Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Kulturpolitik

Akteure

  • Pro Helvetia – Schweizer Kulturstiftung

Prozesse

  • Gesellschaftliche Debatte
10 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Die Volkskultur geniesse steigende Wertschätzung, gab sich Albert Vitali (fdp, LU), neuer Präsident der Interessengemeinschaft Volkskultur Schweiz (IGVS), überzeugt. Nationalrat Vitali ist Mitglied der parlamentarischen Gruppe „Volkskultur und Volksmusik“, die bis anhin bei ca. 50 bürgerlichen Parlamentariern auf Anklang stiess und im Berichtsjahr auf sich aufmerksam machte, indem mehrere ihrer Mitglieder in Trachten gekleidet zur Herbstsession erschienen. Bereits im Februar schloss die seit dem neuen Kulturförderungsgesetz (KFG) für die Nachwuchsförderung verantwortliche Pro Helvetia mit der IGVS eine Leistungsvereinbarung ab, wonach die Unterstützung von an den Nachwuchs gerichteten Projekten der Volkskulturverbände direkt über den IGVS erfolgen soll. Zu diesem Zweck schuf Pro Helvetia einen Volkskulturfonds, den die Stiftung in einer dreijährigen Pilotphase alljährlich mit CHF 100'000 speist.

Volkskultur

Um die Jahresmitte äusserten die Betreiber von rund 100 alternativen Kunsträumen, den sogenannten Off-Spaces, die Kunstschaffenden ausserhalb von Mainstream-orientierten Galerien und Kunsthäusern eine Bühne bieten, Kritik am neuen Kulturförderungsgesetz (KFG). Seit Pro Helvetia die Förderung der freien Szene übernommen habe, werden keine Preise mehr für Kunsträume vergeben. Das von Pro Helvetia im Gegenzug eingeführte Förderprogramm „Nachwuchsförderung visuelle Kunst“, das Off-Spaces und kleinen bis mittleren Kulturinstitutionen offen steht, findet in der Szene wenig Anklang. Aufgrund der bürokratischen Vorgaben seien viele Künstler von der Förderung ausgeschlossen, da sie mit ihrer Kunst von Ort zu Ort ziehen würden. Die freien Kunstschaffenden schlossen sich daraufhin zur „Charta 2016“ zusammen und forderten für die Kulturbotschaft 2016-2019 eine finanzielle Unterstützung der Kunsträume im Umfang von CHF 1 Mio. Mit ihrer Petition „Hundert Räume geben mehr Licht als ein Leuchtturm“ forderten freie Künstler und Kuratoren mehr (finanzielle) Anerkennung für die Alternativkultur.

keine Preise mehr für Kunsträume

Zu Beginn des Berichtsjahres zogen die Aargauer und die Luzerner Zeitung Bilanz aus dem einjährigen Bestehen des Kulturförderungsgesetzes (KFG) und liessen dabei verschiedene Kulturverbände zu Wort kommen. Heinrich Gartentor, Präsident des Berufsverbandes der bildenden Künstlerinnen und Künstler (Visarte) bedauerte, dass die visuelle Kunst durch die Reorganisation der Kulturförderpolitik über einen Viertel ihrer Fördergelder verloren habe. Ebenfalls ungerecht behandelt fühlte sich in dieser Hinsicht der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA). Die zeitgenössische Architektur und Baukultur finde gar keine Berücksichtigung im KFG. Auf der anderen Seite zeigten sich die Autoren der Schweiz (ADS) grundsätzlich zufrieden. Der Literatur- und Leseförderung werde in der Kulturbotschaft eine wichtige Rolle zugeschrieben. Nichtsdestotrotz seien die Mittel für eidgenössische Literaturpreise zu knapp bemessen. Positiv bewerteten hingegen Pro Helvetia und das Bundesamt für Kultur (BAK) das neue Gesetz. Hervorgehoben wurden insbesondere die verstärkten Bemühungen zur Schaffung einer engen Zusammenarbeit zwischen Verbänden und den verschiedenen Verwaltungsebenen sowie die Möglichkeit einer ganzheitlichen Laufbahnförderung in allen Sparten.

Bilanz aus dem einjährigen Bestehen des Kulturförderungsgesetzes
Dossier: Die Neuorganisation der Kulturförderung mit dem Kulturförderungsgesetz

Im Rahmen der Kulturbotschaft 2012-2015 erfuhr auch die Pro Helvetia einige Veränderungen im Sinne einer Aufgabenverschiebung. Allerdings geriet die Stiftung nicht deswegen in die Schlagzeilen. Für grosses Aufsehen sorgte vielmehr ihr Direktor Pius Knüsel. Er stellte als Mitautor des Buches „Der Kulturinfarkt“ die gesamte schweizerische Kulturpolitik in Frage. Für besonderen Zündstoff sorgte seine Aussage, die Anzahl an Theatern, Museen, Bibliotheken, Konzerthäusern etc. sei zu halbieren. Dies sei nötig, da die staatliche Kulturförderung versagt habe, indem sie zu oft an der tatsächlichen Nachfrage des Publikums vorbei fördere, so die These Knüsels. Schon kurz nach Erscheinen des Buches distanzierte sich der Stiftungsrat der Pro Helvetia von den Aussagen Knüsels, stellte dessen Leistungen als Direktor der Stiftung jedoch keineswegs in Frage. Trotzdem gab Knüsel knapp zwei Monate später sein Amt ab, worauf im Oktober des Berichtjahres bekannt wurde, dass Andrew Holland das Amt neu übernehmen würde.

Pro Helvetia

Ziemlich überraschend kündigte Urs Frauchiger, seit 1992 Direktor der Stiftung Pro Helvetia seinen Rücktritt per Ende September an. Als Hauptgrund für seine Entscheidung nannte er Amtsmüdigkeit. Da auf Ende des Berichtsjahres auch das Mandat der Stiftungspräsidentin, der Solothurner CVP-Ständerätin Rosmarie Simmen auslief, musste gleich die ganze Führung der Pro Helvetia neu bestellt werden. Ende November wählte der Stiftungsrat den Bündner CSP-Politiker und Sekretär der Lia Rumantscha Bernard Cathomas zum neuen Direktor. Zur Stiftungspräsidentin ernannte der Bundesrat die scheidende Stadtpräsidentin von Lausanne und frühere Waadtländer SP-National und Ständerätin Yvette Jaggi.

Urs Frauchiger Rücktritt Bernard Cathomas Yvette Jaggi 

Anfangs Juli eröffnete die Pro Helvetia in Anwesenheit von Bundesrätin Dreifuss eine neue Aussenstelle in Mailand. Das Centro culturale svizzero (CCS) hat die Aufgabe, das schweizerische Kulturschaffen in der lombardischen Metropole vorzustellen und die Aktivitäten der Pro Helvetia in Italien zu organisieren. Das CCS hat jedoch nicht das Kaliber des Schweizer Kulturzentrums in Paris mit seinem Budget von CHF 1.5 Mio., sondern entspricht eher den "Antennen", die mit Unterstützung des Bundes in einigen mittel- und osteuropäischen Städten entstanden sind. Das Budget des CCS beträgt CHF 600'000 pro Jahr.

Centro culturale svizzero Italien

In Paris konnte das von der Pro Helvetia finanzierte "Centre culturel suisse" seinen zehnten Geburtstag feiern. Es beging ihn mit diversen Ausstellungen sowie mit einem Text- und Bildband zur politischen und kulturellen Präsenz der Schweizerinnen und Schweizer in der Seine-Metropole. Bedauert wurde nur, dass bei den Festakten kaum Vertreter des offiziellen Frankreichs anwesend waren.

Centre culturel suisse

Im Frühjahr beschloss die Pro Helvetia, einen seit geraumer Zeit gehegten Wunsch in die Tat umzusetzen und in Mailand ein eigenständiges Kulturzentrum zu eröffnen, von welchem aus die Stiftung landesweit tätig sein will. Die neue Institution, welche 1997 operativ sein soll, wird mit einem Budget von knapp CHF 500'000 pro Jahr ausgestattet und im renovierten, bisher primär auf Handelspolitik ausgerichteten "Centro svizzero" mitten in der Stadt Gastrecht geniessen. Die Pro Helvetia betonte, für die Schweiz als Land mit einer italienischen Sprachregion habe der verstärkte Kulturaustausch mit Italien grosse Bedeutung. Ein Kulturzentrum in der unserem Land nächstgelegenen Grossstadt setze zudem ein Zeichen der Öffnung hin zu Europa.

Mailand Kulturzentrum

An einer vom Bundesamt für Kultur (BAK) gemeinsam mit der Stiftung Pro Helvetia und dem Migros-Genossenschaftsbund durchgeführten Tagung in Rüschlikon (ZH) hielt Bundesrätin Ruth Dreifuss, seit ihrer Wahl in die Landesregierung oberste Schweizer Kulturverantwortliche, ein viel beachtetes Grundsatzreferat zum Thema "Staat und Kultur". Durch die Multikulturalität und das föderalistische Staatssystem sei die Schweiz besonders verpflichtet, Minderheiten zu schützen und schwache Partner aktiv zu unterstützen, führte Dreifuss aus. Solidarität müsse auch in bezug auf die Kultur funktionieren, und zwar nicht als philanthropischer oder karitativer Akt, sondern als notwendige Bedingung für die Weiterexistenz eines vielkulturellen Staates. Die Aufgabe der Kulturpolitik sei es daher, nicht nur Kultur einem möglichst weiten Kreis zugänglich zu machen, sondern die gesamte Staatstätigkeit auf ihre Kulturverträglichkeit hin zu überprüfen. Im Gegensatz zur Kulturpolitik, die das ganze politische Leben durchdringen müsse, erklärte die Bundesrätin weiter, könne die Kulturförderungspolitik hauptsächlich in zwei Bereichen tätig werden. Einerseits, indem sie die Rahmenbedingungen für die Entwicklung des kulturellen Lebens zu verbessern suche, wozu auch die soziale Absicherung der Kulturschaffenden gehöre, andererseits, indem sie konkrete Projekte kulturellen Schaffens oder zur Erhaltung des kulturellen Erbes fördere. Diese gesellschaftliche Verantwortung unterscheide den Staat als Kulturförderer von Mäzenen oder Sponsoren. Im Gegensatz zu diesen sei der Staat verpflichtet, Kultur in ihrer ganzen Breite zu fördern, auch in weniger publikumsträchtigen Bereichen, um sich deren Entwicklungsfähigkeit zu bewahren.

Angesichts der schwierigen Finanzlage, fuhr Frau Dreifuss weiter, werde sich eine künftige Schweizer Kulturpolitik um bessere Koordination der Aufgaben bemühen müssen, wie es auch im neuen Kulturförderungsartikel vorgesehen sei. Es solle ein Förderungskonzept entwickelt werden, das auf die ganze Vielfalt des kulturellen Lebens abgestimmt sei, auf alle Landesteile und alle Bevölkerungsgruppen. Der ebenfalls zu unterstützende kulturelle Austausch im Inland ebenso wie mit dem Ausland soll nach den Worten der Bundesrätin aber nicht nur dem typisch Schweizerischen zugute kommen, sondern auch die kulturellen Leistungen von hier lebenden Ausländern miteinbeziehen.

Dreifuss' Rede über Staat und Kultur

In der Kulturpolitik wurde namentlich aus welschen Kreisen der Wunsch nach mehr Initiative seitens des Bundes laut. Auf Anregung des Journalisten F. Jotterand führten Vertreter des kulturellen Lebens der Westschweiz in Aubonne (VD) und Lausanne Gespräche mit Bundesrat Tschudi und dem Präsidenten der Stiftung Pro Helvetia, M. Stettler, in denen eine eidgenössische Kulturförderungskonzeption sowie die Schaffung eines Kulturrats verlangt wurden; Bundesrat Tschudi zeigte für diese über die bisherige Tätigkeit der Stiftung Pro Helvetia hinauszielenden Anliegen Verständnis. Im Jahrbuch der Neuen Helvetischen Gesellschaft (NHG) für 1968, in welchem die Gespräche eine Art Fortsetzung fanden, postulierte Jotterand als ersten Schritt die Zusammenstellung eines «Labhardt-Berichts» über die kulturellen Strukturen der Schweiz; auf Grund eines solchen sollte dann in föderalistischem Geiste eine kulturelle Landesplanung zugunsten zurückgebliebener Gegenden an die Hand genommen werden. Eine vermehrte Förderung durch den Bund wurde insbesondere für das Filmschaffen gefordert; der Verband schweizerischer Filmgestalter wünschte eine Revision des Filmgesetzes, um eine wirksamere Subventionierung des Spielfilms zu ermöglichen.

Gesamtschweizerisches Interesse erregte eine Auseinandersetzung um den Ankauf von Picasso-Gemälden durch den Kanton Baselstadt. Zur Deckung von Verlusten aus dem Konkurs der Fluggesellschaft Globe Air beabsichtigte die Familienstiftung Staechelin einige Werke aus der von ihr im Basler Kunstmuseum deponierten Sammlung zu veräussern; durch einen Staatsbeitrag von CHF 6 Mio. und private Zuwendungen von weiteren CHF 2.4 Mio. konnten zwei Picasso-Bilder für die Stadt erworben und weitere Bestände auf 15 Jahre als Leihgaben gesichert werden. Gegen den vom Grossen Rat ohne nennenswerte Opposition bewilligten Kredit wurde das Referendum ergriffen; die Volksabstimmung verlief jedoch positiv.

Nationale Kulturpolitik 1966–1974