mio.

Pa.Iv. Dettling Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer

Bereits in der Herbstsession stimmte der Nationalrat der Vorlage zu. Dabei setzte sich die bürgerliche Mehrheit gegen die SP und die GP durch, welche angesichts der drohenden Löcher in der Bundeskasse grundsätzlich nicht bereit waren, einem Abbau der Finanzmarktsteuern ohne vollständige Kompensationen durch neue Einnahmen zuzustimmen. Kurz darauf verabschiedete auch der Ständerat die Revision mit 24 zu 4 Stimmen, ohne eine Kompensation der Ausfälle zuzulassen. Ein von der SP, der GP und einem Teil des LdU unterstützter Antrag Salvioni (fdp, TI), das Inkrafttreten aufzuschieben, bis neue Einnahmen gefunden seien, hatte keine Chance. Daraufhin beschloss der Parteivorstand der SP, gemeinsam mit dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund das Referendum gegen diesen Abbau der Stempelsteuern zu ergreifen.

Pa.Iv. zur Revision des Stempelsteuergesetzes

Nachdem sich auch die Nationalratskommission weitgehend den Beschlüssen der kleinen Kammer angeschlossen hatte, gab der Bundesrat ebenfalls seine Zustimmung zum neuen Modell bekannt. Wesentlich für das Zustandekommen eines Konsens war, dass sich die Bundesratsparteien im Verlaufe der Herbstsession auf eine Gesamtlösung der Bundesfinanzreform in einem Paket geeinigt hatten. Dabei mussten alle Parteien Abstriche machen: die SP bei ihren Forderungen nach einer vollständigen Kompensation der Ertragsausfälle bei der Stempelsteuerrevision resp. nach einer Zweckbindung von Mehreinnahmen (z.B. zugunsten der Krankenversicherung) und die Bürgerlichen bei ihren Begehren nach einer Reduktion der direkten Bundessteuer und nach einer zeitlichen Befristung der Finanzordnung sowie bei ihrem Widerstand gegen die Einführung der Proportionalsteuer für juristische Personen bei der direkten Bundessteuer. Zu diesem Kompromiss gehörte auch ein Passus, der vorsieht, dass nur alle drei Vorlagen der Finanzreform (MWSt, Direkte Bundessteuer und Stempelabgaben) zusammen in Kraft treten können. Damit soll gewährleistet werden, dass das Gesamtpaket nicht durch die Entscheide des Souveräns an der Urne wieder aufgeschnürt wird.

Neue Finanzordnung 1995 (BRG 89.041)
Dossier: Neue Bundesfinanzordnung 1991

Die Behandlung der parlamentarischen Initiative Feigenwinter (cvp, BL) zur Stempelsteuergesetzrevision zeigte denn auch, dass der Nationalrat durchaus bereit war, die Stempelsteuergesetzrevision unabhängig von der neuen Finanzordnung zu beraten: Ende September, also knapp vier Monate nach dem Vorliegen der bundesrätlichen Botschaft, überwies er gegen den Widerstand der SP und der Grünen die Initiative Feigenwinter. Diese unterscheidet sich vom Vorschlag des Bundesrates in zwei wesentlichen Punkten. Zum einen soll auf diesem Weg das parlamentarische Verfahren beschleunigt und damit der Finanzplatz schneller entlastet werden. Zum anderen soll auf die Wiedereinführung der Stempelabgaben auf den Lebensversicherungsprämien und auf die Besteuerung der treuhänderischen Darlehen verzichtet werden. Dies hätte zur Folge, dass die Einnahmenausfälle für die Bundeskasse nur zu 40% durch neue Steuern ausgeglichen würden.

Parlamentarische Initiative Feigenwinter