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Am 26. Mai 2021 brach der Bundesrat die Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU offiziell ab. Nach dem Treffen von Bundespräsident Parmelin mit Kommissionspräsidentin von der Leyen Ende April 2021, hatte sich in dem Dossier lang wenig bewegt, bis schliesslich Radio SRF mit der Publikation eines vom Bundesrat als geheim eingestuften Dokuments, welches die Risiken und Nebenwirkungen eines gescheiterten Rahmenabkommens aufschlüsselte, für neuen Gesprächsstoff sorgte. Potenziell schwerwiegende Konsequenzen drohten in einer ganzen Palette von Themenbereichen, die von Strom und Handel über Gesundheit bis zur Filmförderung reichten. Insbesondere auf die Gefahr, dass bestehende Abkommen nicht erneuert werden, oder dass die EU die Äquivalenz der Schweizer Gesetzgebung nicht anerkennen würde, wurde hingewiesen. So könne beispielsweise eine fehlende Gleichwertigkeit beim Datenschutz zahlreiche Schweizer KMUs und deren Geschäftspraktiken bedrohen, hielt der Bericht fest. Nichtsdestotrotz fand sich im Medienecho zu jenem Zeitpunkt zumindest ein Funken Hoffnung auf einen positiven Ausgang der Verhandlungen. Der Sonntags-Blick zitierte in der Ausgabe vom 23. Mai aus einer E-Mail der EU-Chefunterhändlerin Riso, in der diese die Diskussion über die Unionsbürgerrichtlinie als «am wenigsten finalisierte» Frage bezeichnete, gleichzeitig aber eine gewisse Kompromissbereitschaft der EU ausdrückte, den Vertrag erneut durchzugehen und nach Lösungen zu suchen. Gleichentags veröffentlichte die Sonntagszeitung jedoch die Meldung, dass der Bundesrat den Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen am 26. Mai vorsehe. Gemäss Sonntagszeitung plante der Bundesrat stattdessen einen Auffangplan, um den Konflikt mit der EU und die negativen wirtschaftlichen Folgen innen- und aussenpolitisch abzuschwächen. Unter anderem sei die Freigabe des zweiten Kohäsionsbeitrags vorgesehen, um Kooperationen wie das Forschungsprogramm Horizon weiterführen zu können. Eine weitere Möglichkeit der Bekräftigung des bilateralen Wegs – «Stabilex» genannt – beinhalte die einseitige Anpassung des Schweizer Rechts in politisch unumstrittenen Bereichen an EU-Bestimmungen, berichteten sowohl die Sonntagszeitung wie auch die NZZ.

Am 26. Mai bestätigte der der Bundesrat also diese Gerüchte und erklärte die Verhandlungen in einer Medienmitteilung für beendet. Dieser war zu entnehmen, dass der Bundesrat in zentralen Bereichen des Abkommens – Lohnschutz, Unionsbürgerrichtlinie, staatliche Beihilfen – weiterhin substanzielle Differenzen identifiziert hatte, weshalb er sich entschieden habe, das InstA nicht zu unterzeichnen und dies der EU auch so mitzuteilen. Im offiziellen Schreiben an die Europäische Kommission bot der Bundesrat die Einrichtung eines regelmässigen politischen Dialogs sowie die Prüfung von Problemen hinsichtlich der bestehenden Abkommen und die Suche nach pragmatischen Lösungen an. Er formulierte darin auch die Erwartungshaltung, dass die geltenden Abkommen «von beiden Parteien weiterhin vollumfänglich angewandt und im Falle relevanter Weiterentwicklungen des EU-Rechts aktualisiert» würden. Dabei hob er vor allem die Zusammenarbeit im Gesundheits- und Strombereich hervor. In seiner Medienmitteilung gestand der Bundesrat, dass das Nichtzustandekommen gewisse Nachteile mit sich bringe, wie zum Beispiel die Tatsache, dass keine neuen Marktzugangsabkommen abgeschlossen werden können. Er betonte jedoch, dass die Schweiz die bilaterale Zusammenarbeit mit der EU weiterführen wolle, weil man nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht verbunden sei, sondern auch eine europäische Wertegemeinschaft bilde und gemeinsam globale Herausforderungen angehe. Der Bundesrat versprach, den politischen Dialog mit der EU zu suchen und sich für eine rasche Deblockierung der Kohäsionsmilliarde einzusetzen. Er liess auch verlauten, dass er das EJPD damit beauftragt habe, gemeinsam mit anderen Departementen die Möglichkeit von eigenständigen Anpassungen im Schweizer Recht (Stabilex) zu prüfen, um dadurch die bilateralen Beziehungen zu stabilisieren.
Die EU-Kommission bezog gleichentags Stellung zur «einseitige[n] Entscheidung» und drückte ihr Bedauern über den Ausgang der Verhandlungen aus. Das InstA hätte eine Verbesserung des bilateralen Ansatzes ermöglicht und dessen Weiterentwicklung sichergestellt, liess die Kommission verlauten. Aus Kreisen der Kommission wurden zudem Stimmen laut, die behaupteten, die EU hätte zurzeit dringendere Probleme als die Schweiz, beispielsweise die Lage in Belarus. Der luxemburgische Aussenminister Jean Asselborn wünschte sich im Gespräch mit Le Temps eine solide Verhandlungsbasis, weil man die Situation so nicht auf sich beruhen lassen könne. Weitere prominente EU-Parlamentarier reagierten prompt auf diesen Paukenschlag. Andreas Schwab, der Vorsitzende der EU-Parlamentsdelegation für die Beziehungen zur Schweiz, sah durch den Entscheid mehr als sieben Jahre Verhandlungen «sinnlos vergeudet», wobei die offenen Fragen auch nach dem Verhandlungsabbruch weiter bestünden. Die vom Bundesrat geplante Freigabe der Kohäsionsmilliarde würde die angespannte Situation seiner Meinung nach nicht verbessern. Er warnte auch, dass sich die EU-Kommission in Zukunft noch genauer darauf achten werde, ob die Schweiz die geltenden bilateralen Verträge korrekt umsetze. Die NZZ berichtete, dass die EU auf den Schweizer Vorschlag der selektiven Rechtsangleichung verärgert reagiert habe. Neue sektorielle Marktzugangsabkommen in den Bereichen Strom oder Medizinaltechnik seien ohne übergeordneten Rahmen nicht denkbar, schliesslich habe die EU-Kommission klar gemacht, dass ein privilegierter Zugang zum Binnenmarkt gleiche Regeln und Pflichten voraussetze, so die NZZ.

«Gratulation an den Bundesrat» titelte der Blick am Tag nach der Entscheidung und sowohl SVP-Parteipräsident Chiesa (svp, TI) wie auch SGB-Präsident Maillard (sp, VD) zeigten sich erleichtert über den Abbruch, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Maillard äusserte seine Zufriedenheit über den Abbruch an der Delegiertenversammlung des SGB, wo er klar machte, dass die Gewerkschaften nie eine Schwächung des Lohnschutzes hingenommen hätten. Der SGB forderte für das weitere Vorgehen die Beibehaltung der bilateralen Abkommen, mehr sozialen Schutz, Mindestlöhne und verbindliche Tarifverträge, nur dann würde man Reformen unterstützen, sagte Maillard. Chiesa sah im Abbruch indes einen «Sieg für die Selbstbestimmung, die direkte Demokratie und die Schweizer Bevölkerung». Die Reaktionen der Schweizer Parteien fielen sowohl bezüglich Inhalt als auch Intensität unterschiedlich aus. Als «das grösste Armutszeugnis, das ich von unserer Landesregierung je gesehen habe» kritisierte Jürg Grossen (glp, BE) den Bundesrat harsch für dessen Entscheid. Er sparte auch nicht mit Kritik an anderen Parteien wie der SP, die sich von den Gewerkschaften habe treiben lassen, der Mitte, deren Präsident eine schädliche Haltung vertreten habe, und der FDP, welche laut Grossen mit ihren zwei Bundesräten die Hauptverantwortung für das Scheitern trage. Die SP und die FDP bedauerten das Scheitern des InstA zwar beide, machten aber mit Ignazio Cassis respektive den Gewerkschaften unterschiedliche Akteure dafür verantwortlich. SP-Co-Präsident Wermuth (sp, AG), der sich lange optimistisch gegeben hatte und einen Kompromiss bei der Unionsbürgerrichtlinie in Betracht gezogen hatte, kritisierte den Bundesrat im Tages-Anzeiger dafür, dass er parallel zum Abbruch keinen Plan B vorlegen konnte und forderte eine Auslegeordnung, bei der auch der EWR- und EU-Beitrittsverhandlungen zur Wahl stehen. Petra Gössi (fdp, SZ) griff an gleicher Stelle hingegen die Gewerkschaften an, die «jeden Kompromiss beim Lohnschutz verhindert» hätten und forderte neben einer gemeinsamen Lösungssuche mit der EU auch ein «Fitnessprogramm», beispielsweise einen Einheitssatz bei der Mehrwertsteuer. Gössi erklärte, dass sich die FDP für den bilateralen Weg nach aktuellem Stand einsetze und weder eine Vertiefung noch einen Rückbau der Beziehungen unterstütze. Konkret fordere sie eine limitierte Dynamisierung der Bilateralen in technischen Sachbereichen, die unbestritten sind; aktive Partnerschaften mit Drittstaaten durch neue Freihandelsabkommen und einen flexibleren Arbeitsmarkt mit höheren Kontingenten für Fachkräfte aus Drittstaaten. Zufrieden zeigten sich gegenüber dem Tages-Anzeiger Mitte-Präsident Gerhard Pfister (mitte, ZG), der gemäss Blick an den Von-Wattenwyl-Gesprächen Anfang Mai bereits offen den Verhandlungsabbruch gefordert haben soll und sich über die neu herrschenden Klarheit freute, – ebenso wie Thomas Aeschi (svp, ZG), der einzig das Abkommen über die Medizinaltechnik als Problem anerkannte. Ebenjene Medtech-Branche wurde von den Medien zum «ersten Opfer» des Verhandlungsabbruchs ernannt, denn am gleichen Tag, an dem das Rahmenabkommen beerdigt wurde, trat eine neue EU-Regulierung zu Medizinprodukten in Kraft. Zwar hatte die Schweiz ihr Recht an diese neue Regulierung angepasst, doch da die EU die Erneuerung des Abkommens zur gegenseitigen Anerkennung von Produktbescheinigungen verzögerte, galten Schweizer Anbieter in der EU fortan als Drittstaatenanbieter. Daher mussten Schweizer Exportfirmen plötzlich Bevollmächtigte mit Niederlassung im EU-Raum bestimmen und deren Produkte benötigten eine spezifische Etikettierung. Insgesamt rechnete der Branchenverband Swiss Medtech mit einmaligen Zusatzkosten von CHF 110 Mio. und einem jährlichen Zusatzaufwand in Höhe von CHF 75 Mio., was einer Exportsteuer von 1.4 bis 2 Prozent gleichkäme. Laut Swiss Medtech mache diese neue Regelung die Schweiz als Hauptsitz für aussereuropäische Firmen unattraktiv.

Wie der Tages-Anzeiger berichtete, hatten europafreundliche Akteure aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft schon im Vorfeld des Verhandlungsabbruchs unter der Leitung der Operation Libero über eine Volksinitiative zur institutionellen Einigung mit der EU beraten. Die Operation Libero verkündete, dass die Idee einer Volksinitiative nach dem Scheitern des Rahmenabkommens «überhaupt nicht vom Tisch» sei. Zwar sei es schwieriger geworden, die Unterzeichnung des Rahmenabkommens zu fordern, doch es gebe weiter Ideen, wie man die institutionellen Fragen mit der EU klären könnte. Der emeritierte Rechtsprofessor Thomas Cottier befürwortete die Lancierung einer Volksinitiative, denn es müsse endlich eine richtige europapolitische Debatte in Gang gesetzt werden. Den Plan B des Bundesrats, sich durch Stabilex einseitig an EU-Recht anzupassen, bezeichnete er als «kolossales Eigentor» und den Ausgang der Verhandlungen als «Regierungsversagen», weil die Schweiz sich damit noch stärker als bisher selbstständig an das EU-Recht anpassen werde ohne über ein Mitspracherecht zu verfügen und ohne dass dadurch der Marktzugang gesichert werde. Cédric Wermuth und SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (sp, BL) gingen in ihren Vorschlägen noch weiter und stellten einen EU- oder EWR-Beitritt in Aussicht. Um diese Annäherung zu starten, schlug die SP ein ganzes Bündel an Massnahmen, Reformen und Gesprächsangeboten vor. Die Kohäsionsmilliarde solle nicht nur freigegeben, sondern auch substanziell erhöht werden. Darüber hinaus solle die Schweiz in den Bereichen Migration, Green New Deal, Wirtschaftsprogramm nach Covid aber auch in Steuerfragen, wie der Unternehmensbesteuerung, Kooperationsverträge mit der EU abschliessen. Mittelfristig könne man so die Beziehung zur EU wieder normalisieren, erklärte Parteipräsident Wermuth. Die Forderung des EU-Beitritts mit Opting-Out (Ausnahmebestimmungen) seines Parteikollegen Fabian Molina beurteilte Wermuth nüchtern als «kein kurzfristig realistisches Szenario», aber er hielt die Beitrittsdiskussion für nötig. Molinas Extremposition stiess bei den Grünen und den Grünliberalen zu diesem Zeitpunkt jedoch auf wenig Unterstützung. Sowohl Balthasar Glättli (gp, ZH) wie auch Jürg Grossen bevorzugten gemässigtere Alternativen wie ein neues Rahmenabkommen oder den EWR. Die Mitte und die FDP distanzierten sich hingegen in der Öffentlichkeit von Annäherungsmassnahmen, die über die Freigabe der Kohäsionsmilliarde hinausgingen. Im Parlament wurden Anfang Juni verschiedene Vorstösse eingereicht, die vom Bundesrat eine umfassende Auslegeordnung der bilateralen Beziehungen forderten oder konkrete Handlungsalternativen vorschlugen, darunter auch eine Motion von Molina zum EU-Beitritt.

Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen mit der EU
Dossier: Institutionelles Rahmenabkommen

Nach dem mit Spannung erwarteten Treffen zwischen Bundespräsident Parmelin und der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula Von der Leyen, am 23. April 2021 schien die Lage mehr oder weniger unverändert. Die Verhandlungen zu einem Rahmenabkommen wurden nicht abgebrochen, angenähert hatte man sich aber auch nicht und darüber hinaus seien auch keine weiteren Treffen vereinbart worden, berichtete die NZZ am Folgetag. «Wir haben festgestellt, dass wir in unseren Positionen weiterhin erhebliche Differenzen haben», fasste Bundespräsident Parmelin die Ergebnisse des eineinhalbstündigen Gesprächs vor der Presse lapidar zusammen. Der Chefsprecher der EU-Kommission erklärte im Nachgang des Treffens, dass die Schweiz die drei umstrittenen Bereiche gänzlich aus dem Abkommen herauslösen wolle, was aus Sicht der EU «nicht akzeptabel» sei. Dennoch zeigte sich die EU für weitere Verhandlungen offen und forderte die Schweiz auf, Kompromisse einzugehen. Bundesrat Parmelin liess verlauten, dass der Gesamtbundesrat die Situation analysieren werde und dafür auch die zuständigen Parlamentskommissionen, die Kantone und die Sozialpartner konsultieren wolle. Im Interview mit dem Sonntagsblick meinte Guy Parmelin, dass eine Verhandlung «immer das Risiko eines Scheiterns» beinhalte, wobei die Verhandlungen mit der EU aber noch nicht vorbei seien. Er deutete dabei an, dass der Bundesrat «immer in Alternativen denkt», relativierte aber zugleich, dass eine Diskussion über Alternativen zum Rahmenabkommen noch verfrüht sei. Die Stimmbevölkerung solle aber nur dann über das Abkommen entscheiden dürfen, wenn der Bundesrat von dessen Inhalt überzeugt sei.
Die Reaktionen der Schweizer Parteien verdeutlichten die Ungewissheit über den Zustand des Rahmenabkommens. Während die SVP offiziell die Beerdigung des Rahmenvertrags forderte, begrüsste die FDP die Weiterführung der Gespräche. Jürg Grossen (glp, BE) kritisierte, dass der Bundesrat Maximalforderungen eingebracht habe, womit er mutwillig das Scheitern des Abkommens riskiert habe. Economiesuisse und Swissmem bedauerten die ausbleibenden Fortschritte, wohingegen die Mitte und die SP bekräftigten, den Vertrag in der vorliegenden Form ablehnen zu wollen. Die Gewerkschaften zeigten sich weiterhin unerbittlich und hielten daran fest, das Abkommen zu blockieren, solange der Lohnschutz nicht davon ausgenommen werde. Ausgerechnet in der SP – die sich lange auf diesen Standpunkt gestellt hatte – regte sich nach dem Treffen jedoch vereinzelt Widerstand gegen diese Haltung. Eine Gruppe prominenter Parteimitglieder – darunter Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger und Nationalrat Molina (sp, ZH) – setzten sich hingegen dafür ein, dass der Lohnschutz zwar ins Abkommen aufgenommen wird, dort aber garantiert wird. Diesem Vorgehen diametral entgegen stand SGB-Präsident Maillard, der den EuGH nicht an der Auslegung der Schweizer Lohnschutzmassnahmen teilhaben lassen wollte. Die APK-NR gab in einer Stellungnahme bekannt, dass sie den Bundesrat dazu auffordere, erneut Kompromissvorschläge auszuarbeiten, um die drei offenen Punkte zu lösen – flankierende Massnahmen, Unionsbürgerrichtlinie und staatliche Beihilfen – und das Abkommen zeitnah abzuschliessen. Die APK-SR machte sich hingegen bereits auf ein Scheitern des Rahmenabkommens gefasst und nahm einen Antrag an, der vom Bundesrat ein aussenpolitisches Konzept forderte, in dem dieser aufzeigen solle, wie die Beziehungen mit der EU im Sinne eines «Modus Vivendi» für die kommenden Jahre konstruktiv und stabil gestaltet werden könnten.
Die EU schien nach dem ergebnislosen Spitzentreffen auf Nebenschauplätzen zusätzlichen Druck auf die Schweiz aufbauen zu wollen. Am 26. April berichtete die NZZ über Aussagen einer EU-Beamtin, dergemäss die Gespräche über die Teilnahme am Forschungsprogramm Horizon Europe erst dann beginnen würden, wenn die Schweiz den zweiten Kohäsionsbeitrag freigegeben habe. Dieser war von der Schweiz blockiert worden, nachdem die EU der Schweiz die Börsenäquivalenz entzogen hatte. Wegen der fehlenden Assoziierung der Schweiz an Horizon Europe wurde zudem Anfang Mai der Aufnahmeantrag der SBB für ein paneuropäisches Bahnprojekt sistiert und der Tages-Anzeiger vermutete auch hinter der Aufhebung der Exportkontrolle für Corona-Impfstoffe der EU für Liechtenstein eine Ungleichbehandlung gegenüber der Schweiz.
Für Aufsehen sorgte wenige Tage nach dem Treffen in Brüssel die Veröffentlichung des Schweizer Verhandlungsmandats, welches gegen den Willen des Bundesrats an die Medien gelangt war. Die NZZ stellte fest, dass die Schweiz in den drei strittigen Punkten zwar weitreichende Eingeständnisse gefordert habe, diese jedoch nicht so weit gingen, wie es die EU dargestellt hatte. So habe die Schweiz zwar den expliziten Ausschluss gewisser Aspekte, aber keinen vollständigen Ausschluss der Unionsbürgerrichtlinie gefordert. Als Knackpunkt erwies sich offensichtlich vor allem das «Recht auf Daueraufenthalt», da das EJPD Fürsorgeabhängigkeit und erschwerte Ausschaffungsbedingungen befürchtete.
In der Zwischenzeit blieb auch das Parlament nicht untätig. Die FDP-Fraktion sowie Aussenpolitikerinnen und Aussenpolitiker verschiedener Parteien verlangten vom Bundesrat eine Stellungnahme zu den potenziellen Risiken im Falle eines Scheiterns des Rahmenabkommens. Hervorgehoben wurden in der Interpellation (Ip. 21.3516) vor allem die auslaufenden Marktzugangsabkommen sowie die Nachteile bei Forschungs- und Bildungsprogrammen. Auch die APK-NR wurde aktiv und forderte vom Bundesrat die Herausgabe eines als geheim deklarierten Dokuments, welches die negativen Folgen eines Scheiterns im Detail darstellte. Nationalrätin Schneider-Schneiter (mitte, BL) liess verlauten, dass der Inhalt dieser Studie zentral für die Meinungsbildung sei, und ihr Ratskollege Nussbaumer (sp, BL) befand es für «unsäglich», wie der Bundesrat in diesem Dossier die «Rechte des Parlaments beschnitten» habe.
Während die Meinungsbildung der Aussenpolitikerinnen und Aussenpolitiker noch im Gange war, verlangten die Kantone vom Bundesrat die Fortführung der Verhandlungen. Auch aufseiten der EU fand sich weiterhin Unterstützung für das Rahmenabkommen. Am 11. Mai trafen sich die Europa-Minister der 27 EU-Mitgliedstaaten und ermutigten die Kommission dazu, die Verhandlungen mit der Schweiz nicht abzubrechen, sondern eine einvernehmliche Lösung zu erarbeiten. Weiterhin blieb jedoch unklar, welche Form eine derartige Lösung annehmen könnte, da beide Seiten keine weiteren Kompromisse einzugehen bereit waren. Die NZZ und der Tages-Anzeiger zeigten sich am 14. Mai in ihrer Berichterstattung etwas überrascht davon, dass Verteidigungsministerin Amherd dem Gesamtbundesrat einen «Plan B» vorgelegt habe. In einer Phase, in der viele Politiker das Abkommen bereits für tot erklärt hätten, setzte sich Amherd für ein Entgegenkommen der Schweiz ein. Ihr Vorschlag sah vor, dass die Schweiz die Unionsbürgerrichtlinie übernähme und im Gegenzug eine Schutzklausel eingeführt würde, mithilfe derer man die neuen Regeln in den ersten Jahren widerrufen könne, falls gewisse Grenzwerte überschritten würden. Damit wolle Amherd den Ergebnissen einer ersten bundesrätlichen Aussprache entgegenwirken, bei der eine Mehrheit der Ratsmitglieder zum Abbruch der Verhandlungen tendiert habe, wie der Tages-Anzeiger berichtete. Amherds Vorschlag fand Zuspruch bei der APK-NR, die wenige Tage darauf den Bundesrat zur Anpassung des Verhandlungsmandats aufforderte, um doch noch einen Kompromiss zu ermöglichen. Zudem machte sie wie zuvor schon ihre Schwesterkommission deutlich, dass der Verhandlungsabbruch ohne Konzept für die Weiterführung der bilateralen Verträge keine Möglichkeit darstelle. Schliesslich manifestierte sich auch in der Zivilbevölkerung Widerstand gegen das drohende Verhandlungsende. Eine «Allianz von Europafreunden», wie der Tages-Anzeiger sie bezeichnete, erarbeitete einen Initiativtext, um das Rahmenabkommen notfalls vor das Stimmvolk zu bringen. Diese Allianz setzte sich auf unterschiedlichen Interessensgruppen zusammen, darunter die Operation Libero, das Komitee «Progresuisse», aber auch die Alt-Bundesräte Arnold Koller (cvp) und Doris Leuthard (cvp).

Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen mit der EU
Dossier: Institutionelles Rahmenabkommen

Nachdem das Büro-NR die beiden parlamentarischen Initiativen der Grünen (20.403) und der SP-Fraktion (20.404) für die Einsetzung einer PUK zur Aufarbeitung der Crypto-Affäre im November 2020 mit 8 zu 5 Stimmen abgelehnt hatte, befasste sich in der Frühjahrssession 2021 der Nationalrat damit. Neben dem ablehnenden Antrag der Mehrheit lagen ihm auch zwei Minderheitsanträge für die Annahme der beiden Initiativen vor. Die Vertreterinnen und Vertreter der SP und der Grünen, die im Ratsplenum für Folgegeben plädierten, attestierten der GPDel zwar gute Arbeit, sahen in deren Bericht aber einige Fragen unbeantwortet, insbesondere jene, ob die Schweiz mit dem Vorgehen im Fall Crypto AG die Neutralität verletzt habe. Im «vielleicht grössten aussenpolitischen Skandal der jüngeren Schweizer Geschichte», wie Roger Nordmann (sp, VD) die Crypto-Affäre bezeichnete, habe die Öffentlichkeit Transparenz verdient, so Aline Trede (gp, BE). Es sei wichtig für die Glaubwürdigkeit der Schweiz, «dass das Parlament alles getan hat, um den Sachverhalt aufzuklären», ergänzte Edith Graf-Litscher (sp, TG). Demgegenüber argumentierte die Mehrheit des Büros, eine PUK würde keine neuen Erkenntnisse bringen, weil alle Dokumente und Akten bereits von der GPDel aufgearbeitet worden seien. Der Nationalrat folgte mit 123 zu 66 bzw. 122 zu 67 Stimmen dem Mehrheitsantrag und gab den beiden Initiativen keine Folge. Die Minderheiten hatten – mit Ausnahme von Pirmin Schwander (svp, SZ), der der SP-Initiative zustimmte – ausserhalb der initiierenden Fraktionen kein Gehör gefunden. Damit ist die Forderung nach einer PUK zur Crypto-Affäre vom Tisch.

Crypto-Affäre

Im März 2020 reichten die Grüne (Pa.Iv. 20.403) und die sozialdemokratische Fraktion (Pa.Iv. 20.404) je eine parlamentarische Initiative ein, mit der sie die Einsetzung einer PUK zur Aufarbeitung der Crypto-Affäre forderten. Während die Grüne Fraktion als Begründung anführte, die umfassende Aufklärung der Crypto-Affäre liege im Interesse der Rechtsstaatlichkeit, der Souveränität und der Neutralität der Schweiz, führte die SP-Fraktion in ihrer Begründung eine Vielzahl an Fragen auf, die es zu klären gelte. Konkret verlangte sie die Beleuchtung von sechs Themenkomplexen: Komplizenschaft des NDB, Rolle der Armee, Rolle der Bundesanwaltschaft, Rolle des Fedpol und dessen Zusammenarbeit mit dem NDB, Rolle weiterer Bundesbehörden sowie Verantwortung des Bundesrates.
Das Büro des Nationalrates lehnte das Begehren der beiden Fraktionen im November mit 8 zu 5 Stimmen ab. Nach Anhörung der beiden initiierenden Fraktionen, des GPDel-Präsidenten und einer Vertretung des Bundesrates sei es zur Ansicht gelangt, dass der kurz zuvor veröffentlichte Untersuchungsbericht der GPDel die aufgeworfenen Fragen beantwortet habe, gab es per Medienmitteilung bekannt.

Crypto-Affäre

Im Anschluss an die Gesamterneuerungswahlen und die Vereidigung der Bundesrätinnen und Bundesräte schritt die Vereinigte Bundesversammlung zur Wahl der Bundespräsidentin und des Vizepräsidenten 2020. Turnusgemäss wurde die amtierende Vizepräsidentin Simonetta Sommaruga zur Präsidentin gewählt. Von den 243 ausgeteilten Wahlzetteln waren 37 leer und 6 ungültig. Von den 200 gültigen Stimmen erhielt die SP-Magistratin 186 – 14 Stimmen entfielen auf Diverse – und trat damit zum zweiten Mal nach 2015 ein Präsidialjahr an. Fünf Jahre zuvor hatte Sommaruga noch fünf Stimmen weniger erhalten.
In ihrer an die Wahl folgenden Ansprache betonte die Neo-Präsidentin, dass zu Beginn der neuen Legislatur Aufbruchstimmung in der Luft liege. Noch nie zuvor habe ein Parlament die Bevölkerung so breit abgebildet, noch nie hätte es darin so viele Mütter, Frauen und junge Menschen gegeben. Es gebe jetzt im Parlament einen Wickeltisch und ein Stillzimmer und zwar dort, wo früher geraucht worden sei. «Sie sehen: Die Luft wird besser». Altersvorsorge, Klimaschutz und das Verhältnis zu Europa seien die Themen, die sie in ihrem Präsidialjahr besonders beachten wolle. Es brauche Zusammenarbeit, wozu sie auch heftige Debatten und Uneinigkeit zähle. Am Schluss müssten aber Lösungen gefunden werden, die die Bevölkerung mittrage. Die direkte Demokratie stelle hohe Anforderungen an Bundesrat und Parlament und das sei auch gut so, endete die Vorsteherin des UVEK und erhielt dafür grossen Beifall.
Zum Vizepräsidenten wählte die Vereinigte Bundesversammlung ebenfalls gemäss Turnus den amtierenden Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Von den noch 240 ausgeteilten Wahlzetteln gingen 238 ein. 52 blieben leer und 3 waren ungültig. Parmelin erhielt 168 Stimmen und 15 entfielen auf Diverse. Damit lag der Wirtschaftsminister leicht über dem Schnitt, der bei Wahlen für das Vizepräsidium seit dem Jahr 2000 bei knapp 163 Stimmen liegt.

2020 - Simonetta Sommaruga
Dossier: Wahlen des Bundespräsidiums

Bei den Bundesratswahlen 2019 bestätigte die SP ihre zwei Sitze: Bundesrätin Simonetta Sommaruga wurde mit 192 Stimmen von der Vereinigten Bundesversammlung wiedergewählt, Alain Berset gar mit 214 Stimmen.
Im Vorfeld der Wahlen war Simonetta Sommaruga von einigen SVP-Mitgliedern attackiert und ihr Bundesratssitz in Frage gestellt worden. So kritisierten etwa die Nationalräte Andreas Glarner (svp, AG) und Mike Egger (svp, SG) ihre Arbeitsweise im Asylwesen und unterstützten ihre Abwahl, um den Grünen den Zugang zum Bundesrat zu ermöglichen.

Resultate der SP bei den Bundesratswahlen 2019

Nicht nur der Gewerbeverband (SGV), auch die Gewerkschaften verloren bei den Eidgenössischen Wahlen im Herbst 2019 Sitze im Parlament. Wie der Tages-Anzeiger nach den Wahlen berichtete, wurden Corrado Pardini (sp, BE) und Nicolas Rochat Fernandez (sp, VD) von der Unia, Philipp Hadorn (sp, SO) von der SEV, Thomas Ammann (cvp, SG) von Transfair sowie Adrian Wüthrich (sp, BE) von Travailsuisse nicht wiedergewählt. Der Travailsuisse-Vizepräsident, Jacques-André Maire (sp, NE) hatte zudem bereits im Vorfeld angekündigt, dass er sich aus der Politik zurückziehen werde.
Es gab aber auch Zuwachs und Konstanten: Neu in das Parlament gewählt wurden SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard (sp, VD), VPOD-Präsidentin Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH), Greta Gysin (gp, TI), Geschäftsleitungsmitglied von Transfair, sowie die Unia-Gewerkschaftssekretärin Tamara Funiciello (sp, BE). Wiedergewählt wurden die Präsidentin des PVB Barbara Gysi (sp, SG), Transfair-Präsident Stefan Müller-Altermatt (cvp, SO), Irène Kälin (gp, AG), Präsidentin der Gewerkschaft Arbeit Aargau, Samira Marti (sp, BL), Präsidentin des VPOD Region Basel sowie Edith Graf-Litscher (sp, TG) und Mathias Reynard (sp, VS) von den Gewerkschaftsbünden Thurgau und Wallis.

Der Tages-Anzeiger konstatierte, die Gewerkschaften seien mit diesen Wahlresultaten «weit entfernt von der Stärke ihrer besten Tage», etwa als nach den Wahlen 2003 «je nach Zählung» bis zu zwei Dutzend Ratsmitglieder der «gewerkschaftlichen Achse angehörten». SGB-Präsident Maillard hingegen hatte keine Mühe mit dem Resultat – neben dem Klima sei insbesondere auch die Frauenfrage bei diesen Wahlen einfach wichtiger gewesen. Ferner fühle sich ja nach wie vor ein grosser Teil der SP mit den Gewerkschaften verbunden, ohne dabei selbst Mitglied einer Gewerkschaft zu sein, äusserte sich auch der nicht wiedergewählte Hadorn zur Lage. Möglich sei auch, dass die Gewerkschaften längerfristig Opfer ihres eigenen Erfolges würden, liess er zudem verlauten, da offenbar viele Menschen in der Schweiz unterdessen einen gewissen Wohlstand geniessen könnten und dadurch gewerkschaftliche Themen in den Hintergrund rückten.

Wahlen 2019 Gewerkschaften

Bei den Ständeratswahlen 2019 im Kanton Graubünden traten die beiden Bisherigen Stefan Engler (CVP) als auch Martin Schmid, beide seit 2011 im Ständerat vertreten, wieder zur Wahl an. Anders als vor vier Jahren, als die beiden die einzigen Kandidaten waren und in einer faktisch stillen Wahl gewählt wurden, mangelte es den beiden Bisherigen in diesem Jahr nicht an Gegenkandidaten. Nachdem auch Magdalena Martullo-Blocher eine Kandidatur lange nicht explizit ausschloss, nominierte die SVP schlussendlich Valérie Favre Accola in einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung einstimmig. Bei einer Wahl wäre sie gleichzeitig die erste Frau und die erste SVP-Vertreterin für Graubünden im Ständerat geworden. Dank guten Ergebnisse bei kantonalen Wahlen, ritt die Bündner SP auf einer Erfolgswelle. Deshalb galt ihr Ständeratskandidat Jon Pult als aussichtsreichster Herausforderer der beiden Bisherigen. Pult trat, ebenso wie Favre Accola, mit einer Doppelkandidatur zusätzlich auch bei den Nationalratswahlen an. Die Grünliberalen schickten Géraldine Danuser, aktuell Mitglied der Jungen Grünliberalen, ins Rennen. Das Kandidatenfeld wurde durch Timo Stammwitz (parteilos) komplettiert. So viele Herausforderer hatten die bisherigen Ständerate im Kanton Graubünden in der jüngeren Vergangenheit noch nie. Trotz dieser historischen Konkurrenz, schien die Bündner CVP-FDP-Standesstimme nie ernsthaft in Gefahr zu sein. Engler und Schmid traten an vielen Wahlkampfevents gemeinsam auf und betonten dabei stets ihre gute Zusammenarbeit.

Das Duo Engler und Schmid konnte sich wie erwartet schon am Wahlsonntag feiern lassen, denn beide wurden im ersten Wahlgang wiedergewählt. Das beste Resultat erzielte Stefan Engler, der mit 30'033 Stimmen problemlos das absolute Mehr von 23'778 erreichte. Dahinter landete Martin Schmid mit 26'629 Stimmen auf dem zweiten Rang. Die anderen Kandidierenden verpassten es die Favoriten in einen zweiten Wahlgang zu zwingen, geschweige denn ihnen ernsthaft gefährlich zu werden. Am ehesten gelang dies noch Jon Pult (15'230 Stimmen), der vor Valérie Favre Accola (10'093 Stimmen) und Géraldine Danuser (7'106 Stimmen) auf dem dritten Rang landete.

Ständeratswahlen 2019 – Graubünden
Dossier: Resultate Ständeratswahlen 2019 (nach Kantonen)
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2019 - Überblick

Die SP muste bei den Nationalratswahlen 2019 eine Niederlage einstecken und erreichte – gemäss verschiedenen Zeitungen – die tiefste Parteistärke auf nationaler Ebene seit Einführung des Proporzwalhrechts 1919. Die Partei verzeichnete in den Nationalratswahlen 2019 einen Stimmenanteil von 16.8 Prozent. In der Tat war dies das schlechteste Ergebnis der Partei seit 1919. Seit 2007 erreichten die Sozialdemokraten stets eine Parteistärke von ca. 18/19 Prozent. Die SP verlor im Vergleich zu 2015 zwei Prozentpunkte und vier Sitze (neu: 39 Sitze), blieb aber trotzdem die zweitstärkste Partei im Nationalrat nach der SVP.
Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR) zeigte sich nicht zufrieden über das Resultat – wie er gegenüber der Presse betonte. Er erklärte den Rückgang damit, dass die SP einen Teil ihrer Wähler und Wählerinnen an die Grünen verloren habe. Weil diese Personen ein starkes Signal für die Umwelt hätten setzen wollen, hätten sie trotz ähnlicher Positionen die Grünen statt der SP gewählt, da die Grünen das «grün» bereits im Namen hätten. Die SP sei somit von der Grünen Welle überrollt worden. Diese Begründung teilte auch Priska Seiler Graf (sp, ZH) – Co-Präsidentin der SP Zürich. Daniel Jositsch (sp, ZH) hingegen führte die Verluste auf die Vernachlässigung sozialliberaler Positionen und die Aufgabe der Rolle als europapolitische Partei zurück. Juso-Parteipräsidentin Ronja Jansen (BL, sp) äusserte schliesslich in der Presse fundamentale Kritik an der Parteiposition und unterstrich, dass die SP zu stark in die Mitte gerückt sei und die Menschen mit einer «lauwarmen Politik der Kompromisse» nicht begeistern könne.
Als Reaktion auf die Niederlage berichteten die Medien über einen möglichen Rücktritt von Parteipräsident Levrat und spekulierten, dass dieser sein Amt im April 2020 – nach 12 Jahren – wohl abgeben werde. Levrat kommentierte diese Gerüche über seinen Rücktritt in einem Interview im SonntagsBlick und betonte nur, dass die Partei diese Frage ohne Zeitdruck diskutieren werde.

Resultate der SP bei den Nationalratswahlen

«Walter Buser galt als vorsichtig und besonnen [...], ein Schaffer im Hintergrund, ehrgeizig und zuverlässig», war im Nachruf über den ersten und einzigen Bundeskanzler der SP im Tages-Anzeiger zu lesen. 1926 geboren, studierte Buser Rechtswissenschaften und war nebenher für sozialdemokratische Tageszeitungen als Redaktor tätig – später war er Chefredaktor der «Sozialdemokratischen Bundeshauskorrespondenz». Nach einer ausserordentlichen Professur an der Universität Basel trat er 1965 in die Bundesverwaltung ein und leitete dort den Rechts- und Informationsdienst des EDI. 1968 wurde er Vizekanzler und 1981 wurde er in einer Kampfwahl gegen Konkurrenten aus der CVP und der SVP zum Bundeskanzler gewählt. Ursächlich dafür, dass er im vierten Wahlgang vor allem auch von der FDP unterstützt wurde, waren die guten Kontakte Busers zu den Medien. In seiner 10-jährigen Amtszeit führte Walter Buser denn auch ein, dass die Regierung regelmässig Pressekonferenzen abhielt, und war federführend bei der Broschüre «Der Bund – kurz erklärt», die in einfacher Sprache das politische System der Schweiz erklärt und auch heute noch regelmässig neu verfasst wird. Buser war zudem treibende Kraft bei der Reform des Abstimmungsverfahrens für Volksinitiativen mit Gegenentwurf.
Fast wäre Walter Buser auch Bundesrat geworden. Er spielte nämlich eine Nebenrolle bei der Nichtwahl von Lilian Uchtenhagen (sp, ZH). Weil die designierte Sozialdemokratin den Bürgerlichen nicht genehm war, streckten diese ihre Fühler nach einem Sprengkandidaten aus und fragten dabei auch den amtierenden Bundeskanzler an. Dieser soll aber nach einem Gespräch mit dem damaligen SP-Parteipräsidenten Helmut Hubacher (sp, BS) abgesagt haben. Buser ging 1991 in Pension und übernahm 1993 die Präsidentschaft des Forum Helveticum. Mitte August 2019 verstarb der gebürtige Baselbieter im Alter von 93 Jahren.

Tod von alt-Bundekanzler Walter Buser
Dossier: Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler

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Résumé
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Élections fédérales 2019


Des vagues vertes et violettes ont déferlé sur la Suisse lors des élections fédérales de 2019. En effet, celles-ci ont été marquées par la progression des partis écologistes et par une meilleure représentation des femmes sous la coupole. Portés par la présence de la question climatique dans le débat public, les vert.e.s sont passés de 13 à 35 parlementaires, et les vert'libéraux de 7 à 16. Les manifestations pour le climat ont permis à ce thème d'occuper le devant de la scène au cours de la campagne. De manière similaire, la grève des femmes du 14 juin 2019 a bénéficié d'une importante couverture médiatique. Dans les urnes, cela s'est traduit par une augmentation significative de la délégation féminine dans les deux chambres. 95 élues siégeront entre 2019 et 2023, contre 71 lors de la législature précédente.
En outre, la cuvée 2019 des élections fédérales s'est distinguée par un nombre record de candidatures. 4'645 personnes ont brigué un siège au Conseil national, contre 3'788 en 2015. Cette augmentation s'explique notamment par l'abandon des parrainages: les partis ont été exemptés de collecter des signatures pour présenter plusieurs listes. Ainsi, de multiples listes «jeunes», «femmes», «écologistes», «seniors» ou encore «innovation» ont été lancées. Avec divers apparentements, cela a permis à certain.e.s de grignoter les pourcentages nécessaires à la conquête d'un siège supplémentaire.

Lors de l'élection au Conseil national, les vert.e.s ont récolté 13.2 pour cent des voix (+6.1 points de pourcentage pp par rapport à 2015), franchissant ainsi pour la première fois la barre symbolique des dix pour cent. Leurs cousins vert'libéraux se sont établis à 7.8 pour cent (+3.2pp). Les partis gouvernementaux ont fait les frais de cette progression écologiste. Demeurant le premier parti du pays, l'UDC a cependant reculé à 25.6 pour cent (-3.8pp). Le PS a perdu 2pp pour s'établir à 16.8 pour cent, alors que le PLR a engrangé 15.1 pour cent des suffrages (-1.3pp). En perte de vitesse constante depuis plusieurs années, le PDC s'est fait passer devant par les vert.e.s. Avec 11.4 pour cent (-0.2pp), le parti démocrate-chrétien a réalisé le score le plus bas de son histoire. Enfin, le PBD a aussi perdu des plumes, avec un score de 2.5 pour cent (-1.6pp). En nombre effectif de mandats, 30 sièges sont revenus au groupe des vert.e.s, qui compte également deux membres de l'extrême-gauche (+18 par rapport à 2015). Les socialistes ont perdu 4 fauteuils mais en conservent 39. Les vert'libéraux obtiennent 16 mandats (+9) et le PLR 29 (-4). 31 parlementaires composent le groupe du centre (25 PDC, 3 PEV et 3 PBD), 5 de moins qu'en 2015. Malgré la perte de 12 sièges, le groupe UDC en compte encore 55, y compris un représentant de la Lega et un de l'UDF. Avec ce «Linksrutsch» («glissement à gauche»), les groupes UDC et PLR perdent la majorité absolue qu'ils détenaient entre 2015 et 2019.
Le vent de changement n'a en revanche pas atteint le Conseil des États. Favorisés par l'élection au système majoritaire pratiquée dans tous les cantons sauf le Jura et Neuchâtel, le PDC et le PLR demeurent les mieux représentés. Les démocrates-chrétiens ont conservé leurs 13 fauteuils. Le PLR en a perdu un pour s'établir à 12 mandats. Les vert.e.s ont progressé au détriment du PS. En effet, les écologistes (5 sièges) ont récolté 4 sièges supplémentaires, tandis que les socialistes (9 sièges) ont dû en abandonner 3. 6 sièges sont revenus à l'UDC (+1). Enfin, l'indépendant Thomas Minder a conservé son siège pour le canton de Schaffhouse.
L'étude électorale du FORS a révélé que le succès des vert.e.s était dû au soutien d'une grande part de l'électorat socialiste. En effet, un tiers des électeurs et électrices des vert.e.s avaient voté pour le PS en 2015. Globalement, le PES et le PVL ont bénéficié du soutien d'un électorat jeune. De son côté, l'UDC a eu de la peine à mobiliser son électorat, notamment car ses thèmes-phares, à savoir «l'immigration» et «l'asile», n'ont pas figuré en tête des problèmes jugés prioritaires par la population. Tandis que le PLR a aussi eu des difficultés à mobiliser son électorat, le PDC a pu compter sur ses fidèles. Pour le parti démocrate-chrétien, le bât blesse lorsqu'il s'agit de récolter des voix au-delà de ses troupes. En outre, la vague verte a été plus forte dans les villes que dans les campagnes. En revanche, pas de Röstigraben pour la progression écologiste, qui se fait ressentir tant en Suisse romande qu'en Suisse alémanique. Au Tessin, le succès des écologistes a été moins retentissant. L'arc lémanique et la région zurichoise ont connu les progressions les plus marquées des partis verts.
Poussé par son succès, le parti écologiste a revendiqué un siège au Conseil fédéral. Cependant, la candidature de la présidente du parti Regula Rytz (BE) n'a pas été couronnée de succès. Les partis bourgeois ont défendu le siège d'Ignazio Cassis et le Conseil fédéral a été renouvelé dans son intégralité.

Par canton:
Appenzell Rhodes-Extérieures: CE, CN
Appenzell Rhodes-Intérieures: CE, CN
Argovie: CE, CN
Bâle-Campagne: CE, CN
Bâle-Ville: CE, CN
Berne: CE, CN
Fribourg: CE, CN
Genève: CE, CN
Glaris: CE, CN
Grisons: CE, CN
Jura: CE, CN
Lucerne: CE, CN
Neuchâtel: CE, CN
Nidwald: CE, CN
Obwald: CE, CN
Saint-Gall: CE, CN
Schaffhouse: CE, CN
Schwytz: CE, CN
Soleure: CE, CN
Tessin: CE, CN
Thurgovie: CE, CN
Uri: CE, CN
Valais: CE, CN
Vaud: CE, CN
Zoug: CE, CN
Zurich: CE, CN
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Élections fédérales 2019 – Résumé / Eidgenössische Wahlen 2019 – Übersicht
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2019 - Überblick

Zum dritten Mal in der Frühlingssession 2018 hatte der Nationalrat einer Vereidigung beizuwohnen. Fabian Molina (sp, ZH) rückte für Tim Guldimann (sp, ZH) nach. Der ehemalige Botschafter in Berlin trat nach nur zweieinhalb Jahren im Rat zurück. Er war als Auslandschweizer – er selber hatte sich bei den eidgenössischen Wahlen 2015 als «Internationalrat» beworben – gewählt worden und wohnte noch immer in Berlin. Für die Ratsgeschäfte reiste er jeweils nach Bern. Einen Umzug in die Schweiz hatte er nie in Erwägung gezogen, weil ein Auslandschweizer im Ausland zu wohnen habe. Trotzdem fügte Guldimann die Entfernung als Grund für seinen Rücktritt an, den er im Februar 2018 angekündigt hatte: Politik brauche persönlichen Kontakt, um die Bedürfnisse der Menschen zu spüren. In Berlin lebe er in einer anderen politischen Realität. Aus familiären Gründen könne er aber nicht nach Zürich ziehen, was für ein befriedigenderes Politisieren nötig wäre. Seine Frau habe auf vieles verzichtet, während er Diplomat gewesen sei, jetzt sei er an der Reihe und wolle für seine beiden Töchter da sein.
Der 27-jährige Molina, der von 2014 bis 2018 die Juso präsidiert hatte und 2017 in den Zürcher Kantonsrat nachgerückt war, legte sein Gelübde zum letztmöglichen Termin in der Frühjahrssession ab. Diesem Termin war ein eigentliches Seilziehen vorausgegangen, weil Guldimann seinen Rücktritt auf den 16. März eingereicht hatte, was eine Aufnahme Molinas ins Parlament noch während der Session im Frühling eigentlich verhindert hätte. Erst nachdem Guldimann seinen Rücktrittstermin auf den 14. März korrigiert hatte, wurde die Vereidigung möglich. Allerdings mussten die Formalitäten – unter anderem braucht es jeweils eine Bestätigung des Regierungsrates des Kantons, aus dem ein neues Mitglied stammt – innerhalb von wenigen Tagen erledigt werden. Dies gelang und Molina sorgte folglich dafür, dass das Mandat der SP ununterbrochen wahrgenommen werden konnte. Molina trat per Mai 2018 aus dem Kantonsrat zurück.

Mutationen 2018
Dossier: Mutationen im nationalen Parlament

Nach zwei Legislaturen kündigte Corina Casanova Ende Juni etwas überraschend ihren Rücktritt als Bundeskanzlerin an. Casanova hatte sich 2007 gegen zwei weitere Kandidierende durchgesetzt und der CVP damit den Posten des so genannten "achten Bundesrats" gesichert, wollte aber für eine dritte Amtszeit nicht mehr kandidieren. Die Bündnerin hatte sich während ihrer Zeit allerdings weniger stark als ihre Vorgängerin und ihre Vorgänger aktiv in politische Geschäfte eingemischt. Vielmehr wurde sie für ihre Bemühungen einer konsequenten Digitalisierung und die effiziente Abwicklung der Regierungsgeschäfte gelobt – die Zeitung La Liberté bezeichnete sie gar als "Madame Digitalisation". In der Öffentlichkeit war Casanova kaum aufgefallen, obwohl sie stark hinter dem Aufbau von E-Voting oder der Einführung des Primates der elektronischen Version der Amtsschriften stand.
Anders als 2007 kam es 2015 nicht zu einer Kampfwahl um die Bundeskanzlei. Offiziell spielt zwar die Parteifarbe der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers keine Rolle, bei der Zusammensetzung des Bundesrates wurde der Posten des achten Bundesrates in der Vergangenheit auch schon als Argument in der Absprache um die Verteilung der Regierungssitze angeführt. Obwohl die SVP noch nie einen Bundeskanzler gestellt hatte, nominierte sie keinen Kandidaten. Man wolle sich vielmehr auf die Eroberung eines zweiten Bundesratssitzes konzentrieren. Dass auch die anderen Parteien keinen Anspruch erhoben, lag wohl daran, dass die CVP Anfang Oktober mit dem amtierenden Generalsekretär des UVEK, Walter Thurnherr, einen äusserst starken Kandidaten ins Rennen schickte. Thurnherr war früher persönlicher Mitarbeiter von Flavio Cotti, Generalsekretär im EDA und im EVD (heute WBF) unter Jospeh Deiss und Doris Leuthard, die ihn bei ihrem Departementswechesl ins UVEK mitgenommen hatte. Die SP liebäugelte zwar eine Weile mit einer eigenen Kandidatur – gehandelt wurden der aktuelle Vizekanzler André Simonazzi oder die stellvertretende Generalsekretärin der Bundesversammlung Martina Buol – steckte ihre Ambitionen nach den eidgenössischen Wahlen aber wieder zurück, weil ein Angriff auf die CVP das Mitte-Links-Lager schwächen würde und deshalb wenig sinnvoll sei. Weil seit Beginn des 20. Jahrhunderts mit zwei Ausnahmen immer Vizekanzler ins Kanzleramt gewählt wurden, sprach die Presse auch dem zweiten Vizekanzler, Thomas Helbling von der FDP, gute Chancen zu.
Für die Wahl zum neuen Bundeskanzler blieb Walter Thurnherr dann allerdings der einzige Kandidat. Dies wurde in den Kommentarspalten nicht dem Bedeutungsverlust des Bundeskanzleramtes zugeschrieben, das sich zwar immer mehr zu einer Dienstleistungsstelle gewandelt habe, aber nach wie vor einen grossen Gestaltungsspielraum zulasse, sondern vielmehr mit den Qualitäten des Bewerbers erklärt. Dass Thurnherr als Idealbesetzung gilt, widerspiegelte sich auch im Glanzresultat bei seiner Wahl unmittelbar nach den Bundesratserneuerungswahlen: 230 der anwesenden 245 Parlamentarierinnen und Parlamentarier schrieben seinen Namen auf den Wahlzettel. Thurnherr erklärte, dass er sich nicht als achten Bundesrat sehe, dass er sich aber bei Bedarf durchaus kritisch in einzelne Bundesratsgeschäfte einbringen werde. In den Kommentarspalten wurde die Erwartung geäussert, dass der studierte Physiker das Amt weniger diskret und technokratisch interpretieren werde als seine Vorgängerin.

2015: Auf Bundeskanzlerin Corina Casanova folgt Walther Thurnheer
Dossier: Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzler

Die so genannte Lex Leuenberger, eine Karenzfrist für die Übernahme von Mandaten durch ehemalige Bundesrätinnen und Bundesräte, war zwar in der Zwischenzeit kein Thema mehr, in einem Interview mit dem Westschweizer Radio RTS plauderte der ehemalige SP-Bundesrat aber aus dem Nähkästchen. Er sei von seiner Partei fallengelassen und zu seinem Rücktritt gedrängt worden. Tatsächlich war der Ausstieg Leuenbergers aus der Exekutive 2010, trotz 15-jähriger Amtszeit, ziemlich überraschend gekommen. Er habe deshalb wohl "etwas zu nervös" Job-Angebote gesucht und das Implenia-Mandat angenommen. Es war dieser Einsitz im Verwaltungsrat der Baufirma, der ursächlich war für die Kritik am ehemaligen Infrastrukturminister sowie für die Idee einer Lex Leuenberger. Er habe das Amt damals auch deshalb übernommen – so Leuenberger weiter –, um seine Partei ein wenig zu provozieren. Er habe aber rasch eingesehen, dass das nicht sehr weise gewesen sei und deshalb sein Verwaltungsratsmandat nach zwei Jahren wieder abgegeben.

Karenzfrist für die Übernahme von Verwaltungsratsmandaten (Pa. Iv. 10.511)
Dossier: Karenzfrist für Bundesratsmitglieder

Obwohl die grossangelegte Regierungsreform nach rund zehnjähriger Behandlungszeit 2013 endgültig gescheitert war und dabei auch Vorschläge zur Erhöhung der Anzahl Bundesräte abgelehnt wurden, hielt die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-NR) an dieser Idee fest und lancierte eine auch von ihrer Schwesterkommission (SPK-SR) unterstützte parlamentarische Initiative. Begründet wird die Idee insbesondere mit der ungenügenden Vertretung der Sprachregionen im Regierungsgremium – eine der 2012 abgelehnten Forderungen war eine Standesinitiative des Kantons Tessin gewesen. Zudem sei die seit 1848 stark gewachsene Regierungstätigkeit auf zusätzliche Schultern zu verteilen, was nicht nur zu höherer Legitimation, sondern auch zu einer sinnvolleren Departementsbildung führen könne. Wie gering die Unterstützung für diese Idee allerdings nach wie vor ist, zeigte die von März bis Juli 2015 durchgeführte Vernehmlassung des Entwurfs der SPK-NR: 19 Kantonsregierungen lehnen die Reform ab, fünf begrüssen sie und zwei äussern sich skeptisch. Von den Parteien sprechen sich CVP, FDP, GLP und SVP gegen die Reformidee aus, während sie von SP, GP und BDP begrüsst wird. Während auf Gegnerseite darauf hingewiesen wird, dass sprachliche Repräsentation eine Frage des politischen Willens sei und eine Aufstockung hohe Kosten verursachen würde, wiesen die Befürworter darauf hin, dass der hohe Arbeitsaufwand zu einer Delegation von Verantwortung an die Verwaltung führe, was aus parlamentarischer Sicht keine gute Entwicklung darstelle. Die Behandlung des Geschäftes wie auch eine Anfang Februar 2014 eingereichte Petition (14.2005), die ebenfalls eine Erhöhung der Anzahl Bundesräte fordert, wird wohl 2016 in Angriff genommen.

Erhöhung der Anzahl Bundesräte (Pa.Iv. 13.443)
Dossier: 9 statt 7 Bundesratsmitglieder?

Für Kritik auch aus der eigenen Partei sorgte der neue Fraktionschef Andy Tschümperlin mit seinem Plan, Ueli Maurer nicht zum Bundespräsidenten zu wählen. Tschümperlin liess in der Sonntagspresse verlauten, dass er Ueli Maurer nicht für die richtige Besetzung für das Bundespräsidium halte, da er sich eher wie ein Parteipräsident als wie ein Bundesrat aufführe. Der Schwyzer SP-Politik erwähnte dabei etwa Maurers abruptes Verlassen des Bundesratszimmers nach der Wiederwahl von Eveline Widmer-Schlumpf als Bundesrätin. Hinter den Kulissen warfen einige von der Aussage überraschte Genossen ihrem Fraktionschef wenig geschicktes Verhalten vor.

SP-Fraktionschef Tschümperlin möchte SVP-Maurer als Bundespräsident verhindern

Eher unerwartet konnte die SP auch bei den Ständeratswahlen zulegen. Die zwei Sitzgewinne in den Kantonen Aargau (Bruderer) und St. Gallen (Rechsteiner) und die Rückeroberung des Berner Sitzes (Stöckli), den die SP aufgrund der Ersatzwahl für Bundesrätin Sommaruga im Frühjahr noch an die SVP verloren hatte, sorgten dafür, dass die Sozialdemokraten die höchste Zahl an Ständeratsmandaten in ihrer Geschichte erreichten. Mit elf Mandaten war man in der kleinen Kammer neu sogar gleich stark wie die FDP. Die acht Sitze in den Kantonen FR (Berset), SO (Zanetti) BS (Fetz), BL (Janiak), VD (Savary), NE (Berberat), GE (Maury Pasquier) und JU (Hêche) konnten relativ problemlos verteidigt werden. Nur im Kanton Waadt musste die SP in einen zweiten Wahlgang. Ohne Erfolg blieben die Sozialdemokraten in den Kantonen ZH, LU, OW (mit der Juso), ZG, SH, TG, TI und VS.

Wahlkampf und Resultate der SP bei den eidgenössischen Wahlen 2011
Dossier: Resultate der wichtigsten Parteien bei nationalen Wahlen 2011

Zu einer ersten Klärung der Situation trugen die Parlamentswahlen bei. So zogen die Grünen aufgrund der Niederlage bei den Parlamentswahlen ihren Anspruch auf einen Bundesratssitz zurück und traten nicht bei den Erneuerungswahlen an, obwohl sie noch vor den Wahlen einen Regierungssitz für sich reklamiert hatten. Sie hatten dabei nicht nur mit ihrer Wählerstärke sondern auch mit der wachsenden Bedeutung und Berücksichtigung der Umweltpolitik argumentiert und eine Liste mit möglichen Kandidierenden (darunter die Regierungsräte Bernhard Pulver (BE) und Guy Morin (BS), der Genfer Ständerat Robert Cramer oder die Zürcher Stadträtin Ruth Genner) ins Gespräch gebracht. Die BDP hingegen sah dank ihres Erfolges bei den Wahlen keinen Anlass, ihre Bundesrätin zurückzuziehen. Eveline Widmer-Schlumpf gab Ende Oktober denn auch definitiv bekannt, sich für die Wiederwahl bereitzustellen. Die SVP ihrerseits, die bei den Wahlen Sitze einbüssen musste, schloss vorerst eine Kampfkandidatur gegen die FDP aus.

Die SP brachte mögliche Kandidaten für die Nachfolge von Micheline Calmy-Rey früh in Stellung und nutzte die Auswahlprozedur geschickt für zusätzliche Medienaufmerksamkeit im Wahlkampf. Die Partei bekräftigte, dass nur Kandidierende aus der lateinischen Schweiz in Frage kämen. Als Topfavoriten galten der Waadtländer Staatsrat Pierre-Yves Maillard und der Freiburger Ständerat Alain Berset. Kandidaturen reichten zudem Nationalrat Stéphane Rossini (VS) und die Tessiner Nationalrätin Marina Carobbio ein. Die SP-Fraktion präsentierte Ende November mit Alain Berset und Pierre-Yves Maillard ein Zweierticket. Die Nichtnomination von Marina Carobbio stiess insbesondere in der Südschweiz auf Enttäuschung, bedeutete dies doch, dass das Tessin seit 1996 (Rücktritt von Flavio Cotti) weiter auf eine Vertretung in der Landesregierung warten musste.

Obwohl die SVP sich schon sehr früh als Herausforderin profilierte, tat sie sich mit der Suche nach Kandidierenden schwer. Zwar brachte sich Jean-François Rime (FR) schon früh in Stellung. Die als Favoriten gehandelten Kandidaten sagten aber spätestens nach den Parlamentswahlen alle ab: So verzichteten etwa der nicht in den Ständerat gewählte Caspar Baader (BL) oder der neue Ständerat Roland Eberle (TG). Auch Nationalrat Adrian Amstutz (BE), der im November seine Wiederwahl in den Ständerat nicht geschafft hatte, verzichtete genauso auf eine Kandidatur wie der umworbene Nationalrat Peter Spuhler (TG) und Parteipräsident Toni Brunner (SG). Zum Problem der SVP wurde allgemein die Wählbarkeit der Kandidierenden: Während linientreue Hardliner vom Parlament als nicht wählbar betrachtet wurden, hatten es moderate SVP-Exponenten schwer, die Hürde der Fraktionsnominierung zu überspringen. Bis Ende November meldeten schliesslich Nationalrat Guy Parmelin (VD), Ständerat Hannes Germann (SH), und die Regierungsräte Jakob Stark (TG) und Heinz Tännler (ZG) ihre Ambitionen an. Eher überraschend kam die Kandidatur von Nationalrat und Gewerbeverbandspräsident Bruno Zuppiger (ZH), der als Schwergewicht betrachtet wurde und der angab, auf Bitte von Christoph Blocher (ZH) anzutreten. Zuppiger war jeweils schon bei den Bundesratswahlen 2003, 2007 und 2008 von der SP als valabler SVP-Kandidat ins Spiel gebracht worden. Er galt deshalb weit über das bürgerliche Lager hinaus als wählbar und wurde denn auch prompt neben Rime auf ein Zweierticket gehievt. Allerdings zwang ihn ein von der Weltwoche verbreiteter Vorwurf, bei einer Erbschaft unrechtmässig Geld abgezweigt zu haben, zum Rückzug seiner Kandidatur. Die Presse ging mit der SVP-Spitze, die offenbar von der Sache gewusst hatte und vorerst an Zuppiger festhielt, hart ins Gericht. In einer Nacht- und Nebelaktion stellte die SVP in der Folge nicht etwa einen der von den Kantonalsektionen nominierten Kandidaten, sondern Nationalrat Hansjörg Walter als Ersatzkandidaten auf. Dieser hatte sich im offiziellen Nominationsverfahren nicht zur Verfügung gestellt, weil er das Amt des Nationalratspräsidenten übernehmen wollte. Der Wechsel wurde in der Presse als unprofessionell, unglaubwürdig und peinlich bezeichnet und die Spitze der SVP musste Fehler bei der Beurteilung der Kandidaten einräumen. Walter selber, der noch 2008 aufgrund einer einzigen Stimme nicht zum Bundesrat und im Berichtjahr mit einem glänzenden Resultat zum Nationalratspräsidenten gewählt worden war, machte deutlich, dass er nur gegen den Sitz der BDP antreten würde.

Nach den Hearings gaben sowohl die Grünen als auch die SP bekannt, dass sie ihrer Fraktion die Wiederwahl von Eveline Widmer-Schlumpf empfehlen würden. Die CVP und die BDP diskutierten gleichzeitig über eine stärkere künftige Kooperation. Es zeichnete sich deshalb ab, dass die SVP höchstens auf Kosten der FDP einen zweiten Sitz erhalten würde.

Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2011 – Nachfolge Micheline Calmy-Rey
Dossier: Wahlen des Bundespräsidiums
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Die Ankündigung des Rücktritts von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey am 7. September belebte den Wahlkampf. Die SP konnte den Rücktritt und die Diskussionen um mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger geschickt für verstärkte Medienaufmerksamkeit nutzen.

Nationaler Wahlkampf 2011
Dossier: Eidgenössische Wahlen 2011 - Übersicht

Die SP lanciert ihren Wahlkampf – vergleichsweise spät – Ende März des Berichtjahrs. Mit einem Zehnpunkteprogramm unter dem Slogan „Für alle statt für wenige“ wurde auch hier als Ziel die Steigerung der Wahlprozente und der Sitze formuliert. Kernthemen waren die Energiepolitik, die Krankenkasse, existenzsichernde Mindestlöhne, bezahlbarer Wohnraum, Ausbau von Tagesschulen und der flächendeckende Service Publique. Die Bedeutung der Energiepolitik sei nicht erst aufgrund der Atomkatastrophe in Japan in den Katalog aufgenommen worden. Vielmehr hätten die Sozialdemokraten bereits mit ihrer schon 2010 lancierten Cleantech-Initiative den Ausstieg aus der Atomenergie propagiert. Auch die Mindestlohn- und die Krankenkasseninitiative (Einheitskrankenkasse), die Anfang 2011 lanciert worden waren, sollten helfen, Wahlberechtigte zu mobilisieren. Die Wahlkampagne wurde mit den Kantonalsektionen abgesprochen, um einen einheitlichen Auftritt der SP in allen Kantonen zu ermöglichen.

Wahlplattformen Parteien - Eidgenössische Wahlen 2011

Die Reform der Regierung wurde auch in einzelnen Policies versucht. So bildete die Sondersession zur Gesundheitspolitik im April den Rahmen für einen Vorstoss der sozialdemokratischen Fraktion für die Schaffung eines Staatssekretärs. Die Motion, die eine Verbesserung der Steuerung des föderal stark zersplitterten Gesundheitswesens durch einen Staatssekretär anvisierte, hatte jedoch weder beim Bundesrat noch beim Nationalrat eine Chance. Darüber hinaus war auch die Idee eines Bildungsdepartementes Gegenstand parlamentarischer Diskussion. Der Bundesrat hatte diesbezüglich im Juni des Berichtsjahres eine Reorganisation der Departemente beschlossen. Vorgesehen ist, dass ab 2013 das bis anhin dem EDI angehörende Staatssekretariat für Bildung und Forschung sowie der Bereich der ETH gemeinsam mit dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie im EVD angesiedelt werden. (Siehe dazu auch die Interpellation Aubert (10.3056) und hier.) Mit der Neuorganisation wurde auch das für Europafragen zuständige Integrationsbüro dem EDA und das Bundesamt für Veterinärwesen dem EDI unterstellt (bisher EVD). Zudem versprach der Bundesrat, die Kooperation zwischen den Bundesstellen zu fördern und systematisch zu evaluieren.

Staatssekretär für das Gesundheitswesen und die soziale Sicherheit (09.3534)
Dossier: Bundesratsvorlage für eine Staatsleitungs- und Regierungsreform 2001

Nach seinem Austritt aus der SP, trat Nationalrat Ricardo Lumengo, der erstinstanzlich wegen Wahlfälschung verurteilt, in zweiter Instanz aber freigesprochen worden war, der Sozial-Liberalen Bewegung bei. Die SLB wurde Ende April 2011 gegründet und hat laut Auskunft ihres Präsidenten Samuel Schmid (AG) rund 100 Mitglieder sowie Sektionen in den Kantonen Aargau, Zürich und Bern. Ziel der Bewegung sei es, abseits von links und rechts zu pragmatischen Lösungen beizutragen. Die Bewegung steht für einen Mix aus links-grünen (gegen Atomenergie, gegen überrissene Managerlöhne), liberalen (gegen Bürokratie) und wertkonservativen Positionen (gegen Abtreibung, gegen Sterbehilfe). Für Verwirrung unter den Wählerinnen und Wählern sorgte die Bewegung in Bern, wo ein CVP-Ableger unter dem ähnlich lautenden Label „Die Liberalsozialen“ zu den Nationalratswahlen antrat.

Wahlfälschungsaffäre um SP- bzw. SLB-Nationalrat Ricardo Lumengo

Für einen Eklat sorgte SP-Präsident Christian Levrat, der – unzufrieden mit der Departementsverteilung nach den Bundesratsersatzwahlen – den Präsidenten der FDP Fulvio Pelli der Lüge bezichtigte. Die FDP hätte versprochen, dass sie einen Departementswechsel der Bundesräte Maurer und Widmer-Schlumpf verhindern würde und einer Sitzverteilung nach dem Anciennitätsprinzip nicht entgegenstehen würde, unter der Bedingung, dass die SP den FDP-Bundesratssitz unterstützte. Beide Versprechen hätten die Freisinnigen nicht eingehalten. Die grosse Rochade bei der Departementsverteilung hatte zur Folge, dass die SP nicht nur das Uvek an die CVP abgeben musste, sondern auch, dass Bundesrätin Sommaruga als Konsumentenschützerin nicht das Volkswirtschaftsdepartement erhielt, sondern als Nichtjuristin das EJPD übernehmen musste. Pelli seinerseits kündigte eine Verleumdungsklage gegen Levrat an. Die Causa Levrat-Pelli beschäftigte die Presse einige Tage lang, bevor der Streit Mitte Oktober mit einer dürren Medienmitteilung beigelegt wurde.

Streit zwischen SP und FDP bei Departementsverteilung

Viel zu reden gab die Departementsverteilung, die erstmals seit 1960 mit einer sogenannten grossen Rochade und vier neuen Departementsvorstehern endete. Die Presse mutmasste, dass die Verteilung nicht sehr konsensual vonstattengegangen war. Es wäre nur teilweise nach dem Anciennitätsprinzip vorgegangen worden: Bundesrätin Calmy-Rey wollte nicht wechseln; Doris Leuthard wünschte einen Wechsel ins Uvek und Eveline Widmer-Schlumpf wollte das Finanzdepartement übernehmen. Beide Wünsche wurden gewährt. Da weder Didier Burkhalter noch Ueli Maurer wechseln wollten, blieben das Justiz- und Polizeidepartement und das Volkswirtschaftsdepartement übrig. Obwohl Simonetta Sommaruga laut ungeschriebenem Anciennitätsprinzip zuerst ihre Wünsche hätte äussern dürfen, wurde schliesslich Johann Schneider-Ammann das Volkswirtschaftsdepartement übergeben, da die bürgerliche Regierungsmehrheit dieses Departement nicht der ehemaligen Konsumentenschützerin hätte überlassen wollen. Obwohl sie als Nichtjuristin eher nicht in das JPD passen würde, hätte die neu gewählte Magistratin dieses nun übernehmen müssen. Die SP – allen Voran ihr Präsident Christian Levrat (FR) – reagierte sehr verärgert auf die Verteilung und warf den anderen Parteien einen Coup und eine Strafaktion gegen Sommaruga vor. Auch die SVP und die Grünen äusserten Unmut über die Departementswechsel. Ein Jahr vor den nationalen Wahlen Wechsel vorzunehmen, sei eine Zwängerei und demokratisch fragwürdig. Nur die FDP, die CVP und die BDP zeigten sich zufrieden mit der neuen Verteilung.

Bundesratsersatzwahlen 2010 – Nachfolge Moritz Leuenberger und Hans-Rudolf Merz
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

Am 3. September bestimmten die Fraktionen ihre Kandidaturen. Die FDP nominierte die St. Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter und den Nationalrat Johann Schneider-Ammann (BE). Die drei weiteren Nationalräte Peter Malama (BS), Ruedi Noser (ZH) und Ignazio Cassis (TI), die von den jeweiligen Kantonalsektionen portiert wurden, wurden nicht berücksichtigt. Auch die SP nominierte zwei aus vier Kandidatinnen: Ständerätin Simonetta Sommaruga (BE) und Nationalrätin Jacqueline Fehr (ZH) erzielten mehr Fraktionsstimmen als Nationalrätin Hildegard Fässler (SG) und die baselstädtische Finanzdirektorin Eva Herzog. Die SVP nominierte – nachdem sowohl die Nationalräte Caspar Baader (BL), Peter Spuhler (TG) und Ulrich Giezendanner (AG) abgesagt hatten – Nationalrat Jean-François Rime (FR) und die Grünen traten mit Nationalrätin Brigit Wyss (SO) als Sprengkandidatin an. Auch die CVP meldete ihren Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz an, wollte aber die Wahlen 2011 abwarten.

Bundesratsersatzwahlen 2010 – Nachfolge Moritz Leuenberger und Hans-Rudolf Merz
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008