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Jahresrückblick 2020: Sozialversicherungen

Über den Themenbereich «Sozialversicherungen» berichteten die Medien im Jahr 2020 deutlich weniger als in den Vorjahren (ersichtlich in Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2020). Jedoch war die Berichterstattung zu Beginn des Jahres noch vergleichsweise stark (vgl. Abbildung 1); zu diesem Zeitpunkt dominierte die Frage nach den Überbrückungsleistungen und damit nach der Schaffung einer neuen Sozialversicherung. Diese Frage wurde bis zum Ende der Sommersession 2020 geklärt, als das Parlament die Vorlage in der Einigungskonferenz und somit noch vor der Abstimmung über die Begrenzungsinitiative, die Corona-bedingt auf Ende September hatte verschoben werden müssen, bereinigte. Das von Mitgliedern der SVP angestrebte fakultative Referendum kam nicht zustande. Neu erhalten somit Ausgesteuerte ab 60 Jahren ÜL, wenn sie mindestens 20 Jahre, fünf davon ab dem Alter von 50 Jahren, in die AHV einbezahlt haben, ihr Erwerbseinkommen mindestens 75 Prozent des AHV-Höchstbeitrags betrug und ihr Reinvermögen unterhalb der EL-Vermögensschwelle liegt.

Nach diesem Anfangsinteresse an den Sozialversicherungen geriet die Thematik aufgrund der Corona-Pandemie stark in den Hintergrund. Zwar wurden die Kurzarbeitsentschädigung sowie der Erwerbsersatz als zwei der drei Hauptmassnahmen zur Abfederung der Auswirkungen der Pandemie (neben den Corona-Krediten) wichtiger als jemals zuvor, dies widerspiegelte sich jedoch nicht in der entsprechenden medialen Berichterstattung (siehe Abbildung 1). Darüber hinaus wirkte sich Corona auch stark auf die Debatte im Krankenversicherungsbereich sowie bezüglich der finanziellen Lage des AHV-Ausgleichsfonds und der Pensionskassen aus.

Besonders viele Neuerungen gab es im Jahr 2020 bei der Arbeitslosenversicherung (ALV). Noch vor Ausbruch der Pandemie bereinigte das Parlament die Vorlage zur Vereinfachung der Bestimmungen zur Kurzarbeit im Arbeitslosenversicherungsgesetz und sah darin unter anderem vor, dass der Bundesrat bei schwieriger Konjunktur die Höchstbezugsdauer für Kurzarbeitsentschädigung (KAE) verlängern kann. Aufgrund des Abbruchs der Frühjahrssession konnte die Schlussabstimmung zum Gesetz erst in der Sommersession durchgeführt werden. Als der Bundesrat während der ersten Corona-Welle entschied, zur Abfederung der Pandemie unter anderem auf Kurzarbeitsentschädigungen zu setzen, stützte er sich in seiner Verordnung somit noch auf die bisherigen Gesetzesbestimmungen. Von diesen bundesrätlichen Corona-Massnahmen zur ALV fiel insbesondere die Ausdehnung des Zugangs zu KAE auf zusätzliche Kategorien von Erwerbstätigen, etwa auf nicht kündbare Temporärangestellte, Lehrlinge oder arbeitgeberähnliche Angestellte ins Gewicht. Damit die ALV die Massnahmen finanzieren konnte – bei Überschuldung der ALV tritt ihre Schuldenbremse in Kraft, wodurch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge im Folgejahr erhöht werden müssen –, sprach das Parlament auf Antrag des Bundesrates in der ersten Nachmeldung zum Nachtrag I zum Voranschlag 2020 eine Zusatzfinanzierung von CHF 6 Mrd. und erhöhte diese im Nachtrag IIa um weitere CHF 14.2 Mrd. Diese Zusatzfinanzierung bedurfte jedoch einer Änderung des AVIG, welche National- und Ständerat in der Herbstsession 2020 guthiessen.
Neben den KAE setzte der Bundesrat zur Bewältigung der Pandemie auch auf Erwerbsersatz, dessen Einsatz er ebenfalls in einer Verordnung regelte. Neu sollten nicht nur Dienstleistende der Schweizer Armee und Mütter nach der Geburt in den Genuss von EO kommen, sondern temporär und unter gewissen Bedingungen auch Selbständigerwerbende, sofern ihr Betrieb vom Bund geschlossen wurde, sie sich in ärztlich verordnete Quarantäne begeben mussten oder wegen Betreuungsaufgaben ihrer Arbeit nicht nachgehen konnten. Betreuungsaufgaben wegen Schulschliessungen konnten überdies auch Angestellte geltend machen. Für diese Massnahme genehmigte das Parlament einen Nachtragskredit über CHF 4 Mrd., zumal auch der EO-Fonds nur flüssige Mittel von CHF 1 Mrd. aufwies.

Diskutiert wurde im Bereich der Krankenversicherungen vor allem darüber, wer die hohen Corona-Kosten im Gesundheitswesen übernehmen soll: Zwar wurden für die Krankenkassen für das Jahr 2020 wegen Corona tiefere Kosten erwartet, zumal zeitweise alle nicht dringlichen Behandlungen untersagt worden waren, teuer würden hingegen ebendiese Ausfälle von Behandlungen für die Spitäler werden.
Unabhängig von der Corona-Pandemie waren Bundesrat und Parlament im Krankenversicherungsbereich sehr aktiv, insbesondere bei den Massnahmen zur Kostendämpfung, von denen sie sich eine Eindämmung des Prämienanstiegs erhofften. Das erste Massnahmenpaket teilte die SGK-NR vor der ersten Ratsbehandlung im Mai 2020 in zwei Teile auf: In einem ersten Schritt sollten im Teilpaket 1a die weniger umstrittenen Aspekte behandelt werden, wobei sich bei den Behandlungen rasch zeigte, dass es im Gesundheitsbereich beinahe keine unumstrittenen Aspekte gibt. Entsprechend begann der Nationalrat noch vor Abschluss dieses Teilpakets mit der Behandlung des Teilpakets 1b mit den als umstrittener eingeschätzten Massnahmen. Gleichzeitig führte der Bundesrat zwischen August und November 2020 auch eine Vernehmlassung zum zweiten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung durch, dessen Hauptmassnahme die Einführung einer Zielvorgabe für die Kostenentwicklung in der OKP darstellt. Da auch die von der CVP in der Zwischenzeit erfolgreich eingereichte eidgenössische Initiative «Für tiefere Prämien» eine Kostenbremse im Gesundheitswesen forderte, schlug der Bundesrat das zweite Massnahmenpaket als indirekten Gegenvorschlag zur CVP-Initiative vor.
Auch der Prämien-Entlastungs-Initiative der SP stellte der Bundesrat mit der Vorlage zu den individuellen Prämienverbilligungen einen indirekten Gegenvorschlag zur Seite. Darin beantragte er als Reaktion auf die stetige Senkung der IPV-Beiträge durch die Kantone, die entsprechenden Kantonsbeiträge an die kantonalen Bruttokosten sowie an die verbleibende Prämienbelastung zu knüpfen. Auch diesen Gegenvorschlag schickte er in der Folge in die Vernehmlassung. Mit der KVG-Ergänzung über die Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten, dem Bundesgesetzes über die Datenweitergabe der Versicherungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung standen auch zwei auf parlamentarischen Initiativen basierende Gesetzesvorlagen kurz vor oder am Anfang der parlamentarischen Beratung, während bei der Einführung eines monistischen Finanzierungssystems für die Gesundheitsleistungen (EFAS) 2020 keine Fortschritte erzielt werden konnten. Abgeschlossen wurde hingegen die Vorlage zur Zulassung von Leistungserbringenden in der Sommersession 2020, mit welcher die bisher zeitlich befristete Zulassungsbeschränkung der Leistungserbringenden permanent geregelt wurde. In der Wintersession 2020 einigten sich die Räte auch auf neue Regelungen zur Vergütung des Pflegematerials.

Der Themenbereich Altersvorsorge erhielt im Jahr 2020 von den Medien deutlich weniger Aufmerksamkeit als in den Vorjahren. Dies hing sicherlich einerseits damit zusammen, dass anders als in den Jahren 2017 (Altersvorsorge 2020) und 2019 (STAF) keine eidgenössische Abstimmung zu diesem Thema stattfand. Andererseits überdeckte auch in diesem Themenbereich die Corona-Berichterstattung verschiedene, durchaus berichtenswerte Ereignisse. So machte der Bundesrat bezüglich der Reform der beruflichen Vorsorge einen Schritt vorwärts. Nachdem der Arbeitgeberverband, Travail.Suisse und der Gewerkschaftsbund im Juli 2019 ihren Kompromissvorschlag für die BVG-Revision präsentiert hatten, wurden bald von allen Seiten Kritik und Alternativvorschläge laut, insbesondere bezüglich des Rentenzuschlags im Umlageverfahren. Dennoch entschied sich der Bundesrat Ende November 2020 in der Botschaft zum neu als «BVG 21» betitelten Geschäft, am Kompromiss der Sozialpartner festzuhalten.
Wenige Aktivitäten gab es bezüglich der Revision der AHV. Zwar begann die SGK-SR im August 2020 die Vorberatung der Vorlage zur Stabilisierung der AHV (AHV 21), diese dauerte jedoch aufgrund vertiefter Abklärungen so lange, dass die Vorlage im Jahr 2020 noch nicht im Plenum beraten werden konnte.
Für zwei Volksinitiativen zur Altersvorsorge – für die Volksinitiative «Berufliche Vorsorge – Arbeit statt Armut» sowie für die Volksinitiative «für eine generationengerechte Altersvorsorge (Vorsorge Ja – aber fair)» – verstrichen die Sammelfristen im Jahr 2020 unbenutzt. Zudem wurde im Februar 2020 die Volksinitiative «Für ein besseres Leben im Alter (Initiative für eine 13. AHV-Rente)» durch den Gewerkschaftsbund lanciert. Einiges zu reden wird zukünftig auch ein Urteil des EGMR geben, der die Schweiz wegen unzulässiger Ungleichbehandlung von Witwen und Witwern rügte: Das Gericht kritisierte, dass ein verwitweter Vater nur eine Rente erhält, bis seine Kinder volljährig sind, während verwitwete Mütter ein Leben lang eine Rente erhalten.
Doch auch das Thema «Altersvorsorge» blieb von der Corona-Pandemie nicht unberührt. So verloren sowohl der AHV-Ausgleichsfonds als auch die Pensionskassen durch den Corona-bedingten Aktiensturz viel Geld. Die OAK BV berichtete im Mai 2020, dass der Deckungsgrad der Pensionskassen durchschnittlich um 6 Prozent auf 105.6 Prozent gefallen war, vermeldete dann aber im Laufe des Jahres wieder steigende Zahlen: Ende September 2020 lag der durchschnittliche Deckungsgrad bereits wieder bei 110.2 Prozent. Auch das BSV erwartete mittelfristig nur geringe Folgen durch die Pandemie – es nutzte für seine Prognose gemäss NZZ aber auch positivere Wirtschaftsprognosen als die restliche Bundesverwaltung. Ein grosses, nicht nur Corona-bedingtes Problem im Rahmen des BVG löste der Bundesrat Anfang Juli, als er der Auffangeinrichtung BVG erlaubte, Gelder bis CHF 10 Mrd. aus dem Freizügigkeitsbereich zinslos und unentgeltlich bei der Bundestresorie anzulegen. Da Freizügigkeitsguthaben nicht mit Negativzinsen belastet werden dürfen, war eine sichere Anlage der Gelder aufgrund der Negativzinsen zuvor kaum möglich gewesen.

Schliesslich schloss das Parlament in der Sommersession 2020 auch die Weiterentwicklung der IV erfolgreich ab. Mit der Vorlage hatte der Bundesrat beabsichtigt, die bisher noch unzureichende Wiedereingliederung bei Kindern, Jugendlichen und Menschen mit psychischen Erkrankungen zu verbessern. Entgegen anfänglicher Entscheide des Nationalrats, die Kinderrenten zu senken und die Kinderrenten in «Zulage für Eltern» oder «Zusatzrente für Eltern» umzubenennen, entschied sich das Parlament zum Schluss, auf beide Massnahmen zu verzichten.

Jahresrückblick 2020: Sozialversicherungen
Dossier: Jahresrückblick 2020

Le Groupe socialiste retire son initiative parlementaire demandant une indemnité en cas de RHT de 100 pour cent du salaire pour une durée de perception supérieure à 60 jours, comme l'Assemblée fédérale a décidé – dans le cadre de la loi Covid-19 – d'indemniser à 100 pour cent la part du salaire assuré jusqu'à CHF 3'470.

Augmenter l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail, pour les bas et les moyens revenus en cas de crise de longue durée (Iv.pa 20.417)

Le Groupe socialiste estime qu'une perception de l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail (RHT) implique, pour les salarié.e.s, de renoncer à 20 pourcent de leur salaire. En cas de crise de longue durée, les bas et les moyens revenus perdent du pouvoir d'achat, en plus d'être confrontés à des charges financières supplémentaires. Par le biais d'une initiative parlementaire, le Groupe socialiste souhaite donc que l'indemnité en cas de RHT soit portée à 100 pourcent de la perte de gain considérée, si la durée de la perception de l'indemnité est supérieure à 60 jours au cours d'une année et que la perte de gain est inférieure au salaire médian en Suisse.
Lors de l'examen préalable, la CSSS-CN a proposé, par 15 voix contre 9 et 1 abstention, de ne pas y donner suite.

Augmenter l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail, pour les bas et les moyens revenus en cas de crise de longue durée (Iv.pa 20.417)

In Erfüllung der Motion Vonlanthen (cvp, FR; Mo. 16.3457) legte der Bundesrat dem Parlament im Mai 2019 eine Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vor, mit der die Bestimmungen zur Kurzarbeit vereinfacht werden sollten. Neu sollen Arbeitnehmende bei Kurzarbeits- (KAE) sowie bei Schlechtwetterentschädigungen (SWE) nicht mehr verpflichtet sein, eine Zwischenbeschäftigung zu suchen. Da die Arbeitnehmenden während der Kurzarbeit immer bereit sein müssten, ihre vollständige Tätigkeit wieder aufzunehmen, sei eine solche Zwischenbeschäftigung in der Praxis bereits bisher von geringer Bedeutung gewesen, erklärte der Bundesrat. Dank einer raschen Umsetzung der E-Government-Strategie für die ALV sollte zudem die administrative Abwicklung von Anträgen für entsprechende Entschädigungen erleichtert werden. Überdies soll zukünftig der Bundesrat über eine Verlängerung der Zulassung für KAE entscheiden, ohne dabei die bisher notwendige Voraussetzung einer «erheblichen Arbeitslosigkeit» berücksichtigen zu müssen. Da die KAE vor allem präventiv wirken sollten und eine entsprechende Evaluation zu lange dauere, solle diese Klausel abgeschafft werden, erklärte der Bundesrat.

Zuvor hatten sich zwischen Oktober 2018 und Februar 2019 48 Organisationen an der Vernehmlassung zur Vorlage beteiligt. Einverstanden hatten sich die Teilnehmenden mit der Abschaffung der Pflicht zur Zwischenbeschäftigung gezeigt, bezüglich der elektronischen Informationssysteme hatten verschiedene Kantone vor allem auf praktische Probleme hingewiesen. Die SP und der SGB hatten die Änderung der Voraussetzungen zur Verlängerung der Höchstbezugsdauer als unpraktikabel eingestuft und in der Folge abgelehnt.

Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes
Dossier: Vereinfachung der Bestimmungen zur Kurzarbeit (Revision des AVIG)

Am 17. September 2018 lancierte das Referendumskomitee seine Kampagne gegen das Gesetz über die Grundlage der Überwachung von Versicherten vor dem Hauptsitz der CSS-Krankenversicherung in Bern. Ziel dieser Aktion sei gemäss Komitee, den Fokus der Diskussion auch auf die Krankenkassen zu lenken. Da alle Bürger krankenversichert seien, könnten sie alle zukünftig einmal ins Visier der Sozialdetektive geraten, argumentierte Dimitri Rougy vom Referendumskomitee. Dass das neue Gesetz – entgegen deren Erklärungen – für die Krankenkassen wichtig sei, zeige das starke Lobbying, das sie diesbezüglich in Bern betrieben hätten. Dieser Darstellung widersprach die CSS: Observationen spielten für sie jetzt und auch zukünftig bei der Missbrauchsbekämpfung keine Rolle, erklärte CSS-Sprecherin Christina Wettstein.
Noch während der Abstimmungskampagnen präsentierte der Bundesrat seine Verordnung zur Anforderung an die mit der Überwachung betrauten Personen. Diese müssten über eine Bewilligung des BSV verfügen, in den letzten 10 Jahren nicht für ein mit der Überwachung zusammenhängendes Delikt verurteilt worden sein, über eine Polizeiausbildung oder gleichwertige Ausbildung, dazu zählt auch eine Ausbildung an einer Detektivschule, sowie über ausreichende Rechtskenntnisse verfügen und mindestens zwei Jahre Berufserfahrung in der Personenüberwachung haben. Zudem soll das BSV ein Verzeichnis über die entsprechenden Personen führen. Dies sei zwar besser als gar keine Regelung, erklärte Silvia Schenker (sp, BS) als Mitglied des Referendumskomitees, löse aber das Grundproblem der Überwachung nicht.
In der Folge versuchten die Referendumsführenden klar zu machen, dass es ihnen nicht in erster Linie darum gehe, Observationen zu verhindern. Diese dürften aber nicht willkürlich erfolgen, sondern müssten auf einer sorgfältig ausgearbeiteten gesetzlichen Grundlage beruhen. Eine solche stelle das neue Gesetz aber nicht dar, da zu viele Punkte unklar seien. Zudem gingen die Möglichkeiten, welche die Versicherungen erhielten, viel zu weit. Man würde damit «mit Kanonen auf Spatzen […] schiessen», betonte Anne Seydoux (cvp, JU). Erstere Kritik unterstützte auch ein bürgerliches Komitee, vor allem bestehend aus Jungen Grünliberalen sowie teilweise aus Jungfreisinnigen. Unterstützt wurden sie von einigen Kantonalsektionen, etwa der GLP Neuenburg oder der CVP Jura, CVP Neuenburg und CVP Genf. Offiziell bekämpft wurde die Vorlage schliesslich von SP, Grünen und Grünliberalen, Letztere entschieden sich aber mit 67 zu 61 Stimmen nur knapp und gegen den Willen des Parteivorstands gegen das Gesetz. Unterstützung in den Medien erhielten die Komitees während des Abstimmungskampfes auch von einem Teil des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB): Die Hälfte der Verbandsmitglieder, die an einer entsprechenden Befragung teilgenommen hätten, lehne das neue Gesetz ebenfalls ab, weil Privatdetektive verglichen mit den Strafverfolgungsbehörden zu viele Kompetenzen erhielten, berichteten die Medien.
Auf der anderen Seite betonten die Befürworterinnen und Befürworter des neuen Gesetzes, zu dem unter anderem die SVP, FDP, CVP, BDP und EDU sowie zum Beispiel der Gewerbeverband, der Arbeitgeberverband und der Versicherungsverband zählten, dessen Wichtigkeit für die Sozialversicherungen. Einerseits sei eine konsequente Verfolgung von Missbrauch für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Sozialversicherungen zentral, andererseits könnten so Kosten gespart werden, wodurch mehr Geld für die tatsächlich Berechtigten übrigbliebe. Um letzteren Punkt zu verdeutlichen, führten die Befürwortenden des Gesetzes an, wie viele unrechtmässig bezogenen Leistungen durch die Observationen gespart werden können. Alleine zwischen 2009 und 2016 habe die IV gemäss Zahlen des BSV wegen festgestellten Missbräuchen in etwa 2000 Fällen pro Jahr insgesamt Renten in der Höhe von CHF 1.2 Mrd. eingespart. Jährlich seien 220 Fälle mithilfe von Observationen durchgeführt worden, wobei sich der Verdacht in der Hälfte der Fälle bestätigt habe. Der momentane Überwachungsstopp erschwere den entsprechenden Stellen hingegen die Überführung von Betrügerinnen und Betrügern. So erklärte die IV-Stelle Bern, dass sie im ersten Halbjahr 2018 nur halb so viele Fälle unrechtmässig bezogener Leistungen festgestellt habe wie im ersten Halbjahr 2017. Keine entsprechende Einschätzung abgeben wollte jedoch zum Beispiel die IV-Stelle des Kantons Aargau, die SVA Aargau, da aufgrund der langen Dauer der Überwachungen zu Beginn des Untersuchungszeitraums noch Observationen eingesetzt worden seien. Auch Silvia Schenker kritisierte entsprechende Aussagen als reine Spekulation, da nicht nachgewiesen werden könne, ob die Unterschiede tatsächlich auf die fehlenden Observationen zurückzuführen seien.

Ungewohnt grosse Aufmerksamkeit erhielt im Rahmen des Abstimmungskampfes das Abstimmungsbüchlein. Das Referendumskomitee kritisierte in den Medien die Informationspolitik des Bundesrates im Abstimmungsbüchlein deutlich. Letzteres sei fehlerhaft, so dass die freie Meinungsbildung nicht mehr gewährleistet sei. Beanstandet wurde insbesondere, dass das neue Gesetz durch Aussagen, wonach dieses keine Möglichkeiten schaffe, in Wohn- und Schlafzimmern zu filmen, und wonach Richtmikrofone und Wanzen nicht erlaubt seien, verharmlost werde. Dem widersprach die Bundeskanzlei und erklärte, man habe die Grundsätze der Sachlichkeit, Transparenz und Verhältnismässigkeit eingehalten. In der Folge versuchte das Komitee, den Versand des Abstimmungsbüchlein durch eine Abstimmungsbeschwerde beim Kanton Zürich und anschliessend beim Bundesgericht zu verhindern. Das Bundesgericht wies hingegen den Antrag auf Versandstopp ab. Ein solcher sei nicht gerechtfertigt, weil auch zwei weitere Vorlagen Ende November 2018 zur Abstimmung kämen. Inhaltlich entschied es jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Etwa drei Wochen vor dem Urnengang wurde schliesslich publik, dass die Zahlen des BSV zur Anzahl Observationen bei der IV nicht korrekt waren. So wäre etwa der Kanton Freiburg mit knapp 4 Prozent der Schweizer Bevölkerung für 30 Prozent aller Observationen verantwortlich gewesen; statt 70 Observationen, wie sie das BSV aufführte, hätten in demselben Zeitraum in Freiburg jedoch nur 8 Observationen stattgefunden, erklärte dann auch der Direktor der kantonalen Sozialversicherungsanstalt. Auch in Bern und in Basel-Landschaft waren die Zahlen falsch. Diese Fehler hatten Auswirkungen auf die Höhe der Einsparungen durch die Observationen, die von der Anzahl Observationen abhängt. In der Folge musste die Bundeskanzlei die im Abstimmungsbüchlein gedruckten Zahlen korrigieren: Jährlich komme es bei der IV von 2'400 Fällen, in denen Verdacht auf Sozialversicherungsbetrug bestehe, in 150 Fällen zu Observationen, nicht in 220 Fällen wie ursprünglich erklärt. Da das Abstimmungsbüchlein zu diesem Zeitpunkt bereits gedruckt und verschickt war, korrigierte der Bund die Zahlen nur in der elektronischen Fassung. Dies könne womöglich rechtliche Folgen – bis hin zur Ungültigerklärung der Abstimmung – haben, spekulierten die Medien.
Kurze Zeit später wurde ein weiterer Fehler im Abstimmungsbüchlein publik. So berichtigte die GPK-NR eine Angabe in einer Tabelle, wonach der Nachrichtendienst zum Beispiel Telefonüberwachungen zur Bekämpfung von «Terrorismus und gewalttätigem Extremismus» einsetzen könne. Dies stimme nur für Terrorismus, gegen gewalttätigen Extremismus, zum Beispiel gegen Links- oder Rechtsradikale, könne der Nachrichtendienst keine Telefonüberwachung einsetzen. Relevant war dieser Aspekt vor allem, weil die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage argumentierten, die Sozialversicherungen erhielten weitergehende Kompetenzen als Polizei oder Nachrichtendienst – was die Befürworterinnen und Befürworter bestritten.
Nicht nur das Abstimmungsbüchlein, auch die Zahlen bezüglich der Observationen, die der Schweizerische Versicherungsverband (SSV) publizierte, erwiesen sich kurz darauf als unvollständig. Der Verband sprach von 100 Fällen von Observationen pro Jahr und erklärte, das «Mittel der Observation [werde] zurückhaltend, aber effizient eingesetzt». Dabei führte er jedoch nur die Observationen zum obligatorischen Bereich der Unfallversicherung, nicht aber diejenigen von anderen Versicherungen (z.B. Zusatzversicherungen, Krankentaggeldversicherungen, Haftpflichtversicherungen) auf, bei denen Überwachungen deutlich häufiger eingesetzt werden, die jedoch das neue Gesetz nicht betraf.

Die Medien publizierten während des Abstimmungskampfes mehrmals Geschichten, welche unrechtmässige Bezüge von Sozialversicherungsgeldern thematisierten. So veröffentlichte etwa das Bundesgericht Mitte Oktober 2018 ein Urteil zu einer Person, die wegen Sozialversicherungsbetrugs ihren Rentenanspruch verlor (9C_221/2018). Auch ein Bericht in der «Rundschau» sowie Überwachungsvideos von Betrügern, die der Präsident der Konferenz der kantonalen Ausgleichskassen, Andreas Dummermuth, veröffentlichte, wurden von den Medien aufgenommenen. Andererseits kamen auch Personen zu Wort, welche zu Unrecht observiert worden waren, und im Zusammenhang damit wurden auch die Folgen von solchen Überwachungen beleuchtet. So könnten diese bei den Überwachten seelische Spuren bis hin zu psychischen Beschwerden und dem Gefühl des Überwachtwerdens hinterlassen und bestehende psychische Erkrankungen noch verstärken, erklärte die Psychiaterin Maria Cerletti gegenüber dem Blick. Dabei wirke nicht nur die Überwachung selbst schädlich, sondern bereits das Wissen, dass man überwacht werden könnte.

Deutliche Vorzeichen für den Abstimmungssonntag lieferten die Vorumfragen. Die verschiedenen Wellen der Tamedia-Umfrage zeigten konstant einen Ja-Stimmenanteil von ungefähr zwei Dritteln der Stimmen (1. Welle: 67% Jastimmen, 30% Neinstimmen, 2. Welle: 68% Jastimmen, 30% Neinstimmen, 3. Welle: 67% Jastimmen, 32% Neinstimmen), die zwei Wellen der SRG-Umfrage durch gfs.bern machten Ja-Mehrheiten von 57 respektive 59 Prozent aus. Ob der relativ klaren Ausgangslage begannen sich die Medien gegen Ende des Abstimmungskampfes für die Frage zu interessieren, was bei einer Bestätigung des Gesetzes durch das Volk geschehe. So bestehe durchaus die Möglichkeit, dass der EGMR in Strassburg auch das neue Gesetz beanstande, weil dieses verschiedene Anforderungen des Urteils von 2016 nicht erfülle. Zum Beispiel seien die Regelungen bezüglich der anordnenden, durchführenden und überwachenden Einheiten sowie die Art und Weise der Überwachung zu unpräzise formuliert, erklärte etwa Kurt Pärli, Professor für Soziales Privatrecht der Universität Basel, ebenfalls gegenüber dem Blick.

Am 25. November 2018 fiel das Abstimmungsergebnis ähnlich deutlich aus, wie die Umfragen zuvor angekündigt hatten. Mit 64.7 Prozent bei einer Stimmbeteiligung von 48.4 Prozent sprachen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für das Gesetz zur Überwachung der Versicherten aus. Am höchsten lag die Zustimmung in den Kantonen Appenzell-Innerrhoden (81.2%), Nidwalden (78.0%), Obwalden (76.4%) und Schwyz (76.4%), abgelehnt wurde es in den Kantonen Jura (48.6%) und Genf (41.4%). Neben deutlichen sprachregionalen Unterschieden – in der Deutschschweiz lag die Zustimmung gemäss einer Auswertung des BFS durchschnittlich um fast 18 Prozentpunkte höher als in der Romandie, aber um etwa 2 Prozentpunkte tiefer als in der italienischsprachigen Schweiz – zeigten sich auch grosse Differenzen zwischen städtischen und ländlichen Regionen: Hier betrugen die Differenzen 15.7 Prozentpunkte in der Deutschschweiz und 11.3 Prozentpunkte in der Romandie. Lediglich in der italienischsprachigen Schweiz stimmten die Stadt- und die Landbevölkerung ähnlich (2.4 Prozentpunkte Unterschied). Unterschiede zeigten sich gemäss der Nachabstimmungsbefragung Voto auch zwischen den Altersgruppen: Personen zwischen 18 und 29 Jahren stimmten der Vorlage nur zu 42 Prozent zu, alle übrigen Altersgruppen wiesen Zustimmungsraten zwischen 60 und 76 Prozent auf. Ähnlich wie zuvor die Tamedia-Nachbefragung zeigte auch Voto auf, dass die Sympathisantinnen und Sympathisanten der Grünen (Voto: 24%, Tamedia: 22%) dem neuen Gesetz deutlich kritischer gegenüberstanden als diejenigen der SP (Voto: 42%, Tamedia: 38%). Die Befürworterinnen und Befürworter zielten gemäss Voto in erster Linie auf eine effektive Missbrauchsbekämpfung bei den Sozialversicherungen ab, die Gegnerinnen und Gegner bezogen sich in ihrer Argumentation insbesondere auf die Probleme der Vorlage bezüglich der Rechtsstaatlichkeit.

Das Ergebnis zeige, dass ohne schlagkräftige Organisation im Rücken zwar eine Abstimmung erzwungen, nicht aber gewonnen werden könne, urteilten die Medien. Mit «Die Grenzen der Bürgerbewegung» fasste das St. Galler Tagblatt die Vorlage zusammen. Auch die Initianten betonten, dass ihnen im Hinblick auf die «millionenschwere Kampagne der Versicherungsbranche» das notwendige Geld für einen Vollerfolg gefehlt habe. Einen Teil ihres Ziels hätten sie jedoch dadurch erreicht, dass durch verschiedene im Abstimmungskampf gemachte Äusserungen der Befürworterinnen und Befürworter persönlichkeitsrechtliche Aspekte hätten geklärt werden können, zum Beispiel die Frage von Filmaufnahmen aus Schlafzimmern. Daran müsse sich die Justiz orientieren, auch wenn diese nicht direkt in die Gesetzesauslegung einfliessen würden, betonte zum Beispiel Daniel Gerny in der NZZ.


Abstimmung vom 25. November 2018

Beteiligung: 48.4%
Ja: 1'667'849' (64.7%), Stände: 21
Nein: 909'172 (35.3%), Stände: 2

Parolen:
– Ja: BDP, CVP, EDU, FDP, SVP, Arbeitgeberverband, Gewerbeverband, Versicherungsverband
– Nein: GPS, GLP, PdA, SD, SP, Dachverband der Behindertenorganisationen, Gewerkschaftsbund, Pro Infirmis, Travailsuisse
– Stimmfreigabe: EVP
* in Klammern die Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Parlament schafft eine gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten (Pa. Iv. 16.479)
Dossier: Überwachung von Versicherten (2016-2019)

Auf Antrag des Bundesrates und gegen den Widerstand der SP und der GP lehnte der Nationalrat in der Wintersession eine Motion der SP-Fraktion (08.3573) für ein energiepolitisches Investitionsprogramm sowie eine Motion Schelbert (gp, LU; 08.3672) ebenfalls für zusätzliche Bundesinvestitionen im Energiebereich und für vorgezogene Beschaffungen des Bundes ab. Er tat dies vor allem weil die Regierung bereits eigene, allerdings bescheidenere Konjunkturstützungsmassnahmen beschlossen hatte. Zustimmung im Nationalrat fand hingegen eine Motion Chevrier (cvp, VS) für zusätzliche Subventionen für die energietechnische Modernisierung von Gebäuden.

Energiepolitisches Investitionsprogramm (Mo. 07.3174)
Dossier: Gebäudeprogramm; Reduktion des Energieverbrauchs ab 2000

Im Oktober äusserte die SP Kritik am staatlichen Rettungspaket für die von der Finanzkrise stark betroffene Grossbank UBS. Levrat forderte die Gründung einer Auffanggesellschaft durch Bund und Kantone, welche die Bank mit Kapital versorgen und dafür umgekehrt UBS-Aktien erhalten solle. Das Darlehen der Nationalbank an die UBS im Umfang von 60 Mia Fr. sei zudem zu hoch. Die SP forderte weiter strengere Eigenkapitalvorschriften für Banken und ein Verbot risikotreibender Boni.

SP äussert Kritik am staatlichen Rettungspaket für die UBS (2008)
Dossier: Too-big-to-fail (TBTF) nach der Finanzkrise 2008

Im September gab die SP ihre Schwerpunkte für die kommenden drei Jahre bekannt: Soziale Gerechtigkeit (gegen Sozialabbau bei ALV und IV, für eine Modernisierung der Sozialwerke), Erhöhung der Kaufkraft (höhere Löhne, Renten und Kinderzulagen sowie tiefere Lebenshaltungskosten) und Förderung der erneuerbaren Energien. Mit diesen Themen wolle die SP sowohl die Arbeiter- als auch die Mittelschicht ansprechen.

Schwerpunkte der SP für die kommenden drei Jahre

Der einzige hörbare Ruf nach staatlichen Interventionen in den Konjunkturablauf kam im Frühjahr von der SP. Sie erachtete die Konjunkturlage im März, als die provisorischen BIP-Zahlen für das vierte Quartal 2004 erschienen, welche eine Stagnation gegenüber dem Vorjahreswert auswiesen, als derart alarmierend, dass sie Massnahmen für erforderlich hielt. Aber auch sie verlangte in ihrer Interpellation nicht direkt eine Nachfragebelebung durch den Bund, sondern kritisierte vor allem das hohe Preisniveau im Wohnungsbereich, welches den Konsumenten Kaufkraft entziehen würde. Nachdem in den beiden ersten Quartalen des Berichtsjahres die ersten Schätzungen für das Wirtschaftswachstum leicht nach oben zeigten, verstummten auch die Rufe der SP wieder.

Forderung der SP nach Konjunkturmassnahmen

In der Märzsession gaben zwei Interpellationen der SP (03.3023) und der FDP (03.3029) dem Nationalrat Gelegenheit zu einer grossen Debatte über Massnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft. Die Voten standen schon stark unter dem Aspekt der Kampagne für die Parlamentswahlen vom Herbst und bestätigten die grosse Differenz zwischen den Konzepten der SP und der GP einerseits und der bürgerlichen Parteien andererseits. Auffallend war freilich, dass sich die SVP, angeführt von Blocher (ZH), nicht etwa auf die Linke einschoss, sondern auf die CVP und vor allem die FDP. Sie warf ihnen vor, zwar die richtigen Strategien zu deklamieren (Deregulierung, Einschränkung der Staatstätigkeit und Steuerabbau), aber nichts zu deren Realisierung beizutragen. In Abweichung von seiner üblichen Praxis, Vorstösse, welche in den Kompetenzbereich der Regierung eingreifen oder von dieser Berichte oder Abklärungen verlangen, in Postulate oder Empfehlungen umzuwandeln, überwies der Ständerat Teile der im Vorjahr vom Nationalrat überwiesenen Motion der FDP-Fraktion für eine Politik der Förderung des Wirtschaftswachstums durch die Regierung. Eine Empfehlung von Brunner (sp, GE; 03.3065), aus konjunkturpolitischen Gründen mehr Mittel der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) für die direkte Unterstützung von neugegründeten Unternehmen einzusetzen, wurde vom Bundesrat vor allem aus ordnungspolitischen Gründen bekämpft und vom Ständerat deutlich abgelehnt.

Debatte über Massnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft und Politik der Förderung des Wirtschaftswachstums

Trotz der wirtschaftlichen Stagnation und den steigenden Arbeitslosenzahlen blieben im Berichtsjahr die Rufe nach staatlichen Konjunkturförderungsmassnahmen fast gänzlich aus. Als sich abzeichnete, dass die auf den Herbst angesagte konjunkturelle Erholung nicht eintreten würde, reichte die SP-Fraktion im Herbst im Nationalrat zwar einige Vorstösse für eine Wiederankurbelung der Wirtschaft ein. Gemessen an den Vorankündigungen in den Medien blieben die Forderungen allerdings bescheiden und wurden ohne besonderen Nachdruck formuliert. Konkret regte die SP mit Postulaten (02.3499, 02.3509, 02.3512) ein Programm zur Förderung der beruflichen Weiterbildung und Umschulung, die Einberufung einer Gesprächsrunde mit Vertretern von Kantonen und Gemeinden zur Vorbereitung eines Impulsprogramms für den Wohnungsbau sowie die Verlängerung der Bezugsdauer der Entschädigung für Kurzarbeit von 12 auf 18 Monate an. Letztere Forderung wurde vom Bundesrat kurz nach der Einreichung des entsprechenden Postulats erfüllt. Im Oktober gab zudem das EVD die von den Unternehmen freiwillig angelegten steuerbegünstigten Arbeitsbeschaffungsreserven frei. Rund 1000 Unternehmen wurden damit ermächtigt, angesparte Mittel im Umfang von insgesamt 350 Mio Fr. für Investitionen einzusetzen.

Forderungen nach Konjunkturförderungsmassnahmen

Eine „Vereinigung zum Schutz der Arbeitslosen“ aus La-Chaux-de-Fonds (NE) und die Gewerkschaften SGB und CNG ergriffen mit Unterstützung der SP und der Grünen erfolgreich das Referendum gegen die Revision. Sie kritisierten insbesondere die zeitliche Kürzung des Taggeldanspruchs sowie die Streichung des Solidaritätsbeitrages der Besserverdienenden. Die Befürworter der Revision erklärten demgegenüber, mit der Revision sei ein soziales, konjunkturunabhängiges und wirkungsvolles System zur Unterstützung der Arbeitslosen geschaffen worden. Der Abstimmungskampf war nicht sehr heftig, da die Positionen im Rechts-Links-Schema klar bezogen waren und die Vorlage im Schatten der stark polarisierenden Volksinitiative der SVP „gegen Asylrechtsmissbrauch“ stand, die gleichentags zur Abstimmung gelangte.
In der Volksabstimmung vom 24. November wurde die AVIG-Revision mit rund 56% der Stimmen angenommen, wobei allerdings die Kantone Wallis, Neuenburg, Genf und Jura Nein-Stimmenanteile von zum Teil deutlich über 50% aufwiesen. Die stärkste Zustimmung fand die Vorlage im Kanton Appenzell-Innerrhoden mit über 68% Ja-Stimmen sowie in Obwalden und Graubünden mit mehr als 62% .

Abstimmung vom 24. November 2002

Beteiligung: 47,8%
Ja: 1 234 623 (56,1%)
Nein: 966 626 (43,9%)

Parolen:
– Ja: FDP (1*), CVP (1*), SVP, LP, FPS, EDU; Economiesuisse, SAGV, SGV
– Nein: SP, GP, EVP, Lega, PdA, CSP; SGB, CNG, KV Schweiz; Caritas
– Stimmfreigabe: SD
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

3.Revision des Gesetzes über die Arbeitslosenversicherung (AVIG)

An ihrem Parteitag in Biel beschlossen die Sozialdemokraten die Ja-Parole zur Fristenregelung und die Nein-Parole zur Volksinitiative "für Mutter und Kind". Mit 108:95 Stimmen wiesen sie ein Diskussionspapier zur Wirtschaft, an dem die Berner Nationalräte Rudolf Strahm und Simonetta Sommaruga mitgearbeitet hatten, zurück. Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer (BL) beurteilte das Papier als zu vage; sie vermisste klare Stellungnahmen zur Deregulierung, Aussenwirtschaftspolitik und Umverteilung. Vertreter der Romandie und der Gewerkschaften hingegen taxierten das Papier als zu wirtschaftsliberal. Einstimmig forderten die Delegierten ferner den Bundesrat in einer Nahost-Resolution auf, sofort alle Rüstungsgeschäfte mit Israel zu suspendieren.

SP befürwortet die Fristenregelung

Der Nationalrat beriet die Revision in der Wintersession. Zwei Nichteintretens- resp. Rückweisungsanträge aus der SP-Fraktion wurden klar verworfen. Die grosse Kammer bemühte sich allerdings, die Vorlage sozialverträglicher zu gestalten. Gegen den Widerstand von FDP und SVP folgte sie beim Solidaritätsprozent mit 92 zu 59 Stimmen dem Bundesrat. Zudem fügte sie zwei Bestimmungen im Interesse der Randregionen und der älteren Arbeitnehmer ein. In Kantonen mit erhöhter Arbeitslosigkeit erteilte sie dem Bundesrat die Kompetenz, die Bezugsdauer für alle Versicherten vorübergehend auf 520 Tage zu erhöhen; zudem beschloss sie, dass über 55-jährige Arbeitlose auch nach ihrer Aussteuerung in arbeitsmarktliche Massnahmen aufzunehmen sind. Weitergehende Anträge (Gewährung von 520 Taggeldern ab Alter 50, 100% Lohnfortzahlung für Mitarbeiter von Firmen in Nachlasstundung) wurden hingegen abgelehnt. In der Gesamtabstimmung passierte das Gesetz mit 32 zu 22 Stimmen bei 72 Enthaltungen, ein deutliches Zeichen dafür, dass weder die Linke noch die Rechte mit dem Ergebnis zufrieden war. Zustimmung fand die Revision lediglich bei der CVP und den Liberalen. Die Presse führte einzelne der im Nationalrat geäusserten Forderungen und der getroffenen Entscheidungen auf das Swissair-Debakel zurück.

3.Revision des Gesetzes über die Arbeitslosenversicherung (AVIG)

In der Sommersession folgte der Ständerat dem Bundesrat in den wesentlichen Punkten, verweigerte aber dem Solidaritätsbeitrag seine Zustimmung mit der Begründung, dass bei dessen Einführung versprochen worden sei, dass es sich lediglich um eine vorübergehende Massnahme handle. Mit Unterstützung der SP und von welschen Abgeordneten der FDP setzte sich Bundesrat Couchepin vergeblich dafür ein, das zusätzliche Lohnprozent weiterhin zu erheben, um gegen Konjunktureinbrüche gewappnet zu sein. Auf Antrag der Kommission wurde der Bundesrat aber verpflichtet, bei Erreichen eines Schuldenstandes des Ausgleichsfonds von 2,5% dem Parlament eine Beitragserhöhung vorzulegen. Nicht durchsetzen konnte sich ein Antrag aus der SP, älteren Arbeitslosen bereits ab 50 Jahren die verlängerte Bezugsdauer zu gewähren .

3.Revision des Gesetzes über die Arbeitslosenversicherung (AVIG)

Nach der grossen Kammer im Vorjahr überwies auch der Ständerat gegen den Willen des Bundesrates eine Motion der Wirtschaftskommission des Nationalrates, die eine Änderung des AVIG zur Erleichterung der Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit verlangt. Es geht dabei insbesondere um die Ausdehnung des Instruments der Bürgschaften. Nur als Postulat angenommen wurde eine ebenfalls vom Nationalrat gutgeheissene Motion (98.3187) der SP-Fraktion für eine von Bund und Kantonen unterstützte Nachholbildungsoffensive für Erwachsene.

Motion Erleichterung der Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit Nachholbildungsoffensive

Im Mai legte der Bundesrat dem Parlament seine Botschaft über die Finanzhilfe an den Schweizer Tourismus für die Jahre 2000 bis 2004 vor. Der vorgesehene Betrag wurde im Vergleich zur ablaufenden Fünfjahresperiode um 22 Mio Fr. auf 190 Mio Fr. aufgestockt. Damit sollen vermehrte Werbeanstrengung zur Zurückeroberung verlorener Marktanteile finanziert werden. Die Bundeshilfe bewegt sich damit etwa im Rahmen derjenigen von Ländern wie Belgien und Holland, erreicht aber nur etwa die Hälfte der österreichischen Subventionen. Beide Parlamentskammern hiessen den Beschluss gut. Im Ständerat, wo es keine grundsätzliche Kritik gab, beantragte die Kommissionsmehrheit gar, den Beitrag um weitere 30 Mio auf 220 Mio Fr. aufzustocken. Sie unterlag damit aber mit 19:15 Stimmen. Im Nationalrat war Eintreten ebenfalls unbestritten. Die SP übte jedoch heftige Kritik an diesem „klassischen Strukturerhaltungs-Subventionsprogramm“ (Votum Strahm, sp, BE). Sie stellte den Antrag, nur die ersten beiden Jahrestranchen zu bewilligen und die weiteren Zahlungen erst dann vorzunehmen, wenn ein Massnahmeplan zur Aufwertung der Schweiz als Tourismusstandort mit einem Ausbildungskonzept zur Verbesserung der Qualität der Dienstleistungen vorliegt. Dieser auch von den Grünen unterstützte Vorschlag wurde mit 106:60 Stimmen abgelehnt. In der Gesamtabstimmung verabschiedete der Ständerat den Beschluss einstimmig, der Nationalrat mit 142:3 Stimmen. Der Nationalrat stimmte allerdings im Anschluss an diese Beratungen einer Motion seiner WAK zu, welche die Forderungen der SP in Bezug auf einen Massnahmenplan aufnahm und einen entsprechenden Bericht bis Ende 2001 verlangt.

Finanzhilfe an den Schweizer Tourismus für die Jahre 2000 bis 2004

Nicht wenige KMU hatten in den Jahren der Rezession unter ernsthaften Problemen bei der Kreditbeschaffung gelitten. Als Gegenmassnahme schlug die SP-Fraktion mit einer Motion vor, eine staatliche Bank für KMU zu schaffen. Der Bundesrat teilte zwar die Lageeinschätzung, dass die im Rahmen der Internationalisierung erfolgte Neuorientierung der Geschäftspolitik der Grossbanken die Position der KMU auf dem Kreditmarkt erschwert hat. Die Gründung einer Bundesbank lehnte er aber aus ordnungspolitischen Gründen ab. Es sei nicht Sache des Staates, über die Kreditwürdigkeit von privaten Unternehmen und ihrer Projekte zu urteilen und die daraus entstehenden Risiken zu tragen. Der Nationalrat folgte dieser Argumentation und war auch nicht bereit, den Vorstoss wenigstens in Postulatsform zu überweisen.

staatliche Bank für KMU
Dossier: Förderung von KMU

In der Finanzpolitik einigten sich die Regierungsparteien nach zähem Ringen auf einen Kompromiss zur Verabschiedung des Stabilisierungsprogramms 98, welches zur Sanierung des Bundeshaushalts Einsparungen von 2 Mia CHF und Mehreinnahmen von 20 Mio CHF bringen sollte. Umstritten waren von Anfang an die Sparmassnahmen im Sozialbereich sowie die Frage von zusätzlichen Einnahmen. Die SP hatte sich vehement gegen Einsparungen bei der AHV und ALV eingesetzt und gefordert, dass die Haushaltssanierung auch durch Mehreinnahmen, etwa durch die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer erfolgen sollte. Auf bürgerlicher Seite war die Bereitschaft zur Erschliessung weiterer Einnahmequellen klein: FDP und CVP waren zwar mit dem Bundesrat darin einig, das dritte ALV-Lohnprozent weiterzuführen und den Plafond für das zweite Lohnprozent zu erhöhen, darüber hinaus kamen neue Abgaben nur in Frage, wenn der Börsenstempel abgeschafft würde und somit beträchtliche Steuerausfälle kompensiert werden müssten. Die SVP wendete sich ausser beim zusätzlichen Mehrwertsteuerprozent für die Sozialversicherungen generell gegen neue Steuern.
Die erste ernsthafte Bewährungsprobe für den Zusammenhalt des runden Tisches erfolgte, als die SP zusammen mit den Gewerkschaften am Nein zum Haushaltsziel 2001 festhielten, was ihnen heftige Kritik von bürgerlicher Seite einbrachte. Umgekehrt stellten zahlreiche bürgerliche Parlamentarier durch ihren Eintritt in das Pro-Komitee der Wohneigentumsinitiative den runden Tisch in Frage, nachdem vorgängig beschlossen worden war, die Volksinitiative «Wohneigentum für alle» des Hauseigentümerverbandes abzulehnen und auf einen Gegenvorschlag bis zum Ausgleich der Bundesfinanzen zu verzichten. Die SVP gab zu dieser Initiative die Ja-Parole aus.

Keine Einigkeit zwischen den Regierungsparteien in wichtigen Fragen 1998

In der Antwort auf den IDA FiSo-2-Bericht forderte der SP-Vorstand einen Ausbau des Sozialstaates und nannte die Einführung einer Mutterschaftsversicherung, die Flexibilisierung des Rentenalters, einen eigenständigen Anspruch ausgesteuerter älterer Arbeitsloser auf Ergänzungsleistungen, die Erhöhung des Beitragsplafonds bei der ALV auf 243'000 CHF, die bessere Absicherung der Teilzeitarbeit, ein eidgenössisches Minimum für Kinderzulagen (200 CHF) und ein Recht auf Existenzsicherung als vordringliche Massnahmen, wobei eine höhere Gewinnausschüttung der Nationalbank an die Kantone für einen Lastenausgleich sorgen soll.

Antwort der SP auf den IDA-FiSo-2-Bericht

Kurz vor Weihnachten stellte das EDI den zweiten Bericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe Finanzierung der Sozialversicherung (IDA-FiSo-2) der Öffentlichkeit vor. Nachdem der erste Bericht die finanziellen Folgen der Weiterführung des geltenden Leistungssystems in den Jahren 2010 und 2025 dargestellt hatte, wurden mit dem zweiten Bericht die möglichen Aus-, Um- oder Abbauszenarien im Leistungsbereich dargestellt. IDA-FiSo-1 war im Vorjahr zum Schluss gelangt, dass im Jahre 2010 15,3 Mia. Fr. mehr nötig sind, um die heutigen Sozialleistungen inklusive Mutterschaftsversicherung zu finanzieren. Der Bundesrat hatte IDA-FiSo-2 daraufhin den Auftrag erteilt, anhand von drei Szenarien darzustellen, was getan werden müsste, um den Mehrbedarf auf 9 Mia. Fr. zu beschränken, welche Massnahmen die Fortführung des Status quo fordert und welche die Erhöhung der Ausgaben auf 18 Mia. Fr. Der IDA-FiSo-2-Bericht zeigte den Gestaltungsraum innerhalb der einzelnen Sozialversicherungszweige auf sowie die Auswirkungen für das ganze System, die Versicherten und die Wirtschaft. Bei allen Varianten wurde mit einem finanziellen Mehrbedarf gerechnet.

Sowohl die bürgerlichen Parteien und die Arbeitgeber auf der einen, als auch die SP und die Gewerkschaften auf der anderen Seite sahen sich von den Schlussfolgerungen des Berichtes in ihren Ansichten bestätigt. Die FDP fand, dass jetzt weder ein Ausbau noch die Schliessung von Lücken im sozialen Netz möglich sei. Sie forderte den Bundesrat auf, für die mittel- und langfristigen Aspekte der Finanzierung der Sozialwerke zu einem Gespräch am runden Tisch einzuladen. Die SVP verlangte ein Sanierungspaket, das auf der Leistungsseite zwingende Korrekturen vornehme. Die Arbeitgeber vertraten die Auffassung, dass nur das Szenario "gezielter Abbau" wirtschaftsverträglich sei, und dass im jetzigen Zeitpunkt die Einführung einer Mutterschaftsversicherung nicht zur Diskussion stehen könne. Gegen jeglichen Ausbau war auch der Schweizerische Gewerbeverband; er verlangte unter anderem ein einheitliches Rentenalter von mindestens 65 Jahren, eine Kürzung der Bezugsdauer bei der Arbeitslosenversicherung sowie Kostendämpfungen im Gesundheitswesen.

Ganz andere Schlüsse zogen SP und Gewerkschaften aus dem Bericht. Für die Sozialdemokraten zeigte dieser, dass kein Bedarf für Leistungsabbauszenarien im Sozialversicherungsbereich bestehe und auch ein Moratorium wirtschaftspolitisch nicht zu rechtfertigen sei. Aus dem Bericht sei zudem ersichtlich, dass die Politik in der Ausgestaltung der sozialen Schweiz der nächsten Jahrzehnte einen sehr grossen Spielraum habe. Für den Christlichnationalen Gewerkschaftsbund (CNG) stellte der Bericht eine gute Ausgangslage dar, um die Auseinandersetzungen über die künftige Ausgestaltung der Sozialwerke zu versachlichen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hingegen bezeichnete den Bericht als mangelhaft. Er liste unzählige Abbauvorschläge auf und beschränke sich dabei auf die Bezifferung der möglichen Einsparungen. Dabei hätten die Experten vergessen, die Folgen für die Betroffenen darzulegen. SP und SGB verlangten die rasche Realisierung der Mutterschaftsversicherung und der Ruhestandsrente.

Einmal mehr zwischen den Fronten versuchte sich die CVP zu positionieren. Die Partei sprach sich sowohl gegen den Abbau als auch gegen den Ausbau, sondern für den Umbau der Sozialversicherungen auf dem Niveau der heutigen Sozialleistungsquote sowie für eine Mutterschaftsversicherung aus. Sie kritisierte aber, die Arbeitsgruppe sei von zu optimistischen Arbeitslosenquoten (maximal 3,5%) ausgegangen. Sparpotential ortete sie in mehr Eigenverantwortung und in der Missbrauchsbekämpfung.

Drei-Säulen-Bericht/IDA FiSo

Im Juni wurde die von der SP lancierte Volksinitiative «Für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr» vom Volk mit 77% Nein-Stimmen klar verworfen. Auch der traditionelle SP-Partner, der SGB, hatte die Volksinitiative aus Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen nicht unterstützt. Beim Referendum zum dringlichen Bundesbeschluss über die Arbeitslosenversicherung, das die SP erst spät mitunterstützte, erzielte sie gegenüber den bürgerlichen Parteien jedoch einen Abstimmungserfolg. Um das Thema «Gen-Schutz-Initiative» - diese wird im Sommer 1998 zur Abstimmung kommen - frühzeitig zu besetzen, fasste der SP-Vorstand bereits im August die Ja-Parole. Die Gesamtpartei ist in dieser Frage aber gespalten. Im Sommer kam ausserdem die von der SP und Friedensorganisationen lancierte Volksinitiative «Sparen beim Militär und der Gesamtverteidigung - für mehr Frieden und zukunftsgerichtete Arbeitsplätze» zustande, die eine Halbierung des Militärbudgets fordert. Mit Unterstützung der Grünen brachte die SP weiter die Volksinitiative für die Einführung des konstruktiven Referendums zustande.

Initiativen und Referenden der SP 1996-1999

Mit Ausnahme der SVP, welche das Programm als zu teuer, wirkungslos und überdies hemmend für notwendige Strukturanpassungen ablehnte, reagierten die bürgerlichen Parteien und die Unternehmerverbände mit verhaltener Zustimmung. Die SP und der Gewerkschaftsbund waren mit der Stossrichtung einverstanden, verlangten aber eine Aufstockung des Kredits um 200 Mio Fr. (SGB) resp. auf 1 Mia Fr. (SP).

Investitionsprogramm 1997 (BRG 97.027)

Ende März deponierten kantonale Gewerkschaften und Arbeitlosenkomitees aus der Westschweiz rund 54'000 Unterschriften für das Referendum gegen den dringlichen Bundesbeschluss zur Arbeitslosenversicherung vom Dezember 1996. Dieser wollte einerseits den fünfprozentigen A-fonds-perdu-Beitrag des Bundes an die ALV (rund 230 Mio Fr.) ersatzlos streichen und andererseits mit einer Kürzung der Taggelder um 1% bzw. 3% die Arbeitslosenkasse um 70 Mio. Fr. entlasten. Sowohl SGB wie SP hatten beschlossen, das Referendum zumindest in der Startphase nicht mitzutragen. Als Begründung wurde angeführt, dass Partei und Gewerkschaft mit dem Kampf um eine Neuauflage des Arbeitsgesetzes und mit den Vorarbeiten an Volksinitiativen zum KVG und zur Arbeitszeitreduktion voll ausgelastet seien. Zudem räumten sie dem Referendum kaum eine Chance ein, hatten sie doch 1993 bei einem ersten ALV-Leistungsabbau eine deutliche Referendumsniederlage einstecken müssen. Angesichts des grossen Erfolgs der Unterschriftensammlung, beschlossen dann aber die Gewerkschaften, doch noch mit zum Teil beträchtlichen finanziellen Mitteln auf den Referendumszug aufzuspringen. Die neue SP-Präsidentin, Ursula Koch, setzte ebenfalls voll auf einen Erfolg in der ersten von ihr mitgeleiteten nationalen Abstimmungskampagne.

Voranschlag 1997: Dringlicher Bundesbeschluss ALV (BRG 96.070)
Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

In der Herbstsession fand im Nationalrat eine Debatte über die Wirtschaftslage statt, ausgelöst durch dringliche Interpellationen der SP und der Liberalen. Dabei kam auch wieder die Forderung nach einem Investitionsbonus zur Sprache. Die SP hatte Ende 1995 in beiden Parlamentskammern identische Motionen für eine Neuauflage des Investitionsbonus' (oder als Alternative Zinskostenbeiträge für öffentliche Investitionen) zur Ankurbelung der Wirtschaft eingereicht. Gefördert würden dadurch kommunale und kantonale Vorhaben namentlich in den Bereichen Energiesparen und Agglomerationsverkehr. Dabei soll nach Ansicht der SP die Höhe des Subventionssatzes von der Arbeitslosenrate und der Finanzkraft der Kantone abhängen. Der Bundesrat lehnte diesen Bonus vorwiegend aus finanzpolitischen Gründen ab. Er hoffte aber auch, dass die bereits getroffenen wettbewerbs- und arbeitsmarktpolitischen Massnahmen (insbesondere Kartellrechtsrevision, Binnenmarktgesetz und ALV-Revision) eine spürbare Besserung der wirtschaftlichen Lage bewirken würden. Im Nationalrat drang er mit diesen Argumenten nicht durch. Eine aus der Linken und der CVP gebildete Mehrheit verhalf der SP-Motion mit 80:59 Stimmen zur Annahme. Nach diesem Entscheid lehnte der Nationalrat eine überflüssig gewordene Motion Jeanprêtre (sp, VD) zugunsten eines Impulsprogramms für die von der Krise besonders betroffene französischsprachige Schweiz und das Tessin ab. Der Ständerat, der im Frühjahr einen entsprechenden, von Aeby (sp, FR) eingereichten Vorstoss abgelehnt hatte, wird sich also 1997 noch einmal damit befassen müssen. Der Kanton Genf hatte im November mit einer Standesinitiative ebenfalls eine Neuauflage des Investitionsbonus' verlangt.

Forderung nach einem Investitionsbonus (1995)