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  • Schweizerischer Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD)
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Jahresrückblick 2022: Verbände

In der Schweizer Verbandslandschaft kam es im Jahr 2022 zu einigen Veränderungen. So löste sich etwa die Aktion für eine unabhängige Schweiz (AUNS), die mit dem EWR-Nein vor genau 30 Jahren ihren grössten Erfolg gefeiert hatte, auf Betreiben ihres Gründervaters Christoph Blocher auf und schloss sich mit zwei kleineren EU-kritischen Vereinen zur neuen Organisation «Pro Schweiz» zusammen. Angestrebt wird eine verbesserte Referendums- und Initiativfähigkeit, nachdem es um die AUNS zuletzt relativ ruhig geworden war. Mit der Neutralitätsinitiative beschloss «Pro Schweiz» an ihrer Gründungsversammlung denn auch gleich die Lancierung ihres ersten Initiativprojekts.

Auch bei den grossen Wirtschaftsverbänden gab es Neuerungen. Nachdem sich Economiesuisse, der Arbeitgeberverband (SAV) und der Gewerbeverband (SGV) schon 2021 zu einer engeren Zusammenarbeit bekannt hatten, schlossen sie im Sommer 2022 auch mit dem Bauernverband (SBV) eine «strategische Allianz». Die vier Allianzpartner wollen sowohl bei Abstimmungskämpfen als auch im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen 2023 vermehrt «gemeinsam für eine wirtschafts- und agrarfreundliche Politik kämpfen». Der Schritt wurde weitherum als Reaktion darauf gewertet, dass die Wirtschaftsverbände zuletzt zunehmend Schwierigkeiten bekundet hatten, bei Volksabstimmungen Mehrheiten für ihre Positionen zu erhalten. Auch 2022 mussten sie aus ihrer Sicht schmerzhafte Abstimmungsniederlagen einstecken, einerseits mit der Annahme der Initiative für ein Tabakwerbeverbot und des Filmgesetzes, andererseits mit der Ablehnung der Reformen der Stempelsteuer und der Verrechnungssteuer. Dass sie sich hingegen im September mit dem Ja zur AHV-21-Reform an der Urne knapp durchsetzen konnten, wurde teilweise als erste Frucht der neuen Allianz mit dem SBV interpretiert. Der SBV wiederum konnte sich über das deutliche Nein zur Massentierhaltungsinitiative freuen.

Eine besondere Entwicklung nahm im Jahresverlauf das Verhältnis zwischen den Krankenkassenverbänden Curafutura und Santésuisse, das meist angespannt gewesen war, seitdem sich Curafutura 2013 von Santésuisse abgespaltet hatte: Aufgrund zahlreicher inhaltlicher Differenzen, aber offenbar auch persönlicher Animositäten erreichte dieses Verhältnis im Frühling 2022 zunächst einen Tiefpunkt, und Gesundheitspolitikerinnen und -politiker aus dem gesamten politischen Spektrum äusserten erheblichen Unmut über die schwierige Zusammenarbeit mit den tief zerstrittenen Verbänden. Bis im Herbst entspannte sich das Verhältnis indessen deutlich, und beide Verbandsspitzen sprachen gar öffentlich von einer möglichen Wiedervereinigung.

Keine Fusion wird es bis auf Weiteres zwischen dem VPOD und dem Bundespersonalverband (PVB) geben. Nachdem die beiden Gewerkschaften einen solchen Schritt 2022 zunächst erwogen hatten, wurde diese Option vom PVB schliesslich verworfen. Der PVB will stattdessen eine Lösung aushandeln, bei der er als Kollektivmitglied dem VPOD beitreten könnte, womit seine unabhängige Rechtspersönlichkeit gewahrt bliebe und dennoch eine engere Verzahnung der beiden Gewerkschaften erreicht würde.
Die Syna sorgte einerseits mit internen Konflikten für Aufmerksamkeit und andererseits mit einem von ihr und der Unia intensiv geführten Kampf mit dem Baumeisterverband (SBV) um Anpassungen am Landesmantelvertrag im Bauhauptgewerbe. Die Gewerkschaften veranlassten in dessen Rahmen im Herbst eine landesweite Reihe von Arbeitsniederlegungen auf Baustellen.
An der Abstimmungsurne war die Bilanz auch für die Gewerkschaften gemischt: Während sie bei der Erhöhung des Frauenrentenalters im Rahmen der AHV-Reform und beim Medienpaket schmerzhafte Niederlagen einstecken mussten, standen sie bei den Abstimmungen zur Stempel- und zur Verrechnungssteuer sowie zum Filmgesetz auf der Siegerseite.

Schwierig verlief das Jahr für mehrere Organisationen, die in den letzten Jahren im Rahmen der Protestbewegung gegen die Covid-19-Massnahmen des Bundesrats entstanden waren. So wurden die «Freunde der Verfassung» von internen Konflikten und zwei Rücktrittswellen aus dem Vereinsvorstand erschüttert. Auch bei den Freiheitstrychlern entbrannte ein heftiger Konflikt zwischen zwei Führungspersonen, es kam zu Drohungen und Polizeieinsätzen. Der Verein «Mass-voll» wiederum musste gleich zu Beginn des Jahres eine grössere Abspaltung verkraften, als viele Mitglieder einen neuen Verein mit weniger politischer Ausrichtung gründeten. Insgesamt wurde es um diese Organisationen im Vergleich zum Vorjahr deutlich stiller, teils wohl wegen einer gewissen Lähmung durch diese internen Konflikte und teils wegen des Wegfalls der wichtigsten Triebfeder und Zielscheibe ihrer Proteste: Der Bundesrat hatte im Frühling 2022 die meisten Covid-Massnahmen aufgehoben. Dem Versuch eines Teils der Bewegung, unter dem Namen «Aufrecht Schweiz» bei verschiedenen kantonalen und kommunalen Parlaments- und Regierungswahlen politische Ämter zu erringen, war kein Erfolg beschieden. Die «Freunde der Verfassung» und «Mass-voll» konnten sich immerhin über die Ablehnung des Medienpakets im Februar freuen, zu dessen Gegnerinnen und Gegnern sie zählten.

Auch verschiedene Gruppierungen der Klimabewegung vermochten sich und ihre Forderungen nach griffigeren Klimaschutzmassnahmen ins mediale Scheinwerferlicht zu rücken. Um dies zu erreichen und der Dringlichkeit ihrer Anliegen Nachdruck zu verleihen, bedienten sie sich nebst Demonstrationen auch umstrittener und möglicherweise unerlaubter Aktionsformen. Dazu gehörten beispielsweise ein Aufruf zur Militärdienstverweigerung (Waadtländer Sektion von «Klimastreik Schweiz»), die Blockade von Verkehrsachsen («Renovate Switzerland») oder das Luftablassen aus Reifen von Geländewagen («The Tyre Extinguishers»). Kritikerinnen und Kritiker monierten, dass sich solche Gruppierungen radikalisiert hätten und damit den eigenen Anliegen einen Bärendienst erwiesen, weil sie die breite Öffentlichkeit gegen sich aufbrächten und diese mehr über die Aktionsformen als über die inhaltlichen Forderungen der Klimabewegung diskutiere.

Insgesamt waren die Verbände in den Medien etwa gleich oft Thema wie in den beiden Vorjahren. Erhöhte Aufmerksamkeit gab es im Februar für die doppelte Abstimmungsniederlage der Economiesuisse (Kategorie «Industrieverbände»), im Mai für die Bemühungen der Tourismusverbände um die Einstellung ukrainischer Flüchtlinge, im Frühling für die Konflikte bei den Covid-Protestorganisationen und für die F-35-Initiative der GSoA («ausserparteiliche Interessen») und schliesslich im Herbst für die Arbeitsniederlegungen auf den Baustellen und die Lohnforderungen der Gewerkschaften (siehe die APS-Zeitungsanalyse 2022 im Anhang).

Jahresrückblick 2022: Verbände
Dossier: Jahresrückblick 2022

An der Delegiertenversammlung des Bundespersonalverbandes (PVB) im November 2022 legte die Verbandsleitung dar, dass sie nach einjährigen Prüfarbeiten das Vorhaben einer Fusion mit dem rund viermal grösseren Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) nicht mehr weiterverfolgen möchte. Weil die Mitgliederbeiträge der beiden Verbände unterschiedlich hoch seien und eine Fusion für den PVB finanziell unvorteilhaft wäre, erachtete die Geschäftsleitung eine Fusion bei den Delegierten des PVB nicht als mehrheitsfähig.
Die Geschäftsleitung schlug den Delegierten vor, die Zusammenarbeit mit dem VPOD stattdessen auf andere Art zu verstärken: Sie wolle einen Beitritt des PVB zum VPOD als Kollektivmitglied vorbereiten. Mit dieser Variante würde der PVB ebenfalls Teil des VPOD, behielte aber seine unabhängige Rechtspersönlichkeit. Synergiegewinne und eine stärkere gewerkschaftliche Vertretung im Bereich des öffentlichen Personals liessen sich auch damit erreichen. Die Delegierten folgten diesem Vorschlag und beauftragten die Geschäftsleitung, ihnen im folgenden Jahr einen konkreten Entwurf für einen Vertrag mit dem VPOD für eine Kollektivmitgliedschaft vorzulegen.

Verhältnis zwischen VPOD und Bundespersonalverband

Im Oktober 2022 wurde unter dem Namen «Pro Schweiz» eine neue nationalkonservative und EU-skeptische Gruppierung aus der Taufe gehoben. Sie ist das Produkt einer Dreierfusion aus der «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz» (Auns), dem «Komitee Nein zum schleichenden EU-Beitritt (EU-No)» und der «Unternehmer-Vereinigung gegen den EU-Beitritt». Bereits im Frühling hatten die drei Organisationen je separat der Fusion – und damit ihrer Auflösung – zugestimmt.

Zum Gründungspräsidenten von Pro Schweiz wurde Stephan Rietiker (ZG, svp) gewählt, mit 15 Gegenstimmen bei 450 Anwesenden – die einzige Abstimmung an der Gründungsversammlung, die nicht einstimmig ausfiel, wie die NZZ festhielt. Für Rietiker ist das Pro-Schweiz-Präsidium das erste politische Amt: Bisher habe ihm für ein regelmässiges politisches Engagement wegen beruflicher Verpflichtungen die Zeit gefehlt, wie er der AZ erklärte. Nun plane er einen Tag pro Woche für Pro Schweiz einzusetzen, entlöhnt werde sein Präsidium nicht. Der 65-jährige US-schweizerische Doppelbürger ist Medtech-Unternehmer, Arzt, Oberst im Generalstab und ehemaliger kurzzeitiger Präsident des Fussballklubs Grasshoppers. Zu Rietikers parteipolitischem Werdegang wusste die NZZ zu berichten, dass dieser in seinen jungen Jahren die NZZ abbestellte, weil sie ihm «zu links» war, und der Autopartei beitrat. Später sei er FDP-Mitglied, dann parteilos und wieder FDP-Mitglied gewesen, bevor er vor zwanzig Jahren zur SVP wechselte. Ein gewisses politisches Engagement entwickelte Rietiker als Kritiker der behördlichen Covid-19-Politik, im Herbst 2021 kam er zu Medienauftritten im Abstimmungskampf gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes. Im Zusammenhang mit diesem Engagement wurde gemäss NZZ Christoph Blocher (ZH, svp), der als graue Eminenz von Pro Schweiz gilt, auf Rietiker aufmerksam und fragte ihn schliesslich für das Pro-Schweiz-Präsidium an.
Mehr politische Erfahrung brachte der Vizepräsident von Pro Schweiz mit: Nationalrat Walter Wobmann (SO, svp) ist insbesondere als Vater der Initiativen für ein Minarettverbot und für ein Verhüllungsverbot bekannt. Wie Wobmann sind auch die meisten weiteren Mitglieder des 13-köpfigen Gründungsvorstands daneben in der SVP aktiv, so unter anderem die Nationalratsmitglieder Piero Marchesi (TI), Pierre-André Page (FR) und Therese Schläpfer (ZH) sowie die alt Nationalräte Adrian Amstutz (BE), Christoph Mörgeli (ZH) und Ulrich Schlüer (ZH). Geschäftsführer wurde Werner Gartenmann, der dieselbe Funktion schon bei der Auns ausgeübt hatte. Angesichts des doch stark parteipolitisch geprägten Vorstands äusserten einige Medien in ihren Kommentaren Zweifel, ob das von Rietiker formulierte Ziel, Pro Schweiz wieder über die SVP hinaus im bürgerlichen Lager abzustützen – wie die Auns in deren Anfangszeiten –, realistisch sei. Auch die angestrebte Verjüngung der Mitgliederbasis fand im Gründungsvorstand – und gemäss Medienberichten auch in der Teilnehmerschaft der Gründungsversammlung – noch keinen Niederschlag. Nicht im Gründungsvorstand sassen Lukas Reimann (SG, svp) und Roger Köppel (ZH, svp), die bisherigen Präsidenten der Auns und des Komitees «EU-No».

Stark betont wurde in den Pressekommentaren die Rolle von Christoph Blocher, der bei Pro Schweiz zwar kein Amt übernahm, aber der Haupttreiber hinter der Fusion gewesen war und auch den Gründungsakt der neuen Organisation leitete. Blocher war 1986 selbst Gründungspräsident der Auns gewesen und hatte diese zu ihrem grösstem Erfolg geführt, nämlich zum Sieg in der EWR-Abstimmung 1992. Auch das 2013 gegründete Komitee «EU-No» hatte Blocher früher präsidiert. Die Fusion bezeichnete er als notwendig, um dem konservativen Lager zu mehr Schlagkraft zu verhelfen; Pro Schweiz solle eine direktdemokratische «Kampforganisation» «gegen die Gegner der Schweiz im Innern» werden. Die Auns hingegen habe zuletzt an Kraft eingebüsst und war nach Blochers Einschätzung nicht mehr referendumsfähig. Nichtsdestotrotz war die Auns mit 20'000 zahlenden Mitgliedern und Einnahmen von rund einer Million Franken pro Jahr die mit Abstand grösste Fusionspartnerin. Pro Schweiz zählte bei ihrer Gründung gemäss NZZ 25'000 Mitglieder.

Dafür, dass sich Pro Schweiz inhaltlich wesentlich anders positionieren würde als die Auns, sahen die Medienkommentare keine Anhaltspunkte; die Fusion wurde als primär organisatorische und personelle Neuaufstellung dargestellt. Allerdings habe sich Rietiker über seine Pläne noch nicht stark in die Karten blicken lassen, sondern in seiner Antrittsrede eher allgemein über die Freiheit, die EU, die Zuwanderung, die «Woke-Kultur», die Medien, die Corona-Massnahmen, das «Gutmenschentum», eine «dilettantische Energiepolitik» des Bundes, die «skandalösen» Sanktionen gegen Russland und eine anzustrebende Orientierung an wachsenden Märkten in Asien und Amerika statt der EU gesprochen. Ein konkretes Projekt beschloss Pro Schweiz indessen gleich noch an der Gründungsversammlung – die Lancierung der Neutralitätsinitiative, welche ihrerseits eine Idee Blochers ist.

Ablösung der Auns durch «Pro Schweiz»

Verglichen mit der Intensität der öffentlichen Debatte, die die Abstimmung zur sogenannten Burka-Initiative begleitet hatte, fiel das Echo in der Vernehmlassung zur gesetzlichen Umsetzung des in der Verfassung verankerten Gesichtsverhüllungsverbots eher bescheiden aus. Von den insgesamt 55 Stellung nehmenden Kantonen, Parteien, Organisationen und Privatpersonen äusserten sich nur 8 grundsätzlich ablehnend, darunter der Kanton Genf, die Grüne Partei, Amnesty International, die EKR, Les Foulards Violets und Operation Libero. Demgegenüber bekundeten 39 Teilnehmende grundsätzliche Zustimmung zum Vorentwurf. Dazu zählten neben den anderen 25 Kantonen etwa die EDU, die FDP, die SP und die SVP sowie GastroSuisse, die FIDS und der SIG – und damit auch Akteure, die sich im Abstimmungskampf zur Volksinitiative dezidiert gegen das Verhüllungsverbot eingesetzt hatten. In den befürwortenden Stellungnahmen wurde vor allem die schweizweit einheitliche Umsetzung gelobt. Von der Gegenseite wurde die Umsetzung auf Bundesebene hingegen kritisiert. Gegenstand von Kritik waren auch die Ausnahmebestimmungen, die Verankerung im Strafgesetzbuch und die Höhe der vorgesehenen Bussen.
In seiner Botschaft vom Oktober 2022 berücksichtigte der Bundesrat einige Kritikpunkte aus der Vernehmlassung. So legte er dem Parlament statt der Änderung des Strafgesetzbuches nun ein neues, eigenständiges Bundesgesetz über das Verbot der Verhüllung des Gesichts (BVVG) vor. Damit werde deutlich, dass beim Gesichtsverhüllungsverbot die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Vordergrund stehe, nicht die Bestrafung, erklärte die Regierung. Widerhandlungen gegen das Verhüllungsverbot sollen, um den Aufwand für die Kantone gering zu halten, im Ordnungsbussenverfahren geahndet werden können, die maximale Busse soll CHF 1000 betragen. Im Vorentwurf waren noch Bussen bis CHF 10'000 vorgesehen gewesen, was als unverhältnismässig kritisiert worden war. Damit die Verhüllung an politischen Manifestationen zulässig ist – mit der Formulierung im Vorentwurf hatte sich der Bundesrat den Vorwurf eingehandelt, vermummte Chaoten zu schützen –, soll die zuständige Behörde diese im Voraus bewilligen müssen. In der Medienmitteilung betonte die Regierung jedoch erneut, dass Gesichtsverhüllungen im öffentlichen Raum zulässig sein sollen, wenn sie in Ausübung von Grundrechten, namentlich der Meinungs- und der Versammlungsfreiheit, zum eigenen Schutz notwendig sind. Unverändert aus dem Vorentwurf übernahm der Bundesrat die Ausnahmen aus Gründen der Gesundheit, der Sicherheit, der klimatischen Bedingungen, des einheimischen Brauchtums, für künstlerische und unterhaltende Darbietungen sowie zu Werbezwecken.

Bundesgesetz über das Gesichtsverhüllungsverbot (BRG 22.065)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Ende April 2022 kam das Referendum gegen die AHV21 zustande. Damit wurde an der Urne nicht nur über die Mehrwertsteuererhöhung um 0.4 Prozentpunkte respektive 0.1 Prozentpunkte und somit über eine Zusatzfinanzierung für die AHV von CHF 12.4 Mrd. bis 2032 abgestimmt – diese musste als Verfassungsänderung sowieso der Stimmbürgerschaft vorgelegt werden –, sondern auch über die übrigen Massnahmen des Reformprojekts. Dieses sah vor, das Rentenalter der Frauen in vier Schritten (2024 bis 2027) demjenigen der Männer anzupassen, wodurch die AHV bis 2032 CHF 9 Mrd. weniger ausgeben respektive mehr einnehmen sollte als bisher. Im Gegenzug sollten die ersten neun betroffenen Frauenjahrgänge Zuschläge zu ihren Renten oder günstigere Bedingungen beim Rentenvorbezug erhalten, die insgesamt CHF 2.8 Mrd. kosten sollten. Allgemein sollte der Start des Rentenbezugs flexibilisiert und neu zwischen 63 und 70 Jahren möglich werden – mit entsprechenden Abzügen und (teilweise) Gutschriften bei früherem oder späterem Bezug –, wobei die Rente nicht mehr nur vollständig, sondern auch teilweise bezogen werden kann. Dies würde bis 2032 etwa CHF 1.3 Mrd. kosten. Insgesamt könnten die AHV-Ausgaben bis ins Jahr 2032 um insgesamt CHF 4.9 Mrd. gesenkt werden.

Die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform wehrten sich vor allem gegen die Finanzierung der Reform auf dem «Buckel der Frauen» (Tages-Anzeiger), also durch die Erhöhung des Frauenrentenalters. Dadurch würde den Frauen faktisch die Rente gekürzt – ein Jahr weniger Rente entspreche CHF 26'000, rechnete das Referendumskomitee vor. Diese Reduktion würde noch nicht einmal für diejenigen Jahrgänge, welche Kompensationsmassnahmen erhielten, vollständig ausgeglichen. Besonders störend daran sei, dass Frauen noch immer einen deutlich geringeren Lohn für ihre Arbeit und einen Drittel weniger Rente als die Männer erhielten, während sie gleichzeitig sehr viel mehr unbezahlte Arbeit leisteten. Darüber hinaus erachtete die Gegnerschaft die Erhöhung des Frauenrentenalters auch als ersten Schritt hin zum Rentenalter 67, das sie jedoch unter anderem mit Verweis auf die schlechten Arbeitsmarktchancen älterer Arbeitnehmender sowie auf die Erhöhung der Langzeitarbeitslosigkeit und der Sozialhilfequote ablehnte. Schliesslich erachteten die Gegnerinnen und Gegner auch die aktuelle Situation der AHV als weniger gravierend als die Befürwortenden der Revision: Die AHV sei solide, werde aber immer durch dramatische Prognosen schlechtgeredet – diese seien bisher jedoch nie eingetroffen. Die Nein-Parole zu beiden AHV-Vorlagen gaben die SP, die Grünen, die PdA sowie die SD aus, sie wurden von den Gewerkschaften unterstützt.

Die Befürwortenden der Reform betonten, dass die AHV struktureller Reformen bedürfe, zumal sie ansonsten bereits in wenigen Jahren mehr ausgeben als einnehmen werde. Die AHV21-Reform führe durch Massnahmen sowohl auf Einnahmeseite – durch die Mehrwertsteuererhöhung – als auch auf Ausgabenseite – durch die Erhöhung des Frauenrentenalters – zu einer Verbesserung der AHV-Finanzen. Bezüglich des Arguments der Gegnerschaft, dass vor allem die Frauen für die Reform aufkommen müssten, verwiesen die Befürwortenden auf die «substanziellen Kompensationen», welche die Frauen der Übergangsgeneration erhielten. Zudem sei eine Rentenaltererhöhung der Frauen auf 65 Jahre gerechtfertigt, da sie einerseits als Teil der Gleichstellung erachtet werden könne und da die grossen Rentenunterschiede andererseits nicht aus der AHV, sondern aus der beruflichen Vorsorge stammten. Im Gegenzug forderten jedoch auch verschiedene Mitglieder der Pro-Komitees Verbesserungen für die Frauen in der zweiten Säule, vor allem beim Koordinationsabzug, welcher gesenkt werden sollte. Die Ja-Parole zu beiden Vorlagen gaben die SVP, die FDP, die Mitte, die GLP, die EVP und die EDU sowie etwa Economiesuisse, der Arbeitgeberverband, der Gewerbeverband und der Bauernverband aus.

In der medialen Berichterstattung stand vor allem die Frage nach den Auswirkungen für die Frauen sowie der Fairness ihnen gegenüber im Mittelpunkt. Im Zentrum des Interesses stand dabei der Bund Schweizerischer Frauenorganisationen, Alliance f. So zeigten sich die im Verband organisierten Frauen öffentlich gespalten: Selbst der Vorstand des Verbands bestand aus Befürworterinnen und Gegnerinnen der AHV21. Alliance f sei in einer «delikate[n] Ausgangslage», betonten folglich etwa die AZ-Medien. Als Konsequenz gab der Verband Stimmfreigabe heraus und schuf zwei Frauenallianzkomitees, ein befürwortendes und ein ablehnendes. Damit wolle man sich trotz unterschiedlicher Positionen in die Diskussion einbringen und somit verhindern, dass die Männer die Debatte um das Frauenrentenalter dominierten, betonte etwa Co-Präsidentin von Alliance f und Präsidentin des befürwortenden Frauen-Komitees, Kathrin Bertschy (glp, BE).

Zusätzliche Aufmerksamkeit erhielt die AHV21-Abstimmung Ende Mai, als das BSV die neuen Finanzperspektiven der AHV herausgab. So war der Bundesrat in der Botschaft zur AHV21 im August 2019 von einem negativen Betriebsergebnis der AHV im Jahr 2030 von CHF 4.6. Mrd. ausgegangen. Im Juni 2021 hatte das BSV für 2030 ein Defizit von CHF 3.7 Mrd. prognostiziert, in den neusten Finanzperspektiven Ende Mai 2022 war hingegen nur noch von einem Defizit von CHF 1.8 Mrd. die Rede. Das BSV erklärte diese Veränderungen mit dem guten Betriebsergebnis des AHV-Ausgleichsfonds 2021 sowie mit einem stärkeren Beschäftigungs- und Reallohnwachstum als erwartet. Diese Entwicklung zeige auf, dass die AHV in einer «systematische[n] Angstmacherei zulasten der Bevölkerung» schlechtgeredet werde, liess der SGB verlauten. Die NZZ erachtete diese Zahlen trotz der Korrekturen noch immer als schlecht, «die AHV [werde] so oder so ins Minus» rutschen.

Im Juni 2022 entschied die SGK-SR, dass ihr Entwurf zur Pensionskassenreform BVG21 noch nicht reif für die Behandlung in der Herbstsession 2022 sei. Die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform sahen darin einen Versuch, kritische Debatten zur BVG21-Reform vor der Abstimmung über die AHV21 zu verhindern. Doch auch Befürwortende der AHV21-Reform störten sich an diesem Vorgehen der Kommission, zumal man bei einer Behandlung der BVG21-Reform den Frauen hätte zeigen wollen, dass man als Ausgleich zur Rentenaltererhöhung wie mehrfach versprochen ihre Pensionskassenrenten erhöhen werde.

Zu medialen Diskussionen führten in der Folge auch die Vorumfragen. Bereits Anfang Mai berichtete die SonntagsZeitung mit Verweis auf eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Demoscope, welche gemäss SonntagsBlick von den Befürwortenden in Auftrag gegeben worden war, dass sich 62 Prozent der SP-Sympathisierenden und 59 Prozent der Sympathisierenden der Grünen für die AHV21 aussprechen wollten. Insgesamt machte die Studie eine Zustimmung zur AHV21 von 55 Prozent aus. Darob publizierte jedoch der SGB die Resultate einer eigenen, zuvor beim Forschungsinstitut Sotomo in Auftrag gegebenen Studie, gemäss welcher die Sympathisierenden der SP die AHV21 zu 63 Prozent ablehnten, während der durchschnittliche Ja-Stimmenanteil über alle Parteien hinweg bei 48 Prozent zu liegen kam. Die Diskussion darüber, wie verlässlich Studien sind, welche von den Befürwortenden respektive der Gegnerschaft einer Vorlage in Auftrag gegeben werden, währte in den Medien jedoch nicht lange. Ab August konzentrierte sich die mediale Debatte auf die Vorumfragen von SRG/gfs.bern und Tamedia/Leewas, welche auf eine mehr oder weniger deutliche Annahme der zwei Vorlagen hindeuteten (Mehrwertsteuererhöhung: zwischen 54 und 65 Prozent, AHVG: zwischen 52 und 64 Prozent). Vor allem zeichnete sich in den Vorumfragen aber bereits ein deutlicher Geschlechtergraben ab, so sprachen sich beispielsweise Anfang August 2022 in der ersten Tamedia-Umfrage 71 Prozent der Männer für die Änderung des AHVG und somit für die Erhöhung des Frauenrentenalters aus, während diese nur 36 Prozent der Frauen befürworteten.

Hatten die Vorumfragen letztlich doch eine relativ deutliche Annahme beider AHV21-Vorlagen in Aussicht gestellt, wurde es am Abstimmungssonntag für die Gesetzesänderung sehr eng: Mit 50.55 Prozent Ja-Stimmen und gut 31'000 Stimmen Unterschied sprach sich die Stimmbürgerschaft für Annahme der Reform aus. Deutlicher fiel das Verdikt für die Zusatzfinanzierung über eine Mehrwertsteuererhöhung aus (55.07%).


Abstimmung vom 25. September 2022

Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; AHV21)
Beteiligung: 52.2%
Ja: 1'442'591 Stimmen (50.5%)
Nein: 1'411'396 Stimmen (49.5%)

Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer
Beteiligung: 52.2%
Ja: 1'570'813 Stimmen (55.1%)
Nein: 1'281'447 Stimmen (44.9%)

Parolen:
-Ja: SVP, FDP, Mitte, GLP, EVP, EDU; Economiesuisse, SAV, SBV, SGV
-Nein: SP, GPS, PdA, SD; SGB, Travail.Suisse, VPOD
* in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen


«Männer haben Frauen überstimmt», titelte in der Folge der «Blick», von einem «eklatante[n] Geschlechtergraben, wie es ihn noch nie gegeben hat», sprach die WOZ. In der Tat zeigten verschiedene Nachbefragungen einen grossen Zustimmungsunterschied zwischen Frauen und Männern. In der Vox-Analyse lag die Zustimmung zur Gesetzesänderung bei den Frauen im Schnitt bei 38 Prozent, bei den Männern bei 64 Prozent – wobei die direktbetroffenen Frauen unter 65 Jahren der Vorlage nur mit 25 Prozent (18-39 Jährige) respektive mit 29 Prozent (40-64 Jährige) zustimmten, die Frauen im Rentenalter hingegen mit 63 Prozent. In der Folge kam es in Bern und anderen Städten zu Demonstrationen, in denen Teile der Gegnerinnen der Vorlage ihre Wut über das Ergebnis ausdrückten. In einer Rede zeigte sich Tamara Funiciello (sp, BE) gemäss Medien empört darüber, dass «alte, reiche Männer» entschieden hätten, dass «Kita-Mitarbeiterinnen, Nannys, Reinigungskräfte und Pflegefachfrauen» länger arbeiten müssten. Dies führte im Gegenzug zu Unmut bei Vertreterinnen und Vertretern der bürgerlichen Parteien, welche kritisierten, dass «die Linke» den Stimmentscheid nicht akzeptieren wolle. Zudem sprach Regine Sauter (fdp, ZH) Funiciello die Berechtigung ab, im Namen aller Frauen zu sprechen, zumal Frauen keine homogene Masse bildeten. Funiciello hingegen betonte gemäss Tages-Anzeiger, dass es «für Verbesserungen [...] den Druck von der Strasse und den Dialog im Bundeshaus» brauche.

Doch nicht nur zwischen den Geschlechtern, auch zwischen den Sprachregionen zeigten sich bereits am Abstimmungssonntag grosse Unterschiede. Sämtliche mehrheitlich romanischsprachigen Kantone lehnten die Reform ab, allen voran die Kantone Jura (29% Ja-Stimmen), Neuenburg (35%) und Genf (37%), während sich nur drei deutschsprachige Kantone mehrheitlich gegen die Reform des AHV-Gesetzes aussprachen (Basel-Stadt: 47% Zustimmung; Solothurn: 49.8%, Schaffhausen: 50.0%). Die höchste Zustimmung fand sich in den Kantonen Zug (65%), Nidwalden (65%) und Appenzell-Innerrhoden (64%). «Die Deutschschweiz sichert die AHV», bilanzierte folglich etwa die NZZ, während SGB-Präsident und Nationalrat Maillard (sp, VD) die Unterschiede zwischen den Sprachregionen kritisierte, neben dem Geschlechtergraben und dem Sprachgraben aber auch einen Einkommensgraben ausmachte. Diese Ergebnisse bestätigte später auch die Vox-Analyse, welche für Personen mit Haushaltseinkommen unter monatlich CHF 3'000 eine deutlich tiefere Zustimmung zur Gesetzesänderung ermittelte als für Personen mit höheren Haushaltseinkommen (unter CHF 3'000: 32%; CHF 3'000-5'000: 49%, CHF 5'000-9'000: 52%, CHF 9'000-11'000: 59%, CHF über 11'000: 60%). Dieselben Unterschiede waren jeweils auch bei der Mehrwertsteuererhöhung erkennbar, wenn auch in geringerem Ausmass.

Als Motive für ihren Stimmentscheid machte die Vox-Analyse bei den Befürwortenden die Notwendigkeit zur Stabilisierung der AHV aus – sowohl bei der Gesetzesänderung (41%) als auch bei der Mehrwertsteuererhöhung (64%) wurde dieser Punkt häufig genannt. Zusätzlich erachteten aber die Befürwortenden die Gesetzesänderung – also wohl vor allem die Rentenaltererhöhung – auch als Schritt hin zur Gleichberechtigung (45%). Die Gegnerinnen und Gegner erachteten sowohl die Gesetzesänderung als ungerecht (84%), insbesondere im Hinblick auf die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern, als auch auf die Mehrwertsteuererhöhung (46%), die vor allem einkommensschwache Personen treffe und allgemein ein «schlechtes Finanzierungsmittel» (Vox-Analyse) darstelle.

Bereits am Tag nach der Volksabstimmung zur AHV21 schwenkte das mediale Interesse weg von der Reform der AHV hin zur BVG21-Reform. Denn nicht nur die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform, sondern auch weite Teile der Befürwortenden wiesen auf die Verpflichtung oder gar das «Versprechen» (AZ) hin, die mit dieser Annahme der Reform einhergingen: Im Gegenzug müsse das Bundesparlament die Benachteiligung der Frauen bei der Altersvorsorge im Rahmen der anstehenden BVG21-Reform korrigieren.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) erhielt im Juni 2022 eine neue Generalsekretärin. Die Delegiertenversammlung der Gewerkschaft wählte einstimmig Natascha Wey (sp, ZH). Als Generalsekretärin wird Wey operative Leiterin der Gewerkschaft, die 33'000 Mitglieder aus dem Service public zählt. Nötig geworden war die Wahl, weil der bisherige, seit 2008 amtierende Generalsekretär Stefan Giger in Pension ging. Präsidiert wird die Gewerkschaft weiterhin von Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH), die seit 2010 im Amt ist.
Ihre Bewerbung als Generalsekretärin stellte die 40-jährige Wey unter das Motto «Raus aus der Defensive, rein in die Betriebe». Wie sie gegenüber dem Tages-Anzeiger erklärte, wolle sie sich für einen kämpferischen Kurs der Gewerkschaft einsetzen und bei Bedarf zu «mehr Protestaktionen und notfalls Streiks» greifen. Mit einem selbstbewussteren Auftreten hoffe sie auch den Mitgliederschwund des VPOD zu stoppen.
Wey hatte bereits seit 2015 als Zentralsekretärin beim VPOD gearbeitet, 2021 war sie zur stellvertretenden Generalsekretärin aufgestiegen. Schwerpunkte ihrer bisherigen Tätigkeit für den VPOD waren gemäss einer Medienmitteilung unter anderem die Belange des Wartungs- und Reinigungspersonals, eine bessere Organisation stark weiblich geprägter Branchen wie der Kinderbetreuung oder das Engagement für den Frauenstreik von 2019. Für die Gleichstellung hatte sich Wey 2016 bis 2020 auch als Co-Präsidentin der SP Frauen Schweiz eingesetzt. Ihr Mandat als Zürcher Gemeinderätin, das sie seit 2019 innegehabt hatte, gab Wey kurz nach ihrer Wahl zur VPOD-Generalsekretärin ab.

VPOD mit neuer Generalsekretärin

Der Verein «Mass-voll!», der im Zuge der Proteste gegen die Covid-19-Massnahmen gegründet worden war und bei den einschlägigen Demonstrationen zwischenzeitlich stark mobilisieren konnte, musste Ende 2021 eine Abspaltung verzeichnen. Kurz nach der Abstimmung über die zweite Änderung des Covid-19-Gesetzes, bei der die Massnahmengegnerschaft eine deutliche Niederlage eingefahren hatte, trat ein grosser Teil der Mass-voll-Vorstandsmitglieder einschliesslich der Co-Präsidentin Viola Rossi zurück und gründete stattdessen einen eigenen Verein mit dem Namen «Taraxxa». Als Grund für die Abspaltung wurden in einer Medienmitteilung «unterschiedliche Ansichten über die Vereinstätigkeit in der jüngsten Vergangenheit und über die weitere strategische Ausrichtung des Vereins» genannt. Taraxxa wolle «eine freie, neue Welt [erschaffen]» und nicht «die alte bekämpfen». Näher gingen die Exponentinnen und Exponenten in der Öffentlichkeit nicht auf die Differenzen ein. Auf jeden Fall solle Taraxxa weniger einen politischen und stärker einen sozialen Fokus setzen als Mass-voll: Im neuen Verein sollten «geimpfte und ungeimpfte» Junge – insbesondere solche, «die sich nirgends zugehörig fühlen, die vom Leben ausgeschlossen wurden» – einen «Zufluchtsort» finden, sich «vernetzen und Spass haben» können, etwa beim Wandern oder Kochen.
Der Verein Mass-voll, der sich selbst auch nach der Abspaltung als «die grösste politisch engagierte Jugendorganisation der Schweiz» mit «deutlich mehr als 30`000 Unterstützerinnen und Unterstützern» bezeichnete, organisierte sich daraufhin neu. Der bisherige Co-Präsident Nicolas Rimoldi wurde zum alleinigen Präsidenten, daneben wurden drei weitere Personen in den Vorstand gewählt. Die «informelle Alterslimite von 30-35 Jahren» für Mitglieder hob Mass-voll auf, zumal «zwar die Jugend in besonderer Form unter den zynischen Covid-Zwangsmassnahmen leidet, aber die Probleme anderer Generationen letztlich identisch mit unseren sind». Mit dem zumindest vorläufigen Auslaufen der meisten Covid-19-Massnahmen im Frühling 2022 stellten sich die Medien auch die Frage nach dem künftigen Tätigkeitsgebiet von Mass-voll, das bisher vor allem im lautstarken Protest gegen ebendiese Massnahmen bestanden hatte. Im Februar 2022 gehörte der Verein zu den siegreichen Gegnerinnen und Gegnern des Medienpakets, darüber hinaus kündigte er an, sich allgemein für Bürgerrechte und Grundrechte in der Schweiz einzusetzen und im Fall einer Verlängerung der gesetzlichen Grundlage für das Covid-19-Zertifikat das Referendum dagegen zu ergreifen. Man wolle zudem «Strategien für die eidgenössischen Wahlen 2023» besprechen.

Organisationen der Covid-Protestbewegung
Dossier: Schutz des Bargelds in der Schweiz

Wie jedes Jahr fanden am 1. Mai 2022 in der ganzen Schweiz 1.-Mai-Kundgebungen statt. In Bern, Zürich, Aarau, St. Gallen, Bellinzona und weiteren Städten versammelten sich tausende von Menschen, wobei die Kundgebung in St.Gallen auf den 30. April vorverschoben wurde, weil der 1. Mai auf einen Sonntag fiel, wie die Medien berichteten.
Vorneweg marschierten jeweils nationale Politikerinnen. In Bern etwa führte die Berner Nationalrätin Tamara Funiciello (sp, BE) die offizielle Demonstration an, die sich später mit der von Personen aus dem linksautonomen Lager organisierten Demonstration zusammenschloss. In St. Gallen hielten Nationalrätin Claudia Friedl (sp, SG) sowie erneut Tamara Funiciello eine Rede, während sich in Aarau Nationalrätin Sibel Arslan (basta, BS) auf der Bühne äusserte. Bei allen Demonstrationen wurde Solidarität mit der Ukraine aufgrund des Angriffs durch Russland bezeugt. Weiter wurde die AHV-Reform in den Kundgebungen und vor allem in den verschiedenen Reden thematisiert. So nannte etwa Funiciello die AHV-Reform, die unter anderem die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre vorsah, in St. Gallen eine «politische Frechheit». Stattdessen verlangte man neben den klassischen Forderungen der Arbeiterschaft, wie guten Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen, eine Förderung der Frauenrechte und Parität der Geschlechter.
Just am Vortag der Demonstrationen schlug der Think Tank Avenir Suisse gemäss einem Artikel in der NZZ eine Reform zum Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Unternehmen und Staat vor. So würden die Gewerkschaften «nur eine Minderheit der Arbeitnehmenden» repräsentieren, zumal ihre Mitgliederzahl abnehme, wie Peter Grünenfelder, Direktor des Think Tanks, betonte. Entsprechend sei es wichtig, sich zu fragen, wie viel Einfluss den Gewerkschaften zugestanden werden solle. Angefragt von der NZZ verwiesen hingegen VPOD-Sekräter Duri Beer und Sprecherin der Unia Zürich-Schaffhausen Nicole Niedermüller auf die Relevanz ihrer Arbeit für den Arbeitnehmerschutz.

1.-Mai-Kundgebungen 2022

Mitte April 2022 berichtete die Presse über die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage zu sexuellen Beziehungen, die GfS Bern im März 2022 im Auftrag von Amnesty International Schweiz durchgeführt hatte. Daraus ging hervor, dass die grosse Mehrheit der Schweizer Bevölkerung eine Reform des Sexualstrafrechts als angezeigt erachtete; nur 13 Prozent der Befragten zeigten sich mit den geltenden Normen zufrieden. Während 45 Prozent der Befragten sich eine Regelung gemäss dem Zustimmungsprinzip («Nur Ja heisst Ja») wünschten, beurteilten nur 27 Prozent die von der RK-SR vorgeschlagene Widerspruchslösung («Nein heisst Nein») als ausreichenden Schutz vor sexualisierter Gewalt. Der Zuspruch zur Zustimmungslösung fiel bei jüngeren Befragten, Frauen und queeren Personen am höchsten aus. Insgesamt gaben 81 Prozent der Teilnehmenden an, bereits heute bei jeder sexuellen Handlung sicherzustellen, dass das Gegenüber damit einverstanden ist. Fast ein Viertel wertete allerdings auch ein Schweigen als Zustimmung. Von den Männern gaben knapp die Hälfte an, es als Einwilligung zum Geschlechtsverkehr zu interpretieren, wenn das Gegenüber vorher einer anderen sexuellen Handlung zugestimmt habe. Ein gutes Drittel der männlichen Befragten ging auch von einer Einwilligung aus, wenn die Person aufreizend gekleidet ist und mit dem Befragten geflirtet hat. Bei den befragten Frauen waren diese Ansichten deutlich weniger verbreitet. Die Presse schlussfolgerte, dass die Veröffentlichung dieser Ergebnisse den Druck auf die Politik erhöhe, das «Nur-Ja-heisst-Ja»-Prinzip gesetzlich zu verankern.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Im Frühling 2022 beschlossen die Mitgliederversammlungen der «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz» (Auns), des «Komitees Nein zum schleichenden EU-Beitritt (EU-No)» und der «Unternehmer-Vereinigung gegen den EU-Beitritt» je separat, sich als eigenständige Organisationen aufzulösen und zu fusionieren. Die fusionierte Organisation sollte voraussichtlich den Namen «PSS – Pro Souveräne Schweiz» erhalten, darüber sollte aber erst an der Gründungsversammlung der neuen Organisation im Oktober 2022 definitiv entschieden werden. Eine Arbeitsgruppe unter Christoph Blocher (svp, ZH) sollte bis dahin auch die Statuten des neuen Vereins vorbereiten.
Die Mitglieder der drei Organisationen folgten mit den Fusionsbeschlüssen ihren jeweiligen Vorständen, die sich im März 2022 in einer gemeinsamen Medienmitteilung zu einem Zusammenschluss bekannt hatten. Mit der Bündelung der Ressourcen könne man «die Schlagkraft der Verteidiger einer unabhängigen und neutralen Schweiz erhöhen». Erklärtes Ziel sei es, eine referendumsfähige Organisation zu erhalten und die nötigen finanziellen Mittel für Abstimmungskämpfe bereitzustellen. Genau diese Fähigkeit, erfolgreich ein Referendum zu ergreifen und einen Abstimmungssieg zu erzielen, sprach Christoph Blocher der heutigen Auns ab. Überhaupt war Christoph Blocher – Gründungspräsident der Auns und Ex-Präsident des Komitees EU-No – gemäss Medienberichten die treibende Kraft hinter dem Zusammenschluss.
Dabei ging der Schritt zumindest beim grössten Fusionspartner, der Auns, nicht ganz ohne Misstöne über die Bühne: Das Vorstandsmitglied Luzi Stamm (svp, AG) wollte an der Versammlung offenbar Kritik an der geplanten Fusion äussern, doch seine «nicht enden wollende Zwischenrede» wurde per Versammlungsbeschluss unterbrochen, wie dem Versammlungsbericht der Auns zu entnehmen war. Selbst der seit 2014 amtierende Präsident der Auns, Nationalrat Lukas Reimann (svp, SG), zeigte sich in seiner Rede an der Versammlung «unsicher» bezüglich der Fusion – sicher sei er aber, «dass Christoph Blocher das Richtige tut». Im Sonntagsblick zog Reimann freilich Blochers Analyse in Zweifel, dass die Auns nicht mehr referendumsfähig gewesen sei: Man habe über mehr als 20'000 zahlende, wenn auch «etwas ältere» Mitglieder sowie über eine Adressdatenbank mit 90'000 Personen verfügt und in den letzten Jahren viermal die Lancierung einer Volksinitiative beschlossen. Dass man schliesslich auf alle vier Initiativen verzichtet habe, habe auch daran gelegen, dass Christoph Blocher jeweils gefunden habe, man müsse sich auf den Kampf gegen das Rahmenabkommen konzentrieren. Mit bloss vier Gegenstimmen entschieden sich letztlich aber auch die Auns-Mitglieder klar für die Fusion. Gegenüber dem Sonntagsblick befand Reimann anschliessend, die Fusion «müsse kein Flop werden, [...] aber jetzt kaufen wir halt schon die Katze im Sack, wenn man nicht recht weiss, was da kommt».

Ablösung der Auns durch «Pro Schweiz»

Jahresrückblick 2021: Verbände

2021 wurde die Verbandslandschaft in der Schweiz wie schon im Vorjahr wesentlich durch das Coronavirus und die Massnahmen zu dessen Bekämpfung geprägt. So versuchten die Dachverbände der Arbeitgebenden und der Gewerkschaften wie auch zahlreiche Branchenverbände wiederholt mit Positionsbezügen auf die Pandemiepolitik der Behörden Einfluss zu nehmen. Während in der Unterstützung für Hilfsgelder und Kurzarbeit im Grossen und Ganzen Einigkeit zwischen Gewerkschaften und Verbänden der Arbeitgebenden aus verschiedenen Branchen herrschte, traten bei anderen Massnahmen deutliche Interessengegensätze zutage. Besonders stark profilierte sich in der Öffentlichkeit GastroSuisse mit seinem Präsidenten Casimir Platzer, der sich im Frühjahr immer wieder mit markigen Worten gegen die Schliessung der Innenräume von Gastbetrieben und im Herbst gegen die Zertifikatspflicht in Restaurants äusserte. Diese Forderungen brachten Platzer nicht nur mit manchen Gegenstimmen aus den eigenen Reihen in Konflikt, sondern auch mit Economiesuisse und dem Schweizer Arbeitgeberverband (SAV): Die beiden Dachverbände befürworteten die Zertifikatspflicht, forderten aber vom Bundesrat verbindliche Aussagen darüber, ab welchen Impfquoten er welche Lockerungsschritte ausrufen werde. Der Gewerbeverband (SGV) gab wie der SAV und Economiesuisse bei beiden Abstimmungen über das Covid-19-Gesetz die Ja-Parole heraus, markierte aber ansonsten grössere Distanz zu den Massnahmen des Bundes.
Auch die Gewerkschafts-Dachverbände SGB und Travail.Suisse unterstützten die beiden Covid-Vorlagen. Darüber hinaus wiesen die Gewerkschaften immer wieder auf die zentrale Bedeutung der Kurzarbeit, des Erwerbsersatzes und der Unterstützungsgelder für betroffene Unternehmen hin, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu begrenzen. Mit der Argumentation, dass ein vorsichtiger Weg letztlich schneller aus der Krise führe, mahnten SGB und Travail.Suisse bei Diskussionen über Massnahmenlockerungen meist zu behutsamen Schritten. Zu ihren Hauptforderungen zählten im Weiteren die Umsetzung und Kontrolle von Schutzkonzepten am Arbeitsplatz sowie die Sicherstellung der Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden auch im Homeoffice.

Eine strikte oder sogar absolute Beachtung individueller Freiheitsrechte und ein verhältnismässiges Vorgehen des Staats gehörten zu den Hauptforderungen mehrerer politischer Gruppierungen, die im Zuge der Proteste gegen die Covid-19-Massnahmen entstanden und in der öffentlichen Debatte teilweise starke Beachtung fanden. Zu den prominentesten dieser neuen Organisationen zählten die «Freunde der Verfassung», die im Herbst 2021 bereits über 12'000 Mitglieder zählten und die gleich bei mehreren Referenden und Initiativen eine bemerkenswerte Fähigkeit zum Sammeln von Unterschriften an den Tag legten. Weitere Organisationen, die sich zu Sprachrohren der Covid-Protestbewegung entwickelten, waren die an die jüngere Generation gerichtete Gruppierung «Mass-voll!», das «Aktionsbündnis Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik» sowie die «Freiheitstrychler». Auch wenn es zwischen diesen Organisationen bisweilen Differenzen über Inhalte und Stil gab, waren sie in ihrer Opposition gegen das Covid-19-Gesetz und gegen dessen zweite Revision geeint; sie unterlagen indessen in beiden Volksabstimmungen klar.

Aber auch unabhängig von der Pandemie machten Verbände und Organisationen im Jahr 2021 von sich reden, so beispielsweise die Operation Libero, die sich gleich zu Beginn des Jahres mit einem medienwirksamen Crowdfunding erfolgreich aus einem Engpass bei der Finanzierung ihrer Fixkosten befreite, im Oktober mit Sanija Ameti eine profilierte neue Co-Präsidentin präsentierte und kurz darauf zusammen mit den Grünen eine Volksinitiative für eine engere Zusammenarbeit der Schweiz mit der EU ankündigte.

Eher gegen den eigenen Willen geriet im Herbst die Gewerkschaft Unia in die Schlagzeilen, weil der beträchtliche Umfang ihres Vermögens bekannt wurde. Die Unia musste sich in der Folge gegen verschiedene Kritikpunkte verteidigen. Die Diskussion befeuerte aber auch übergeordnete Debatten, die bereits davor am Laufen gewesen waren, namentlich jene um eine angemessene Transparenz in der Politikfinanzierung und jene um eine korrekte Abgeltung der Sozialpartner für ihre quasistaatlichen Aufgaben bei der Kontrolle der Einhaltung allgemeinverbindlicher Gesamtarbeitsverträge.

Auf der Seite der Arbeitgeber-Dachverbände bekannten sich Economiesuisse, der SGV und der SAV 2021 zum Ziel, in Zukunft eine stärkere und harmonischere Zusammenarbeit zugunsten der gemeinsamen Interessen zu pflegen. Das Bekenntnis ist als Neuanlauf zu werten, nachdem in den Vorjahren – etwa vor der Abstimmung zur Konzernverantwortungsinitiative Ende 2020 – beträchtliche Spannungen zwischen SGV und Economiesuisse zutage getreten waren und sich die Wirtschaftsverbände bei verschiedenen Volksabstimmungen nur mit Mühe oder gar nicht hatten durchsetzen können. Dasselbe war im Jahr 2021 namentlich bei den Abstimmungen über das Freihandelsabkommen mit Indonesien und das E-ID-Gesetz der Fall.

Auch andere Verbände engagierten sich mit wechselndem Erfolg in Abstimmungskämpfen. So konnte etwa der Bauernverband nach einer von ihm angeführten Kampagne, die zu einer aussergewöhnlich starken Mobilisierung der ländlichen Bevölkerung beitrug, im Juni die Ablehnung der Trinkwasserinitiative und der Pestizidinitiative feiern. Intern gespalten war bei der Parolenfassung zur Trinkwasserinitiative der Interessenverband der biologischen Landwirtschaft BioSuisse, eine Mehrheit seiner Delegierten entschied sich schliesslich für eine Nein-Empfehlung; die Pestizidinitiative wurde von BioSuisse hingegen unterstützt. Bei der Ablehnung des CO2-Gesetzes gehörten Verbände des Autogewerbes und der Erdölindustrie, der Hauseigentümerverband und GastroSuisse zu den Siegern. Die Gewerkschaften wiederum konnten mit der Ablehnung des E-ID-Gesetzes und der Annahme der vom Berufsverband der Pflegefachleute (SBK) lancierten Pflegeinitiative Erfolge feiern; dies ist umso bemerkenswerter, als davor noch nie in der Schweizer Abstimmungsgeschichte eine gewerkschaftlich initiierte Volksinitiative an der Urne angenommen worden war. Auf ähnlich erfolgreiche Kampagnen in der Zukunft hoffen nebst der Operation Libero mit der oben erwähnten Europainitiative auch GastroSuisse mit seiner im März angekündigten Volksinitiative für «gerechte Entschädigungen» in künftigen Pandemiefällen sowie die GSoA mit ihrer Volksinitiative «Stopp F-35», welche die vom Bund geplante Beschaffung von Kampfflugzeugen des Typs F-35 unterbinden soll und für die 2021 bereits die Unterschriftensammlung begann.

Der Anteil der Verbände an der Presseberichterstattung bewegte sich 2021 auf ähnlichem Niveau wie in den beiden Vorjahren (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang). Im Jahresverlauf nahmen Verbände zwischen September und November am meisten Raum ein (vgl. Abbildung 1). Dies hatte zum einen mit der Berichterstattung zum Unia-Vermögen und zum SBK als Initiant der Pflegeinitiative zu tun. Noch mehr trug die Kategorie «Andere Verbände» bei, von denen neben der Operation Libero und GastroSuisse vor allem Gruppierungen der Klimabewegung – unter anderem mit Protestaktionen von Extinction Rebellion und einer Klage der Klimaseniorinnen – in der Presse von sich reden machten.

Jahresrückblick 2021: Verbände
Dossier: Jahresrückblick 2021

Der Bundespersonalverband (PVB) und der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) begannen Ende 2021 mit der Vorbereitung eines Zusammenschlusses. Die Delegiertenversammlungen beider Gewerkschaften hatten davor jeweils einstimmig ihre zuständigen Gremien beauftragt, bis Ende 2023 die Entscheidungsgrundlagen für einen definitiven Beschluss über eine Fusion auszuarbeiten.
In einer gemeinsamen Medienmitteilung gaben die beiden Verbände an, dass sie schon seit vielen Jahren eng zusammenarbeiteten, in allgemeinen gewerkschaftspolitischen Fragen ähnliche Positionen verträten und ähnliche Strukturen unterhielten. Von einem Zusammenschluss erhofften sie sich eine Stärkung der Gewerkschaftsarbeit im Bereich des Service Public. Der VPOD vertritt rund 32'000 Mitglieder, die in der Verwaltung des Bundes, eines Kantons oder einer Gemeinde oder bei einem Unternehmen des Service Public angestellt sind. Der PVB ist mit gut 8’000 Mitgliedern der grösste Arbeitnehmendenverband im Bereich des Bundespersonals, der bundesnahen Betriebe und des ETH-Bereichs.

Verhältnis zwischen VPOD und Bundespersonalverband

Im Zuge der 2020 und 2021 anhaltenden Proteste gegen die Covid-19-Massnahmen der Behörden entstand eine ganze Reihe neuer politischer Organisationen, und manche ältere Gruppierungen gewannen neuen Schwung. Zu den Organisationen, die in der öffentlichen Debatte in der Folge eine teils prominente Rolle einzunehmen vermochten, gehörten die folgenden:

Der Verein «Freunde der Verfassung» wurde an Pfingsten 2020 auf dem Rütli gegründet, ein Jahr später zählte er rund 12'000 Mitglieder. Viele von diesen – auch die meisten Vorstandsmitglieder – waren davor kaum politisch aktiv. Der Verein sah durch die Covid-19-Massnahmen, aber auch durch andere Vorhaben der Behörden die verfassungsmässigen Grundrechte und die bürgerlichen Freiheiten verletzt. Um solche Vorhaben zu bekämpfen, nutzten die Freunde der Verfassung stark den direktdemokratischen Kanal, wobei sie eine bemerkenswerte Fähigkeit zum Sammeln zahlreicher Unterschriften bewiesen. Nebst den Referenden gegen das Covid-19-Gesetz und gegen dessen zweite Revision waren sie auch massgeblich an den Referenden gegen das E-ID-Gesetz, gegen das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen gegen Terrorismus (PMT) und gegen das Medienpaket beteiligt. Ausserdem wirkten sie bei der Unterschriftensammlung für die Volksinitiative gegen eine Impfpflicht (Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit») mit und gaben im Sommer 2021 bekannt, eine Volksinitiative zur Einführung der Gesetzesinitiative zu planen. Die Geldmittel für diese zahlreichen Kampagnen stammten «von Mitgliedern, aus Spenden und von einer Handvoll sehr besorgter Unternehmer, von denen keiner Blocher heisst», wie die Freunde der Verfassung sich in der NZZ zitieren liessen. Das Präsidium des Vereins teilten sich Marion Russek und Werner Boxler. In der medialen Öffentlichkeit stark in Erscheinung traten zudem Mediensprecher Michael Bubendorf, ein ehemaliges SVP-Mitglied, und Kampagnenleiter Sandro Meier, nach eigener Aussage ein «ehemaliger Links-Grün-Wähler». Verschiedene Medien sahen zudem den Solothurner Publizisten Christoph Pfluger als wichtige Figur bei den Freunden der Verfassung.

Der im Februar 2021 gegründete Verein «Mass-voll!» verstand sich als Jugendbewegung gegen die Behördenmassnahmen. Die jüngere Generation sei durch eine Covid-19-Infektion gesundheitlich am wenigsten gefährdet, doch gerade diese Generation werde in ihrer Entwicklung und Freiheit durch die Massnahmen besonders getroffen. Ähnlich wie die Freunde der Verfassung, aber oft in deutlich schärferem Ton prangerte Mass-voll die «Freiheitsberaubung und Überwachung der Bürger», «eine Zweiklassengesellschaft von Geimpften und Nichtgeimpften» sowie eine zu grosse Machtkonzentration beim Bundesrat an, die dieser für «menschenverachtende» Massnahmen und die «Abschaffung der Grundrechte» missbrauche. Zur Verbreitung ihrer Positionen setzte Mass-voll stark auf die Sozialen Medien sowie auf Kundgebungen. Bekanntester Exponent war Co-Präsident Nicolas Rimoldi, der auch im Vorstand der Auns sitzt und bereits vor der Pandemie mit libertären Positionen innerhalb der FDP aufgefallen war. Neben ihm war zunächst Carla Wicki und ab Sommer 2021 Viola Rossi Co-Präsidentin. Andere leitende Mitglieder von Mass-voll waren gemäss NZZ für die SVP aktiv.

Das «Aktionsbündnis Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik» entstand im Herbst 2020 und hatte seine Basis in den Kantonen Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden. Im Herbst 2021 zählte es nach eigenen Angaben «deutlich über 1'000 eingeschriebene Unterstützer». Das Aktionsbündnis trat zum einen als Mitorganisator von Kundgebungen in Erscheinung, zum anderen auch in den Abstimmungskampagnen gegen das Covid-19-Gesetz und gegen dessen zweite Revision. Es kritisierte die «Corona-Zwangsmassnahmen» als «unsinnig, schädlich und unverhältnismässig». Nach eigenen Angaben setzte sich das Aktionsbündnis «für die freie Diskussion und sachliche Aufklärung der Bevölkerung» ein und orientierte sich an «unabhängigen Informationsquellen über die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und dem Stand der nicht einer politischen Agenda unterworfenen Wissenschaft». Bekanntestes Gesicht des Aktionsbündnisses war der Schwyzer Unternehmer Josef Ender.

Das «Netzwerk Impfentscheid» war schon 2011 als Zusammenschluss impfkritischer Personen gegründet worden und hatte 2013 erfolglos mit einem Referendum gegen das Epidemiengesetz gekämpft. Die Covid-19-Pandemie verlieh dem Netzwerk gemäss NZZ «neuen Schub». Das Netzwerk sah sich als Stimme gegen die «Impfpropaganda» der Behörden und gegen eine aus seiner Sicht drohende Impfpflicht. Prominentester Exponent des als Verein organisierten Netzwerks war der Naturheilpraktiker Daniel Trappitsch.

Die «Freiheitliche Bewegung Schweiz» war schon vor der Covid-19-Pandemie vom ehemaligen Luzerner SVP-Politiker Richard Koller gegründet worden. Sie fand mit dem Kampf gegen Maskenpflicht, Impfen und Einschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens ein neues Tätigkeitsfeld. Am 1. Dezember 2020 startete die Freiheitliche Bewegung die Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit», die sich gegen eine Impfpflcht richtet. Andere Forderungen der Bewegung betrafen den Erhalt des Bargelds oder die Möglichkeit für alle Gemeinden, autonom über die Einführung des Mobilfunkstandards 5G zu entscheiden. Die NZZ charakterisierte die Bewegung im März 2021 als «Sammelbecken für Menschen, die dem Staat grundsätzlich misstrauen und sich durch seine <Machenschaften> bedroht sehen».

Die «Freiheitstrychler» traten im Herbst 2020 erstmals in Erscheinung. An Protestkundgebungen gegen Covid-19-Massnahmen zogen sie mit ihren unüberhörbaren Trycheln und den weissen Hirtenhemden in der Folge viel Aufmerksamkeit auf sich, auch medial. Im Mai 2021 bestanden sie gemäss Medienberichten aus rund 100 Personen, die grossmehrheitlich aus dem Kanton Schwyz stammten. Ihr Gründer, der Schwyzer Andy Benz, ist SVP-Mitglied.

Organisationen der Covid-Protestbewegung
Dossier: Schutz des Bargelds in der Schweiz

Wie sie gleich nach der ersten Abstimmung über das Covid-19-Gesetz angekündigt hatten, ergriffen die Freunde der Verfassung, das Netzwerk Impfentscheid und das Aktionsbündnis Urkantone auch das Referendum gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes, unterstützt wurden sie dabei von der Jungen SVP. Innert drei Wochen – mehr Zeit hatte das Referendumskomitee nach der erfolglosen Abstimmung über das Covid-19-Gesetz nicht zur Verfügung – sammelten sie 187'239 Unterschriften. 5'401 Unterschriften wiesen dabei bereits eine Stimmrechtsbescheinigung auf, für weitere 75'526 Unterschriften liess die Bundeskanzlei eine entsprechende Prüfung vornehmen – aufgrund des Covid-19-Gesetzes war es zu diesem Zeitpunkt möglich, auch unbescheinigte Unterschriften einzureichen. In der Folge bestätigte die Bundeskanzlei das Zustandekommen des Referendums mit 74'469 gültigen Unterschriften. Diese hohe Anzahl Unterschriften in so kurzer Zeit sorgte in der Presse für einige Anerkennung bezüglich der Organisationsfähigkeit und des breiten Netzwerks des Komitees, die NZZ sprach etwa von einem (erneuten) «Achtungserfolg». Die Medien wiesen aber auch auf die hohen Kosten und die entsprechenden finanziellen Mittel hin, welche für das Zustandekommen des Referendums nötig gewesen seien.

Ins Zentrum gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes stellte das Referendumskomitee vier Argumente: Als besonders kritisch erachtete es erstens das Covid-19-Zertifikat, welches zu einer «Zweiklassengesellschaft» und zur Diskriminierung von 2 Mio. Menschen führe. Teilweise wurde das Zertifikat gar mit der Rassentrennung des Apartheids-Regimes Südafrikas verglichen. Zweitens kritisierten die Gegnerinnen und Gegner der Reform die Befreiung der Geimpften – nicht aber der Ungeimpften – von der Quarantänepflicht, womit Letztere diskriminiert würden. Bei beiden Massnahmen werde ignoriert, dass auch Geimpfte ansteckend sein und sich selbst anstecken könnten. Drittens erkannte das Komitee in den Regelungen zur Kontaktrückverfolgung eine Möglichkeit zur Massenüberwachung der Bevölkerung. Und schliesslich kritisierte es viertens die weitreichenden zusätzlichen Kompetenzen, welche die Revision für den Bundesrat mit sich bringe und welche die Gefahr einer Diktatur verstärkten. Insgesamt seien dies «radikale und extreme Umkehrungen in unserer Gesellschaft», welche man mit dem Referendum verhindern wolle.

Früh zeichnete sich ab, dass diesmal auch die SVP das Referendum unterstützen würde. Hatte sie bei der Juni-Abstimmung aufgrund der breiten wirtschaftlichen Unterstützungsmassnahmen noch Stimmfreigabe erteilt, standen die Wirtschaftshilfen in dieser Revision deutlich weniger im Zentrum. Zudem mache ein Engagement gegen das Gesetz für die SVP Sinn, zumal es in keiner Partei mehr Personen gebe, welche die offizielle Corona-Politik des Bundes ablehnten, hob die Weltwoche hervor. Ende August 2021 fasste die Delegiertenversammlung der SVP mit 181 zu 23 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) die Nein-Parole zum Gesetz deutlich. In der Folge sprachen sich zwar mit Aargau und Glarus zwei Kantonalsektionen für das Gesetz aus, ansonsten zeigte sich die Partei aber deutlich geeinter als noch bei der Juni-Abstimmung, als 16 Kantonalparteien von der nationalen Parole abgewichen waren.

Daneben machten vor allem ein linkes Komitee «Geimpfte gegen das Covid-Gesetz» und dessen prominenteste Vertreterin, die Schriftstellerin Sibylle Berg, von sich reden. Das Komitee kritisierte einerseits, dass mit dem Zertifikat Ungeimpften – aber etwa auch Sans-Papiers – der Zugang zum gesellschaftlichen Leben verweigert werde, und äusserte andererseits Datenschutzbedenken. Es werde eine «Infrastruktur für totale Überwachung geschaffen», wurde gar argumentiert. Jedoch warf die WOZ dem Komitee selbst mangelnde Transparenz vor, nachdem sie bei einer Inserateanfrage festgestellt hatte, dass das Inserat über den SVP-Werber Alexander Segert bezahlt worden war. Das Komitee selbst habe zugegeben, dass es nicht wisse, wer genau das Inserat finanziert habe, betonte die Zeitung.

Neben der SVP sprach sich von den nationalen Parteien nur die EDU gegen das Gesetz aus, jedoch gaben auch die Jungfreisinnigen des Kantons Thurgau, die Mitte-Partei des Kantons Neuenburg sowie die Schweizer Demokraten des Kantons Bern Nein-Parolen aus. Unterstützt wurden die Referendumsführenden erneut auch von der Organisation «Mass-Voll», was aufgrund ihres radikaleren Stils vereinzelt zu Spannungen führte.

Anders als bei der Juni-Abstimmung setzten die Befürworterinnen und Befürworter der zweiten Revision diesmal weniger stark auf das Wirtschaftsargument. Vielmehr stand zu Beginn der Diskussionen um die Vorlage – kurz vor und während der Sommerferien – vor allem die gefährdete Reisefreiheit im Zentrum der Kritik. So bedarf das Schweizer Zertifikat zur Anerkennung durch die EU einer gesetzlichen Grundlage, welche mit Ablehnung der Revision nicht mehr vorhanden wäre, erklärte etwa EDI-Sprecher Markus Binder. Ein freiwilliger Einsatz des Zertifikats für Reisen sei somit nicht möglich, genauso wenig wie ein erneutes dringliches Gesetz zur Schaffung einer solchen rechtlichen Grundlage. Somit müsste das Parlament den ordentlichen Weg der Gesetzgebung beschreiten, wobei unklar sei, wie lange sich dies hinziehen würde.
Als weiteres zentrales Argument warnten die Befürwortenden des Gesetzes vor dem «Schliessungshammer» (NZZ), der ohne Zertifikat drohe. Denn ohne das Zertifikat habe der Bundesrat keine «weicheren» Optionen und müsse bei einem erneuten Anstieg der Fallzahlen und vor allem der Spitalauslastung wieder mit einem Lockdown reagieren, wurde befürchtet. Somit könne sich das Nein der Gegnerinnen und Gegner zum Eigentor entwickeln, indem sie dadurch weniger Freiheiten hätten als vor dem Referendum.
Insbesondere in Kultur-, Gastro- und Hotelleriekreisen hob man schliesslich die zentrale Bedeutung des Zertifikats sowie des Schutzschirms für Grossveranstaltungen hervor, die beide nur aufgrund der Revision des Covid-19-Gesetzes möglich waren. Man habe bisher stark unter der Pandemie gelitten, könne nun aber aufgrund des Zertifikats die Lokale und Veranstaltungen wieder stärker auslasten. Gerade auch dank des Schutzschirms für Grossveranstaltungen sei überhaupt erst wieder an eine Planung für Grossanlässe zu denken.

Die Befürwortenden bildeten ein breites Spektrum der Schweizer Politiklandschaft ab: Von den nationalen Parteien sprachen sich EVP, FDP, GLP, Grüne, Mitte, PdA und SP für das Gesetz aus, ebenso wie Economiesuisse, der Gewerbeverband, der SGB, Travailsuisse sowie verschiedene Tourismus-Organisationen. Auch Swiss Olympic sprach sich mit Verweis auf die Wichtigkeit des Zertifikats für den Sport für das Gesetz aus.

Bei der medialen Berichterstattung über mögliche Folgen eines Neins standen vor allem Unsicherheiten im Vordergrund. Klar war, dass die Regelungen aus der zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes bei einem Nein an der Urne bis ein Jahr nach ihrer Verabschiedung vom Parlament in Kraft bleiben würden – konkret somit bis zum 19. März 2022. Jedoch waren die meisten Regelungen des Covid-19-Gesetzes bis Ende 2021 begrenzt, einige zentrale Aspekte, wie zum Beispiel der Schutzschirm für die Grossveranstaltungen, aber auch Regelungen bezüglich der Arbeitslosenversicherung könnten aber noch bis Mitte 2022 oder gar Ende 2023 in Kraft bleiben. Denkbar war überdies eine Verlängerung des Covid-19-Gesetzes. Ob dies nötig sein würde, war von der Entwicklung der Pandemie abhängig: Womöglich wäre die Pandemie bereits vor Auslaufen der entsprechenden Regelungen vorbei, so dass die Unterstützungsmassnahmen für die Wirtschaft oder das Covid-19-Zertifikat gar nicht mehr vonnöten wären, spekulierten die Medien. Auch was bei einem Nein bis im März 2022 genau passieren würde, war unklar. So könnte das Covid-19-Zertifikat zwar rechtlich den Winter hindurch weiterhin in Kraft bleiben, ob dies politisch jedoch durchsetzbar wäre, war gemäss Presse fraglich. Schliesslich fragte man sich auch, ob eine durch das Epidemiegesetz begründete Einlasskontrolle das fehlende Zertifikat ersetzen könne. Diese Vermutungen unterband Bundesrat Berset jedoch, indem er klarstellte, dass zwar eine Zulasskontrolle für Geimpfte und Ungeimpfte aufgrund des Epidemiengesetzes rechtlich weiterhin möglich wäre, das dafür nötige Kontrollinstrument mit dem Zertifikat jedoch verloren ginge und es somit wenn nötig nur noch Einschränkungen für alle – Geimpfte und Ungeimpfte – gebe.

Im Abstimmungskampf dominierten anfangs die Gegnerinnen und Gegner der Revision deutlich. Sie nahmen ihren Schwung aus dem «Achtungserfolg», den sie mit über 40 Prozent Nein-Stimmen bei der Juni-Abstimmung und dem grossen Sammelerfolg bei den Unterschriften erzielt hatten, mit. Die Gegnerschaft der Revision begann demnach früh, Flyer, Inserate und Plakate zu publizieren – immer wieder sprachen die Medien von 50 Tonnen Werbematerial, welches die Gegnerschaft für den Abstimmungskampf produzierte. Gleichzeitig warben sie auf Youtube und Telegram für ein Nein zur Änderung des Gesetzes und gingen letztlich gemäss Zeitungsberichten gar von Haustür zu Haustür. Überdies verschafften sie sich mit fast wöchentlichen Demonstrationen Aufmerksamkeit – insbesondere die sogenannten Freiheitstrychler wurden bald zum Symbol des Protests gegen die bundesrätlichen Massnahmen – und eine Möglichkeit, ein breites Netzwerk zu erreichen, wie die Medien betonten. Lange Zeit waren denn sowohl in den Medien als auch werbetechnisch fast ausschliesslich die Gegnerinnen und Gegner zu sehen und zu hören. Organisiert wurde ihre Kampagne von der PR-Firma von Alexander Segert, der zuvor bereits mit verschiedenen umstrittenen Kampagnen für die SVP aufgefallen war. In einem Crowdfunding hatte das Contra-Komitee gemäss eigenen Angaben in wenigen Tagen CHF 300'000 eingenommen, die Medien berichteten aber auch über hohe Einzelbeträge von vermögenden Personen.

Bereits Mitte August wurden die Befürworterinnen und Befürworter der Revision für ihr fehlendes Engagement im Abstimmungskampf kritisiert. Als Mitte Oktober noch immer nichts von einer koordinierten überparteilichen Pro-Kampagne zu sehen war, wurden die Medien langsam ungeduldig. Sie befürchteten, dass sich die Befürwortenden ob der hohen Rate an Geimpften und später auch der Vorumfragen, die auf eine Zustimmung zwischen 61 Prozent (1. & 2. Welle SRG) und 69 Prozent (3. Welle Tamedia) hindeuteten, in falscher Sicherheit wiegten. So sei es deutlich schwieriger, «eine schweigende Mehrheit zu mobilisieren […] als eine laute Minderheit» (NZZ). Sie zeigten aber auch Verständnis für die Probleme der befürwortenden Parteien: Diese hätten kaum Geld zur Verfügung, zumal die Wirtschaftsverbände kein Geld für eine Kampagne aufwenden wollten. «Weil lange rein gar nichts ging», wie er erklärte, gründete der Zürcher FDP-Lokalpolitiker Peter Metzinger ein zivilgesellschaftliches Pro-Komitee. Sein Komitee verfügte nur über wenig Geld, bekam aber nach einer Weile «einen Zustupf im überschaubaren Rahmen» von der Economiesuisse, wie Michael Wiesner, Kommunikationsleiter von Economiesuisse, erklärte.
Mitte Oktober folgte dann zwar eine gemeinsame Pressekonferenz der Parteipräsidentinnen und -präsidenten von EVP, FDP, GLP, Grünen, Mitte und SP, in dem sie das Gesetz als Schlüssel zur Freiheit und als pragmatisches Mittel, um aus der Krise zu kommen, präsentierten. Die Medien erkannten in der nüchternen Kommunikationsweise zwar durchaus eine Notwendigkeit – man hatte weder das Geld noch die Zeit für eine emotionale Kampagne –, erachteten diese ob der lauten und emotionalen Gegnerschaft aber auch als sinnvolle Taktik. In der Folge lancierten verschiedene Parteien und Verbände Aufrufe und Appelle für eine Annahme der Revision, etwa über die sozialen Medien.
Eine eigene Kampagne lancierte schliesslich die sogenannte Tourismus-Allianz unter der Führung des Schweizer Tourismus-Verbands, die für ein Ja zur Gesetzesrevision als Basis für grenzüberschreitenden Tourismus und für EU-kompatible Nachweise warb. Aufmerksamkeit erzielte auch Andreas Kyriacou, Präsident der Freidenker-Vereinigung, der anfangs nur ein Plakat mit dem Slogan «Impfen statt Schimpfen» und der Unterschrift «Freiheitsimpfler» veröffentlichte. Dieses fand rasch Verbreitung in den sozialen Medien und generierte Spenden, dank denen es in der Folge in über 100 Gemeinden aufgehängt wurde.

Je näher der Abstimmungssonntag rückte, desto nervöser wurden sowohl das Pro- als auch das Contra-Lager, wie die Medien ausführlich berichteten. So beklagten sich etwa beide Seiten über fehlende Akzeptanz und Diskussionsbereitschaft der anderen Seite. Immer wieder war in den Medien von einer «Spaltung der Gesellschaft» die Rede. Die Gegnerschaft monierte einerseits die fehlende Nennung der Zertifikate im Gesetzestitel – was auf die nachträgliche Ergänzung der Regelungen zum Covid-19-Zertifikat durch das Parlament zurückzuführen war – und reichte gemäss NZZ am Sonntag 750 – häufig identische – Abstimmungsbeschwerden bei den Kantonen ein. Andererseits kritisierten die Gegnerinnen und Gegner, dass sie mehrfach unter fadenscheinigen Begründungen davon abgehalten worden seien, ihre Plakate aufzuhängen, oder dass diese gezielt heruntergerissen worden seien.
Die Befürworterinnen und Befürworter monierten hingegen insbesondere den rauen Ton der Gegnerschaft, der sich zudem verstärkt habe und schliesslich gar in Todesdrohungen gegen einen Politiker ausgeartet seien. Insbesondere die Mahnung des Berner Sicherheitsdirektors Reto Nause (BE, mitte) kurz vor dem Urnengang warf in den Medien grosse Wellen: «Wir erwarten einen unruhigen Abstimmungssonntag. Was, wenn die Gegner des Covid-Gesetzes das demokratische Verdikt nicht akzeptieren?», fragte er rhetorisch. So sei von vereinzelten Personen im Internet bereits zur Bewaffnung aufgerufen worden. Auf beiden Seiten berichteten die Medien überdies von Stimmen, die sich vor Ungereimtheiten bei der Abstimmung durch die andere Seite fürchteten – etwa versperrte Abstimmungslokale oder Manipulation der brieflichen Stimmen. Umgehend beteuerten jedoch verschiedene Mitglieder der Gegnerschaft, etwa der Sprecher des Aktionsbündnisses Urschweiz und Organisator der Contra-Kampagne, Josef Ender, oder die Präsidentin der Jungen SVP Zürich, Camille Lothe, dass es keine Hinweise auf Manipulation der Stimmabgabe oder der Auszählung gebe.
Die Medien sprachen ob diesen Vorwürfen von einer Gefahr für die Demokratie: Dass eine Seite die Einhaltung der demokratischen Regeln in Frage stelle, habe es so noch nie gegeben und sei brandgefährlich, war der Tenor. Der emeritierte Politikwissenschaftsprofessor Wolf Linder versuchte hingegen, die Geschehnisse zu relativieren: So würden «keine Parteien oder signifikanten politischen Kräfte die Verlässlichkeit unserer Abstimmungsergebnisse ernsthaft hinterfragen», daher solle man diesen Einzelmeinungen nicht zu viel Gewicht beimessen. Gar etwas Positives konnte Stefan Schmid von CH Media der aufgeheizten Situation abgewinnen: Sie steigere die erwartete Beteiligung an der Abstimmung. Die Pandemie habe denn auch die Gesellschaft nicht gespalten, sondern nur entsprechende Unterschiede sichtbarer gemacht. «Wichtig ist jetzt freilich, dass sich nach geschlagener Schlacht Siegerinnen und Verlierer, wie das hierzulande üblich ist, die Hand reichen und das Sägemehl von der Schulter klopfen», betonte er. Andere Kommentatorinnen und Kommentatoren zweifelten jedoch daran, ob dies allen Gegnerinnen und Gegner bei einer allfälligen Niederlage gelingen würde.

Neben den Kampagnen von Befürwortenden und Gegnerschaft wurde die Abstimmung zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes auch stark von den äusseren Umständen, allen voran von der Entwicklung der Pandemie beeinflusst. So begannen Mitte Oktober 2021 die Covid-19-Fallzahlen in der Schweiz, vor allem aber auch im benachbarten Ausland, wieder zu stiegen. Teile Deutschlands reagierten beispielsweise bereits im September 2021 mit einer Verschärfung der 3G-Regel hin zu einer 2G-Regel, bei der nur noch Geimpfte oder Genesene, nicht aber Getestete Zulass zu öffentlichen Innenräumen erhielten. Eine solche Verschärfung blieb in der Schweiz lange Zeit kaum vorstellbar und wurde von verschiedenen Sprechenden deutlich zurückgewiesen. Trotz der steigenden Fallzahlen verzichtete der Bundesrat vor der Abstimmung weitgehend auf Verschärfungen der Corona-Regelungen, was bei den Medien die Vermutung weckte, er wolle die Chancen des Gesetzes im Referendum nicht schmälern. Hingegen gab die Regierung Ende Oktober bekannt, verschiedene Regelungen des Covid-19-Gesetzes verlängern zu wollen – wie es die Kritikerinnen und Kritiker bereits in der Kampagne zur ersten Abstimmung befürchtet hatten. Darüber hinaus sprach der Bundesrat etwa zeitgleich eine Empfehlung für eine Auffrischungsimpfung für über 65-Jährige aus und nährte damit auch die Befürchtungen der Gegnerschaft, wonach zukünftig immer wieder neue Impfungen nötig sein würden. Schliesslich startete der Bundesrat drei Wochen vor dem Urnengang mit einer nationalen Impfwoche einen letzten Versuch, die Schweizer Impfquote vor dem Winter zu erhöhen. Dabei setzte er CHF 100 Mio. ein und startete eine umfassende Werbekampagne für die Impfung. In den Inseratespalten publizierte er denn auch ähnlich viele Inserate zur Impfwoche und zur Impfung wie die Gegnerschaft gegen die Revision des Covid-19-Gesetzes.
In der Woche vor dem Abstimmungssonntag wurde schliesslich bekannt, was vielerseits befürchtet worden war: In der Zwischenzeit war eine neue Virusvariante, Omikron, festgestellt worden, die deutlich ansteckender zu sein schien als die bisher vorherrschende Deltavariante. Unklar war auch, wie die vorhandenen Impfungen gegen die neue Variante wirken würden. Dies versetzte die Schweiz gemäss NZZ endgültig in einen «Schwebezustand, epidemiologisch und politisch gesehen».

Am Abstimmungssonntag folgte dann ein «klares Verdikt einer leisen Mehrheit», wie die AZ das Abstimmungsresultat betitelte: Mit 62.0 Prozent Ja-Stimmen und zwei ablehnenden Kantonen – in Appenzell Innerrhoden und Schwyz sagte die Mehrheit der Stimmenden Nein zur Revision – war die Zustimmung zum Gesetz gegenüber der ersten Abstimmung im Juni (60.2%) gar noch angestiegen. Zahlreiche Gemeinden und sechs Kantone (AR, GL, NW, OW, TG, UR) waren verglichen mit der Juni-Abstimmung neu ins Ja-Lager gewechselt. Die Medien hoben die hohe Stimmbeteiligung von 65.7 Prozent hervor und interpretierten das Ergebnis der Abstimmung als Vertrauensbeweis in die bundesrätliche Politik. Sie betonten aber wie bereits im Juni auch, dass dies keine Blankovollmacht für den Bundesrat darstelle. Die SVP wollte das Resultat denn auch nicht als Einladung für Massnahmenverschärfungen verstanden wissen. Gesundheitsminister Berset forderte die Gegnerinnen und Gegner auf, das Abstimmungsresultat zu akzeptieren: Zur Schweiz gehöre es, dass man sich nach der Abstimmung zusammenraufe. «Wir dürfen nicht endlos streiten.» Zu grossen Streitereien kam es denn in der Folge nicht mehr: Der befürchtete Grossaufmarsch blieb aus, nur vereinzelte Protestierende fanden sich auf dem Bundesplatz ein. Die meisten Sprechenden der Gegnerschaft akzeptierten das Ergebnis, lediglich «Mass-Voll» liess verlauten, dass das Resultat wegen «beispiellosen Unregelmässigkeiten [...] nicht legitim und für uns nicht bindend» sei.


Abstimmung vom 28. November 2021

Beteiligung: 65.7%
Ja: 2'222'594 Stimmen (62.0%)
Nein: 1'361'084 Stimmen (38.0%)

Parolen:
- Ja: EVP, FDP, GLP, GPS, Mitte*, PdA, SPS; Economiesuisse, Gemeindeverband, KdK, SGB, SGV*, SSV, TravailSuisse, VöV, Schweizer Tourismusverband, Hotelleriesuisse, Verband Seilbahnen Schweiz, Swissmem, Freidenker-Vereinigung
- Nein: EDU, SVP*; «Freunde der Verfassung», Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik», Netzwerk Impfentscheid, «Mass-Voll»
- Stimmfreigabe: SD*; GastroSuisse, Piratenpartei
* verschiedene abweichende Kantonalsektionen: Ja: SVP AG, SVP GL; Nein: Mitte NE, SD BE; Stimmfreigabe: SGV AG


Anhand der Gemeindeergebnisse zeigte sich in der Folge, dass die Opposition in der Innerschweiz im Vergleich zum Juni abgenommen hatte, in der Westschweiz hingegen angestiegen war. Gemäss der Vox-Nachabstimmungsbefragung hätten sich die Lager jedoch weiter polarisiert: Die SVP-Sympathisierenden hätten klarer Nein, diejenigen der FDP- und GLP klarer Ja gesagt als noch im Juni 2021. Mehrheitlich Nein gestimmt hatten neben den Sympathisantinnen und Sympathisanten der SVP auch Personen, die sich selbst auf der Links-Rechts-Achse als «rechtsaussen» einstufen, sowie Personen mit traditioneller Werthaltung und solche mit tiefem oder mittlerem Vertrauen in den Bundesrat. Als Hauptgrund für ihre Ablehnung der Gesetzesänderung nannten sie die empfundene Bevormundung durch die Behörden und entsprechend die fehlenden Freiheiten (zusammen 17%), ebenso übten viele Kritik an der indirekt wahrgenommenen Impfpflicht (10%). Die Befürwortenden hingegen wollten mit Annahme der Änderung vor allem die Corona-Politik des Bundesrates unterstützen (36%).

Zweite Revision des Covid-19-Gesetzes (Änderung und Zusatzkredit; BRG 21.016)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Beim Schweizerischen Städteverband (SSV) trat im Oktober 2021 der neue Direktor Martin Flügel sein Amt an. Flügel war zuletzt bereits stellvertretender Direktor des SSV und davor unter anderem geschäftsführender Präsident der Gewerkschaft Travail.Suisse gewesen. Er folgte auf Renate Amstutz, die den Verband dreizehn Jahre lang geführt hatte. Wie der SSV mitteilte, habe Amstutz in ihrer Amtszeit unter anderem erreicht, «dass die Schweizer Städte vom Bund vermehrt unmittelbar als Partner auf Augenhöhe akzeptiert werden und nicht bloss mittelbar via Kantone».
Der SSV sieht sich als Interessenvertretung der Städte, Agglomerationen und städtischen Gemeinden und damit als «Stimme der urbanen Schweiz». 2021 gehörten dem Verband 128 Gemeinden mit jeweils mindestens 5'000 Einwohnerinnen und Einwohnern an. Präsident des SSV ist seit 2013 Kurt Fluri, Stadtpräsident von Solothurn.

Neuer Direktor für den Städteverband

Wirtschaftsfreundliche Kreise riefen im Herbst 2021 einen neuen Think-Tank ins Leben. Dieser sollte nach eigenem Bekunden «dem Moralismus wirtschaftsskeptischer Kreise mit einer ethischen Offensive aus liberaler Sicht begegne[n]». Der angestrebten Verbindung von Liberalismus und Ethik sollte auch der Vereinsname «Liberethica» Ausdruck verleihen. Laut dem NZZ-Magazin handelte es sich dabei um ein weltweit einzigartiges Vorhaben: Bisher gebe es nur Lehrstühle für Wirtschaftsethik an Universitäten, aber nirgends eine Institution, die sich mit einer politischen Stossrichtung «dem Brückenschlag zwischen Ethik und liberaler Wirtschaft verpflichtet» habe.
Wesentlicher Auslöser für die Gründung der Denkfabrik war der Abstimmungskampf zur Konzernverantwortungsinitiative, die in der Volksabstimmung vom November 2020 eine Stimmenmehrheit erzielt hatte und nur am Ständemehr gescheitert war. Die Gründerinnen und Gründer von Liberethica störten sich daran, dass Nichtregierungsorganisationen und Kirchen den Abstimmungskampf mit Slogans wie «Menschlichkeit statt Profit» moralisch aufgeladen und geprägt hätten. Die Wirtschaft sei damit unter Pauschalverdacht gestellt worden – und habe lernen müssen, dass sie ethischen Positionen nicht mit wirtschaftlichen Argumenten beikommen könne, sondern vielmehr ihrerseits ethisch argumentieren müsse. Mit der neuen Denkfabrik solle solchen Argumenten eine Plattform geboten und ein Gegengewicht zu «den wirtschaftsskeptischen Akteuren – Hilfswerke, Kirchen, Klimabewegung» aufgebaut werden, wie die Geschäftsführerin von Liberethica, Béatrice Acklin Zimmermann, erklärte. Die Theologin, Publizistin und Freiburger FDP-Stadtparlamentarierin war bereits 2019 an der Gründung eines Think-Tanks «Kirche/Politik» beteiligt gewesen.
Im Gründungsvorstand von Liberethica sassen weitere, teils prominente Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kirchen – so etwa Ex-UBS-CEO Peter Wuffli, Ex-Avenir-Suisse-Direktor Gerhard Schwarz, Gastrounternehmer Rolf Hiltl, FDP-Nationalrat Kurt Fluri (fdp, SO), die frühere EVP-Nationalrätin und Stiftungsrätin von Brot für alle Maja Ingold (evp, ZH), der Gstaader Pfarrer Bruno Bader oder der Direktor des Zentrums für Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit der School of Management Fribourg, Philipp Aerni.
Mehrere dieser Exponentinnen und Exponenten waren bereits Teil des kirchennahen «Ethikkomitees» gewesen, das sich vor der Abstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative gegen die offensiv kommunizierte Ja-Parole der Landeskirchen gestellt und die Initiative abgelehnt hatte. Auch Liberethica lag laut NZZ-Magazin schon bei seiner Gründung über Kreuz mit den Landeskirchen; offenbar hätten sich zwei weitere «Kirchenleute» für eine Mitwirkung im Liberethica-Gründungsvorstand interessiert, sich aber auf Druck der Landeskirchen zu einem Rückzug gedrängt gefühlt.
Was das Verhältnis von Liberethica zur Wirtschaft betrifft, suchten die Gründerinnen und Gründer den Eindruck einer unkritischen Nähe zu vermeiden: Man finanziere sich durch Beiträge von Privaten, Stiftungen und Firmen, von den Wirtschaftsverbänden sei man unabhängig, so Kurt Fluri. Geschäftsführerin Acklin Zimmermann wollte «eine konstruktiv-kritische Haltung gegenüber der Wirtschaft» einnehmen und im Auge behalten, dass «der Markt auch zu Missbräuchen und Monopolen führe». Anders als «die Gesinnungsethiker der Kirchen und der Nichtregierungsorganisationen» suggerierten, gebe es in der Praxis allerdings kaum je moralisch reine Lösungen; gefragt sei bei ethischen Dilemmata eine verantwortungsethische Güterabwägung.

Gründung des Thinktanks Liberethica

Die «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz» (Auns) beschloss im August 2021, eine Fusion mit dem «Komitee Nein zum schleichenden EU-Beitritt (EU-No)» zu prüfen. Zwei Wochen davor hatte der Vorstand von «EU-No» einen analogen Beschluss gefasst und bekannt gegeben, «ergebnisoffene» Gespräche mit der Auns aufnehmen zu wollen. Der Beschluss erfolgte auf Vorschlag von Christoph Blocher (svp, ZH), seines Zeichens Gründungspräsident der Auns und ehemaliger Präsident des Komitees «EU-No». Blocher übernahm auch gleich die Leitung der mit den Fusionsabklärungen betrauten Arbeitsgruppe der beiden Organisationen. Kein Teil dieser Arbeitsgruppe war hingegen der seit 2014 amtierende Auns-Präsident Lukas Reimann (svp, SG), der gemäss einem NZZ-Bericht bereits 2020 von Blocher die «Empfehlung» erhalten habe, vom Auns-Präsidium zurückzutreten.
Blocher begründete die Fusionsbestrebungen laut NZZ damit, dass auf der einen Seite das Komitee «EU-No» seinen «Auftrag» erfüllt habe, indem der Bundesrat im Mai 2021 die Verhandlungen für ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU abgebrochen hatte – schliesslich war die Verhinderung eines solchen Abkommens der Hauptzweck des 2013 gegründeten Komitees gewesen. Auf der anderen Seite werde die Auns in ihrer gegenwärtigen Verfassung nicht in der Lage sein, eine Volksabstimmung zu gewinnen, wenn die «Classe Politique» dereinst einen neuen Anlauf für einen «landesverräterischen Vertrag» mit der EU unternehmen werde. Es brauche deshalb eine Bündelung und Wiederbelebung der EU-kritischen Kräfte.

Ablösung der Auns durch «Pro Schweiz»

Im August 2021 gründeten bürgerliche Exponentinnen und Exponenten unter der Bezeichnung «Allianz Sicherheit Schweiz» eine neue sicherheitspolitische Organisation. Die Allianz erhielt professionelle Strukturen und eine permanente Geschäftsstelle, was sie von ihrer Vorgänger-Organisation, dem «Verein für eine sichere Schweiz», unterscheidet. Die Gründerinnen und Gründer wollten die Allianz damit ausdrücklich auch als Gegengewicht zur GSoA positionieren. Der Bedarf nach einer solchen Organisation auf bürgerlicher Seite sei unter anderem dadurch deutlich geworden, dass in der Volksabstimmung vom September 2020 die vor allem von armeekritischer Seite bekämpfte Beschaffung neuer Kampfjets um ein Haar gescheitert wäre. Als eines ihrer Ziele formulierte die Allianz Sicherheit Schweiz denn auch, «eine jederzeit einsatzbereite und schlagkräftige Fach- und Kampagnenorganisation [bereitzustellen], die permanent und proaktiv die sicherheitspolitische Meinungsbildung im parlamentarischen Prozess und in der Öffentlichkeit prägt sowie Abstimmungskampagnen führt». Die Allianz wollte sich dabei nicht bloss auf Armeefragen beschränken, sondern die Verbindung von innerer und äusserer Sicherheit gesamtheitlich bearbeiten – also etwa auch Felder wie Wirtschaftsspionage, Cybersicherheit oder Versorgungssicherheit abdecken.
Gründungspräsident der Allianz wurde der Ständerat und designierte FDP-Präsident Thierry Burkart (fdp, AG), der bereits dem Vorgängerverein «für eine sichere Schweiz» vorgestanden hatte. Auch die Liste der weiteren Vorstandsmitglieder liest sich wie ein Who is Who aus bürgerlichen Parteien und wirtschaftlichen sowie sicherheitspolitischen Interessenvereinigungen. So gehören dem Vorstand aus der Politik auch die Mitte-Ständerätin Brigitte Häberli (mitte, TG), der Tessiner Lega-Staatsrat Norman Gobbi (TI, lega), die FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro (fdp, VD) sowie der SVP-Nationalrat Franz Grüter svp, LU) an. Aus der Wirtschaft und armeenahen Verbänden sassen im Gründungsvorstand der Arbeitgeberverbands-Präsident Valentin Vogt, Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher, der Swissmem-Ressortleiter der Rüstungssparten Matthias Zoller, Markus Niederhauser vom Westschweizer Rüstungsindustrie-Verband Groupe romand pour le matériel de Défense et de Sécurité (GRPM), die Präsidentin der Waadtländer Industrie- und Handelskammer (CVCI) Aude Pugin, der Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft Stefan Holenstein, Paul Röthlisberger vom Schweizer Schiesssportverband und Max Rechsteiner von der Landeskonferenz der militärischen Dachverbände (LKMD). Offen war zunächst, inwieweit sich auch der Schweizerische Gewerbeverband beteiligen würde. Geschäftsführer wurde Marcel Schuler, der vorher als Kampagnenleiter für die FDP Schweiz gearbeitet hatte.

Allianz Sicherheit Schweiz gegründet

Die Auslandschweizer-Organisation (ASO) wählte im August 2021 Filippo Lombardi zu ihrem neuen Präsidenten. Lombardi war schon seit 2013 Vorstandsmitglied der ASO und seit 2015 deren Vizepräsident. Zudem ist der Tessiner Mitte-Politiker Mitglied der Stadtregierung von Lugano, nachdem er als Ständerat 2019 die Wiederwahl nicht geschafft hatte.
An der Spitze der ASO folgte Lombardi auf Remo Gysin. Der vormalige SP-Nationalrat hatte der Interessenorganisation der im Ausland wohnhaften Schweizerinnen und Schweizer seit 2015 vorgestanden. Wie die ASO mitteilte, hatte sich Gysin in seiner Amtszeit insbesondere dafür eingesetzt, dass die Interessen der 776'000 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in den Bereichen der Sozialversicherungen, der Bankenpolitik und der politischen Rechte – Stichwort E-Voting – gewahrt werden. Gysin wies zu seinem Abschied ausserdem darauf hin, welch grosse Bedeutung die Schweizer Europapolitik für die Stellung der sogenannten Fünften Schweiz hat: Rund zwei Drittel aller Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer lebten in der EU. Die Schwerpunktziele für die nächsten vier Jahre sah der Auslandschweizerrat – quasi das Parlament der ASO – denn auch weiterhin in den Bereichen der Finanzen und Versicherungen, der politischen Rechte und der Beziehungen zur EU.

Filippo Lombardi Nachfolger von Remo Gysin als Präsident der Auslandschweizer-Organisation

Aufgrund des von den «Freunden der Verfassung» ergriffenen Referendums stimmte die Schweizer Stimmbevölkerung im Juni 2021 über das Covid-19-Gesetz ab. Dieses enthielt einerseits die Regelungen zu den Unterstützungsmassnahmen für die Unternehmen und die Bevölkerung (u.a. Härtefallhilfen, Covid-Erwerbsersatz, Kurzarbeitsentschädigung), andererseits Ermächtigungen für den Bundesrat, zeitlich begrenzt von bestehenden Gesetzen abzuweichen. Während der erste Teil auch bei den Gegnerinnen und Gegnern unumstritten war, kritisierten sie den zweiten Teil stark. Dieser Teil enthielt beispielsweise Regelungen zur Einschränkungen von Behandlungen in den Spitälern, zur Abweichungen von gesetzlichen Fristen, zur elektronischen Durchführungen von Generalversammlungen von Unternehmen oder zu Einschränkungen im Asylbereich. Das Covid-19-Gesetz war nun insofern speziell, als Gesetze üblicherweise erst nach Ablauf der Referendumsfrist in Kraft treten. Da das Gesetz jedoch von einer Mehrheit der Mitglieder beider Kammern dringlich erklärt worden war, war es gleich nach Annahme im Parlament im September 2020 in Kraft getreten – was die Abstimmung darüber gemäss Tages-Anzeiger zu einer «demokratiepolitische[n] Kuriosität» machte. Zusätzlich speziell war, dass das Covid-19-Gesetz zum Zeitpunkt der Abstimmung vom Parlament bereits zweimal revidiert worden war – einmal in der Wintersession 2020 und einmal in der Frühjahrssession 2021. Da das Gesetz mit den Corona-bedingten Veränderungen Schritt halten müsse, seien verschiedene Teile des Gesetzes zum Zeitpunkt der Abstimmung gar nicht mehr in Kraft, betonte der Tages-Anzeiger. Zudem würde das Gesetz bei einer allfälligen Ablehnung an der Urne nicht per sofort ausser Kraft treten, sondern ein Jahr nach seiner Inkraftsetzung, also am 25. September 2021. Die meisten Regelungen des Gesetzes sind auf Ende 2021 befristet, lediglich einzelne dieser Regelungen würden bis Ende 2023 (etwa Regelungen zur Kurzarbeit) oder gar bis Ende 2031 (Regelungen zu den Covid-Krediten) gültig bleiben.

Der Abstimmungskampf zum Referendum gegen das Covid-19-Gesetz war nun geprägt von der Frage, worüber am 13. Juni 2021 genau abgestimmt wird. So betonten die Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes im Abstimmungsbüchlein, dass mit dem Referendum sichergestellt werden solle, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger «die höchste Instanz im Land» bleiben. Mit der Ablehnung des Covid-19-Gesetzes solle man zeigen, «dass Krisenmanagement gegen das Volk in der Schweiz nicht geht». So befürchteten sie, dass der Bundesrat das Notrecht durch das Gesetz unnötig verlängern würde und man durch eine Annahme des Gesetzes die bisherige bundesrätliche Corona-Politik legitimiere. Andreas Glarner (svp, AG) etwa argumentierte, dass man dem Bundesrat damit einen Blankocheck für weitere Einschränkungen gebe und sprach sich damit gegen das Gesetz aus – die SVP selbst entschied sich in der Folge für Stimmfreigabe. Gegen diese Argumentationen wehrten sich die Befürworterinnen und Befürworter des Gesetzes, da sie in ihren Augen am Covid-19-Gesetz vorbeizielten. So würden die Gegnerinnen und Gegner insbesondere die Corona-Massnahmen des Bundesrates kritisieren, etwa die Schliessung der Restaurants oder Läden, die jedoch nicht im Covid-19-Gesetz geregelt seien, sondern im 2013 von der Stimmbürgerschaft angenommenen Epidemiengesetz. Diese Bestimmungen würden somit durch eine Ablehnung des Gesetzes auch nicht aufgehoben. Der Kampf gegen das Gesetz stelle gemäss den Befürwortenden folglich bloss eine Art «Stellvertreterkrieg» dar, in dem sich die Gegnerinnen und Gegner ein Misstrauensvotum gegen die bundesrätliche Covid-Politik oder einen Denkzettel an den Bundesrat wünschten.
Die Gegnerschaft kritisierte aber durchaus auch verschiedene Aspekte des Gesetzes selbst: So fürchteten sie eine Diskriminierung oder gar einen Verlust der Grundrechte von ungeimpften Personen aufgrund des Covid-19-Zertifikats, da mit diesem eine Zweiklassengesellschaft, ja gar eine «neue Form der Apartheid», geschaffen werde. Zudem diene das Contact Tracing über die SwissCovidApp zur Massenüberwachung, wie die beiden Co-Präsidenten der «Freunde der Verfassung», Marion Russek und Werner Boxler, in der Weltwoche betonten. Das anfängliche Argument, wonach es aufgrund des Gesetzes zu einer verkürzten Prüfung von Impfstoffen kommen könnte, liess das Komitee nach einer Weile fallen – der Bundesrat hatte erklärt, dass es in der betreffenden Regelung einzig um Arzneimittel, nicht aber um Impfstoffe gehe.
Neben einzelnen Bestimmungen kritisierte die Gegnerschaft aber auch die Verbindung der Unterstützungsmassnahmen mit den zusätzlichen Ermächtigungen für den Bundesrat, da man den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern damit die Möglichkeit nehme, Ersteren zuzustimmen und Letztere abzulehnen. Gleichzeitig betonten sie, dass eine Ablehnung des Covid-19-Gesetzes an der Urne nicht das Ende der Unterstützungsmassnahmen bedeute – was das Hauptargument der Befürworterinnen und Befürworter darstellte. So könne das Parlament die Unterstützungsmassnahmen durch die Annahme einer Motion von Pirmin Schwander (svp, SZ; Mo. 21.3402) innert kürzester Frist in ein eigenes Gesetz giessen. Diese Argumentation teilten die Befürwortenden nicht, vielmehr warnten sie vor drastischen Folgen durch die Ablehnung des Gesetzes: Das vorzeitige Ende der Unterstützungsmassnahmen der Wirtschaft führe nämlich zu einem starken Anstieg der Konkurse, der Arbeitslosigkeit und der Sozialhilfequote. Zwar könne das Parlament allenfalls ein neues Gesetz beschliessen, dabei müsse es sich aber um ein ordentliches Gesetz handeln – ein weiteres dringliches Gesetz sei nicht möglich –, erklärte der Bundesrat. Ein solches könne aber unter anderem aufgrund der Referendumsfrist nicht vor dem 25. September 2021 in Kraft gesetzt werden. Somit käme es bei einer Ablehnung des Covid-19-Gesetzes zu einem Unterbruch der Unterstützungsmassnahmen. Auch der Bundesrat betonte zur Lancierung seines Abstimmungskampfes an einer Pressekonferenz, bei der unter anderem Gesundheitsminister Berset und Bundespräsident Parmelin sowie KdK-Präsident Rathgeb (GR, fdp) anwesend waren, dass das Covid-19-Gesetz die einzige rechtliche Grundlage zur Unterstützung der Betroffenen sei und dessen Ablehnung grosse Unsicherheiten bei Unternehmen und Arbeitnehmenden auslösen würde. Christian Rathgeb verwies auf die zentrale Bedeutung des Gesetzes für die Kantone und mahnte vor einem Bauchentscheid: «Die Menschen brauchen jetzt nicht einen Denkzettel, sondern konkrete finanzielle Unterstützung.»
Die Befürworterinnen und Befürworter wehrten sich auch gegen den Diktatur-Vorwurf der Gegnerschaft an den Bundesrat. So werde das Notrechtregime durch das Covid-19-Gesetz nicht verlängert, sondern wie von der Verfassung verlangt in ordentliches Recht überführt – das entsprechend auch vom Parlament verabschiedet worden sei. «Alles läuft, wie es die Verfassung vorsieht – auch wenn die «Freunde der Verfassung» das nicht wahrhaben wollen», betonte etwa die NZZ. «Wenn dies die Basis für eine Diktatur sein soll, wird es eine ebenso lächerliche wie grosszügige Diktatur sein – eine Diktatur, in der es für fast jeden Zweck Milliardenhilfen gibt und für jeden LKW-Fahrer eine Toilette», verteidigte dieselbe Zeitung das Gesetz mit Verweis auf eine spezifische Regelung im Covid-19-Gesetz zum Toilettenzugang von LKW-Fahrerinnen und -Fahrern.

Zu breiteren medialen Diskussionen im Abstimmungskampf führte auch das Abstimmungsbüchlein: Die Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes kritisierten, dass hier das ursprüngliche Covid-19-Gesetz aufgeführt worden war, obwohl dieses in der Zwischenzeit bereits mehrfach revidiert worden war. Dies sei aber insofern korrekt, als das Referendum zum ursprünglichen Gesetz gefasst worden sei – auch wenn die Ablehnung des Gesetzes auch die Revisionen ausser Kraft setzen würde, war der mediale Konsens in dieser Frage. Ansonsten stand das Referendum zum Covid-19-Gesetz deutlich im Schatten der gleichzeitig stattfindenden Abstimmungen zum CO2-Gesetz, zur Trinkwasser- und zur Pestizidinitiative sowie zum kaum beworbenen Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus. Die Studie des fög zählte etwa eine vergleichsweise geringe Anzahl Zeitungsartikel zum Covid-19-Gesetz, deren Tonalität leicht positiv war. Auch in den Inseratespalten schnitt das Covid-19-Gesetz unterdurchschnittlich ab, wie die Studie von Année Politique Suisse zeigte. Die Vorumfragen der SRG (67% Ja respektive 64% Ja) und von Tamedia (66%, 67%, 69%) liessen schliesslich kaum Zweifel an einer Annahme des Gesetzes aufkommen.

In der Zwischenzeit hatten die EDU, die «Freunde der Verfassung», das Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik» sowie die Gruppe «Mass-voll» die Nein-Parole ausgegeben. Die SVP hatte unter grossem medialen Interesse bereits im März 2021 entschieden, Stimmfreigabe zu erteilen, da sie «die negativen Folgen einer Ablehnung [als] grösser [erachtete] als die einer Zustimmung». Verschiedene Kantonalsektionen wichen jedoch von dieser Parole ab, so sprachen sich die Sektionen der Kantone Bern, Luzern, Waadt und Wallis für eine Annahme und die Sektionen der Kantone Appenzell-Innerrhoden, Basel-Landschaft, Schwyz und Zürich sowie die Junge SVP für eine Ablehnung aus. Ansonsten traf das Covid-19-Gesetz weitgehend auf Unterstützung, etwa durch sämtliche anderen grösseren Parteien (EVP, FDP, GLP, GPS, Mitte, SP) und zahlreiche grösseren Verbände wie Economiesuisse, SGB und Travailsuisse, aber auch durch den SGV oder GastroSuisse.

Am Abstimmungssonntag sollte sich das Bild aus den Vorumfragen bestätigen: Mit 60.2 Prozent bei einer Stimmbeteiligung von 59.7 Prozent sprachen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für das Covid-19-Gesetz aus. Zwar war kein Ständemehr nötig, dennoch verdeutlichte die Ablehnung der Vorlage in den Kantonen Uri (45.1%), Schwyz (40.9%), Nidwalden (48.6%), Obwalden (43.3%), Glarus (49.1%), Appenzell Ausserrhoden (47.0%), Appenzell Innerrhoden (39.2%) und Thurgau (49.9%) die Unterschiede zwischen den Regionen: So lag die Zustimmung in der Romandie mit 65.5 Prozent und in der italienischsprachigen Schweiz mit 68.8 Prozent beispielsweise deutlich höher als in der Deutschschweiz (58.3 Prozent).
Die Medien waren sich nicht sicher, wie dieses Resultat zu interpretieren war. Einerseits wurde von einem «Achtungserfolg der Gegner» (AZ) gesprochen – insbesondere da diese nicht von einer grossen Partei unterstützt worden seien (TdG) –, andererseits sei die Abstimmung zuvor als «Plebiszit über die generelle Corona-Politik des Bundesrates» angepriesen worden, weshalb das Resultat nun als Bestätigung ebendieser durch die Stimmbürgerschaft verstanden werden könne (NZZ). Einig war man sich jedoch mehrheitlich, dass dies nicht als Blankocheck für den Bundesrat verstanden werden dürfe – zugleich forderte unter anderem die SVP weitere Lockerungen der Corona-Massnahmen.


Abstimmung vom 13. Juni 2021

Beteiligung: 59.7%
Ja: 1'936'344 Stimmen (60.2%)
Nein: 1'280'128 Stimmen (39.8%)

Parolen:
- Ja: EVP, FDP, GLP, GPS, KVP, Mitte, PdA, SPS; Economiesuisse, Gemeindeverband, KdK, SAV, SGB, SGV, SSV, TravailSuisse, VPOD, GastroSuisse
- Nein: EDU; «Freunde der Verfassung», Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik», «Mass-voll»
- Stimmfreigabe: SD, SVP*
* verschiedene abweichende Kantonalsektionen: Ja: SVP BE, SVP LU, SVP NE, SVP VD, SVP VS; Nein: SVP AI, SVP BL, SVP SZ, SVP ZH, JSVP CH


Die Nachabstimmungsbefragung von gfs.bern zeigte einige Wochen später, dass die Vorlage von Personen unter 40 Jahren, von Sympathisantinnen und Sympathisanten der SVP sowie von Personen mit geringem bis mittlerem Vertrauen in den Bundesrat mehrheitlich abgelehnt worden war. Als Hauptgrund für ihre Ablehnung nannten die Befragten das Missbrauchspotenzial des Gesetzes (15% der Antworten), während die Befürwortenden vor allem auf die Notwendigkeit einer Gesetzesgrundlage (16%) sowie der finanziellen Unterstützung (12%) verwiesen.

Noch am Abstimmungssonntag kündigten die Junge SVP und die «Freunde der Verfassung» überdies bereits ein Referendum zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes und damit hauptsächlich zum Covid-19-Zertifikat an. Die zweite Revision war Mitte März 2021 vom Parlament verabschiedet worden, weshalb die Referendumsfrist nur noch drei Wochen andauerte. Die beiden Komitees zeigten sich überzeugt, dass man die nötigen 50'000 Unterschriften innert dieser kurzen Frist zusammenbekommen werde.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Bei einer hohen Stimmbeteiligung von 59.6 Prozent hiess eine solide Mehrheit von 56.6 Prozent der Schweizer Stimmbevölkerung das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) in der Referendumsabstimmung vom 13. Juni 2021 gut. Einzig der Kanton Basel-Stadt sprach sich mit einem Ja-Anteil von 45.1 Prozent mehrheitlich gegen das Gesetz aus. Hohe Zustimmung erfuhr die Vorlage derweil in der Romandie, insbesondere im Wallis (65.0%), in Freiburg (63.6%), in Neuenburg (62.0%) und im Jura (61.0%). In den Medien wurde gemutmasst, dass die Westschweiz aufgrund der Nähe zum von Terroranschlägen stark betroffenen Frankreich das Gesetz eher für notwendig gehalten habe, während in der freiheitsliebenden Deutschschweiz die staatlichen Grundrechtseingriffe kritischer beurteilt worden seien.
Die schweizweite Zustimmung blieb damit etwas hinter den von den vorhergehenden Umfragen geschürten Erwartungen zurück. Wie die Presse berichtete, habe es das Nein-Lager kurz vor dem Abstimmungstermin doch noch geschafft, seinen Bedenken bezüglich der Rechtsstaatlichkeit der Massnahmen verstärkt Gehör zu verschaffen. So zeigte sich die Waadtländer Grünen-Nationalrätin Léonore Porchet gegenüber «Le Temps» erfreut, dass man der zuständigen Bundesrätin Karin Keller-Sutter im Vorfeld der Abstimmung einige Klarstellungen zu umstrittenen Punkten im Gesetz abringen konnte, etwa die Bekräftigung, dass Aktivistinnen und Aktivisten sozialer Bewegungen nicht vom Gesetz betroffen sein werden. Nichtsdestotrotz kündigten die Grünen bereits am Abstimmungssonntag an, eine parlamentarische Initiative einreichen zu wollen, mit dem Ziel, die umstrittene, in ihren Augen zu unklar gefasste Terrorismusdefinition zu konkretisieren. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International betonten, nun die konkrete Anwendung des Gesetzes genau im Auge zu behalten und Menschenrechtsverletzungen gegebenenfalls anzuprangern. Die NZZ wertete das Ergebnis denn auch als «grossen Vertrauensbeweis gegenüber der Polizei»; immerhin habe die Bevölkerung ein Gesetz angenommen, das der Polizei in zentralen Punkten einen grossen Spielraum lasse. «Die Bürgerinnen und Bürger gehen offenkundig davon aus, dass von den Befugnissen menschenrechtskonform und verhältnismässig Gebrauch gemacht wird – und die Gerichte nötigenfalls korrigierend eingreifen», kommentierte die Zeitung. Die Befürwortendenseite zeigte sich indessen zufrieden mit dem Resultat. Die Schweiz könne damit eine Lücke in ihrer Terrorismusabwehr schliessen, erklärte Justizministerin Keller-Sutter gegenüber den Medien.
Noch nicht geschlagen geben wollte sich aus dem unterlegenen Lager die Piratenpartei. Sie hoffte, berichteten «L'Express» und «Le Nouvelliste», dass die Abstimmung wiederholt werden würde. So seien beim Bundesgericht rund 600 Beschwerden gegen die Abstimmung eingereicht worden, die monierten, das Bundesbüchlein sei nicht objektiv gewesen, habe keine klare Meinungsbildung ermöglicht, irreführende Informationen enthalten und wichtige rechtliche Konsequenzen des Gesetzes verschwiegen.


Abstimmung vom 13. Juni 2021

Beteiligung: 59.6%
Ja: 1'811'795 (56.6%)
Nein: 1'390'383 (43.4%)

Parolen:
– Ja: EVP, FDP (1*), KVP, Libertäre Partei, Mitte (Junge Mitte: 1*), Piratenpartei, SVP (2*; JSVP: 2*), BastA!, CSP OW, PCSI JU
– Nein: GLP, GP, PdA, SD, SP, Jungfreisinnige; VPOD, Amnesty International, Chaos Computer Club, Demokratische JuristInnen Schweiz (DJS), Digitale Gesellschaft, Ensemble à Gauche, GSoA, Greenpeace, Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV), Schweizerischer Friedensrat, Solidarité sans frontières, Verein «Freunde der Verfassung»
– Stimmfreigabe: EDU; SSV
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Alors que l'initiative «Pour des multinationales responsables» s'est heurtée à la règle de la double majorité, les partisans et membres du comité d'initiative ont décidé de créer une association. Etant donné qu'un.e suisse ou suissesse sur deux a souhaité renforcer le devoir de diligence des entreprises dont le siège est en Suisse, les partisans et membres du comités d'initiative ont estimé qu'il était primordial de créer une association pour prolonger le débat et le combat, et renforcer le respect des droits humains et de l'environnement. Cette association sera financée par les cotisations des ONG membres ainsi que par du crowdfunding.

Initiative populaire «Entreprises responsables – pour protéger l’être humain et l’environnement»
Dossier: Aktienrechtsrevision und die Abzocker-Initiative
Dossier: Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen»

Der Verband Digitalswitzerland wählte Sascha Zahnd zu seinem neuen Präsidenten. Im Amt des Vizepräsidenten wurde Nationalrat Marcel Dobler (fdp, SG) bestätigt. Der Berner Zahnd, der davor unter anderem als Europachef von Tesla gearbeitet hatte, trat die Nachfolge von Ivo Furrer an. In Furrers dreijährige Amtszeit war unter anderem die Fusion von Digitalswitzerland mit ICTswitzerland gefallen, die im Januar 2021 vollzogen worden war.
Der 2015 gegründete Verband Digitalswitzerland versteht sich als «branchenübergreifende Initiative, welche die Schweiz als weltweit führenden digitalen Innovationsstandort stärken und verankern will». Ihm gehörten im April 2021 rund 210 Organisationen und Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft an.

Digitalswitzerland wählte Sascha Zahnd zu seinem neuen Präsidenten

Am 7. März 2021 nahm die Schweizer Stimmbevölkerung die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» mit 51.2 Prozent Ja-Stimmen an. Damit fiel das Ergebnis letztlich knapper aus als aufgrund von Vorumfragen erwartet. Die Stimmbeteiligung betrug 51.4 Prozent. Die höchste Zustimmung erfuhr das Verhüllungsverbot im Jura (60.7% Ja), gefolgt vom Tessin (60.5%) und Schwyz (60.2%). In St. Gallen, wo wie im Tessin bereits ein kantonales Verhüllungsverbot gilt, dem 2018 zwei Drittel der Stimmbevölkerung zugestimmt hatten, war die Zustimmung mit 53.1 Prozent vergleichsweise schwach. Am wenigsten Unterstützung erhielt die Initiative im Kanton Basel-Stadt (40.6% Ja), gefolgt von Zürich (45.2%) und Genf (48.7%). Auch die Kantone Appenzell Ausserrhoden (49.1%), Bern (49.6%) und Graubünden (49.6%) lehnten die Initiative knapp ab. Bemerkenswert hoch war die Zustimmung für eine Initiative aus den Reihen der SVP – auch im direkten Vergleich mit dem 2009 angenommenen Minarettverbot, das ebenfalls vom Egerkinger Komitee initiiert worden war – in der Westschweiz. Verschiedene Expertinnen und Experten mutmassten in den Medien, dass einerseits die Nähe zu Frankreich den Diskurs analog der dort geführten Debatten stärker auf den sicherheitspolitischen Aspekt gelenkt habe und andererseits die in der Romandie stark präsenten, prominenten bürgerlichen und linken Stimmen, die sich für die Initiative starkgemacht hatten, wohl erheblichen Einfluss gehabt und den Anti-SVP-Reflex beschränkt hätten.
Die Befürwortendenseite wertete den Entscheid als «ein klares Signal des Widerstands gegen die Islamisierung der Schweiz», wie sich der Urheber des ersten kantonalen Verhüllungsverbots Giorgio Ghiringhelli vom «Corriere del Ticino» zitieren liess. Als «Zeichen gegen den ‹politischen Islam›, der vielen Menschen Unbehagen bereitet», interpretierte die NZZ das Votum. Der Berner SP-Grossrat Mohamed Hamdaoui sah im Resultat dementsprechend einen Positionsbezug der gemässigten Muslime gegen den Islamismus, wie er gegenüber «Le Temps» verlauten liess.
Das unterlegene Lager bedauerte den Volksentscheid derweil aus verschiedenen Gründen. Feministische Kreise, die sich gegen das Verhüllungsverbot starkgemacht hatten, fühlten sich durch das Argument, die Vollverschleierung sei Ausdruck der Unterdrückung der Frauen, für rassistische und xenophobe Zwecke missbraucht, wie deren Vertreterin Meriam Mastour gegenüber der Presse erklärte. Die Tourismusbranche befürchtete einen Imageschaden für die Schweiz und zeigte sich besorgt, dass künftig weniger kaufkräftige und konsumfreudige Gäste aus den Golfstaaten die Schweiz besuchen würden. Die Jungen Grünen und der IZRS erklärten unabhängig voneinander, eine gerichtliche Anfechtung des Verhüllungsverbots wenn nötig bis vor den EGMR unterstützen zu wollen. Pascal Gemperli, Pressesprecher der FIDS, zeigte sich um die Sicherheit der muslimischen Gemeinschaft besorgt und befürchtete zunehmende Aggression und Gewalt gegenüber Musliminnen und Muslimen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter betonte gegenüber den Medien, das Abstimmungsresultat sei nicht als Votum gegen die Musliminnen und Muslime in der Schweiz zu verstehen. Diese Linie wurde im unterlegenen Nein-Lager breit vertreten. Dass der Ja-Anteil gegenüber der Minarettinitiative deutlich abgenommen habe, gebe Anlass zur Hoffnung, dass die Schweiz vielleicht doch nicht so islamfeindlich sei, so der Tenor.
Letztlich sei der Entscheid «vor allem auf symbolischer Ebene bedeutsam», resümierte die NZZ. Die konkreten praktischen Auswirkungen sind in der Tat noch unklar. Wie Karin Keller-Sutter erklärte, liege die Umsetzung bei den Kantonen, weil sie über die Polizeihoheit verfügten. Sie hätten nun zwei Jahre Zeit, entsprechende Gesetze zu erlassen. Der Bund müsse das Verbot unterdessen für diejenigen Bereiche, in denen er zuständig ist – beispielsweise im öffentlichen Transportwesen und im Zollwesen – auf Gesetzesebene konkretisieren. Gemäss dem «Blick» zeigten sich einige Kantonsvertretende wenig motiviert, ein gesetzliches Verhüllungsverbot zu erlassen, und würden die Umsetzung lieber ganz dem Bund überlassen. Initiant Walter Wobmann (svp, SO) warf dem Bund in derselben Zeitung bereits vor, die Initiative nicht umsetzen zu wollen: Ein Bundesgesetz sei «unabdingbar, um zu verhindern, dass am Schluss in jedem Kanton etwas anderes gilt», zitierte ihn das Blatt.


Abstimmung vom 7. März 2021

Beteiligung: 51.42%
Ja: 1'427'344 (51.2%) / Stände: 16 4/2
Nein: 1'360'750 (48.8%) / Stände: 4 2/2

Parolen:
– Ja: EDU, Lega, SD, SVP
– Nein: FDP (4*; Frauen: 1*; Jungfreisinnige: 2*), GLP, GP, KVP, Die Mitte (2*), PdA, SP; EKR, SSV, Travail.Suisse, VPOD, Schweizer Tourismus-Verband, EKS, SBK, Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG), Schweizerischer Rat der Religionen, Katholischer Frauenbund (SKF), Alliance F, Amnesty International, Operation Libero
– Stimmfreigabe: EVP (3*); Schweizerische Evangelische Allianz
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

In der Volksabstimmung vom 7. März 2021 wurde das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (E-ID-Gesetz) mit 64.4 Prozent Nein-Stimmen schweizweit wuchtig abgelehnt. Kein Kanton stimmte dem Gesetz zu; den höchsten Ja-Anteil erzielte es im Tessin mit 44.2 Prozent. Am deutlichsten fiel die «Ohrfeige», wie die Presse das Resultat vielfach betitelte, im Kanton Basel-Stadt aus, wo sich nur 29.3 Prozent der Stimmberechtigten für die Vorlage aussprachen. Die Stimmbeteiligung lag schweizweit bei 51.3 Prozent.
Das ausgesprochen klare Nein bedurfte in den Medien denn auch nicht langer Interpretation: «Durchgefallen» lautete das Verdikt im St. Galler Tagblatt und im «Corriere del Ticino»; die Stimmbevölkerung habe die E-ID «versenkt», urteilten die Westschweizer Zeitungen «La Liberté», «L'Express» und «Le Nouvelliste». Wahlweise als «Schlappe», «Klatsche», «Abfuhr», «Bruchlandung» oder «Debakel» wurde das Resultat in verschiedenen Deutschschweizer Zeitungen bezeichnet. Im Hinblick auf die vorgesehene Lösung mit privaten E-ID-Anbieterinnen und -Anbietern erkannte die NZZ darin ein «Misstrauensvotum gegen die Banken, Versicherungen und bundeseigenen Unternehmen», die sich im Konsortium SwissSign zusammengeschlossen und auf die Herausgabe der E-ID vorbereitet hatten.
Einig waren sich das unterlegene Befürwortendenlager und die siegreiche Gegnerschaft darin, dass sich das Votum nicht gegen die Idee einer E-ID an sich richtete – von der Notwendigkeit einer solchen im digitalen Zeitalter zeigten sich alle überzeugt –, sondern gegen die Ausgestaltung mit privaten Anbieterinnen und Anbietern. «Das Misstrauen gegenüber einer nicht staatlichen Lösung reichte weit ins bürgerliche Lager, obwohl die offiziellen Parteidevisen jeweils eindeutig schienen», resümierte die Aargauer Zeitung. Der «Blick» fasste zusammen: «Alle wollen die E-ID – aber vom Staat!»
So kündigte die Contra-Seite bereits am Abstimmungssonntag an, im Parlament schnellstmöglich auf ein neues Projekt mit einer staatlichen E-ID hinarbeiten zu wollen. SP, Grüne und GLP wollten in der Folgewoche zwei entsprechende Vorstösse einreichen, liess die Zürcher SP-Nationalrätin Min Li Marti in der NZZ verlauten. Die für das gescheiterte Gesetz zuständige Bundesrätin Karin Keller-Sutter wollte ihrerseits dem Bundesrat ein Aussprachepapier vorlegen, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden, wie sie gegenüber den Medien bekanntgab. Es sei nun wichtig, dass die Regierung und die Parteien die Unsicherheiten und Ängste der Bevölkerung ernst nehmen würden. Unterdessen bedeute das Abstimmungsresultat aber nicht, dass eine rein staatliche Lösung automatisch eine Mehrheit erzielen würde, gab sie zu Bedenken.


Abstimmung vom 7. März 2021

Beteiligung: 51.29%
Ja: 984'574 (35.6%)
Nein: 1'778'196 (64.4%)

Parolen:
– Ja: EVP (2*), FDP, KVP, Mitte (Junge Mitte: 2*), SVP (2*; JSVP: 1*); KdK, SGV, SSV, Economiesuisse, SAV, SGV, Baumeisterverband, Swissmem, SwissICT, SwissBanking, VöV
– Nein: EDU, GLP (6*; JGLP: 1*), GP (1*), PdA, Piratenpartei, SD, SP (1*); SGB, Travail.Suisse, VPOD, Syndicom, Schweizerischer Seniorenrat, Schweizerischer Verband für Seniorenfragen, Vereinigung aktiver Senioren- und Selbsthilfeorganisationen in der Schweiz (VASOS)
– Stimmfreigabe: Pro Senectute
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

E-ID-Gesetz
Dossier: Elektronische Identität