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Die Wahlen von Richterinnen und Richtern ans Bundesgericht werfen in der Regel keine hohen Wellen. Das Prozedere verläuft jeweils gleich: Ein vakanter Posten wird ausgeschrieben, die GK lädt Bewerberinnen und Bewerber ein und wählt dann jene Person aus, die sich nicht nur fachlich eignet, sondern auch hinsichtlich Geschlecht, Sprache und insbesondere Parteienzugehörigkeit in den einzelnen eidgenössischen Gerichten am meisten Proportionalität herstellt. Praktisch immer heissen alle Fraktionen die Empfehlung der GK gut, was die Wahl durch die Vereinigte Bundesversammlung schliesslich fast zu einer Alibiübung verkommen lässt. Auch wenn einzelne Parlamentsmitglieder angehenden Richterinnen und Richtern ab und zu ihre Stimme verweigern – die Anzahl leerer Stimmen ist jeweils ein Indiz dafür, dass die Kandidatin oder der Kandidat nicht allen Parteien genehm zu sein scheint, wobei aufgrund des Stimmgeheimnisses freilich nicht klar wird, aus welchen Fraktionen die Proteste effektiv stammen –, kommt es praktisch nie vor, dass die von der GK vorgeschlagenen Kandidierenden das absolute Mehr nicht schon in der ersten Runde deutlich übertreffen.
Der Ersatzwahl für die zurücktretenden Bundesrichter Peter Karlen (svp) und Jean-Maurice Frésard (sp) gingen nun aber medial begleitete Diskussionen voraus, die das Potenzial hatten, diese Routine zu gefährden. Stein des Anstosses war die Empfehlung der GK für die deutschsprachige Vakanz: Obwohl die SVP am Bundesgericht die am stärksten untervertretene Partei war (-2.43 Stellen), entschied sich die Kommission für Julia Hänni, die der CVP angehört. Die GK begründete diesen Entscheid nicht nur mit der besten Bewerbung, sondern auch mit dem geringen Frauenanteil (vor der Wahl bei 38.9 Prozent) und mit dem Umstand, dass die CVP die am zweitstärksten untervertretene Partei sei (-0.64 Stellen). Gleich drei Fraktionen, nämlich die SVP, die FDP und die BDP, sprachen sich gegen diese Empfehlung aus und planten, die vakante Stelle mit einem SVP-Richter zu besetzen. Sie portierten den Berner Verwaltungsrichter Thomas Müller (svp). Die Empfehlung der GK für den Kandidaten französischer Muttersprache, Bernard Abrecht (sp), war unbestritten.
Die Medien wussten zu berichten, dass der Entscheid für Hänni in der GK mittels Stichentscheid des Präsidenten gefallen sei. Die Wahl sei deshalb brisant, weil die Nachfolgerin oder der Nachfolger Karlens potenziell in der Zweiten öffentlich-rechtlichen Abteilung eingesetzt werden könnte. In dieser Kammer werden etwa Urteile zum Ausländerrecht und zu den Beziehungen zur EU, aber auch zum Verhältnis zwischen Völker- und Landesrecht gefällt. Zudem gehörten zwei der sechs Mitglieder in dieser Kammer bereits der SVP an. Mit einem dritten Mitglied wären die SVP-Richter also wohl sehr häufig in der Mehrheit, weil das Gremium zu dritt oder zu fünft entscheidet. Freilich ist die Zuweisung neuer Richterinnen und Richter zu den einzelnen Kammern Sache des Bundesgerichts selber. Verschiedene Parlamentsmitglieder wollten aber kein Risiko eingehen – die Medien berichteten, dass einige Abgeordnete argwöhnten, die SVP wolle nach dem Scheitern ihrer Selbstbestimmungsinitiative die wichtige Kammer kurzerhand kapern. Einigen stiess in der Diskussion zudem sauer auf, dass neben dem Parteienschacher das Gleichstellungsargument zu kurz komme. Am Tag des Frauenstreiks habe sich die NZZ gegen eine bestens qualifizierte Frau ausgesprochen, monierte etwa Ruth Humbel (cvp, AG) via soziale Medien.
Der SVP-Kandidat Müller sorgte dann mit einem Verzicht auf die Kandidatur dafür, dass es Mitte Juni nicht zu einer Kampfwahl für den Posten am Bundesgericht kam. In den Medien wurde kolportiert, dass SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi (svp, ZG) bei den anderen Parteien nicht genügend Unterstützung gefunden habe und dass Müller sich die Wahlchancen für künftige Richterwahlen – bereits im Herbst mussten vier weitere Vakanzen besetzt werden – habe intakt halten wollen.
Kurz vor dem Wahlakt verlangte Aeschi das Wort und rechnete vor, dass die Untervertretung einer Partei am Bundesgericht – statt über 11.5 verfüge die Volkspartei nun noch lediglich über neun Stellen – seit Einführung der Gerichtskommission im Jahr 2003 noch nie so krass gewesen sei. Von den neun Bundesgerichtsmitgliedern der SVP seien vier Frauen, weshalb man die Partei auch nicht als «Frauenverhindererin» bezeichnen könne. Die SVP sei nicht immer glücklich gewesen mit vorgeschlagenen Richterinnen und Richtern von Mitte-Links, sie habe aber den Parteienproporz stets mitgetragen. Er warnte vor einem «parteipolitischen Hickhack» im Vorfeld von Richterwahlen, wenn die Repräsentativität in der Judikative nicht mehr gewährleistet werde. Zugleich wies er darauf hin, dass sich ihr «absolut ausgewiesener, bestens qualifizierte Kandidat» Thomas Müller aufgrund des Drucks der anderen Parteien für die Wahl nicht zur Verfügung stelle. Für die CVP-Fraktion ergriff Leo Müller (cvp, LU) ebenfalls das Wort und wies darauf hin, dass Parteienproporz auch über längere Zeiträume eingehalten werden könne. Die Gerichtskommission benötige Spielraum, um auch andere Kriterien wie eben Geschlecht oder Sprache berücksichtigen zu können.
Auch bei dieser Wahl schafften die Kandidierenden den Sprung nach Lausanne schliesslich bereits im ersten Wahlgang. Von den 233 eingelangten Wahlzetteln wurden aber dennoch deren 60 leer eingelegt und 17 Stimmen entfielen auf Diverse. Julia Hänni wurde schliesslich mit 151 Stimmen gewählt. Der Name des eigentlich unbestrittenen Bernard fand sich auf 157 Stimmzetteln.
Nach der Wahl erhob die SVP lauthals Anspruch auf zwei der besagten vier frei werdenden Posten, von denen je zwei von Angehörigen der SP bzw. der GP besetzt waren. Insbesondere die GP sei mit zwei Stellen übervertreten, betonte die SVP.

Wahlen von Richterinnen und Richtern ans Bundesgericht

Wie jedes Jahr trafen sich Mitglieder des Bundesrates mit den Spitzen der Regierungsparteien zu den von-Wattenwyl-Gesprächen. Mitte Februar waren die Altersvorsorge und die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative die Themen. Über die internationalen finanzpolitischen Entwicklungen tauschten sich Bundesrat und Regierungsparteien Mitte Mai aus. Sowohl am 29. August als auch am 7. November stand erneut die Masseneinwanderungsinitiative auf der Traktandenliste. Zudem wurden die Vorschläge für mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung und die Ebola-Epidemie in Westafrika diskutiert.

Von-Wattenwyl-Gespräche seit 2013

Viermal trafen sich Regierungsmitglieder mit den Parteipräsidenten und Fraktionsspitzen der Regierungsparteien (CVP, FDP, SP, SVP und BDP) zu den so genannten traditionellen von-Wattenwyl-Gesprächen. Die regelmässig abgehaltenen informellen Gespräche tragen den Namen des Hauses in der Berner Altstadt, in dem sie stattfinden. Im Februar stand die Altersvorsorge 2020 zur Debatte; im Mai sprachen die Beteiligten über die kurz- und mittelfristigen finanzpolitischen Herausforderungen und die Unternehmenssteuerreform III; Ende August standen die EU-Dossiers, der Finanzplatz und erneut die Reform der Altersvorsorge auf der Agenda und im November waren die bevorstehenden finanzpolitischen Weichenstellungen das Hauptthema der Gespräche, deren Resultate wie immer geheim blieben.

Von-Wattenwyl-Gespräche seit 2013

Am 10. Dezember wählte die Vereinigte Bundesversammlung den Nachfolger von Samuel Schmid. Die SVP schlug Christoph Blocher und Ueli Maurer vor, die Fraktionen FDP/LP sowie CVP/EVP/GLP (letztere allerdings nur mit einer äusserst knappen Mehrheit) empfahlen Maurer. Die Grünen präsentierten mit Luc Recordon (VD) einen eigenen Kandidaten. Die SP erklärte, dass sie, wie auch die anderen Regierungsparteien für die Reintegration der SVP in den Bundesrat sei, aber nicht für Maurer stimmen würde. Noch vor dem ersten Wahlgang erklärte Nationalrat Hansjörg Walter (svp, TG), der wusste, dass er von der Linken und einem Teil der CVP viele Stimmen erhalten würde, dass er eine allfällige Wahl ablehnen würde. Trotzdem erhielt er im ersten Wahlgang mit 109 die weitaus höchste Stimmenzahl; Maurer kam auf 67, Blocher auf 54 Stimmen und weitere 11 entfielen auf diverse Kandidaten. Für den zweiten Wahlgang erklärte SVP-Fraktionschef Baader (BL) den Rückzug von Blocher zugunsten von Maurer. Mit 121 Stimmen blieb aber Walter an der Spitze vor Maurer mit 119 und verfehlte das absolute Mehr von 122 nur um eine einzige Stimme. Im dritten Wahlgang steigerte sich Maurer auf 122 Stimmen und erreichte damit genau das absolute Mehr; Walter blieb bei 121. Der 57-jährige Ueli Maurer nahm die Wahl an und erklärte sich erleichtert, dass die SVP wieder in der Regierung vertreten sei. Er übernahm – da kein amtierender Bundesrat Veränderungswünsche hatte – auf den 1. Januar 2009 das VBS.

Die SVP war mit der Wahl ihres ehemaligen Parteipräsidenten in die Landesregierung sehr zufrieden. Sie betonte zwar, dass sie so rasch wie möglich auch den ihr – gemessen an ihrer Wählerstärke – zustehenden zweiten Sitz wieder zurückhaben wolle. Die Konkordanz war aber in ihren Augen soweit wieder hergestellt, dass sie ankündigte, an den zukünftigen Treffen zwischen den Spitzen der Bundesratsparteien und der Landesregierung (so genannte Von-Wattenwyl-Gespräche) wieder teilnehmen zu wollen.

Bundesratsersatzwahlen 2008 – Nachfolge von Samuel Schmid
Dossier: Bundesratswahlen seit 2008

In der Finanzpolitik einigten sich die Regierungsparteien nach zähem Ringen auf einen Kompromiss zur Verabschiedung des Stabilisierungsprogramms 98, welches zur Sanierung des Bundeshaushalts Einsparungen von 2 Mia CHF und Mehreinnahmen von 20 Mio CHF bringen sollte. Umstritten waren von Anfang an die Sparmassnahmen im Sozialbereich sowie die Frage von zusätzlichen Einnahmen. Die SP hatte sich vehement gegen Einsparungen bei der AHV und ALV eingesetzt und gefordert, dass die Haushaltssanierung auch durch Mehreinnahmen, etwa durch die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer erfolgen sollte. Auf bürgerlicher Seite war die Bereitschaft zur Erschliessung weiterer Einnahmequellen klein: FDP und CVP waren zwar mit dem Bundesrat darin einig, das dritte ALV-Lohnprozent weiterzuführen und den Plafond für das zweite Lohnprozent zu erhöhen, darüber hinaus kamen neue Abgaben nur in Frage, wenn der Börsenstempel abgeschafft würde und somit beträchtliche Steuerausfälle kompensiert werden müssten. Die SVP wendete sich ausser beim zusätzlichen Mehrwertsteuerprozent für die Sozialversicherungen generell gegen neue Steuern.
Die erste ernsthafte Bewährungsprobe für den Zusammenhalt des runden Tisches erfolgte, als die SP zusammen mit den Gewerkschaften am Nein zum Haushaltsziel 2001 festhielten, was ihnen heftige Kritik von bürgerlicher Seite einbrachte. Umgekehrt stellten zahlreiche bürgerliche Parlamentarier durch ihren Eintritt in das Pro-Komitee der Wohneigentumsinitiative den runden Tisch in Frage, nachdem vorgängig beschlossen worden war, die Volksinitiative «Wohneigentum für alle» des Hauseigentümerverbandes abzulehnen und auf einen Gegenvorschlag bis zum Ausgleich der Bundesfinanzen zu verzichten. Die SVP gab zu dieser Initiative die Ja-Parole aus.

Keine Einigkeit zwischen den Regierungsparteien in wichtigen Fragen 1998

Auch im Berichtsjahr herrschte zwischen den Regierungsparteien in wichtigen Fragen keine Einigkeit, was sich auch bei den eidgenössischen Abstimmungen zeigte. Bei den zehn durchgeführten Volksabstimmungen waren die vier Bundesratsparteien bloss bei der Revision des Arbeitsgesetzes sowie beim befristeten Getreideartikel einer Meinung (1997: 2 von 5). Während die CVP und die FDP bei allen Vorlagen der Empfehlung von Bundesrat und Parlament folgten, scherte die SVP in der Verkehrspolitik (LSVA, Finanzierung der Eisenbahngrossprojekte) aus, die SP beim Haushaltsziel 2001, bei der Gen-Schutz-Initiative, bei der AHV-Auffanginitiative sowie bei den Volksinitiativen «S.o.S. Schweiz ohne Schnüffelpolizei» und «für eine vernünftige Drogenpolitik». Zusätzlich beschloss sie Stimmfreigabe bei der Kleinbauern-Initiative. Das Volk verhielt sich bei jeder Abstimmung regierungstreu.

Keine Einigkeit zwischen den Regierungsparteien in wichtigen Fragen 1998

Auch im Berichtsjahr herrschte zwischen den Regierungsparteien in wichtigen Fragen keine Einigkeit, wobei wechselweise SP und SVP ausscherten. Dies zeigte sich auch bei den Volksabstimmungen: Während sich FDP und CVP in allen Fällen regierungstreu gaben, scherte die SP bei ihrer eigenen Initiative «Für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr» und beim dringlichen Bundesbeschluss zur Arbeitslosenversicherung aus. Die SVP wollte in der Drogenpolitik nichts vom offiziellen Regierungskurs wissen und befürwortete die restriktive Volksinitiative «Jugend ohne Drogen». Ausserdem nahm die SVP als einzige Regierungspartei in der im Berichtsjahr neu aufgelebten Diskussion über eine Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs eine restriktive Position ein. Die SP wiederum wehrte sich als einzige Bundesratspartei gegen Abstriche im Sozialbereich und gegen den vom Bundesrat aufgestellten Fahrplan für die Sanierung der Bundesfinanzen.

Keine Einigkeit 1997 zwischen den Regierungsparteien in wichtigen Fragen

Insbesondere aufgrund ihrer Haltung im Bereich der bilateralen Verhandlungen warfen SP, CVP und FDP der SVP vor, «nicht mehr bündnisfähig» zu sein. Die SVP trug die Verhandlungen im Berichtsjahr offiziell zwar weiterhin mit, gleichzeitig sprach sie sich aber gegen die Aufhebung der 28-Tonnen-Limite bei Lastwagen sowie gegen die Schwerverkehrsabgabe und den freien Personenverkehr aus und drohte mit Referenden. Die FDP mahnte die SVP per Pressedienst, «sich auf ihre einstigen Qualitäten als bürgerliche Partnerin, die Verantwortung übernahm, zu besinnen».

Vorwürfe gegen die SVP, nicht mehr bündnisfähig zu sein

Die Krankenversicherung war auch das Hauptthema der von-Wattenwyl-Gespräche der vier Bundesratsparteien vor der Wintersession. Die Spitzen von CVP, FDP, SP und SVP waren sich einig, dass trotz Missbehagen in der Bevölkerung das neue KVG nicht schon wieder revidiert werden sollte. Einmal mehr wurde festgestellt, dass man vor dem Inkrafttreten des Gesetzes den Vollzugsaufwand unterschätzt habe. Daraus leiteten die Parteien allerdings unterschiedliche Forderungen ab. Während die SP darauf pochte, dass die Kantone die Prämienverbilligungsbeiträge des Bundes vermehrt auslösen und allenfalls dazu gezwungen werden müssten, setzten sich die Bürgerlichen für Zurückhaltung bei der Erweiterung des Leistungsangebots in der Grundversicherung ein und erwogen allenfalls eine Erhöhung der Franchisen. Bundesrätin Dreifuss versprach, das BSV werde inskünftig die Prämien der Krankenkassen nicht nur buchhalterisch kontrollieren, sondern auch für mehr Transparenz bei der Tarifgestaltung sorgen. Sie drohte jenen Kantonen, welche die Bundesbeiträge nicht voll ausschöpfen mit einer Intervention des Bundes, falls nicht mindestens jene Personen in den Genuss von Verbilligungen kämen, denen dies in der Abstimmungskampagne versprochen worden sei.

von-Wattenwyl-Gespräche

Im letzten Jahr hatten sich die vier Bundesratsparteien auf eine intensivere Zusammenarbeit geeinigt. Auch im Berichtsjahr zeigte sich jedoch, dass sie in den wichtigen Fragen der Finanz-, Wirtschafts-, Ausländer- und Sozialpolitik zerstritten sind. So bezeichneten die Bürgerlichen die Sanierung der Bundesfinanzen als prioritär und sprachen sich für eine Stabilisierung der Sozialleistungsquote oder gar einen Abbau des Sozialstaats aus, während die SP die heutigen Defizite als nicht dramatisch einstufte und auf einem weiteren Ausbau des Sozialstaats bestand. Die SVP stand mit ihrer Volksinitiative «Gegen die illegale Einwanderung» und mit ihrem Nein zur Verwaltungs- und Regierungsreform allein auf weiter Flur.

Versuche der Zusammenarbeit der Parteien zur Deblockierung der eidgenössischen Politik

Vor den eidgenössischen Wahlen erarbeitete eine aus 31 prominenten Parlamentariern von FDP, CVP, SP und Grünen bestehende «Gruppe Dialog» eine «Erklärung für eine konsensfähige Erneuerungspolitik», die zu einer Deblockierung der eidgenössischen Politik beitragen sollte. Als wichtigste politische Ziele der kommenden vier Jahre postulierte die Gruppe die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Konsolidierung des sozialen Netzes, das Zugehen auf Europa, die Stabilisierung der Bundesfinanzen, eine verbesserte Ökoeffizienz sowie eine umfassende Verkehrsreform.

Nach ihrem Wahlsieg stemmte sich die SP aber etwa gegen die Forderung der Konsolidierung der Sozialwerke und erklärte sich auch mit der Aussage der «Gruppe Dialog» nicht einverstanden, dass Zugehörigkeit zur Regierung und fundamentale Opposition in wesentlichen Fragen der Zukunftsgestaltung unverträglich seien. Sie präsentierte deshalb Ende November einen weniger rigiden Vorschlag, auf dessen Basis sich die vier Bundesratsparteien für die neue Legislatur auf eine intensivere Zusammenarbeit einigten. Die «Erklärung der Bundesratsparteien zur Zusammenarbeit - auf der Basis konstruktiver Kompromisse» versteht sich nicht als verbindliches Regierungsprogramm, postuliert aber regelmässige Gespräche und gemeinsame Arbeitsgruppen mit zeitlich definierten Mandaten, um Lösungen zu wichtigen politischen Sachfragen zu erarbeiten. Dabei stehen fünf Schwerpunkte im Vordergrund: Wirtschaft und Arbeit, Sanierung der Bundesfinanzen, Zukunft der Sozialversicherungen, Beziehungen zur EU sowie Regierungs-, Verwaltungs- und Verfassungsreform. Jede der Bundesratsparteien hat Anspruch auf zwei Vertreter. Das Grundsatzpapier hält fest, dass einzelne Parteien im Rahmen der «variablen Geometrie» ausscheren können (opting out); Sanktionen sind nicht vorgesehen. Bis Ende Jahr wurden vier prominent besetzte vorparlamentarische Kommissionen geschaffen: Die Neat-Arbeitsgruppe, die Gruppe Wirtschaft, Konjunktur und Arbeitsmarkt, die Arbeitsgruppe Migration und die Gruppe Drogenpolitik.

Versuche der Zusammenarbeit der Parteien zur Deblockierung der eidgenössischen Politik

Eine Studie zu den Wahlen 95 kam jedoch zum Schluss, dass sich auf der Ebene der Wählenden keine Annäherung zwischen CVP, FDP und SP erkennen lässt. Nur gerade beim Thema «Europa» liegt die SP näher bei CVP und FDP als die SVP. Die hauptsächliche Trennlinie verlaufe aber nach wie vor zwischen der Anhängerschaft der drei bürgerlichen Bundesratsparteien auf der einen und derjenigen der SP auf der anderen Seite, also nach einem bipolaren Muster.

Studie zu den eidgenössischen Wahlen vom 22. Oktober 1995

Damit reagierte die FDP auf die These des Wandels vom zwei- zum dreipolaren Parteiensystem, die im Berichtsjahr vor allem in linken Kreisen die Runde machte und auch von SP-Präsident Peter Bodenmann vertreten wurde. Gemäss der These wandelt sich das traditionell in ein mehrheitlich bürgerliches und ein minderheitlich linkes Lager gespaltene Parteiensystem zunehmend in ein dreipoliges Parteiensystem mit einem rot-grünen Pol, einem bürgerlichen Zentrum (CVP, FDP) und einer national-konservativen Rechten (vom Zürcher Flügel dominierte SVP). Diese Rechte politisiere nicht nur gouvernemental, sondern auch ausgesprochen oppositionell.

Versuche und Vorschläge für Koalitionen der Bundesratsparteien 1995

Verschiedentlich wurden im Berichtsjahr Vorschläge zu Koalitionen von zwei Bundesratsparteien gemacht. So warb eine überparteiliche Parlamentariergruppe um FDP-Nationalrat Peter Tschopp (GE) für eine Koalition zwischen FDP und SP, um eine Öffnung gegenüber Europa zu erreichen. Auch SP-Präsident Peter Bodenmann äusserte mehrfach den Wunsch einer künftigen «Links-Mitte-Koalition» mit der FDP, um etwa in der Europafrage und der Drogenpolitik zu Lösungen zu kommen.
Nach dem nationalen Wahlsieg der Links- und Rechtspole SP und SVP schlug auch CVP-Präsident Anton Cottier der FDP einen Schulterschluss und damit «einen starken dritten Pol im bürgerlichen Zentrum» vor, um die gegenseitige Blockierung von SP und SVP zu überwinden. Die umworbene FDP zeigte sich interessiert, sprach sich jedoch für pragmatische Lösungen anstelle eines institutionalisierten Miteinanders aus. Sie sehe weniger eine Tripolarität im Vordergrund, sondern Bipolaritäten mit wechselnden Allianzen je nach Materie.

Versuche und Vorschläge für Koalitionen der Bundesratsparteien 1995

Dem Vorwurf insbesondere der CVP und der FDP, dass die SVP als Regierungs- und gleichzeitige Oppositionspartei ein Doppelspiel betreibe, begegnete die SVP mit einem Parteitag in Holziken (AG) unter dem Titel «Zukunft der SVP - Opposition oder Regierungspartei?». Dabei sprach sie sich klar für ein Verbleiben in der Regierung aus.

Diskussionen 1995: SVP als Regierungs- oder Oppositionpartei?