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Jahresrückblick 2019: Rechtsordnung

Die innere und äussere Sicherheit der Schweiz war der Themenkomplex des Kapitels Rechtsordnung, der im Jahr 2019 – gemessen an der Anzahl Zeitungsartikel in den jeweiligen Bereichen – deutlich am meisten Medienaufmerksamkeit generierte. Es stand zum einen die Frage im Raum, wie die Schweiz mit Schweizer Dschihadistinnen und Dschihadisten – sowohl mit den in die Schweiz zurückgekehrten als auch mit den im Ausland verbliebenen – umgehen sollte. Während im Februar das erste Gerichtsurteil gegen Schweizer Dschihad-Rückkehrende, zwei minderjährige Geschwister aus Winterthur, ausgesprochen wurde, verkündete der Bundesrat im März, Schweizer IS-Kämpferinnen und -Kämpfer nicht aktiv in die Schweiz zurückholen zu wollen, sondern sie vor Ort der Strafverfolgung zu überlassen. Zum anderen erhitzte die Debatte darüber, ob die Schweiz ausländische Dschihadistinnen und Dschihadisten auch in Folterstaaten ausliefern sollte, die Gemüter. Hier trafen mit der öffentlichen Sicherheit in der Schweiz und der Wahrung der Grundrechte (insbesondere des aus dem zwingend-völkerrechtlichen Folterverbot abgeleiteten Non-Refoulement-Gebots) zwei gewichtige Rechtsgüter frontal aufeinander. Während das Parlament der öffentlichen Sicherheit mehr Gewicht beimass und die entsprechende Motion (Mo. 16.3982) an den Bundesrat überwies, bleibt abzuwarten, wie der Bundesrat dieser Forderung nachkommen wird, ohne das zwingende Völkerrecht zu verletzen.

Zur Stärkung der öffentlichen Sicherheit widmete sich der Bundesrat im Jahr 2019 auch weiterhin der Terrorismusprävention im Inland. So unterbreitete er dem Parlament mit den Botschaften zum Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (PMT) sowie zum Bundesgesetz über Vorläuferstoffe für explosionsfähige Stoffe zwei weitere grosse Projekte zur Umsetzung der Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung. Mit dem Vorläuferstoffegesetz soll der Zugang zu bestimmten chemischen Substanzen erschwert werden, die durch Missbrauch gravierenden Schaden verursachen können. Damit soll verhindert werden, dass Terroristinnen und Terroristen diese Stoffe zur Herstellung von Sprengstoff einfach in der Schweiz beschaffen können, während ihr Handel in der EU strenger reglementiert ist. Das PMT soll derweil der Polizei neue Instrumente zum Umgang mit terroristischen Gefährderinnen und Gefährdern an die Hand geben, die vor, nach oder ergänzend zu einem Strafverfahren angewandt werden können. Um die Gefährdung durch radikalisierte Personen zu mindern, sollen diese vom terroristischen Umfeld ferngehalten, an der Ausreise in ein Konfliktgebiet gehindert sowie, wenn nötig, in ihrem Bewegungsradius eingeschränkt werden.

Eine weitere wichtige Vorlage im Bereich der inneren Sicherheit war 2019 zweifellos die Übernahme der EU-Waffenrichtlinie und die damit einhergehende Verschärfung des Schweizer Waffenrechts. Auf das im Januar zustande gekommene Referendum folgte ein mehrmonatiger, emotionaler Abstimmungskampf, der die Medienberichterstattung in den für das Kapitel Rechtsordnung relevanten Themen in der ersten Jahreshälfte dominierte. Während für die Befürworterseite klar war, dass die – bereits mit einer Ausnahmeregelung für die Schweiz versehene und daher insgesamt moderate – Richtlinie übernommen werden müsse, um die Schweizer Mitgliedschaft bei Schengen/Dublin nicht zu gefährden, sah die Gegnerschaft durch das «Entwaffnungsdiktat der EU» – so ihr Slogan – die Schweizer Freiheit und Identität substanziell bedroht. Am 19. Mai 2019 stimmte das Schweizer Stimmvolk der Übernahme der EU-Waffenrichtlinie mit 63.7 Prozent (bei einer Stimmbeteiligung von 43.9%) schliesslich deutlich zu. Gemäss der nachfolgenden VOTO-Analyse fusste der Vorsprung des Befürworterlagers vor allem auf jenen Stimmberechtigten, die eine Verschärfung des Schweizer Waffenrechts zwar nicht unbedingt für notwendig hielten, aber Schengen/Dublin nicht aufs Spiel setzen wollten.

Ein weiteres 2019 lanciertes Referendum richtete sich gegen das E-ID-Gesetz, das im September von den eidgenössischen Räten verabschiedet worden war. Hauptkritikpunkt am neuen Gesetz war, dass die E-ID von privaten Anbietern und nicht vom Staat herausgegeben werden soll. Das Referendumskomitee um die «Digitale Gesellschaft» und die Kampagnenplattformen «Wecollect» und «Campax», unterstützt von der SP und den Grünen, begann im Oktober mit der Unterschriftensammlung. Weitere grosse Gesetzgebungsprojekte, die 2019 vorangetrieben wurden, sind die Totalrevision des Datenschutzgesetzes, die Revision des Erbrechts und die Anpassung der Strafprozessordnung.

Im Bereich Strafrecht erlangte überdies der Fall «Carlos», sechs Jahre nach seinem Bekanntwerden, wieder die volle Aufmerksamkeit der Medien. Im Herbst musste sich «der wohl bekannteste junge Straftäter der Schweiz», wie ihn die NZZ betitelte, vor dem Bezirksgericht Dielsdorf (ZH) für 29 im Justizvollzug begangene Straftaten verantworten. Damit wurde, so der Tenor in der Presse, der Öffentlichkeit einmal mehr vor Augen geführt, dass «Carlos» die Strafvollzugsbehörden überfordere. Das Urteil sah für «Carlos» eine mehrjährige Freiheitsstrafe vor, die jedoch zugunsten einer stationären therapeutischen Massnahme aufgeschoben werden sollte (sog. «kleine Verwahrung»); alle fünf Jahre wird überprüft werden, ob die Therapie angeschlagen hat oder ob eine Verlängerung der Massnahme nötig ist. Im Vorfeld sowie im Nachgang des Verfahrens wurde der Skandal, den das Bekanntwerden von «Carlos» im Zürcher Justizvollzugswesen ausgelöst hatte, noch einmal aufgerollt und die Mitschuld der Medien an der nicht enden wollenden Misere diskutiert.

Das zentrale Thema im Bereich der Grundrechte war auch 2019 das Verhüllungsverbot. Mit der Botschaft zum Bundesgesetz über das Gesichtsverhüllungsverbot unterbreitete der Bundesrat dem Parlament im März seinen Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot». Die eidgenössischen Räte schlossen sich für die im kommenden Jahr anstehende Abstimmung den Empfehlungen des Bundesrates an und plädierten für die Ablehnung der Initiative und die Annahme des Gegenvorschlags.

Jahresrückblick 2019: Rechtsordnung
Dossier: Jahresrückblick 2019

Im Jahr 2019 erliess das Parlament insgesamt 54 Bundesgesetze oder Bundesbeschlüsse, die dem fakultativen Referendum unterstellt waren (2018: 41). Gegen insgesamt sechs dieser Erlasse (11%) wurde ein Referendum angestrengt (2018: gegen 4; 9.8%). Damit hielt der Trend zur stärkeren Kontrolle des Parlaments durch Referenden auch 2019 an: In den Jahren 2015, 2016 und 2017 lag der Anteil parlamentarischer Erlasse, gegen die ein Veto eingelegt wurde, noch jeweils bei rund 4 Prozent.
Ein Komitee um die Kampagnenplattform «Wecollect» reichte 64'933 gültige Unterschriften gegen das E-ID-Gesetz ein; die SP wollte die Bevölkerung zur Erhöhung des Kinderabzugs befragen und reichte dagegen 53'088 Unterschriften ein; das Jagdgesetz wurde von verschiedenen Umwelt- und Tierschutzorganisationen bekämpft und wird dank der eingereichten 58'570 Unterschriften an der Urne entschieden werden; gegen den indirekten Gegenvorschlag zur Initiative für einen Vaterschaftsurlaub reichten Vertreter der SVP und der Jungfreisinnigen 54'489 Unterschriften ein.
Über die vier Gesetze soll im Jahr 2020 abgestimmt werden. Auch die Sammelfristen für die beiden angekündigten Referenden gegen die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge – die GSoA, die SP und die Grünen sammelten hier Unterschriften – sowie gegen das Freihandelsabkommen mit Indonesien, angestrengt von Uniterre, laufen im Frühling 2020 ab.

Drei fakultative Referenden, die gegen Erlasse aus dem Jahr 2018 gerichtet waren, waren 2019 abstimmungsreif. Davon kamen zwei im Mai an die Urne und waren beide erfolglos. Die Mehrheit der Stimmbevölkerung stützte das Parlament nämlich sowohl hinsichtlich der Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie, gegen die ein Komitee aus der Interessengemeinschaft Schiessen (IGS) und der SVP das Referendum ergriffen hatte, als auch hinsichtlich des Bundesgesetzes über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF), mit dem verschiedene Komitees von linker und bürgerlicher Seite, insbesondere bestehend aus Jungparteien, nicht einverstanden waren. Die Abstimmung über die Erweiterung der Rassismusstrafnorm um den Tatbestand der sexuellen Orientierung wurde auf Februar 2020 angesetzt.

Übersicht Referenden 2019
Dossier: Ergriffene Referenden von Jahr zu Jahr (seit 2012)

Un référendum est lancé contre la modification de la loi sur la chasse. Pro Natura, le WWF Suisse, BirdLife Suisse, le groupe Loup Suisse et zoosuisse s'opposent, en effet, à la mouture élaborée durant de longs mois par le Parlement. Ces associations de protection de l'environnement dénoncent une révision de la loi qui permettra de faciliter l'abattage d'espèces protégées, telles que le loup, le castor ou encore, le héron cendré. Selon les référendaires, aucune mesure préventive contre d'éventuels dégâts ne devra être prise avant d'autoriser le tir de ces animaux. Les organisations critiquent également la possibilité offerte au Conseil fédéral d'élargir la liste des animaux protégés qui pourront être régulés, sans devoir passer par le Parlement. Finalement, les cantons se voient renforcés dans leur compétence en matière de protection des espèces, alors qu'auparavant, ils devaient passer par les autorités fédérales. Il y a donc la crainte que certains cantons se montrent trop radicaux et réduisent drastiquement certaines populations d'animaux vus comme nuisibles. Le référendum est soutenu par la Société forestière suisse, la protection suisse des animaux, le PS, les Verts ainsi que les Verts-libéraux. Les référendaires ont jusqu'au 16 janvier 2020 pour récolter les 50'000 signatures.

Modifications de la loi sur la chasse (MCF 17.052)
Dossier: Änderung des Bundesgesetzes über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel

Dafür, dass bei europapolitischen Vorlagen im Durchschnitt rund 51 Prozent der Stimmberechtigten an der Abstimmung teilnehmen, war die Beteiligung bei der Abstimmung über die Übernahme der geänderten EU-Waffenrichtlinie vom 19. Mai 2019 mit 43.9 Prozent ausserordentlich tief. Dieser Befund, der aus der im Juli 2019 veröffentlichten VOTO-Studie hervorging, ging Hand in Hand mit der für eine Europa-Abstimmung ungewöhnlich geringen Bedeutung, die die Befragten der Abstimmungsvorlage zumassen. Überdies auffallend für eine Europa-relevante Frage war, dass die SVP, die als einzige grosse Partei das Nein-Lager repräsentierte, nur 35 Prozent ihrer Wählerschaft mobilisieren konnte, während bei den anderen grösseren Parteien immerhin zwischen 42 (Grüne) und 60 Prozent (CVP) der Sympathisantinnen und Sympathisanten an der Abstimmung teilnahmen.
Wenig überraschend stimmten Schusswaffenbesitzerinnen und -besitzer der Vorlage seltener zu als Personen, die keine Schusswaffe besitzen, wobei der Schusswaffenbesitz aber nicht mit einer sicheren Ablehnung der Vorlage einherging. Ausserdem schien die Frage den klassischen Links-Rechts-Konflikt zu bedienen: Je weiter links sich eine Person selbst einstufte, desto eher stimmte sie Ja; je weiter rechts, desto eher Nein. Dies spiegelte sich auch teilweise in den Parteisympathien: Während Anhängerinnen und Anhänger der Grünen, der SP und der GLP zu rund 90 Prozent der Vorlage zustimmten, hiessen sie bei der CVP-Anhängerschaft noch rund 70 Prozent und bei jener der FDP rund 60 Prozent gut. SVP-Sympathisantinnen und -Sympathisanten verwarfen den Entwurf hingegen zu 75 Prozent. Dass sich bei einer europapolitischen Fragestellung ein Viertel der Anhängerschaft der Volkspartei gegen die Parteilinie stellte, ist wiederum bemerkenswert.
Eher unerwartet gaben fast zwei Drittel der befragten Stimmenden an, sie hätten es für eher oder sehr unwahrscheinlich gehalten, dass die Schweiz bei einer Ablehnung der Waffenrichtlinie wirklich aus Schengen/Dublin ausgeschlossen worden wäre. Dies war im Abstimmungskampf das Hauptargument der Befürworterseite gewesen und stellte sich nun als nicht wirklich überzeugend heraus. Die Autoren der Studie vermuteten, dass die Vorlage trotzdem angenommen wurde, weil hier viele Stimmende im Sinne einer Risikovermeidungsstrategie lieber Ja stimmten, als einen, auch unwahrscheinlichen, Ausschluss in Kauf zu nehmen. So war die Nicht-Gefährdung von Schengen/Dublin denn auch für eine grosse Gruppe der Ja-Stimmenden das Hauptmotiv für ihren Stimmentscheid gewesen. Eine weitere grosse Gruppe der Ja-Stimmenden gab als Hauptmotiv den verbesserten Schutz vor Waffengewalt an, wobei für Frauen dieser Aspekt wichtiger war als für Männer. Das von den Nein-Stimmenden am häufigsten genannte Motiv war, dass die Schweiz sich nicht dem Druck der EU beugen solle; der Slogan der Gegnerseite «Nein zum Entwaffnungsdiktat der EU» schien somit ins Schwarze getroffen zu haben. Das am zweitmeisten genannte Nein-Motiv war die Sorge um die Schweizer Schiesssporttradition, wobei Schusswaffenbesitzerinnen und -besitzer dieses häufiger nannten als andere Personen. Die Analyse der Argumente zeigte zudem, dass der Graben zwischen dem Ja- und dem Nein-Lager primär entlang der Konfliktlinie Pro-EU und Kontra-EU verlief, während die Waffenrechtsverschärfung selber eine untergeordnete Rolle spielte. Zur komfortablen Mehrheit verhalfen der Vorlage somit jene, so die Schlussfolgerung der Studie, «die eine Verschärfung für nicht (dringend) notwendig hielten, aber die Schengen- und Dublin-Abkommen nicht aufs Spiel setzen wollten».

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Übernahme der Richtlinie 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Dossier: Das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz)

Nach einem langen und emotionalen Abstimmungskampf nahm die Schweizer Stimmbevölkerung am 19. Mai 2019 die Übernahme der geänderten EU-Waffenrichtlinie mit 63.7 Prozent Ja-Stimmen deutlich an. Die Stimmbeteiligung lag bei 43.9 Prozent. Ausser im Tessin (45.5% Ja) überwog die Zustimmung in allen Kantonen. Am höchsten fiel sie in Basel-Stadt mit 75 Prozent Ja-Stimmen aus, gefolgt von den drei Westschweizer Kantonen Genf, Neuenburg und Waadt sowie dem Kanton Zürich mit jeweils über 70 Prozent. Gesamtschweizerisch zeigte sich ein klarer Stadt-Land- oder Zentrum-Peripherie-Graben, wobei die Zustimmung in den städtischen Zentren am höchsten und – nebst dem Tessin – in den ländlichen Regionen wie dem Berner Oberland, der Innerschweiz und den Bündner Südtälern am niedrigsten ausfiel.
Vertreterinnen und Vertreter der Befürworterseite werteten das Ergebnis in der Presse als positives Signal für die Beziehungen der Schweiz zur EU und blickten zuversichtlich in Richtung der anstehenden europapolitischen Entscheidungen über die Begrenzungsinitiative sowie über das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU. Demgegenüber sah das unterlegene Nein-Lager im Resultat kein Ja zu Europa, sondern schöpfte daraus neuen Elan für den Kampf gegen die Personenfreizügigkeit und das Rahmenabkommen. «Solche angstgetriebenen Abstimmungsergebnisse wären künftig die Regel, falls der Bundesrat das Rahmenabkommen mit der EU unterschreibt», zitierte beispielsweise die Aargauer Zeitung eine Mitteilung der SVP. Die Gesellschaft für ein freiheitliches Waffenrecht ProTell, die an vorderster Front gegen die Änderungen im Waffenrecht gekämpft hatte, liess derweil verlauten, man werde die Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie nun sehr genau überwachen und den Bundesrat an seinen Versprechungen messen, die er im Abstimmungskampf gemacht habe.
Der Ausgang der Abstimmung wurde sowohl von der Befürworter- als auch von der Gegnerseite zu einem grossen Teil der neuen Justizministerin Karin Keller-Sutter zugeschrieben. Sie habe mit ihrer Glaubwürdigkeit als ehemalige Polizeidirektorin eines Grenzkantons die Unentschlossenen überzeugt, lobte sie etwa der Waadtländer FDP-Nationalrat Laurent Wehrli in der «Tribune de Genève». Auch der Walliser SVP-Nationalrat und Interimspräsident von ProTell Jean-Luc Addor bezeichnete die Übernahme des EJPD durch Karin Keller-Sutter gegenüber der gleichen Zeitung als «Schlüsselmoment» in der Kampagne, weil die St. Gallerin – im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin und «historischen Waffengegnerin» Simonetta Sommaruga – im Dossier als glaubwürdig wahrgenommen worden sei. Die neue Bundesrätin bestand ihre Feuertaufe vor dem Stimmvolk offensichtlich mit Bravour.


Abstimmung vom 19. Mai 2019

Beteiligung: 43.9%
Ja: 1'501'880 (63.7%)
Nein: 854'274 (36.3%)

Parolen:
– Ja: BDP, CVP, EVP, FDP (Jungfreisinnige: 3*), GLP, GP, KVP, SP; KdK, Economiesuisse, SAV, SGV, SGB, Travail.Suisse, Gastrosuisse, Hotelleriesuisse, SBLV
– Nein: EDU, FP, SD, SVP; IGS, SOG, Schweizerischer Unteroffiziersverband, Jagd Schweiz, ProTell, SBV
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Übernahme der Richtlinie 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Dossier: Das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz)

Das 100-jährige Jubiläum des Landesstreiks 1918 im Herbst 2018 löste – überwiegend in der Deutschschweiz – mehrere Debatten und damit verbunden über das ganze Jahr verteilt ein grosses mediales Echo aus. Das SRF etwa widmete dem Jubiläum die eigens dafür produzierte Doku-Fiktion «Generalstreik 1918 – Die Schweiz am Rande eines Bürgerkrieges». Im November analysierte die NZZ die Geschehnisse anhand der Haltungen und Handlungen des Bundesrats und der Armeeführung und die WOZ führte Gespräche mit den Gewerkschaftsleitenden Natascha Wey und Florian Keller sowie dem Historiker Stefan Keller. Die Aargauer Zeitung sowie die Weltwoche veröffentlichten bereits im Januar ein Porträt des damaligen Streikführers und Nationalrats Robert Grimm. Während in der Aargauer Zeitung Grimm vom Autor Pirmin Meier als einer der «bedeutendsten und besonnensten Sozialdemokraten» umschrieben wurde, der einen Platz in der «Geschichte der schweizerischen Freiheit» verdient habe, sah Christoph Blocher, dessen Neujahrsrede in der Weltwoche abgedruckt worden war, Grimm als «Bürgerkrieger» und «Revoluzzer», welcher mit dem Landesstreik die bürgerliche Schweiz auf ihre «schwerste Bewährungsprobe ihrer neueren Geschichte» gestellt habe – allerdings dann in seinen 44 Jahren Nationalrat doch noch zur Vernunft gekommen sei.
Gleich zu Jahresbeginn wurde damit eine Debatte darüber losgetreten, wie man den Landesstreik deuten und seinen Protagonisten gedenken solle, denn sowohl linke als auch rechte Parteien versuchten, das Jubiläum zu ihren Gunsten zu nutzen. Der Sonntagsblick meinte hierzu, die Linke suche nach Wegen, den Streik als «Grundstein des modernen Sozialstaats zu mystifizieren» und nun wolle auch die Rechte dem Streik «ihren Stempel aufdrücken». Christoph Blocher, so der Sonntagsblick weiter, plane zum Jubiläum im Herbst einen «Grossanlass mit Soldaten in Weltkriegsuniformen», um den Soldaten und dem «standhaften Bürgertum» zu gedenken. Dadurch, so Geschichtsprofessor Christian Koller im Sonntagsblick, beziehe die SVP eine klare Gegenposition zur Linken. Doch auch die «linke Mythenbildung» sei kritisch zu betrachten, erklärte Koller weiter, denn Forderungen wie das Frauenstimmrecht, die AHV aber auch das Proporzwahlrecht oder die 48-Stunden-Woche – letztere zwei wurden in den Folgejahren nach dem Streik vom Bundesrat umgesetzt – hätten bereits vor dem Streik bestanden.
Im November 2018, 100 Jahre nach Beendigung des Streiks, griff schliesslich Christoph Blocher in Uster (ZH) das Thema erneut auf, wenn auch weniger pompös als im Frühjahr angekündigt. Er störe sich daran, gab der Tagesanzeiger die Rede Blochers wieder, dass die heutigen Historiker «Geschichtsklitterung» betrieben, um mit einem «linken Jubiläumsjahr» den wahren Zweck des Landesstreiks zu verhüllen, nämlich die Errichtung «eine[r] Diktatur des Proletariats nach russischem Vorbild». Im Tagesanzeiger kommentierte Ruedi Baumann, Blocher danke in seiner Rede denn auch nicht den Arbeitenden, sondern den «Soldaten und repressiven Behörden», welche den Streik bekämpft hatten. Als Reaktion auf den angekündigten Anlass in Uster habe im Vorfeld ein anonymes Komitee über Facebook zu einer Demonstration mit dem Slogan «Blocher hau ab» aufgerufen, wie der Tagesanzeiger weiter festhält. Das Komitee wehre sich gegen die «rechte Hetze» und wolle Blocher nicht einfach so die «Geschichte» überlassen.
Ein regelrechter Schlagabtausch zum Landesstreik fand ferner im März 2018 in einer Kommentarserie der Basler Zeitung statt. Helmut Hubacher, der mit Robert Grimm im Nationalrat gesessen hatte, lobte hier das Frauenstimmrecht, die AHV und die 48-Stunden-Woche sowie das Proporzwahlrecht als direkte oder indirekte Errungenschaften des Streiks und der SP, da diese Forderungen im Streikkatalog aufgeführt waren. Wenige Tage später widerspach Chefredaktor Markus Somm Hubachers Aussagen. Somm sah im Streik vielmehr die «grösste Niederlage und grössten Irrtum» in der Geschichte der SP, da durch den Streik die Angst vor einem bolschewistischen Umsturz geschürt worden sei und die Bürgerlichen fortan Ideen der SP «dämonisieren und damit erledigen» haben können. Wiederum eine Woche später antwortete der Militärhistoriker Hans Rudolf Fuhrer auf Somm und Hubacher. Er hob hervor, dass nachträglich vieles oft vermeintlich einfacher zu beurteilen sei. So könne eben auch heute nicht abschliessend beurteilt werden, was der Streik bewirkt habe, wie viel etwa die durch den Ersten Weltkrieg verursachte Armut und der danach folgende Hunger zum Unmut beigetragen hätten und als wie entscheidend letztlich die bolschewistische Ideologie als Triebfeder des Streiks zu deuten sei. Richtig sei sicherlich, dass bis heute «schweizerische Ereignisse» in einem internationalen Kontext beurteilt werden müssten.
International wurde das Thema denn auch in der Museumslandschaft aufgegriffen: Insgesamt nahmen über 30 Museen in der Schweiz, Frankreich und Deutschland an der Ausstellungsreihe «Zeitenwende 1918/19» teil, welche auf diese Weise die turbulente Zeit anhand verschiedener Aspekte thematisierten. Die Ausstellung über den Landesstreik im Zeughaus Schaffhausen wurde von Bundesrat Schneider-Amman eröffnet.

100 Jahre Landesstreik 1918

Selbst Wochen nach der Verabschiedung der Botschaft zur Umsetzung der geänderten EU-Waffenrichtlinie durch den Bundesrat Anfang März 2018 ebbte die gesellschaftliche Debatte über die geplante Verschärfung des Schweizer Waffenrechts nicht ab. Mitte März schloss sich der schweizerische Büchsenmacher- und Waffenfachhändlerverband (SBV) medienwirksam der Front um den schweizerischen Schiesssportverband (SSV) an und liess durch seinen Präsidenten Daniel Wyss abermals verkünden, man werde das Referendum ergreifen, sollte die Gesetzesänderung wie vom Bundesrat vorgeschlagen vom Parlament gutgeheissen werden. Für den SBV habe die neue Regelung «eine riesige, existenzgefährdende Auswirkung», da sich der Aufwand für die Waffengeschäfte durch die auf sämtliche Transaktionen ausgedehnte Meldepflicht sowie die Markierungspflicht aller wesentlichen Waffenbestandteile schätzungsweise um eine Stunde pro Tag erhöhe; «und wir bekämpfen damit keinen einzigen Verbrecher», empörte sich Wyss gegenüber der Aargauer Zeitung. Der Schaden durch die Gesetzesänderung wäre so massiv, dass der SBV diesen höher gewichte als die Abkommen von Schengen und Dublin. Am besten wäre es jedoch, wenn das Parlament die Vorlage so abänderte, dass kein Referendum nötig wäre.

Gut zwei Wochen später drängten die Befürworter der Vorlage ins Rampenlicht, indem die SP zusammen mit dem Verband Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB), der Verbindung der psychiatrisch-psychotherapeutisch tätigen Ärztinnen und Ärzte und den Evangelischen Frauen Schweiz vor den Medien die «Plattform für ein zukunftsfähiges Waffenrecht» präsentierte. Als gemeinsames Ziel nannten sie ein striktes Waffenrecht für eine sichere Schweiz; das schweizerische Waffenrecht solle dazu enger an die Vorgaben der EU-Richtlinie angepasst werden als dies der Bundesrat vorsah. Die SP hatte 14 Änderungsanträge vorbereitet, um den Entwurf des Bundesrates zu verschärfen, u.a. betreffend die Nachregistrierung und die Aufbewahrung von Waffen, die Marktpreise für Armeewaffen sowie die Möglichkeit für Kantone, ein psychologisches Gutachten zu verlangen, wenn die Gefahr von Selbst- oder Fremdgefährdung mit der Waffe besteht. Während sich die Ärztinnen und Ärzte in erster Linie zur Verhinderung von häuslicher Gewalt und Suiziden für eine Verschärfung des Waffenrechts einsetzten, war das Hauptanliegen der Polizeibeamten ein lückenloses, schweizweites Waffenregister, um vor einem Polizeieinsatz wissen zu können, ob mit Waffen zu rechnen ist. Die kantonalen Waffenregister seien unvollständig, da eine Registrierungspflicht erst seit 2008 bestehe, argumentierte VSPB-Generalsekretär Max Hofmann in der NZZ. Er wünschte sich deshalb die Nachregistrierung sämtlicher Waffen, nicht nur der halbautomatischen. Ausserdem betonte er im «Blick» die Unverzichtbarkeit des Schengener Informationssystems für die Polizeiarbeit.
Damit stellte sich der VSPB offen gegen der Polizei im Grunde wohlgesinnte Kreise wie die Schützen. Die Polizeibeamten liessen sich von der SP instrumentalisieren, kritisierten SVP-Nationalrat Werner Salzmann (svp, BE) und ProTell-Generalsekretär Robin Udry denn auch postwendend. Für Letzteren wäre die Nachregistrierung aller Schusswaffen gemäss NZZ «der Orwellsche Albtraum eines Überwachungsstaats». Hofmann entgegnete darauf, es gehe nicht um Ideologie, sondern um die Sache und der VSPB unterstütze auch nicht alle Visionen seiner Allianzpartner. Wenige Tage nach seinem Auftritt an der Medienkonferenz der «Plattform für ein zukunftsfähiges Waffenrecht» erntete Hofmann jedoch auch aus den eigenen Reihen Kritik. Erwin Rommel, Mitglied des Zentralvorstandes des VSPB, äusserte sich in der BaZ dahingehend, dass er vom Vorgehen der Geschäftsleitung nichts gewusst habe. Ein solcher Auftritt stehe Hofmann nicht an, da der Verband laut Statuten politisch neutral bleiben müsse. Ausserdem seien die Verbandsmitglieder nicht über ihre Meinung zur Waffenrechtsverschärfung befragt worden. Der interne Knatsch bei den Polizisten fand wohl ihren Höhepunkt, als sich die KKPKS vor der SiK-NR dezidiert gegen die Vorlage des Bundesrats aussprach. Die Gesetzesänderung bringe «viel Bürokratie bei wenig Nutzen», monierte sie in der Anhörung. Ob sie jedoch den zusätzlichen Aufwand in Kauf nähme, um das Schengen-Abkommen zu schützen, sei gemäss der NZZ unklar geblieben. Die SiK entschied in der Folge, zusätzlich auch noch die Polizeibeamten und die KKJPD zu einer schriftlichen Stellungnahme einzuladen. Derweil sah sich der VSPB zu einer Rechtfertigung gezwungen und stellte in einer Mitteilung klar, man fordere entgegen der Darstellung in den Medien keine striktere Umsetzung als die vom Bundesrat angedachte und unterstütze die weitergehenden Forderungen seitens der SP nicht.

Inzwischen herrschte aber auch aufseiten der Waffenlobby nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen: «Immer mehr bürgerliche Waffenfreunde gehen auf Distanz zur neuen Führungscrew um den interimistischen ProTell-Präsidenten Jean-Luc Addor, die radikale Tendenzen zeigt», schrieb die Aargauer Zeitung Mitte April. Presseberichten zufolge sei selbst Ständerat Josef Dittli (fdp, UR), seines Zeichens – notabene neben Addor – Co-Präsident der «Parlamentarischen Gruppe für ein freiheitliches Waffenrecht», der radikale Kurs der ProTell-Führung nicht geheuer. Er unterstütze die Forderung von Addor und «gleichgesinnten Protagonisten» nach öffentlichem Waffentragen nicht. «Die Schweiz ist nicht der Wilde Westen!», zitierte ihn beispielsweise die Luzerner Zeitung. Auch SVP-Nationalrat und Wortführer der Waffenfreunde, Werner Salzmann, stecke diesbezüglich «im Dilemma», berichtete dieselbe Zeitung. Zu Wort meldete sich ebenfalls Alt-Nationalrat Willy Pfund (fdp, SO), seinerzeit Präsident von ProTell, der dieses Amt 2016 jedoch «im Zorn über den Kurs des Addor-Lagers» (Aargauer Zeitung) niedergelegt hatte. Er bezeichnete den Wunsch nach Waffentragen in der Öffentlichkeit als «unsinnige und gefährliche Forderung»: Die Öffentlichkeit reagiere heute sensibler auf solche Fragen als noch vor einigen Jahren, weshalb man damit letztlich das liberale Schweizer Waffenrecht gefährde. Die Aargauer Nationalrätin Silvia Flückiger-Bäni (svp, AG) war gar so erbost über die ProTell-Führung um Addor, dass sie nach 14-jähriger Mitgliedschaft kurzerhand den Austritt aus der Organisation gab. Einig waren sich die waffenfreundlichen Bürgerlichen und ProTell einzig darin, dass die EU-Waffenrichtlinie bekämpft werden müsse. Dies kam denn auch an der Generalversammlung von ProTell am 14. April zum Ausdruck: Nachdem die SiK-NR wenige Tage zuvor auf die Vorlage des Bundesrates zur Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie eingetreten war, beschlossen die ProTell-Mitglieder vorsorglich einstimmig das Referendum. Zur Bekämpfung der Gesetzesvorlage werde man nächstens eine «sehr starke und einflussreiche» nationale Allianz gründen, gab ProTell-Generalsekretär Robin Udry in der Sonntagszeitung zu Protokoll.

Die SiK-NR schrieb in ihrer Medienmitteilung, sie sei mit 15 zu 9 Stimmen auf die Vorlage eingetreten, um einerseits das Schengen-Assoziierungsabkommen nicht zu gefährden und andererseits mit einer möglichst pragmatischen Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie die Traditionen des schweizerischen Schiesswesens wahren zu können. Das Volk solle überdies die Möglichkeit haben, sich im Rahmen eines fakultativen Referendums zur Frage zu äussern. Die Minderheit habe indes keinen Revisionsbedarf im schweizerischen Waffenrecht geortet, keinen Nutzen für die Terrorbekämpfung gesehen und den hohen administrativen Umsetzungsaufwand gefürchtet. Einen Rückweisungs- und eine Sistierungsantrag hatte die Kommission abgelehnt. Neben der schon erwähnten KKPKS hatte die Kommission auch den SBV, ProTell, den SSV, die schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) und die Organisation «Stop Suicide» angehört, was die NZZ zur Bemerkung veranlasste, bei den Anhörungen seien fast nur Gegner der Vorlage zu Wort gekommen.

Während sich der SBV, ProTell, der SSV und die AUNS – sowie auch die GSoA als explizite Befürworterin der Waffenrechtsverschärfung – schon auf den «wohl unausweichlichen Referendumskampf» (BaZ) vorbereiteten, zeigte sich die SOG in dieser Sache wenig enthusiastisch. Ihr Präsident Stefan Holenstein geizte gegenüber der BaZ zwar nicht mit Kritik an der Vorlage und an deren Befürwortern, erachtete das Referendum jedoch nicht als zwingend. So attestierte er der CVP und der FDP eine «übertriebene Angst vor einer Kündigung des Schengen/Dublin-Abkommens» und stellte sich auf den Standpunkt, es gebe bei der Umsetzung der EU-Richtlinie durchaus noch ungenutzten Spielraum. Die Pflicht, entweder Mitglied in einem Schiessverein zu sein oder die Waffe regelmässig für das sportliche Schiessen zu nutzen, bezeichnete er als «unverhältnismässig und eine Bevormundung». Die Vorlage bekämpfe so nicht den gefährlichen Handel mit illegalen Waffen, sondern treffe legale Waffenbesitzer und indirekt, über das ausserdienstliche Schiesswesen, auch die Armee. Es sei indes möglich, das Gesetz freiheitlich auszugestalten und dem «eigenständigen Staats- und Milizwesen» der Schweiz anzupassen. An das Parlament richtete er deshalb die Forderung, auf «vorauseilenden Gehorsam gegenüber der EU» zu verzichten. Es bestehe kein Anlass, «panikartig von Schengen-Rauswurf» zu reden, sei das Abkommen doch in gegenseitigem Interesse. In dieser Hinsicht sei die von Bundesrat und Verwaltung proklamierte «Entweder-Oder-Strategie» nicht richtig. Für die SOG stehe das Referendum daher nicht im Vordergrund, sondern komme nur als Ultima Ratio in Frage.

Frischen Wind in die Debatte brachte Mitte Mai schliesslich das Bekanntwerden des genaueren Inhalts der tschechischen Klage beim EuGH betreffend die EU-Waffenrichtlinie. Die Tschechische Republik zweifelte eben nicht nur wie bisher angenommen an deren Rechtmässigkeit, sondern machte mit Hinblick auf die Schweizer Sonderregelung für Armeewaffen auch eine Verletzung des Diskriminierungsverbots geltend. Sollte der EuGH der Klägerin in diesem Punkt Recht geben, bedeutete dies wohl das Aus für die von der Schweiz ausgehandelte Ausnahmeklausel. Aufgrund der so veränderten Ausgangslage wollte die SVP die Sistierung der Vorlage in der Kommission noch einmal zum Thema machen. Die Presse berichtete zudem, das Fedpol verfolge das Verfahren mit, für eine Stellungnahme sei es jedoch noch zu früh.

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Übernahme der Richtlinie 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Dossier: Das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz)

Die geplanten Teilrevisionen diverser Verordnungen im Kernenergiebereich sorgten in der Vernehmlassung für viel Aufruhr. Geplant waren einerseits Änderungen in den Kriterien zur Störfallanalyse und der dazugehörigen Ausserbetriebnahme und andererseits neue Regelungen zur Abklinglagerung von radioaktiven Abfällen. Für viel Zündstoff sorgte hierbei vor allem die erste Änderung – auch bekannt unter dem Namen «Lex Beznau».

Die Betreiberfirmen von Kernkraftwerken sind verpflichtet, deterministische Störfallanalysen durchzuführen. Störfälle werden dabei in drei Kategorien unterteilt: Schwerwiegende naturbedingte Fälle, die jedoch nur sehr selten eintreten, erhalten die Ziffer drei. Mit der Ziffer zwei versehen werden schwerwiegende naturbedingte Störfälle, die etwas häufiger vorkommen als jene in Kategorie drei. Leichtere und häufige naturbedingte Störfälle bekommen die Ziffer eins. Zudem erhalten die jeweiligen Störfälle maximale Dosisgrenzwerte – also Richtlinien, wie viel Radioaktivität bei einem Störfall maximal austreten dürfte – zugeteilt.
Unklar formuliert war bisher jedoch die Kategorisierung der in der Natur auftretenden Ereignisse, die durchschnittlich einmal alle 10'000 Jahre stattfinden. Gemäss Zeitungsberichten beziehe sich dies vor allem auf schwerere Erdbeben. Diese seltenen Erdbeben bildeten in Art. 123 Abs. 2 der Strahlenschutzverordnung (StSV) den Übergang zwischen der Kategorie zwei, für die ein strenger Dosisgrenzwert von 1 mSv (Millisievert) pro Jahr gilt, und der Kategorie drei, für die ein viel höherer Grenzwert von 100 mSv pro Jahr gilt. Unklar war deshalb, zu welcher Kategorie und zu welchem Grenzwert die oben beschriebenen seltenen Erdbeben gehören. Dass hier eine rechtliche Unsicherheit bestand, erkannte die KNS bereits im Jahr 2012 und beantragte Klärungsbedarf. Mit einer Konkretisierung, dass für solche Ereignisse die einfacher einzuhaltende Kategorie drei gelten sollte, wollte der Bundesrat die bisherige Praxis in den Verordnungen verankern.
Anwohner rund um die Kernkraftwerke Beznau I und II sowie drei Umweltorganisationen hatten aber schon im Jahr 2015 beim ENSI ein Gesuch eingereicht mit dem Ziel, solche Ereignisse der Kategorie zwei und somit dem strengeren Dosisgrenzwert 1 mSv pro Jahr zuzuordnen. Bei einer solchen Zuordnung müssten beide Anlagen in Beznau bis zu einer allfälligen Nachrüstung vom Netz genommen werden, da sie diesen Grenzwert nicht einhalten könnten. Mittels einer Verfügung hatte das ENSI dieses Begehren jedoch abgelehnt und den Entscheid damit begründet, dass dies weder der bisherigen Praxis noch der ursprünglichen Regelungsabsicht des Bundesrates entspreche und womöglich sämtliche AKWs der Schweiz unmittelbar bei der Zuteilung zur Kategorie zwei vom Netz genommen werden müssten. Diese Verfügung war danach beim Bundesverwaltungsgericht angefochten worden. Zu erwarten ist auch ein allfälliger Weiterzug des noch ausstehenden Bundesverwaltungsgerichtsentscheids an das Bundesgericht.

In der Vernehmlassung, die bis Mitte April 2018 andauerte, meldeten sich sowohl Regierungen diverser Schweizer Kantone und Städte, als auch diverse Organisationen, Kommissionen, Parteien und Dachverbände aus der Schweiz und Deutschland, sowie viele Einzelpersonen aus der Schweiz, Deutschland und Frankreich zu Wort. So liess beispielsweise der Regierungsrat des Kantons Aargau – also dem Kanton, wo sich die Anlagen Beznau I und II sowie Leibstadt befinden – verlauten, dass er die Präzisierungen in den Verordnungen als sinnvoll erachte. Ähnlich klang es in den Stellungnahmen der Kantone Basel-Land, Freiburg und Graubünden. In den Kantonen Luzern, Appenzell-Ausserrhoden und Zürich erachtete man die Präzisierungen als sinnvoll, äusserte aber Bedenken an der Herabsetzung der Schutzbestimmungen und betonte deshalb die Wichtigkeit des Postulats Müller (fdp, LU, Po. 18.3175). Klar oder mehrheitlich klar gegen die genannte Konkretisierung/Herabsetzung der Sicherheitsanforderungen von 1 mSv auf 100 mSv äusserten sich die Regierungen der Kantone Appenzell-Innerrhoden, Basel-Stadt, Genf, Jura, Neuenburg, Schaffhausen, Schwyz, Tessin, Uri, Waadt und Wallis – sowie Bern und Solothurn, die Standortkantone der anderen beiden Atomkraftwerke.
Nebst den Kantonsregierungen liessen auch diverse Parteien von sich hören. Aussergewöhnlich war hierbei der einstimmige Tenor unter diversen Parteien von links bis rechts betreffend die zeitliche Komponente. Sowohl die SP, die Grünen und die GLP als auch die FDP und die SVP störten sich am Zeitpunkt der Vernehmlassung. Die SP und die GLP forderten eine Sistierung des Vorhabens bis zum Gerichtsentscheid aus St. Gallen. Auch die Grünen kritisierten, dass der Bundesrat das gerichtliche Verfahren nicht abwarte, verlangten aber darüber hinaus einen generellen Verzicht auf die Revision. Die FDP erklärte, die Beschwerde sei kein Grund, um die Vernehmlassung zu verzögern, jedoch sei die Dringlichkeit dieser Verordnungsanpassung zu wenig ersichtlich. Die SVP schrieb in einer kurzen Stellungnahme, dass wohl erst durch das Gerichtsverfahren Anpassungen in Angriff genommen worden seien. Die KNS habe ja schon im Jahr 2012 bemerkt, dass ein gewisser Klärungsbedarf bestehe. Eine Ausnahme im Tenor bildete die BDP. In ihrer offiziellen Stellungnahme erwähnte sie die mögliche Problematik betreffend den Rechtsstreit nicht. Sowohl die SP als auch die Grünen äusserten sich generell ablehnend zu den Verordnungsänderungen, was sie auch deutlich kundtaten. «Wir lehnen die vorgelegten Verordnungsänderungen mit Nachdruck ab und kritisieren die vorgeschlagenen inhaltlichen Anpassungen sowie das gewählte Vorgehen scharf», schrieb etwa die SP. Die Grünen gingen einen Schritt weiter und beschuldigten den Bundesrat, mit dieser Lex Beznau die Grundlagen schaffen zu wollen, um die alten Anlagen in Beznau weiter in Betrieb halten zu können. Die FDP und die SVP zeigten sich mit den Änderungen grundsätzlich einverstanden. Gemäss FDP würden die Anpassungen selber keine Abstriche bei der Sicherheit mit sich bringen sondern nur die heutige Praxis auf Verordnungsebene präzisieren. Nicht offiziell zur Vorlage äusserte sich die CVP, was Martin Bäumle (glp, ZH) in einer Anspielung im Tages-Anzeiger als Unterstützung für ihre Energieministerin Doris Leuthard wertete.
Eine weitere brisante kritische Stellungnahme kam schliesslich von André Herrmann, dem ehemaligen Präsidenten der Eidgenössischen Kommission für Strahlenschutz (KSR). Er warf dem Bundesrat vor, das Vorsorgeprinzip zu verletzen: Die Kommission empfehle, solchen Ereignissen einen Grenzwert von 20 bis 50 mSv zuzuordnen und nicht 100 mSv, wie dies der Bundesrat vorsah.

Revidierte Kernenergieverordnung / Lex Beznau
Dossier: Tätigkeitsberichte der Eidgenössischen Kommission für nukleare Sicherheit KNS
Dossier: Widerstand Wiederinbetriebnahme Beznau 2018 - Änderungen Kernenergiebereich - Lex Beznau

Der Entscheid des Ensi, dem AKW Beznau 1 die Wiederbetriebsaufnahme zu erlauben, stiess in diversen Kreisen auf Widerstand und löste grosses Interesse in den Medien aus. Die Grünen drohten mit der Lancierung einer Volksinitiative mit dem Ziel, Beznau 1 innert einem Jahr nach Annahme stillzulegen. Um bei einer Zwangsabschaltung mögliche Schadenersatzforderungen seitens der Betreiberin Axpo auszuschliessen, würde der Initiativtext so formuliert werden, dass nur geringe bis keine Geldforderungen geltend gemacht werden könnten. Mangels Absprache unter den beteiligten AKW-Gegnern sah die Grüne Partei später vorerst von diesem Vorhaben ab. Anstelle der Volksinitiative reichte die Grüne-Fraktion eine Motion (18.3101) ein mit dem Ziel, beiden Blöcken von Beznau die Betriebsbewilligung zu entziehen. Zuvor hatte sie auch schon mit einer bereits eingereichten Motion (18.3010) «Keine Lex Beznau» versucht, einen vorläufigen Verzicht auf die geplanten Verordnungsänderungen im Kernenergiebereich und auf eine Abschwächung der zulässigen Strahlenschutzbestimmungen zu erreichen.
Kritik zu diesen geplanten Verordnungsänderungen kam auch seitens der SP. Diese reichte, nebst dem Startschuss zur Unterschriftensammlung für eine Petition «gegen die Aufweichung der AKW-Sicherheit», beim UVEK eine Aufsichtsbeschwerde mit dem Vermerk «Skandal» ein. Konkret richtete sich diese Beschwerde, wie auch schon die Motion Kälin «Keine Lex Beznau», gegen das Vorhaben des Bundesrates, die Anforderungen an die maximale Strahlenbelastung im Falle eines Erdbebens von einem Millisievert auf 100 Millisievert abzuschwächen. Dies sei skandalös, da betreffend diesen Wert derzeit beim Bundesverwaltungsgericht ein Beschwerdeverfahren gegen das Ensi vorliege und dem AKW Beznau die Betriebsbewilligung im Falle eines Grenzwertes von 1 Millisievert entzogen werden müsste. In der Beschwerde forderte die SP deshalb, dass der Axpo die Betriebsbewilligung für Beznau 1 und 2 entzogen wird sowie dass die geplanten Änderungen in den Verordnungen bis zum Ende des Rechtsstreits aufgeschoben werden.
Für Stirnrunzeln sorgte das Vorhaben des Bundesrates auch im bürgerlichen Lager. So forderte Ständerat Damian Müller (fdp, LU) in einem eingereichten Postulat (18.3175) einen Prüfbericht im Bereich Strahlenschutz. Er sei zwar grundsätzlich nicht gegen den Betrieb der bestehenden AKW, solange sie sicher seien, gerade Letzteres bezweifle er angesichts der aussergewöhnlichen Änderung der Spielregeln während eines Rechtsverfahrens jedoch.
Des Weiteren meldeten sich auch aus dem Nachbarland Deutschland kritische Stimmen aus verschiedenen Parteien, unter anderem von den Grünen, der SPD und der CDU, zur erneuten Inbetriebnahme. Auch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Bundeslandes Baden-Württemberg kritisierte die geplanten Anpassungen der Strahlenschutzbestimmungen in einem Brief an die Schweizer Regierung.
Zuletzt äusserten auch die Kantone Zürich, Basel-Stadt, Waadt, Freiburg, Tessin, Appenzell-Innerrhoden, Schwyz sowie Bern ihre Bedenken. Die Schwyzer Regierung schrieb beispielsweise, man dürfe die Sicherheitsanforderungen nicht abschwächen, und der Berner Regierungsrat bezeichnete die Senkung des Sicherheitsniveaus als «nicht hinnehmbar».

Beznau darf wieder ans Netz
Dossier: Widerstand Wiederinbetriebnahme Beznau 2018 - Änderungen Kernenergiebereich - Lex Beznau

Anfang Februar 2018 veröffentlichte das Fedpol den Ergebnisbericht der Vernehmlassung zur Übernahme der geänderten EU-Waffenrichtlinie. Nebst den zahlenmässig sehr gut vertretenen Schützen- und Waffenkreisen – darunter der schweizerische Schiesssportverband (SSV), der schweizerische Büchsenmacher- und Waffenfachhändlerverband (SBV), ProTell, Legalwaffen Schweiz (LEWAS) und Jagd Schweiz – befanden sich auch alle Kantone, sieben nationale und drei kantonale Parteien, die KKJPD und die RK MZF, Economiesuisse, der schweizerische Gewerbeverband (SGV), der schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und der schweizerische Städteverband unter den insgesamt 2205 Vernehmlassungsteilnehmenden. Davon sprachen sich der SSV und jene 2055 Stellungnehmenden, die sich dessen Stellungnahme angeschlossen hatten – darunter insbesondere Jagd Schweiz und die Aktion «Finger weg vom Schweizer Waffenrecht!», aber auch eine Vielzahl von Schützenvereinen und Privatpersonen – sowie der SBV, ProTell, LEWAS, die AUNS, die Gruppe Giardino, das Centre Patronal, der SGV, Swiss Olympic und zahlreiche weitere Schützen-, Waffensammler- und militärnahe Organisationen dezidiert gegen die geplante Änderung des Waffengesetzes aus. Einen grundsätzlich ablehnenden Standpunkt vertraten zudem auch die SVP Schweiz, ihre Sektionen Neuenburg, Jura und Valais Romand sowie die Kantone Nidwalden und Schwyz. Neun Kantone gaben zu verstehen, dass sie zwar die Ziele der EU-Waffenrichtlinie unterstützten, die vorgesehenen Änderungen am Waffengesetz aber ablehnten, da sie keinen genügenden Beitrag zur Bekämpfung von Waffenmissbrauch leisteten. Demgegenüber erklärte sich die Mehrheit der Kantone mit den Neuerungen grundsätzlich einverstanden. Insgesamt positiv beurteilt wurde der Entwurf auch von der BDP, der GLP, der FDP, der SP und den Grünen – wobei die letzteren beiden ausdrücklich bedauerten, dass er keine weitergehenden Massnahmen umfasste. Ebenso überwiegend befürwortend äusserten sich u.a. die KKJPD, die RK MZF, Economiesuisse, der Städteverband, die FER, der SGB, die GSoA, Terre des Hommes Schweiz, der schweizerische Friedensrat, die Frauen für den Frieden Schweiz, die Evangelischen Frauen Schweiz, die Haus- und Kinderärzte Schweiz und die schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie. Unter den zustimmenden Stellungnahmen ausdrücklich positiv hervorgehoben wurden das Ziel, den Waffenmissbrauch zu bekämpfen bzw. den Zugang zu halbautomatischen Waffen einzuschränken, sowie die Vorteile der Schengen-Assoziierung für die Schweiz. Ansonsten äusserte sich die Zustimmung zur Vorlage hauptsächlich durch die Abwesenheit von Kritik.

An Letzterer wurde jedoch nicht gespart. Anlass dazu boten neben den einzelnen Bestimmungen des Waffengesetzes und deren konkreter Ausgestaltung vor allem die Stossrichtung der Revision im Allgemeinen. In der Schweiz, wo das Recht auf Waffenbesitz ein Aspekt der Unabhängigkeit und Souveränität des Staates sei, manifestiere sich im liberalen Waffenrecht der gegenseitige Respekt zwischen Staat und Bürgern, weshalb Verschärfungen nicht angebracht seien, argumentierten etwa ProTell, der SSV die RK MZF, die SVP sowie fünf Kantone (AI, AR, GL, SG, OW). Des Weiteren wurden die Entwaffnung der Bürger und schwere (Ruf-)Schäden für das Schweizer Schiesswesen befürchtet. Problematisch am Vorhaben sei ausserdem, dass darin Regelungen vorgesehen seien, die in der jüngeren Vergangenheit vom Volk abgelehnt worden waren. So komme die Registrierungspflicht für rechtmässig erworbene, aber neu verbotene halbautomatische Feuerwaffen einer Nachregistrierung gleich und der für den Erwerb einer solchen Waffe künftig erforderliche Nachweis einer Mitgliedschaft in einem Schiessverein bzw. alternativ des regelmässigen Gebrauchs der Waffe für das sportliche Schiessen erinnere zu stark an eine Bedürfnisklausel. Beide Massnahmen waren 2011 bei der Volksabstimmung über die Initiative gegen Waffengewalt abgelehnt worden – ein Umstand, den ausser Schützen- und Waffenkreisen auch die SVP und vier Kantone (AR, GE, SZ, TI) betonten. Von verschiedenen Seiten wurde zudem die fehlende Verhältnismässigkeit der Vorlage bemängelt. Während Angehörige der Waffenlobby ausführten, dass mit dem Entwurf eher die legalen Waffenbesitzer bestraft als Terroranschläge verhindert würden, äusserten sich zahlreiche Kantone und die CVP dahingehend, dass trotz erheblichen bürokratischen Mehraufwandes kaum ein Sicherheitsgewinn resultiere. Entgegen der Ankündigung des Bundesrates befanden der SSV, der SBV und ProTell den Umsetzungsvorschlag nicht für «pragmatisch» und die CVP sowie die grosse Mehrheit der Kantone bezweifelten, dass der Bundesrat den Handlungsspielraum bei der Umsetzung vollständig ausgeschöpft habe. Schützenkreise wiesen überdies auf eine hängige Klage am EuGH hin, in der die Tschechische Republik die Rechtmässigkeit der neuen EU-Waffenrichtlinie angefochten hatte, weil die Terrorabwehr den Einzelstaaten obliege und gar nicht in die Zuständigkeit der EU falle. Die Schweiz solle diesem Urteil nicht vorgreifen und das Waffenrecht nicht vorschnell anpassen.

Inhaltlich sei der Entwurf hinsichtlich zentraler Begrifflichkeiten – beispielsweise der Definitionen von «Faustfeuerwaffe» und «Handfeuerwaffe» – zu wenig präzise und überlasse zu viele Klärungen dem Verordnungsgeber, was Rechtsunsicherheit mit sich bringe. In diesem Zusammenhang forderten der SSV, der SBV, ProTell, LEWAS, der Städteverband sowie neun Kantone den Bundesrat auf zu definieren, was «Regelmässigkeit des sportlichen Schiessens» bedeute. Die Notwendigkeit einer solchen Präzisierung zeigte sich bereits in den unterschiedlichen Vorstellungen des Begriffs, welche die Vernehmlassungsantworten offenbarten: Hielten der SBV und ProTell einmal in fünf Jahren für eine angemessene Regelmässigkeit, sahen die Kantone Neuenburg, Tessin, Waadt und Wallis eine ausreichende Regelmässigkeit ab einer zweimaligen Nutzung pro Jahr gegeben. Ganz konkrete Kritik betraf darüber hinaus die vorgesehene Unterscheidung von Waffenkategorien anhand der Magazinkapazität. Diese sei kein Indikator für die Gefährlichkeit einer Waffe und die Regelung daher nicht nachvollziehbar; stattdessen wäre eine Unterscheidung anhand des Kalibers, des Munitions-Typs und einer allfälligen Serienfeuer-Möglichkeit zu diesem Zweck dienlicher. Da Magazine zum Teil waffentypübergreifend eingesetzt und separate Magazine bewilligungsfrei erworben werden könnten, sei die Regelung leicht zu umgehen und Missbrauch schwer zu verhindern, stellten mehrere Kantone fest. Die Skepsis der Waffenlobby sowie des Kantons Schwyz weckte zudem die Pflicht für Waffensammler, den Zweck der Sammlung offenzulegen. Der Mensch sei seit jeher ein Sammler, wie es ProTell ausdrückte, und viele Sammlungen dienten keinem besonderen Zweck ausser der Freude am Objekt selbst, weshalb eine solche Bestimmung verfehlt sei. Die Kritik am Entwurf beschränkte sich jedoch nicht darauf, dass er zu viele Einschränkungen vorsehe; an einigen Stellen wurde auch bemängelt, dass die Regelungen zu wenig weit gingen. So schlugen beispielsweise die SP, die GLP und fünf Kantone (NE, TI, VD, VS, GE) vor, es sei auch von Eigentümern von Ordonnanzwaffen ein Nachweis zu verlangen, dass sie die Waffe regelmässig für den Schiesssport verwendeten.

Auch lehnten nicht alle Kritiker der Waffenrechtsanpassung ebenso die Genehmigung des Notenaustausches mit der EU ab. Der Notenaustausch ist im Grunde genommen das Verfahren zur Übernahme eines weiterentwickelten Rechtsakts, der dem Schengen-Besitzstand angehört. Nachdem die EU der Schweiz am 31. Mai 2017 die neue Waffenrichtlinie als Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes notifiziert hatte, versicherte der Bundesrat in seiner Antwortnote vom 16. Juni 2017 der EU, dass die Schweiz die Richtlinie – vorbehaltlich der parlamentarischen Genehmigung – innerhalb einer Frist von zwei Jahren übernehmen und umsetzen werde. Die SVP, der SSV und LEWAS waren der Meinung, die Schweiz könne der EU mitteilen, die Waffenrichtlinie zu übernehmen – wozu sie als Vertragsstaat von Schengen/Dublin verpflichtet ist –, ohne dafür die Schweizer Rechtslage anpassen zu müssen. Sie hielten das Schweizer Waffenrecht für den Anforderungen der EU-Richtlinie dem Sinn nach entsprechend und sahen darum keinen Bedarf für eine Änderung des Schweizer Waffenrechts, auch wenn der Notenaustausch genehmigt würde. In die gleiche Richtung äusserte sich auch die CVP, welche die Frage stellte, ob das geltende Waffengesetz keine ausreichende Grundlage darstelle, um die Ziele der EU-Waffenrichtlinie weitgehend zu erfüllen. ProTell und der Kanton Schwyz lehnten indes auch die Genehmigung des Notenaustausches ab und forderten weitere Verhandlungen mit der EU.

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Übernahme der Richtlinie 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Dossier: Das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz)

En accord avec son groupe, Chantal Galladé (ps, ZH) avait déposé une intervention parlementaire afin que l'achat d'avions de combat soit soumis au référendum (Mo. 17.3394). Sans l’informer, la direction du Parti socialiste a retiré son intervention, jugeant la formulation trop étroite et n'étant plus actuelle. Froissée, la conseillère nationale a donc réagi dans le journal SonntagsBlick. L'aile droite du PS, dont elle fait partie, est favorable à l'acquisition de 30 avions de combat, alors que le PS exige le déploiement des F/A-18 au-delà de 2030. Elle souhaite la soumettre au référendum facultatif et l'inscrire dans le cadre du budget ordinaire de l’armée, qui est de 5 milliards de francs par année. En novembre, le Conseil fédéral avait fixé à 8 milliards l'enveloppe allouée à l'achat de la nouvelle flotte et du nouveau système de défense sol-air.

Acquisition de nouveaux avions de combat (MCF 19.039)
Dossier: Air2030 – Schutz des Luftraumes
Dossier: Beschaffung neuer Kampfflugzeuge

Le 12 février 2017, la population votante a accepté à plus de 60% le référendum obligatoire facilitant la naturalisation pour les étrangers et étrangères de troisième génération (voir également ici). Le texte soumis au peuple était issu de l'initiative parlementaire Marra (ps, VD), intitulée «La Suisse doit reconnaître ses enfants». Le changement partiel de la constitution avait rencontré peu de résistance. Ses adversaires principaux étaient l'UDC et l'UDF, qui avaient lancé une contre-campagne mettant en garde contre une «naturalisation de masse», dont l'affiche mettait en scène des mains aux différentes variantes de peau foncée, se jetant sur des passeports à croix blanche. Les affiches en faveur de l'arrêté fédéral concernant la naturalisation facilitée des étrangers de la troisième génération mettaient en scène des portraits de personnes jeunes, dont le texte soulignaient la composante identitaire suisse, malgré l'origine étrangère: «Manuel. Schweizer. Punkt». Le mouvement «Opération Libero», qui avait été créé suite à l'initiative contre l'immigration de masse s'est beaucoup investi dans cette campagne.

La question de l'identité est ressorti comme argument principal chez les votant-e-s, selon l'analyse VOTO. Les coûts administratifs, les règles de procédure ou encore le fédéralisme n'ont pas joué de rôle, les gens ont voté oui, car ils/elles considèrent les personnes de troisième génération comme suisses. Dans le camp du non, qui atteignait 79% chez les adhérent-e-s de l'UDC, le rejet est dû principalement à un scepticisme de principe face aux personnes étrangères.


Votation du 12 février 2017
Participation: 46.84%
Oui: 1'499'627 (60.4%) / Cantons: 15 4/2
Non: 982'844 (39.6%) / Cantons: 5 2/2

Consignes de vote:
- Oui: Les Verts, PS, PLR (1)*, PDC (1)*, PBD (1)*, Vert'libéraux, solidaritéS Union des villes suisses, Union syndicale suisse (USS), Travail.suisse, Commission fédérale des migrations
- Non: UDC. UDF (1)*,
*entre parenthèses: nombre de sections cantonales divergentes

La Suisse doit reconnaître ses enfants (Iv.Pa. 08.432) / Erleichterte Einbürgerung der dritten Generation

Zwar hatten vier unterschiedliche, von Privatpersonen geführte Komitees gegen die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative das Referendum angekündigt, sie schafften es jedoch innerhalb der 100 Tage nicht, die nötigen Unterschriften zu sammeln. Zu hoch war die Unterschriftenhürde 2016 auch für zwei weitere Komitees. Die Gruppe Giardino konnte lediglich 44'603 Unterschriften gegen die Weiterentwicklung der Armee (WEA) einreichen und auch über das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) wurde nicht an der Urne entschieden, weil die Allianz aus allen Jungparteien, den Piraten, der AL und zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen ebenfalls nur knapp über 40'000 Unterschriften dagegen sammeln konnte.
Erfolgreicher waren die SP, die gegen die Unternehmenssteuerreform (USR III) opponierte, und die SVP, die gegen das Energiegesetz das Referendum ergriff. Damit wurde gegen 3.2 Prozent der 2016 vom Parlament gefällten 63 Erlasse ein Referendum eingereicht. Dies entsprach dem Wert von 2015, als gegen 3 der 59 Erlasse ein Referendum angestrebt worden war, wobei damals nur zwei Komitees (3.4%) die nötige Zahl an Unterschriften innerhalb der vorgesehenen Frist einreichen konnten.

Neben den beiden bereits 2015 eingereichten Referenden – gegen das Asylgesetz und das Nachrichtendienstgesetz –, standen 2016 auch zwei weitere, vom Parlament noch 2014 erlassene und bekämpfte Bundesbeschlüsse zur Abstimmung: die Sanierung des Gotthard-Strassentunnels und das Fortpflanzungsmedizingesetz. Alle vier Referenden blieben dabei erfolglos. Im Februar hiess die Stimmbevölkerung die Sanierung des Gotthard-Tunnels gut, Anfang Juni stiessen sowohl das von der SVP bekämpfte Asylgesetz als auch das Fortpflanzungsmedizingesetz, gegen das insbesondere die EVP ein Veto angestrengt hatte, bei der Bevölkerung auf viel Akzeptanz. Und im September erhielt auch das Nachrichtendienstgesetz, das von der Linken bekämpft wurde, fast zwei Drittel aller Stimmen.

Übersicht Referenden 2016
Dossier: Ergriffene Referenden von Jahr zu Jahr (seit 2012)

Die Stimmbeteiligung lag bei der Abstimmung zum Nachrichtendienstgesetz mit knapp 43 Prozent unter dem Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre, wie die VOTO-Studie zum Urnengang vom 25. September 2016 aufzeigte. Im Gegensatz etwa zu den Abstimmungen vom 28. Februar 2016, als unter anderem die Entscheidung zur Durchsetzungsinitiative gefällt wurde, habe dem Abstimmungssonntag im Herbst ein «Mobilisierungmotor» gefehlt, stellten die Autoren fest. Selbst von den nach eigenen Angaben fast immer Teilnehmenden waren im September 2016 nur rund drei Viertel an die Urne gegangen, obwohl drei von vier befragten Stimmenden sowohl dem NDG als auch der gleichzeitig dem Volk vorgelegten «AHVplus»-Initiative eine hohe persönliche Bedeutung beimassen.
Die Parteiparolen hatten eigentlich auf einen klassischen Links-Rechts-Konflikt hingedeutet; einen solchen konnte die Studie im Stimmverhalten jedoch nicht nachzeichnen. Während bei denjenigen Befragten, die sich selbst links aussen einstuften, nur rund ein Drittel dem NDG zustimmte, erreichte die Vorlage im gemässigt-linken Lager bereits 60 Prozent Zustimmung. Bei den grösseren Parteien stimmte nur die Anhängerschaft der Grünen mehrheitlich (61%) gegen das NDG. Von den SP-Sympathisantinnen und -Sympathisanten legten hingegen 57 Prozent ein Ja in die Urne, womit nur eine Minderheit der Basis der Parteiparole folgte. Bei der GLP, die sich schon im Vorfeld tief gespalten gezeigt und daher Stimmfreigabe beschlossen hatte, stimmten rund zwei Drittel der Anhängerschaft Ja. Die höchste Zustimmung erreichte die Vorlage mit einem Ja-Anteil von 86 Prozent bei den Sympathisantinnen und Sympathisanten der CVP. Bei der FDP und der SVP sprachen sich je rund drei Viertel der Anhängerinnen und Anhänger für das NDG aus, womit das Gesetz mit 65.5 Prozent insgesamt fast eine Zweidrittelmehrheit in der Stimmbevölkerung erreichte.
Jüngere sprachen sich häufiger gegen das Gesetz aus als Ältere. Bei den Unter-40-Jährigen erzielte die Vorlage keine Ja-Mehrheit, wohingegen die Über-70-Jährigen zu fast 80 Prozent zustimmten. Unabhängig vom Alter stimmten auch internetaffine Personen eher Nein als solche, die das Internet weniger nutzen. In Zusammenhang mit dem Stimmentscheid standen ausserdem das Vertrauen in die Regierung und die Haltung zur Armee, wobei ein höheres Regierungsvertrauen und eine positivere Haltung zur Armee mit einer wahrscheinlicheren Zustimmung zum NDG einhergingen. Des Weiteren stimmten jene, denen der Entscheid leicht gefallen war, häufiger Ja als jene, die sich mit dem Stimmentscheid schwer taten. Dies deuteten die Autoren dahingehend, dass einerseits die Befürworterinnen und Befürworter von ihrer Sache überzeugter waren und weniger zweifelten als die Gegnerinnen und Gegner und/oder dass sich andererseits die Unentschlossenen im Zweifelsfall eher für den Status quo entschieden als für das neue Gesetz.
Das dominierende Motiv für die Zustimmung zum NDG war der Bezug auf die aktuelle Sicherheitslage, in der es das NDG brauche. 80 Prozent der Ja-Stimmenden begründeten ihren Stimmentscheid damit. Andere Motive, etwa dass man als unbescholtener Bürger oder unbescholtene Bürgerin vom NDG nichts zu befürchten habe, wurden demgegenüber nur selten genannt. Für die Nein-Stimmenden gab primär der starke Eingriff in die Grundrechte den Ausschlag, der von über der Hälfte der Nein-Stimmenden als Motiv angegeben wurde. Am zweitmeisten genannt wurde als Motiv für ein Nein die Wahrnehmung, dass das Gesetz ineffektiv oder unnötig sei, weil es keine Terroranschläge verhindere. Explizit Bezug auf einen neuen Fichenskandal oder einen Überwachungsstaat nahmen unterdessen nur wenige und 9 Prozent der Nein-Stimmenden konnten ihren Entscheid nicht begründen (gegenüber 4% der Ja-Stimmenden).
Sehr grossen Anklang in der Stimmbevölkerung fand das Argument, dass die Schweiz für den Kampf gegen den Terrorismus einen starken Nachrichtendienst brauche. Während die Ja-Stimmenden diesem Argument fast einhellig beipflichteten, zeigte sich auch eine Mehrheit der Nein-Stimmenden damit einverstanden. Die Ja-Stimmenden fanden indes grossmehrheitlich auch, dass man für die Sicherheit gewisse Einschränkungen der persönlichen Freiheit in Kauf nehmen müsse, was die Nein-Stimmenden mehrheitlich ablehnten. Eine knappe Mehrheit aller Stimmenden – damit auch fast die Hälfte der Ja-Stimmenden – hielt zudem nach einer Annahme des NDG Massenüberwachungen ohne klare Verdachtsmomente für möglich. Die noch grössere Resonanz erzeugte bei den Nein-Stimmenden aber das Argument, dass die Schweiz bereits über die nötigen rechtlichen Mittel zur Terrorismusbekämpfung verfüge.
Die Zustimmung zum NDG sei somit vor allem ein Entscheid für mehr Sicherheit gewesen, für die man nötigenfalls auch Einschränkungen der persönlichen Freiheit hinzunehmen bereit sei, bilanzierten die Autoren.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Kurz nach deren Annahme durch das Parlament lancierten SP, Grüne, SGB, Unia sowie weitere Gewerkschaften und Jungparteien das Referendum gegen die Unternehmenssteuerreform III. Die Referendumsdrohung wurde bereits während der Behandlung im Parlament ausgestossen, falls die Steuerreform ohne Gegenfinanzierung beschlossen würde. Am 6. Oktober 2016 reichte das Referendumskomitee 56'000 beglaubigte Unterschriften gegen die USR III bei der Bundeskanzlei ein.

Im Abstimmungskampf kritisierten die Gegner des neuen Steuergesetzes insbesondere die ungleiche Verteilung von Kosten und Nutzen. So würden von der Vorlage nur Unternehmensbesitzer profitieren, während die Allgemeinheit die Steuerausfälle durch Leistungsabbau, höhere Gebühren und mehr Steuern zu bezahlen hätte. Die neuen "Steuertricks" seien zudem undurchsichtig, so dass nur die in deren Erarbeitung involvierten Beratungsfirmen ihre Auswirkungen abschätzen könnten. Die SP hatte im Parlament eine Gegenfinanzierung durch eine höhere Besteuerung der Dividenden gefordert, die vom Parlament jedoch abgelehnt worden war. Entsprechend befürchtete man nun auf Seiten des Referendumskomitees, dass die Steuerreform ohne Gegenfinanzierung zu hohen Kosten für Bund, Kantone und Gemeinden führen würde. Über die Höhe dieser zusätzlichen Kosten waren sich Befürworter und Gegner jedoch nicht einig: Der Bundesrat ging in seinem Bericht auf Bundesebene von Kosten von rund CHF 1,3 Mia. aus, zu denen aber weitere Kosten auf kantonaler und kommunaler Ebene hinzukommen würden. So hatten bereits vor der Durchführung der Volksabstimmung mehrere Kantone Senkungen ihrer kantonalen Gewinnsteuern veranlasst, was es ihnen erlauben sollte, international wettbewerbsfähig zu bleiben.

Auf der anderen Seite wiesen die Befürworter der USR III darauf hin, dass Nichtstun Steuersubstrat in der Höhe von CHF 5,4 Mia. pro Jahr gefährde und entsprechend deutlich teurer sei. Durch die Steuerreform könnten hingegen zehntausende Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in Milliardenhöhe gesichert werden. Zudem warfen die Befürworter den Gegnern vor, bewusst auf die Vorlage eines alternativen Plans zu verzichten, weil ihre Alternativen kaum Anklang finden würden.

Die Unterschriftensammlung war von einer regen medialen Berichterstattung zur Steuerreform begleitet, die auch nach Zustandekommen des Referendums nicht abriss. Entsprechend verzeichnete das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) eine sehr frühe und sehr starke Berichterstattung zur USR III, die Ende Januar durch das Interview von Eveline Widmer-Schlumpf in der Zeitung "Blick" noch weiter anstieg. In diesem hatte sich die ehemalige Finanzministerin gegen die Steuerreform in ihrer jetzigen Form ausgesprochen, da das Parlament bei dieser „nun einfach sehr weit gegangen [sei] mit zusätzlichen Entlastungen für gewisse Firmen“ und da es „ein paar Punkte [gebe], welche die Reform aus der Balance gebracht“ hätten. Immer häufiger meldeten sich anschliessend bürgerliche Politiker zu Wort, die ähnliche Bedenken gegenüber der USR III äusserten.

Nicht nur die Berichterstattung, auch die Inseratekampagne zur Unternehmenssteuerreform III startete früh und stark. So schaltete gemäss einer Analyse von Année Politique Suisse in den letzten 5 Jahren kaum ein Komitee so früh so viele Inserate wie die Befürworter der Steuerreform. Anders als bei der Berichterstattung, bei der das Verhältnis der Aufmerksamkeit für Befürworter und Gegner gemäss fög relativ ausgeglichen war, übertrumpften die Befürworter (88%) die Gegner (12%) bei den Inseraten deutlich. Auch die Parolenfassung deutete auf zwei ungleich grosse Lager hin: So sprachen sich mit SVP, FDP, CVP, BDP und GLP die meisten grösseren Parteien für die Steuerreform aus. Unterstützt wurden sie dabei unter anderem von Economiesuisse, dem Gewerbeverband sowie der Finanzdirektorenkonferenz. Die Nein-Parole beschlossen unter anderem die SP, Grünen, EVP, PdA, der Gewerkschaftsbund und Travail Suisse; Stimmfreigabe gewährte der Städteverband.

BRG Unternehmenssteuerreform III (BRG 15.049)
Dossier: Unternehmenssteuerreform III, Steuervorlage 17 und AHV-Steuer-Deal (STAF)
Dossier: Referenden gegen die Abschaffung der Verrechnungssteuer

Bei einer Stimmbeteiligung von knapp 43 Prozent nahm die Schweizer Stimmbevölkerung am 25. September 2016 das Bundesgesetz über den Nachrichtendienst (NDG) mit 65.5 Prozent Ja-Stimmen an. Das Resultat fiel damit noch deutlicher aus, als es die im Vorfeld durchgeführten Umfragen erwarten liessen. In keinem einzigen Kanton resultierte eine Nein-Mehrheit. Die geringste Zustimmung erfuhr das NDG im Kanton Basel-Stadt mit 55 Prozent. Am höchsten fiel die Zustimmung mit gut 74 Prozent im Kanton Waadt aus, gefolgt von Nidwalden mit gut 70 Prozent. In allen anderen Kantonen bewegte sich der Ja-Anteil zwischen 60 und 70 Prozent, wobei sich keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Landesteilen oder zwischen Stadt und Land zeigten.
Bundesrat Guy Parmelin, der hiermit seine Feuerprobe als neuer Verteidigungsminister vor dem Stimmvolk souverän bestanden hatte, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Ausgang der Abstimmung. Die Schweiz erhalte damit moderne Mittel, um auf aktuelle Bedrohungen zu reagieren, sagte er gegenüber den Medien. Auch das Ja-Komitee zeigte sich erfreut, dass es gelungen sei, die Ängste vor der Massenüberwachung zu entkräften. Die Presse deutete das Resultat entsprechend als Vertrauensbeweis der Stimmbevölkerung in den Staat. Das unterlegene Nein-Lager kündigte unterdessen an, nun auf die transparente Kontrolle des NDB zu pochen und die vom Bundesrat kommunizierte Zahl von rund zehn Überwachungsfällen pro Jahr genau im Auge zu behalten.
In Kraft treten wird das neue NDG am 1. September 2017. Bis dahin gebe es noch viel zu tun, erklärte der Verteidigungsminister. So müsse der NDB organisatorisch und technisch auf seine neuen Befugnisse ausgerichtet werden, denn mit diesen Anpassungen habe man bis zur Abstimmung zugewartet. Die personelle Aufstockung des NDB um 20 Stellen solle bis 2019 schrittweise erfolgen. Möglichst zeitnah müsse zudem die neue unabhängige Aufsichtsbehörde eingerichtet werden, deren Leitung der VBS-Chef bis Ende Jahr ernennen werde. Die Aufsicht solle dann – wie auch die Sicherheitspolitischen Kommissionen der eidgenössischen Räte und die GPDel – bereits in die Ausarbeitung der Verordnungen zur Konkretisierung des NDG einbezogen werden, die der Bundesrat Anfang 2017 in die Vernehmlassung schicken wolle.


Abstimmung vom 25. September 2016

Beteiligung: 42.94%
Ja: 1'459'068 (65.5%)
Nein: 768'065 (34.5%)

Parolen:
– Ja: BDP, CVP, EDU (1*), EVP (1*), FDP, FP, KVP, SVP (1*); KKJPD, Economiesuisse
– Nein: GP, PdA, Piratenpartei, SD, SP (2*); GSoA, Digitale Gesellschaft, Syndicom
– Stimmfreigabe: GLP (4*)
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Lange bevor der Bundesrat Mitte Juni 2016 mit seiner Medienkonferenz den Abstimmungskampf zum Nachrichtendienstgesetz offiziell eröffnete, wurde das Thema breit in der Öffentlichkeit diskutiert. Anlass dazu boten etwa die Terroranschläge in Brüssel vom 22. März 2016, in deren Nachgang bürgerliche Sicherheitspolitikerinnen und -politiker den Bundesrat dazu aufforderten, dem Nachrichtendienst per dringlichem Bundesbeschluss schleunigst zu den notwendigen Kompetenzen zu verhelfen. Man könne nicht warten, bis das neue NDG nach der Referendumsabstimmung vom September in Kraft treten könne; die jüngsten Anschläge hätten gezeigt, «dass die Bedrohung durch Terrorismus real ist», erklärte die Präsidentin der SiK-NR, Ida Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU), gegenüber der NZZ. In Zeiten wie diesen sei es «unsinnig», dass der NDB in seiner Arbeit behindert werde, zitierte die «Tribune de Genève» dazu SiK-SR-Präsident Isidor Baumann (cvp, UR). Der NDB sei momentan «blind und taub», mahnte der Genfer Sicherheitsdirektor Pierre Maudet (GE, fdp) an gleicher Stelle. Obschon die Forderung unerfüllt verhallte, lagen die Hauptargumente für das neue Nachrichtendienstgesetz damit schon einmal auf dem Tisch.

Dass ein grosser Teil der Schweizer Bevölkerung ähnlich dachte, zeigte die im Mai veröffentlichte Studie «Sicherheit 2016» der ETH Zürich. Darin schätzten rund drei Viertel der Befragten die weltpolitische Lage (eher) pessimistisch ein, wobei die Erhebungen bereits im Januar und damit vor den Terrorattacken in Brüssel stattgefunden hatten. Damit einher gingen ein gegenüber dem Vorjahr gestiegenes subjektives Unsicherheitsempfinden sowie die klare Unterstützung von Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit wie Datensammlungen über verdächtige Personen, Armeeeinsätze zur Sicherstellung von Ruhe und Ordnung, die Aufstockung der Polizeikorps, Videoüberwachung im öffentlichen Raum oder vorsorgliche Verhaftungen. Von einer gewissen Ambivalenz zeugten die Antworten zum Verhältnis von Freiheit und Sicherheit: 55 Prozent der Befragten waren der Meinung, dass der Staat die Sicherheit der Bevölkerung auch auf Kosten der persönlichen Freiheit garantieren solle, gleichzeitig würden sich aber ebenfalls 55 Prozent für Freiheit statt Sicherheit entscheiden, wenn sie gezwungen wären, eins der beiden zu wählen. Zwei Drittel befürworteten aber die Terrorismusbekämpfung auch unter Einschränkung der persönlichen Freiheit – ein Ergebnis, das «Wasser auf die Mühlen der Befürworter» des neuen NDG sei, wie das St. Galler Tagblatt resümierte.

Weiteren Impetus fand die Befürworterseite in der Tatsache, dass sich offenbar auch der IZRS an der Unterschriftensammlung gegen das NDG beteiligt hatte, wie die Luzerner Zeitung Mitte Juni bekannt machte. Die umstrittene islamische Organisation sehe im NDG ein «Vehikel gegen Muslime», in dessen Fokus «je nach politischem Klima» auch andere Gruppen geraten könnten, weshalb Mediensprecher Qaasim Illi zur Unterschrift gegen das NDG aufgerufen habe. Im Einsatz für das NDG sah man sich dadurch bestätigt, denn es sei «bezeichnend», dass «ein Verein wie der IZRS, der selber im Fokus des NDB stehen könnte», gegen das Gesetz mobil mache, zitierte die Zeitung Ida Glanzmann-Hunkeler. Sogar Bundesrat Guy Parmelin sollte den Widerstand des IZRS einige Tage später vor den Medien lakonisch als «beste Werbung für das Gesetz» bezeichnen. Die Gegenseite distanzierte sich derweil von «diesen Extremisten», wie SP-Sprecher Michael Sorg betonte; man sei nicht verbündet und stehe in keinerlei Kontakt. Aus dem Abstimmungskampf wollte sich der IZRS denn auch heraushalten, wie er über eine Sprecherin verlauten liess.

Auf der Pro-Seite stand neben dem Bundesrat ein überparteiliches Ja-Komitee, das Parlamentarierinnen und Parlamentarier aller grösseren Parteien ausser den Grünen vereinte. Im Laufe der Kampagne sprachen sich zudem die Ost- und Westschweizer Konferenzen der Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren sowie die Regierungsräte der Kantone Zürich und Schaffhausen für das NDG aus. Das Hauptargument für das neue Gesetz war, dass die Mittel des schweizerischen Nachrichtendienstes an die aktuelle Bedrohungslage angepasst werden müssten, denn mit seinen heutigen Instrumenten könne er die Schweiz nicht ausreichend vor den sich ständig verändernden und komplexer werdenden Gefahren schützen. Der NDB sei schlicht «überholt», konstatierte FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger (fdp, AG) gegenüber der Presse. Klar könne das Risiko nicht vollständig eliminiert werden, aber es seien schon viele Attentate dank Überwachung verhindert worden, pries SVP-Ratskollege Raymond Clottu (svp, NE) die neuen Überwachungsmöglichkeiten an. Als die Ziele des NDG nannte Verteidigungsminister Guy Parmelin einerseits die präventive Überwachung der «gefährlichsten Individuen» (NZZ) sowie andererseits die Erschwerung von Cyberangriffen und -spionage, wie im Fall der Ruag, der Anfang 2016 aufgedeckt worden war. Als weiteren Vorzug des neuen Gesetzes hob NDB-Chef Markus Seiler die Vereinfachung der internationalen Zusammenarbeit in der Terrorismusbekämpfung hervor. Gleichzeitig warnte er vor einer Schwächung der internationalen Stellung der Schweiz, sollte das Gesetz abgelehnt werden, denn je weniger eigene nachrichtendienstliche Erkenntnisse die Schweiz habe, umso grösser sei die Gefahr, von ausländischen Geheimdiensten instrumentalisiert zu werden. Es sei aber mitnichten die Absicht des neuen Gesetzes, alle Bürgerinnen und Bürger zu überwachen und selbstverständlich müsse Missbrauch verhindert werden, betonte Bundesrat Parmelin weiter. Auch das Komitee erklärte, umfassende Kontrollmechanismen und eine gut ausgebaute Aufsicht über den Nachrichtendienst verhinderten, dass ein Überwachungsstaat geschaffen werde. Die Befürworterinnen und Befürworter wurden nicht müde zu betonen, dass das NDG das Gleichgewicht zwischen individueller Freiheit und Sicherheit wahre und letztlich schlicht notwendig sei – oder mit den Worten von SP-Nationalrätin Rebecca Ruiz (sp, VD) in der «Tribune de Genève»: «Wir können nicht bei Windows 95 und Walkie-Talkies bleiben.» Der Status quo sei eine Reaktion auf den Fichenskandal in den 1990er-Jahren gewesen, erklärte auch EDÖB Adrian Lobsiger gegenüber der Sonntagszeitung. Seither hätten sich die Welt verändert und die Sicherheitslage verschärft. Auch er bezeichnete das NDG als «Kompromiss zwischen Freiheit und Sicherheit», liess sich aber nicht auf eine explizite Abstimmungsempfehlung hinaus. Zum frühen Zeitpunkt des offiziellen Kampagnenstarts Mitte Juni sagte Bundesrat Parmelin, er wolle eine «pädagogische» Abstimmungskampagne führen, um der Bevölkerung angesichts des heiklen und komplexen Themas genau zu erklären, was die Neuerungen seien und warum sie nötig seien.

Die Kontra-Seite bestand hauptsächlich aus dem Referendumskomitee «Bündnis gegen den Schnüffelstaat», das von den Grünen, der SP, den Juso, der Piratenpartei, der Gewerkschaft Syndicom, der Digitalen Gesellschaft, dem Verein Grundrechte.ch sowie dem Chaos Computer Club unterstützt wurde. Ein bürgerlich geprägtes Gegenkomitee um die bürgerlichen Jungparteien, kritische Parlamentarierinnen und Parlamentarier von SVP bis GLP sowie die Operation Libero, das liberale Argumente gegen das NDG anführen wollte, zerbrach hingegen, bevor es sich formieren konnte. Man habe das NDG gleichzeitig mit dem BÜPF bekämpfen wollen, aber mit dem Scheitern des BÜPF-Referendums sei die Gruppe auseinandergefallen, schilderte der Koordinator und stellvertretende SGV-Direktor Henrique Schneider dem St. Galler Tagblatt. So dominierten denn auch die von links geäusserten Bedenken das Argumentarium der Gegnerschaft. Weil es dem NDB erlaube, auf Basis blosser Vermutungen zu agieren, gehe das neue Nachrichtendienstgesetz zu weit, so das Hauptargument des Nein-Lagers. Juso-Präsidentin Tamara Funiciello nannte das NDG einen «Schritt Richtung Massenüberwachung». Mit dem Gesetz würden alle Bürgerinnen und Bürger zu Verdächtigen gemacht, sodass der NDB letztlich jeden zum potenziellen Terroristen «emporstilisieren» könne, kritisierte der Präsident des Vereins Grundrechte.ch, Viktor Györffy. Das von der Befürworterseite propagierte Gleichgewicht zwischen individueller Freiheit und Sicherheit konnte die Gegnerschaft nirgends erkennen. Mit der Stärkung des Nachrichtendienstes kreiere man nur eine «Illusion von Sicherheit», bemängelte der Grüne Nationalrat Balthasar Glättli (gp, ZH). Die Attentäter von Paris und Brüssel seien sehr wohl nachrichtendienstlich oder polizeilich bekannt gewesen, aber nichtsdestotrotz hätten die Anschläge nicht verhindert werden können. Dass eine parlamentarische oder juristische Kontrolle die Aktivitäten des NDB und damit die Eingriffe in die Grundrechte wirklich begrenzen könne, sei ebenfalls «illusorisch», so Györffy weiter. Glättli sah das Gesetz ausserdem – sowohl aufgrund der Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten als auch wegen der Möglichkeit zum Eindringen in ausländische Computersysteme – als Gefahr für die Neutralität der Schweiz. Zudem missbilligte die Gegnerschaft, dass der Staat durch den Kauf von Trojanern den Schwarzmarkt für Sicherheitslücken und das organisierte Verbrechen fördere.

Insgesamt verlief die öffentliche Debatte über lange Zeit unaufgeregt und angesichts der Tragweite des Themas eher spärlich. Erst rund drei Wochen vor dem Abstimmungssonntag, im Anschluss an die SRF-«Arena» zum NDG, gewann sie «doch noch etwas an Temperatur», wie der Tages-Anzeiger kommentierte. Dabei stand das Instrument der Kabelaufklärung im Fokus, in der die Gegenseite nichts anderes als die verdachtsunabhängige Massenüberwachung erkannte. Die Beteuerung, es werde nur der grenzüberschreitende, nicht aber der inländische Internetverkehr überwacht, sei bedeutungslos, da etwa sehr viele E-Mails über ausländische Server verschickt würden, auch wenn sich Sender und Empfänger in der Schweiz befänden. Ein viel genanntes Argument gegen diese Art der Überwachung war die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen, die eben nicht einfacher werde, wenn man den Heuhaufen vergrössere. NDG-Fürsprecherin Corina Eichenberger hielt dem in der «Tribune de Genève» entgegen, man werde im Internetverkehr schon nach sehr eng definierten Schlagworten suchen, und nicht einfach nach «Islam» oder «Bombe». Ausserdem führte die Pro-Seite an, der NDB verfüge gar nicht über genug Ressourcen für eine solche Massenüberwachung. Der Bundesrat sprach bis zuletzt von rund zehn Fällen pro Jahr, in denen bewilligungspflichtige Beschaffungsmassnahmen eingesetzt würden, wie er auch schon dem Parlament erklärt hatte. In den Medien wurde diese Zahl jedoch in Zweifel gezogen, da sich seit den parlamentarischen Beratungen die Bedrohungslage durch vermehrte Anschläge in Europa – die bisher folgenschwersten in Paris und Brüssel – und die zunehmende Anzahl Dschihad-Reisender aus der Schweiz verschärft habe. Während das VBS die Zahl als Durchschnittswert, der mit der Bedrohungslage variieren könne, verteidigte, sprach Ida Glanzmann-Hunkeler eher von 20 bis 25 Fällen pro Jahr, wobei diese Schätzung nicht statistisch extrapoliert, sondern «mehr ein Gefühl» sei, wie sie gegenüber dem Tages-Anzeiger erklärte. NDG-Gegner Balthasar Glättli sah in diesem Zahlenwirrwarr gemäss St. Galler Tagblatt ein Indiz dafür, dass «die staatlichen Schnüffler wesentlich hungriger» seien, als sie es «vor der Abstimmung zugeben» wollten. Wie der Tages-Anzeiger feststellte, wurde der Abstimmungskampf gegen Ende zum «Streit der Begrifflichkeiten», der sich vor allem um die Definition von Massenüberwachung drehte. Es sei die Antwort auf die von Beat Flach (glp, AG) in der «Arena» gestellte Frage, ob es wirklich so furchtbar sei, dass in Zukunft alles zuerst durch den Filter des NDB gehe, die Befürworter und Gegner des NDG trenne, konstatierte dieselbe Zeitung.

Die ab Mitte August durchgeführten Umfragen zeigten schon von Anfang an eine breite Unterstützung von knapp 60 Prozent für das NDG, die bis zur letzten Umfragewelle Mitte September ungefähr konstant blieb. Als wichtigste Argumente identifizierten die Befragungen die Befürchtung möglichen Missbrauchs neuer Technologien auf der Pro- sowie den mangelhaften Schutz der Privatsphäre auf der Kontra-Seite. Bei den bürgerlichen Parteien wollte die Mehrheit der Basis Ja stimmen, während die Anhängerschaft der linken Parteien mehrheitlich ein Nein einlegen wollte. Damit hatte das NDG gute Voraussetzungen, das Referendum ungefährdet zu passieren.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

In der Woche nach der Schlussabstimmung in den eidgenössischen Räten über das revidierte BÜPF stellte sich – wie von SVP-Nationalrat und Komitee-Chef Franz Grüter (svp, LU) bereits seit längerem angekündigt – das Referendumskomitee „Stop BÜPF“ vor. Ihm gehörten neben der Piratenpartei, der Alternativen Liste und der Partei der Arbeit auch die Jungfreisinnigen, die Jungen Grünliberalen, die Junge SVP sowie die Juso an. Dazu kamen sieben zivilgesellschaftliche Organisationen, namentlich die Digitale Gesellschaft, der Verein Grundrechte, Operation Libero, die Internet Society Schweiz, der Chaos Computer Club Schweiz, die Stiftung pEp und Wilhelm Tux. Diese ungewöhnliche Allianz von Jungparteien von links bis rechts deutete darauf hin, dass in dieser Frage weniger ein parteiideologischer als vielmehr ein Generationenkonflikt vorlag. Mitte April präsentierte das Komitee seine Argumente. Im Zentrum der Kritik stand einerseits die als „unverhältnismässig“ angesehene Vorratsdatenspeicherung, bei der zwar die Frist zur Aufbewahrung der Daten nicht verlängert, aber der Kreis der Anbieter, die Daten für die Behörden bereithalten müssen, ausgeweitet wurde. Andererseits störten sich die BÜPF-Gegner an den Staatstrojanern, die fortan in fremde Computersysteme eindringen und so verschlüsselte Kommunikation abhören können. Besonders stossend sei hierbei, dass die Staatstrojaner bestehende Sicherheitslücken ausnutzen sollen, wodurch ein „legaler Schwarzmarkt von Sicherheitslücken“ geschaffen werde, so Norbert Bollow, Präsident der Digitalen Gesellschaft. Zum Abhören verschlüsselter Kommunikation gebe es auch andere Mittel, betonte JGLP-Co-Präsident Pascal Vuichard und verwies auf die Firma Skype, welche auf Gerichtsbeschluss hin mit den Behörden kooperiere. Vonseiten der IT-Anbieter kritisierte Jean-Marc Hensch, Geschäftsführer des Branchenverbandes Swico, die „überrissenen Mitwirkungspflichten“, da auch kleinere Anbieter einen automatischen Zugriff der Behörden auf ihre Systeme einrichten müssten. Im Grundsatz war sich das Komitee einig, dass die Privatsphäre nicht auf Vorrat eingeschränkt werden solle – mit den Worten von Juso-Präsident Fabian Molina: „Im Zweifel für die Freiheit.“ Ebenfalls im April trat die SP nach einem entsprechenden, äusserst knappen Beschluss der Delegiertenversammlung dem Referendumskomitee bei, allerdings gegen den Widerstand ihres Parteipräsidenten Christian Levrat (sp, FR) und entgegen der Mehrheit der Bundeshausfraktion, die das BÜPF im Parlament gutgeheissen hatte.
Einen Monat vor Ablauf der Referendumsfrist am 7. Juli 2016 wurde bekannt, dass die Unterschriftensammlung bis anhin harzig verlaufen war und deshalb noch rund die Hälfte der benötigten 50'000 Unterschriften fehlten. Daraufhin erklärte Juso-Präsident Fabian Molina den Abbruch der offiziellen Unterschriftensammlung. Er zeigte sich enttäuscht über die schwache Sammelleistung der bürgerlichen Jungparteien und glaubte nicht mehr an den Erfolg des Referendums. Die Allianzpartner ihrerseits bezeichneten den Rückzug Molinas als feige und unzuverlässig und beklagten auch das mangelnde Engagement der Juso, welche das Unterschriften-Soll auch nicht erfüllt hätten. Dennoch wollten sie nicht aufgeben und setzten die Unterschriftensammlung auch ohne Beteiligung der Juso fort. Ende Juni sah es denn auch tatsächlich danach aus, dass sich der Einsatz im Schlussspurt gelohnt hätte: Das Komitee verkündete, 55'000 Unterschriften erhalten zu haben, die lediglich noch beglaubigt werden müssten. Nach dem Austritt der Juso habe sich ein „gewaltiger Alarmismus“ breitgemacht, der die Sammler zusätzlich anspornte, erklärte Hernani Marques vom Chaos Computer Club. Er zeigte sich zuversichtlich, dass mindestens 51'000 gültige Unterschriften beisammen seien und das Referendum damit zustande komme.
Wie sich am Tag des Ablaufs der Referendumsfrist herausstellte, hatte sich das Komitee jedoch verkalkuliert. Von den gut 55'000 gesammelten Unterschriften trafen nur rund 45'000 rechtzeitig beglaubigt ein, damit sie bei der Bundeskanzlei hätten eingereicht werden können. Damit war das Referendum im allerletzten Moment gescheitert. Für das Komitee sei es eine „gewaltige Enttäuschung“. Schuld daran seien aber weder die Sammlerinnen und Sammler noch die Gemeinden, sondern das Komitee selbst, das in der Anfangsphase zu viel Zeit verloren habe, gab es in einer Mitteilung bekannt. Damit wird das BÜPF wie von den eidgenössischen Räten verabschiedet in Kraft treten.

BÜPF-Revision (BRG 13.025)
Dossier: Staatliche Überwachung

Am 17. Juni 2016 kam das Unternehmenssteuerreformgesetz III (USR III), das im Zuge der parlamentarischen Beratungen von den Räten in einigen wesentlichen Punkten angepasst worden war, zur Schlussabstimmung. Eine Reform war nötig geworden, weil die Schweiz international nicht mehr akzeptierte Sonderregelungen im Bereich der Unternehmensbesteuerung abschaffen muss. SP-Fraktionschef Roger Nordmann (sp, VD) bezeichnete die Reform als ungerecht, unsozial und verantwortungslos und gab bekannt, dass seine Partei das Referendum dagegen ergreifen werde. Unterstützung erhielt sie dabei von den Grünen. Fraktionssprecher Louis Schelbert (gp, LU) sah in der USR III eine Umverteilungsvorlage mit Milliardenkosten zulasten der Bevölkerung. Die anderen Fraktionen unterstützten die Vorlage. SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz (svp, BE) warnte vor der Abwanderung von bis zu 24'000 internationalen Unternehmen, wenn man ihr nicht zustimme. Ins gleiche Horn stiessen FDP und CVP: Ignazio Cassis (fdp, TI) sprach davon, dass die USR III nicht über CHF 1 Mrd. koste, sondern CHF 5 Mrd. an Steuersubstrat sichere. Markus Ritter (cvp, SG) sah durch die Reform die Gefahr des Verlusts tausender Arbeitsplätze gebannt. Der Nationalrat nahm die Vorlage mit 139 zu 55 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Der Ständerat votierte mit 29 zu 10 Stimmen bei 4 Enthaltungen für die USR III.

BRG Unternehmenssteuerreform III (BRG 15.049)
Dossier: Unternehmenssteuerreform III, Steuervorlage 17 und AHV-Steuer-Deal (STAF)
Dossier: Referenden gegen die Abschaffung der Verrechnungssteuer

Wenige Tage nachdem das Parlament das Nachrichtendienstgesetz verabschiedet hatte, begannen die Gegner des Gesetzes Anfang Oktober 2015 mit der Unterschriftensammlung für das bereits vorher angekündigte NDG-Referendum. Jungsozialisten, Grüne, die Piratenpartei, die Alternative Liste, die GSoA, der Verein Grundrechte Schweiz sowie das Bündnis Digitale Gesellschaft schlossen sich dazu zum „Bündnis gegen den Schnüffelstaat“ zusammen. Starthilfe erhielt die Allianz sogar aus dem Ausland: Nils Muižnieks, Menschenrechtskommissar des Europarats, kritisierte kurz vor der Schlussabstimmung im Parlament die geplanten Beschaffungsmassnahmen und sah das in der EMRK verankerte Recht auf Respektierung des Privatlebens durch Staatstrojaner in Gefahr. Anfang Dezember beschloss dann auch die SP an ihrer Delegiertenversammlung, dem „Bündnis gegen den Schnüffelstaat“ beizutreten. Bis zum Ablauf der Referendumsfrist am 14. Januar 2016 reichten die NDG-Gegner gut 56'000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei ein, womit das Referendum zustandegekommen ist und das Volk das letzte Wort zum NDG haben wird.

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Von den drei fakultativen Referenden, die gegen 2015 vom Parlament erlassene Beschlüsse lanciert worden waren, schafften nur zwei die Hürden. Das Kantonsreferendum gegen den Entscheid des Parlaments zu den Grundbeiträgen des Ressourcen- und Lastenausgleichs für 2016 bis 2019 scheiterte, weil nur vier (SH, ZG, SZ, NW) statt der nötigen acht Kantone dagegen opponierten. Die nötige Anzahl Unterschriften reichten hingegen die SVP mit ihrem Veto gegen das Asylgesetz sowie die Juso gegen das Nachrichtendienstgesetz ein. Insgesamt hatte das Parlament im Berichtsjahr 59 Bundesgesetze oder Bundesbeschlüsse gefällt, gegen die das fakultative Referendum hätte eingereicht werden können (2014: 60). Die drei fakultativen Referenden, die angestrengt wurden, entsprachen also 5.1 Prozent aller referendumsfähigen Gesetze und Beschlüsse (2014: 5%).

2015 stand zudem ein fakultatives Referendum zur Abstimmung (2014: 1), das gegen das 2014 vom Parlament beschlossene Radio- und Fernsehgesetz angestrengt und Ende Januar 2015 vom Schweizerischen Gewerbeverband mit 91'308 gültigen Unterschriften eingereicht worden war. Bei der Abstimmung Mitte Juni 2015, wurde das Gesetz mit einer hauchdünnen Mehrheit angenommen.

Übersicht Referenden 2015
Dossier: Ergriffene Referenden von Jahr zu Jahr (seit 2012)

Um den komplexer und dynamischer werdenden Bedrohungen für die Informationsgesellschaft Rechnung zu tragen, beabsichtigte der Bundesrat, ein Bundesgesetz über die Informationssicherheit (ISG) zu schaffen. Angriffe auf Informationssysteme des Bundes hätten wiederholt gezeigt, dass der Schutz von Informationen Lücken aufweise, welche unter anderem auf unzeitgemässe und inkohärente Rechtsgrundlagen zurückzuführen seien. Mit dem neuen Gesetz sollen einheitliche gesetzliche Grundlagen für das Management der Informationssicherheit beim Bund geschaffen und somit Schwachstellen des geltenden Rechts behoben werden. Den Begriff der Informationssicherheit definierte der Bundesrat im erläuternden Bericht als «sämtliche Anforderungen und Massnahmen, die zum Schutz der Vertraulichkeit, Verfügbarkeit, Integrität und Nachvollziehbarkeit von Informationen dienen, und zwar unabhängig davon, ob die Informationen elektronisch, mündlich oder in Papierform bearbeitet werden.» Die im bestehenden System sektoriell angelegten Rechtsgrundlagen und organisatorischen Zuständigkeiten seien nicht effizient und sollten daher durch eine einheitliche Regelung ersetzt werden.

Bei der im Jahr 2014 durchgeführten Vernehmlassung waren überwiegend positive Rückmeldungen eingegangen. Von den insgesamt 55 Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern standen unter anderen 17 Kantone, die CVP und die SP, Economiesuisse sowie die Bundesanwaltschaft und ihre Aufsichtsbehörde dem Entwurf grundsätzlich positiv gegenüber, brachten jedoch einige Änderungsvorschläge an. Diese bezogen sich vor allem auf die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen, die Präzisierung von im Gesetzestext verwendeten Begriffen sowie auf die Schnittstellen zwischen Informationssicherheit, Datenschutz und Öffentlichkeitsprinzip. Sieben Kantone, die FDP sowie drei weitere Teilnehmende, darunter das Bundesgericht, sprachen ihre vorbehaltlose Zustimmung zur Vorlage aus. Vollumfänglich ablehnend äusserte sich einzig die SVP, die im neuen Gesetz keinen Mehrwert gegenüber gezielten Verbesserungen am heutigen System sah. Von den drei Teilnehmenden, die dem Entwurf grundsätzlich skeptisch gegenüberstanden, würde der Kanton Bern dem Entwurf nur unter der Voraussetzung zustimmen, dass die kantonalen und kommunalen Behörden bei der Anwendung des ISG auf die im Gesetz vorgesehenen Fachstellen des Bundes zurückgreifen können und sie diese nicht selber aufbauen müssen. Der SGV kritisierte indessen den «irreführenden Titel» sowie die mangelhafte Qualität der erläuternden Materialien. Nach seinem Vorschlag sollte das Gesetz besser «Bundesgesetz über die Informationssicherheit in Bundesbehörden und ähnlichen Organisationen» genannt werden, da es sich nicht um ein gesamtgesellschaftliches Regelwerk zu Information und Informationssicherheit handle. Im Ergebnisbericht des Vernehmlassungsverfahrens folgerte das Generalsekretariat des VBS, dass die überwiegende Mehrheit der Vernehmlasserinnen und Vernehmlasser die Schaffung eines Informationssicherheitsgesetzes begrüsst.

Informationssicherheitsgesetz (BRG 17.028)

Der Abstimmungssonntag am 18. Mai 2014, wurde nicht nur Höhe-, sondern auch Schlusspunkt eines langwierigen Seilziehens um die Gripen-Beschaffung bzw. den Tiger-Teilersatz. Dieses grosse Rüstungsvorhaben hatte zahlreiche Hürden zu nehmen. Die letzte davon - der Urnengang - wurde 2013 durch den Bundesrat selbst ermöglicht, indem als Finanzierungsgrundlage ein Fondsgesetz vorgeschlagen wurde. Erst dieser Kniff ermöglichte es, die Finanzierung und damit sehr unmittelbar auch die Beschaffung selbst, dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Mit der Ablehnung des Gripen-Fondsgesetzes an der Urne wurde die aufsehenerregende Kampfflugzeugbeschaffung erfolglos abgeschlossen.

Dass das Referendum ergriffen würde, war schon früh klar. Noch vor den parlamentarischen Debatten Ende 2013 kündigte die Grüne Partei an, sie werde dieses Geschäft zu verhindern suchen. Zwei Referendumskomitees hatten sich dann bereits vor der letzten Beratung im Ständerat konstituiert, so dass einer Unterschriftensammlung nichts mehr im Wege stand. Links-grün und die Grünliberale Partei stellten sich je individuell an, die nötige Anzahl Unterschriften zu sammeln. Der Erfolg liess nicht lange auf sich warten. Innert zwei Monaten und damit noch 2013, hatte das Komitee um SP und GPS rund 80‘000 Unterschriften beisammen. Damit zeichnete sich rasch ab, dass die Referendumsabstimmung bereits im Frühjahr 2014 abgehalten werden konnte. Entsprechend früh erkannte auch der Verteidigungsminister den Ernst der Lage und noch Ende 2013 stieg er in den Abstimmungskampf. Fortan standen sich bürgerliche Gripen-Befürworter und Gripen-Gegner aus links-grünen Kreisen gegenüber. Neu standen aber erstmals auch bürgerliche Politiker einer Armeevorlage kritisch gegenüber: die GLP hatte sich nicht nur an der Unterschriftensammlung beteiligt, sondern sie stellte sich fortan auch in einem Gegnerkomitee gegen die Beschaffung der Gripen-Jets.

Erster Meilenstein war Mitte Januar 2014 die Einreichung der Unterschriften. Das links-grüne Bündnis um SP, GPS und andere Organisationen konnte rund 100'000 Unterschriften für das Referendum zusammentragen, nur etwa 5'000 davon waren vom grünliberalen Anti-Gripenkomitee beigesteuert worden. Da schon Mitte Mai abgestimmt werden sollte, war die Einreichung der Unterschriften gleichzeitig der Startschuss für den Abstimmungskampf. Sogleich wurde dieser befeuert, als es nicht nur darum ging, ob sich die Herstellerfirma Saab an der Finanzierung der Ja-Kampagne beteiligen soll, sondern ob dies überhaupt zulässig sei. Das Gegnerkomitee meldete sehr rasch seine Ablehnung an. Aber auch Gripen-Befürworter standen einer finanziellen Beteiligung aus Schweden kritisch gegenüber. Thomas Hurter (svp, SH) forderte, dass sich Saab gänzlich aus der Abstimmungskampagne raushalte.

Unangenehme Tage musste der Verteidigungsminister auch im Februar erleben: Nachdem bereits der Prozess zum Typenentscheid durch verschiedene Nebenereignisse und Indiskretionen für negative Schlagzeilen gesorgt hatte, wurden auch im neuen Jahr geheime (und brisante) Informationen publik. So hatte sich Verteidigungsminister Ueli Maurer in mehreren Treffen mit dem Schwedischen Botschafter Per Thöresson ausgetauscht. Dabei soll es nicht nur um gute Kontakte gegangen sein, sondern ganz konkret um ein Engagement Schwedens im Abstimmungskampf. Diese Informationen hatte ein Schwedischer Radiosender veröffentlicht, der drei Berichte des Botschafters an das Aussen- und Verteidigungsministerium Schwedens vorliegen hatte. Der Inhalt war insofern brisant, als dass angeblich Bundesrat Maurer selbst um Unterstützung aus Schweden gebeten haben soll. Zwar solle sich Schweden nicht direkt in den Abstimmungskampf einmischen, jedoch durch verschiedene Anlässe in Schweden und der Schweiz eine positive Stimmung erzeugen. Ein Beispiel wären Journalisten-Besuche in den Saabwerken zu Informationszwecken. Maurer musste sich in der Folge erklären und versuchte den Ball flach zu halten. Dass Gespräche geführt wurden konnte er nicht in Abrede stellen, er wollte jedoch darin keine gemeinsame Kampagnenplanung sehen. Dass er sich als Vorsteher des VBS an vorderster Front für den Gripen stark mache, sei nicht mehr als opportun. Die Ungereimtheiten spielten den Gegnern dennoch in die Hände und den Befürwortern wie auch dem Verteidigungsminister selbst blieb nichts anderes übrig, als gebetsmühlenartig festzuhalten, dass der Gripen die richtige Lösung für die Schweiz sei. Fast täglich wurde in den Zeitungen über den Gripen berichtet.

Die Kampagnenleitung der Befürworter sollte von der CVP übernommen werden, allerdings stellte sie sich nur zögerlich dafür zur Verfügung, denn scheinbar sah sich Parteipräsident Darbellay mit zu wenig finanziellen Mitteln ausgestattet. Dass bis zu CHF 5 Mio. für die Befürworterkampagne aufgewendet werden sollten, liess man seitens des Vereins für eine sichere Schweiz VSS, dem CVP-Nationalrat Jakob Büchler (SG) vorsteht, unkommentiert. Auch diese Informationen stammten aus geheimen Berichten aus Schweden. Beim VSS versuchte man derweil, sich von Schweden zu distanzieren. Das Durchsickern dieser Informationen führte indes dazu, dass sich die CVP zurückzog und nicht mehr als Kampagnenleiterin fungieren wollte. Ausschlaggebend waren unter anderem auch verunglimpfende, persönliche Kommentare des Schwedischen Botschafters gegen CVP-Exponenten. Im Engagement der CVP hätte man sich auf Befürworterseite erhofft, dass Gripen-kritische Wähler in der politischen Mitte abgeholt werden könnten. Daraus wurde nun vorerst nichts. Dass zudem die Sektion der CVP-Frauen im Gegensatz zur Mutterpartei die Nein-Parole fasste, schien für die CVP ebenfalls eine Hypothek darzustellen. Wer die Kampagnenleitung übernehmen sollte, war in der Folge offen. Die CVP wollte die Volkspartei vorschicken, da es schliesslich ein Dossier ihres Magistraten sei. Bei der SVP zeigte man sich jedoch bedeckt und Parteipräsident Brunner (SG) stellte eine Einigung „in einigen Wochen“ in Aussicht, rund drei Monate vor dem Abstimmungstermin, notabene.
Während auf politischer Ebene weiter gestritten wurde, führte Saab eine regelrechte Promotionstour durch die Schweiz durch. Mitte Februar wurde an einem Anlass mit Wirtschaftsvertretern über Kompensationsgeschäfte informiert, daneben sollte der Gripen zu verschiedenen Gelegenheiten vorgeführt, beziehungsweise ausgestellt werden, etwa an Ski-Weltcuprennen oder an der Mustermesse in Basel. Dies wurde den Gripengegnern zu viel und Nationalrätin Chantal Galladé (sp, ZH) tat ihren Unmut öffentlich kund. Dass mitunter Geld fliesse, sei in Abstimmungskämpfen normal, jedoch sei die Omnipräsenz des Gripen-Herstellers Saab störend und eine „Einmischung aus dem Ausland in diesem Masse bedenklich.“ Derweil und schneller als erwartet stellte sich Ende Februar tatsächlich die SVP als neue Koordinatorin der Ja-Kampagne vor. Angesichts des nahenden Abstimmungstermins sah sie sich in der Verantwortung. Man habe keine Zeit mehr zu verlieren und wolle diese Abstimmung gewinnen, so SVP-Präsident Brunner.

Etwas Aufwind erhielt der Gripen durch eine Flugzeugentführung im Raum Genf, als der Schweiz vor Augen geführt wurde, weshalb eine intakte Luftabwehr nötig sein kann. Der Co-Pilot einer Maschine der Ethiopian Airline hatte das eigene Flugzeug nach Genf entführt, um in der Schweiz einen Asylantrag zu stellen – was jedoch erst nach dem Vorfall bekannt wurde. Zuvor irrte die vollbesetzte Passagiermaschine, von zwei Eurofighter-Jets der Italienischen Luftwaffe begleitet, über Italien, ehe sie über dem Montblanc-Massiv von der Französischen Luftwaffe weiterbegleitet wurde und schliesslich in Genf zur Landung gezwungen werden konnte. Dass die Schweizerische Luftwaffe nur zu Bürozeiten operativ ist und nicht eingreifen konnte, sorgte im Ausland für Erstaunen und in der Schweiz einerseits zur Forderung nach einem ausgebauten Luftschirm, andererseits aber auch zu Spott und Häme. Später wurde auch die Krim-Krise in der Ukraine als Argument für eine funktionierende Luftwaffe herangezogen.
Am 25. Februar präsentierte das Ja-Komitee seine Argumente für den Abstimmungskampf. „Sicherheit zuerst!“ sollte als Leitmotiv die Stimmbürgerschaft mobilisieren. Sicherheit sei die Garantie für Frieden, Freiheit und Wohlstand, so Jakob Büchler (cvp, SG). Ab März und damit rund zwei Monate vor dem Urnengang sorgte ein allfälliger „Plan B“ für Irritation. Aus verschiedenen Kreisen wurde kolportiert, Bundesrat Maurer arbeite für den Fall eines Volks-Neins an einer alternativen Gripen-Beschaffung: er wolle Gripen-Jets mieten, leasen oder über das ordentliche Armeebudget – und damit ohne Mitsprache der Stimmbevölkerung – beschaffen. Trotz Dementi Maurers selbst, seines Sekretariats und auch der armasuisse, hielt sich das Gerücht über einen allfälligen „Plan B“ hartnäckig in den Medien.
Ebenfalls Mitte März lancierte das Gegnerkomitee seinen Abstimmungskampf und setzte vor allem auf die Kostenfrage. Man wollte die Gripen-Beschaffung nicht zu einer Armee-Grundsatzfrage machen und auch nicht sicherheitspolitische Argumente ins Feld führen, da man sich daraus eher weniger Chancen versprach. Vielmehr erhoffte man sich mit dem Slogan „Kampfjetmilliarden gegen Bildung, Verkehr oder AHV“ einen Erfolg an der Urne. In der Zwischenzeit wurde der Tonfall im Abstimmungskampf gehässiger. SVP-Patron Christoph Blocher hinterfragte die Finanzierung der Gegnerkampagne, indem er den Verdacht äusserte, dass möglicherweise die beim Typenentscheid unterlegenen Rüstungskonzerne (EADS und Dassault) Geld gegen den Gripen einschiessen würden – dies, um bei einer Neu-Evaluation zum Zug kommen zu können. Aus dem bürgerlichen Nein-Komitee wurde jedoch postwendend klargestellt, man habe weder Kontakt mit anderen Rüstungsgesellschaften, noch Geld erhalten, so etwa Beat Flach (glp, AG). Gar als absurd betitelte Chantal Galladé (sp, ZH) die Vorwürfe.
Kurz darauf bemühte sich der Sonntags Blick um einen ersten Trend in der Gripen-Frage und stellte eine Ablehnung von über 60 Prozent fest. Trotz dieser erstmaligen Stimmungsaufnahme zeigte sich der Verteidigungsminister gegenüber der Presse betont gelassen und zuversichtlich. Dennoch legte er einen regelrechten Redemarathon hin und trat von April bis zur Abstimmung im Mai an über 20 Veranstaltungen für den Gripen auf.

Das bürgerliche Nein-Komitee wurde ab Anfang April aktiv. Man stehe für eine starke Armee ein, sei jedoch gegen den Gripen, weil Geld und ein Konzept fehle - Argumente, die bereits in den Parlamentsdebatten von Roland Fischer (glp, LU) vorgebracht worden waren. In diesem Nein-Komitee waren auch die CVP-Frauen vertreten.
Über Alternativen zur Gripen-Beschaffung, also wiederum über einen „Plan B“, wurde weiter berichtet, als sich im April auch der ehemalige Jetpilot und Nationalrat Thomas Hurter (svp, SH), seines Zeichens Präsident der SiK-NR, über solche Pläne äusserte. Es brauche einen „Plan B“ für den Fall, dass der Gripen an der Urne scheitern sollte. Seine Vorstellung war die Beschaffung von zwölf Fliegern alle 15 Jahre. Eine Forderung, die sogar von Parteikollegen kritisiert wurde. Hans Fehr (svp, ZH) gab etwa zu bedenken, dass es ungeschickt sei, bereits vor der Abstimmung laut über Alternativen nachzudenken. Alex Kuprecht (svp, SZ) bezeichnete die Aussage gar als „absoluten Blödsinn“. Hurter rechtfertigte seine Idee mit dem Umstand, dass beim Urnengang nicht für oder gegen neue Flieger, sondern nur für oder gegen die Art der Finanzierung abgestimmt werde. Mit einer Alternativbeschaffung würde der Volkswillen – von der SVP gemeinhin hochgehalten – also nicht umgangen. Ein erneuter Evaluationsprozess für einen neuen Flugzeugtyp würde zudem viel zu lange dauern. Deswegen müsse man sich für den Ersatz der Tiger-Flotte bereits zu diesem Zeitpunkt und auch unter Berücksichtigung eines möglichen Volks-Neins Gedanken machen.
Auch über weitere Alternativen zur Luftraumüberwachung wurde diskutiert, etwa über den Kauf gebrauchter F/A 18 Jets der neueren Generation, die Beschaffung von Kampf-Helikoptern, einen Ausbau der Boden-Luft-Fliegerabwehr (die ohnehin konkretisiert werden sollte) oder über die Aufrüstung der alten Tiger Flotte. Anfang Juni wurde bekannt, dass das VBS beabsichtige, israelische Drohnen beschaffen zu wollen. Immer mehr wurde auch die Frage debattiert, wie die budgetierten Mittel verwendet werden sollen, falls der Gripen an der Urne abgelehnt würde. Für Sicherheitspolitiker war klar, dass dieses Geld der Armee gehöre, weil es über das ordentliche Armeebudget hätte aufgebracht werden müssen. Linke Politiker hingegen sahen eine Chance, neu über die Verteilung der ca. CHF 3 Mia. zu beraten. Ihrer Vorstellung nach sollte das Geld zu Gunsten der Bildung, zur Sicherung der sozialen Sicherheit, des öffentlichen Verkehrs, oder auch zu Gunsten der Entwicklungshilfe, die richtig eingesetzt friedensfördernd wirke, eingesetzt werden. Dieser Punkt blieb freilich vorerst offen.
Als sehr unsicher musste der Erfolg der Gripen-Beschaffung ab Mitte April betrachtet werden: Nachdem die oben genannte Sonntags Blick-Umfrage noch nicht zu Unruhe bewogen hatte, tat dies die erste SRG-Trendumfrage des gfs.bern. Nur 42 Prozent der Befragten sprachen sich darin für den Gripenkauf aus, ein Ergebnis, das sich fast mit der ersten Umfrage deckte. Freilich gaben die Demografen zu bedenken, dass die Unterschiede zwischen den Ja- und Nein-Anteilen zu gering seien, um sich bereits festlegen zu können. Noch am selben Tag liess sich Bundesrat Maurer zitieren, er glaube, dass sich die Stimmbevölkerung der sicherheitspolitischen Tragweite der Gripen-Vorlage bewusst sei. Weiterhin gab sich der Verteidigungsminister kämpferisch. Sein Engagement für den Gripen gipfelte jedoch zwischenzeitlich in einem Fiasko, als Maurer in der Sendung „Rundschau“ des SRF zu einem Rundumschlag ausholte und kurz sogar die Contenance verlor. Er enervierte sich derart über die Berichterstattung zum Gripen-Kauf, dass er sich mit dem Moderator einen verbalen Schlagabtausch lieferte. Die als einseitig kritisierte Sendung löste eine Rekordzahl an Beschwerden bei der Ombudsstelle der SRG aus, die allerdings Ende Mai sämtlich abgewiesen wurden, da das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt worden sei und das Publikum durchaus in der Lage gewesen sei, sich eine eigene Meinung zum fraglichen Rundschau-Beitrag zu bilden. Dennoch wurde auch die Sendung selbst kritisiert. So habe der ausgestrahlte Bericht „die hohen Anforderungen an die Ausgewogenheit, welche im Vorfeld einer Volksabstimmung verlangt werden, nicht erfüllt.“ Zudem wurde festgehalten, dass einige der gestellten Fragen „manchmal unnötig provokativ waren“.
Später und mit zunehmender Nähe zum Abstimmungstermin setzte der Verteidigungsminister im Lichte des ungewissen Abstimmungsausgangs auf warnende Worte und beschwor die Angst vor einem ungeschützten Luftraum, ja er bediente sich gar erpresserischer Formulierungen. „Wenn man jetzt nicht Flieger bestellt, steht man zehn Jahre später ohne Luftwaffe da“, mahnte Maurer. Dass die „F/A 18 im Krisenfall nicht genügen“, doppelte auch Divisionär Bernhard Müller, stellvertretender Kommandant der Luftwaffe, nach. Doch die Stimmbevölkerung zeigte sich in der zweiten Welle der SRG Trendumfrage unbeeindruckt. Knapp zehn Tage vor der Abstimmung schien der Gripen noch immer nicht abzuheben: mit 44 Prozent Zustimmung war nach wie vor nur eine Minderheit der Befragten für die Kampfjetbeschaffung. Zudem zeichnete sich ab, dass tatsächlich die Kostenfrage entscheidendes Argument werden dürfte. Trotz der gemäss gfs.bern bereits weit fortgeschrittenen Meinungsbildung machten sich beide Lager zu einer Schlussoffensive auf. Die vier Parteipräsidenten Martin Landolt (bdp, GL), Christophe Darbellay (cvp, VS), Philipp Müller (fdp, AG) und Toni Brunner (svp, SG) – diese Parteien hatten die Ja-Parole ausgegeben – versammelten sich in der Folge in Bern zu einer Medienorientierung, um nochmals ihre besten Argumente vorzutragen. Der hochkarätig besetzte Anlass wurde kurzfristig anberaumt und zeigte die Nervosität der Parteispitzen offensichtlich. Vor dem Bundeshaus gingen sie gemeinsam symbolisch auf einer Hebebühne „in die Luft“. Ein unglücklicher Entscheid, wie sich später herausstellen sollte. Ihre von den Stadtberner Behörden nicht bewilligte Aktion führte nämlich zu einer Anzeige.

Einziger Lichtblick für die Befürworter war die Erfahrung, dass das Stimmvolk kaum je eine Armeevorlage versenkt hatte. Doch auch dieser wurde am Abstimmungstag zerschlagen. 53,4 Prozent der Stimmenden (Stimmbeteiligung: 55,5 Prozent) lehnten das Gripen-Fondsgesetz an der Urne ab, ein Erfolg für die linken Parteien, die zusammen mit der GLP die Nein-Parole beschlossen hatten und eine herbe Niederlage für Verteidigungsminister Maurer, der sich über Jahre für neue Kampfjets eingesetzt hatte. Er hielt fest, dass es ein Votum gegen den Gripen sei, nicht gegen die Armee und wiederholte, dass nun kein „Plan B“ aus der Schublade gezogen werde. Zunächst sei das Resultat zu analysieren, erst dann wollte der Verteidigungsminister über neue Varianten sprechen. Er gab jedoch auch zu bedenken, dass die Diskussion über neue Kampfflieger bald wieder beginnen müsse, zumal auch die F/A 18 Flieger irgendwann ersetzt werden müssten. Die Linken sahen sich dagegen in ihren Bemühungen gegen das teure Rüstungsgeschäft bestätigt und auch aus dem bürgerlichen Gegnerlager hörte man erleichterte Stimmen. Das Resultat zeige, dass auch viele liberale und bürgerliche Wählerinnen und Wähler den Gripen-Kauf ablehnten, so Roland Fischer (glp, LU). In seinen Augen hätten sich die zwei Gegnerkomitees gelohnt. Aus der SVP wurde hingegen konsterniert verkündet, dass man „jetzt erst recht in die Landesverteidigung investieren müsse“.
Im Nachgang an die Volksabstimmung beherrschten die Fragen um die Zukunft der Armee und der Luftwaffe den politischen Diskurs, jedoch auch und wiederholt die Frage, was mit den frei gewordenen „Gripen Milliarden“ nun geschehen soll. Ernüchtert musste auch der Wirtschaftsstandort Schweiz den Volksentscheid hinnehmen. Rund 500 Verträge mit 125 Unternehmen und einem Volumen von rund CHF 400 Mio. hatte Saab im Vorfeld der Abstimmung mit Schweizer Unternehmen unterzeichnet – Anlagen, die nun ungewiss waren. Der Rüstungskonzern Ruag befürchtete, rund 200 Stellen streichen zu müssen, unter anderem von Mitarbeitern, die bereits seit langem auch an Gripen-Konfigurationen arbeiteten.


Abstimmung vom 18. Mai 2014

Beteiligung: 56,33%
Ja: 1 345 726 (46,6%)
Nein: 1 542 761 (53,4%)

Parolen:
– Ja: SVP, CVP(3*), FDP, BDP, GLP; Economiesuisse, SGV, SOG, AUNS, Swissmem.
– Nein: SP, GPS, GLP (1*); SGB, VPOD, GSoA.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Das Gripen-Nein veranlasste Bundesrat Maurer schliesslich auch dazu, die Weiterentwicklung der Armee (WEA) zu vertagen und die Botschaft erst im Herbst zu verabschieden. Das Reformprojekt wurde dadurch um mindestens drei Monate verzögert. Mit der dadurch gewonnenen Zeit sollen, unter anderem, finanzielle Fragen neu abgesteckt werden, die durch die abgelehnte Jet-Beschaffung aufkamen. Entscheidend war dabei, ob das Armeebudget revidiert werden musste – ein zentrales Element der WEA.
Die allfällige Geld-Neuverteilung selbst wurde vom Verteidigungsminister ausgeschlagen; er wollte die für den Jet-Kauf eingeplanten Mittel für andere Rüstungsgeschäfte einsetzen und mit CHF 790 Mio. weniger als die Hälfte der Bundeskasse zurückgeben. Dies führte zu Unstimmigkeiten innerhalb der Landesregierung, da Finanzministerin Widmer-Schlumpf in einem Mitbericht bereits Widerstand gegen dieses Ansinnen angekündigt hatte. Seitens der SP wurde eine ganz neue Ausrichtung der Armee gefordert und die Gripen-Ablehnung als Chance dafür betrachtet. Die Rückgabe der CHF 790 Mio. wurde indes von bürgerlichen Politikern nicht goutiert. Ihrer Meinung nach „gehörte“ das Geld der Armee, gleich wie es eingesetzt werden sollte. Es gebe „unzählige Möglichkeiten, dieses Geld zu verwenden“, so Jakob Büchler (cvp, SG), der das Thema in der SiK-NR nochmals durchdiskutiert wissen wollte. Im selben Zeitraum gab der Rüstungschef Ulrich Appenzeller seinen Rücktritt bekannt, womit Ueli Maurer noch ein personelles Problem zu lösen hatte. Appenzeller gab seinen Posten wegen „unterschiedlicher Auffassungen über die Ausrichtung der Armasuisse und die Rolle des Rüstungschefs“ auf.

In der Analyse der Abstimmung (Vox) wurden die ausschlaggebenden Argumente für die Ablehnung des Gripen ermittelt. Vor allem die Gruppe der jüngeren Stimmenden und Frauen sowie zahlreiche Mitte-Wählende und FDP-Anhänger waren gegen den Flugzeug-Kauf. Ein Drittel der Befragten kritisierte die hohen Kosten dieses Rüstungsgeschäfts und rund zehn Prozent gaben an, der Gripen sei nicht das richtige Flugzeug für die Schweiz. Nochmals zehn Prozent sprachen sich dafür aus, dass erst die Rolle der Ausgestaltung der Armee geklärt werden müsse, bevor ein solches Rüstungsvorhaben umgesetzt werden könne. Ebenfalls knapp zehn Prozent lehnten den Gripen wegen einer grundsätzlich ablehnenden Haltung zur Armee ab. Im unterlegenen Ja-Lager wurden überwiegend sicherheitspolitische Argumente für den Stimmentscheid vorgebracht. Die Politologen der Universität Zürich hielten zudem fest, dass im Vergleich zu anderen Abstimmungen auffällig häufig die Kampagne und die Informationspolitik der Gripen-Befürworter als Grund für ein Nein genannt wurden. So seien auch das langwierige Auswahlverfahren, wie auch die zahlreichen Ungereimtheiten und Indiskretionen über die gesamte Dauer aller Verfahren hinweg ausschlaggebend für das Nein gewesen.

Beschaffung des Kampfflugzeuges Gripen (BRG 12.085)
Dossier: Armee-Rüstungsprogramme
Dossier: Gripen-Beschaffung
Dossier: Beschaffung neuer Kampfflugzeuge
Dossier: Teilersatz der Tiger F-5 Kampfflugzeuge und Beschaffung des Gripen

Mitte März 2014 gelangte die Änderung des Bundesgesetzes über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (ZNDG) in den Nationalrat, dessen sicherheitspolitische Kommission (SiK) Eintreten einstimmig beschlossen hatte. Grundsätzlich standen alle Fraktionen hinter der vom Ständerat verabschiedeten Fassung. Einzig die SP-Fraktion zeigte sich engagiert und wollte, so Fraktionssprecherin Graf-Litscher (sp, TG), die vorliegende Version noch optimieren. Zwei Minderheitsanträge wurden vorgetragen. Neben der Überprüfung auf die Erheblichkeit und Richtigkeit der zu erfassenden Personendaten sollten zusätzliche Einschätzungen über die Berechtigung einer Fichierung vorgenommen werden müssen. Zweitens sollten Erkenntnisse des Nachrichtendienstes den Strafverfolgungsbehörden nicht auf Anfrage zur Verfügung gestellt, sondern auf Eigeninitiative des NDB unverzüglich gemeldet werden. Beide Anträge fanden jedoch im Ratsplenum keine Mehrheit und wurden jeweils deutlich abgelehnt. Bundesrat Maurer gab in seinem Votum zu bedenken, dass es sich bei diesem Gesetz um eine Übergangsgesetzgebung handle und deswegen keine Praxisänderungen angestrebt werden sollten. Mit der Ablehnung der Minderheitsanträge stand nun noch die ständerätliche Fassung im Raum, welche in der Gesamtabstimmung mit 167 zu 1 Stimme deutlich gutgeheissen wurde. Das deutliche Votum aus dem Nationalrat setzte sich in den jeweiligen Schlussabstimmungen fort; die kleine Kammer verabschiedete die Vorlage einstimmig mit 42 Stimmen, der Nationalrat segnete sie mit 194 ebenfalls einstimmig ab.

Änderung des Bundesgesetzes über die Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes (ZNDG) (BRG 13.064)

Als Erstrat behandelte der Ständerat den Entwurf einer Totalrevision des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF). Die Gesetzesänderung sollte vor allem sicherstellen, dass der verschlüsselte Fernmeldeverkehr auch bei künftigen technologischen Entwicklungen im Rahmen der Strafverfolgung weiterhin überwacht und nicht für kriminelle Taten missbraucht werden kann. So sollte eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden für Überwachungen mit sogenannten Staatstrojanern (Government Software/GovWare), deren Einsatz im Rahmen eines Strafverfahrens möglich ist, wenn er von der Staatsanwaltschaft beantragt und vom zuständigen Zwangsmassnahmengericht genehmigt wurde. Bisher ist eine Überwachung nur bei der Notsuche nach einer vermissten Person erlaubt. Neu sollten auch Anbieter von Post- und Fernmeldediensten zur Mitwirkung an Überwachungen verpflichtet werden können. Als Gegenzug erhielten sie eine Entschädigung. Es war denn auch dieser Punkt, der im Ständerat mehr zu reden gab als der Einsatz der Staatstrojaner und deren Vereinbarkeit mit den Grundrechten. Mit 27 zu 13 Stimmen bei einer Enthaltung entschied sich dennoch eine Ratsmehrheit dafür, die Anbieter zu entschädigen. Eine weitere Abweichung vom bundesrätlichen Entwurf ergab sich bei der Aufbewahrungsdauer der Randdaten. Während der Bundesrat die Frist allgemein von sechs auf zwölf Monate verlängern wollte, sprach sich der Ständerat nur beim Fernmeldeverkehr, nicht aber beim Postverkehr, dafür aus. Der Ständerat nahm den abgeänderten Entwurf mit 30 zu 2 Stimmen bei 4 Enthaltungen an. Im Juli formierte sich ein Bündnis von linken Gruppierungen – darunter die Juso, die Grünen, die jungen Grünen, die Piratenpartei und die Nichtregierungsorganisation „Digitale Gesellschaft“ – und Telekommunikationsanbietern, welches gegen die Büpf-Revision das Referendum erwog.

BÜPF-Revision (BRG 13.025)
Dossier: Staatliche Überwachung