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Die Lega dei Ticinesi erlitt in den Tessiner Gesamterneuerungswahlen 2019 eine bittere Niederlage. Im Grossen Rat verlor die Partei vier Sitze (neu: 18 Sitze). Ihr Wähleranteil ging sogar um 4.3 Prozentpunkte zurück (neu: 19.9 Prozent). Dennoch blieb die Lega die zweitstärkste kantonale Partei nach der FDP. Gemäss einigen Parteimitgliedern seien die Verluste auf Parteisympathisanten und -sympathisantinnen zurückzuführen, die zu zuversichtlich gewesen wären, dass die Partei gewinnen werde, weshalb sie zu wenig zahlreich an der Urne erschienen seien.
Trotz dieser Verluste in der Legislative konnte die Lega ihre zwei Sitze in der Exekutive bestätigen: Claudio Zali und Norman Gobbi wurden wiedergewählt. Diesen Erfolg hatte die Lega gemäss St.Galler Tagblatt und Corriere del Ticino der Listenverbindung mit der SVP zu verdanken – im Tessin wird der Consiglio di Stato per Proporzwahlrecht gewählt. Die im Januar 2019 angekündigte Listenverbindung der Partei von Monte Boglia (wie die Lega im Tessin auch genannt wird) mit der SVP war nicht von allen Parteimitgliedern beziehungsweise -sympathisantinnen und -sympathisanten begrüsst worden. Am jährlichen Fest zur Lancierung der Kampagne war viel Kritik an diesem Entscheid laut geworden, berichtete der Corriere del Ticino im Januar 2019.

Verluste der Lega bei den Tessiner Kantonalwahlen

Alles überschattendes Thema für die Lega war der überraschende Tod des Lega-Präsidenten Giuliano Bignasca am 7. März des Berichtjahrs. Der Präsident auf Lebenszeit und Bauunternehmer von Lugano, der zusammen mit Flavio Maspoli und Mauro Malandra die Lega im Januar 1991 gegründet hatte, verstarb 67-jährig in Folge von Kreislaufproblemen. Bignasca hatte ein Gespür für politische Unzufriedenheit. Die Aufteilung der Tessiner Pfründe zwischen CVP und FDP missfiel ihm und er begann, die Kritiker der Tessiner Polit-Spielregeln um sich zu sammeln. Die daraus entstandene Lega war in seinem Verständnis immer auch Vertreterin der kleinen Leute. Neben der deutlich rechts-konservativen Ausrichtung lassen sich deshalb auch sozialistische Einsprengsel im Parteiprogramm ausmachen, etwa die Forderungen nach einer 13. AHV-Rente oder nach einer kantonalen Einheitskrankenkasse. Die Partei feierte nach ihrer Gründung sehr rasch Erfolge. Bereits bei den Grossratswahlen 1991 zog sie mit 12,8% Wählerstimmen ins kantonale Parlament ein und bei den Nationalratswahlen im selben Jahr sicherte sich die Protestpartei gar mit fast einem Viertel (23,6%) der Wählerstimmen zwei Sitze. Bignasca selber sass 1995 sowie 1999 bis 2003 für die Lega in Bern. 2000 wurde er in die Stadtexekutive Luganos gewählt. Bignasca war Herausgeber der Kampfpostille der Lega, „Il Mattino della Domenica“, die jeden Sonntag gratis erscheint, und in der Gegner auf teilweise rüde und primitive Weise diffamiert werden. Dank dem rohen Politikstil, dem populistischen Auftreten Bignascas, aber auch dank der zunehmenden Zahl von Grenzgängern, die aus Italien im Tessin Arbeit suchen und zumindest teilweise auch dank dem konzilianteren Auftreten von Lega-Exponenten – so etwa der als beliebteste Politiker des Tessins wahrgenommene Staatsrat Marco Borradori – konnte die Lega nach einer Phase der Stagnation in den 2000er Jahren ab 2011 wieder grosse Erfolge feiern: In den Nationalrat schickte man wieder zwei Vertreter, die Eroberung des Kantonsparlamentes als zweitstärkste Kraft und die Eroberung eines zweiten Regierungssitzes auf Kosten von CVP und SVP sind beredtes Zeugnis dafür. Der Erfolg zwingt die Lega allerdings auch zur Übernahme von politischer Verantwortung. Die Lega Bignascas geht und ging immer auch eine Gratwanderung zwischen Protest- und Oppositionspartei und etablierter Regierungs- und Konsenspartei. Die Frage stellte sich auch in der Presse, ob und wie stark Bignascas Tod in der Lega ein Machtvakuum entstehen lassen und wer die Funktion des „enfant terrible“ übernehmen würde. Die Bedeutung von Nano (Zwerg) – wie er im Tessin sowohl liebevoll als auch verachtend genannt wurde – zeigte sich nicht nur an seiner von mehreren Tausend Menschen besuchten Beisetzung, sondern auch im Umstand, dass der Name Bignascas nicht von der Kandidatenliste für die Kommunalwahlen in Lugano gelöscht wurde, und dass der Lega-Übervater gar mit über 10 000 Stimmen gewählt worden wäre. Dass das zweite und die eher konsensuale Seite vertretende Aushängeschild Marco Borradori aus der Kantonsregierung zurücktrat und im Berichtjahr zum Stadtpräsidenten von Lugano gewählt wurde, dürfte für die Partei erschwerend hinzukommen. Die im Tessin noch eher schwache SVP könnte das Machtvakuum nutzen und das nach wie vor vorhandene Protestpotential neu organisieren. Attilio Bignasca – der Bruder des Verstorbenen – versuchte im Berichtjahr mit verschiedenen Protestaktionen, den populistischen Stil der Partei zu bewahren (siehe unten).

Tod des Lega-Präsidenten Giuliano Bignasca

Gegen den rüden Stil der Lega und die Verunglimpfung politischer Gegner im „Mattino della domenica“ regte sich Widerstand. Der Anfang Oktober gegründete Verein „Associazione Bel Ticino“ trat mit mehreren ganzseitigen Inseraten an die Öffentlichkeit, um gegen den Mattino zu protestieren. Darüber hinaus wurde ein Plagiat der Lega-Postille produziert, das in die Verteilboxen des Mattino gelegt wurde und das seinerseits Exponenten der Lega kritisierte. Bignasca sollte so der Spiegel vorgehalten werden. Während die einen die Aktionen als Zeichen einer erwachenden kritischen Tessiner Zivilbevölkerung deuteten, verurteilten sie andere als Fehler, weil die Kopie eines schlechten Stils schlechter Stil bleibe.

Gegen den rüden Stil der Lega und die Verunglimpfung politischer Gegner im „Mattino della domenica“ regte sich Widerstand

Die beiden starken Köpfe der Lega, der extremistische Gründervater Giuliano Bignasca und der konziliantere Regierungsrat Marco Borradori, trugen entscheidend zur Erstarkung der Partei bei, gerieten aber im Berichtsjahr aufgrund einer kantonalen Initiative der Tessiner Grünen aneinander. Während Bignasca das Begehren unterstützte, das eine Beteiligung des kantonalen Elektrizitätswerkes „Azienda Elettrica Ticinese“ an einem deutschen Kohlekraftwerk verbieten wollte, sprach sich Regierungsrat Borradori zusammen mit Partei- und Regierungskollege Norman Gobbi gegen das Ansinnen aus. Prompt ernteten die beiden in Bignascas Sonntagszeitung „Mattino della domenica“ böse Kritik.

Borradori und Bignasca geraten aneinander

Das Kampfblatt der Lega, der „Mattino della domenica“ feierte im Berichtsjahr sein 20-jähriges Jubiläum. Die von Guiliano Bignasca gegründete Zeitung dient der Lega als Sprachrohr mit dem sie – häufig unter der Gürtellinie – ihre provokanten Ideen publik macht.

„Mattino della domenica“ feiert 20-jähriges Jubiläum

Anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Lega dei Ticinesi hielten verschiedene Zeitungen fest, dass sich die Partei von einer Protestbewegung, die frischen Wind in die erstarrte Politik hatte bringen wollen, zu einer Regierungspartei gewandelt habe, die heute eine Allianz mit dem Luganeser Rechtsfreisinn bilde und die sich immer wieder mit Klagen der Strafbehörden konfrontiert sehe. Viele schoben der Lega auch die Schuld an der Verrohung der Tessiner Politik zu. Da ihr der Nachwuchs fehle, sei es um die Zukunft der Lega nicht gut bestellt.

Zehnjähriges Bestehen der Lega

Die Wirren um Nationalrat Maspoli rissen auch im Wahljahr nicht ab. Ein konkursites Werbebüro hatte wegen ausstehender Zahlungen Strafanzeige gegen ihn erhoben, und das Verfahren über den Konkurs seiner Tageszeitung «Altra Notizia» war noch immer nicht abgeschlossen. Anfangs Juli wurde er zudem wegen übler Nachrede gebüsst.
Sein Parteipräsident Giuliano Bignasca war dagegen durch Fotomontagen im Lega-Blatt «Il Mattino della Domenica» aufgefallen. Opfer der Fotomontagen, die nackte Frauenkörper mit prominenten Köpfen kombinierten, waren unter anderem Bundesrätin Ruth Dreifuss und die Tessiner Staatsrätin Marina Masoni (fdp). Mit Ausnahme von Chiara Simoneschi (cvp) verzichteten die Beschädigten jedoch auf eine Anzeige. Eine Gruppe von Parlamentarierinnen und Parlamentariern forderte den Rücktritt Bignascas aus dem Nationalrat, in den er als zweiter Lega-Vertreter im Oktober gewählt worden war.

Bignasca und Maspolini (Lega) sorgen einmal mehr für Aufmerksamkeit

Im Dezember gründeten im Nationalrat die drei Schweizer Demokraten, der einzige Lega-Abgeordnete Flavio Maspoli (TI) sowie der Freisinnige Massimo Pini (TI) die Demokratische Fraktion. Damit sind die Schweizer Demokraten neu wieder in eine Fraktion eingebunden; Maspoli verliess die Fraktion der Freiheits-Partei. Mit Pini, der durch seinen Fraktionswechsel aus der FDP austreten musste, ist in der neuen Rechtsaussenfraktion auch ein EU-Beitrittsbefürworter vertreten. Pini gab für seinen Wechsel finanzielle Probleme an. Auf Druck der Tessiner FDP hatte er in Biasca das Amt eines Sindaco abgeben müssen. Die neue Fraktion hat Anspruch auf rund 110'000 Fr. Bundesgelder, womit sie Pini als Sekretär einstellen konnte.

Gründung der Demokratischen Fraktion

Nach Wahlverlusten bei den Tessiner Gemeindewahlen lancierte Parteipräsident Giuliano Bignasca einen parteiinternen Disput über die Regierungsbeteiligung der Lega. Den Lega-Vertreter in der Tessiner Regierung, Marco Borradori, forderte er auf, seinen Staatsratssitz zu verlassen, um die Lega wieder zur reinen Oppositionspartei zu machen. Borradori distanzierte sich jedoch von diesem Vorschlag.

Disput über die Regierungsbeteiligung der Lega

Auch Nationalrat und Verleger Maspoli wurde einmal mehr wegen übler Nachrede und Beschimpfung in Artikeln seiner Gratis-Sonntagszeitung zu einer Busse verurteilt. Er lancierte kurz darauf unter dem Titel «L'altra notizia» eine neue Tageszeitung. Sie soll unter anderem als Propaganda-Instrument für seine Kandidatur bei den Tessiner Regierungsratswahlen 1995 dienen.

Busse für NR Flavio Maspoli (lega) und Lancierung der Tageszeitung «L'altra notizia»

Im Berichtsjahr kamen erstmals direkte Kontakte zwischen der italienischen Lega Nord und der Lega dei Ticinesi zustande, als der neu gewählte Mailänder Bürgermeister einen Besuch bei der Tessiner Lega abstattete.

Kontakte zwischen der italienischen Lega Nord und der Lega dei Ticinesi

Der wegen verschiedenster Vergehen wie z.B. Betrug, Ehrverletzung und Verleumdung sowie Verstössen gegen das Sozialversicherungsgesetz angeklagte Giuliano Bignasca, Präsident der Lega, wurde mit bedingter Haft und einer symbolischen Busse von 5000 CHF bestraft. Mit einem theatralischen Prozessauftritt des Präsidenten profitierte die Lega von der grossen Medienpräsenz.

Bestrafung des Präsidenten der Lega dei Ticinesi

Die geplante Durchführung einer Verkehrsblockade auf dem Damm in Melide – über diesen führen die Haupt- und Nationalstrasse sowie die Eisenbahnlinie als einzige Verkehrsverbindungen zwischen dem Luganese und dem Mendrisiotto –, an welcher neben der Absetzung von hohen Verantwortlichen des Tessiner Fernsehens auch der Rücktritt der Kantonsregierung, der Verzicht auf die Erhöhung des Treibstoffzolls, eine strikte Handhabung des Bankgeheimnisses sowie der Verzicht auf den EWR-Beitritt gefordert werden sollte, schlug fehl. Unter anderem trugen auch die Unstimmigkeiten zwischen den beiden Führerfiguren Bignasca und Maspoli zum Misserfolg bei. Auch dem Versuch der Gründung einer Deutschschweizer Lega, welche gemäss dem Zürcher Initiator Weidmann «Demokratische Liga» heissen sollte, war kein Erfolg beschieden.

Fehlschlag einer geplanten Verkehrsblockade der Lega und einer Gründung in der Deutschschweiz