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  • Lega dei Ticinesi (Lega)
  • Bignasca, Attilio (TI, lega)

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Unter der Führung des Bruders des verstorbenen Giuliano Bignasca, Attilio Bignasca, versuchte die Lega an ihre Wurzeln anzuknüpfen. Anfang der 1990er Jahre fuhren Legisthi aus Protest gegen das damals verhängte sommerliche Tempolimit im Schneckentempo auf der Autobahn von Airolo nach Chiasso. Diese „Karawane der Freiheit“ sollte am 26. Juli des Berichtjahrs von Attilio Bignasca erneut in Gang gesetzt werden. Diesmal wollte die Lega gegen die geplante Erhöhung der Gebühren für die Autobahnvignette auf CHF 100 die „Gerichtsvollzieher aus Bern“ aufscheuchen. Die Aktion wurde allerdings ein Flop, weil sich lediglich 20 Autos in die Karawane einreihten.

Karawane der Freiheit

In Lugano fanden Mitte April die Kommunalwahlen statt. Für den 60-köpfigen Consiglio Comunale, das Stadtparlament, traten auf acht Listen 283 Kandidierende an. Die FDP, mit bisher 20 Sitzen stärkste Partei in der kommunalen Legislative, trat mit einer vollen Liste, also mit 60 Kandidierenden an. Auch die CVP schickte 60 Personen ins Rennen. Zusammen mit der Generazioni Giovani wollten die Christdemokraten ihre 11 bisherigen Sitze verteidigen. Bis auf einen Platz die ganze Liste füllte die SP. Mit den 59 Kandidierenden sollten mindestens die 10 Sitze gehalten werden. Gespannt war man auf das Abschneiden der Lega, die bei den kantonalen und nationalen Wahlen 2011 Grosserfolge feiern konnte. Die Lega trat mit 35 Kandidierenden an, darunter auch Attilio Bignasca, der ehemalige Nationalrat und Bruder des Lega-Chefs. Die Leghisti wollten ihre bisher 14 Sitze vermehren. Die SVP, die in der Südschweiz auch aufgrund der Konkurrenz durch die Lega nicht die Bedeutung erlangt hat, die ihr andernorts zukommt, trat mit 25 Kandidierenden an. Diese sollten den Bestand von bisher drei Sitzen ausbauen. Bisher mit zwei Sitzen vertreten waren die Grünen. Sie traten mit einer Liste mit 31 Kandidierenden an. Neben den sechs arrivierten Parteien gingen zwei weitere Listen an den Start. Die GLP trat erstmals in Lugano mit drei Kandidierenden und die „Area Liberale“ mit zehn Personen an. Im Gegensatz zu 2008 trat der Partito Comunista nicht mehr an. Wie bereits zuvor bei den kantonalen Wahlen konnte die Lega auch in Lugano einen Erfolg feiern. Nur ganz knapp konnte sich die FDP (30,3%; 2008: 32,4%) noch als stärkste Partei vor den Leghisti halten, die um 6,7 Prozentpunkte auf 30,0% zulegten und neu mit 18 Sitzen im Rat vertreten waren. Die FDP musste zwar einen Sitzverlust hinnehmen, blieb aber mit 19 Mandaten auch in punkto Sitzen, wenn auch knapp, stärkste Partei in Lugano. Die Sitzgewinne der Lega gingen nicht nur auf Kosten der FDP, sondern auch zu Ungunsten der CVP, die zwei Sitze einbüsste und noch 15,3% der Wählerschaft hinter sich scharen konnte (2008: 17,5%), die sie neu mit neun Mandaten und auch auf Kosten der SVP vertrat, welche nur noch über zwei Sitze verfügte (3,1%; 2008: 5,3%). Bei der Ratslinken kam es zu einem Sitzabtausch zwischen der SP und den Grünen. Die SP, neu mit neun Mandaten und 14,4% Wähleranteil (2008: 16,1%) musste einen Sitz an die GP abtreten, die damit neu drei Mandate inne hatte und mit einem Wählerzuwachs von 1,3 Prozentpunkten (neu: 5,2%) die Rolle der schwächsten Partei an die SVP abgab. Keine Chance auf einen Sitzgewinn hatten die GLP (0,7%) und die Area Liberale (1,1%). Im Gegensatz zu den mehrheitlich rot-grün dominierten Deutschschweizer Städten blieb Lugano damit deutlich in rechts-bürgerlicher Hand. Als ein Grund für das Erstarken der Lega wurde in der Presse die Fusion Luganos mit seinen Nachbargemeinden genannt. In den neuen Aussenquartieren wohnten tendenziell soziale Benachteiligte, die sich von der Lega Verbesserungen ihrer Lebenssituation erhofften. Die Beteiligung lag mit 54,9% vier Prozentpunkte höher als noch vor fünf Jahren (50,9%).

Der Kampf zweier Politgrössen um das Stadtpräsidium der Exekutive war das prägende Element der Gesamterneuerungswahlen in Lugano. Giorgio Giudici (fdp), seit 30 Jahren Präsident der Stadt Lugano, wurde vom abtretenden kantonalen Regierungsrat Marco Borradori (lega) herausgefordert. Borradori war für „König Giorgio“, wie der amtierende Stadtpräsident in Lugano genannt wird, ein ernst zu nehmender Gegner, weil er als bescheiden auftretender, von den extremen Forderungen seiner eigenen Partei jeweils Abstand nehmender, im Tessin überaus beliebter Politiker galt. Für die im Proporz organisierten Wahlen für den Municipio trat die FDP, die bisher drei der sieben Sitze in der Exekutive inne hatte, auf einer Siebnerliste an, auf der neben Giudici auch die bisherige Giovanna Masoni Brenni kandidierte. Der Bisherige Erasmo Pelli stellte sich hingegen nicht mehr zur Wahl. Dafür komplettierten Roberto Badaracco, Luca Banfi, Michele Bertini, Chrubina Ravasi und Ferruccio Unternährer die FDP-Liste. Auch die bisher mit zwei Munizipalräten vertretene Lega schickte neben Borradori sechs weitere Kandidierende ins Rennen, darunter die beiden Bisherigen Lorenzo Quadri und Giuliano Bignasca, sowie Michele Foletti, Marusca Ortelli, Angelo Paparelli und Amanda Rückert. Auch die SP und die CVP wollten ihren jeweiligen Sitz mit sieben Personen verteidigen. Sowohl Paolo Beltraminelli (cvp) als auch Nicoletta Mariolini (sp) traten allerdings nicht mehr an, so dass die beiden Parteien eine Liste mit sieben neuen Persönlichkeiten aufstellten. Bei der CVP waren dies Sara Beretta-Piccoli, Angelo Bernasconi, Francesca Bordoni Brooks, Franco Denti, Angelo Jelmini, Michele Malfanti und Simonetta Perucchi Borsa. Die Sozialdemokraten schickten Antonio Bassi, Raoul Ghisletta, Marco Jermini, Sergej Roic, Cristina Zanini Barzaghi und Carlo Zoppi ins Rennen. Zudem figurierte Edoardo Cappelletti vom Partito Comunista auf der SP-Liste, weil die Kommunisten, anders als noch 2008, keine eigene Liste mehr aufstellten. Ursprünglich hatte auch die einstige SP-Bundesratskandidatin und ehemalige Tessiner Staatsrätin Patrizia Pesenti ihre Ambitionen angekündigt. Die Partei stehe allerdings nicht hinter ihr, liess Pesenti verlauten und zog deshalb ihre Kandidatur zurück. In der Presse wurde vermutet, dass parteiintern befürchtet wurde, dass das gute Verhältnis Pesentis mit Lega-Staatsrat und Kandidaten für den Municipio Marco Borradori im Falle einer sehr wahrscheinlichen Wahl beider Tessiner Polit-Persönlichkeiten dazu führen könnte, dass Pesenti die SP-Interessen in Lugano zu wenig deutlich vertreten würde. Auch die Lega hatte sich schon mit ähnlichen Befürchtungen – freilich mit umgekehrten Vorzeichen – in der Presse geäussert. Wenig Chancen auf einen Sitzgewinn wurden den drei weiteren Listen eingeräumt. Die SVP trat ebenfalls mit einer vollen Liste an, im Gegensatz zu den Wahlen vor fünf Jahren jedoch alleine und ohne die Unterstützung der Lega. Für die Unione Democratica di Centro stellten sich Alain Bühler, Tiziano Galeazzi, Federico Haas, Eros Nicola Mellini, Manuela Schlatter, Peter Walder und Yves Wellauer zur Verfügung. Die Area Liberale trat mit Paolo Pamini, Liliana Demarchi-Silvestro, Alberto Siccardi, Nicola Pagnamenta und Stelio Pesciallo an. Den Reigen der insgesamt 41 Kandidierenden schloss Romeo Künzle für die GLP. Neben dem Duell zwischen Giudici (fdp) und Borradori (lega) überschattete der Tod von Giuliano Bignasca (lega) die Luganer Kommunalwahlen. Das unerwartete Ableben des Lega-Präsidenten am 7. März des Berichtjahrs sorgte nicht nur für emotionale Wellen, sondern auch für eine polit-juristische Kontroverse. Die Wahlregeln sehen vor, dass jemand bei einem Todesfall von der Wahlliste gestrichen wird, allerdings nur bevor diese Listen definitiv sind. Weil Bignasca allerdings kurz nach der definitiven Festlegung der Listen starb, gab es keine Regel und die dafür zuständige Kantonsregierung befand, die endgültige Entscheidung müsse vom amtierenden Stadtpräsidenten, also von Giorgio Giudici, getroffen werden. Der Sindaco entschied sich dafür, Bignasca aus Pietätsgründen auf der Liste zu lassen, was vor allem von den Grünen heftig kritisiert wurde. Ein Rekurs wurde jedoch, weil zu kurz vor dem Wahltermin, nicht ergriffen. Die Wahlen vom 15. April brachten einen in der Höhe überraschenden Erfolg für die Lega, die insgesamt 35,5% der Wählerschaft hinter sich scharen konnte (2009, zusammen mit der SVP: 28,5%) und damit als stärkste Partei in der Stadtregierung Anspruch auf neu drei statt bisher zwei Sitze hatte. Nicht nur der Sitzgewinn, sondern auch der Umstand, dass die Sindaco-Wahl überraschend deutlich an Borradori ging – der zurücktretende Staatsrat erhielt mit 14'212 Stimmen fast 1'500 Stimmen mehr als der amtierende Giudici (12'725 Stimmen) – machten den Erfolg der Lega komplett. Kurios war die Wahl des verstorbenen Giuliano Bignascha, der hinter Borradori und Quadri (11'360 Stimmen) auf Platz drei noch 9'001 Stimmen erhielt. Für Bignasca rutschte der viertplatzierte Michele Foletti (8'875 Stimmen) nach. Entgegen der Hoffnung der Lega ging ihr Sitzgewinn aber nicht auf Kosten der SP, die mit 14,1%-Stimmenanteil (2009: 17,0%) neu Cristina Zanini Berzaghi (4'604 Stimmen) in den Stadtrat schickte, sondern auf Kosten der FDP. Die Freisinnigen konnten zwar ihren Wähleranteil im Vergleich zu 2008 (32,8%) leicht auf 33,2% steigern, was jedoch nur noch für zwei Sitze reichte. Diese wurden von Giorgio Giudici (12'725 Stimmen) und Giovanna Masoni Brenni (10 300 Stimmen) besetzt. Den siebten Sitz konnte die CVP mit 13,3% Wähleranteil und den 5 494 persönlichen Stimmen für Angelo Jelmini halten. Keine Chance hatten die SVP (2,1% Wähleranteil) sowie die GLP und die Area Liberale mit je 0,9%. Das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Borradori und Giudici war damit unerwartet deutlich zugunsten des Lega-Politikers ausgefallen. Weil keiner der Kandidaten das absolute Mehr erreichte, schien ein zweiter Wahlgang für das Sindaco-Amt nötig zu werden. Nach einiger Bedenkzeit verzichtete die FDP allerdings darauf, womit Borradori der neue Sindaco von Lugano wurde. Giudici übernahm vorerst das Vizepräsidium, kündigte dann aber bereits Ende August – nach 35 Jahren politischen Wirkens in der grössten Stadt im Kanton Tessin – seinen Rücktritt an. Er wurde von allen Parteien als wichtige Triebkraft für das Erstarken der Tessiner Metropole hin zu einem wichtigen Wirtschaftsstandort gewürdigt. Für ihn rückte Michele Bertini nach, der bei den Wahlen 9'225 persönliche Stimmen erzielt hatte. Zur neuen Vizepräsidentin wurde innerhalb der Exekutive Giovanna Masoni (fdp) bestimmt, obwohl bisher als ungeschriebenes Gesetz galt, dass der Stadtrat mit den zweitmeisten Stimmen – dies wäre Lorenzo Quadri gewesen – zum Vize-Sindaco bestimmt wird. FDP, CVP und SP wollten damit eine zu grosse Machtfülle der Lega verhindern.

Kommunalwahlen Lugano 2013
Dossier: Kommunale Wahlen 2013

Alles überschattendes Thema für die Lega war der überraschende Tod des Lega-Präsidenten Giuliano Bignasca am 7. März des Berichtjahrs. Der Präsident auf Lebenszeit und Bauunternehmer von Lugano, der zusammen mit Flavio Maspoli und Mauro Malandra die Lega im Januar 1991 gegründet hatte, verstarb 67-jährig in Folge von Kreislaufproblemen. Bignasca hatte ein Gespür für politische Unzufriedenheit. Die Aufteilung der Tessiner Pfründe zwischen CVP und FDP missfiel ihm und er begann, die Kritiker der Tessiner Polit-Spielregeln um sich zu sammeln. Die daraus entstandene Lega war in seinem Verständnis immer auch Vertreterin der kleinen Leute. Neben der deutlich rechts-konservativen Ausrichtung lassen sich deshalb auch sozialistische Einsprengsel im Parteiprogramm ausmachen, etwa die Forderungen nach einer 13. AHV-Rente oder nach einer kantonalen Einheitskrankenkasse. Die Partei feierte nach ihrer Gründung sehr rasch Erfolge. Bereits bei den Grossratswahlen 1991 zog sie mit 12,8% Wählerstimmen ins kantonale Parlament ein und bei den Nationalratswahlen im selben Jahr sicherte sich die Protestpartei gar mit fast einem Viertel (23,6%) der Wählerstimmen zwei Sitze. Bignasca selber sass 1995 sowie 1999 bis 2003 für die Lega in Bern. 2000 wurde er in die Stadtexekutive Luganos gewählt. Bignasca war Herausgeber der Kampfpostille der Lega, „Il Mattino della Domenica“, die jeden Sonntag gratis erscheint, und in der Gegner auf teilweise rüde und primitive Weise diffamiert werden. Dank dem rohen Politikstil, dem populistischen Auftreten Bignascas, aber auch dank der zunehmenden Zahl von Grenzgängern, die aus Italien im Tessin Arbeit suchen und zumindest teilweise auch dank dem konzilianteren Auftreten von Lega-Exponenten – so etwa der als beliebteste Politiker des Tessins wahrgenommene Staatsrat Marco Borradori – konnte die Lega nach einer Phase der Stagnation in den 2000er Jahren ab 2011 wieder grosse Erfolge feiern: In den Nationalrat schickte man wieder zwei Vertreter, die Eroberung des Kantonsparlamentes als zweitstärkste Kraft und die Eroberung eines zweiten Regierungssitzes auf Kosten von CVP und SVP sind beredtes Zeugnis dafür. Der Erfolg zwingt die Lega allerdings auch zur Übernahme von politischer Verantwortung. Die Lega Bignascas geht und ging immer auch eine Gratwanderung zwischen Protest- und Oppositionspartei und etablierter Regierungs- und Konsenspartei. Die Frage stellte sich auch in der Presse, ob und wie stark Bignascas Tod in der Lega ein Machtvakuum entstehen lassen und wer die Funktion des „enfant terrible“ übernehmen würde. Die Bedeutung von Nano (Zwerg) – wie er im Tessin sowohl liebevoll als auch verachtend genannt wurde – zeigte sich nicht nur an seiner von mehreren Tausend Menschen besuchten Beisetzung, sondern auch im Umstand, dass der Name Bignascas nicht von der Kandidatenliste für die Kommunalwahlen in Lugano gelöscht wurde, und dass der Lega-Übervater gar mit über 10 000 Stimmen gewählt worden wäre. Dass das zweite und die eher konsensuale Seite vertretende Aushängeschild Marco Borradori aus der Kantonsregierung zurücktrat und im Berichtjahr zum Stadtpräsidenten von Lugano gewählt wurde, dürfte für die Partei erschwerend hinzukommen. Die im Tessin noch eher schwache SVP könnte das Machtvakuum nutzen und das nach wie vor vorhandene Protestpotential neu organisieren. Attilio Bignasca – der Bruder des Verstorbenen – versuchte im Berichtjahr mit verschiedenen Protestaktionen, den populistischen Stil der Partei zu bewahren (siehe unten).

Tod des Lega-Präsidenten Giuliano Bignasca