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  • Lega dei Ticinesi (Lega)
  • Maspoli, Flavio (TI, lega)

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Alles überschattendes Thema für die Lega war der überraschende Tod des Lega-Präsidenten Giuliano Bignasca am 7. März des Berichtjahrs. Der Präsident auf Lebenszeit und Bauunternehmer von Lugano, der zusammen mit Flavio Maspoli und Mauro Malandra die Lega im Januar 1991 gegründet hatte, verstarb 67-jährig in Folge von Kreislaufproblemen. Bignasca hatte ein Gespür für politische Unzufriedenheit. Die Aufteilung der Tessiner Pfründe zwischen CVP und FDP missfiel ihm und er begann, die Kritiker der Tessiner Polit-Spielregeln um sich zu sammeln. Die daraus entstandene Lega war in seinem Verständnis immer auch Vertreterin der kleinen Leute. Neben der deutlich rechts-konservativen Ausrichtung lassen sich deshalb auch sozialistische Einsprengsel im Parteiprogramm ausmachen, etwa die Forderungen nach einer 13. AHV-Rente oder nach einer kantonalen Einheitskrankenkasse. Die Partei feierte nach ihrer Gründung sehr rasch Erfolge. Bereits bei den Grossratswahlen 1991 zog sie mit 12,8% Wählerstimmen ins kantonale Parlament ein und bei den Nationalratswahlen im selben Jahr sicherte sich die Protestpartei gar mit fast einem Viertel (23,6%) der Wählerstimmen zwei Sitze. Bignasca selber sass 1995 sowie 1999 bis 2003 für die Lega in Bern. 2000 wurde er in die Stadtexekutive Luganos gewählt. Bignasca war Herausgeber der Kampfpostille der Lega, „Il Mattino della Domenica“, die jeden Sonntag gratis erscheint, und in der Gegner auf teilweise rüde und primitive Weise diffamiert werden. Dank dem rohen Politikstil, dem populistischen Auftreten Bignascas, aber auch dank der zunehmenden Zahl von Grenzgängern, die aus Italien im Tessin Arbeit suchen und zumindest teilweise auch dank dem konzilianteren Auftreten von Lega-Exponenten – so etwa der als beliebteste Politiker des Tessins wahrgenommene Staatsrat Marco Borradori – konnte die Lega nach einer Phase der Stagnation in den 2000er Jahren ab 2011 wieder grosse Erfolge feiern: In den Nationalrat schickte man wieder zwei Vertreter, die Eroberung des Kantonsparlamentes als zweitstärkste Kraft und die Eroberung eines zweiten Regierungssitzes auf Kosten von CVP und SVP sind beredtes Zeugnis dafür. Der Erfolg zwingt die Lega allerdings auch zur Übernahme von politischer Verantwortung. Die Lega Bignascas geht und ging immer auch eine Gratwanderung zwischen Protest- und Oppositionspartei und etablierter Regierungs- und Konsenspartei. Die Frage stellte sich auch in der Presse, ob und wie stark Bignascas Tod in der Lega ein Machtvakuum entstehen lassen und wer die Funktion des „enfant terrible“ übernehmen würde. Die Bedeutung von Nano (Zwerg) – wie er im Tessin sowohl liebevoll als auch verachtend genannt wurde – zeigte sich nicht nur an seiner von mehreren Tausend Menschen besuchten Beisetzung, sondern auch im Umstand, dass der Name Bignascas nicht von der Kandidatenliste für die Kommunalwahlen in Lugano gelöscht wurde, und dass der Lega-Übervater gar mit über 10 000 Stimmen gewählt worden wäre. Dass das zweite und die eher konsensuale Seite vertretende Aushängeschild Marco Borradori aus der Kantonsregierung zurücktrat und im Berichtjahr zum Stadtpräsidenten von Lugano gewählt wurde, dürfte für die Partei erschwerend hinzukommen. Die im Tessin noch eher schwache SVP könnte das Machtvakuum nutzen und das nach wie vor vorhandene Protestpotential neu organisieren. Attilio Bignasca – der Bruder des Verstorbenen – versuchte im Berichtjahr mit verschiedenen Protestaktionen, den populistischen Stil der Partei zu bewahren (siehe unten).

Tod des Lega-Präsidenten Giuliano Bignasca

Die geplante Durchführung einer Verkehrsblockade auf dem Damm in Melide – über diesen führen die Haupt- und Nationalstrasse sowie die Eisenbahnlinie als einzige Verkehrsverbindungen zwischen dem Luganese und dem Mendrisiotto –, an welcher neben der Absetzung von hohen Verantwortlichen des Tessiner Fernsehens auch der Rücktritt der Kantonsregierung, der Verzicht auf die Erhöhung des Treibstoffzolls, eine strikte Handhabung des Bankgeheimnisses sowie der Verzicht auf den EWR-Beitritt gefordert werden sollte, schlug fehl. Unter anderem trugen auch die Unstimmigkeiten zwischen den beiden Führerfiguren Bignasca und Maspoli zum Misserfolg bei. Auch dem Versuch der Gründung einer Deutschschweizer Lega, welche gemäss dem Zürcher Initiator Weidmann «Demokratische Liga» heissen sollte, war kein Erfolg beschieden.

Fehlschlag einer geplanten Verkehrsblockade der Lega und einer Gründung in der Deutschschweiz

Die Tessiner Grossratswahlen waren geprägt durch den Parlamentseinzug von zwölf Vertretern der "Lega dei Ticinesi". Bei der "Lega" handelt es sich um eine populistische Protestbewegung, welche mit verschiedensten aktuellen Themen und Forderungen ein Wahlkampf-Potpourri, das vom rechten bis zum linken Parteienspektrum reicht, aufzog. So gehörten das Begehren nach einer Senkung der Krankenkassenprämien, nach einer 13. AHV-Monatsrente oder nach unentgeltlichen öffentlichen Verkehrsmitteln genauso dazu wie der Ruf nach einer Aufhebung der Massnahmen gegen den Benzintourismus oder nach einer eigenständigeren Wirtschaft und mehr Unabhängigkeit des Tessins von Bern. Hervorgegangen ist die Bewegung aus der im März 1990 von Bauunternehmer Giuliano Bignasca gegründeten Gratis-Sonntagszeitung "Il Mattino della Domenica". Diese Zeitung diente darauf als Sprachrohr für den Aufbau der Bewegung, welche im Januar des Berichtsjahres als "Lega dei Ticinesi" gegründet wurde. Der Chefredaktor des "Mattino", Flavio Maspoli, kandidierte auch für den Staatsrat. Am meisten Wählerprozentanteile erreichte die neue Bewegung in Lugano und den umliegenden Vorortsgemeinden, wo sie die 20 Prozentmarke überschritt und zur zweitstärksten Partei avancierte. Der Einzug der "Lega" ging sowohl auf Kosten der bürgerlichen Parteien wie auch der Linken und der Kleinstgruppierungen: Die FDP verlor vier Mandate, die SP zwei und die CVP, die PSU sowie die äussere Linke (SAP und PdA) je eines. Bei den Grünen erhielt nur noch das eher konservative "Movimento dei Verdi ticinesi", eine Abspaltung des zur GP gehörenden "Movimento ecologico ticinese" (MET), einen Sitz. Verliererin war auch die Nachfolgeorganisation der Ökologisch-Freiheitlichen Partei (OFP) des früheren Nationalrats Oehen, die "Svelta ecopolitica" (SVEPO), welche keinen Sitz mehr erlangen konnte. Zu vermerken ist das erneute Zusammengehen der ehemaligen PSA mit Dario Robbianis "Comunità socialista ticinese" als Partito socialista unitario (PSU). Die Frauen, welche nur einen Sitz hinzugewinnen konnten, sind nach wie vor stark untervertreten (14,4%).

Grossratswahlen Tessin 1991
Dossier: Kantonale Wahlen - Tessin
Dossier: Kantonale Parlamentswahlen 1991

Die im Januar des Berichtsjahres gegründete Lega dei ticinesi, welche aus einer Gruppierung um den Unternehmer Bignasca und den Journalisten Flavio Maspoli – Herausgeber und Chefredaktor der Gratis-Sonntagszeitung «Il mattino della domenica» – entstanden ist, forderte in ihrem auf die kantonalen Wahlen ausgerichteten Programm einerseits Steuererleichterungen, eine 13. AHV-Rente, eine Reduktion der Krankenkassenprämien sowie eine Tessiner Universität, andererseits aber auch mehr Rechte für Automobilisten, den Ausbau des Gotthard-Autobahntunnels und die Errichtung eines Spielkasinos im Tessin. Der populistischen Protestbewegung, welche gleichzeitig an die Interessen der Pensionierten, der Autofahrer, Transporteure und Bauunternehmer appellierte sowie einen diffusen Antietatismus zum Ausdruck brachte, gelang es auf Anhieb, 12,8% der Wählerstimmen und zwölf Mandate zu gewinnen; die Lega-Wählerschaft bestand vor allem aus Neu- und Jungwählern sowie aus gelegentlichen, ungebundenen Urnengängern.

Gründung und Anfänge der «Lega dei ticinesi»