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  • Schweizerische Volkspartei (SVP)
  • Flach, Beat (glp/pvl, AG) NR/CN
  • Arslan, Sibel (basta, BS) NR/CN

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Ende Juni 2022 verabschiedete der Bundesrat die Eckwerte für ein neues Verhandlungsmandat mit der EU. Im Vorfeld wurde in der Öffentlichkeit die Hoffnung geäussert, dass die Verhandlungsgrundlage dieses Mal besser sei als jene beim gescheiterten institutionellen Rahmenabkommen. Die vom Bundesrat präsentierten Eckwerte sollen als Grundlage für weitere Gespräche und als Leitlinien für mögliche künftige Verhandlungen mit der EU dienen. Der Bundesrat definierte damit also jene Bereiche, die in einem künftigen Verhandlungsmandat abgedeckt werden sollten. Ergänzt wurden diese durch Oberziele allfälliger Verhandlungen und durch spezifische Ziele in einzelnen Bereichen. Zu den Oberzielen gehören unter anderem: Eine Stabilisierung des bilateralen Wegs und dessen für die Schweiz massgeschneiderte Entwicklung; hindernisfreie Binnenmarktbeteiligung in den Bereichen Landverkehr, Luftverkehr, Landwirtschaft, Strom, Lebensmittelsicherheit sowie in allen Kapiteln des Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen; der Abschluss eines Stromabkommens, eines Abkommens im Bereich Lebensmittelsicherheit und eines Gesundheitsabkommens; die Zulassung der Schweiz zu EU-Programmen wie beispielsweise Horizon 2021-2027. Im Gegenzug zu diesen Zugeständnissen biete die Schweiz Hand zu institutionellen Lösungen zur Erhöhung der Rechtssicherheit bei bestehenden und künftigen Binnenmarktabkommen. Zudem wolle die Schweiz sektoriell eingeschränkte staatliche Beihilferegelungen der EU übernehmen und die Verstetigung der Kohäsionszahlungen an die EU prüfen.
Der Bundesrat teilte in seiner Medienmitteilung mit, dass die betroffenen Bundesämter damit beauftragt worden seien, die noch offenen Punkte in Gesprächen mit der EU zu klären, unter anderem die Frage, wie die neuen Abkommen in das Verhandlungspaket integriert werden sollen. Er kündigte an, bis Ende Jahr die Verabschiedung des Verhandlungsmandats vorzubereiten, sofern die internen Arbeiten und die Gespräche mit der EU weiterhin gut verliefen.

Die Schweizer Öffentlichkeit reagierte unterschiedlich auf die Positionsbestimmung des Bundesrats. Während der Schweizerische Gewerkschaftsbund und Travail Suisse auf viele ungelöste Probleme verwiesen und den präsentierten Kompromissen kritisch gegenüber standen, betonte der Arbeitgeberverband, dass die «allermeisten offenen Punkte» bei den flankierenden Massnahmen gelöst werden konnten. Die Eckpunkte stiessen auch bei den Parteien nicht auf uneingeschränkte Gegenliebe. FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) bezeichnete die Eckwerte vor der Verabschiedung des Verhandlungsmandats als unnötigen Zwischenschritt, der nur dazu diene, «alle ruhigzustellen». Die SVP monierte laut «La Liberté», dass der Bundesrat mit diesen Eckwerten die Souveränität des Landes opfern wolle. SVP-Aussenpolitiker Franz Grüter (svp, LU) kritisierte, dass die heiklen Punkte wie die dynamische Rechtsübernahme oder die Streitbeilegung mit dem EuGH als Entscheidungsinstanz die gleichen wie beim institutionellen Rahmenabkommen seien. Ebenfalls unzufrieden, wenngleich aus anderen Gründen, waren die Grünen. Sie warfen dem Bundesrat vor, die Verhandlungen mit der EU bis nach den nationalen Wahlen im Herbst 2023 zu verzögern. Sibel Arslan (basta, BS) sprach dem Bundesrat den politischen Willen und den Mut zu Verhandlungen ab. Auch SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (sp, BL) störte sich in der «Republik» an dieser Verlangsamung der Gespräche, denn damit sei nichts zu gewinnen. Ähnliches vernehme man auch aus Brüssel, berichtete die NZZ. Der Sprecher der Europäischen Kommission gab zu Protokoll, dass man die Ankündigung des Bundesrates zur Kenntnis nehme und bereit sei, die laufenden Sondierungsgespräche fortzusetzen. Das übergeordnete Ziel für die EU sei es, eine systemische Lösung für alle strukturellen Fragen in den verschiedenen Abkommen zu finden. Für die EU sei jedoch ein «glaubwürdiger Zeitplan» wichtig, man wolle die Verhandlungen noch während der Amtszeit der derzeitigen Kommission zu Ende führen. Auch die Gewerkschaften, deren Vorbehalte gegen das institutionelle Rahmenabkommen mitverantwortlich für dessen Scheitern gewesen waren, äusserten sich zu den Eckwerten des Bundesrates. SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard (sp, VD) warf Bundesrat Cassis vor, schönfärberisch über die Fortschritte im EU-Dossier zu kommunizieren. Seiner Meinung nach nehme man in den Gesprächen mit der EU kaum etwas von diesen vermeldeten Fortschritten wahr, da sich die EU-Kommission auf ihre Positionen aus den Verhandlungen zum Rahmenabkommen berufe. Der SGB befürchtete nicht nur die Schwächung des Schweizer Lohnschutzes, sondern auch Forderungen der EU in weiteren Bereichen wie der Spesenregelung oder bei der Liberalisierung des Service public. Pierre-Yves Maillard nannte das Schienennetz oder den Strommarkt als Beispiele, bei denen man hart bleiben müsse. Er bezeichnete die Gefahr eines erneuten Scheiterns der Verhandlungen angesichts der derzeitigen Ausgangslage als «gross».

EU-Verhandlungsmandat

Das Stimmrechtsalter 16 überzeuge nicht, kam die Mehrheit der SPK-NR in ihrem Bericht zur Vernehmlassung ihres Entwurfs für eine Einführung das aktiven Stimm- und Wahlrechts für 16-Jährige zum Schluss. Die Kommission beantragte deshalb mit 14 zu 11 Stimmen dem Nationalrat zum dritten Mal, die Idee zu sistieren. Schon im Mai 2020 hatte die SPK-NR beantragt, der parlamentarischen Initiative von Sibel Arslan (basta, BS) keine Folge zu geben. Sie wurde von der grossen Kammer in der Herbstsession 2020 aber genauso überstimmt wie in der Frühlingssession 2022 bei ihrem Antrag, die Initiative abzuschreiben. In der Folge musste die SPK-NR also einen Entwurf für eine Änderung des Artikels 137 BV ausarbeiten. Der bereits in der parlamentarischen Initiative gemachte Vorschlag, das aktive (nicht aber das passive) Stimm- und Wahlrecht auf 16 Jahre zu senken, vermochte aber erneut eine knappe Mehrheit der Kommission nicht zu überzeugen. Sie führte die Antworten der erwähnten Vernehmlassung als Argumente für diese negative Haltung ins Feld.

In der Tat widerspiegelte der Vernehmlassungsbericht die Unentschiedenheit in der Frage. Von 51 eingegangenen Stellungnahmen sprachen sich 27 für die Erweiterung der Stimmberechtigten um rund 130'000 Personen aus (die Stimmbevölkerung würde um rund 2.4 Prozent vergrössert), 21 lehnten sie ab und vier bezogen keine deutliche Position. Unter den Befürworterinnen und Befürwortern fanden sich sieben der 25 antwortenden Kantone – einzig der Kanton Zürich äusserte sich nicht zur Vorlage: Aargau, Bern, Basel-Stadt, Glarus, Jura, Graubünden und Solothurn. Auch die links-grünen Parteien (SP, die Grünen und Ensemble à Gauche) reihten sich ins Lager der Befürworterinnen und Befürworter ein. Bei den Verbänden äusserten sich der SGB und der SKV sowie alle 15 antwortenden Jugendorganisationen (Dachverband Offene Kinder- und Jugendarbeit Schweiz AFAJ, die Jugendsession, die Jugendparlamente aus Bern und Basel-Stadt, Jungwacht Blauring Jubla, Pfadibewegung Schweiz, das National Coalition Building Institute Suisse Schweiz NCBI, das Netzwerk Kinderrechte Schweiz, SAJV, Sexuelle Gesundheit Schweiz, UNICEF und Pro Juventute sowie die Jugendsektion der Mitte-Partei) dem Vorschlag gegenüber positiv. Zu den Gegnerinnen und Gegnern gehörten 15 Kantone (AG, AI, BL, LU, NE, NW, OW, SG, SH, SZ, TG, TI, VD, VS und ZG), die bürgerlichen Parteien (Mitte, FDP und SVP) sowie die Arbeitgeberverbände SGV und das Centre patronal (CP). Zudem äusserte sich eine Privatperson negativ. Neutrale Stellungnahmen gingen von den Kantonen Freiburg, Genf und Uri ein, die allerdings darauf hinwiesen, dass entsprechende Anliegen in ihren Kantonen gescheitert seien. Der Verein Schweizerischer Geschichtslehrerinnen und -lehrer (VSGS) schliesslich betonte, dass die Senkung des Wahl- und Stimmrechtsalters die politische Bildung festigen könnte, was einem Ziel der laufenden Reform des Gymnasiums entspreche.
Die Argumente in den Stellungnahmen waren nicht neu. Auf der Seite der Befürwortenden wurde ins Feld geführt, dass das Durchschnittsalter des Stimmkörpers gesenkt würde (das Medianalter liegt aktuell bei 57 Jahren), was ermögliche, das aktuelle und zukunftsweisende Entscheidungen auch von Jugendlichen mitgetragen werden könnten, was deren Legitimation stärke. Jugendliche interessierten sich für Politik, was sich durch die Senkung des Wahl- und Stimmrechtsalters weiter fördern lasse. Viele 16-jährige übernähmen Verantwortung im Berufsleben oder in Vereinen und dürften über ihr Einkommen, ihr Sexualleben und ihre Religionszugehörigkeit frei verfügen; entsprechend könnten sie auch politische Verantwortung übernehmen. Während die Auswirkungen dieser Änderung auf die Abstimmungsergebnisse in Anbetracht der Zahl 16-18-Jähriger gering bleiben dürften, sei die «demokratiepolitische Wirkung beträchtlich», so die entsprechende Zusammenfassung im Vernehmlassungsbericht.
Hauptargument der Gegnerinnen und Gegner war die Inkongruenz zwischen zivilrechtlicher Volljährigkeit und der Rechte von Bürgerinnen und Bürgern, die mit der Senkung des Wahl- und Stimmrechtsalters geschaffen würde. Jugendliche würden vor den Konsequenzen ihrer Handlungen geschützt, man würde ihnen aber das Recht geben, über gesellschaftliche Konsequenzen zu entscheiden. Es sei widersprüchlich, jemandem das Unterzeichnen von Verträgen zu verbieten, aber die demokratische Mitentscheidung zu erlauben. Kritisiert wurde zudem die vorgeschlagene Trennung zwischen aktivem und passivem Wahlrecht. Dies schaffe «Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse», zitierte der Bericht einige Stellungnahmen. Es sei wichtig, dass sich Jugendliche politisch interessierten, es bestünden aber bereits zahlreiche Möglichkeiten für politische Beteiligung (Familie, Schule, Jugendparlamente, Jungparteien). Es würde zudem zu Schwierigkeiten führen, wenn das Wahl- und Stimmrechtsalter bei nationalen und kantonalen Wahlen und Abstimmungen nicht gleich sei – etwa beim Versand des Stimmmaterials. Einige Gegnerinnen und Gegner äusserten zudem die Sorge, dass Jugendliche nicht die nötige Reife besässen, um politische Verantwortung zu übernehmen.
In zahlreichen Stellungnahmen wurde darüber hinaus darauf hingewiesen, dass mit Ausnahme des Kantons Glarus alle bisherigen Versuche, das Wahl- und Stimmrechtsalter auf kantonaler Ebene zu senken, gescheitert seien. Die Gegnerinnen und Gegner einer Senkung führten dies als Beleg ins Feld, dass die Zeit nicht reif sei für die Idee. Die Landsgemeinde im Kanton Glarus könne zudem nicht als positives Beispiel angeführt werden, weil sie ganz anders funktioniere als nationale Abstimmungen und Wahlen. Die Befürwortenden einer Senkung betonten hingegen, dass die Diskussion weitergehen müsse und die Ausweitung politischer Rechte in der Geschichte stets lange Zeit gedauert und mehrere Anläufe gebraucht habe. Zudem habe sich die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung noch nicht zu diesem Thema äussern können.

In ihrer Medienmitteilung sprach die SPK-NR von «insgesamt ablehnenden Ergebnisse[n]», die zeigten, dass die Initiative nicht weiterverfolgt werden solle. Es sei nicht «sinnvoll», zwei Kategorien von Stimmberechtigten zu schaffen, und «nicht opportun, zwischen dem bürgerlichen und dem zivilen Mündigkeitsalter zu unterscheiden». Weil eine Mehrheit der Kantone die Vorlage ablehne und auch eine Mehrheit der (kantonalen) Stimmberechtigten die Idee jeweils nicht gutgeheissen habe, empfehle die Mehrheit der SPK-NR die Vorlage zur Ablehnung und die Initiative zur Abschreibung. Den Befürworterinnen und Befürwortern empfahl sie als «besten Weg», eine Volksinitiative zu lancieren. Die starke Kommissionsminderheit betonte hingegen in der Medienmitteilung, dass die Vernehmlassungsantworten differenzierter betrachtet werden müssten und dass «die wichtige Frage der demokratischen Partizipation junger Bürgerinnen und Bürger» in einer nationalen Abstimmung diskutiert werden müsse. Der Nationalrat wird in der Sommersession 2023 über den Antrag der Kommission entscheiden.

In den Medien wurde der Antrag der Kommission als «Dämpfer» bezeichnet. Die Medien zitierten die SP und die Grünen, die mit Empörung reagierten, den Entscheid als «Affront à la volonté de la jeune génération» bezeichneten, wie Le Temps zitierte, und auf eine Korrektur im Nationalrat hofften.

Aktives Stimm- und Wahlrecht für 16-Jährige (Pa.Iv. 19.415)
Dossier: Stimmrechtsalter 16

Internationale oder völkerrechtliche Erklärungen, Empfehlungen, Pakte oder Aktionspläne, die rechtlich nicht bindend sind – also sogenanntes «Soft Law» sollen vom Parlament genehmigt werden, bevor sie der Bundesrat unterzeichnen darf. Dies forderte die SVP-Fraktion Ende 2018 mit einer parlamentarischen Initiative. Die Nichteinhaltung von Bestimmungen von Soft Law ziehe zwar keine völkerrechtlichen Konsequenzen nach sich, weshalb sie vom Bundesrat selbständig ratifiziert werden können. Nicht selten würden damit aber Verpflichtungen eingegangen, deren Nichtbeachtung international angeprangert oder gar als Verstoss gegen Treu und Glauben interpretiert würden. Die SVP forderte deshalb, dass Soft Law gleich zu handhaben sei wie völkerrechtliche Verträge und entsprechend von der Bundesversammlung genehmigt werden müsse.
Die APK-NR gab der parlamentarischen Initiative im Januar 2020 mit 14 zu 11 Stimmen Folge. Gestützt auf den Bericht des Bundesrats zur Erfüllung des Postulats 18.4104 und im Wissen darüber, dass die APK-SR aufgrund dieses Berichts eine Subkommission einsetzen wollte, die sich mit einer besseren Mitwirkung des Parlaments bei Soft Law auseinandersetzt, sah die Mehrheit der APK-NR ebenfalls Handlungsbedarf, so ihre Begründung in einer Medienmitteilung.
Weil die APK-SR dann allerdings rund ein Jahr später der parlamentarischen Initiative einstimmig (11 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung) keine Folge gab, lag der Ball wieder bei der nationalrätlichen Kommission. Diese entschloss sich, wiederum ein Jahr später, mit 17 zu 6 Stimmen ebenfalls gegen Folgegeben. Man habe in der Zwischenzeit gemeinsam mit der APK-SR die Subkommission «Soft Law» eingesetzt, die aktuell bereits untersuche, ob und wie Soft Law von der Bundesversammlung genehmigt werden soll. Man wolle den Resultaten dieser Arbeiten nicht vorgreifen und der parlamentarischen Initiative deshalb auch aus «prozessökonomischen Gründen» keine Folge geben.
Weil die sechsköpfige SVP-Kommissionsminderheit allerdings Folgegeben beantragte, kam der Vorstoss in der Frühjahrssession 2022 zur Behandlung in die grosse Kammer. Dort brachte Yves Nidegger (svp, GE) den Migrationspakt, die Rügen der Greco hinsichtlich der Parteienfinanzierung oder die Klimakonferenz als Beispiele vor, die zeigten, wie stark Soft Law Auswirkungen auf die schweizerische Politik habe, ohne dass das Parlament dazu etwas zu sagen gehabt hätte. Dem Argument der APK-NR, den Arbeiten der Subkommission nicht vorgreifen zu wollen, könne die Kommissionsminderheit nicht folgen: Mit der zielgerichteten parlamentarischen Initiative könne vielmehr der Druck in dieser Sache aufrechterhalten werden. Kommissionssprecherin Sibel Arslan (basta, BS) begründete die ablehnende Empfehlung der Kommissionsmehrheit auch damit, dass es bei der momentanen Arbeit der Subkommission auch um eine inhaltliche Mitwirkung des Parlaments bei der Aushandlung von Soft Law gehe und nicht bloss um eine Genehmigung, wie dies von der SVP-Initiative gefordert wurde. Die Kommissionsmehrheit fand im Nationalrat 138 unterstützende Stimmen. Die 55 Gegenstimmen stammten von der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion und von drei Mitgliedern der Mitte-EVP-Fraktion. Damit war die Initiative vom Tisch, nicht aber die Diskussionen um die Mitwirkung des Parlaments bei Soft Law.

Das Parlament soll Soft Law genehmigen (Pa.Iv. 18.466)
Dossier: Soft Law - Mitwirkung des Parlaments

Nach acht Jahren Bearbeitungszeit beantragte die Mehrheit der RK-NR ihrem Rat im April 2021 bereits zum dritten Mal die Abschreibung der parlamentarischen Initiative Rickli (svp, ZH) für eine staatliche Haftung bei Wiederholungstaten nach bedingten Entlassungen und Strafvollzugslockerungen. Die beiden vorangegangenen Vernehmlassungen hätten gezeigt, dass die Ablehnung der parlamentarischen Initiative nicht konkreten Umsetzungsaspekten geschuldet sei, sondern dem Anliegen selbst entspringe, so die Begründung der Kommissionsmehrheit. Sie teile zwar die Ansicht, dass schwere Verbrechen wie Mord von strafentlassenen Wiederholungstätern durch wirksame Massnahmen bekämpft werden und Opfern jede mögliche Hilfe zugesprochen werden müsse, allerdings könne sich die Kommissionsmehrheit «nicht für die Umsetzung des Initiativtextes aussprechen», erklärte Berichterstatterin Sibel Arslan (basta, BS). Nicht zuletzt hätten die Kantone, in deren Kompetenz der Strafvollzug liegt, massive Kritik am Anliegen geübt. Eine SVP-Minderheit erachtete den Handlungsbedarf jedoch weiterhin als aktuell und beantragte deshalb eine erneute Fristverlängerung. Barbara Steinemann (svp, ZH) argumentierte in deren Namen, dass es die Verantwortung der Politik, Justiz und Behörden sei, die Gefahr zu reduzieren, Opfer von Wiederholungstäterinnen oder -tätern zu werden. Gegenwärtig werde die Resozialisierung von Tätern höher gewichtet als die Sicherheit der Bevölkerung, monierte sie. Entgegen der Prognosen der Kantone würde die Umsetzung der Initiative nicht dazu führen, dass es keine Hafturlaube oder Resozialisation mehr gäbe. Vielmehr führte sie zu einer stärkeren Ausfilterung, wer überhaupt von Hafterleichterungen profitieren könne, so Steinemann. Mit 135 zu 53 Stimmen bei einer Enthaltung folgte die Volkskammer dem Mehrheitsantrag und schrieb die parlamentarische Initiative Rickli in der Sommersession 2021 schliesslich ab.

Haftung bei bedingten Entlassungen und Strafvollzugslockerungen (Pa.Iv. 13.430)

In der Frühjahrssession 2021 folgte der Nationalrat mit 137 zu 49 Stimmen der Empfehlung seiner RK-NR und versenkte die parlamentarische Initiative der SVP, mit der diese Reformen hinsichtlich der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft gefordert hatte. Konkret wollte die SVP die aktuelle Aufsichtsbehörde (AB-BA) mit einer durch das EJPD und das Bundesgericht geteilten Aufsicht ersetzen. Während das Departement die administrativen und arbeitsrechtlichen Aspekte beaufsichtigen könnte, läge die fachliche Überwachung beim höchsten Schweizer Gericht. Damit werde vor allem auch die politische Unabhängigkeit der Aufsicht gewahrt, was mit der AB-BA augenscheinlich nicht gelinge, wie die SVP in ihrer Begründung mit Seitenhieb auf die Causa Michael Lauber ausführte.
Das Parlament trage eine Mitverantwortung dafür, dass «das System verpolitisiert» sei, und dagegen müsse man etwas tun, warb Pirmin Schwander (svp, SZ) in der Ratsdebatte für die Initiative seiner Partei. Die AB-BA sei «offensichtlich ein Fehlschlag» und vermöge nichts am «strukturellen Problem bei der Bundesanwaltschaft» zu ändern, meinte auch Mauro Tuena (svp, ZH). Die Kommission, die sich relativ knapp mit 13 zu 12 Stimmen gegen Folgegeben ausgesprochen hatte, sei sich bewusst, dass Handlungsbedarf bestehe, führte in der Folge Sibel Arslan (basta, BS) als Kommissionssprecherin aus. Die bisherige Lösung scheine sich tatsächlich nicht zu bewähren. Während die eine Hälfte der Kommission aber durch eine Aufteilung der Aufsicht Verbesserungen erwarte, befürchte die andere Hälfte, dass die Kompetenzkonflikte bei der Aufsicht durch eine Aufteilung nur noch grösser würden. Immerhin sei man sich aber einig gewesen, dass die Ergebnisse einer Inspektion durch die GPK abgewartet werden sollten, mit der die Probleme bei der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft untersucht würden. Dieser Meinung schien auch die Ratsmehrheit zu sein. Lediglich die 49 anwesenden Fraktionsmitglieder der SVP unterstützten den Vorstoss ihrer Fraktion.

Notwendige Reformen hinsichtlich der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft (Pa.Iv. 19.479)
Dossier: Reformen der Bundesanwaltschaft
Dossier: Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA)

Der Abstimmungssonntag am 18. Mai 2014, wurde nicht nur Höhe-, sondern auch Schlusspunkt eines langwierigen Seilziehens um die Gripen-Beschaffung bzw. den Tiger-Teilersatz. Dieses grosse Rüstungsvorhaben hatte zahlreiche Hürden zu nehmen. Die letzte davon - der Urnengang - wurde 2013 durch den Bundesrat selbst ermöglicht, indem als Finanzierungsgrundlage ein Fondsgesetz vorgeschlagen wurde. Erst dieser Kniff ermöglichte es, die Finanzierung und damit sehr unmittelbar auch die Beschaffung selbst, dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Mit der Ablehnung des Gripen-Fondsgesetzes an der Urne wurde die aufsehenerregende Kampfflugzeugbeschaffung erfolglos abgeschlossen.

Dass das Referendum ergriffen würde, war schon früh klar. Noch vor den parlamentarischen Debatten Ende 2013 kündigte die Grüne Partei an, sie werde dieses Geschäft zu verhindern suchen. Zwei Referendumskomitees hatten sich dann bereits vor der letzten Beratung im Ständerat konstituiert, so dass einer Unterschriftensammlung nichts mehr im Wege stand. Links-grün und die Grünliberale Partei stellten sich je individuell an, die nötige Anzahl Unterschriften zu sammeln. Der Erfolg liess nicht lange auf sich warten. Innert zwei Monaten und damit noch 2013, hatte das Komitee um SP und GPS rund 80‘000 Unterschriften beisammen. Damit zeichnete sich rasch ab, dass die Referendumsabstimmung bereits im Frühjahr 2014 abgehalten werden konnte. Entsprechend früh erkannte auch der Verteidigungsminister den Ernst der Lage und noch Ende 2013 stieg er in den Abstimmungskampf. Fortan standen sich bürgerliche Gripen-Befürworter und Gripen-Gegner aus links-grünen Kreisen gegenüber. Neu standen aber erstmals auch bürgerliche Politiker einer Armeevorlage kritisch gegenüber: die GLP hatte sich nicht nur an der Unterschriftensammlung beteiligt, sondern sie stellte sich fortan auch in einem Gegnerkomitee gegen die Beschaffung der Gripen-Jets.

Erster Meilenstein war Mitte Januar 2014 die Einreichung der Unterschriften. Das links-grüne Bündnis um SP, GPS und andere Organisationen konnte rund 100'000 Unterschriften für das Referendum zusammentragen, nur etwa 5'000 davon waren vom grünliberalen Anti-Gripenkomitee beigesteuert worden. Da schon Mitte Mai abgestimmt werden sollte, war die Einreichung der Unterschriften gleichzeitig der Startschuss für den Abstimmungskampf. Sogleich wurde dieser befeuert, als es nicht nur darum ging, ob sich die Herstellerfirma Saab an der Finanzierung der Ja-Kampagne beteiligen soll, sondern ob dies überhaupt zulässig sei. Das Gegnerkomitee meldete sehr rasch seine Ablehnung an. Aber auch Gripen-Befürworter standen einer finanziellen Beteiligung aus Schweden kritisch gegenüber. Thomas Hurter (svp, SH) forderte, dass sich Saab gänzlich aus der Abstimmungskampagne raushalte.

Unangenehme Tage musste der Verteidigungsminister auch im Februar erleben: Nachdem bereits der Prozess zum Typenentscheid durch verschiedene Nebenereignisse und Indiskretionen für negative Schlagzeilen gesorgt hatte, wurden auch im neuen Jahr geheime (und brisante) Informationen publik. So hatte sich Verteidigungsminister Ueli Maurer in mehreren Treffen mit dem Schwedischen Botschafter Per Thöresson ausgetauscht. Dabei soll es nicht nur um gute Kontakte gegangen sein, sondern ganz konkret um ein Engagement Schwedens im Abstimmungskampf. Diese Informationen hatte ein Schwedischer Radiosender veröffentlicht, der drei Berichte des Botschafters an das Aussen- und Verteidigungsministerium Schwedens vorliegen hatte. Der Inhalt war insofern brisant, als dass angeblich Bundesrat Maurer selbst um Unterstützung aus Schweden gebeten haben soll. Zwar solle sich Schweden nicht direkt in den Abstimmungskampf einmischen, jedoch durch verschiedene Anlässe in Schweden und der Schweiz eine positive Stimmung erzeugen. Ein Beispiel wären Journalisten-Besuche in den Saabwerken zu Informationszwecken. Maurer musste sich in der Folge erklären und versuchte den Ball flach zu halten. Dass Gespräche geführt wurden konnte er nicht in Abrede stellen, er wollte jedoch darin keine gemeinsame Kampagnenplanung sehen. Dass er sich als Vorsteher des VBS an vorderster Front für den Gripen stark mache, sei nicht mehr als opportun. Die Ungereimtheiten spielten den Gegnern dennoch in die Hände und den Befürwortern wie auch dem Verteidigungsminister selbst blieb nichts anderes übrig, als gebetsmühlenartig festzuhalten, dass der Gripen die richtige Lösung für die Schweiz sei. Fast täglich wurde in den Zeitungen über den Gripen berichtet.

Die Kampagnenleitung der Befürworter sollte von der CVP übernommen werden, allerdings stellte sie sich nur zögerlich dafür zur Verfügung, denn scheinbar sah sich Parteipräsident Darbellay mit zu wenig finanziellen Mitteln ausgestattet. Dass bis zu CHF 5 Mio. für die Befürworterkampagne aufgewendet werden sollten, liess man seitens des Vereins für eine sichere Schweiz VSS, dem CVP-Nationalrat Jakob Büchler (SG) vorsteht, unkommentiert. Auch diese Informationen stammten aus geheimen Berichten aus Schweden. Beim VSS versuchte man derweil, sich von Schweden zu distanzieren. Das Durchsickern dieser Informationen führte indes dazu, dass sich die CVP zurückzog und nicht mehr als Kampagnenleiterin fungieren wollte. Ausschlaggebend waren unter anderem auch verunglimpfende, persönliche Kommentare des Schwedischen Botschafters gegen CVP-Exponenten. Im Engagement der CVP hätte man sich auf Befürworterseite erhofft, dass Gripen-kritische Wähler in der politischen Mitte abgeholt werden könnten. Daraus wurde nun vorerst nichts. Dass zudem die Sektion der CVP-Frauen im Gegensatz zur Mutterpartei die Nein-Parole fasste, schien für die CVP ebenfalls eine Hypothek darzustellen. Wer die Kampagnenleitung übernehmen sollte, war in der Folge offen. Die CVP wollte die Volkspartei vorschicken, da es schliesslich ein Dossier ihres Magistraten sei. Bei der SVP zeigte man sich jedoch bedeckt und Parteipräsident Brunner (SG) stellte eine Einigung „in einigen Wochen“ in Aussicht, rund drei Monate vor dem Abstimmungstermin, notabene.
Während auf politischer Ebene weiter gestritten wurde, führte Saab eine regelrechte Promotionstour durch die Schweiz durch. Mitte Februar wurde an einem Anlass mit Wirtschaftsvertretern über Kompensationsgeschäfte informiert, daneben sollte der Gripen zu verschiedenen Gelegenheiten vorgeführt, beziehungsweise ausgestellt werden, etwa an Ski-Weltcuprennen oder an der Mustermesse in Basel. Dies wurde den Gripengegnern zu viel und Nationalrätin Chantal Galladé (sp, ZH) tat ihren Unmut öffentlich kund. Dass mitunter Geld fliesse, sei in Abstimmungskämpfen normal, jedoch sei die Omnipräsenz des Gripen-Herstellers Saab störend und eine „Einmischung aus dem Ausland in diesem Masse bedenklich.“ Derweil und schneller als erwartet stellte sich Ende Februar tatsächlich die SVP als neue Koordinatorin der Ja-Kampagne vor. Angesichts des nahenden Abstimmungstermins sah sie sich in der Verantwortung. Man habe keine Zeit mehr zu verlieren und wolle diese Abstimmung gewinnen, so SVP-Präsident Brunner.

Etwas Aufwind erhielt der Gripen durch eine Flugzeugentführung im Raum Genf, als der Schweiz vor Augen geführt wurde, weshalb eine intakte Luftabwehr nötig sein kann. Der Co-Pilot einer Maschine der Ethiopian Airline hatte das eigene Flugzeug nach Genf entführt, um in der Schweiz einen Asylantrag zu stellen – was jedoch erst nach dem Vorfall bekannt wurde. Zuvor irrte die vollbesetzte Passagiermaschine, von zwei Eurofighter-Jets der Italienischen Luftwaffe begleitet, über Italien, ehe sie über dem Montblanc-Massiv von der Französischen Luftwaffe weiterbegleitet wurde und schliesslich in Genf zur Landung gezwungen werden konnte. Dass die Schweizerische Luftwaffe nur zu Bürozeiten operativ ist und nicht eingreifen konnte, sorgte im Ausland für Erstaunen und in der Schweiz einerseits zur Forderung nach einem ausgebauten Luftschirm, andererseits aber auch zu Spott und Häme. Später wurde auch die Krim-Krise in der Ukraine als Argument für eine funktionierende Luftwaffe herangezogen.
Am 25. Februar präsentierte das Ja-Komitee seine Argumente für den Abstimmungskampf. „Sicherheit zuerst!“ sollte als Leitmotiv die Stimmbürgerschaft mobilisieren. Sicherheit sei die Garantie für Frieden, Freiheit und Wohlstand, so Jakob Büchler (cvp, SG). Ab März und damit rund zwei Monate vor dem Urnengang sorgte ein allfälliger „Plan B“ für Irritation. Aus verschiedenen Kreisen wurde kolportiert, Bundesrat Maurer arbeite für den Fall eines Volks-Neins an einer alternativen Gripen-Beschaffung: er wolle Gripen-Jets mieten, leasen oder über das ordentliche Armeebudget – und damit ohne Mitsprache der Stimmbevölkerung – beschaffen. Trotz Dementi Maurers selbst, seines Sekretariats und auch der armasuisse, hielt sich das Gerücht über einen allfälligen „Plan B“ hartnäckig in den Medien.
Ebenfalls Mitte März lancierte das Gegnerkomitee seinen Abstimmungskampf und setzte vor allem auf die Kostenfrage. Man wollte die Gripen-Beschaffung nicht zu einer Armee-Grundsatzfrage machen und auch nicht sicherheitspolitische Argumente ins Feld führen, da man sich daraus eher weniger Chancen versprach. Vielmehr erhoffte man sich mit dem Slogan „Kampfjetmilliarden gegen Bildung, Verkehr oder AHV“ einen Erfolg an der Urne. In der Zwischenzeit wurde der Tonfall im Abstimmungskampf gehässiger. SVP-Patron Christoph Blocher hinterfragte die Finanzierung der Gegnerkampagne, indem er den Verdacht äusserte, dass möglicherweise die beim Typenentscheid unterlegenen Rüstungskonzerne (EADS und Dassault) Geld gegen den Gripen einschiessen würden – dies, um bei einer Neu-Evaluation zum Zug kommen zu können. Aus dem bürgerlichen Nein-Komitee wurde jedoch postwendend klargestellt, man habe weder Kontakt mit anderen Rüstungsgesellschaften, noch Geld erhalten, so etwa Beat Flach (glp, AG). Gar als absurd betitelte Chantal Galladé (sp, ZH) die Vorwürfe.
Kurz darauf bemühte sich der Sonntags Blick um einen ersten Trend in der Gripen-Frage und stellte eine Ablehnung von über 60 Prozent fest. Trotz dieser erstmaligen Stimmungsaufnahme zeigte sich der Verteidigungsminister gegenüber der Presse betont gelassen und zuversichtlich. Dennoch legte er einen regelrechten Redemarathon hin und trat von April bis zur Abstimmung im Mai an über 20 Veranstaltungen für den Gripen auf.

Das bürgerliche Nein-Komitee wurde ab Anfang April aktiv. Man stehe für eine starke Armee ein, sei jedoch gegen den Gripen, weil Geld und ein Konzept fehle - Argumente, die bereits in den Parlamentsdebatten von Roland Fischer (glp, LU) vorgebracht worden waren. In diesem Nein-Komitee waren auch die CVP-Frauen vertreten.
Über Alternativen zur Gripen-Beschaffung, also wiederum über einen „Plan B“, wurde weiter berichtet, als sich im April auch der ehemalige Jetpilot und Nationalrat Thomas Hurter (svp, SH), seines Zeichens Präsident der SiK-NR, über solche Pläne äusserte. Es brauche einen „Plan B“ für den Fall, dass der Gripen an der Urne scheitern sollte. Seine Vorstellung war die Beschaffung von zwölf Fliegern alle 15 Jahre. Eine Forderung, die sogar von Parteikollegen kritisiert wurde. Hans Fehr (svp, ZH) gab etwa zu bedenken, dass es ungeschickt sei, bereits vor der Abstimmung laut über Alternativen nachzudenken. Alex Kuprecht (svp, SZ) bezeichnete die Aussage gar als „absoluten Blödsinn“. Hurter rechtfertigte seine Idee mit dem Umstand, dass beim Urnengang nicht für oder gegen neue Flieger, sondern nur für oder gegen die Art der Finanzierung abgestimmt werde. Mit einer Alternativbeschaffung würde der Volkswillen – von der SVP gemeinhin hochgehalten – also nicht umgangen. Ein erneuter Evaluationsprozess für einen neuen Flugzeugtyp würde zudem viel zu lange dauern. Deswegen müsse man sich für den Ersatz der Tiger-Flotte bereits zu diesem Zeitpunkt und auch unter Berücksichtigung eines möglichen Volks-Neins Gedanken machen.
Auch über weitere Alternativen zur Luftraumüberwachung wurde diskutiert, etwa über den Kauf gebrauchter F/A 18 Jets der neueren Generation, die Beschaffung von Kampf-Helikoptern, einen Ausbau der Boden-Luft-Fliegerabwehr (die ohnehin konkretisiert werden sollte) oder über die Aufrüstung der alten Tiger Flotte. Anfang Juni wurde bekannt, dass das VBS beabsichtige, israelische Drohnen beschaffen zu wollen. Immer mehr wurde auch die Frage debattiert, wie die budgetierten Mittel verwendet werden sollen, falls der Gripen an der Urne abgelehnt würde. Für Sicherheitspolitiker war klar, dass dieses Geld der Armee gehöre, weil es über das ordentliche Armeebudget hätte aufgebracht werden müssen. Linke Politiker hingegen sahen eine Chance, neu über die Verteilung der ca. CHF 3 Mia. zu beraten. Ihrer Vorstellung nach sollte das Geld zu Gunsten der Bildung, zur Sicherung der sozialen Sicherheit, des öffentlichen Verkehrs, oder auch zu Gunsten der Entwicklungshilfe, die richtig eingesetzt friedensfördernd wirke, eingesetzt werden. Dieser Punkt blieb freilich vorerst offen.
Als sehr unsicher musste der Erfolg der Gripen-Beschaffung ab Mitte April betrachtet werden: Nachdem die oben genannte Sonntags Blick-Umfrage noch nicht zu Unruhe bewogen hatte, tat dies die erste SRG-Trendumfrage des gfs.bern. Nur 42 Prozent der Befragten sprachen sich darin für den Gripenkauf aus, ein Ergebnis, das sich fast mit der ersten Umfrage deckte. Freilich gaben die Demografen zu bedenken, dass die Unterschiede zwischen den Ja- und Nein-Anteilen zu gering seien, um sich bereits festlegen zu können. Noch am selben Tag liess sich Bundesrat Maurer zitieren, er glaube, dass sich die Stimmbevölkerung der sicherheitspolitischen Tragweite der Gripen-Vorlage bewusst sei. Weiterhin gab sich der Verteidigungsminister kämpferisch. Sein Engagement für den Gripen gipfelte jedoch zwischenzeitlich in einem Fiasko, als Maurer in der Sendung „Rundschau“ des SRF zu einem Rundumschlag ausholte und kurz sogar die Contenance verlor. Er enervierte sich derart über die Berichterstattung zum Gripen-Kauf, dass er sich mit dem Moderator einen verbalen Schlagabtausch lieferte. Die als einseitig kritisierte Sendung löste eine Rekordzahl an Beschwerden bei der Ombudsstelle der SRG aus, die allerdings Ende Mai sämtlich abgewiesen wurden, da das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt worden sei und das Publikum durchaus in der Lage gewesen sei, sich eine eigene Meinung zum fraglichen Rundschau-Beitrag zu bilden. Dennoch wurde auch die Sendung selbst kritisiert. So habe der ausgestrahlte Bericht „die hohen Anforderungen an die Ausgewogenheit, welche im Vorfeld einer Volksabstimmung verlangt werden, nicht erfüllt.“ Zudem wurde festgehalten, dass einige der gestellten Fragen „manchmal unnötig provokativ waren“.
Später und mit zunehmender Nähe zum Abstimmungstermin setzte der Verteidigungsminister im Lichte des ungewissen Abstimmungsausgangs auf warnende Worte und beschwor die Angst vor einem ungeschützten Luftraum, ja er bediente sich gar erpresserischer Formulierungen. „Wenn man jetzt nicht Flieger bestellt, steht man zehn Jahre später ohne Luftwaffe da“, mahnte Maurer. Dass die „F/A 18 im Krisenfall nicht genügen“, doppelte auch Divisionär Bernhard Müller, stellvertretender Kommandant der Luftwaffe, nach. Doch die Stimmbevölkerung zeigte sich in der zweiten Welle der SRG Trendumfrage unbeeindruckt. Knapp zehn Tage vor der Abstimmung schien der Gripen noch immer nicht abzuheben: mit 44 Prozent Zustimmung war nach wie vor nur eine Minderheit der Befragten für die Kampfjetbeschaffung. Zudem zeichnete sich ab, dass tatsächlich die Kostenfrage entscheidendes Argument werden dürfte. Trotz der gemäss gfs.bern bereits weit fortgeschrittenen Meinungsbildung machten sich beide Lager zu einer Schlussoffensive auf. Die vier Parteipräsidenten Martin Landolt (bdp, GL), Christophe Darbellay (cvp, VS), Philipp Müller (fdp, AG) und Toni Brunner (svp, SG) – diese Parteien hatten die Ja-Parole ausgegeben – versammelten sich in der Folge in Bern zu einer Medienorientierung, um nochmals ihre besten Argumente vorzutragen. Der hochkarätig besetzte Anlass wurde kurzfristig anberaumt und zeigte die Nervosität der Parteispitzen offensichtlich. Vor dem Bundeshaus gingen sie gemeinsam symbolisch auf einer Hebebühne „in die Luft“. Ein unglücklicher Entscheid, wie sich später herausstellen sollte. Ihre von den Stadtberner Behörden nicht bewilligte Aktion führte nämlich zu einer Anzeige.

Einziger Lichtblick für die Befürworter war die Erfahrung, dass das Stimmvolk kaum je eine Armeevorlage versenkt hatte. Doch auch dieser wurde am Abstimmungstag zerschlagen. 53,4 Prozent der Stimmenden (Stimmbeteiligung: 55,5 Prozent) lehnten das Gripen-Fondsgesetz an der Urne ab, ein Erfolg für die linken Parteien, die zusammen mit der GLP die Nein-Parole beschlossen hatten und eine herbe Niederlage für Verteidigungsminister Maurer, der sich über Jahre für neue Kampfjets eingesetzt hatte. Er hielt fest, dass es ein Votum gegen den Gripen sei, nicht gegen die Armee und wiederholte, dass nun kein „Plan B“ aus der Schublade gezogen werde. Zunächst sei das Resultat zu analysieren, erst dann wollte der Verteidigungsminister über neue Varianten sprechen. Er gab jedoch auch zu bedenken, dass die Diskussion über neue Kampfflieger bald wieder beginnen müsse, zumal auch die F/A 18 Flieger irgendwann ersetzt werden müssten. Die Linken sahen sich dagegen in ihren Bemühungen gegen das teure Rüstungsgeschäft bestätigt und auch aus dem bürgerlichen Gegnerlager hörte man erleichterte Stimmen. Das Resultat zeige, dass auch viele liberale und bürgerliche Wählerinnen und Wähler den Gripen-Kauf ablehnten, so Roland Fischer (glp, LU). In seinen Augen hätten sich die zwei Gegnerkomitees gelohnt. Aus der SVP wurde hingegen konsterniert verkündet, dass man „jetzt erst recht in die Landesverteidigung investieren müsse“.
Im Nachgang an die Volksabstimmung beherrschten die Fragen um die Zukunft der Armee und der Luftwaffe den politischen Diskurs, jedoch auch und wiederholt die Frage, was mit den frei gewordenen „Gripen Milliarden“ nun geschehen soll. Ernüchtert musste auch der Wirtschaftsstandort Schweiz den Volksentscheid hinnehmen. Rund 500 Verträge mit 125 Unternehmen und einem Volumen von rund CHF 400 Mio. hatte Saab im Vorfeld der Abstimmung mit Schweizer Unternehmen unterzeichnet – Anlagen, die nun ungewiss waren. Der Rüstungskonzern Ruag befürchtete, rund 200 Stellen streichen zu müssen, unter anderem von Mitarbeitern, die bereits seit langem auch an Gripen-Konfigurationen arbeiteten.


Abstimmung vom 18. Mai 2014

Beteiligung: 56,33%
Ja: 1 345 726 (46,6%)
Nein: 1 542 761 (53,4%)

Parolen:
– Ja: SVP, CVP(3*), FDP, BDP, GLP; Economiesuisse, SGV, SOG, AUNS, Swissmem.
– Nein: SP, GPS, GLP (1*); SGB, VPOD, GSoA.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Das Gripen-Nein veranlasste Bundesrat Maurer schliesslich auch dazu, die Weiterentwicklung der Armee (WEA) zu vertagen und die Botschaft erst im Herbst zu verabschieden. Das Reformprojekt wurde dadurch um mindestens drei Monate verzögert. Mit der dadurch gewonnenen Zeit sollen, unter anderem, finanzielle Fragen neu abgesteckt werden, die durch die abgelehnte Jet-Beschaffung aufkamen. Entscheidend war dabei, ob das Armeebudget revidiert werden musste – ein zentrales Element der WEA.
Die allfällige Geld-Neuverteilung selbst wurde vom Verteidigungsminister ausgeschlagen; er wollte die für den Jet-Kauf eingeplanten Mittel für andere Rüstungsgeschäfte einsetzen und mit CHF 790 Mio. weniger als die Hälfte der Bundeskasse zurückgeben. Dies führte zu Unstimmigkeiten innerhalb der Landesregierung, da Finanzministerin Widmer-Schlumpf in einem Mitbericht bereits Widerstand gegen dieses Ansinnen angekündigt hatte. Seitens der SP wurde eine ganz neue Ausrichtung der Armee gefordert und die Gripen-Ablehnung als Chance dafür betrachtet. Die Rückgabe der CHF 790 Mio. wurde indes von bürgerlichen Politikern nicht goutiert. Ihrer Meinung nach „gehörte“ das Geld der Armee, gleich wie es eingesetzt werden sollte. Es gebe „unzählige Möglichkeiten, dieses Geld zu verwenden“, so Jakob Büchler (cvp, SG), der das Thema in der SiK-NR nochmals durchdiskutiert wissen wollte. Im selben Zeitraum gab der Rüstungschef Ulrich Appenzeller seinen Rücktritt bekannt, womit Ueli Maurer noch ein personelles Problem zu lösen hatte. Appenzeller gab seinen Posten wegen „unterschiedlicher Auffassungen über die Ausrichtung der Armasuisse und die Rolle des Rüstungschefs“ auf.

In der Analyse der Abstimmung (Vox) wurden die ausschlaggebenden Argumente für die Ablehnung des Gripen ermittelt. Vor allem die Gruppe der jüngeren Stimmenden und Frauen sowie zahlreiche Mitte-Wählende und FDP-Anhänger waren gegen den Flugzeug-Kauf. Ein Drittel der Befragten kritisierte die hohen Kosten dieses Rüstungsgeschäfts und rund zehn Prozent gaben an, der Gripen sei nicht das richtige Flugzeug für die Schweiz. Nochmals zehn Prozent sprachen sich dafür aus, dass erst die Rolle der Ausgestaltung der Armee geklärt werden müsse, bevor ein solches Rüstungsvorhaben umgesetzt werden könne. Ebenfalls knapp zehn Prozent lehnten den Gripen wegen einer grundsätzlich ablehnenden Haltung zur Armee ab. Im unterlegenen Ja-Lager wurden überwiegend sicherheitspolitische Argumente für den Stimmentscheid vorgebracht. Die Politologen der Universität Zürich hielten zudem fest, dass im Vergleich zu anderen Abstimmungen auffällig häufig die Kampagne und die Informationspolitik der Gripen-Befürworter als Grund für ein Nein genannt wurden. So seien auch das langwierige Auswahlverfahren, wie auch die zahlreichen Ungereimtheiten und Indiskretionen über die gesamte Dauer aller Verfahren hinweg ausschlaggebend für das Nein gewesen.

Beschaffung des Kampfflugzeuges Gripen (BRG 12.085)
Dossier: Armee-Rüstungsprogramme
Dossier: Gripen-Beschaffung
Dossier: Beschaffung neuer Kampfflugzeuge
Dossier: Teilersatz der Tiger F-5 Kampfflugzeuge und Beschaffung des Gripen

Die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge im Rahmen des Projektes Tiger-Teilersatz war auch im Berichtsjahr wieder vorherrschendes Thema in der Verteidigungspolitik. Angesichts der aufzuwendenden CHF 3,126 Mia. war dieses Rüstungsgeschäft auch eines der grossen Traktanden der gesamten Bundespolitik des Berichtjahrs. Nachdem 2011 der Typenentscheid gefällt wurde und sich der Bundesrat nach einer langwierigen und nicht reibungslos verlaufenen Evaluation für den schwedischen Gripen entschieden hatte, galt es 2012 diesen Entscheid zu verteidigen, die Beschaffung voranzutreiben sowie die wichtigsten Eckpunkte zu sichern. Nicht nur der Beschaffungskredit von über drei Milliarden Franken musste geplant werden, sondern auch der Rückhalt im Parlament gewonnen und die Zusammenarbeit mit dem Lieferanten Saab und dem Schwedischen Staat koordiniert, respektive mit dem Kauf einher gehende Kompensationsgeschäfte vereinbart. Dass dies keine einfache Aufgabe für Verteidigungsminister Maurer war, zeigte nicht nur der Verlauf der Geschichte dieses Vorhabens, sondern legten auch die Erfahrungen früherer Kampfjetbeschaffungen nahe, welche aus diversen Gründen jeweils für viel Unmut auf allen Ebenen sorgten. Bis ins Spätjahr hinein sorgte eine intensiv geführte, durchaus kritische mediale Kampagne für Kontroversen. Dabei wurde immer wieder in Frage gestellt, ob der Gripen überhaupt das richtige Flugzeug sei. Mit denkbar schlechten Voraussetzungen musste der Verteidigungsminister im Berichtsjahr die Gripen-Beschaffung im Parlament vertreten. Diese war mit der bundesrätlichen Botschaft zum Rüstungsprogramm 2012 Mitte November 2012 den eidgenössischen Räten beantragt worden. Für die Beschaffung von 22 Kampfflugzeugen des Typs Gripen E war ein Verpflichtungskredit von besagten rund CHF 3 Mia. zu beschliessen. Ein referendumfähiges Gripen-Fondsgesetz sollte die Finanzierung legitimieren und sicherstellen.

Bevor das Rüstungsgeschäft im Parlament besprochen wurde, waren einige Nebenschauplätze in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Im Januar wurde bekannt, dass einer der an der Typenevaluation beteiligten Flugversuchsingenieure seine Arbeitsstelle nach über 30 Jahren bei der Luftwaffe verlassen musste. Durch eine Amtsgeheimnisverletzung fand ein vertrauliches Protokoll der Gripen-Subkommission den Weg an die Öffentlichkeit. Darin festgehaltene, kritische Äusserungen des Ingenieurs über den Gripen gaben den Ausschlag zu seiner Entlassung. Nachdem bekannt wurde, dass bereits 2012 ein weiterer Flugversuchsingenieur seinen Posten räumen musste, wurde von einer Art „Säuberungsaktion unter Gripen-Kritikern“ berichtet. Eine den Betroffenen auferlegte Schweigepflicht zur Sache war ein gefundenes Fressen für die Medien. Beim VBS erbetene Stellungnahmen blieben jedoch vorerst ebenfalls aus, womit die Angelegenheit einen weiteren Knick in der Gripen-Story darstellte. Bevor diese Indiskretionen aufgeklärt werden konnten, wie von SiK-Präsidentin Galladé (sp, ZH) und Subkommissionspräsident Hurter (svp, SH) gefordert, waren die Ingenieure quasi Bauernopfer in einer nunmehr unwürdigen „Indiskretionenflut“. Später wurde bekannt, dass es zwischen dem Gripen-Projektleiter bei armasuisse und dem Flugwaffen-Experten zum Zwist kam, worauf anscheinend auch von Seiten Saab eine personelle Veränderung verlangt wurde.

Gleichzeitig erreichten positive Signale aus Schweden die Schweiz: Schwedens Regierung gab der Militärleitung den Auftrag, 60 Jets des Typs Gripen E bei Saab zu bestellen. Diese Beschaffung wurde jedoch an die Bedingung geknüpft, dass mindestens ein Partner mitmache. Falls die Schweiz, oder ein anderes Land, nicht folgt und bis Ende 2014 ebenfalls mindestens 20 Jets ebendiesen Typs bestellt, kann die Regierung von einer Ausstiegsklausel Gebrauch machen und die Bestellung stornieren. Schwedens Vertrauen in den (eigenen) Jet gab der Debatte in der Schweiz zwar Aufwind, aber noch schienen zu viele Vertragsklauseln zu unsicher: Das VBS sollte sich im Auftrag des Parlaments gegen Nichterfüllen der Verträge absichern. Schweden solle mit der Herstellerfirma Saab einen Vertrag über 82 Jets abschliessen, die Schweiz ihrerseits einen mit Schwedens Regierung über den Kauf von 22 dieser Jets. So machte etwa die FDP ihre Zustimmung im Parlament davon abhängig, dass Strafzahlungen fällig werden sollen, wenn Saab einzelne Leistungen nicht erbringe.

Noch bevor die Vorlage im Parlament besprochen wurde, formierte sich Mitte Februar ein linkes Anti-Gripen-Bündnis, welches sich für den Referendumskampf vorbereiten wollte. Die Grüne Partei, mit alt Nationalrat Jo Lang (gp, ZG) als prominentem Jet-Gegner, die SP, JUSO, Junge Grüne, die GSoA und andere Organisationen schlossen sich der Allianz an. Das Zeichen war deutlich: bei einer Annahme im Parlament sollte das Referendum ergriffen werden.

Als Erstrat hatte sich Anfang März der Ständerat mit dem Geschäft zur Beschaffung auseinanderzusetzen. Die Mehrheit der sicherheitspolitischen Kommission (SiK) sprach sich (mit neun zu vier Stimmen) für Eintreten auf die Vorlage aus. Aus der Finanzkommission kamen ebenfalls positive Signale: diese hatte der Finanzierung mit sieben zu zwei Stimmen grünes Licht gegeben. Es gab aber auch den erwarteten Widerstand: Eine Minderheit Zanetti (sp, SO) beantragte Nichteintreten mit der Begründung, die ganze Beschaffung sei zu unsicher. Zudem stellte sie die Notwendigkeit neuer Flugzeuge grundsätzlich in Frage und schlug vor, die Schweiz solle sich am Luftraumüberwachungsprogramm der NATO beteiligen. Ein weiterer Antrag Recordon (gp, VD) verlangte Rückweisung an die Kommission mit der Aufgabe, den Erwerbsvertrag genauer zu prüfen. Die Eintretensdebatte war von Bekenntnissen zu Armee und Sicherheit geprägt, jedoch auch seitens bürgerlicher Politiker mit kritischen Voten versehen. Die finanziellen Risiken seien zu gross, so beispielsweise Ständerat Jenny (svp, GL). Der Flugzeugbeschaffung gegenüber kritisch eingestellte, bürgerliche Räte sahen im grossen finanziellen Aufwand zu grosse Einschnitte ins ordentliche Armeebudget, welches in den nächsten zehn Jahren zusätzlich den vom Bundesrat vorgesehenen Gripen-Fonds speisen müsse. Sämtliche Gegenanträge hatten schliesslich in den Eintretensabstimmungen keine Chance: Der Nichteintretensantrag scheiterte zwar mit 22 zu 20 Stimmen nur knapp, der Rückweisungsantrag etwas deutlicher mit 25 zu elf Stimmen. Der Bundesbeschluss wurde im Ständerat damit grundsätzlich gutgeheissen, scheiterte aber am fehlenden qualifizierten Mehr zur Lösung der Ausgabenbremse. Die SiK beantragte überdies einen zusätzlichen Artikel, wonach der Bundesrat den SiK beider Räte jährlich einen Bericht über den Stand der Beschaffung unterbreiten muss. Damit schuf der Ständerat einen neuen, vom Bundesratsentwurf abweichenden Passus. Mit 22 zu 20 Stimmen in der Gesamtabstimmung überwies der Ständerat das Geschäft an den Nationalrat. Die FDP Fraktion hatte sich schliesslich zu einem Ja durchringen können, nachdem früher monierte Verbesserungen in den Verträgen angebracht worden waren. Das gleichzeitig traktandierte Gripen-Fondsgesetz war ebenfalls von einem Rückweisungsantrag Recordon (gp, VD) betroffen, welcher jedoch deutlich abgelehnt wurde. In der Schlussabstimmung nahm der Ständerat das Gesetz mit 23 zu 15 Stimmen deutlich an. Dass die Vorlage am qualifizierten Mehr vorerst gescheitert war, wurde in den medialen Berichterstattungen als eigentliche „Ohrfeige“ betitelt. Das daraus resultierende mindestens vorübergehende Nein wurde auch als Quittung für mangelhafte Kommunikation seitens des VBS bezeichnet, jedoch auch als Zeichen gegen eine unentschlossene Regierung, welche noch 2010 im Armeebericht von einer Kampfjetbeschaffung absehen wollte. Konsterniert konstatierte der Verteidigungsminister denn auch, dass das Geschäft ins Wanken gerate.

In der Folge wurde der Entscheid der sicherheitspolitischen Kommission (SiK) des Nationalrates mit Spannung erwartet. Nach dem Votum im Ständerat und im Wissen um die kritische Haltung des Meinungsführers und Gripen-Subkommissionspräsidenten Thomas Hurter (svp, SH), war nicht klar, wie andere bürgerliche Kommissionsangehörige stimmen würden. Bundesrat Maurer trug zudem mit brisanten Aussagen weiter zur Unruhe bei: In einer Rede bei der Schweizerischen Offiziersgesellschaft sprach der Verteidigungsminister unter anderem von der Beschaffung unbemannter Flugkörper (Drohnen), welche just in der Auslieferungsphase der ersten Gripen-Jets beantragt werden sollen. In ihrer Sitzung Anfang April beschloss die SiK dann allerdings, erst im August zu entscheiden und bis dahin zusätzliche Forderungen zu stellen – was gleichzeitig eine zeitliche Verzögerung von mehreren Monaten bedeutete. Die grösste Baustelle orteten die Sicherheitspolitiker in den Zahlungsmodalitäten: Über einen Rückbehalt eines Teils der Zahlungen an Schweden solle sich die Schweiz absichern. Zusätzlich sollen als Grundbedingung nicht mehr als 15 Prozent des Gesamtkaufpreises als Anzahlung nach Schweden überwiesen werden. Als zweite Massnahme soll das VBS bei jeder fällig werdenden Teilzahlung für die Kampfflieger jeweils acht Prozent zurückbehalten. Die Hälfte dieser acht Prozent erhält Schweden bei korrekter Auslieferung einer Tranche, den Restbetrag beim erfolgreichen Abschluss des ganzen Geschäfts. Die zurückbehaltenen Gelder sollen als Druckmittel dienen, falls die Herstellerfirma Saab die vereinbarten Anforderungen nicht erfülle oder die Jets zu spät ausliefere. Die Forderungen zwangen das Verteidigungsdepartement zu Nachverhandlungen – und wurden von SVP Politikern als „Misstrauensvotum gegen Schweden“ kritisiert. Trotz Verzögerungen innerhalb des Berichtsjahres änderte sich die Agenda aber nicht grundsätzlich. Statt in der Sommersession hatte sich der Nationalrat erst im Herbst mit dem Geschäft auseinanderzusetzen, eine allfällige Referendumsabstimmung würde jedoch gleichwohl 2014 stattfinden können.

Vor der wegweisenden zweiten Sitzung der SiK im August wurde bekannt, dass das VBS die gewünschten Forderungen nicht hatte aushandeln können. Statt der verlangten Verringerung der Akontozahlungen an Schweden auf 15 Prozent, pochte der Vertragspartner auf 40 Prozent oder rund CHF 1 Mia. Da Schweden jedoch ursprünglich rund zwei Drittel des Kaufpreises als Akontozahlung forderte, konnte die Einigung auf den genannten Betrag als Kompromiss betrachtet werden. In anderen Belangen wie der Regelung einer Konventionalstrafe wurden jedoch Fortschritte gemacht. Ende August wurden in einer SiK-Sitzung die aufgeschobenen Traktanden zur Gripen-Beschaffung nachgeholt. Dass im VBS weiter verhandelt worden war, hatte sich gelohnt: die Sicherheitspolitiker konnten sich zu einem Ja zum Gripen durchringen, wenn auch gegen die geschlossene Linke innerhalb der Kommission. Damit erhielt das Geschäft einen positiven Schub für die anstehende Debatte in der Volkskammer.

Der Nationalrat beschäftigte sich in der Herbstsession mit dem Geschäft. Die SiK beantragte dem Plenum mit 14 zu neun Stimmen, auf die Vorlage einzutreten und ihr zuzustimmen. Die Finanzkommission des Nationalrates hatte die Vorlage bereits im Frühjahr gutgeheissen. Dennoch stand das Geschäft wie in der kleinen Kammer von Beginn weg im Gegenwind. Ein Nichteintretensantrag und zwei Rückweisungsanträge standen im Raum. Eine Minderheit Allemann (sp, BE) fasste unter dem Begriff „Geldverschwendung“ ihren Unmut über diese Beschaffung zusammen. Drei Argumente wurden vorgebracht: Erstens sprach sie dem Geschäft jegliche Berechtigung ab. Es sei unnötig Jets zu beschaffen, wenn man von Freunden umzingelt sei. Zweitens sei der Gripen nicht der richtige Typ, weil er im Luftpolizeidienst – seiner designierten Hauptaufgabe – schlechte Testresultate generiert habe. Als drittes und mit Verweis auf die Mirageaffäre wurde vorgebracht, dass das Risiko zu hoch sei, einen noch nicht fertigentwickelten „Papierflieger“ einzukaufen. Auch von bürgerlichen Politikern wurde Widerstand geleistet. Eine Minderheit Walter Müller (fdp, SG) sorgte sich um finanzielle Risiken. Mit einer Anzahlung über CHF 1 Mia. an Schweden bis zum Jahr 2016 begebe sich die Schweiz zu stark in eine Abhängigkeit von den Vertragspartnern. Gleichzeitig wurde die Leistungsfähigkeit des Saab-Fliegers angezweifelt. Im Rückweisungsantrag wurde verlangt, die anderen Angebote der Hersteller EADS und Dassault ebenfalls einer Nachevaluation zu unterziehen. Saab hatte zur Verbesserung des Jets in einzelnen Punkten nachbessern können. Der zweite Rückweisungsantrag Fischer (glp, LU) basierte auf der Idee einer generellen Sistierung von Kampfjetbeschaffungen. Es solle in der gewonnenen Zeit im Rahmen der Weiterentwicklung der Armee (WEA) eine grundsätzliche Standortbestimmung und ein Gesamtkonzept für den Einsatz der Luftwaffe erarbeitet werden, welches Basis für zukünftige Beschaffungen sein soll. Die Antragsteller forderten insbesondere, dass diese Beschaffung besser mit anderen wegweisenden und strategischen Geschäften (WEA, Rüstungsprogrammen) koordiniert wird. Die erwarteten Links-Rechts-Gegensätze zeigten sich bereits in der Eintretensdebatte. Sämtliche Gegenanträge wurden vom geschlossen abstimmenden bürgerlichen Block mit komfortabler Mehrheit abgewiesen. Die folgende Detailberatung war lediglich durch eine kleine Änderung einer Minderheit Allemann (sp, BE) geprägt. Diese wollte auf technische Vorkehrungen für die Luft-Boden-Kampffähigkeit zum Zeitpunkt der Beschaffung noch verzichten und dadurch rund CHF 70 Mio. einsparen. Das zentrale Argument war jedoch nicht diese Einsparung sondern sicherheitspolitische Bedenken, welche mit Einsätzen von solchen Waffen einhergehen. Die Schweiz hat seit 1994 und der Ausmusterung der Hunter-Flotte keine solchen Waffen mehr an den Kampfflugzeugen. Dieser Antrag blieb jedoch im Plenum chancenlos und der Vorlage wurde mit 113 zu 68 Stimmen zugestimmt. Die Ausgabenbremse wurde mit ähnlichem Stimmverhältnis ebenfalls gelöst.
Das Gripen-Fondsgesetz wurde mit zwei Änderungsanträgen bekämpft. Eine Minderheit Roland Fischer (glp, LU) wollte die Fondseinlagen auf höchstens CHF 3,126 Mia. begrenzen. Eine Minderheit II Flach (gp, AG) wollte Kreditverschiebungen verhindern. Die Einlagen sollten ausschliesslich für die Flugzeugbeschaffung verwendet werden und nicht via Globalbudget für Armeeimmobilien aufgewendet werden können. Der Vorschlag Fischer wurde auf Antrag der SiK und mit Unterstützung des Verteidigungsministers deutlich abgelehnt, mit der Begründung er sei unnötig, da der zu genehmigende Betrag festgeschrieben und zudem an dieses Rüstungsgeschäft gebunden sei. Der Antrag der Minderheit Flach wurde ebenfalls abgelehnt. Die Vorlage wurde in der Gesamtabstimmung mit 118 zu 67 Stimmen angenommen.

Die im Herbst im Ständerat behandelte Differenzbereinigung betraf lediglich die Ausgabenbremse, welche noch im Frühjahr am nötigen Quorum gescheitert war. Ohne viele Wortmeldungen, jedoch nach einem Vortrag von Bundesrat Maurer, in dem er noch offene Punkte zu klären versuchte, wurde das Geschäft auch im Ständerat abgeschlossen und mit 27 gegen 17 Stimmen wurde auch die Ausgabenbremse gelöst. Das Bundesgesetz über den Fonds zur Beschaffung des Kampfflugzeugs Gripen wurde in den Schlussabstimmungen mit 25 zu 17 Stimmen im Ständerat und mit 117 zu 71 Stimmen im Nationalrat angenommen. Damit nahm die Kampfjetbeschaffung zur Umsetzung des Tiger-Teilersatzes die Hürde Parlament.

Durch die Finanzierungslösung über das Gripen-Fondsgesetz, stand die Flugzeugbeschaffung unter Vorbehalt eines fakultativen Referendums. Bereits vor den Debatten um Preis und Flugzeugtyp hatte die Grüne Partei verlauten lassen, sie werde gegen den Kauf neuer Flugzeuge das Referendum ergreifen. Noch vor der Schlussdebatte im Ständerat hatten sich zwei Komitees gegen den Gripen gebildet. Ein linkes um SP und GP sowie ein bürgerliches Komitee, welches vorwiegend aus GLP-Politikern zusammengesetzt war. Dies stellte ein Novum dar: In Armeefragen hatte sich noch nie eine bürgerliche Partei gegen ein Armeegeschäft gestellt. Die Referendumsfrist lief ab Anfang Oktober bis zum 16. Januar 2014. Lange brauchten die Gripen-Gegner allerdings nicht: Nach knapp zwei Monaten und rund sechs Wochen vor Ablauf der Referendumsfrist hatte das linke Komitee 80'000 Unterschriften beisammen. Damit zeichnete sich ab, dass eine Abstimmung bereits im Mai 2014 erfolgen dürfte. Dass das bürgerliche GLP-Komitee kaum 10'000 Unterschriften zu sammeln vermochte und die eigene Sammelaktion abgebrochen hatte, schmälerte dessen Wille, gegen den Gripen zu agieren nicht. Fortan bestritten die beiden Komitees einen je eigenen Abstimmungskampf gegen den Gripen. Kurz vor Jahreswechsel lancierte der Verteidigungsminister den Abstimmungskampf für den Gripen. Mit der Metapher eines Chalets mit löchrigem Dach warnte Maurer fortan vor einer mangelhaft ausgerüsteten Luftwaffe nach Ausserdienststellung der Tiger F-5 Jets. Die Gripen-Beschaffung sei essentiell für die Sicherheit der Schweiz. Bemerkenswert am teuren Rüstungsgeschäft war dass die Armeeführung und allen voran Bundesrat Ueli Maurer trotz allen Unstimmigkeiten während der Typenevaluation, trotz Indiskretionen, trotz Gegenangeboten der unterlegenen Jet-Hersteller Dassault und EADS und ungeachtet jeglicher Kritik am favorisierten Typen auf den schwedischen Gripen beharrte. Weder eine Neuevaluation noch eine Prüfung von Alternativen waren jemals in Betracht gezogen worden. Das Stimmvolk wird 2014 das letzte Wort haben. Im Verlauf der parlamentarischen Debatte wurden neben mehreren Interpellationen und Anfragen zwei Motionen behandelt, die im Nationalrat allerdings keine Chance hatten: Eine Motion Kaufmann (svp, ZH) (Mo. 12.3278) aus dem Jahr 2012 wollte die neuen Kampfflugzeuge mit einer Militärpflicht-Ersatzabgabe für Ausländer finanzieren. Mit einer Motion Allemann (sp, BE) (Mo. 11.4021) sollte bereits seit 2011 und hinsichtlich einer Anschaffung von neuen Jets der Fluglärm auf dem Flugplatz Meiringen (BE) eingedämmt werden. Beide Vorstösse wurden jeweils recht deutlich abgelehnt.

Beschaffung des Kampfflugzeuges Gripen (BRG 12.085)
Dossier: Armee-Rüstungsprogramme
Dossier: Gripen-Beschaffung
Dossier: Beschaffung neuer Kampfflugzeuge
Dossier: Teilersatz der Tiger F-5 Kampfflugzeuge und Beschaffung des Gripen