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Neben Economiesuisse sprachen sich auch mehrere weitere Wirtschaftsverbände zu Jahresbeginn 2019 für das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU aus, wenngleich man noch einigen Klärungsbedarf und einiges Verbesserungspotenzial sah. In der «Weltwoche» verkündete Monika Rühl, Vorsitzende der Geschäftsleitung von Economiesuisse, man befürworte das Abkommen, weil es den Zugang zum EU-Binnenmarkt sichere und die Rechtssicherheit zwischen der Schweiz und der EU verbessere. Bedingungslosen Zuspruch erhielt das Abkommen vom Wirtschaftsdachverband indes nicht: So seien etwa die hohen Schweizer Löhne zu schützen und durch die vorgesehene vereinfachte Niederlassungsmöglichkeit dürfe nicht der Anschein gemacht werden, EU-Bürger hätten Anrecht auf Schweizer Sozialhilfe. Ferner müsse garantiert werden, dass die Schweiz ihr Steuersystem «aufrechterhalten» könne. Diese Punkte, so liess Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer gegenüber den Medien verlauten, gelte es noch präzise abzuklären. Ähnlich äusserten sich auch Swissmem-Präsident Hans Hess, SBVg-Präsident Herbert Scheidt oder SAV-Präsident Valentin Vogt: Es gebe zwar Diskussionsbedarf, doch grundsätzlich sei das Abkommen wichtig und richtig, da es die Prosperität der Schweiz sichere.
Vorerst verhalten gab sich der Schweizerische Gewerbeverband: SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler (fdp, ZH) meinte etwa, der Bundesrat dürfe den Vertrag nicht unterzeichnen und müsse eine bessere Version aushandeln. Im April gab der Verband dann bekannt, man wolle sich zum Vertragstext erst wieder äussern, wenn eine definitive Fassung vorliege. Zudem sei nun die Abstimmung zur Begrenzungsinitiative abzuwarten: Würde diese angenommen, hätte sich das mit dem Abkommen sowieso erübrigt.

Rahmenabkommen Meinungen der Wirtschaftsverbände

Wie der «Blick» berichtete, seien im Oktober 2019 die Räumlichkeiten von Economiesuisse von «Autonomen gestürmt» worden. Die Aktivisten hätten sich Zutritt zum Büro des Wirtschaftsverbandes verschafft und Masken des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan getragen. Hinter der Aktion steckte die linksautonome Gruppierung «Revolutionäre Jugend Bern», die ein Video von der Aktion veröffentlichte. Sie warf Economiesuisse vor, mit «Diktaturen und Terrorregimen» wie der Türkei zusammenzuarbeiten, da sich der Verband für ein Freihandelsabkommen mit dem Land eingesetzt hatte. Der Wirtschaftsverband erstattete aufgrund des Vorfalls Anzeige wegen Hausfriedensbruch und Drohung.

Linksautonome Economiesuisse

Im Dezember wurde vom Bundesrat ein erster Entwurf zum Rahmenvertrag mit der EU veröffentlicht, worauf die Meinungen der Wirtschaftsverbände insbesondere betreffend des Lohnschutzes auseinandergingen, wie etwa der «Blick» berichtete. Während SAV-Präsident Valentin Vogt und Hans Hess, Präsident von Swissmem, das Abkommen verteidigten, da sie etwa den Lohnschutz auch im Zusammenhang mit den flankierenden Massnahmen nicht als gefährdet betrachteten, enervierten sich die Gewerkschaften darüber, dass der Lohnschutz Teil der Verhandlungen geworden sei. Der neue SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard (sp, VD) etwa verlangte in einem Interview mit der Aargauer Zeitung vom Bundesrat, sich an sein Versprechen zu halten, wonach der Lohnschutz bei den Verhandlungen eine rote Linie sei, die nicht überschritten werden dürfe. Eine ähnliche Meinung vertrat auch Hans-Ulrich Bigler (fdp, ZH) vom SGV, denn der Lohnschutz, so Bigler gemäss «Blick», sei unverhandelbar. Würde der Lohnschutz Teil des Abkommens, müsste die Schweiz Richtlinien und Änderungen der EU automatisch übernehmen.
Später berichtete die Sonntagszeitung darüber, dass sich der Disput unter den Verbänden weiter zuspitzte, als Vogt ohne Absprache mit dem Gewerbeverband signalisierte, «den Rahmenvertrag mit grossen Geschenken an die Gewerkschaften retten» zu wollen. Ein Skandal sei dies für Bigler, so die Sonntagszeitung, denn für diesen stehe fest, dass der Vertrag in dieser Form nicht unterschrieben werden dürfe. Später zog Vogt seine Offensive zurück, denn die Gewerkschaften sowie der Gewerbeverband blieben ihrer Position treu.
Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer schliesslich hatte bereits im Herbst in der NZZ seine Überzeugung bekannt gegeben, dass im Hinblick auf die Verhandlungen über das Rahmenabkommen mit der EU eine dynamische Übernahme von EU-Gesetzgebungen seitens der Schweiz möglich sei. Da ein Schiedsgericht jeweils die Verhältnismässigkeit überprüfen würde, sodass die EU keine unverhältnismässigen Retorsionsmassnahmen beschliessen könnte, sehe er im Rahmenabkommen gar einen «grosse[n] Vorteil für die Schweiz». Die Gesprächsverweigerung der Gewerkschaften halte er daher für «unschweizerisch», wie das St. Galler Tagblatt zitierte.

Rahmenabkommen Meinungen der Wirtschaftsverbände

Viele Gewerbe- und Unternehmerverbände, darunter auch Economiesuisse, lehnten die Selbstbestimmungsinitiative ab. Economiesuisse argumentierte etwa, dass rund 600 Wirtschaftsabkommen der Schweiz – darunter beispielsweise bilaterale Verträge mit der EU oder Freihandelsabkommen – bei einer Annahme der Initiative gefährdet seien. Gestört fühlte man sich ob diesem Argumentarium in der Weltwoche: Glaube man den Aussagen des Verbandes, so steuere die Schweiz bei einer Annahme der Initiative auf eine «wirtschaftliche Apokalypse» zu. Auch die SVP kritisierte den Wirtschaftsverband scharf: Thomas Matter (svp, ZH) warf der Economiesuisse gar vor, sie wolle die direkte Demokratie abschaffen, wie das St. Galler Tagblatt berichtete. Heinz Karrer, Präsident der Organisation, tat daraufhin die Kritik Matters als Polemik ab. Die einzige Gefahr für «unser funktionierendes System», so Karrer ebenfalls im St. Galler Tagblatt, sei die Initiative selbst.
Dass die Argumente von Economiesuisse «Quatsch» seien, fand aber auch FDP-Nationalrat Thierry Burkhart (fdp, AG), wie der Sonntags-Blick berichtete. Economiesuisse verwende stets die gleichen Argumente, wonach die Schweiz auf eine wirtschaftliche Katastrophe zusteuere, würde nicht entsprechend abgestimmt. Diese Rhetorik sei nicht glaubwürdig und verfehle die Wirkung. Dennoch, so Burkhart weiter, sei es wichtig, dass die Initiative auch von der Wirtschaft bekämpft werde.
Kaum Unterstützung erhielt die Initiative ferner vom SGV, dessen Delegierte die Nein-Parole beschlossen. Der Gewerbeverband des Kantons St. Gallen wich freilich ab und gab die Ja-Parole heraus.

Economiesuisse/SGV zur Selbstbestimmungsinitiative

Der Spitalverband H+ verlasse die Tarmed-Tarifverhandlungen und damit die Tariforganisation ats-tms AG per Ende Jahr, berichtete die Aargauer Zeitung im September 2018. Der Spitalverband, die Versicherungen, die Ärzteschaft sowie auch Bundesrat Berset hatten bereits seit Längerem versucht, das Tarmed zu revidieren, jedoch ohne Erfolg. Eine Einigung sei nicht möglich, da die Verhandlungspartner an unterschiedlichen Stricken zögen: Die Versicherungen wollten die Kosten fairer verteilen, während die Spitäler an den Ärztelöhnen festhielten, erklärte die Aargauer Zeitung. Gemäss der H+-Direktorin Dorit Djelid sei es dem Spitalverband bisher weder gelungen, sich mit den Versicherern auf einen Tarif zu einigen, noch einen Konsens mit den übrigen Partnern zu finden, mit denen «grosse Dissense» bei tarifpolitischen Kernthemen bestünden. H+ habe sich deshalb dazu entschieden, nicht mehr an den «stockenden und zum Teil blockierten» Verhandlungen teilzunehmen. Der Krankenversichererverband Curafutura fühle sich dadurch vor den Kopf gestossen, so die Zeitung weiter: Eigentlich seien die Verhandlungen weit fortgeschritten und man habe «den Spatz in der Hand», doch wolle der Spitalverband «die Taube auf dem Dach». Die verbleibenden Verhandlungspartner werden den Tarif jedoch fertig verhandeln.

Spitalverband verlässt Tariforganisation

Nachdem Ignazio Cassis aufgrund seiner Wahl in den Bundesrat im Herbst 2017 als Präsident des Krankenversicherungsverbands Curafutura zurückgetreten war, gab der Verband, dem die Krankenkassen CSS, Helsana, KPT und Sanitas angehören, Ende Dezember 2017 bekannt, dass Ständerat Josef Dittli (fdp, UR) neuer Präsident von Curafutura werde. Dittli trat das Amt Anfang Januar 2018 an und wird gemäss NZZ mit CHF 140'000 jährlich entschädigt. Damit habe Curafutura auf die Kritik an Cassis' Lohn von CHF 180'000 reagiert, mit welcher sich der Verband während des FDP-internen Bundesratswahlkampfs 2017 konfrontiert gesehen hatte.

Dittli neuer Präsident Curafutura

Die Niederlage in der Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform III (USR III) brachte die kampagnenführenden Wirtschaftsverbände, insbesondere Economiesuisse, politisch unter Druck. Im Interview mit dem «Blick» eine Woche nach der Abstimmung distanzierte sich FDP-Parteipräsidentin Petra Gössi, deren Partei sich neben dem SGV und Economiesuisse zuvorderst an der Ja-Kampagne zur USR-III-Abstimmung beteiligt hatte, deutlich von den Wirtschaftsverbänden. Einzelne Wirtschaftsverbände hätten in der Bevölkerung kein gutes Ansehen mehr, schlimmer sei aber, dass die Verbände zwar «reichlich Geld», aber das Gespür verloren hätten, «von wo der politische Wind weht». Das fehlende politische Gespür verortete Gössi im Versagen von Economiesuisse, ein Bindeglied zwischen Politik und Wirtschaft zu sein und auch Missstände in der Wirtschaft aufzeigen zu können. «Warum verdient zum Beispiel ein Manager Abermillionen, wenn das Unternehmen gleichzeitig Verluste einfährt?», fragte Gössi rhetorisch und antwortete gleich selbst, dass dies «kein Mensch» verstehe. Auch zeigte sie sich enttäuscht, dass ihre Partei in der Abstimmungskampagne zu wenig zu Wort gekommen sei. «Eine Kampagne wie bei der Unternehmenssteuerreform III wird es mit der FDP nicht mehr geben», schlussfolgerte Gössi. In Zukunft sehe sie keinen anderen Weg, als dass in Abstimmungskampagnen die Parteien wieder die Führung übernehmen müssten. In der «Schweiz am Sonntag» griff auch Ulrich Giezendanner (svp, AG) die Führung von Economiesuisse an. Er beanstandete, dass der Wirtschaftsverband im Parlament an Bedeutung verliere und dessen Präsident Heinz Karrer und die Direktorin Monika Rühl öffentlich zu wenig präsent seien, um das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen zu können. Giezendanner forderte die Absetzung der Economiesuisse-Führung, musste sich aber im Gegenzug den Vorwurf gefallen lassen, dass er sich als SVP-Politiker eine europapolitisch kritischere Verbandsspitze wünsche und ihm ein Wechsel im Führungsstab in dieser Hinsicht gelegen käme. Giezendanner forderte jedoch auch, dass die Kampagnenführung vom Dachverband getrennt werden solle – eine Idee, die der ehemalige Direktor von Avenir Suisse, Gerhard Schwarz, nach der USR-III-Abstimmung in der NZZ aufgeworfen hatte. Bis im Jahr 2000 habe es neben Economiesuisse, dem Arbeitgeberverband und dem SGV noch die «Wirtschaftsförderung» als Kampagnenorganisation der Wirtschaftsverbände gegeben. Würden das Lobbying und die Kampagnenführung eines Wirtschaftsverbandes nicht getrennt, könnten sie sich gegenseitig beschädigen, so Schwarz, weil Lobbying persönliche Kontakte und grosse Detailgenauigkeit in politischen Geschäften erfordere, die Kampagne hingegen Massenkommunikation sei und meist Vereinfachungen verlange. In der «Nordwestschweiz» verwies der Mediensprecher von Economiesuisse darauf, dass man im Verband eine Aufteilung von Lobbying und Kampagnenführung nach der verlorenen Abzocker-Initiative ernsthaft geprüft habe und damals zum Schluss gekommen sei, die beiden Bereiche nur intern zu trennen. Bei der Analyse der USR III werde dies aber erneut Thema sein. Monika Rühl und Heinz Karrer verwiesen nach der Abstimmung darauf, dass man die Kampagne noch sorgfältig analysieren müsse. Sicher wolle man bei zukünftigen Kampagnen vermehrt die persönliche Betroffenheit bei den Stimmbürgern aufzeigen, so wie dies den Gegnern der USR III gelungen sei, so Rühl in der Luzerner Zeitung. Aber auch das Economiesuisse-Projekt «Wirtschaft und Gesellschaft», mit welchem Economiesuisse seit zwei Jahren versucht, den Dialog zur Bevölkerung herzustellen, müsse fortgeführt werden. Heinz Karrer gab in der Basler Zeitung zu bedenken, dass Auftritte von Persönlichkeiten wie alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und der ehemalige Solothurner FDP-Regierungsrat Christian Wanner ebenfalls das Abstimmungsresultat beeinflusst haben dürften und die Niederlage nicht alleine auf Fehler in der Kampagnenführung zurückzuführen sei. Ein Rücktritt seinerseits sei derzeit kein Thema.

Wirtschaftsverbände USR III

Die Frage, wie die Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“ der SVP umgesetzt werden sollte, liess die drei grossen Wirtschaftsverbände auch im Jahr 2016 gespalten. Bevor das Geschäft in den Nationalrat kam, liess der Gewerbeverband (SGV) verlauten, dass er Kontingente und Höchstzahlen ablehne und sich stattdessen für einen „niederschwelligen“ Inländervorrang einsetze. Das Bekenntnis des Gewerbeverbands zu einer sanften Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative war für die Medien eine Überraschung, da der Verband zuletzt durch seine Nähe zur SVP aufgefallen war. Verbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler sagte diesbezüglich in einem Interview mit dem Tagesanzeiger, dass es intern „keine grosse Opposition“ gegen diese Position gegeben habe und sich auch SVP-Vertreter dafür ausgesprochen hätten. Economiesuisse und der Arbeitgeberverband (SAV) hingegen sprachen sich vor der Nationalratsdebatte für eine strengere Umsetzung der Volksinitiatve aus. Zwar befürworteten auch sie in einer ersten Phase eine milde Umsetzung. Sollte sich diese aber als wirkungslos herausstellen, sollte der Bundesrat in einer zweiten Phase die Möglichkeit haben, strengere Massnahmen zu ergreifen, notfalls auch ohne Einwilligung der EU. Economiesuisse schwenkte jedoch um, nachdem sich der Nationalrat Mitte September für einen „Inländervorrang light“ ausgesprochen hatte, der mit den Bilateralen Verträgen kompatibel war. Man sei „erfreut“ über den Entscheid des Nationalrats, hiess es in einer Medienmitteilung des Verbands. Der Arbeitgeberverband hingegen pochte weiterhin darauf, dass die Schweiz auch ohne Zustimmung der EU Abhilfemassnahmen einführen können solle – jedoch erfolglos, wie die endgültige Ausarbeitung des Gesetzes im Dezember zeigte.
Kritik musste in der Folge vor allem Economiesuisse einstecken, deren Verbandsspitze um Präsident Heinz Karrer und Direktorin Monika Rühl Führungsschwäche vorgeworfen wurde. Anstatt bei einem Europa-Geschäft – einem Kerndossier von Economiesuisse – eine Führungsrolle einzunehmen, habe man sich hinter dem Arbeitgeberverband versteckt, resümierte etwa die NZZ.

Umsetzungsvorschläge der Wirtschaftsverbände zur Masseneinwanderungsinitiative (2016)
Dossier: Masseneinwanderungsinitiative

Heinz Karrer, Präsident von Economiesuisse, verlor 2016 sein gewichtigstes Verwaltungsratsmandat. Der bis dato schweizerische Reisekonzern Kuoni, dessen Verwaltungsratspräsident Karrer seit 2014 war, wurde im Mai an die schwedische Beteiligungsgesellschaft EQT verkauft, wodurch sämtliche Verwaltungsräte von Kuoni ihre Posten räumen mussten. Nach dem Rücktritt bei Kuoni hatte Karrer zwar noch drei Verwaltungsratsmandate inne, jedoch war er nirgends mehr Präsident. Damit erfüllte er eine vage formulierte Vorgabe in den Verbandsstatuten von Economiesuisse nicht mehr, wonach der Verbandspräsident „in der Regel“ ein Verwaltungsratspräsidium ausüben sollte.

Präsident von Economiesuisse ohne Verwaltungsratspräsidium

Die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative (MEI) führte zum Streit zwischen den beiden grössten Wirtschaftsverbänden Economiesuisse und dem Gewerbeverband (SGV). Gleich zu Beginn des Jahres knallte es zwischen den beiden, nachdem sich der Arbeitgeberverband und die Wirtschaftsverbände Economiesuisse, Swissmem und Scienceindustries in einem „Vorschlag der Wirtschaft“ zur Umsetzung der MEI anstatt für Kontingente für eine Schutzklausel stark machten. In ihren Augen soll die Zuwanderung grundsätzlich offengelassen und erst nach dem Erreichen einer gewissen Schwelle, die vom Bundesrat definiert werden soll, beschränkt werden. Noch gleichentags verschickte der SGV eine Medienmitteilung mit dem Titel „Keine Wirtschaft ohne Schweizer KMU und Gewerbe“. Der SGV zeigte sich darin verärgert, dass die vier Verbände ihren Vorschlag als generelle Position der Wirtschaft bezeichneten und deutete dies als eine „Irreführung der öffentlichen Meinung“. Denn der SGV, dessen KMU zwei Drittel aller Arbeitsplätze stellten und der damit die „Nummer 1“ unter den Wirtschaftsverbänden sei, unterstütze die Schutzklausel nicht, hiess es im Communiqué. Obwohl der SGV mit Economiesuisse einigging, dass die Kündigung der Bilateralen „schwerwiegende negative Folgen“ für die KMU hätte, glaubte der Verband nicht daran, dass die vier Verbände die Wirtschaft freiwillig beschränken würden. Der SGV befürchtete, dass mit einer Schutzklausel die Einwanderungsschwelle zu hoch angesetzt würde, was dem Volkswillen nicht gerecht werde und auch nicht im Interesse der KMU sei. Man wolle deshalb die Botschaft des Bundesrats abwarten und bis dahin dessen Verhandlungsposition nicht durch eine „wenig durchdachte Serie theoretischer Vorschläge“ unnötig schwächen. An einem Treffen der Wirtschaftsdachverbände Mitte Februar in Lausanne – die Stimmung wurde von einem Teilnehmer als unheimlich bezeichnet – konnten sich die beiden Verbände neben der Migrationsthematik auch bei der Rentenreform und beim neuen RTVG, gegen das der SGV das Referendum ergriffen hatte, nicht einigen. Obwohl die Medien den Schlagabtausch dankbar annahmen, wurde auch etwas wehmütig den Zeiten gedacht, als die vormaligen FDP-Nationalräte Gerold Bührer (Economiesuisse) und Edi Engelberger (SGV) die beiden Wirtschaftsverbände führten und ihre Differenzen jeweils beim Jassen klärten.

Ebenfalls zu Beginn des Jahres veröffentlichte der SGV im Hinblick auf die Parlamentswahlen im Herbst ein Rating, das die derzeitigen National- und Ständeräte betreffend ihrer KMU-Freundlichkeit bewertete. Zum Ärger der Mitte-Rechts-Parteien trat die SVP dabei mit Abstand als KMU-freundlichste Partei hervor: Gemäss dem Rating gehören 40 der 50 KMU-freundlichsten Nationalräte der SVP an; im Ständerat belegen vier der fünf SVP-Ständeräte die ersten vier Plätze. Weil bekannte KMU-nahe Politiker aus CVP und FDP zum Teil weit abgeschlagen waren, kritisierten CVP-Präsident Christophe Darbellay und FDP-Präsident Philipp Müller das Rating heftig. Es würden zu viele Geschäfte bewertet und deren Gewichtung sei unverhältnismässig, so ihr Fazit. So würde die Haltung eines Parlamentariers zur MEI als ebenso wichtig beurteilt wie die Haltung zur Einheitskrankenkasse oder zur Autobahnvignette, obwohl die MEI für die Wirtschaft „hundertmal wichtiger“ sei, sagte etwa Darbellay. Für Müller und Darbellay fiel im Rating, das 169 KMU-relevante Parlamentsgeschäfte bewertete, die unterstützende Haltung der SVP-Politiker zur MEI und damit die potenzielle Gefährdung der Bilateralen Verträge mit der EU zu wenig ins Gewicht.

In den Medien wurde daraufhin einerseits die Emanzipation des SGV von der Economiesuisse in den Fokus genommen, andererseits die Nähe des SGV zur SVP untersucht. Die Emanzipation des SGV setzte 2013 ein, als Economiesuisse als Kampagnenführerin gegen die Abzocker-Initiative an der Urne eine herbe Niederlage einstecken musste. Aufgrund der dadurch verursachten Krise bei Economiesuisse, übernahm in der Folge der SGV die Kampagnenführung gegen die 1:12- und gegen die Mindestlohn-Initiative – beides Male erfolgreich. Dadurch gewann der SGV an Selbstbewusstsein, was auch SGV-Präsident Jean-François Rime gegenüber der Zeitung Le Temps bezeugte: Die Zeiten, als der SGV als Kofferträger der Economiesuisse fungierte, seien vorbei. Der Machtkampf wurde von den Medien allerdings relativiert, weil die gegenseitige Abhängigkeit der Verbände offensichtlich war. Denn obwohl Economiesuisse die Kampagnenführung bei den jüngsten Abstimmungen dem SGV überliess, finanzierte sie zu grossen Teilen die Kampagnen und trug dadurch wesentlich zu deren Erfolgen bei. Das mediale Fazit lautete: Für den SGV sind die Giftpfeile gegen Economiesuisse identitätsstiftend, im Grunde wissen aber beide, dass es ohne den Anderen nicht geht.

Die SVP-Nähe des Gewerbeverbands fand nicht erst mit dem umstrittenen KMU-Rating im Januar den Weg in die öffentliche Debatte: Mitte-rechts-Parteien monierten schon länger, der SGV stehe unter zunehmendem Einfluss der SVP. Erste Hinweise gab es 2010: Jahrelang war der SGV von einem FDP-Vertreter präsidiert worden, bis 2010 mit Bruno Zuppiger ein SVP-Nationalrat das Präsidium übernahm. Nach der politischen Affäre Zuppiger und dessen Rücktritt sowohl als Nationalrat als auch als SGV-Präsident konnte mit Jean-François Rime das Spitzenamt in SVP-Hand behalten werden. Es war aber insbesondere die MEI, die Nährboden für Zweifel an der Unabhängigkeit des SGV von der SVP bot. Zwar sprach sich der SGV an der Seite der restlichen Wirtschaftsverbände im Vorfeld der Abstimmung klar gegen die Initiative aus, allerdings büsste der Verband an Glaubwürdigkeit ein, weil Rime Mitglied des Initiativkomitees der MEI war. Auch dass der SGV bei der Umsetzung der MEI den Alleingang antrat und nicht eine gemeinsame Position mit den anderen Wirtschaftsverbänden vertrat, wurde auf die SVP-Nähe des Verbands zurückgeführt. Direktor Hans-Ulrich Bigler, der selber im Herbst des gleichen Jahres für die FDP in den Nationalrat gewählt wurde, widersprach dieser Auslegung. Der Vorstand und die Gewerbekammer – das Parlament des SGV – seien beide parteipolitisch breit abgestützt und ausgewogen mit Vertretern aller wichtigen bürgerlichen Parteien besetzt, sagte er gegenüber der Sonntagszeitung.

Streit zwischen Economiesuisse und dem Gewerbeverband über die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative
Dossier: Masseneinwanderungsinitiative

Mitte Februar präsentierte der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse eine Nachfolgerin für seinen im letzten Sommer zurückgetretenen Direktor Pascal Gentinetta. Mit Monika Rühl übernimmt eine Bundesbeamtin das Zepter: Zuletzt diente sie als Generalsekretärin des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF), davor hatte sie den Bereich bilaterale Wirtschaftsbeziehungen im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) geleitet. Diese engen Verbindungen zur Verwaltung wurden vom Vorstand der Economiesuisse hervorgehoben: Eine gute Vernetzung und profunde Kenntnis der parlamentarischen Prozesse seien für den Verband besonders wichtig. Man wolle zudem nach den abstimmungspolitischen Niederlagen bei der Abzocker- und der Masseneinwanderungsinitiative wieder bodenständiger werden. Rühl sei mit ihrer bescheidenen, aber bestimmten Art die richtige Führungsperson hierzu. Rühl ist die erste Frau in der Geschichte des Verbands, welche die Direktion übernimmt. Der 69-köpfige Vorstand der Economiesuisse wies zum Zeitpunkt ihrer Wahl nur drei weibliche Mitglieder auf.

Economiesuisse Nachfolgerin Direktor

Die Economiesuisse stellte ihre Kräfte 2014 ganz in den Dienst der Beziehungen mit der EU. Nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative und der damit de facto Infragestellung der bilateralen Verträge setzten sich sowohl Präsident Heinz Karrer als auch die neue Direktorin Monika Rühl an verschiedenen Fronten für eine Fortführung derselben ein. Der wirtschaftliche Austausch mit dem grössten Nachbarn der Schweiz sei essenziell für den Wohlstand des Landes. Mit der Ablehnung der Ecopop-Initiative konnte der Dachverband dann auch einen ersten Erfolg in dieser Thematik verbuchen.

Beziehungen mit der EU

2013 war für den Wirtschaftsdachverband Economiesuisse ein Jahr enormer Turbulenzen: Trotz einer massiven Gegenkampagne zur Abzocker-Initiative – die Economiesuisse hatte CHF 8 Mio. investiert – stimmte das Volk im Frühling der Vorlage mit 68% Ja-Anteil zu. Bereits im Vorfeld der Abstimmung hatten sich die Negativschlagzeilen über das Verhalten des Verbands gehäuft: So war bekannt geworden, dass eine von Economiesuisse angestellte PR-Agentur Studierende dafür bezahlt hatte, unter falschen Namen Online-Kommentare gegen die Initiative von Thomas Minder (parteilos, SH) zu verfassen. Präsident Rudolf Wehrli beteuerte, dass dies ohne Wissen von Economiesuisse geschehen sei. Dennoch war die öffentliche Debatte ab diesem Zeitpunkt klar von Kritik an der Organisation geprägt, welche durch das Abstimmungsresultat noch zusätzlich befeuert wurde. Der Verbandsspitze wurde vorgeworfen, sie hätte sich arrogant verhalten und die Verbindung zur Schweizer Bevölkerung verloren. In den Medien wurde versucht, die Gründe für das Scheitern und den Imageverlust des einst so renommierten Wirtschaftsvertreters zu eruieren. Man konstatierte dabei ein grundsätzliches Malaise, welches sich durch die Globalisierung ergeben habe: Die Wirtschaft entferne sich zunehmend von der Politik und konzentriere sich auf die weltweite Lage, während politische Diskussionen weiterhin hauptsächlich auf nationaler Ebene geführt würden. Für einen Dachverband wie Economiesuisse werde es dabei immer schwieriger, verschiedene Akteure auf eine gemeinsame Position zu bringen: Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) hätten oft andere Interessen als Grosskonzerne, die Finanzbranche strebe andere Ziele an als der Werkplatz usw. Auch Economiesuisse selbst wurde sich ihrer misslichen Lage zunehmend bewusst. Die Direktion versprach im April eine fundierte Analyse der eigenen Strukturen und Verhaltensmuster mit anschliessender Neuausrichtung. Diese wurde im Sommer vollzogen: Am 19. Juni gaben sowohl Präsident Rudolf Wehrli als auch Direktor Pascal Gentinetta ihre Rücktritte bekannt. Für Gentinetta übernahm ad interim Rudolf Minsch das Amt, der bisherige Chefökonom des Verbands. Wehrli stellte an seinen Nachfolger die Kriterien, dass er ein höheres Arbeitspensum übernehme – Wehrli hatte nur zu 30% für die Economiesuisse gearbeitet – und dass er ein Wirtschaftsvertreter sein müsse, der auch in der Politik über ein ausgebautes Netzwerk verfüge. Dieses habe Wehrli während seiner einjährigen Tätigkeit als Präsident gefehlt. Im August konnte die Findungskommission des Verbands einen Kandidaten mit den verlangten Qualitäten präsentieren: Heinz Karrer, Direktor der Axpo, stellte sich für das Amt des Präsidenten zur Verfügung. Seine Kandidatur stiess auf durchwegs positives Echo: Der ehemalige Profi-Handballspieler hatte bereits in diversen Wirtschaftssektoren Erfahrungen gesammelt; nebst seiner aktuellen Anstellung im Energiebereich etwa bei der Swisscom oder in der Medienbranche bei Ringier. Auch politische Kenntnisse konnte Karrer aufweisen: In den 80er Jahren hatte er den Verband der Schweizer Sportartikel-Industrie geleitet. Sein Umfeld beschrieb ihn als bodenständig, konziliant und kommunikativ. Kurz vor seinem Amtsantritt erläuterte Karrer in einem Interview mit der NZZ, wie er seine künftige Rolle bei der Economiesuisse definiere: Er werde nicht nur die Schnittstelle zwischen Verband und Medien sein, sondern auch den Geschäftsführer mit Rat und Ideen unterstützen. Des Weiteren wolle er den Kontakt zu Politik und Verbandsmitgliedern pflegen, die innere Geschlossenheit erhöhen und die Organisation wieder vermehrt als Expertin für Wirtschaftsfragen positionieren. Auch auf strategischer Ebene reformierte sich die Economiesuisse: Vizepräsident Hans Hess stellte in der Wochenzeitung „Der Sonntag“ drei Kernthemen vor, auf welche sich der Dachverband in Zukunft konzentrieren werde: Aussenwirtschaft – mit einem Schwerpunkt auf die Beziehungen zur EU –, wirtschaftspolitisch günstige Rahmenbedingungen für Unternehmen sowie Energiepolitik. Um eine Verzettelung in verschiedenste Debatten zu vermeiden, soll die Verteidigung spezifischer Interessen fortan an die jeweiligen Branchenvertretungen delegiert werden. Nicht neu eingesetzt werden konnte bis Ende Jahr ein permanenter Direktor für den Verband: Jean-Marc Hensch, ein PR-Berater, welcher vom Vorstandsausschuss bereits zur Wahl vorgeschlagen worden war, musste im Dezember seine Kandidatur wegen eines Herz-Kreislauf-Leidens zurückziehen. Minsch verlängerte daher seine Position als ad-interims-Direktor bis auf Weiteres.

Economiesuisse

Für grosse Medienaufmerksamkeit sorgten im März die Austrittsdrohung des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH) aus der Economiesuisse und die damit einhergehenden Beanstandungen, welche eines der wichtigsten Mitglieder, Swatch-Group-Chef Nick Hayek am Dachverband äusserte. Sowohl in der Debatte um den starken Franken von 2011 wie auch bei der Kampagne gegen den Atomausstieg und bei der Swissness-Diskussion habe sich die Economiesuisse ungeschickt positioniert. Tatsächlich war dieser letzte Punkt wohl der Hauptgrund für den angedrohten Austritt: Der FH war unzufrieden mit der Festlegung des Ständerats im vergangenen Winter, dass Produkte mit dem Label „Swiss-Made“ nur zu 50% wirklich aus der Schweiz stammen müssten. Der Verband hatte für eine Sonderlösung plädiert, die zumindest bei Uhren eine höhere Schwelle von 60% angesetzt hätte. Als sich das Parlament nach längerem Hin und Her im Sommer doch noch für eine generelle Untergrenze von 60% aussprach, war es allein eine Frage der Zeit, bis der FH seine Drohung zurückziehen würde: Nach der gewonnenen 1:12-Abstimmung und der personellen Reorganisation der Economiesuisse erfolgte dieser Schritt im November.

Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH)

CSS und Helsana, die grösste und drittgrösste Krankenkasse der Schweiz, gaben im April ihren Austritt aus dem Dachverband Santésuisse bekannt. Zusammen mit Sanitas, welche Santésuisse schon 2011 verlassen hatte, begründeten sie eine neue Branchenvertretung namens Curafutura. Auch die Krankenkasse KPT schloss sich ihnen zwei Monate später an. Zum Präsidenten wurde der Tessiner Arzt und Nationalrat Ignazio Cassis (fdp) bestimmt: Er erläuterte, dass Curafutura sich für ein liberales Gesundheitssystem und innovative Versorgungsmodelle einsetzen wolle. Konkret sollen etwa die Rückerstattung zu viel gezahlter Prämien vorangetrieben und ein verfeinerter Risikoausgleich erwirkt werden. Dass man mit einem derart radikalen Schritt die Zusammenarbeit innerhalb von Santésuisse beendet hatte, wurde mit einer wachsenden Heterogenität der Mitgliederinteressen in den letzten Jahren begründet: Es sei immer schwieriger geworden, sowohl kleine als auch grosse Krankenkassen hinter einem gemeinsamen Ziel zu vereinen, was immer öfter zu Blockaden in der Branche geführt habe. Auch Differenzen mit der inzwischen zweitgrössten Krankenkasse, der westschweizerischen Groupe Mutuel, waren wohl verantwortlich gewesen für die Abspaltung von Santésuisse; darauf deutete zumindest der gleichzeitige Austritt von Sanitas und Helsana aus der Allianz Schweizer Krankenkassen (ASK) hin, welche sie zusammen mit der Groupe Mutuel 2011 gegründet hatten. Die NZZ kommentierte, dass die Groupe Mutuel etwa während der parlamentarischen Debatte zum Risikoausgleich gegen eine Verfeinerung und damit gegen die offizielle Verbandshaltung lobbyiert habe. Obwohl Santésuisse mit dem Abgang vier seiner wichtigsten Mitglieder über CHF 4,25 Mio. Beiträge entgehen, blieb der Verband der grösste seiner Art: Im September 2013 betreuten die ihm zugehörigen Krankenkassen 50% aller Versicherten in der Schweiz, während bei den Angehörigen Curafuturas 42% verpflichtet waren. Von Aussenstehenden wurde die Aufspaltung der Krankenversicherungsszene als kontraproduktiver Machtstreit kritisiert, welcher überdies in einer für die Kassen sehr heiklen Phase ausgebrochen sei: Durch die linke Volksinitiative zur Einheitskasse, welche wohl in den nächsten zwei Jahren zur Abstimmung kommen wird, seien die privaten Versicherungsorganisationen in ihrer grundsätzlichen Existenz bedroht. Anstatt sich als „zerstrittenen Haufen“ zu präsentieren, sollten sie zusammenstehen und das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen versuchen.

Curafutura

Mitte März wurde eine neue wirtschaftsfreundliche Plattform ins Leben gerufen: „Succèsuisse“ soll sich laut deren Gründer, Nationalrat Ruedi Noser (fdp, ZH), für die Verteidigung des schweizerischen Erfolgsmodells einsetzen. Dieses werde zurzeit durch verschiedenste Volksbegehren infrage gestellt; als Beispiele nannte Noser die linke 1:12- und die Mindestlohn-Initiative sowie die immigrationskritischen Anliegen Ecopop und die Initiative gegen Masseneinwanderung. Es stünden bereits 200 bis 500 Unternehmen hinter Succèsuisse, man wolle sich künftig mit Economiesuisse und dem Gewerbeverband koordinieren.

Succèsuisse

Economiesuisse-Präsident Gerold Bührer (fdp, SH) kündigte im Sommer seinen Rücktritt von der Spitze des Wirtschaftsdachverbandes an. Als Nachfolger präsentierte der Vorstand Rudolf Wehrli, Präsident des Chemiekonzerns Clariant und ehemaliger Präsident des Pharma- und Chemiebranchenverbandes SGCI (heute Scienceindustries). Wehrli war der breiteren Öffentlichkeit bisher kaum bekannt. Er sei aber in der Wirtschaft stark vernetzt und gelte als ruhiger Stratege und Analytiker mit integrierender Persönlichkeit. Die Generalversammlung bestätigte ihn am 31. August. Die Medien kommentierten, dass auf Wehrli schwierige Zeiten zukommen würden: Wegen der Finanzkrise und Bonusexzessen auf gewissen Chefetagen habe der Dachverband in der Bevölkerung an Glaubwürdigkeit verloren. Ausserdem stünden schwierige Dossiers an: Die Zukunft der Personenfreizügigkeit zwischen Schweiz und Europäischer Union sowie wichtige Volksinitiativen wie die Abzocker-Initiative, die Mindestlohn-Initiative und die 1:12-Initiative der Jungsozialisten.

Economiesuisse

Economiesuisse setzte sich im April des Berichtsjahres für das Bundesgesetz über Prävention und Gesundheitsförderung ein, obwohl Vertreter der Wirtschaft gespalten waren. Das Gesetz wurde im Berichtsjahr vom Nationalrat abweichend zur Vorlage des Bundesrates überwiesen. Der Ständerat beschloss hingegen Nichteintreten. Erstmals meldete sich der Wirtschaftsdachverband auch zu gesundheitspolitischen Fragen und verlangte in diesem Bereich weniger Staat zugunsten von mehr Markt. Economiesuisse fordert die Aufhebung des Vertragszwangs in der Grundversicherung und lehnt eine Einheitskrankenkasse entschieden ab. Im April 2011 startete Economiesuisse zudem eine millionenschwere Kampagne für AKWs und Gaskombikraftwerke. Der Verband geht davon aus, dass bis 2020 in jedem Fall neue Grosskraftwerke gebaut werden müssen. Um die Versorgung sicherzustellen, soll so lange an Kernenergie festgehalten werden, bis entsprechende Alternativen vorhanden sind.

Economiesuisse

Der Verband der Chemie- und Pharmaindustrie SGCI änderte seinen Namen in Scienceindustries und will aus dem Schatten von Economiesuisse hinaustreten. Scienceindustries vertritt über 250 Firmen, darunter Novartis, Roche und Syngenta. Der Verband ist gegen einen überstürzten Ausstieg aus der Kernenergie. Als besonders wichtig wird das Energieabkommen der Schweiz mit der EU betrachtet, da dieses ein gesamtheitliches und koordiniertes Vorgehen vorsehe, was unterstützenswert sei. Die Personenfreizügigkeit wird von Scienceindustries als lebenswichtig für die eigenen Mitglieder und die Industrie betrachtet.

Der Verband der Chemie- und Pharmaindustrie SGCI Scienceindustries

An seiner Jahresmedienkonferenz im März wies der Wirtschafsdachverband Economiesuisse, der im Berichtsjahr sein Zehn-Jahr-Jubiläum feierte, auf den zunehmenden Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Wirtschaft und die Politik hin. Damit sei auch die massive Ablehnung der BVG-Umwandlungssatzvorlage zu erklären, für die sich Economiesuisse stark eingesetzt hatte. Die gefühlte Krise verhindere Unternehmertum und die Unternehmen müssten mittels Transparenz wieder mehr Vertrauen schaffen. Deshalb machte sich der Verband 2010 für einen indirekten Gegenvorschlag zur Abzocker-Initiative stark, nachdem er einen solchen im Vorjahr noch abgelehnt hatte. Vizepräsident Johann Schneider-Ammann bekannte, dass man vor dieser Initiative aufgrund des momentan herrschenden Misstrauens Respekt habe. Der im Herbst zum Bundesrat gewählte Schneider-Ammann äusserte sich auch besorgt zur Entwicklung des Euro-Kurses. Aufgrund der europäischen Schuldenkrise würde der Franken stärker, was die Exportwirtschaft belaste. Die Schmerzgrenze liege bei einem Wechselkurs von 1.50 Fr. Das Nein zur Steuergerechtigkeitsinitiative, gegen die die Economiesuisse stark angekämpft hatte, wurde auch den eigenen Bemühungen zugeschrieben.

Economiesuisse, der im Berichtsjahr sein Zehn-Jahr-Jubiläum feierte, Euro-Kurses

Die Economiesuisse führte bei ihren Mitgliedern im Berichtsjahr eine breit angelegte Umfrage zur Volksschule durch. Da mit HarmoS die Volksschulbildung zusehends im nationalen Rahmen diskutiert werde, wolle sich auch Economiesuisse stärker in die Debatte einbringen. Die Umfrage zeigte, dass die Firmen mit dem Niveau der Schulabgängerinnen und Schulabgänger mehrheitlich unzufrieden sind. Der Verband forderte, dass sich die Volksschule stärker auf die Vermittlung der Kernfächer konzentrieren soll.

Volksschule

Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse setzte sich in der Volksabstimmung vom 8. Februar erfolgreich für die Weiterführung der Personenfreizügigkeit mit der EU und ihrer Ausdehnung auf die neuen Mitgliedsstaaten Bulgarien und Rumänien ein. In der Innenpolitik warnte er davor, die Wirtschaftskrise mit massiven staatlichen Konjunkturförderungsprogrammen zu bekämpfen und damit die Staatsverschuldung in die Höhe zu treiben.

Economiesuisse

Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse zeigte sich erleichtert, dass die von der Linken bekämpfte Unternehmenssteuerreform in der Volksabstimmung angenommen worden war. Er gab sich damit aber nicht zufrieden, sondern kündigte an, dass gerade angesichts der immer schärfer werdenden internationalen Konkurrenz weitere Senkungen der Unternehmensgewinnsteuern und die Abschaffung der Emissionsabgaben auf Eigen- und Fremdkapital im Zentrum seiner Bemühungen stehen werden. Die Finanzmarktkrise und die Diskussion um die Frage, ob nicht auch die von den hohen Gewinnbeteiligungen für Manager ausgehenden Anreize daran Schuld trügen, führten zu unterschiedlichen Positionen bei den Unternehmerverbänden. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes, Rudolf Stämpfli, warf der Finanzbranche vor, mit ihrer an kurzfristiger Gewinnmaximierung orientierten Politik viel Goodwill für die Wirtschaft zerstört zu haben. Der Schweizerische Arbeitgeberverband feierte im Berichtsjahr sein 100-jähriges Bestehen.

Economiesuisse

Nach neun Jahren Amtszeit trat der Direktor (Geschäftsführer) des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse, Rudolf Ramsauer, von seinem Posten zurück. Als Nachfolger wählte der Vorstand den 36jährigen Genfer Pascal Gentinetta, der bereits seit 1999 bei Economiesuisse tätig war.

Economiesuisse Pascal Gentinetta

Der Konflikt, der im Vorjahr zwischen Economiesuisse und seinen Mitgliederorganisationen Swissmem und Baumeisterverband offen ausgebrochen war, konnte im Berichtsjahr beigelegt werden. Die durchgeführten Sparübungen bei Economiesuisse und auch die verstärkte Berücksichtigung der Anliegen der Industrie hatten zur Beruhigung beigetragen und Swissmem veranlasst, die im Vorjahr angedrohte Kündigung der Mitgliedschaft definitiv zurück zu ziehen.

Austritt aus dem Dachverband