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Im Juni 2022 entschied der Bundesrat einmal mehr, die neue Tarifstruktur TARDOC noch nicht zu genehmigen. Zwar seien gegenüber den Vorgängerversionen Verbesserungen erzielt worden, noch immer würden jedoch insbesondere die Anforderungen an die Kostenneutralität und die Wirtschaftlichkeit nicht eingehalten, kritisierte er. Folglich sollten die beteiligten Tarifpartner Curafutura und FMH die Tarifstruktur bis Ende 2023 erneut überarbeiten – bestenfalls in Zusammenarbeit mit zusätzlichen Tarifpartnern – sowie ein langfristiges Monitoring von TARDOC und ein Konzept zur Behebung der Mängel beilegen. Der Bundesrat präzisierte überdies die für eine Genehmigung notwendigen Bedingungen. Die Tarifpartner sprachen in der Folge von einem «unverständliche[n] Entscheid, der die Tarifpartnerschaft nachhaltig schwächt». So erfülle TARDOC die gesetzlichen Genehmigungskriterien und wäre dank Effizienzsteigerungen und der Beseitigung von Fehlanreizen eine Verbesserung gegenüber TARMED. Insbesondere sei die vom Bundesrat im Juni 2021 geforderte Kostenneutralität sichergestellt gewesen, der Bundesrat habe jedoch die entsprechenden Spielregeln in der Zwischenzeit geändert. Zudem kritisierten Curafutura und FMH, dass damit die «Verweigerungshaltung» der nicht an TARDOC beteiligten Akteurinnen und Akteure belohnt werde.
Santésuisse, das Ende 2022 zusammen mit H+ ambulante Pauschalen für eine alternative Tarifstruktur zur Prüfung eingereicht hatte, zeigte sich über diesen ablehnenden Entscheid des Bundesrates erleichtert und forderte alle Tarifpartner auf, ein gemeinsames Modell auszuarbeiten, etwa im Rahmen eines gemeinsamen nationalen Tarifbüros. Die Medien betonten in der Folge einhellig die Relevanz der Ablösung von TARMED. Die aktuell noch verwendete Tarifstruktur, über die Zahlungen in der Höhe von CHF 12 Mrd. jährlich abgerechnet werden, sei veraltet und bilde die tatsächlichen Kosten nicht mehr genügend ab – diese würden folglich je nach Kostenpunkt über- oder unterschätzt.

Tarifstruktur TARDOC
Dossier: Tarifstrukturen im Gesundheitswesen

Im Massnahmenpaket 1a zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen hatten Bundesrat und Parlament entschieden, die Tarifpartner zur Schaffung eines gemeinsamen ambulanten Tarifbüros zu verpflichten. Bereits im März 2021 hatten die Tarifpartner in einem Letter of Intent ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit in diesem Themenbereich festgehalten. Unter Leitung des Berner Regierungsrates Pierre Alain Schnegg (BE, svp) erarbeiteten Arbeitsgruppen bis Juni 2022 in zehn Sitzungen die zur Schaffung der als Aktiengesellschaft geplanten «Orga­nisation für ambulante Arzttarife AG» (OAAT) notwendigen Dokumente. In der Folge sollten diese Dokumente von den beteiligten Verbänden ratifiziert werden, so dass Mitte November 2022 die Gründung erfolgen könnte.
Zu den zu ratifizierenden Dokumenten gehörten neben Statuten und Aktionärsbindungsvertrag auch eine «Zusatzvereinbarung Doppelte Parität», mit der die Verantwortlichen von TARDOC und der ambulanten Pauschalen die «Grundlagen zum Tarif für die Verrechnung ärztlicher Leistungen» durch das jeweils andere Tarifprojekt akzeptierten. Damit sollte der Streit zwischen FMH, Curafutura und der Medizinaltarif-Kommission UVG MTK respektive H+ und Santésuisse bezüglich des zukünftigen Abrechnungssystems für ambulante Leistungen beigelegt werden, wie es auch der Bundesrat und die SGK-NR gefordert hatten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Bundesrat keines der beiden Tarifprojekte bewilligt. Anschliessend machten sich die Arbeitsgruppen an die Ausarbeitung «gemeinsamer übergeordneter Tarifierungsgrundsätze», mit denen das «Zusammenspiel [...] zwischen ambulanten Pauschalen und TARDOC» festgelegt werden sollte, wie FMH erklärte.

Gemeinsames ambulantes Tarifbüro
Dossier: Tarifstrukturen im Gesundheitswesen

Im Mai 2022 fand die eidgenössische Abstimmung über die Änderung des Transplantationsgesetzes statt, mit der die erweiterte Widerspruchslösung eingeführt werden sollte.

Die Gegnerinnen und Gegner der erweiterten Widerspruchslösung waren breit zusammengewürfelt und liessen sich nicht klar auf dem politischen Spektrum verorten. Angeführt wurde das Komitee «Nein zur Organspende ohne explizite Zustimmung» von einem pensionierten Arzt und einer Hebamme. Der Arzt, Alex Frei, war ebenfalls Vorsitzender der Ärzte und Pflegefachpersonen gegen Organspende am Lebensende (ÄPOL) – einer Vereinigung, die sich grundsätzlich gegen Organspende an für tot erklärte Personen stellte. Die Hebamme, Susanne Clauss, ihres Zeichens Co-Präsidentin der SP Biel, wehrte sich lediglich gegen die Organentnahme an verstorbenen Personen, sofern von diesen keine explizite Einwilligung vorliegt. Unterstützung erhielten die beiden Personen von Philosophie-, Rechts- und Theologieprofessorinnen und -professoren sowie von bekannten Köpfen verschiedenster Parteien. So etwa von der Thurgauer SVP-Nationalrätin Verena Herzog, der Berner EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller, dem Urner FDP-Ständerat Josef Dittli sowie von den ehemaligen Parlamentarierinnen Verena Diener (glp, ZH) und Gret Haller (sp, BE). Nein-Parolen beschlossen schliesslich die EVP, die SVP und die EDU. Als Hauptargument gegen die Widerspruchslösung führten die Gegnerinnen und Gegner ins Feld, dass es immer Leute geben werde, die nicht wissen, dass ihnen auch ohne ihre explizite Zustimmung Organe entnommen werden können. Dies verletze deren Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit und sei unethisch. Zudem würden dadurch bei Nichtvorliegen des Willens der verstorbenen Person die Angehörigen unter Druck gesetzt, da deren Ablehnung als unsolidarisches Verhalten aufgefasst werden könnte.

Gerade anderer Ansicht waren die Befürworterinnen und Befürworter der erweiterten Widerspruchslösung. Sie erachteten die neue Regelung gar als Entlastung für die Angehörigen, gab etwa Reto Stocker, ein ehemaliger Leiter der chirurgischen Intensivstation des Universitätsspitals Zürich dem Tages-Anzeiger zu Protokoll. Zudem soll mit einer grossen und regelmässigen Informationskampagne sichergestellt werden, dass die Bevölkerung über die neue Regelung informiert wird und niemand wider Willen zum Organspender oder zur Organspenderin wird, versicherte Bundesrat Alain Berset an einer Medienkonferenz zur Abstimmungsvorlage. Zur Umsetzung der Vorlage werde der Bund ein neues sicheres und datenschutzkonformes Register schaffen, wo jede Person ihren Willen zur Organspende festhalten und laufend aktualisieren kann, so der Bundesrat. Mit der beschlossenen Regelung folge man vielen europäischen Ländern, die eine Widerspruchslösung mit oder ohne Einbezug von Angehörigen kennen und die im Schnitt eine höhere Organspenderate aufwiesen als Länder mit einer Zustimmungslösung, so der Bundesrat weiter. Von den Parteien gaben die SP, die Grünen, die Mitte, die GLP und die FDP die Ja-Parole aus.

Jedoch waren sich die Parteien intern nicht immer einig, was sich auch in abweichenden Kantonalsektionen zeigte. Während bei den Grünen und der SP fünf Kantonalsektionen die Nein-Parole oder Stimmfreigabe erteilten und sich die Mitte-Sektion des Kantons Schaffhausen gegen die Gesetzesänderung stellte, beschlossen die Junge EVP und die SVP Freiburg Stimmfreigabe und die SVP Jura gar die Ja-Parole. Dies stimmte auch mit der Einschätzung der Co-Leiterin des Contra-Komitees, Susanne Clauss, überein, welche Organspende denn auch als «en aucun cas [...] une question fondamentaliste ni de politique gauche-droite, mais [...] une question purement personnelle et éthique» erachtete. Insgesamt waren die Parteien im Abstimmungskampf denn auch weder auf der gegnerischen noch auf der befürwortenden Seite effektiv sichtbar.

Im Vorfeld der Abstimmung rezitierten die Medien häufig Zahlen zur Organspende in der Schweiz. Ende 2021 hätten 1'434 Personen auf ein Organ gewartet; jährlich würden ungefähr 450 Personen eines erhalten. Lediglich 16 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer besässen eine Karte, auf der ihr Wille für oder gegen die Organspende ausgewiesen sei, dabei gingen gewisse Umfragen von einer Spendebereitschaft in der Bevölkerung von 80 Prozent aus. Diese Umfragen seien jedoch durch Swisstransplant in Auftrag gegeben worden, wurde die Gegnerschaft in den Medien zitiert. Eine im Auftrag des BFS durchgeführte Umfrage, die nicht nur nach der Entnahme von Organen, sondern auch nach derjenigen von Gewebe fragte, komme hingegen auf konservativere Ergebnisse, wonach sich lediglich etwa die Hälfte der Bevölkerung für oder eher für eine Spende aussprechen würde. Ebenfalls zweifelten die Gegnerinnen und Gegner daran, dass sich die Widerspruchslösung direkt und positiv auf die Organspenderate auswirken werde, wobei sie sich auf Aussagen der Nationalen Ethikkommission aus dem Jahr 2019 stützten. Dass die Organspenderate bei Ländern mit Widerspruchslösung nur in der Tendenz höher sei und es bei beiden Modellen Ausreisser gebe, bestätigten indes auch Bundesrat Alain Berset und die ehemalige Nationalrätin Yvonne Gilli (gp, SG) als Präsidentin des Dachverbands der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), der den Wechsel zur Widerspruchslösung ebenfalls unterstützte. Auch weitere Faktoren wie etwa die Ressourcen in den Spitälern oder die Ausbildung des Fachpersonals beeinflussten die Organspendebereitschaft, war schliesslich auch im Abstimmungsbüchlein nachzulesen. Vereinzelt klärten Medienberichte auch über den Hirntot auf und erläuterten den Ablauf bei der Organentnahme. Häufiger liessen sie indes Organempfängerinnen und -empfänger, Personen auf der Warteliste für ein Organ oder Angehörige von Spendenden zu Wort kommen. Auch prominente Gegnerinnen und Gegner der Gesetzesrevision konnten überdies ihre Position darlegen. In seinem Abstimmungsmonitoring kam das fög denn auch zum Schluss, dass die Medienberichterstattung in der Tonalität erstaunlich ambivalent ausfiel, denn für gewöhnlich generierten dem fakultativen Referendum unterstellte Vorlagen ein positiveres Echo in den Medien. Ganz grundsätzlich war die Medienresonanz zur Abstimmungsvorlage gemäss fög gering – ebenso wie zu den beiden anderen zur Abstimmung stehenden Vorlagen (Frontex und Filmgesetz). Inserate für oder gegen die Änderung des Transplantationsgesetzes suchte man in den Printmedien mit wenigen Ausnahmen vergebens. Generell schienen die Meinungen zur Organspende auch bereits von Anfang an gemacht, denn die verschiedenen Wellen der Tamedia-Vorabstimmungsbefragungen registrierten kaum merkliche Verschiebungen beim Ja-Anteil, der zwischen 61 und 62 Prozent lag.

Somit war die Annahme des Transplantationsgesetzes an der Urne denn auch nicht überraschend. Bei einer tiefen Wahlbeteiligung von 40.3 Prozent sprach sich die Stimmbevölkerung am 15. Mai 2022 mit 60.2 Prozent Ja-Stimmen für die erweiterte Widerspruchslösung aus. Lediglich die Stimmenden der beiden Appenzell, von Schaffhausen und Schwyz lehnten die Änderung knapp ab. Weitaus die höchsten Ja-Anteile fanden sich in den Westschweizer Kantonen (durchschnittlich 76.4%) gefolgt vom Tessin (65.5%) – der Sprachgraben zeigte sich bei dieser Vorlage überaus deutlich (Durchschnitt Deutschschweizer Kantone: 53.3%). Der am deutlichsten befürwortende Deutschschweizer Kanton, Basel-Stadt (60.9% Ja), sagte noch immer mit mehr als 10 Prozentpunkten weniger deutlich Ja als der am wenigsten stark zustimmende Kanton der Romandie (Wallis: 72.4% Ja). Somit sprachen sich auch die katholischen Kantone Freiburg, Jura und Wallis klar für die Gesetzesänderung aus, obwohl sich die katholische Kirche für ein Nein eingesetzt hatte. Nicht der Katholizismus, sondern das unterschiedliche Verhältnis der Sprachregionen zum Staat hätten also die Meinungen beeinflusst, folgerte der Tages-Anzeiger kurz nach der Abstimmung. Auf der anderen Seite des Zustimmungsspektrums führte der Vorsteher des Ausserrhodener Gesundheitsdepartementes das Nein in seinem Kanton auf eine besonders ausgeprägte Naturverbundenheit seiner Einwohnerinnen und Einwohner zurück, die sich auch in einer Präferenz für Naturheilkunde gegenüber gewissen schulmedizinischen Angeboten äussere. Tatsächlich bestätigte die VOX-Nachbefragung, dass die Frage, wie stark jemand der Schulmedizin, dem Spitalpersonal, der Wissenschaft und dem BAG vertraut, mit der Zustimmung zur Revision zusammenhängt. Ebenso sprachen sich Personen mit hohem Vertrauen in Freikirchen besonders häufig gegen die Gesetzesänderung aus. Und obwohl der Abstimmungskampf in Abwesenheit der Parteien geführt worden war, erwies sich die politisch-ideologische Selbsteinstufung einer Person durchaus als relevant für deren Stimmentscheid. So legten links stehende Personen besonders häufig ein Ja ein, während sich der Ja-Anteil mit zunehmender Ausrichtung auf die rechte Seite des politischen Spektrums verringerte. Insgesamt folgten jedoch alle Parteisympathisierenden mehrheitlich der Parole ihrer Partei. Das Recht auf einen unversehrten Körper sei zentral und der Staat solle sich nicht in die Organspende einmischen, lauteten gemäss VOX-Umfrage die zentralen Argumente für ein Nein. Auf der anderen Seite zeigten sich die Befürwortenden überzeugt, dass es in der Schweiz momentan zu wenig Organspenden gebe und sich mit dieser staatlich geförderten Regelung Leben retten liessen. Zudem entlaste sie Angehörige, da diese nicht mehr stellvertretend für die verstorbene Person entscheiden müssten.


Abstimmung vom 15. Mai 2022

Änderung des Bundesgesetzes über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsgesetz)
Beteiligung: 40.3%
Ja: 1'319'276 Stimmen (60.2%)
Nein: 872'119 Stimmen (39.8%)

Parolen:
-Ja: SP (2*), FDP, Grüne (3*), GLP, Mitte (1*); Konsumentenforum, FMH
-Nein: EDU, EVP, SVP (2*); Schweizerische Bischofskonferenz, NZZ
* in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Sogleich nach dem Urnengang stellten die Medien die Frage, wie es nun weitergehe. So informierten etwa die Zeitungen am Tag nach der Abstimmung darüber, was man tun müsse, wenn man sich dazu entschliesse, (keine) Organe spenden zu wollen, wann die Umstellung auf die erweiterte Widerspruchslösung erfolge und was dazu noch erforderlich sei. Einiges, meinte etwa der Tages-Anzeiger zu letzterer Frage, denn für ein neues und sicheres Spenderegister sei «eine elektronische Identität [nötig], die es in der Schweiz noch nicht gibt. Zudem müssen sechs Millionen Erwachsene informiert werden.» Im Vorfeld der Abstimmung war nicht zuletzt auch das bestehende Register von Swisstransplant in Kritik geraten; wegen einer durch die SRF-Sendung «Kassensturz» Anfang Jahr bekannt gewordenen Sicherheitslücke hatte eine beliebige Drittperson eine andere als Organspender oder Organspenderin erfassen können. Da sich dieser Fehler nicht so rasch beheben liess, war eine Neuregistrierung für oder gegen die Organspende im bestehenden Register von Swisstransplant gerade während des Abstimmungskampfes, als sich vermutlich einige Menschen mit der Frage der eigenen Organspendebereitschaft befassten, nicht möglich. Mit einer E-ID gebe es keine solche Sicherheitslücke, kommentierten IT-Experten gegenüber dem Tages-Anzeiger. Der Bundesrat hingegen liess zum Zeitpunkt der Abstimmung noch offen, ob die von ihm zu präsentierende Lösung eine E-ID erfordere. Nur ein Jahr zuvor hatte die Bevölkerung eine Gesetzesvorlage zur Einführung einer elektronischen Identität an der Urne wuchtig verworfen. Obwohl der Bundesrat daraufhin ein neues E-ID-Gesetz vorzulegen plante, prüfe man zum Zeitpunkt auch andere sichere und datenschutzkonforme Eintragungsarten, so der Bundesrat. Sowohl ablehnende als auch befürwortende Politikerinnen und Politiker forderten vom Bundesrat nach dem Abstimmungsausgang eine umfassende Informationskampagne auf verschiedenen Kanälen. So müsse sichergestellt werden, dass auch Personen ohne ausreichende Sprach- und Lesekenntnisse ausführlich über die Widerspruchslösung informiert würden, forderte etwa SVP-Nationalrätin Verena Herzog als Mitglied des Nein-Komitees. Flavia Wasserfallen (sp, BE), Co-Präsidentin de Unterstützungskomitees, gab darüber hinaus zu bedenken, dass die digitalen Fähigkeiten innerhalb der Bevölkerung variierten und somit sowohl die Information der Behörden als auch ein Eintrag ins Spenderegister über den Postweg möglich sein müssten. Beim BAG sah man dies hingegen anders: Es werde lediglich ein Online-Register geben, allerdings soll es möglich sein, die Eintragung via Vertretungsvollmacht etwa vom Hausarzt oder der Hausärztin vornehmen zu lassen. Ebenfalls klar schien bereits, dass Swisstransplant einen Leistungsauftrag erhalten werde, um das Register des Bundes zu führen, worüber sich die Gegnerschaft der Gesetzesänderung nicht erfreut zeigte. Gemäss Aussagen des BAG kurz nach der Abstimmung werde die Umstellung frühestens Mitte 2024 erfolgen.

Im Oktober 2022 gab Swisstransplant bekannt, dass das eigene Spenderegister wegen der Sicherheitsbedenken per sofort eingestellt werde. Die Spitäler kritisierten diesen Entscheid. Für sie verkomplizierten sich dadurch die Abklärungen bis zum neuen Bundesregister. Unterdessen hatte der Bund den Zeitplan zu dessen Inbetriebnahme bereits etwas nach hinten verschoben: Das eigene Register werde «frühestens ab 2025 eingeführt», so das BAG.

Organspende-Initiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 20.090)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Anfang Mai 2022 gaben die Verbände FMH und pharmaSuisse bekannt, gemeinsam ein elektronisches Rezept schaffen zu wollen. Dieses soll der Patient oder die Patientin am Ende einer Sprechstunde entweder digital oder als ausgedruckten QR-Code erhalten. Den Code könne die Patientenschaft wiederum auf dem Smartphone speichern, selbst ausdrucken oder an eine Apotheke senden. Das Rezept komme ohne zentrale Speicherung medizinischer Daten aus. Durch das Einscannen des Codes in der Apotheke erfolge das Lesen des Rezepts und die Übernahme der Angabe in die Apothekensoftware. Mittels Signatur sei es den Apotheken zudem möglich, Gültigkeitsüberprüfungen, Validierungen und (Teil-)Entwertungen am Rezept vorzunehmen. Die beiden Verbände versprachen sich von der Einführung des E-Rezepts, Fehlerquellen ausmerzen, Prozesse optimieren und allfälligen Missbräuchen entgegenwirken zu können.

E-Rezept
Dossier: Digitalisierung im Gesundheitswesen

Ende 2021 legten die Tarifpartner H+ und Santésuisse dem Bundesrat ihre Tarifstruktur für ambulante Pauschalen zur Prüfung vor. Die neue Tarifstruktur decke im Gegensatz zu TARMED, die auf Einzelleistungstarifen beruht, «im ambulanten Spitalbereich eine Mehrheit der Leistungen mit Pauschalen» ab. Damit wollten die Tarifpartner dem Entscheid des Parlaments vom Juni 2021 nachkommen, das mit Annahme des Massnahmenpakets 1a zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen den Einsatz von Pauschalen auch im ambulanten Bereich so weit wie möglich vorschreibt. H+ und Santésuisse hatten die Pauschalen der neuen Tarifstruktur im Rahmen ihrer Tariforganisation «solutions tarifaires suisses sa» basierend auf reellen Kosten- und Leistungsdaten der Leistungserbringenden entwickelt, noch nicht darin enthalten waren jedoch die Einzelleistungstarife für nicht pauschalisierbare Leistungen. An der Entwicklung mitgewirkt hatte auch der Verband der Chirurginnen und Chirurgen, FMCH. Dieser beteiligte sich jedoch nicht an der Einreichung der Tarifstruktur, da diese nicht «für alle Ärztinnen und Ärzte, die ambulant behandeln, sinnvoll, wirtschaftlich und anwendbar» sei, wie der Verband gegenüber den Medien verlauten liess.
Mit ihrem Vorschlag standen H+ und Santésuisse bis zu einem gewissen Grad in Konkurrenz mit dem Projekt TARDOC, das FMH und Curafutura entwickelt hatten, der Bundesrat bisher aber noch nicht genehmigt hatte. Man könne damit «einige der von der Genehmigungsbehörde konstatierten Mängel des TARDOC [...] beheben», betonten die Einreichenden, während FMH vor allem die konzeptionellen Unterschiede zwischen den zwei Modellen hervorhob und die neuen Pauschalen generell als «anschlussfähig an den TARDOC» erachtete. Da TARDOC auf Einzelleistungstarifen statt Pauschalen beruhte, hatte die Ärzteschaft, darunter auch FMCH und FMH bereits zuvor erklärt, dass die neuen ambulanten Pauschalen als Ergänzung zu TARDOC verstanden werden sollen. Nach Einreichung der neuen Struktur zeigte sich FMH mit dieser jedoch nicht einverstanden: Die Struktur sei zu wenig ausgereift, beruhe ausschliesslich auf Spitaldaten und sei überdies nicht kostenneutral, wurde kritisiert.

Neue Tarifstruktur für ambulante Behandlungen
Dossier: Tarifstrukturen im Gesundheitswesen

im Juni 2021 gab der Bundesrat das Ergebnis seiner Prüfung der neuen Tarifstruktur TARDOC bekannt: Diese sei in ihrer aktuellen Form nicht genehmigungsfähig, weil sie «gewichtige materielle Mängel aufweist und eine kostenneutrale Einführung nicht sichergestellt ist». Unerfüllt blieben die Anforderungen im Bereich der Kostenneutralität sowie insbesondere bezüglich Wirtschaftlichkeit und Billigkeit der Tarifstruktur, wie der Bundesrat erklärte. Überdies zeigte er sich aber auch mit der Vereinfachung der Tarifstruktur, ihrer Anpassung an aktuelle Gegebenheiten und ihrer Transparenz nicht zufrieden, insbesondere nachdem er diese Punkte in seinem Prüfbericht von November 2020 bereits hervorgehoben habe. Schliesslich störte sich der Bundesrat daran, dass weder Santésuisse noch der Spitalverband (H+) den Tarifvertrag unterzeichnet hätten. Daher forderte er die Tarifpartner zu einer gemeinsamen Überarbeitung auf.
Die beteiligten Tarifpartner zeigten sich mit diesem Entscheid des Bundesrats nicht einverstanden, in einer Medienmitteilung nannten sie ihn «unverständlich und nicht nachvollziehbar». Die aktuelle Version von TARDOC erfülle die gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien, betonten sie. Gar von einer «Art Todesstoss für die Tarifautonomie» sprach alt-Ständerat Joachim Eder, Präsident des Tarifbüros ats-tms. Schliesslich sei TARMED nicht mehr zeitgemäss, wodurch die medizinischen Leistungen unsachgemäss vergütet würden. Man werde prüfen, «inwieweit die Forderungen nach Anpassungen des TARDOC überhaupt sachgerecht und umsetzbar sind».
Ende Dezember 2021 reichten die betroffenen Tarifpartner eine von ihnen als «finale Version des TARDOC» bezeichnete Überarbeitung zur Genehmigung ein. Man habe dabei wie gefordert die Kostenneutralität verlängert, den Tarif vereinfacht und die Transparenz erhöht, erklärten sie in einer Medienmitteilung. Sie wiesen überdies auf die fehlenden Alternativen bezüglich einer Tarifrevision hin und hofften entsprechend auf eine Inkraftsetzung von TARDOC per 1. Januar 2023.

Tarifstruktur TARDOC
Dossier: Tarifstrukturen im Gesundheitswesen

Im Oktober 2020 wurde der Ergebnisbericht zur Vernehmlassung des indirekten Gegenvorschlags zur Organspende-Initiative, welche vom 13. September bis zum 13. Dezember 2019 gedauert hatte, veröffentlicht. Insgesamt hatten 81 Akteurinnen und Akteure Stellung genommen, wobei sich mit 53 von ihnen ein Grossteil der Vernehmlassungsteilnehmenden vollumfänglich oder grundsätzlich zustimmend zum Gegenvorschlag aussprachen. Zu ihnen gehörten 21 Kantone, die beiden Parteien GLP und GPS sowie dreissig Organisationen, darunter auch Swisstransplant, eine Unterstützerin der Volksinitiative. Explizit abgelehnt wurde die Vorlage von 16 Vernehmlassungsteilnehmenden. Als Gründe für die ablehnende Haltung wurden die Befürwortung der Volksinitiative (JU), des Erklärungsmodells (LU, CVP, EVP, CBCES, EKS, MERH_UZH, NEK) oder der parlamentarischen Initiative Nantermod (fdp, VS; pa.Iv. 18.443; FDP), aber auch die zu enge Zustimmungslösung (ÄPOL) und der Wunsch nach Beibehaltung der aktuell gültigen erweiterten Zustimmungslösung (HGS) aufgeführt. Weitere Argumente gegen den indirekten Gegenvorschlag liessen sich auf ethische Bedenken (SH, HLI, MIGUNIBE, SPO) oder auf die Forderung zurückführen, dass die Vorlage Teil eines Gesamtprojekts zur Einwilligung in der Gesundheits- und Humanforschung sein sollte (Privatim). Weder eine zustimmende noch eine ablehnende Haltung nahmen aus diversen Gründen zehn Vernehmlassungsteilnehmende ein (BL, TG, iEH2, SPS, BDP, SVP, GDK, insieme, SBK und SGG). Der SAV, santésuissse und der SSV verzichteten auf eine Stellungnahme.

Positiv aufgenommen wurde von der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden die geplante Einbindung der Angehörigen. In diesem Zusammenhang kam denn auch mehrfach die Forderung auf, dass eine Organentnahme nur zulässig sein soll, wenn die Angehörigen erreicht werden können. Auch die gesetzliche Verankerung eines Registers wurde grösstenteils befürwortet, wobei verschiedene Änderungsvorschläge eingingen. Einer von ihnen bestand darin, dass neben der Dokumentation des Widerspruchs auch eine Zustimmung festgehalten werden können sollte. Von verschiedenen Seiten wurde zudem der Wunsch geäussert, dass der Stiftung Swisstransplant die Registerführung zukommen soll, weil sie bereits über ein Register verfüge. Ferner wurde der Information der Bevölkerung über das Widerspruchsmodell ein hoher Stellenwert beigemessen.

Organspende-Initiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 20.090)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Nach einer ersten Prüfung der 2019 eingereichten neuen Tarifstruktur für ambulante ärztliche Leistungen, TARDOC, verlangte der Bundesrat verschiedene Anpassungen der Tarifstruktur. Im Juni 2020 reichten die Tarifpartner FMH und Curafutura eine überarbeitete Version des Ärztetarifs nach, mit der sie nun sämtliche Auflagen des Bundesrates zu erfüllen glaubten. Neu habe man nun ein gemeinsames Kostenneutralitätskonzept ergänzt und die Tarifstruktur überarbeitet. In der Zwischenzeit hatte sich zudem die Krankenkasse SWICA der Tarifstruktur angeschlossen, womit TARDOC nun mit den in der Curafutura vertretenen Versicherungen CSS, Helsana, Sanitas und KPT die Mehrheit der Versicherten hinter sich wusste.
Im August 2020 gab das BAG bekannt, seine ausführliche Prüfung des Tarifs noch um die neu eingereichten Elemente erweitern zu müssen. So müsse sichergestellt werden, dass die Tarifstruktur die vom Bundesrat gestellten Bedingungen einhalte und daraus insbesondere keine Mehrkosten entstünden.

Tarifstruktur TARDOC
Dossier: Tarifstrukturen im Gesundheitswesen

Im Juni 2020 eröffnete der Bundesrat eine Vernehmlassung zur Präzisierung des Spitalkostenbeitrags der Patientinnen und Patienten. Dort schlug er vor, die bestehende Regelung in der KVV, wonach die Patientinnen und Patienten einen Beitrag in der Höhe von CHF 15 pro Tag an die Spitalkosten bezahlen müssen, dahingehend zu präzisieren, dass diese Beiträge neu weder für den Austrittstag noch für Urlaubstage anfallen sollen. Dadurch würden bei den Krankenversicherungen Mehrkosten in der Höhe von CHF 22 Mio. jährlich anfallen.
An der Vernehmlassung, die bis Oktober 2020 dauerte, nahmen 38 Stellungnehmende teil, darunter 23 Kantone, die GDK, die SP und die Grünen, der SSV, Curafutura und Santésuisse, der SGB sowie FMH, Spitex und die Stiftung Konsumentenschutz aller drei Sprachregionen (SKS, FRC, acsi). Der Grossteil der Befragten, darunter 20 Kantone, die links-grünen Parteien und die Gewerkschaft, aber auch die Leistungserbringenden sprachen sich vorbehaltlos für die Vorlage aus. Einen Vorbehalt brachten hingegen die Konsumentenverbände an: Sie verlangten eine Rückerstattung der ab Anfang 2012 unrechtmässig erhobenen Beträge für den Austrittstag, teilweise auch für den Eintrittstag. Die Versicherungen hingegen forderten, dass die Urlaubstage und teilweise die Austrittstage gleich definiert werden wie in der Tarifstruktur.

Spitalkostenbeitrag: Bundesrat regelt zu bezahlende Tage

Im Juli 2019 gab eine Minderheit der Tarifpartner – FMH und Curafutura – bekannt, dem Bundesrat einen Vorschlag für eine neue Tarifstruktur, TARDOC, als Nachfolgerin von TARMED zur Genehmigung einzureichen. TARDOC war zuvor von der ats-tms AG, der gemeinsamen Tariforganisation von FMH, Curafutura und der Medizinaltarif-Kommission UVG (MTK) während über drei Jahren erarbeitet worden. Eine Revision von TARMED sei überfällig, da dieser veraltet sei, begründeten die Tarifpartner die Revision in ihrer Medienmitteilung. Dabei habe man die Kostenmodelle «dem heutigen Stand der Medizin, der Medizinaltechnik und dem heutigen Personalaufwand angepasst», die Behandlungsdauer der einzelnen Leistungen aktualisiert sowie Leistungen des nichtärztlichen Personals aufgenommen. Schliesslich sei die Tarifstruktur vereinfacht und der Leistungskatalog von 4600 auf 2700 Positionen gekürzt worden. Nicht einig wurden sich FMH und Curafutura einzig bei den Taxpunkten, zu denen sie zwei unterschiedliche Varianten einreichten.

Tarifstruktur TARDOC
Dossier: Tarifstrukturen im Gesundheitswesen

An der Vernehmlassung zum ersten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen zwischen September und Dezember 2018 beteiligten sich 150 Einheiten und Organisationen, darunter alle Kantone, die sieben grossen nationalen Parteien, der Städte- und der Gemeindeverband, Dachverbände der Wirtschaft, Konsumenten-, Patienten-, Leistungserbringenden- sowie Versichererverbände. Entsprechend breit war trotz Lobes für die Bemühungen des Bundesrates zur Kostensenkung auch die Kritik an dem neuen Projekt. Insbesondere wurde vor Wechselwirkungen mit anderen Revisionen, vor Finanzierungs- oder Versorgungsproblemen sowie vor einer verstärkten Bürokratisierung oder staatlichen Steuerung gewarnt, wie das BAG in seinem Ergebnisbericht erklärte.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Im April 2018 urteilte das Bundesgericht in der Frage, ob der Bundesrat 2014 dazu berechtigt gewesen war, den Tarmed nach politischen Gesichtspunkten zu ändern. Der Bundesrat hatte bei der ersten Tarmed-Änderung entschieden, den Haus- und Kinderärzten mehr und den Spezialärzten im Tarmed weniger Geld für ihre Leistungen zuzusprechen. Dies erachtete die Privatklinik St. Anna in Luzern als widerrechtlich und verrechnete ihre Kosten weiterhin nach den alten, höheren Tarmed-Tarifen. Das eingesetzte Schiedsgericht, das nötig geworden war, weil eine Krankenversicherung diese höheren Tarife nicht akzeptiert hatte, gab der Klinik recht, woraufhin die Versicherung den Fall vors Bundesgericht weiterzog. Da in der Zwischenzeit auf Anraten des Spitalverbands H+ verschiedene Spitäler ihre Rechnungen unter Vorbehalt ausgestellt hatten, erwarteten sowohl Krankenversicherungen als auch Spitäler den Entscheid mit grossem Interesse.
Das Bundesgericht befand im April 2018, dass das KVG keine klaren Vorgaben dazu mache, welche Anpassungen der Bundesrat machen dürfe und wie er dabei vorgehen müsse. Folglich komme ihm diesbezüglich ein grosser Ermessensspielraum zu; er könne daher auch lineare Kürzungen sowie politisch motivierte Kürzungen wie die Förderung der Hausarztmedizin vornehmen. Die Krankenkassen zeigten sich erleichtert über das Urteil, das gemäss Santésuisse nun für Rechtssicherheit sorge. Der Berufsverband der Ärztinnen und Ärzte FMH zeigte sich erstaunt über den Entscheid und insbesondere darüber, dass es dem Bundesrat möglich sein soll, politische Aspekte zu berücksichtigen, während sich die Tarifpartner beim Tarmed strikt an den Wortlaut des KVG halten müssten. Die Medien urteilten, dass dieser Entscheid den Einfluss des Bundesrates stärke; Gewinner seien die Prämienzahlenden, lobte Santésuisse den Entscheid.

Revision des TARMED
Dossier: Tarifstrukturen im Gesundheitswesen

Im August 2017 gab der Bundesrat bekannt, dass er von seiner subsidiären Kompetenz Gebrauch machen und die Einzelleistungstarifstruktur Tarmed anpassen werde. Dies war nach 2014 zum zweiten Mal nötig geworden, weil sich Leistungserbringer und Versicherer nicht auf einen gemeinsamen Tarif hatten einigen können und somit für das Jahr 2018 keine Tarifstruktur mehr vorgelegen hätte. Die Änderungen der Verordnung zum Tarmed sahen vor, die „Vergütungen der verschiedenen Leistungen in angemessene Relation zu stellen“. Dazu sollten einerseits die Leistungsvergütungen bestimmter Tarifpositionen geändert werden. Zum Beispiel soll für alle Leistungen ein einheitlicher Dignitätsfaktor bestimmt werden. Die Weiterbildungsdauer der Fachärzte soll folglich nicht mehr in die Tarife einfliessen, so dass alle ärztlichen Leistungen einheitlich abgerechnet werden. Andererseits werden die Abrechnungsregeln einzelner Tarifpositionen geändert, was unter anderem zu mehr Abrechnungstransparenz und reduzierten Beträgen bei der Verrechnung von Leistungen in Abwesenheit der Patientinnen und Patienten führen soll. Zudem werden die Tarife derjenigen Leistungen gesenkt, deren Dauer durch technische oder medizinische Fortschritte reduziert worden ist. Einzelne dieser Massnahmen hatte der Bundesrat entsprechend den Rückmeldungen aus der Vernehmlassung angepasst, so dass er nun mit jährlichen Einsparungen von CHF 470 Mio. (anstelle der ursprünglich erwarteten CHF 700 Mio.) rechnete. Diese Korrekturen betrafen vor allem die vulnerabelsten Patienten, also Kinder, Betagte und psychisch Kranke, deren Grundkonsultation unter anderem weiterhin länger dauern darf als bei den übrigen Patienten.

Die betroffenen Akteure reagierten unterschiedlich auf die Revision. Der Kassenverband Curafutura lobte die Revision und erwartete deutliche Einsparungen bei den Prämien; Santésuisse hingegen bezweifelte, dass die durch die Revision möglichen finanziellen Reduktionen tatsächlich die von Bundesrat Berset angegebene Höhe erreichen würden. Negative Reaktionen kamen vor allem von den Leistungserbringern: Der Ärzteverband FMH sorgte sich aufgrund der Revision wie bereits in der Vernehmlassung vor möglichen Verschiebungen vom ambulanten in den stationären Bereich. Für die Ärzte bedeute dies zudem eine Reduktion ihrer Vergütungen um durchschnittlich 10 Prozent, vereinzelt könne es gar zu Reduktionen bis 30 Prozent kommen. Dies veranlasste die Presse zu Spekulationen, ob die Revision den Anreiz der Ärzteschaft gesteigert habe, ihre eigene Tarifrevision Tarco voranzutreiben. Deren Erarbeitung hatte sich zuvor als schwierig erwiesen, weil höhere Ansätze bei den einen Ärzten aufgrund der nötigen Kostenneutralität zu finanziellen Einbussen für andere Ärzte führen würden. Der Spitalverband H+ betonte schliesslich, dass die Anpassung des Tarmed die Situation der Spitäler weiter verschlechtern werde. Aufgrund dieser unterschiedlichen Rückmeldungen waren sich die Medien nicht einig, ob die Revision eine gute oder schlechte Nachricht für die Patienten sei. Zwar setze der Bundesrat damit ein Zeichen gegen die ständig wachsenden Prämien, jedoch seien Einsparungen von einer halben Milliarde pro Jahr bei jährlichen Gesundheitskosten von etwa CHF 70 Mrd. eher ein Tropfen auf den heissen Stein.

Revision des TARMED
Dossier: Tarifstrukturen im Gesundheitswesen

Anfang September 2014 endete die Vernehmlassungsfrist zum Bundesgesetz über das Zentrum für Qualität in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Das neue Bundesgesetz soll die Grundlagen für die Errichtung eines nationalen Zentrums für Qualität schaffen, welches in Zukunft die Aufgabe haben soll, schweizweite Qualitätsprogramme zu lancieren, Leistungen auf ihren Nutzen zu überprüfen und so insbesondere die Qualität der medizinischen Leistungen und die Sicherheit der Patientinnen und Patienten zu erhöhen. Der Bundesrat reagierte damit auf diverse überwiesene parlamentarische Vorstösse, welche einerseits auf eine Verbesserung der Qualitätssicherung in der OKP, andererseits auf eine systematischere Bewertung von Gesundheitstechnologien abzielten.

Der Ergebnisbericht zur Vernehmlassung lag im Mai 2015 vor. 152 Vernehmlasser hatten zuvor ihre Stellungnahmen eingereicht. Kaum erstaunen dürfte, dass Einigkeit über die Zielsetzung einer hohen Qualität in der Krankenversicherung herrschte. Ebenso wurde begrüsst, dass sich der Bund verstärkt engagiere, eine Führungsrolle übernehme sowie eine aktive Rolle im Bereich Qualitätssicherung ausübe. Über die Massnahmen zur Zielerreichung und den Weg dorthin gingen die Meinungen jedoch auseinander. Die zentrale Neuerung, die Schaffung eines Zentrums für Qualität, war umstritten, wie aus dem Vernehmlassungsbericht hervorging. Zwar waren institutionelle Akteure, beispielsweise die GDK, offen für ein solches Zentrum, wichtige Akteure aus dem Gesundheitswesen lehnten eine neue Verwaltungsstelle jedoch ab. Der Spitalverband H+, die Versicherer (santésuisse) oder auch die Ärzteschaft (FMH) zeigten sich skeptisch, sie befürchteten die Schaffung eines bürokratischen Apparats. Von zahlreichen Stellungnehmenden wurden Anpassungen angeregt, so zum Beispiel, bestehende Organisationen in das Zentrum zu integrieren.
Die grundsätzliche Kritik von gewichtigen Akteuren führte jedoch dazu, dass die Regierung entschied, auf ein solches angedachtes Qualitätszentrum zu verzichten. Stattdessen sollte fortan ein „Netzwerk Qualität“ eingesetzt werden, welches Koordinationsaufgaben zwischen bestehenden Akteuren übernehmen soll. Daneben wird auch eine ausserparlamentarische Qualitätskommission eingesetzt. Insbesondere die Anliegen der Patientinnen und Patienten, vertreten durch die Stiftung Patientensicherheit Schweiz, sollen berücksichtigt werden. Die Stiftung soll eine tragende Rolle einnehmen und weiterhin nationale Pilotprogramme betreuen.
Für die Umsetzung des Netzwerks bedarf es einer Änderung des KVG. Die Ausgaben für die Realisierung dieser Projekte im Bereich Qualität wurden auf rund CHF 30 Mio. beziffert und sollen durch die Prämien gedeckt werden (CHF 3.50 pro Person und Jahr; total ca. CHF 22 Mio.). Weitere CHF 10 Mio. sollen über Bundesmittel finanziert werden. Bis Ende 2015 wollte die Regierung einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegen.

KVG. Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit (BRG 15.083)
Dossier: Qualität und Transparenz in der Gesundheitsversorgung

Am 18. Mai 2014 wurde der Bundesbeschluss über die medizinische Grundversorgung, der direkte Gegenentwurf zur zurückgezogenen Volksinitiative „Ja zur Hausarztmedizin“, zur Abstimmung gebracht. Mit einem Ja-Stimmenanteil von 88% und sämtlichen zustimmenden Ständen war der Entscheid deutlich.
Die Vorlage war bereits im Vorfeld unbestritten, wodurch sich kein echter Abstimmungskampf ergab. Da sich das Parlament auf diesen Gegenvorschlag geeinigt hatte und die Initianten ihre Hausarzt-Initiative infolgedessen zurückzogen, war auch kein grösserer Widerstand zu erwarten. Im Gegenteil: einträchtig wurde verkündet, es gebe keinen Grund, den Gegenvorschlag abzulehnen. Ende Februar traten Gesundheitsminister Berset und der Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK), Carlo Conti, vor die Medien und erörterten die Vorlage. Dabei unterstrich der Magistrat die Bedeutung einer qualitativ hochstehenden, medizinischen Grundversorgung in allen Regionen der Schweiz. Conti erkannte im Rückzug der Initiative eine Verpflichtung für die Politik und verwies auf den für die Behörden wichtigen Masterplan Hausarztmedizin. Auch er erachtete den Ausbau der Grundversorgung angesichts der demografischen Alterung als besonders bedeutend. Der Masterplan Hausarztmedizin war 2012 lanciert worden und wurde vom Eidgenössischen Department des Innern (EDI), von der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK), der Universitätskonferenz, dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) sowie den Ärzteverbänden und dem Initiativkomitee getragen. In ihm sind konkrete Massnahmen zur Förderung der Hausarztmedizin verankert, deren Umsetzungen bereits eingeleitet sind. Der Masterplan sichert den Hausärzten zusätzliche Einnahmen von CHF 200 Mio.

Trotz guter Vorzeichen – in einer ersten, vom Sonntags-Blick durchgeführten Umfrage gaben 48% der Befragten an, den Gegenvorschlag annehmen zu wollen, nur 19% waren dagegen – versammelten sich Anfang April rund 300 Ärztinnen und Ärzte in Aarau zu einer Kundgebung. Sie wollten auf den mangelnden Nachwuchs im Hausarztbereich aufmerksam machen und gleichzeitig für die bevorstehende Abstimmung werben. In den Trendumfragen der SRG wurden dem Anliegen ebenfalls gute Vorzeichen attestiert. In der ersten Welle waren 66% der Befragten dafür, in der zweiten Welle waren es gar 71%.

Immer wieder gegen den Verfassungsartikel äusserte sich indes der Zürcher SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi. Er kritisierte, dass der vorgeschlagene Artikel falsche Signale aussende: Es sei nicht Sache des Bundes, eine bestimmte Berufsgruppe attraktiv zu machen. Gleichwohl wurde von der Volkspartei selber vorerst keine Gegenkampagne geführt. Erst am 8. Mai, also nur zehn Tage vor der Abstimmung setzte sich ein Gegnerkomitee zusammen, in dem Bortoluzzi federführend war. Das Komitee warnte vor dem „entscheidenden Schritt zur Verstaatlichung des Gesundheitswesens“. Dem Komitee schlossen sich einige SVP-Politiker und etwa 20 Ärzte an. Tatsächlich hatte die SVP als einzige Partei die Nein-Parole ausgegeben. Wichtigstes Argument blieb, dass es keines Verfassungsartikels bedürfe, um die Grundversorgung sicherzustellen. Aus Kreisen des Gegnerkomitees wurde gar vor einer „Mogelpackung“ gewarnt: Man befürchte, dass die freie Arztwahl und der direkte Zugang zum Hausarzt nicht mehr gewährleistet seien.

Dieses Aufbäumen konnte den deutlichen Abstimmungserfolg jedoch nicht schmälern. Die zustimmenden 88% (Stimmbeteiligung: 55,8%) waren ein deutliches Zeichen. Entsprechend zufrieden zeigten sich die Befürworter. Der Volksentscheid hatte allerdings unerwartete Folgen: Andere Leistungserbringer, wie beispielsweise die Spitäler, meldeten nun auch entsprechende Begehrlichkeiten an und forderten eine Gleichbehandlung aller Ärzte. Der Spitalverband H+ teilte in einer Medienorientierung mit, dass die ambulanten und stationären Dienstleistungen der Spitäler ebenfalls zu den „tragenden Säulen der ärztlichen Grundversorgung“ gehörten. Ebenso könnten andere Berufsgruppen, wie Apotheker oder Physiotherapeuten solche Forderungen stellen. Entsprechend besorgt zeigte sich der Präsident des Pro-Komitees, Peter Tschudi, dem diese „Trittbrettfahrer“ ein Dorn im Auge waren. Seiner Auffassung nach sind die Spitäler keineswegs als Teil der Grundversorgung zu verstehen.


Abstimmung vom 18. Mai 2014

Beteiligung: 55,85%
Ja: 2 480 870 (88,1%)
Nein: 336 196 (11,9%)

Parolen:
– Ja: SP, CVP, FDP (2*), GPS (1*), BDP, GLP (*2), EVP; Travail.Suisse, FMH, H+, Berufsverband der Haus- und Kinderärztinnen Schweiz, SGB.
– Nein: SVP (8*).
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Die Vox-Analyse im Nachgang der Abstimmung führte zu Tage, dass die Hausarztvorlage recht deutlich im Schatten der anderen, an diesem Tag behandelten Vorlagen (Gripen, Pädophilie und Mindestlohn), stand. So wusste ein Drittel der Befragten nicht, worum es bei dieser Vorlage gegangen war. Wichtigste Motive der Ja-Stimmenden waren die Förderung der Hausärzte und die Sicherstellung der medizinischen Grundversorgung. Es wurde jedoch auch ein grosses Regierungsvertrauen festgestellt: 92% der Befragten, die dem Bundesrat grundsätzlich vertrauen, hatten hier Ja gestimmt. Als wichtigstes Nein-Argument wurde die „last-minute-Kritik“ des Gegenkomitees ermittelt, nämlich eine Ablehnung der Verstaatlichung. Dass das gegenwärtige System funktioniere und dass Hausärzte nicht bevorzugt werden sollen waren weitere, häufig genannte Gründe der Gegner.

Gegenentwurf „Ja zur Hausarztmedizin“

Im Dezember nahm die neu gegründete Stiftung für Patientensicherheit ihre Arbeit auf. Sie versteht sich als Antwort auf die nationale und internationale Diskussion über die Patientensicherheit in der stationären und ambulanten medizinischen Versorgung. Die Tätigkeit der Stiftung stützt sich auf die Vorschläge der vom EDI eingesetzten Expertengruppe „Patientensicherheit“ ab. Diese hatte die folgenden Massnahmen empfohlen: Erarbeitung einer Datenbasis zu medizinischen Fehlern, Analyse der Ursachen und Risikofaktoren, Entwicklung von Sicherheitsstrategien und -instrumenten, Kommunikation sowie Wissenstransfer und Unterstützung der von schwerwiegenden Zwischenfällen betroffenen Patientinnen und Patienten und des beteiligten Personals. Unter den Gründern der Stiftung sind die SAMW, die Eidgenossenschaft (vertreten durch BAG und BSV) sowie die FMH

Stiftung für Patientensicherheit
Dossier: Patientensicherheit

Zusammen mit der Verbindung der Schweizer Ärzte (FMH) und den kantonalen Behörden lancierte das BAG eine Impf-Informationskampagne. Der Bevölkerung soll damit in Erinnerung gerufen werden, dass die Möglichkeit, sich gegen Infektionskrankheiten zu schützen, eine Chance und nicht eine Verpflichtung ist, dass es sich beim Impfplan für Kinder um eine in der Schweiz und der ganzen Welt wissenschaftlich verankerte Massnahme handelt, und dass nur die freiwillige Impfung aller Kinder und Jugendlicher ermöglicht, neun allzu oft als harmlos betrachtete Infektionen (Masern, Röteln, Mumps, Diphterie, Tetanus, Polio, Keuchhusten, Hepatitis B und Haemophilus influenza) wirksam zu bekämpfen. (Auf den 1. Juli wurden die ansteckenden Erkrankungen Anthrax und Pocken meldepflichtig, ebenso ärztliche Untersuchungen oder Tests bei Verdacht auf die Creutzfeld-Jakob-Krankheit; der klinische Verdacht auf CJK ist bereits seit 1999 meldepflichtig.)

Impf-Informationskampagne

Die FMH, welche die Aufhebung des Kontrahierungszwangs bisher aufs schärfste bekämpft hatte, signalisierte im Lauf des Sommers ein gewisses Entgegenkommen, in erster Linie, um den Zulassungsstopp nicht zu einer dauerhaften Einrichtung werden zu lassen, die den Jungärzten auf Jahre hinaus die berufliche Zukunft verbauen würde. Der Präsident der FMH regte eine Art „Drei-Kreise-Modell“ für die Zulassung zur Grundversicherung an: Mit einem ersten Kreis von Ärzten müssten die Kassen zwingend zusammenarbeiten; aus einem zweiten Kreis könnten sie wählen, und der dritte Kreis, jene „rücksichtslosen Gestalten, die nichts taugen und betrügerische Rechnungen stellen“ würde ganz ausgeschlossen. Dass überhöhte Abrechnungen nicht nur die Tat einzelner schwarzer Schafe sind, zeigte sich an einer von der Sendung „Kassensturz“ des Schweizer Fernsehens aufgedeckten virtuellen Laborgemeinschaft in St. Gallen. Rund 550 Ärzte und Ärztinnen hatten sich in dieser Laborgemeinschaft zusammengeschlossen, um eine eigene Labortätigkeit vorzutäuschen, für welche höhere Tarife gelten. In Wirklichkeit wurden die Analysen aber in bis zu dreimal billigeren Grosslabors durchgeführt. Die Differenz blieb in der Tasche der betrügerischen Ärzte. Das BSV, welches in früheren Jahren Kenntnis von ähnlichen Praktiken in der Romandie erhalten hatte, prüft nun, ob Betrug mit Laborrechnungen nicht zum Offizialdelikt erklärt werden könnte, analog zu den Betrügereien mit Medikamenten, bei denen gewisse Ärzte die Rabatte der Pharmafirmen nicht weitergeben.

FMH schlägt „Drei-Kreise-Modell“ vor

Eine Expertenkommission des Bundes schlug vor, die Sicherheit der Patienten mit einem nationalen Programm zu verbessern. Aus Rücksicht auf den Föderalismus im Gesundheitswesen soll aber nicht eine zentrale Sicherheitsbehörde eingesetzt werden, sondern analog zum Büro für Flugunfälle ein nationales Zentrum für Patientensicherheit, das Meldungen über medizinische Zwischenfälle registriert und analysiert. Die FMH beschloss ihrerseits, für ihre Mitglieder eine Datenbank einzurichten, in welche Ärzte und Ärztinnen (auf Wunsch auch anonym) Fehlermeldungen eingeben können; die gesammelten Daten sollen in einem späteren Zeitpunkt auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Im gleichen Bestreben gründete die Schweizerische Gesellschaft für Anästhesiologie und Reanimation eine Stiftung für Patientensicherheit

Nationales Zentrum für Patientensicherheit
Dossier: Patientensicherheit

Im Februar genehmigte die Schweizer Ärztekammer den neuen Arzttarif (TarMed). Anlässlich der Jahrestagung der Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK) Ende Mai wurde ein Vorvertrag unterzeichnet. Damit einigten sich – nach jahrelangen, zähen Verhandlungen – die Verbindung der Schweizer Ärzte und Ärztinnen (FMH), das Konkordat der Krankenkassen (KSK), die Organisation der Schweizer Spitäler (H+) und die privaten Versicherer auf ein gesamtschweizerisch einheitliches Tarifmodell. Obgleich dies nach einem Durchbruch in der sehr strittigen Ausmarchung aussah, wurde der Vertrag nicht dem EDI zugestellt. Hintergrund der Verzögerung war der nach wie vor innerhalb der FMH schwelende Konflikt zwischen Spezialärzten, die eine tarifäre Rückstufung ihrer vor allem technischer Leistungen nicht zu akzeptieren bereit sind, während die Allgemeinpraktiker darauf drängen, ihre umfassend beratende Tätigkeit besser honoriert zu sehen. (Die Chirurgen drohten sogar mit Operationsstopp) Bundesrätin Dreifuss drohte erneut, die Tarifstruktur durch das BSV festlegen zu lassen, falls sich die Partner nicht innert nützlicher Frist einigen sollten. Zum letztmöglichen Zeitpunkt wurde der neue Arzt- und Spitaltarif Ende Juni dem Bundesrat schliesslich doch noch eingereicht. Im September genehmigte der Bundesrat den neuen TarMed, doch erwies sich die Umsetzung weiterhin als harzig, weil eine Splittergruppe der FMH, in der sich 1998 die invasiv und operativ tätigen Spezialärzte zusammengeschlossen hatten, immer wieder Nachbesserungen verlangte.

Schaffung des TARMED
Dossier: Tarifstrukturen im Gesundheitswesen

Nun regte sich aber zunehmender Widerstand in der Ärzteschaft, vor allem von seiten der invasis und operativ tätigen Spezialärzte verschiedener Fachgebiete, welche sich 1998 zu einer eigenen Vereinigung (Foederatio Medicorum Scrutantium, FMS) innerhalb der FMH zusammengeschlossen hatten. Die Delegierten der FMH stimmten der neuen Tarifstruktur zwar grundsätzlich zu, vertagten anfangs April jedoch den definitiven Entscheid. Hinter den Kulissen tobte der Kampf weiter. Schliesslich beschloss die FMH, die Spezialistenleistungen doch wieder um 20% höher zu bewerten, was ihr geharnischte Reaktionen seitens der Allgemeinpraktiker eintrug, die sogar von „Verrat“ sprachen. Eine Spaltung der FMH wurde nicht mehr ausgeschlossen.

Schaffung des TARMED
Dossier: Tarifstrukturen im Gesundheitswesen

In der Abstimmungskampagne zum neuen KVG hatte Bundesrätin Dreifuss zugesagt, die Komplementärmedizin vermehrt in den Grundleistungskatalog der Krankenkassen einzubeziehen. Dieses Versprechen löste sie nun ein und verfügte, dass ab Juli 1999 anthroposophische und chinesische Medizin, Homöopathie, Neuraltherapie sowie Phytotherapie für eine erste Versuchsdauer von sechs Jahren in den Pflichtleistungskatalog der Grundversicherung aufgenommen werden, sofern sie von ausgebildeten Ärzten angewendet werden. Anbieter und Krankenversicherer gehen davon aus, dass die neuen Leistungen jährliche Zusatzkosten von rund 110 Mio. Fr. verursachen. Der Entscheid des EDI erleichterte der FMH einen Schritt, der in Insider-Kreisen fast schon als “revolutionär” bezeichnet wurde: Erstmals anerkannte die Verbindung der Schweizer Ärzte eine alternative Zusatzausbildung, nämlich jene in Homöopathie, chinesischer Medizin und Akupunktur.

Komplementärmedizin Grundleistungskatalog der Krankenkassen

Die Volksinitiative "für eine freie Arzt- und Spitalwahl" kam mit 134'015 gültigen Unterschriften zustande. Interessenvertreter aus Kreisen der Ärzteschaft und der Privatspitäler hatten die Initiative unter anderem aus der Befürchtung heraus lanciert, dass die Kantone private Spital-, Pflege- und Rehabilitationsinstitutionen von ihren Spitallisten verbannen und die Behandlungen in ausserkantonalen Spitälern und Kliniken einschränken könnten. Die Initianten stören sich auch an den Subventionsmechanismen bei den Spitälern. Die heutigen Subventionsflüsse würden zur Finanzierung der Spitaldefizite von öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern eingesetzt, ganz unabhängig von den tatsächlich erbrachten Leistungen und deren nachvollziehbaren Kosten. Diese Regelung verhindere die von allen Seiten geforderte Kostentransparenz. Prominente Mitinitianten des Volksbegehrens, welches die Unterstützung der FMH fand, sind der Chef des privat geführten Paraplegiker-Zentrums in Nottwil (LU) sowie die beiden FDP-Nationalräte Guisan (VD) und Suter (BE). Abgelehnt wurde es hingegen von den Krankenkassen. Diese erklärten, die auf den ersten Blick vernünftige und wettbewerbsfreundliche Forderung entpuppe sich bei vertiefter Analyse als überflüssig, enorm kostentreibend sowie wettbewerbsbehindernd und wecke zudem falsche Erwartungen.

Volksinitiative «für eine freie Arzt- und Spitalwahl» (BRG 99.059)

Über die Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung des Umgangs mit Organen, Geweben und Zellen waren sich die Parteien, die Vereinigung der Schweizer Ärzte FMH und die SAMW einig und meinten, das unvollständige Regelwerk in 20 Kantonen sei nicht mehr zeitgemäss. In Bezug auf den Umfang der künftigen Bundeskompetenz und in der Frage der Xenotransplantation (Organübertragung vom Tier auf den Menschen) gab es allerdings Differenzen. Die CVP plädierte ohne weitere Einschränkungen dafür, die Xenotransplantation in die Regelungskompetenz einzubeziehen. Die SP hingegen hielt ein Moratorium zumindest für Organe jener Tiere für angebracht, die zum Zweck der Organspende genetisch verändert worden sind (Mo. 96.3364). Die FMH betonte, dass die Regelung der Zuteilung keinesfalls auf menschliche Organe beschränkt werden dürfe; falls nämlich Xenotransplantationen einmal erlaubt würden, sei nicht auszuschliessen, dass es auf dem freien Markt zu ethisch unhaltbaren Situationen komme. Die SAMW schlug vor, den Artikel über die Verwendung der Organe, Gewebe und Zellen explizit auf den humanmedizinischen Bereich zu beschränken. Alle Parteien befürworteten die Konzentration der Eingriffe auf einige wenige Zentren, wobei die SP dem Bundesrat eine Koordinationsbefugnis zur Schaffung von Transplantationszentren in den öffentlichen Spitälern erteilen möchte.

Verfassungsartikel über die Transplantationsmedizin (BRG 97.035)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Bereits vor der Vernehmlassung hatte sich die FMH, die Vereinigung der Schweizer Ärzte, für eine Entkriminalisierung des Drogenkonsums, eine Verstärkung der Prävention und die Ausdehnung der Behandlung mit Ersatzdrogen ausgesprochen. Bei Schwerstsüchtigen müsse unter Umständen anfänglich die konsumierte Substanz wie etwa Heroin eingesetzt werden, allerdings im Rahmen eines klar definierten Therapieansatzes.

FMH für eine Entkriminalisierung des Drogenkonsums