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Ende April 2022 kam das Referendum gegen die AHV21 zustande. Damit wurde an der Urne nicht nur über die Mehrwertsteuererhöhung um 0.4 Prozentpunkte respektive 0.1 Prozentpunkte und somit über eine Zusatzfinanzierung für die AHV von CHF 12.4 Mrd. bis 2032 abgestimmt – diese musste als Verfassungsänderung sowieso der Stimmbürgerschaft vorgelegt werden –, sondern auch über die übrigen Massnahmen des Reformprojekts. Dieses sah vor, das Rentenalter der Frauen in vier Schritten (2024 bis 2027) demjenigen der Männer anzupassen, wodurch die AHV bis 2032 CHF 9 Mrd. weniger ausgeben respektive mehr einnehmen sollte als bisher. Im Gegenzug sollten die ersten neun betroffenen Frauenjahrgänge Zuschläge zu ihren Renten oder günstigere Bedingungen beim Rentenvorbezug erhalten, die insgesamt CHF 2.8 Mrd. kosten sollten. Allgemein sollte der Start des Rentenbezugs flexibilisiert und neu zwischen 63 und 70 Jahren möglich werden – mit entsprechenden Abzügen und (teilweise) Gutschriften bei früherem oder späterem Bezug –, wobei die Rente nicht mehr nur vollständig, sondern auch teilweise bezogen werden kann. Dies würde bis 2032 etwa CHF 1.3 Mrd. kosten. Insgesamt könnten die AHV-Ausgaben bis ins Jahr 2032 um insgesamt CHF 4.9 Mrd. gesenkt werden.

Die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform wehrten sich vor allem gegen die Finanzierung der Reform auf dem «Buckel der Frauen» (Tages-Anzeiger), also durch die Erhöhung des Frauenrentenalters. Dadurch würde den Frauen faktisch die Rente gekürzt – ein Jahr weniger Rente entspreche CHF 26'000, rechnete das Referendumskomitee vor. Diese Reduktion würde noch nicht einmal für diejenigen Jahrgänge, welche Kompensationsmassnahmen erhielten, vollständig ausgeglichen. Besonders störend daran sei, dass Frauen noch immer einen deutlich geringeren Lohn für ihre Arbeit und einen Drittel weniger Rente als die Männer erhielten, während sie gleichzeitig sehr viel mehr unbezahlte Arbeit leisteten. Darüber hinaus erachtete die Gegnerschaft die Erhöhung des Frauenrentenalters auch als ersten Schritt hin zum Rentenalter 67, das sie jedoch unter anderem mit Verweis auf die schlechten Arbeitsmarktchancen älterer Arbeitnehmender sowie auf die Erhöhung der Langzeitarbeitslosigkeit und der Sozialhilfequote ablehnte. Schliesslich erachteten die Gegnerinnen und Gegner auch die aktuelle Situation der AHV als weniger gravierend als die Befürwortenden der Revision: Die AHV sei solide, werde aber immer durch dramatische Prognosen schlechtgeredet – diese seien bisher jedoch nie eingetroffen. Die Nein-Parole zu beiden AHV-Vorlagen gaben die SP, die Grünen, die PdA sowie die SD aus, sie wurden von den Gewerkschaften unterstützt.

Die Befürwortenden der Reform betonten, dass die AHV struktureller Reformen bedürfe, zumal sie ansonsten bereits in wenigen Jahren mehr ausgeben als einnehmen werde. Die AHV21-Reform führe durch Massnahmen sowohl auf Einnahmeseite – durch die Mehrwertsteuererhöhung – als auch auf Ausgabenseite – durch die Erhöhung des Frauenrentenalters – zu einer Verbesserung der AHV-Finanzen. Bezüglich des Arguments der Gegnerschaft, dass vor allem die Frauen für die Reform aufkommen müssten, verwiesen die Befürwortenden auf die «substanziellen Kompensationen», welche die Frauen der Übergangsgeneration erhielten. Zudem sei eine Rentenaltererhöhung der Frauen auf 65 Jahre gerechtfertigt, da sie einerseits als Teil der Gleichstellung erachtet werden könne und da die grossen Rentenunterschiede andererseits nicht aus der AHV, sondern aus der beruflichen Vorsorge stammten. Im Gegenzug forderten jedoch auch verschiedene Mitglieder der Pro-Komitees Verbesserungen für die Frauen in der zweiten Säule, vor allem beim Koordinationsabzug, welcher gesenkt werden sollte. Die Ja-Parole zu beiden Vorlagen gaben die SVP, die FDP, die Mitte, die GLP, die EVP und die EDU sowie etwa Economiesuisse, der Arbeitgeberverband, der Gewerbeverband und der Bauernverband aus.

In der medialen Berichterstattung stand vor allem die Frage nach den Auswirkungen für die Frauen sowie der Fairness ihnen gegenüber im Mittelpunkt. Im Zentrum des Interesses stand dabei der Bund Schweizerischer Frauenorganisationen, Alliance f. So zeigten sich die im Verband organisierten Frauen öffentlich gespalten: Selbst der Vorstand des Verbands bestand aus Befürworterinnen und Gegnerinnen der AHV21. Alliance f sei in einer «delikate[n] Ausgangslage», betonten folglich etwa die AZ-Medien. Als Konsequenz gab der Verband Stimmfreigabe heraus und schuf zwei Frauenallianzkomitees, ein befürwortendes und ein ablehnendes. Damit wolle man sich trotz unterschiedlicher Positionen in die Diskussion einbringen und somit verhindern, dass die Männer die Debatte um das Frauenrentenalter dominierten, betonte etwa Co-Präsidentin von Alliance f und Präsidentin des befürwortenden Frauen-Komitees, Kathrin Bertschy (glp, BE).

Zusätzliche Aufmerksamkeit erhielt die AHV21-Abstimmung Ende Mai, als das BSV die neuen Finanzperspektiven der AHV herausgab. So war der Bundesrat in der Botschaft zur AHV21 im August 2019 von einem negativen Betriebsergebnis der AHV im Jahr 2030 von CHF 4.6. Mrd. ausgegangen. Im Juni 2021 hatte das BSV für 2030 ein Defizit von CHF 3.7 Mrd. prognostiziert, in den neusten Finanzperspektiven Ende Mai 2022 war hingegen nur noch von einem Defizit von CHF 1.8 Mrd. die Rede. Das BSV erklärte diese Veränderungen mit dem guten Betriebsergebnis des AHV-Ausgleichsfonds 2021 sowie mit einem stärkeren Beschäftigungs- und Reallohnwachstum als erwartet. Diese Entwicklung zeige auf, dass die AHV in einer «systematische[n] Angstmacherei zulasten der Bevölkerung» schlechtgeredet werde, liess der SGB verlauten. Die NZZ erachtete diese Zahlen trotz der Korrekturen noch immer als schlecht, «die AHV [werde] so oder so ins Minus» rutschen.

Im Juni 2022 entschied die SGK-SR, dass ihr Entwurf zur Pensionskassenreform BVG21 noch nicht reif für die Behandlung in der Herbstsession 2022 sei. Die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform sahen darin einen Versuch, kritische Debatten zur BVG21-Reform vor der Abstimmung über die AHV21 zu verhindern. Doch auch Befürwortende der AHV21-Reform störten sich an diesem Vorgehen der Kommission, zumal man bei einer Behandlung der BVG21-Reform den Frauen hätte zeigen wollen, dass man als Ausgleich zur Rentenaltererhöhung wie mehrfach versprochen ihre Pensionskassenrenten erhöhen werde.

Zu medialen Diskussionen führten in der Folge auch die Vorumfragen. Bereits Anfang Mai berichtete die SonntagsZeitung mit Verweis auf eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Demoscope, welche gemäss SonntagsBlick von den Befürwortenden in Auftrag gegeben worden war, dass sich 62 Prozent der SP-Sympathisierenden und 59 Prozent der Sympathisierenden der Grünen für die AHV21 aussprechen wollten. Insgesamt machte die Studie eine Zustimmung zur AHV21 von 55 Prozent aus. Darob publizierte jedoch der SGB die Resultate einer eigenen, zuvor beim Forschungsinstitut Sotomo in Auftrag gegebenen Studie, gemäss welcher die Sympathisierenden der SP die AHV21 zu 63 Prozent ablehnten, während der durchschnittliche Ja-Stimmenanteil über alle Parteien hinweg bei 48 Prozent zu liegen kam. Die Diskussion darüber, wie verlässlich Studien sind, welche von den Befürwortenden respektive der Gegnerschaft einer Vorlage in Auftrag gegeben werden, währte in den Medien jedoch nicht lange. Ab August konzentrierte sich die mediale Debatte auf die Vorumfragen von SRG/gfs.bern und Tamedia/Leewas, welche auf eine mehr oder weniger deutliche Annahme der zwei Vorlagen hindeuteten (Mehrwertsteuererhöhung: zwischen 54 und 65 Prozent, AHVG: zwischen 52 und 64 Prozent). Vor allem zeichnete sich in den Vorumfragen aber bereits ein deutlicher Geschlechtergraben ab, so sprachen sich beispielsweise Anfang August 2022 in der ersten Tamedia-Umfrage 71 Prozent der Männer für die Änderung des AHVG und somit für die Erhöhung des Frauenrentenalters aus, während diese nur 36 Prozent der Frauen befürworteten.

Hatten die Vorumfragen letztlich doch eine relativ deutliche Annahme beider AHV21-Vorlagen in Aussicht gestellt, wurde es am Abstimmungssonntag für die Gesetzesänderung sehr eng: Mit 50.55 Prozent Ja-Stimmen und gut 31'000 Stimmen Unterschied sprach sich die Stimmbürgerschaft für Annahme der Reform aus. Deutlicher fiel das Verdikt für die Zusatzfinanzierung über eine Mehrwertsteuererhöhung aus (55.07%).


Abstimmung vom 25. September 2022

Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; AHV21)
Beteiligung: 52.2%
Ja: 1'442'591 Stimmen (50.5%)
Nein: 1'411'396 Stimmen (49.5%)

Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer
Beteiligung: 52.2%
Ja: 1'570'813 Stimmen (55.1%)
Nein: 1'281'447 Stimmen (44.9%)

Parolen:
-Ja: SVP, FDP, Mitte, GLP, EVP, EDU; Economiesuisse, SAV, SBV, SGV
-Nein: SP, GPS, PdA, SD; SGB, Travail.Suisse, VPOD
* in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen


«Männer haben Frauen überstimmt», titelte in der Folge der «Blick», von einem «eklatante[n] Geschlechtergraben, wie es ihn noch nie gegeben hat», sprach die WOZ. In der Tat zeigten verschiedene Nachbefragungen einen grossen Zustimmungsunterschied zwischen Frauen und Männern. In der Vox-Analyse lag die Zustimmung zur Gesetzesänderung bei den Frauen im Schnitt bei 38 Prozent, bei den Männern bei 64 Prozent – wobei die direktbetroffenen Frauen unter 65 Jahren der Vorlage nur mit 25 Prozent (18-39 Jährige) respektive mit 29 Prozent (40-64 Jährige) zustimmten, die Frauen im Rentenalter hingegen mit 63 Prozent. In der Folge kam es in Bern und anderen Städten zu Demonstrationen, in denen Teile der Gegnerinnen der Vorlage ihre Wut über das Ergebnis ausdrückten. In einer Rede zeigte sich Tamara Funiciello (sp, BE) gemäss Medien empört darüber, dass «alte, reiche Männer» entschieden hätten, dass «Kita-Mitarbeiterinnen, Nannys, Reinigungskräfte und Pflegefachfrauen» länger arbeiten müssten. Dies führte im Gegenzug zu Unmut bei Vertreterinnen und Vertretern der bürgerlichen Parteien, welche kritisierten, dass «die Linke» den Stimmentscheid nicht akzeptieren wolle. Zudem sprach Regine Sauter (fdp, ZH) Funiciello die Berechtigung ab, im Namen aller Frauen zu sprechen, zumal Frauen keine homogene Masse bildeten. Funiciello hingegen betonte gemäss Tages-Anzeiger, dass es «für Verbesserungen [...] den Druck von der Strasse und den Dialog im Bundeshaus» brauche.

Doch nicht nur zwischen den Geschlechtern, auch zwischen den Sprachregionen zeigten sich bereits am Abstimmungssonntag grosse Unterschiede. Sämtliche mehrheitlich romanischsprachigen Kantone lehnten die Reform ab, allen voran die Kantone Jura (29% Ja-Stimmen), Neuenburg (35%) und Genf (37%), während sich nur drei deutschsprachige Kantone mehrheitlich gegen die Reform des AHV-Gesetzes aussprachen (Basel-Stadt: 47% Zustimmung; Solothurn: 49.8%, Schaffhausen: 50.0%). Die höchste Zustimmung fand sich in den Kantonen Zug (65%), Nidwalden (65%) und Appenzell-Innerrhoden (64%). «Die Deutschschweiz sichert die AHV», bilanzierte folglich etwa die NZZ, während SGB-Präsident und Nationalrat Maillard (sp, VD) die Unterschiede zwischen den Sprachregionen kritisierte, neben dem Geschlechtergraben und dem Sprachgraben aber auch einen Einkommensgraben ausmachte. Diese Ergebnisse bestätigte später auch die Vox-Analyse, welche für Personen mit Haushaltseinkommen unter monatlich CHF 3'000 eine deutlich tiefere Zustimmung zur Gesetzesänderung ermittelte als für Personen mit höheren Haushaltseinkommen (unter CHF 3'000: 32%; CHF 3'000-5'000: 49%, CHF 5'000-9'000: 52%, CHF 9'000-11'000: 59%, CHF über 11'000: 60%). Dieselben Unterschiede waren jeweils auch bei der Mehrwertsteuererhöhung erkennbar, wenn auch in geringerem Ausmass.

Als Motive für ihren Stimmentscheid machte die Vox-Analyse bei den Befürwortenden die Notwendigkeit zur Stabilisierung der AHV aus – sowohl bei der Gesetzesänderung (41%) als auch bei der Mehrwertsteuererhöhung (64%) wurde dieser Punkt häufig genannt. Zusätzlich erachteten aber die Befürwortenden die Gesetzesänderung – also wohl vor allem die Rentenaltererhöhung – auch als Schritt hin zur Gleichberechtigung (45%). Die Gegnerinnen und Gegner erachteten sowohl die Gesetzesänderung als ungerecht (84%), insbesondere im Hinblick auf die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern, als auch auf die Mehrwertsteuererhöhung (46%), die vor allem einkommensschwache Personen treffe und allgemein ein «schlechtes Finanzierungsmittel» (Vox-Analyse) darstelle.

Bereits am Tag nach der Volksabstimmung zur AHV21 schwenkte das mediale Interesse weg von der Reform der AHV hin zur BVG21-Reform. Denn nicht nur die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform, sondern auch weite Teile der Befürwortenden wiesen auf die Verpflichtung oder gar das «Versprechen» (AZ) hin, die mit dieser Annahme der Reform einhergingen: Im Gegenzug müsse das Bundesparlament die Benachteiligung der Frauen bei der Altersvorsorge im Rahmen der anstehenden BVG21-Reform korrigieren.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Die vier Kantonsratsmitglieder der CSP Obwalden entschieden sich im April 2022, in der beginnenden Legislatur als Fraktionslose zu politisieren. Einen Monat davor hatte die CSP bei den Kantonsratswahlen vier von acht Sitzen eingebüsst und damit erstmals überhaupt seit ihrem Ausscheiden aus der CVP-Fraktion 1982 die Schwelle von fünf Sitzen verpasst, die es für die Bildung einer eigenen Fraktion braucht. Man habe vor diesem Hintergrund auch einen Anschluss an die SP- oder die CVP/Mitte-Fraktion in Erwägung gezogen, letztlich aber verworfen: Die vier Christlichsozialen fürchteten, dass ihre eigenständige politische Ausrichtung mit einem solchen Anschluss eingeschränkt würde. Zudem sei bei einer Einbindung in eine grössere Fraktion nicht sicher, dass bzw. in welchen Kommissionen die CSP-Mitglieder Einsitz nehmen könnten. Als Fraktionslosen ist ihnen dieser Zugang zu den Kommissionen und damit zu wichtigen Informationen nun von vornherein verwehrt, ausser wenn die Ratsleitung freiwillig CSP-Ratsmitglieder in die Kommissionen einladen würde, wenn beispielsweise spezifische Kompetenzen gefragt sein sollten. In der Obwaldner Zeitung liess sich die Partei dahingehend zitieren, dass sie nun im Interesse der Sachpolitik eine «partielle Zusammenarbeit auf inhaltlicher Ebene mit der CVP/Mitte-Fraktion» suchen und bei den Wahlen 2026 wieder Fraktionsstärke erlangen wolle.
Anders als etwa die CSP Oberwallis oder die CSP St. Gallen gehört die CSP Obwalden seit 2002 weder der Mitte noch einer anderen nationalen Partei an, sondern ist selbstständig. In der Obwaldner Politik ist sie indessen eine durchaus nennenswerte Kraft, besetzt sie doch seit 1960 stets mindestens einen Sitz in der Kantonsregierung und hielt von 2011 bis 2019 mit Karl Vogler auch einen der beiden Obwaldner Sitze im eidgenössischen Parlament.

CSP Obwalden gegen eine Fraktionsgemeinschaft

Im Dezember 2021 lancierte die jurassische Sektion der christlich-sozialen Partei (PCSI) eine kantonale Volksinitiative für kantonsweite Gemeindefusionen im Jura mit dem Ziel, die Zahl der Gemeinden nach dem Vorbild des Kantons Glarus von 53 auf 3 bis 6 zu reduzieren. Thomas Schaffter (JU, pcsi), Parteipräsident und Mitinitiant, unterstrich, dass die Initiative grossen Wert darauf lege, die betroffenen Gemeinden in diesem Prozess anzuhören und zu konsultieren. Angestossen wurde dieses Anliegen durch die instabile Finanzlage des Kantons sowie den immer komplexer werdenden Dossiers auf Gemeindeebene. Es bestehe dabei das Potenzial, durch die Vereinfachung der Gemeindestruktur des Kantons die Effizienz zu steigern und zu sparen, was zu einem besseren Kosten-Ertrags-Verhältnis der öffentlichen Verwaltung führen solle, so Schaffter. Mit dem Übertritt von Moutier in den Kanton Jura biete sich zudem eine Chance, die im Kanton dringend notwendigen strukturellen und institutionellen Reformen voranzutreiben.
Im Dezember 2022 – knapp ein Jahr nach der Lancierung – gab Le Quotidien Jurrassien schliesslich das Scheitern der Initiative bekannt. Mit rund 1600 gesammelten Unterschriften hatte die Partei die 2000 notwendigen Signaturen in der gegebenen Jahresfrist verfehlt. Gemäss dem Initiativkomitee sei dies unter anderem auf den Mangel an Zeit und Ressourcen im kommunalen Wahljahr 2022 zurückzuführen. Die Idee sei aber nicht vollständig aufgegeben und entsprechende Vorstösse im Kantonsparlament seien bereits in Vorbereitung.

Initiative für kantonsweite Gemeindefusionen im Kanton Jura

Wie sie gleich nach der ersten Abstimmung über das Covid-19-Gesetz angekündigt hatten, ergriffen die Freunde der Verfassung, das Netzwerk Impfentscheid und das Aktionsbündnis Urkantone auch das Referendum gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes, unterstützt wurden sie dabei von der Jungen SVP. Innert drei Wochen – mehr Zeit hatte das Referendumskomitee nach der erfolglosen Abstimmung über das Covid-19-Gesetz nicht zur Verfügung – sammelten sie 187'239 Unterschriften. 5'401 Unterschriften wiesen dabei bereits eine Stimmrechtsbescheinigung auf, für weitere 75'526 Unterschriften liess die Bundeskanzlei eine entsprechende Prüfung vornehmen – aufgrund des Covid-19-Gesetzes war es zu diesem Zeitpunkt möglich, auch unbescheinigte Unterschriften einzureichen. In der Folge bestätigte die Bundeskanzlei das Zustandekommen des Referendums mit 74'469 gültigen Unterschriften. Diese hohe Anzahl Unterschriften in so kurzer Zeit sorgte in der Presse für einige Anerkennung bezüglich der Organisationsfähigkeit und des breiten Netzwerks des Komitees, die NZZ sprach etwa von einem (erneuten) «Achtungserfolg». Die Medien wiesen aber auch auf die hohen Kosten und die entsprechenden finanziellen Mittel hin, welche für das Zustandekommen des Referendums nötig gewesen seien.

Ins Zentrum gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes stellte das Referendumskomitee vier Argumente: Als besonders kritisch erachtete es erstens das Covid-19-Zertifikat, welches zu einer «Zweiklassengesellschaft» und zur Diskriminierung von 2 Mio. Menschen führe. Teilweise wurde das Zertifikat gar mit der Rassentrennung des Apartheids-Regimes Südafrikas verglichen. Zweitens kritisierten die Gegnerinnen und Gegner der Reform die Befreiung der Geimpften – nicht aber der Ungeimpften – von der Quarantänepflicht, womit Letztere diskriminiert würden. Bei beiden Massnahmen werde ignoriert, dass auch Geimpfte ansteckend sein und sich selbst anstecken könnten. Drittens erkannte das Komitee in den Regelungen zur Kontaktrückverfolgung eine Möglichkeit zur Massenüberwachung der Bevölkerung. Und schliesslich kritisierte es viertens die weitreichenden zusätzlichen Kompetenzen, welche die Revision für den Bundesrat mit sich bringe und welche die Gefahr einer Diktatur verstärkten. Insgesamt seien dies «radikale und extreme Umkehrungen in unserer Gesellschaft», welche man mit dem Referendum verhindern wolle.

Früh zeichnete sich ab, dass diesmal auch die SVP das Referendum unterstützen würde. Hatte sie bei der Juni-Abstimmung aufgrund der breiten wirtschaftlichen Unterstützungsmassnahmen noch Stimmfreigabe erteilt, standen die Wirtschaftshilfen in dieser Revision deutlich weniger im Zentrum. Zudem mache ein Engagement gegen das Gesetz für die SVP Sinn, zumal es in keiner Partei mehr Personen gebe, welche die offizielle Corona-Politik des Bundes ablehnten, hob die Weltwoche hervor. Ende August 2021 fasste die Delegiertenversammlung der SVP mit 181 zu 23 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) die Nein-Parole zum Gesetz deutlich. In der Folge sprachen sich zwar mit Aargau und Glarus zwei Kantonalsektionen für das Gesetz aus, ansonsten zeigte sich die Partei aber deutlich geeinter als noch bei der Juni-Abstimmung, als 16 Kantonalparteien von der nationalen Parole abgewichen waren.

Daneben machten vor allem ein linkes Komitee «Geimpfte gegen das Covid-Gesetz» und dessen prominenteste Vertreterin, die Schriftstellerin Sibylle Berg, von sich reden. Das Komitee kritisierte einerseits, dass mit dem Zertifikat Ungeimpften – aber etwa auch Sans-Papiers – der Zugang zum gesellschaftlichen Leben verweigert werde, und äusserte andererseits Datenschutzbedenken. Es werde eine «Infrastruktur für totale Überwachung geschaffen», wurde gar argumentiert. Jedoch warf die WOZ dem Komitee selbst mangelnde Transparenz vor, nachdem sie bei einer Inserateanfrage festgestellt hatte, dass das Inserat über den SVP-Werber Alexander Segert bezahlt worden war. Das Komitee selbst habe zugegeben, dass es nicht wisse, wer genau das Inserat finanziert habe, betonte die Zeitung.

Neben der SVP sprach sich von den nationalen Parteien nur die EDU gegen das Gesetz aus, jedoch gaben auch die Jungfreisinnigen des Kantons Thurgau, die Mitte-Partei des Kantons Neuenburg sowie die Schweizer Demokraten des Kantons Bern Nein-Parolen aus. Unterstützt wurden die Referendumsführenden erneut auch von der Organisation «Mass-Voll», was aufgrund ihres radikaleren Stils vereinzelt zu Spannungen führte.

Anders als bei der Juni-Abstimmung setzten die Befürworterinnen und Befürworter der zweiten Revision diesmal weniger stark auf das Wirtschaftsargument. Vielmehr stand zu Beginn der Diskussionen um die Vorlage – kurz vor und während der Sommerferien – vor allem die gefährdete Reisefreiheit im Zentrum der Kritik. So bedarf das Schweizer Zertifikat zur Anerkennung durch die EU einer gesetzlichen Grundlage, welche mit Ablehnung der Revision nicht mehr vorhanden wäre, erklärte etwa EDI-Sprecher Markus Binder. Ein freiwilliger Einsatz des Zertifikats für Reisen sei somit nicht möglich, genauso wenig wie ein erneutes dringliches Gesetz zur Schaffung einer solchen rechtlichen Grundlage. Somit müsste das Parlament den ordentlichen Weg der Gesetzgebung beschreiten, wobei unklar sei, wie lange sich dies hinziehen würde.
Als weiteres zentrales Argument warnten die Befürwortenden des Gesetzes vor dem «Schliessungshammer» (NZZ), der ohne Zertifikat drohe. Denn ohne das Zertifikat habe der Bundesrat keine «weicheren» Optionen und müsse bei einem erneuten Anstieg der Fallzahlen und vor allem der Spitalauslastung wieder mit einem Lockdown reagieren, wurde befürchtet. Somit könne sich das Nein der Gegnerinnen und Gegner zum Eigentor entwickeln, indem sie dadurch weniger Freiheiten hätten als vor dem Referendum.
Insbesondere in Kultur-, Gastro- und Hotelleriekreisen hob man schliesslich die zentrale Bedeutung des Zertifikats sowie des Schutzschirms für Grossveranstaltungen hervor, die beide nur aufgrund der Revision des Covid-19-Gesetzes möglich waren. Man habe bisher stark unter der Pandemie gelitten, könne nun aber aufgrund des Zertifikats die Lokale und Veranstaltungen wieder stärker auslasten. Gerade auch dank des Schutzschirms für Grossveranstaltungen sei überhaupt erst wieder an eine Planung für Grossanlässe zu denken.

Die Befürwortenden bildeten ein breites Spektrum der Schweizer Politiklandschaft ab: Von den nationalen Parteien sprachen sich EVP, FDP, GLP, Grüne, Mitte, PdA und SP für das Gesetz aus, ebenso wie Economiesuisse, der Gewerbeverband, der SGB, Travailsuisse sowie verschiedene Tourismus-Organisationen. Auch Swiss Olympic sprach sich mit Verweis auf die Wichtigkeit des Zertifikats für den Sport für das Gesetz aus.

Bei der medialen Berichterstattung über mögliche Folgen eines Neins standen vor allem Unsicherheiten im Vordergrund. Klar war, dass die Regelungen aus der zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes bei einem Nein an der Urne bis ein Jahr nach ihrer Verabschiedung vom Parlament in Kraft bleiben würden – konkret somit bis zum 19. März 2022. Jedoch waren die meisten Regelungen des Covid-19-Gesetzes bis Ende 2021 begrenzt, einige zentrale Aspekte, wie zum Beispiel der Schutzschirm für die Grossveranstaltungen, aber auch Regelungen bezüglich der Arbeitslosenversicherung könnten aber noch bis Mitte 2022 oder gar Ende 2023 in Kraft bleiben. Denkbar war überdies eine Verlängerung des Covid-19-Gesetzes. Ob dies nötig sein würde, war von der Entwicklung der Pandemie abhängig: Womöglich wäre die Pandemie bereits vor Auslaufen der entsprechenden Regelungen vorbei, so dass die Unterstützungsmassnahmen für die Wirtschaft oder das Covid-19-Zertifikat gar nicht mehr vonnöten wären, spekulierten die Medien. Auch was bei einem Nein bis im März 2022 genau passieren würde, war unklar. So könnte das Covid-19-Zertifikat zwar rechtlich den Winter hindurch weiterhin in Kraft bleiben, ob dies politisch jedoch durchsetzbar wäre, war gemäss Presse fraglich. Schliesslich fragte man sich auch, ob eine durch das Epidemiegesetz begründete Einlasskontrolle das fehlende Zertifikat ersetzen könne. Diese Vermutungen unterband Bundesrat Berset jedoch, indem er klarstellte, dass zwar eine Zulasskontrolle für Geimpfte und Ungeimpfte aufgrund des Epidemiengesetzes rechtlich weiterhin möglich wäre, das dafür nötige Kontrollinstrument mit dem Zertifikat jedoch verloren ginge und es somit wenn nötig nur noch Einschränkungen für alle – Geimpfte und Ungeimpfte – gebe.

Im Abstimmungskampf dominierten anfangs die Gegnerinnen und Gegner der Revision deutlich. Sie nahmen ihren Schwung aus dem «Achtungserfolg», den sie mit über 40 Prozent Nein-Stimmen bei der Juni-Abstimmung und dem grossen Sammelerfolg bei den Unterschriften erzielt hatten, mit. Die Gegnerschaft der Revision begann demnach früh, Flyer, Inserate und Plakate zu publizieren – immer wieder sprachen die Medien von 50 Tonnen Werbematerial, welches die Gegnerschaft für den Abstimmungskampf produzierte. Gleichzeitig warben sie auf Youtube und Telegram für ein Nein zur Änderung des Gesetzes und gingen letztlich gemäss Zeitungsberichten gar von Haustür zu Haustür. Überdies verschafften sie sich mit fast wöchentlichen Demonstrationen Aufmerksamkeit – insbesondere die sogenannten Freiheitstrychler wurden bald zum Symbol des Protests gegen die bundesrätlichen Massnahmen – und eine Möglichkeit, ein breites Netzwerk zu erreichen, wie die Medien betonten. Lange Zeit waren denn sowohl in den Medien als auch werbetechnisch fast ausschliesslich die Gegnerinnen und Gegner zu sehen und zu hören. Organisiert wurde ihre Kampagne von der PR-Firma von Alexander Segert, der zuvor bereits mit verschiedenen umstrittenen Kampagnen für die SVP aufgefallen war. In einem Crowdfunding hatte das Contra-Komitee gemäss eigenen Angaben in wenigen Tagen CHF 300'000 eingenommen, die Medien berichteten aber auch über hohe Einzelbeträge von vermögenden Personen.

Bereits Mitte August wurden die Befürworterinnen und Befürworter der Revision für ihr fehlendes Engagement im Abstimmungskampf kritisiert. Als Mitte Oktober noch immer nichts von einer koordinierten überparteilichen Pro-Kampagne zu sehen war, wurden die Medien langsam ungeduldig. Sie befürchteten, dass sich die Befürwortenden ob der hohen Rate an Geimpften und später auch der Vorumfragen, die auf eine Zustimmung zwischen 61 Prozent (1. & 2. Welle SRG) und 69 Prozent (3. Welle Tamedia) hindeuteten, in falscher Sicherheit wiegten. So sei es deutlich schwieriger, «eine schweigende Mehrheit zu mobilisieren […] als eine laute Minderheit» (NZZ). Sie zeigten aber auch Verständnis für die Probleme der befürwortenden Parteien: Diese hätten kaum Geld zur Verfügung, zumal die Wirtschaftsverbände kein Geld für eine Kampagne aufwenden wollten. «Weil lange rein gar nichts ging», wie er erklärte, gründete der Zürcher FDP-Lokalpolitiker Peter Metzinger ein zivilgesellschaftliches Pro-Komitee. Sein Komitee verfügte nur über wenig Geld, bekam aber nach einer Weile «einen Zustupf im überschaubaren Rahmen» von der Economiesuisse, wie Michael Wiesner, Kommunikationsleiter von Economiesuisse, erklärte.
Mitte Oktober folgte dann zwar eine gemeinsame Pressekonferenz der Parteipräsidentinnen und -präsidenten von EVP, FDP, GLP, Grünen, Mitte und SP, in dem sie das Gesetz als Schlüssel zur Freiheit und als pragmatisches Mittel, um aus der Krise zu kommen, präsentierten. Die Medien erkannten in der nüchternen Kommunikationsweise zwar durchaus eine Notwendigkeit – man hatte weder das Geld noch die Zeit für eine emotionale Kampagne –, erachteten diese ob der lauten und emotionalen Gegnerschaft aber auch als sinnvolle Taktik. In der Folge lancierten verschiedene Parteien und Verbände Aufrufe und Appelle für eine Annahme der Revision, etwa über die sozialen Medien.
Eine eigene Kampagne lancierte schliesslich die sogenannte Tourismus-Allianz unter der Führung des Schweizer Tourismus-Verbands, die für ein Ja zur Gesetzesrevision als Basis für grenzüberschreitenden Tourismus und für EU-kompatible Nachweise warb. Aufmerksamkeit erzielte auch Andreas Kyriacou, Präsident der Freidenker-Vereinigung, der anfangs nur ein Plakat mit dem Slogan «Impfen statt Schimpfen» und der Unterschrift «Freiheitsimpfler» veröffentlichte. Dieses fand rasch Verbreitung in den sozialen Medien und generierte Spenden, dank denen es in der Folge in über 100 Gemeinden aufgehängt wurde.

Je näher der Abstimmungssonntag rückte, desto nervöser wurden sowohl das Pro- als auch das Contra-Lager, wie die Medien ausführlich berichteten. So beklagten sich etwa beide Seiten über fehlende Akzeptanz und Diskussionsbereitschaft der anderen Seite. Immer wieder war in den Medien von einer «Spaltung der Gesellschaft» die Rede. Die Gegnerschaft monierte einerseits die fehlende Nennung der Zertifikate im Gesetzestitel – was auf die nachträgliche Ergänzung der Regelungen zum Covid-19-Zertifikat durch das Parlament zurückzuführen war – und reichte gemäss NZZ am Sonntag 750 – häufig identische – Abstimmungsbeschwerden bei den Kantonen ein. Andererseits kritisierten die Gegnerinnen und Gegner, dass sie mehrfach unter fadenscheinigen Begründungen davon abgehalten worden seien, ihre Plakate aufzuhängen, oder dass diese gezielt heruntergerissen worden seien.
Die Befürworterinnen und Befürworter monierten hingegen insbesondere den rauen Ton der Gegnerschaft, der sich zudem verstärkt habe und schliesslich gar in Todesdrohungen gegen einen Politiker ausgeartet seien. Insbesondere die Mahnung des Berner Sicherheitsdirektors Reto Nause (BE, mitte) kurz vor dem Urnengang warf in den Medien grosse Wellen: «Wir erwarten einen unruhigen Abstimmungssonntag. Was, wenn die Gegner des Covid-Gesetzes das demokratische Verdikt nicht akzeptieren?», fragte er rhetorisch. So sei von vereinzelten Personen im Internet bereits zur Bewaffnung aufgerufen worden. Auf beiden Seiten berichteten die Medien überdies von Stimmen, die sich vor Ungereimtheiten bei der Abstimmung durch die andere Seite fürchteten – etwa versperrte Abstimmungslokale oder Manipulation der brieflichen Stimmen. Umgehend beteuerten jedoch verschiedene Mitglieder der Gegnerschaft, etwa der Sprecher des Aktionsbündnisses Urschweiz und Organisator der Contra-Kampagne, Josef Ender, oder die Präsidentin der Jungen SVP Zürich, Camille Lothe, dass es keine Hinweise auf Manipulation der Stimmabgabe oder der Auszählung gebe.
Die Medien sprachen ob diesen Vorwürfen von einer Gefahr für die Demokratie: Dass eine Seite die Einhaltung der demokratischen Regeln in Frage stelle, habe es so noch nie gegeben und sei brandgefährlich, war der Tenor. Der emeritierte Politikwissenschaftsprofessor Wolf Linder versuchte hingegen, die Geschehnisse zu relativieren: So würden «keine Parteien oder signifikanten politischen Kräfte die Verlässlichkeit unserer Abstimmungsergebnisse ernsthaft hinterfragen», daher solle man diesen Einzelmeinungen nicht zu viel Gewicht beimessen. Gar etwas Positives konnte Stefan Schmid von CH Media der aufgeheizten Situation abgewinnen: Sie steigere die erwartete Beteiligung an der Abstimmung. Die Pandemie habe denn auch die Gesellschaft nicht gespalten, sondern nur entsprechende Unterschiede sichtbarer gemacht. «Wichtig ist jetzt freilich, dass sich nach geschlagener Schlacht Siegerinnen und Verlierer, wie das hierzulande üblich ist, die Hand reichen und das Sägemehl von der Schulter klopfen», betonte er. Andere Kommentatorinnen und Kommentatoren zweifelten jedoch daran, ob dies allen Gegnerinnen und Gegner bei einer allfälligen Niederlage gelingen würde.

Neben den Kampagnen von Befürwortenden und Gegnerschaft wurde die Abstimmung zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes auch stark von den äusseren Umständen, allen voran von der Entwicklung der Pandemie beeinflusst. So begannen Mitte Oktober 2021 die Covid-19-Fallzahlen in der Schweiz, vor allem aber auch im benachbarten Ausland, wieder zu stiegen. Teile Deutschlands reagierten beispielsweise bereits im September 2021 mit einer Verschärfung der 3G-Regel hin zu einer 2G-Regel, bei der nur noch Geimpfte oder Genesene, nicht aber Getestete Zulass zu öffentlichen Innenräumen erhielten. Eine solche Verschärfung blieb in der Schweiz lange Zeit kaum vorstellbar und wurde von verschiedenen Sprechenden deutlich zurückgewiesen. Trotz der steigenden Fallzahlen verzichtete der Bundesrat vor der Abstimmung weitgehend auf Verschärfungen der Corona-Regelungen, was bei den Medien die Vermutung weckte, er wolle die Chancen des Gesetzes im Referendum nicht schmälern. Hingegen gab die Regierung Ende Oktober bekannt, verschiedene Regelungen des Covid-19-Gesetzes verlängern zu wollen – wie es die Kritikerinnen und Kritiker bereits in der Kampagne zur ersten Abstimmung befürchtet hatten. Darüber hinaus sprach der Bundesrat etwa zeitgleich eine Empfehlung für eine Auffrischungsimpfung für über 65-Jährige aus und nährte damit auch die Befürchtungen der Gegnerschaft, wonach zukünftig immer wieder neue Impfungen nötig sein würden. Schliesslich startete der Bundesrat drei Wochen vor dem Urnengang mit einer nationalen Impfwoche einen letzten Versuch, die Schweizer Impfquote vor dem Winter zu erhöhen. Dabei setzte er CHF 100 Mio. ein und startete eine umfassende Werbekampagne für die Impfung. In den Inseratespalten publizierte er denn auch ähnlich viele Inserate zur Impfwoche und zur Impfung wie die Gegnerschaft gegen die Revision des Covid-19-Gesetzes.
In der Woche vor dem Abstimmungssonntag wurde schliesslich bekannt, was vielerseits befürchtet worden war: In der Zwischenzeit war eine neue Virusvariante, Omikron, festgestellt worden, die deutlich ansteckender zu sein schien als die bisher vorherrschende Deltavariante. Unklar war auch, wie die vorhandenen Impfungen gegen die neue Variante wirken würden. Dies versetzte die Schweiz gemäss NZZ endgültig in einen «Schwebezustand, epidemiologisch und politisch gesehen».

Am Abstimmungssonntag folgte dann ein «klares Verdikt einer leisen Mehrheit», wie die AZ das Abstimmungsresultat betitelte: Mit 62.0 Prozent Ja-Stimmen und zwei ablehnenden Kantonen – in Appenzell Innerrhoden und Schwyz sagte die Mehrheit der Stimmenden Nein zur Revision – war die Zustimmung zum Gesetz gegenüber der ersten Abstimmung im Juni (60.2%) gar noch angestiegen. Zahlreiche Gemeinden und sechs Kantone (AR, GL, NW, OW, TG, UR) waren verglichen mit der Juni-Abstimmung neu ins Ja-Lager gewechselt. Die Medien hoben die hohe Stimmbeteiligung von 65.7 Prozent hervor und interpretierten das Ergebnis der Abstimmung als Vertrauensbeweis in die bundesrätliche Politik. Sie betonten aber wie bereits im Juni auch, dass dies keine Blankovollmacht für den Bundesrat darstelle. Die SVP wollte das Resultat denn auch nicht als Einladung für Massnahmenverschärfungen verstanden wissen. Gesundheitsminister Berset forderte die Gegnerinnen und Gegner auf, das Abstimmungsresultat zu akzeptieren: Zur Schweiz gehöre es, dass man sich nach der Abstimmung zusammenraufe. «Wir dürfen nicht endlos streiten.» Zu grossen Streitereien kam es denn in der Folge nicht mehr: Der befürchtete Grossaufmarsch blieb aus, nur vereinzelte Protestierende fanden sich auf dem Bundesplatz ein. Die meisten Sprechenden der Gegnerschaft akzeptierten das Ergebnis, lediglich «Mass-Voll» liess verlauten, dass das Resultat wegen «beispiellosen Unregelmässigkeiten [...] nicht legitim und für uns nicht bindend» sei.


Abstimmung vom 28. November 2021

Beteiligung: 65.7%
Ja: 2'222'594 Stimmen (62.0%)
Nein: 1'361'084 Stimmen (38.0%)

Parolen:
- Ja: EVP, FDP, GLP, GPS, Mitte*, PdA, SPS; Economiesuisse, Gemeindeverband, KdK, SGB, SGV*, SSV, TravailSuisse, VöV, Schweizer Tourismusverband, Hotelleriesuisse, Verband Seilbahnen Schweiz, Swissmem, Freidenker-Vereinigung
- Nein: EDU, SVP*; «Freunde der Verfassung», Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik», Netzwerk Impfentscheid, «Mass-Voll»
- Stimmfreigabe: SD*; GastroSuisse, Piratenpartei
* verschiedene abweichende Kantonalsektionen: Ja: SVP AG, SVP GL; Nein: Mitte NE, SD BE; Stimmfreigabe: SGV AG


Anhand der Gemeindeergebnisse zeigte sich in der Folge, dass die Opposition in der Innerschweiz im Vergleich zum Juni abgenommen hatte, in der Westschweiz hingegen angestiegen war. Gemäss der Vox-Nachabstimmungsbefragung hätten sich die Lager jedoch weiter polarisiert: Die SVP-Sympathisierenden hätten klarer Nein, diejenigen der FDP- und GLP klarer Ja gesagt als noch im Juni 2021. Mehrheitlich Nein gestimmt hatten neben den Sympathisantinnen und Sympathisanten der SVP auch Personen, die sich selbst auf der Links-Rechts-Achse als «rechtsaussen» einstufen, sowie Personen mit traditioneller Werthaltung und solche mit tiefem oder mittlerem Vertrauen in den Bundesrat. Als Hauptgrund für ihre Ablehnung der Gesetzesänderung nannten sie die empfundene Bevormundung durch die Behörden und entsprechend die fehlenden Freiheiten (zusammen 17%), ebenso übten viele Kritik an der indirekt wahrgenommenen Impfpflicht (10%). Die Befürwortenden hingegen wollten mit Annahme der Änderung vor allem die Corona-Politik des Bundesrates unterstützen (36%).

Zweite Revision des Covid-19-Gesetzes (Änderung und Zusatzkredit; BRG 21.016)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Im Präsidium der CSP Obwalden gab es im September 2021 einen Wechsel: Hanspeter Scheuber, der die Partei seit 2020 zusammen mit Sepp Stalder im Co-Präsidium geführt hatte, wurde nach dessen Rücktritt alleiniger Präsident. Stalder hatte die Partei seit 2015 präsidiert, zunächst bis 2018 mit Co-Präsident Christian Schäli und danach zwei Jahre alleine.

CSP Obwalden

Aufgrund des von den «Freunden der Verfassung» ergriffenen Referendums stimmte die Schweizer Stimmbevölkerung im Juni 2021 über das Covid-19-Gesetz ab. Dieses enthielt einerseits die Regelungen zu den Unterstützungsmassnahmen für die Unternehmen und die Bevölkerung (u.a. Härtefallhilfen, Covid-Erwerbsersatz, Kurzarbeitsentschädigung), andererseits Ermächtigungen für den Bundesrat, zeitlich begrenzt von bestehenden Gesetzen abzuweichen. Während der erste Teil auch bei den Gegnerinnen und Gegnern unumstritten war, kritisierten sie den zweiten Teil stark. Dieser Teil enthielt beispielsweise Regelungen zur Einschränkungen von Behandlungen in den Spitälern, zur Abweichungen von gesetzlichen Fristen, zur elektronischen Durchführungen von Generalversammlungen von Unternehmen oder zu Einschränkungen im Asylbereich. Das Covid-19-Gesetz war nun insofern speziell, als Gesetze üblicherweise erst nach Ablauf der Referendumsfrist in Kraft treten. Da das Gesetz jedoch von einer Mehrheit der Mitglieder beider Kammern dringlich erklärt worden war, war es gleich nach Annahme im Parlament im September 2020 in Kraft getreten – was die Abstimmung darüber gemäss Tages-Anzeiger zu einer «demokratiepolitische[n] Kuriosität» machte. Zusätzlich speziell war, dass das Covid-19-Gesetz zum Zeitpunkt der Abstimmung vom Parlament bereits zweimal revidiert worden war – einmal in der Wintersession 2020 und einmal in der Frühjahrssession 2021. Da das Gesetz mit den Corona-bedingten Veränderungen Schritt halten müsse, seien verschiedene Teile des Gesetzes zum Zeitpunkt der Abstimmung gar nicht mehr in Kraft, betonte der Tages-Anzeiger. Zudem würde das Gesetz bei einer allfälligen Ablehnung an der Urne nicht per sofort ausser Kraft treten, sondern ein Jahr nach seiner Inkraftsetzung, also am 25. September 2021. Die meisten Regelungen des Gesetzes sind auf Ende 2021 befristet, lediglich einzelne dieser Regelungen würden bis Ende 2023 (etwa Regelungen zur Kurzarbeit) oder gar bis Ende 2031 (Regelungen zu den Covid-Krediten) gültig bleiben.

Der Abstimmungskampf zum Referendum gegen das Covid-19-Gesetz war nun geprägt von der Frage, worüber am 13. Juni 2021 genau abgestimmt wird. So betonten die Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes im Abstimmungsbüchlein, dass mit dem Referendum sichergestellt werden solle, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger «die höchste Instanz im Land» bleiben. Mit der Ablehnung des Covid-19-Gesetzes solle man zeigen, «dass Krisenmanagement gegen das Volk in der Schweiz nicht geht». So befürchteten sie, dass der Bundesrat das Notrecht durch das Gesetz unnötig verlängern würde und man durch eine Annahme des Gesetzes die bisherige bundesrätliche Corona-Politik legitimiere. Andreas Glarner (svp, AG) etwa argumentierte, dass man dem Bundesrat damit einen Blankocheck für weitere Einschränkungen gebe und sprach sich damit gegen das Gesetz aus – die SVP selbst entschied sich in der Folge für Stimmfreigabe. Gegen diese Argumentationen wehrten sich die Befürworterinnen und Befürworter des Gesetzes, da sie in ihren Augen am Covid-19-Gesetz vorbeizielten. So würden die Gegnerinnen und Gegner insbesondere die Corona-Massnahmen des Bundesrates kritisieren, etwa die Schliessung der Restaurants oder Läden, die jedoch nicht im Covid-19-Gesetz geregelt seien, sondern im 2013 von der Stimmbürgerschaft angenommenen Epidemiengesetz. Diese Bestimmungen würden somit durch eine Ablehnung des Gesetzes auch nicht aufgehoben. Der Kampf gegen das Gesetz stelle gemäss den Befürwortenden folglich bloss eine Art «Stellvertreterkrieg» dar, in dem sich die Gegnerinnen und Gegner ein Misstrauensvotum gegen die bundesrätliche Covid-Politik oder einen Denkzettel an den Bundesrat wünschten.
Die Gegnerschaft kritisierte aber durchaus auch verschiedene Aspekte des Gesetzes selbst: So fürchteten sie eine Diskriminierung oder gar einen Verlust der Grundrechte von ungeimpften Personen aufgrund des Covid-19-Zertifikats, da mit diesem eine Zweiklassengesellschaft, ja gar eine «neue Form der Apartheid», geschaffen werde. Zudem diene das Contact Tracing über die SwissCovidApp zur Massenüberwachung, wie die beiden Co-Präsidenten der «Freunde der Verfassung», Marion Russek und Werner Boxler, in der Weltwoche betonten. Das anfängliche Argument, wonach es aufgrund des Gesetzes zu einer verkürzten Prüfung von Impfstoffen kommen könnte, liess das Komitee nach einer Weile fallen – der Bundesrat hatte erklärt, dass es in der betreffenden Regelung einzig um Arzneimittel, nicht aber um Impfstoffe gehe.
Neben einzelnen Bestimmungen kritisierte die Gegnerschaft aber auch die Verbindung der Unterstützungsmassnahmen mit den zusätzlichen Ermächtigungen für den Bundesrat, da man den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern damit die Möglichkeit nehme, Ersteren zuzustimmen und Letztere abzulehnen. Gleichzeitig betonten sie, dass eine Ablehnung des Covid-19-Gesetzes an der Urne nicht das Ende der Unterstützungsmassnahmen bedeute – was das Hauptargument der Befürworterinnen und Befürworter darstellte. So könne das Parlament die Unterstützungsmassnahmen durch die Annahme einer Motion von Pirmin Schwander (svp, SZ; Mo. 21.3402) innert kürzester Frist in ein eigenes Gesetz giessen. Diese Argumentation teilten die Befürwortenden nicht, vielmehr warnten sie vor drastischen Folgen durch die Ablehnung des Gesetzes: Das vorzeitige Ende der Unterstützungsmassnahmen der Wirtschaft führe nämlich zu einem starken Anstieg der Konkurse, der Arbeitslosigkeit und der Sozialhilfequote. Zwar könne das Parlament allenfalls ein neues Gesetz beschliessen, dabei müsse es sich aber um ein ordentliches Gesetz handeln – ein weiteres dringliches Gesetz sei nicht möglich –, erklärte der Bundesrat. Ein solches könne aber unter anderem aufgrund der Referendumsfrist nicht vor dem 25. September 2021 in Kraft gesetzt werden. Somit käme es bei einer Ablehnung des Covid-19-Gesetzes zu einem Unterbruch der Unterstützungsmassnahmen. Auch der Bundesrat betonte zur Lancierung seines Abstimmungskampfes an einer Pressekonferenz, bei der unter anderem Gesundheitsminister Berset und Bundespräsident Parmelin sowie KdK-Präsident Rathgeb (GR, fdp) anwesend waren, dass das Covid-19-Gesetz die einzige rechtliche Grundlage zur Unterstützung der Betroffenen sei und dessen Ablehnung grosse Unsicherheiten bei Unternehmen und Arbeitnehmenden auslösen würde. Christian Rathgeb verwies auf die zentrale Bedeutung des Gesetzes für die Kantone und mahnte vor einem Bauchentscheid: «Die Menschen brauchen jetzt nicht einen Denkzettel, sondern konkrete finanzielle Unterstützung.»
Die Befürworterinnen und Befürworter wehrten sich auch gegen den Diktatur-Vorwurf der Gegnerschaft an den Bundesrat. So werde das Notrechtregime durch das Covid-19-Gesetz nicht verlängert, sondern wie von der Verfassung verlangt in ordentliches Recht überführt – das entsprechend auch vom Parlament verabschiedet worden sei. «Alles läuft, wie es die Verfassung vorsieht – auch wenn die «Freunde der Verfassung» das nicht wahrhaben wollen», betonte etwa die NZZ. «Wenn dies die Basis für eine Diktatur sein soll, wird es eine ebenso lächerliche wie grosszügige Diktatur sein – eine Diktatur, in der es für fast jeden Zweck Milliardenhilfen gibt und für jeden LKW-Fahrer eine Toilette», verteidigte dieselbe Zeitung das Gesetz mit Verweis auf eine spezifische Regelung im Covid-19-Gesetz zum Toilettenzugang von LKW-Fahrerinnen und -Fahrern.

Zu breiteren medialen Diskussionen im Abstimmungskampf führte auch das Abstimmungsbüchlein: Die Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes kritisierten, dass hier das ursprüngliche Covid-19-Gesetz aufgeführt worden war, obwohl dieses in der Zwischenzeit bereits mehrfach revidiert worden war. Dies sei aber insofern korrekt, als das Referendum zum ursprünglichen Gesetz gefasst worden sei – auch wenn die Ablehnung des Gesetzes auch die Revisionen ausser Kraft setzen würde, war der mediale Konsens in dieser Frage. Ansonsten stand das Referendum zum Covid-19-Gesetz deutlich im Schatten der gleichzeitig stattfindenden Abstimmungen zum CO2-Gesetz, zur Trinkwasser- und zur Pestizidinitiative sowie zum kaum beworbenen Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus. Die Studie des fög zählte etwa eine vergleichsweise geringe Anzahl Zeitungsartikel zum Covid-19-Gesetz, deren Tonalität leicht positiv war. Auch in den Inseratespalten schnitt das Covid-19-Gesetz unterdurchschnittlich ab, wie die Studie von Année Politique Suisse zeigte. Die Vorumfragen der SRG (67% Ja respektive 64% Ja) und von Tamedia (66%, 67%, 69%) liessen schliesslich kaum Zweifel an einer Annahme des Gesetzes aufkommen.

In der Zwischenzeit hatten die EDU, die «Freunde der Verfassung», das Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik» sowie die Gruppe «Mass-voll» die Nein-Parole ausgegeben. Die SVP hatte unter grossem medialen Interesse bereits im März 2021 entschieden, Stimmfreigabe zu erteilen, da sie «die negativen Folgen einer Ablehnung [als] grösser [erachtete] als die einer Zustimmung». Verschiedene Kantonalsektionen wichen jedoch von dieser Parole ab, so sprachen sich die Sektionen der Kantone Bern, Luzern, Waadt und Wallis für eine Annahme und die Sektionen der Kantone Appenzell-Innerrhoden, Basel-Landschaft, Schwyz und Zürich sowie die Junge SVP für eine Ablehnung aus. Ansonsten traf das Covid-19-Gesetz weitgehend auf Unterstützung, etwa durch sämtliche anderen grösseren Parteien (EVP, FDP, GLP, GPS, Mitte, SP) und zahlreiche grösseren Verbände wie Economiesuisse, SGB und Travailsuisse, aber auch durch den SGV oder GastroSuisse.

Am Abstimmungssonntag sollte sich das Bild aus den Vorumfragen bestätigen: Mit 60.2 Prozent bei einer Stimmbeteiligung von 59.7 Prozent sprachen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für das Covid-19-Gesetz aus. Zwar war kein Ständemehr nötig, dennoch verdeutlichte die Ablehnung der Vorlage in den Kantonen Uri (45.1%), Schwyz (40.9%), Nidwalden (48.6%), Obwalden (43.3%), Glarus (49.1%), Appenzell Ausserrhoden (47.0%), Appenzell Innerrhoden (39.2%) und Thurgau (49.9%) die Unterschiede zwischen den Regionen: So lag die Zustimmung in der Romandie mit 65.5 Prozent und in der italienischsprachigen Schweiz mit 68.8 Prozent beispielsweise deutlich höher als in der Deutschschweiz (58.3 Prozent).
Die Medien waren sich nicht sicher, wie dieses Resultat zu interpretieren war. Einerseits wurde von einem «Achtungserfolg der Gegner» (AZ) gesprochen – insbesondere da diese nicht von einer grossen Partei unterstützt worden seien (TdG) –, andererseits sei die Abstimmung zuvor als «Plebiszit über die generelle Corona-Politik des Bundesrates» angepriesen worden, weshalb das Resultat nun als Bestätigung ebendieser durch die Stimmbürgerschaft verstanden werden könne (NZZ). Einig war man sich jedoch mehrheitlich, dass dies nicht als Blankocheck für den Bundesrat verstanden werden dürfe – zugleich forderte unter anderem die SVP weitere Lockerungen der Corona-Massnahmen.


Abstimmung vom 13. Juni 2021

Beteiligung: 59.7%
Ja: 1'936'344 Stimmen (60.2%)
Nein: 1'280'128 Stimmen (39.8%)

Parolen:
- Ja: EVP, FDP, GLP, GPS, KVP, Mitte, PdA, SPS; Economiesuisse, Gemeindeverband, KdK, SAV, SGB, SGV, SSV, TravailSuisse, VPOD, GastroSuisse
- Nein: EDU; «Freunde der Verfassung», Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik», «Mass-voll»
- Stimmfreigabe: SD, SVP*
* verschiedene abweichende Kantonalsektionen: Ja: SVP BE, SVP LU, SVP NE, SVP VD, SVP VS; Nein: SVP AI, SVP BL, SVP SZ, SVP ZH, JSVP CH


Die Nachabstimmungsbefragung von gfs.bern zeigte einige Wochen später, dass die Vorlage von Personen unter 40 Jahren, von Sympathisantinnen und Sympathisanten der SVP sowie von Personen mit geringem bis mittlerem Vertrauen in den Bundesrat mehrheitlich abgelehnt worden war. Als Hauptgrund für ihre Ablehnung nannten die Befragten das Missbrauchspotenzial des Gesetzes (15% der Antworten), während die Befürwortenden vor allem auf die Notwendigkeit einer Gesetzesgrundlage (16%) sowie der finanziellen Unterstützung (12%) verwiesen.

Noch am Abstimmungssonntag kündigten die Junge SVP und die «Freunde der Verfassung» überdies bereits ein Referendum zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes und damit hauptsächlich zum Covid-19-Zertifikat an. Die zweite Revision war Mitte März 2021 vom Parlament verabschiedet worden, weshalb die Referendumsfrist nur noch drei Wochen andauerte. Die beiden Komitees zeigten sich überzeugt, dass man die nötigen 50'000 Unterschriften innert dieser kurzen Frist zusammenbekommen werde.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Bei einer hohen Stimmbeteiligung von 59.6 Prozent hiess eine solide Mehrheit von 56.6 Prozent der Schweizer Stimmbevölkerung das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) in der Referendumsabstimmung vom 13. Juni 2021 gut. Einzig der Kanton Basel-Stadt sprach sich mit einem Ja-Anteil von 45.1 Prozent mehrheitlich gegen das Gesetz aus. Hohe Zustimmung erfuhr die Vorlage derweil in der Romandie, insbesondere im Wallis (65.0%), in Freiburg (63.6%), in Neuenburg (62.0%) und im Jura (61.0%). In den Medien wurde gemutmasst, dass die Westschweiz aufgrund der Nähe zum von Terroranschlägen stark betroffenen Frankreich das Gesetz eher für notwendig gehalten habe, während in der freiheitsliebenden Deutschschweiz die staatlichen Grundrechtseingriffe kritischer beurteilt worden seien.
Die schweizweite Zustimmung blieb damit etwas hinter den von den vorhergehenden Umfragen geschürten Erwartungen zurück. Wie die Presse berichtete, habe es das Nein-Lager kurz vor dem Abstimmungstermin doch noch geschafft, seinen Bedenken bezüglich der Rechtsstaatlichkeit der Massnahmen verstärkt Gehör zu verschaffen. So zeigte sich die Waadtländer Grünen-Nationalrätin Léonore Porchet gegenüber «Le Temps» erfreut, dass man der zuständigen Bundesrätin Karin Keller-Sutter im Vorfeld der Abstimmung einige Klarstellungen zu umstrittenen Punkten im Gesetz abringen konnte, etwa die Bekräftigung, dass Aktivistinnen und Aktivisten sozialer Bewegungen nicht vom Gesetz betroffen sein werden. Nichtsdestotrotz kündigten die Grünen bereits am Abstimmungssonntag an, eine parlamentarische Initiative einreichen zu wollen, mit dem Ziel, die umstrittene, in ihren Augen zu unklar gefasste Terrorismusdefinition zu konkretisieren. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International betonten, nun die konkrete Anwendung des Gesetzes genau im Auge zu behalten und Menschenrechtsverletzungen gegebenenfalls anzuprangern. Die NZZ wertete das Ergebnis denn auch als «grossen Vertrauensbeweis gegenüber der Polizei»; immerhin habe die Bevölkerung ein Gesetz angenommen, das der Polizei in zentralen Punkten einen grossen Spielraum lasse. «Die Bürgerinnen und Bürger gehen offenkundig davon aus, dass von den Befugnissen menschenrechtskonform und verhältnismässig Gebrauch gemacht wird – und die Gerichte nötigenfalls korrigierend eingreifen», kommentierte die Zeitung. Die Befürwortendenseite zeigte sich indessen zufrieden mit dem Resultat. Die Schweiz könne damit eine Lücke in ihrer Terrorismusabwehr schliessen, erklärte Justizministerin Keller-Sutter gegenüber den Medien.
Noch nicht geschlagen geben wollte sich aus dem unterlegenen Lager die Piratenpartei. Sie hoffte, berichteten «L'Express» und «Le Nouvelliste», dass die Abstimmung wiederholt werden würde. So seien beim Bundesgericht rund 600 Beschwerden gegen die Abstimmung eingereicht worden, die monierten, das Bundesbüchlein sei nicht objektiv gewesen, habe keine klare Meinungsbildung ermöglicht, irreführende Informationen enthalten und wichtige rechtliche Konsequenzen des Gesetzes verschwiegen.


Abstimmung vom 13. Juni 2021

Beteiligung: 59.6%
Ja: 1'811'795 (56.6%)
Nein: 1'390'383 (43.4%)

Parolen:
– Ja: EVP, FDP (1*), KVP, Libertäre Partei, Mitte (Junge Mitte: 1*), Piratenpartei, SVP (2*; JSVP: 2*), BastA!, CSP OW, PCSI JU
– Nein: GLP, GP, PdA, SD, SP, Jungfreisinnige; VPOD, Amnesty International, Chaos Computer Club, Demokratische JuristInnen Schweiz (DJS), Digitale Gesellschaft, Ensemble à Gauche, GSoA, Greenpeace, Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV), Schweizerischer Friedensrat, Solidarité sans frontières, Verein «Freunde der Verfassung»
– Stimmfreigabe: EDU; SSV
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT; 19.032)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: PMT und damit umgesetzte Vorstösse
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

Le 28 mars 2021 a lieu le scrutin sur l'appartenance cantonale de la commune de Moutier, qui – après que le vote de 2017 a été annulé – décide à nouveau si elle veut rejoindre le canton du Jura ou rester dans le canton de Berne. La campagne précédant la votation s'est déroulée de manière plutôt paisible, ceci notamment en raison du contexte sanitaire. Néanmoins, plusieurs thèmes ont animé les débats et provoqué quelques tensions.

La campagne a été lancée à la fin du mois d'octobre 2020 par le mouvement autonomiste «Moutier, ville jurassienne», imité quelques jours plus tard par son adversaire «MoutierPlus». Contraints de renoncer aux rassemblements en raison de la pandémie, la campagne s'est avant tout jouée dans la presse, à travers les tous-ménages et sur les réseaux sociaux.

Les autorités communales et cantonales se sont engagées à faire preuve de retenue, afin d'éviter des recours similaires à ceux de 2017. En janvier 2021, le conseil municipal de Moutier et les gouvernements bernois et jurassien se sont alors mis d'accord sur l'avenant ajouté au message de la votation. S'il n'était pas question de revoir les expertises réalisées en 2017, il s'agissait de corriger certaines informations du message remis à la population. Trois points principaux étaient mis en avant dans ce document: tout d'abord, seule Moutier devait encore se prononcer sur son appartenance cantonale, les communes de Belprahon et Sorvilier ayant décidé de rester bernoises en septembre 2017. En cas de transfert, la commune de Moutier formerait donc un district et une circonscription à elle seule durant la première législature. Ensuite, un scénario a été élaboré pour pérenniser l'hôpital de Moutier indépendamment de l'appartenance cantonale. Cependant, la liste hospitalière, qui détermine quelles prestations sont offertes par un hôpital, a continué de susciter de nombreuses inquiétudes. Le gouvernement jurassien a alors confirmé début mars que «les prestations offertes sur le site de Moutier seront reconnues sur la liste hospitalière jurassienne au même titre qu'elles le sont aujourd'hui sur la liste hospitalière du canton de Berne». Parallèlement, le président du conseil d'administration de l'hôpital Anthony Picard précisa dans la presse que «même si elle est établie par une autorité politique, la liste hospitalière répond à des critères de pratique médicale, de statistique et de viabilité économique», soulignant le fait que les prestations offertes par un hôpital ne dépendent pas uniquement de la volonté du canton dans lequel il se trouve. L'hôpital de Moutier réaffirma par ailleurs son impartialité début mars, quelques jours après la distribution d'un tous-ménage appelant à voter non pour préserver l'hôpital. Ce tous-ménage, signé par 112 personnes, a suscité une vive controverse car certains signataires n'auraient pas été au courant du caractère politique de celui-ci. À noter qu'aucun mouvement officiel n'a indiqué être à son origine.
Le dernier point de l'avenant abordait la question des emplois cantonaux à Moutier. Alors qu'en 2017, le gouvernement bernois faisait état de 170 emplois à plein temps (EPT) liés aux unités administratives du canton dans la cité prévôtoise, ce chiffre est tombé à 144 en 2021. Selon le président du conseil-exécutif bernois Pierre-Alain Schnegg (BE, udc), il y a eu une externalisation des tâches diminuant par conséquent le nombre d'emplois directement liés au canton. Ces postes n'ont pas pour autant disparu et dépendent maintenant d'entreprises privées. Côté jurassien, grâce à l'augmentation des effectifs au sein des services de l'informatique et des contributions, qui migreraient en Prévôté, 180 EPT seraient prévus au lieu des 170 EPT communiqués en 2017. Pour des raisons d'efficacité, le tribunal des mineurs ne devrait pas être, quant à lui, implanté à Moutier. Quelques jours après la publication de ces chiffres, la délégation du conseil-exécutif bernois pour les affaires jurassiennes a présenté de nouvelles données. En tenant compte des emplois dans l'enseignement, les églises nationales et les services psychiatriques, le nombre d'EPT «liés au canton» à Moutier se monterait selon ce calcul à 274.4 EPT, contre 267.8 en 2017. Ce message a provoqué de vives réactions dans le camp autonomiste, qui dénonça des erreurs de comparaison et décria le caractère contradictoire de la communication bernoise, quelques jours après la publication commune de l'avenant. Il a finalement été décidé au cours de la conférence tripartite Jura que l'Office fédéral de la justice (OFJ) rédigerait un document en collaboration avec les autorités cantonales pour clarifier ces chiffres. Les conclusions de ce document ont indiqué que «compte tenu des chiffres indiqués et des difficultés méthodologiques, une variation de quelques EPT est admissible. Néanmoins, les données disponibles ne permettent pas de conclure à une augmentation du nombre des emplois bernois à Moutier». Un «euphémisme» selon les séparatistes, qui ont reproché au canton de Berne de se retirer progressivement de Moutier.

D'autres acteurs ont fait connaître leur position et leurs arguments au cours de la campagne. Le conseil du Jura bernois (CJB) a annoncé fin février qu'il souhaitait voir Moutier rester bernoise, soulignant par la voix de sa présidente Virginie Heyer (BE, plr) les avantages dont profite la région au sein du canton de Berne – à savoir un siège réservé au conseil-exécutif, douze sièges réservés au Grand conseil, un statut particulier et des enveloppes financières spécialement dédiées au CJB. La minorité pro-jurassienne du CJB a dénoncé à travers cette prise de position une ingérence dans l'autonomie communale prévôtoise.
De son côté, le gouvernement jurassien a confirmé début mars ses engagements déjà pris avant le vote de 2017. Il a mis en avant le poids politique qu'aurait Moutier dans le Jura, devenant la deuxième plus grande commune du canton, ce qui lui assurerait sept des soixante sièges au Parlement et une influence significative sur les orientations cantonales. Le Parlement jurassien s'est par la suite prononcé à l'unanimité pour ces engagements et a ainsi envoyé un signal fort sur sa volonté de voir la cité prévôtoise rejoindre le dernier-né des cantons helvétiques.
Le conseil municipal de Moutier a lui réitéré début mars son vœu de voir un «oui» sortir des urnes, restant néanmoins sur la réserve afin d'éviter les reproches qui lui ont été faits par le passé. Dans le même temps, les partis de l'Entente jurassienne – qui regroupe le Rassemblement des prévôtois jurassiens (RPJ), le Rauraque, le parti socialiste autonomiste (PSA), le PCSI et le PDC – tenaient tour à tour des conférences de presse pour présenter leurs arguments en faveur d'un rattachement au canton du Jura.
Le Grand conseil bernois faisait lui un appel du pied à Moutier en acceptant à la quasi unanimité (une abstention) une révision de la loi sur le statut particulier du Jura bernois et de la minorité francophone du district bilingue de Bienne. Selon le député Philippe Messerli (BE, pev), «cette révision rend le statut de la minorité francophone plus attrayant», ajoutant qu'il espérait que Moutier puisse en profiter.

À l'approche de l'échéance, la campagne a gagné en intensité. Le comité non séparatiste «MoutierPlus» a notamment mené une action symbolique en accrochant une grande bâche arborant un émoticône jaune avec des lunettes de soleil sur une paroi rocheuse à l'entrée de la ville. Muriel Käslin, porte-parole du mouvement, souhaitait par ce geste «redonner le sourire aux prévôtois et envoyer une image positive de Moutier au reste de la Suisse», ajoutant que «le séparatisme a divisé la ville, détériorant l'image de la cité loin à la ronde.» La bâche, situé face à une autre paroi rocheuse arborant, elle, un drapeau jurassien, a fait l'objet de déprédations quelques jours plus tard, ce qui a poussé le mouvement non séparatiste à déposer une plainte contre inconnu.
Dans les deux camps, la capacité à mobiliser un maximum d'électrices et électeurs a clairement été l'une des pierres angulaires de la campagne, notamment pour ramener de leur côté les personnes indécises, dont la part est estimée à 25 pour cent par les différentes parties. Entre 2017 et 2021, 18 pour cent du corps électoral prévôtois a changé. Cela correspond à environ 800 personnes, un nombre susceptible de faire basculer le vote. Le Quotidien Jurassien précisait que près de 300 nouveaux votants étaient des jeunes citoyennes et citoyens ayant obtenu leur majorité. Ayant pour la plupart grandi à Moutier, ils étaient déjà dans le bain de la Question jurassienne. Ce ne serait donc pas là qu'il y aurait le plus de voix à gagner. Parmi les 500 personnes restantes, la moitié sont arrivées de communes bernoises, notamment voisines de Moutier, et un quart de communes jurassiennes. Encore une fois des citoyennes et citoyens a priori au courant du sujet. Restent une centaine de personnes qui ont donc fait l'objet de toutes les convoitises, les chances qu'elles soient indécises étant plus grandes. Le Quotidien Jurassien soulignait néanmoins que, de par leurs relations et les raisons qui les ont poussées à s'établir à Moutier, ces personnes avaient déjà eu l'occasion de se faire un avis. Cela n'a pas découragé les mouvements des deux bords d'aller à la pêche aux nouveaux ayants-droit, en adoptant cependant des tactiques différentes. Les non séparatistes se sont contentés d'un courrier pour présenter leurs arguments, ne voulant pas se montrer «intrusifs». Les autonomistes ont rencontré les nouveaux venus, convaincus de l'efficacité du contact humain pour faire passer leur message.

La campagne a bénéficié d'une grande attention médiatique au niveau local. Les courriers des lecteurs se sont multipliés à l'approche du vote dans le Quotidien Jurassien. Au cours des derniers mois, il a été rare de voir un exemplaire du journal régional vierge de tout article traitant du sujet. Au niveau national, le scrutin n'a en revanche pas fait l'objet d'une grande couverture médiatique. C'est seulement durant la semaine précédant la votation que les reportages ont commencé à fleurir dans les principaux médias. Dans la partie germanophone du canton de Berne, le journaliste de la Berner Zeitung Stefan von Bergen a indiqué que beaucoup de citoyennes et citoyens «ne savent sans doute même pas qu'il y a un vote». Sollicités par le Quotidien Jurassien, plusieurs membres du Grand conseil bernois ont également fait part d'un intérêt relativement limité pour la question, espérant avant tout que ce vote permettrait de tourner définitivement la page de la Question jurassienne. Là se situe également l'enjeu principal de ce scrutin pour de nombreuses citoyennes et de nombreux citoyens de Moutier fatigué.e.s par des années de tensions entre autonomistes et non séparatistes.

Votation communale du 18 juin 2017 à Moutier sur l'appartenance cantonale et répétition du 28 mars 2021
Dossier: Moutier und der Jurakonflikt

Am 7. März 2021 nahm die Schweizer Stimmbevölkerung die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» mit 51.2 Prozent Ja-Stimmen an. Damit fiel das Ergebnis letztlich knapper aus als aufgrund von Vorumfragen erwartet. Die Stimmbeteiligung betrug 51.4 Prozent. Die höchste Zustimmung erfuhr das Verhüllungsverbot im Jura (60.7% Ja), gefolgt vom Tessin (60.5%) und Schwyz (60.2%). In St. Gallen, wo wie im Tessin bereits ein kantonales Verhüllungsverbot gilt, dem 2018 zwei Drittel der Stimmbevölkerung zugestimmt hatten, war die Zustimmung mit 53.1 Prozent vergleichsweise schwach. Am wenigsten Unterstützung erhielt die Initiative im Kanton Basel-Stadt (40.6% Ja), gefolgt von Zürich (45.2%) und Genf (48.7%). Auch die Kantone Appenzell Ausserrhoden (49.1%), Bern (49.6%) und Graubünden (49.6%) lehnten die Initiative knapp ab. Bemerkenswert hoch war die Zustimmung für eine Initiative aus den Reihen der SVP – auch im direkten Vergleich mit dem 2009 angenommenen Minarettverbot, das ebenfalls vom Egerkinger Komitee initiiert worden war – in der Westschweiz. Verschiedene Expertinnen und Experten mutmassten in den Medien, dass einerseits die Nähe zu Frankreich den Diskurs analog der dort geführten Debatten stärker auf den sicherheitspolitischen Aspekt gelenkt habe und andererseits die in der Romandie stark präsenten, prominenten bürgerlichen und linken Stimmen, die sich für die Initiative starkgemacht hatten, wohl erheblichen Einfluss gehabt und den Anti-SVP-Reflex beschränkt hätten.
Die Befürwortendenseite wertete den Entscheid als «ein klares Signal des Widerstands gegen die Islamisierung der Schweiz», wie sich der Urheber des ersten kantonalen Verhüllungsverbots Giorgio Ghiringhelli vom «Corriere del Ticino» zitieren liess. Als «Zeichen gegen den ‹politischen Islam›, der vielen Menschen Unbehagen bereitet», interpretierte die NZZ das Votum. Der Berner SP-Grossrat Mohamed Hamdaoui sah im Resultat dementsprechend einen Positionsbezug der gemässigten Muslime gegen den Islamismus, wie er gegenüber «Le Temps» verlauten liess.
Das unterlegene Lager bedauerte den Volksentscheid derweil aus verschiedenen Gründen. Feministische Kreise, die sich gegen das Verhüllungsverbot starkgemacht hatten, fühlten sich durch das Argument, die Vollverschleierung sei Ausdruck der Unterdrückung der Frauen, für rassistische und xenophobe Zwecke missbraucht, wie deren Vertreterin Meriam Mastour gegenüber der Presse erklärte. Die Tourismusbranche befürchtete einen Imageschaden für die Schweiz und zeigte sich besorgt, dass künftig weniger kaufkräftige und konsumfreudige Gäste aus den Golfstaaten die Schweiz besuchen würden. Die Jungen Grünen und der IZRS erklärten unabhängig voneinander, eine gerichtliche Anfechtung des Verhüllungsverbots wenn nötig bis vor den EGMR unterstützen zu wollen. Pascal Gemperli, Pressesprecher der FIDS, zeigte sich um die Sicherheit der muslimischen Gemeinschaft besorgt und befürchtete zunehmende Aggression und Gewalt gegenüber Musliminnen und Muslimen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter betonte gegenüber den Medien, das Abstimmungsresultat sei nicht als Votum gegen die Musliminnen und Muslime in der Schweiz zu verstehen. Diese Linie wurde im unterlegenen Nein-Lager breit vertreten. Dass der Ja-Anteil gegenüber der Minarettinitiative deutlich abgenommen habe, gebe Anlass zur Hoffnung, dass die Schweiz vielleicht doch nicht so islamfeindlich sei, so der Tenor.
Letztlich sei der Entscheid «vor allem auf symbolischer Ebene bedeutsam», resümierte die NZZ. Die konkreten praktischen Auswirkungen sind in der Tat noch unklar. Wie Karin Keller-Sutter erklärte, liege die Umsetzung bei den Kantonen, weil sie über die Polizeihoheit verfügten. Sie hätten nun zwei Jahre Zeit, entsprechende Gesetze zu erlassen. Der Bund müsse das Verbot unterdessen für diejenigen Bereiche, in denen er zuständig ist – beispielsweise im öffentlichen Transportwesen und im Zollwesen – auf Gesetzesebene konkretisieren. Gemäss dem «Blick» zeigten sich einige Kantonsvertretende wenig motiviert, ein gesetzliches Verhüllungsverbot zu erlassen, und würden die Umsetzung lieber ganz dem Bund überlassen. Initiant Walter Wobmann (svp, SO) warf dem Bund in derselben Zeitung bereits vor, die Initiative nicht umsetzen zu wollen: Ein Bundesgesetz sei «unabdingbar, um zu verhindern, dass am Schluss in jedem Kanton etwas anderes gilt», zitierte ihn das Blatt.


Abstimmung vom 7. März 2021

Beteiligung: 51.42%
Ja: 1'427'344 (51.2%) / Stände: 16 4/2
Nein: 1'360'750 (48.8%) / Stände: 4 2/2

Parolen:
– Ja: EDU, Lega, SD, SVP
– Nein: FDP (4*; Frauen: 1*; Jungfreisinnige: 2*), GLP, GP, KVP, Die Mitte (2*), PdA, SP; EKR, SSV, Travail.Suisse, VPOD, Schweizer Tourismus-Verband, EKS, SBK, Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG), Schweizerischer Rat der Religionen, Katholischer Frauenbund (SKF), Alliance F, Amnesty International, Operation Libero
– Stimmfreigabe: EVP (3*); Schweizerische Evangelische Allianz
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» und indirekter Gegenvorschlag (19.023)
Dossier: Nationales Burkaverbot

In der Volksabstimmung vom 7. März 2021 wurde das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (E-ID-Gesetz) mit 64.4 Prozent Nein-Stimmen schweizweit wuchtig abgelehnt. Kein Kanton stimmte dem Gesetz zu; den höchsten Ja-Anteil erzielte es im Tessin mit 44.2 Prozent. Am deutlichsten fiel die «Ohrfeige», wie die Presse das Resultat vielfach betitelte, im Kanton Basel-Stadt aus, wo sich nur 29.3 Prozent der Stimmberechtigten für die Vorlage aussprachen. Die Stimmbeteiligung lag schweizweit bei 51.3 Prozent.
Das ausgesprochen klare Nein bedurfte in den Medien denn auch nicht langer Interpretation: «Durchgefallen» lautete das Verdikt im St. Galler Tagblatt und im «Corriere del Ticino»; die Stimmbevölkerung habe die E-ID «versenkt», urteilten die Westschweizer Zeitungen «La Liberté», «L'Express» und «Le Nouvelliste». Wahlweise als «Schlappe», «Klatsche», «Abfuhr», «Bruchlandung» oder «Debakel» wurde das Resultat in verschiedenen Deutschschweizer Zeitungen bezeichnet. Im Hinblick auf die vorgesehene Lösung mit privaten E-ID-Anbieterinnen und -Anbietern erkannte die NZZ darin ein «Misstrauensvotum gegen die Banken, Versicherungen und bundeseigenen Unternehmen», die sich im Konsortium SwissSign zusammengeschlossen und auf die Herausgabe der E-ID vorbereitet hatten.
Einig waren sich das unterlegene Befürwortendenlager und die siegreiche Gegnerschaft darin, dass sich das Votum nicht gegen die Idee einer E-ID an sich richtete – von der Notwendigkeit einer solchen im digitalen Zeitalter zeigten sich alle überzeugt –, sondern gegen die Ausgestaltung mit privaten Anbieterinnen und Anbietern. «Das Misstrauen gegenüber einer nicht staatlichen Lösung reichte weit ins bürgerliche Lager, obwohl die offiziellen Parteidevisen jeweils eindeutig schienen», resümierte die Aargauer Zeitung. Der «Blick» fasste zusammen: «Alle wollen die E-ID – aber vom Staat!»
So kündigte die Contra-Seite bereits am Abstimmungssonntag an, im Parlament schnellstmöglich auf ein neues Projekt mit einer staatlichen E-ID hinarbeiten zu wollen. SP, Grüne und GLP wollten in der Folgewoche zwei entsprechende Vorstösse einreichen, liess die Zürcher SP-Nationalrätin Min Li Marti in der NZZ verlauten. Die für das gescheiterte Gesetz zuständige Bundesrätin Karin Keller-Sutter wollte ihrerseits dem Bundesrat ein Aussprachepapier vorlegen, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden, wie sie gegenüber den Medien bekanntgab. Es sei nun wichtig, dass die Regierung und die Parteien die Unsicherheiten und Ängste der Bevölkerung ernst nehmen würden. Unterdessen bedeute das Abstimmungsresultat aber nicht, dass eine rein staatliche Lösung automatisch eine Mehrheit erzielen würde, gab sie zu Bedenken.


Abstimmung vom 7. März 2021

Beteiligung: 51.29%
Ja: 984'574 (35.6%)
Nein: 1'778'196 (64.4%)

Parolen:
– Ja: EVP (2*), FDP, KVP, Mitte (Junge Mitte: 2*), SVP (2*; JSVP: 1*); KdK, SGV, SSV, Economiesuisse, SAV, SGV, Baumeisterverband, Swissmem, SwissICT, SwissBanking, VöV
– Nein: EDU, GLP (6*; JGLP: 1*), GP (1*), PdA, Piratenpartei, SD, SP (1*); SGB, Travail.Suisse, VPOD, Syndicom, Schweizerischer Seniorenrat, Schweizerischer Verband für Seniorenfragen, Vereinigung aktiver Senioren- und Selbsthilfeorganisationen in der Schweiz (VASOS)
– Stimmfreigabe: Pro Senectute
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

E-ID-Gesetz
Dossier: Elektronische Identität

Noch bevor der Abstimmungskampf zur Änderung der direkten Bundessteuer zur steuerlichen Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten, über die im Mai 2020 hätte abgestimmt werden sollen, richtig begonnen hatte, gab der Bundesrat im März 2020 bekannt, die Abstimmung aufgrund des Corona-bedingten Lockdowns auf September 2020 zu verschieben.
Die Abstimmungsvorlage umfasste zwei Aspekte: einerseits die im Titel aufgeführte Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs von CH 10'000 auf CHF 25'000, andererseits die der Vorlage von der bürgerlichen Parlamentsmehrheit hinzugefügte Erhöhung des Kinderabzugs von CHF 6'500 auf CHF 10'000. Im Zentrum der Abstimmungskampagne stand der zweite Aspekt, die Erhöhung des Kinderabzugs, wobei dieselbe Frage die Diskussion dominierte, die schon im Rahmen der Parlamentsdebatte im Mittelpunkt gestanden hatte: Wer profitiert von den Kinderabzügen? Zur Beantwortung dieser Frage stützten sich beide Seiten auf die Daten der ESTV, welche Finanzminister Maurer in der Parlamentsdebatte präsentiert hatte.
Die Befürworterinnen und Befürworter stellten den Nutzen der Vorlage für den Mittelstand in den Mittelpunkt ihrer Kampagne. «Der Mittelstand profitiert», warb etwa die CVP auf ihrer Internetseite. Stütze man sich auf die Definition des BFS für «Mittelstand», erhalte der Mittelstand 49 Prozent der Ermässigungen, argumentierte Marianne Binder-Keller gegenüber dem Sonntagsblick. Gegen diese Darstellung wehrten sich die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage: Der (obere) Mittelstand profitiere zwar auch, in erster Linie nütze die Vorlage aber vor allem den Gutverdienenden, kritisierten sie: Je höher das Einkommen, desto grösser sei der Spareffekt. 70 Prozent der Gesamtentlastung kämen so den 15 Prozent der Familien mit den höchsten Löhnen zu, während 45 Prozent der Familien keine Entlastung erfahren würden, da sie keine Bundessteuern bezahlten. Gar als «Klientelpolitik» bezeichnete etwa das liberale Komitee, vor allem bestehend aus Mitgliedern der GLP, die Vorlage. Noch einseitiger sei die Verteilung schliesslich, wenn nicht nur die Familien, sondern alle Haushalte, also auch die Alleinstehenden und die kinderlosen Paare, die ja ebenfalls von den Steuerausfällen betroffen wären, berücksichtigt würden, betonte überdies Jacqueline Badran (sp, ZH). Berücksichtige man diese ebenfalls, profitierten lediglich sechs Prozent aller Haushalte von 70 Prozent der Steuerausfälle. Man lasse jedoch den Mittelstand im Glauben, dass er von der Vorlage profitiere, indem in der Debatte sowie im Abstimmungsbüchlein jeweils das steuerbare Einkommen aufgeführt werde. Dies sei «total irreführend» (Badran gemäss Blick), da niemand die Höhe seines persönlichen steuerbaren Einkommens kenne. Die ESTV begründete die Verwendung des steuerbaren Einkommens jedoch damit, dass sich der tatsächliche Steuerbetrag beim Bruttoeinkommen zwischen verschiedenen Personen stark unterscheiden könne.
Obwohl die Befürworterinnen und Befürworter immer betonten, dass die Mehrheit der Familien profitiere, gab zum Beispiel Philipp Kutter (cvp, ZH), der die Erhöhung der Kinderabzüge im Nationalrat eingebracht hatte, in einem Interview gegenüber der NZZ unumwunden zu, dass die Vorlage auch eine Steuersenkung für Gutverdienende beinhalte: Über den Steuertarif seien allgemeine Steuersenkung für Gutverdienende «chancenlos», mehrheitsfähig sei einzig der «Weg über die Kinderabzüge».

Nicht nur der Mittelstand, sondern auch die Familien standen im Zentrum der Vorlage. Diese müssten endlich unterstützt werden, betonte Philipp Kutter, was mithilfe der aktuellen Vorlage möglich sei: 60 Prozent aller Familien könnten von einer Erhöhung des Kinderabzugs profitieren. Dem entgegnete etwa die NZZ, dass die Familien in den letzten Jahren stark entlastet worden seien (v.a. durch die Reduktion der Bundessteuer für Haushalte mit Kindern), deutlich stärker zumindest als Kinderlose. Brigitte Häberli-Koller (cvp, TG) befürwortete indes insbesondere, dass durch die aktuelle Vorlage alle Familienmodelle unabhängig der Betreuungsform entlastet würden. Die Gesellschaft habe als Ganzes ein Interesse daran, dass die Leute Kinder bekommen, ergänzte Kutter. Familiäre Strukturen seien für die Gesellschaft wichtig, überdies sei man dadurch weniger auf Zuwanderung angewiesen, die ja ebenfalls teilweise auf Ablehnung stosse. Demgegenüber wurde in der NZZ die Frage diskutiert, ob Kinderabzüge überhaupt gerechtfertigt seien. So könne man es als private Konsumentscheidung ansehen, Kinder zu haben; in diesem Falle würden Kinderabzüge der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit widersprechen. Es gäbe aber einen politischen Konsens, dass das Steuerrecht Kinderkosten berücksichtigen solle. Die Entscheidung, wie diese Unterstützung erfolgen solle (durch degressiv wirkende Kinderabzüge, neutral wirkende Abzüge vom Steuerbetrag oder durch progressiv wirkende Kinderzulagen zum Erwerbseinkommen), sei dann eine weitere, umverteilungspolitische Entscheidung.

Ein weiteres Argument der Gegnerinnen und Gegner der Erhöhung des Kinderabzugs lag in den daraus folgenden hohen Kosten: Die Vorlage verursache voraussichtlich fast 40mal höhere Kosten, als für die Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs geplant worden war, und übertreffe damit auch die Kosten der medial deutlich umstritteneren Verlängerung des Vaterschaftsurlaubs. Dadurch sei zukünftig weniger Geld für andere, sinnvollere Projekte vorhanden, argumentierten sie. SP, Grüne und die Kritikerinnen und Kritiker der Vorlage aus der FDP stellten dabei insbesondere die Individualbesteuerung in den Mittelpunkt. Dieser sprachen sie eine deutlich grössere Wirkung auf die Erwerbstätigkeit von Frauen zu als den Drittbetreuungsabzügen. Da sie aber ebenfalls zu hohen Steuerausfällen führen würde, befürchteten sie, dass die Abschaffung der Heiratsstrafe bei Annahme der aktuellen Vorlage auf die lange Bank geschoben würde, weil kein Geld mehr vorhanden wäre. Verstärkt wurde dieses Argument durch die hohen Kosten zur Bewältigung der Corona-Pandemie: Hatte der Bundesrat während der Budgetdebatte fürs Jahr 2020 noch mit einem Überschuss von CHF 344 Mio. gerechnet, wurde jetzt ein Defizit über CHF 20 Mrd. erwartet. Die Medien vermuteten von diesem Defizit nicht nur Auswirkungen auf die Vorlage zum Drittbetreuungs- und zum Kinderabzug, sondern auch auf die gleichzeitig stattfindenden Abstimmungen zu den Kampfflugzeugen und über den Vaterschaftsurlaub. «Angesichts enormer Zusatzlasten kann sich unsere Gesellschaft erst recht keine Steuergeschenke mehr leisten, die nichts bringen», argumentierte etwa GLP-Nationalrat Thomas Brunner (glp, SG). Das sahen die Befürwortenden anders, Philipp Kutter etwa betonte: «Das wird den Bund nicht umbringen».

Schliesslich waren sich Befürwortende und Gegnerschaft nicht einig, inwiefern das ursprüngliche Ziel der Vorlage, die Förderung der Beschäftigung hochgebildeter Personen, insbesondere von Frauen, durch die Ergänzung der Kinderabzüge gefördert wird. Raphaela Birrer argumentierte im Tages-Anzeiger, dass die Erhöhung der Kinderabzüge die Anreize zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit verstärke. In einer Studie zur Wirkung der beiden Abzüge (Kinderabzug und Drittbetreuungsabzug) auf die Erwerbstätigkeit bestätigte Avenir Suisse diesen Effekt nur bedingt: Zwar senkten beide Abzüge den Grenzsteuersatz (also die Besteuerung von zusätzlichem Einkommen) und förderten damit die Erwerbstätigkeit, jedoch sei der entsprechende Effekt des Kinderabzugs gering. Zudem senke er auch den Grenzsteuersatz von Einverdienerhaushalten, wodurch die Erwerbstätigkeit von Frauen nicht gesteigert werde. Von der Erhöhung des Betreuungskostenabzugs sei hingegen ein deutlich stärkerer Effekt auf die Erwerbstätigkeit zu erwarten, damit könne der Anreiz des aktuellen Steuersystems für Zweitverdienende, nicht oder nur wenig zu arbeiten, gemildert werden. Die GLP stellte entsprechend insbesondere diesen Aspekt in den Mittelpunkt und sprach von einer Mogelpackung, weil die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch die Erhöhung des Kinderabzugs nicht verbessert werde. Nationalrätin Christa Markwalder (fdp, BE), die sich ebenfalls im liberalen Komitee engagierte, reichte im Juni 2020 eine parlamentarische Initiative (Pa.Iv. 20.455) ein, mit der sie das Originalanliegen der Vorlage, also den Drittbetreuungsabzug, erneut aufnahm. Damit sollte dieser bei einer Ablehnung der Vorlage möglichst schnell verwirklicht werden können.
Die Frage, ob die Vorlage Anreize zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit beinhalte oder nicht, hatte aber noch eine zweite Komponente. So störte sich die Weltwoche überhaupt daran, dass das Steuerrecht «für alle möglichen Zwecke instrumentalisiert» werde. Es sei nicht dafür da, «bestimmte Lebensmodelle zu fördern», argumentierte Katharina Fontana. Zudem sei es unmöglich, Steuergerechtigkeit herzustellen, zumal sich niemand jemals gerecht besteuert fühle.

Bezüglich der Komitees gibt es weniger zu sagen. Auf der Befürworterseite der Vorlage standen insbesondere die CVP und die SVP. Ja-Parolen gaben auch die BDP, EVP und die FDP.Liberalen aus, unterstützt wurden sie vom Gewerbeverband. Die Medien interessierten sich indes insbesondere für die Position der Freisinnigen, zumal sie die Vorlage im Parlament anfangs bekämpft, ihr mit ihrem Meinungswandel dann aber zum Durchbruch verholfen hatten. Nun wolle sich die Partei nicht an der Kampagne beteiligen, so die WOZ, zumal sie intern gespalten war: Einzelne Personen, darunter Ständerat Andrea Caroni (fdp, AR) und Nationalrätin Christa Markwalder, sprachen sich gegen die Vorlage aus und beteiligten sich gar am liberalen Nein-Komitee. Dieses setzte sich insbesondere aus Mitgliedern der GLP zusammen und kämpfte vor allem dagegen, dass die «Mogelpackung» viel koste, aber keine oder gar negative Auswirkungen hätte. Damit würden «keine Anreize für arbeitstätige Elternteile geschaffen», betonte Kathrin Bertschy (glp, BE). Auf linker Seite kämpften vor allem die SP und die Grünen, welche die Unterschriften für das Referendum gesammelt hatten, für ein Nein. Unterstützt wurden sie von den Gewerkschaften, aber auch Avenir Suisse sprach sich gegen die Kinderabzüge aus. Stimmfreigabe erteilten hingegen unter anderem die FDP Frauen. Sie befürworteten zwar den Drittbetreuungsabzug, störten sich aber an den hohen Kosten des Kinderabzugs, durch den das wichtigere Projekt der Individualbesteuerung weiter hinausgeschoben werde. Auch der Arbeitgeberverband entschied sich für Stimmfreigabe, nachdem er das Projekt im Parlament noch bekämpft hatte, da es «kaum zu einer stärkeren Arbeitstätigkeit der Eltern beitrage», wie der Blick berichtete. Dasselbe geschah mit Economiesuisse, der das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Vorlage anfangs zu wenig ausgewogen gewesen sei. Der Sonntags-Blick vermutete, dass sich die Verbände nicht zu einer Nein-Parole hätten durchringen können, da das Referendum «aus dem falschen politischen Lager» stammte. Interessant war für die Medien schliesslich auch die Position des Bundesrates, insbesondere von Finanzminister Maurer. Dieser hatte die Vorlage im Parlament mit deutlichen Worten bekämpft, vertrat nun aber – wie im Gesetz für politische Rechte geregelt – die Position des Parlaments. Ersteres hatte er so gut getan, dass sich auch die NZZ nicht sicher war, ob er denn nun die Vorlage persönlich befürworte, wie seine Partei, oder sie ablehne.

Der Abstimmungskampf zur Vorlage verlief ungemein schwach. So stand sie deutlich im Schatten der Corona-Pandemie sowie der anderen vier Vorlagen. Sie wurde gemäss Analysen vom Fög und von Année Politique Suisse einerseits nur sehr schwach in Zeitungsinseraten beworben und andererseits auch in den Medien vergleichsweise selten thematisiert. Die briefliche Stimmabgabe deutete anfänglich auf mässiges Interesse am Super-Sonntag hin, wie der Abstimmungstag mit fünf Vorlagen in den Medien genannt wurde. Die SP schaltete sieben kurze Animationsfilme und gab ein Comic-Heftchen zu den Filmen aus, um zu verhindern, dass die Vorlage untergeht. Die ersten Vorumfragen Mitte August 2020 zeigten dann auch, dass die Meinungsbildung zur Vorlage noch nicht weit fortgeschritten war. Auf diese Tatsache wurde in den entsprechenden Berichten das Zwischenergebnis, wonach die Sympathisierenden von SP und Grünen die Vorlage mehrheitlich befürworteten, zurückgeführt. Besserverdienende gaben zu diesem Zeitpunkt an, der Vorlage eher zuzustimmen. Christian Levrat (sp, FR) hoffte, diese Personen durch die Kampagne noch umstimmen zu können. Die erste Tamedia-Umfrage ergab insgesamt eine Zustimmung («dafür» oder «eher dafür») von 55 Prozent und eine Ablehnung von 37 Prozent, während die SRG-Vorumfrage mit 51 Prozent zu 43 Prozent zu ähnlichen Ergebnissen kam. Diese Zahlen kehrten sich bis zum Termin der letzten Welle Mitte September um: Die Tamedia-Umfrage ergab eine Zustimmung von 46 Prozent und eine Ablehnung von 51 Prozent, die SRG-Umfrage eine von 43 Prozent zu 52 Prozent. Bei den Sympathisierenden von SP und Grünen war die Zustimmung vom ersten zum zweiten Termin gemäss SRG-Umfragen um 19 respektive 14 Prozentpunkte gesunken, bei den Sympathisierenden der GLP ebenfalls um 12 Prozentpunkte. Bei den übrigen Parteien nahm sie ebenfalls leicht ab.

Das Resultat der Abstimmung zur Änderung der direkten Bundessteuer über die steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten war schliesslich deutlicher, als die Vorumfragen und die Ausgangslage viele Kommentatorinnen und Kommentatoren hatten vermuten lassen: Mit 63.2 Prozent Nein-Stimmen lehnte das Stimmvolk die Vorlage mit einer vergleichsweise hohen Stimmbeteiligung von 59.2 Prozent deutlich ab. Dieses Nein lasse jedoch einigen Interpretationsspielraum, betonten die Medien. So gab es zwischen den Kantonen doch beträchtliche Unterschiede: Am kritischsten zeigte sich die Stimmbevölkerung im Kanton Appenzell-Ausserrhoden (28.1%), gefolgt von denjenigen in Appenzell-Innerrhoden (29.3%) und Bern (29.5%), am höchsten lag die Zustimmung im Tessin (52.0%) und in Genf (50.1%), beide Kantonsbevölkerungen hätten die Vorlage angenommen. Allgemein wurde gemäss BFS ersichtlich, dass die italienischsprachige (52.0%) und die französischsprachige Schweiz (48.5%) der Vorlage deutlich mehr abgewinnen konnten als die Deutschschweiz. Kaum Unterschiede waren zwischen Stadt und Land erkennbar: Die ländlichen Regionen (35.3%) lehnten die Vorlage ähnlich stark ab wie die Kernstädte (35.8%). Das Resultat könne nicht mit dem Links-Rechts-Schema erklärt werden, betonte die NZZ. Stattdessen seien vor allem die persönliche Einstellung zur Familienpolitik und zur Rolle des Staates relevant gewesen. Die externe Kinderbetreuung würde in der Romandie stärker akzeptiert und durch den Staat stärker unterstützt als in der Deutschschweiz, betonte denn auch CVP-Ständerätin Marianne Maret (cvp, VS) gegenüber der NZZ. Entsprechend habe in der Westschweiz vor allem der Drittbetreuungsabzug im Mittelpunkt gestanden, während in der Deutschschweiz hauptsächlich über den Kinderabzug diskutiert worden sei, stellte SP-Nationalrätin Franziska Roth (sp, SO) fest. Eine zu späte Kampagne in der Romandie machte schliesslich SP-Nationalrat Roger Nordmann für den hohen Anteil Ja-Stimmen in der französischsprachigen Schweiz verantwortlich. Christian Levrat erachtete das Ergebnis insgesamt als Absage des Volkes an die bürgerliche Steuerpolitik und als Ausblick auf andere bürgerliche Projekte zur Abschaffung der Stempelabgabe, der Industriezölle, des Eigenmietwerts oder der Heiratsstrafe. Stattdessen müssten nun Familien mit tiefen und mittleren Einkommen entlastet werden, insbesondere durch die Senkung der Krankenkassenprämien und die kostenlose Bereitstellung von Kita-Plätzen. Philipp Kutter wollte die Entlastung von Familien weiterverfolgen und plante anstelle des Kinderabzugs einen Abzug vom Steuerbetrag. Dass neben der Erhöhung des Kinderabzugs auch die Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs gescheitert war, erachtete Christa Markwalder nicht als entmutigend und setzte auf ihre eingereichte parlamentarische Initiative. Anders als bei der ersten Behandlung des Themas im Nationalrat, als sich die SP- und die Grüne-Fraktion gegen Eintreten ausgesprochen hatten, kündigte Christian Levrat an, die parlamentarische Initiative zu unterstützen. Dies sei aber nur ein erster Schritt, zusätzlich brauche es auch Lösungen, die sich für die Mehrheit der Bevölkerung auszahlten.


Abstimmung vom 27. September 2020

Beteiligung: 59.2%
Ja: 1'164'415 (36.8%)
Nein: 2'003'179 (63.2%)

Parolen:
- Ja: BDP (1*), CVP, EVP (1*), FDP (1*), SVP; SGV
- Nein: EDU, GLP (1*), GPS, PdA, SD, SP; SGB, SSV, Travail.Suisse, VPOD
- Stimmfreigabe: Economiesuisse, SAV
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten

Um zu verhindern, dass die seit dem 13. März 2020 vom Bundesrat verabschiedeten Verordnungen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie, die sich direkt auf Artikel 185 Absatz 3 der Bundesverfassung stützen, welcher der Regierung das befristete Erlassen von Verordnungen und Verfügungen als Reaktion auf schwere Störungen der öffentlichen Ordnung erlaubt, nach sechs Monaten automatisch ausser Kraft treten, unterbreitete der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft über die Rechtsgrundlagen dieser Verordnungen. Seit April 2020 hatten die Bundeskanzlei und das EJPD dieses dringliche Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie, kurz Covid-19-Gesetz, erarbeitet. Dieses soll den Bundesrat dazu befähigen, auch künftig entsprechende erforderliche Massnahmen weiterzuführen und anzupassen.

Zwischen dem 19. Juni 2020 und dem 10. Juli 2020 wurde der Gesetzesentwurf in eine verkürzte Vernehmlassung geschickt, in welcher über 1'000 Stellungnahmen eingingen. Der Grossteil der Stellungnehmenden waren Privatpersonen, die der Vorlage argwöhnisch gegenüberstanden. Bei den Kantonen stiess das Gesetz auf grössere Zustimmung, wobei alle von ihnen Änderungsvorschläge oder Kommentare einbrachten. 14 Kantone (ZH, BE, LU, OW, NW, GL, FR, SO, SH, AI, SG, GR, TG und GE) sprachen sich grundsätzlich für den Entwurf aus, da sie die Existenz einer rechtlichen Basis für das Weiterverfolgen der durch den Bundesrat getroffenen Massnahmen als eine Notwendigkeit erachteten. Weder eine ausdrückliche Zustimmung noch eine Ablehnung erfuhr die Vorlage von Seiten weiterer elf Kantone (UR, ZG, BS, BL, AR, AG, TI, VD, VS, NE und JU). Der Kanton Schwyz und die KdK sahen explizit von einer Stellungnahme ab. Letztere wird ihre Meinung aller Voraussicht nach zu einem späteren Zeitpunkt einbringen. Bei den Parteien stiess der Gesetzesentwurf auf unterschiedlich grosse Unterstützung. Während ihm die CVP und EVP bedingungslos zustimmten, knüpften die GLP, die Grünen und die EDU ihre Zustimmung an Vorbehalte. Gegen die Vorlage in der vorliegenden Form sprachen sich FDP.Liberale, SP und SVP aus. Die BDP, Ensemble à Gauche, die Lega und die PdA verzichteten trotz Einladung auf eine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf. Von den 60 Organisationen, die am Vernehmlassungsverfahren teilnahmen, unterstützten 27 das Vorhaben, 33 stimmten ihm zwar nicht explizit zu, lehnten es aber auch nicht ausdrücklich ab – keine einzige stellte sich somit ausdrücklich dagegen.

Am 12. August 2020 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zum Gesetzesentwurf, nachdem er als Reaktion auf die Vernehmlassungsantworten einige Änderungen am Vorentwurf vorgenommen hatte – namentlich die Aufnahme des «generellen und verbindlichen Einbezug[s] der Kantone» und die vollständige Überarbeitung der Bestimmungen zum Gesundheitswesen, dem Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz sowie dem Kulturbereich. Der Gesetzesentwurf besteht insgesamt aus 14 Artikeln, welche die Befugnisse der Landesregierung im Umgang mit der Covid-19-Epidemie insbesondere bezüglich der Eindämmung der Auswirkungen auf die Gesellschaft, Wirtschaft und die Behörden festlegen. Er betrifft überdies auch den Ausländerinnen-, Ausländer- und Asylbereich, die Entschädigung bei Erwerbsausfall, die Arbeitslosenversicherung sowie «justizielle, verfahrensrechtliche, gesellschaftsrechtliche und insolvenzrechtliche Massnahmen». Zudem wurde vorgesehen, dass das Gesetz lediglich bis Ende 2021, anstatt wie ursprünglich geplant bis Ende 2022, befristet werden soll. Für Bestimmungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung wurde jedoch eine Befristung bis Ende 2022 festgehalten.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

An der Volksabstimmung vom 9. Februar 2020 musste die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» (Wohnrauminitiative), wie im Vorfeld bereits erwartet worden war, eine Niederlage einstecken. Bei einer Stimmbeteiligung von 41.7 Prozent äusserten sich 42.9 Prozent der Stimmenden positiv zum Volksbegehren. Auf überwiegende Zustimmung stiess die Wohnrauminitiative lediglich in den städtisch geprägten Kantonen Basel-Stadt (60.2%) und Genf (60.1%) sowie in den Westschweizer Kantonen Neuenburg (56.2%), Waadt und Jura (je 53.2%). Am deutlichsten abgelehnt wurde das Volksbegehren in ländlichen Kantonen, allen voran in Appenzell Innerrhoden (24.0%), Obwalden (27.4%), Schwyz (27.6%) und Nidwalden (27.7%). Das Scheitern der Volksinitiative führt dazu, dass der indirekte Gegenvorschlag, welcher eine Aufstockung des Fonds de Roulement, also des Fonds des Bundes zur Vergabe zinsgünstiger Darlehen an gemeinnützige Wohnbauträger, um CHF 250 Mio. über eine Dauer von 10 Jahren vorsieht, in Kraft tritt.
Das Ja in den Städten habe deutlich gemacht, dass das Problem teurer Wohnungen dort gross sei, liess etwa Natalie Imboden, Generalsekretärin des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbandes (SMV), gegenüber den Medien verlauten. Ebenso verwies sie auf einen «masslosen Angriff» der Vermietenden, der aktuell mit mehreren parlamentarischen Initiativen im Parlament stattfinde und der das ungebremste Streben nach Renditen aufzeige (etwa Pa.Iv. 17.491; Pa.Iv. 17.514; Pa.Iv. 17.515). Der SMV kündigte am Tag der Abstimmung ferner an, dass er beabsichtige, sich für eine weitere Erhöhung des Fonds de Roulement einzusetzen; die vom Bund beschlossene Aufstockung an Darlehen für preisgünstige Wohnbauträger würden nicht ausreichen. Eine zweite Initiative zu diesem Anliegen werde es aber in naher Zukunft nicht geben; man konzentriere sich momentan auf die Bekämpfung des Paketes an Vorstössen zur Schwächung des Mietrechts und sei bereit, bei Annahme im Parlament dagegen das Referendum zu ergreifen, bekräftigte Balthasar Glättli (gp, ZH) vom SMV gegenüber den Medien. Auf der anderen Seite interpretierte Hans Egloff (svp, ZH) als Präsident des Hauseigentümerverbandes das Resultat dergestalt, dass regional zugeschnittene Lösungen zielführender seien und dass es andere Massnahmen brauche, da in den Städten die 10-Prozent-Quote bereits erreicht werde. Auch er ortete Handlungsbedarf, wobei er zum einen Subjekt- anstelle von Objekthilfen vorschlug und empfahl zu überprüfen, ob alle Mietparteien in Genossenschaftswohnungen tatsächlich auch Anrecht auf eine solche hätten.


Abstimmung vom 9. Februar 2020

Beteiligung: 41.7%
Ja: 963'740 (42.9%), Stände 16 5/2
Nein: 1'280'331 (57.1%), Stände 4 1/2

Parolen:
- Ja: Grüne, PdA, SP; Berufsverband Soziale Arbeit Schweiz, Caritas, Hausverein, Mieterinnen- und Mieterverband, Schweizerischer Gewerkschaftsbund, Travail Suisse, Wohnbaugenossenschaften Schweiz
- Nein: BDP, CVP, EDU, EVP, FDP, GLP, SVP; Baumeisterverband, Centre patronal, Economiesuisse, Gemeindeverband, Gewerbeverband, Hauseigentümerverband, Verband der Immobilienwirtschaft
- Stimmfreigabe: Städteverband

Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» (BRG 18.035)
Dossier: Gebäudeprogramm; Reduktion des Energieverbrauchs ab 2000

Am 27. Januar 2020 verstarb Nelly Wicky (pda, GE), eine der ersten zwölf 1971 gewählten Nationalrätinnen. Wicky, die nicht nur eine der ersten Frauen, sondern auch die erste Genferin und die erste Kommunistin im eidgenössischen Parlament war, wurde 96-jährig. Sie trat damals für die PdA, die sie von 1969 bis 1991 auch im Genfer Stadtparlament vertrat, erfolgreich für die nationalen Wahlen an. Die ausgebildete Primarlehrerin wurde 1975 allerdings nicht mehr gewählt, weil die PdA ihren Sitz verlor.

Tod von Nelly Wicky

Am 17. September 2018 lancierte das Referendumskomitee seine Kampagne gegen das Gesetz über die Grundlage der Überwachung von Versicherten vor dem Hauptsitz der CSS-Krankenversicherung in Bern. Ziel dieser Aktion sei gemäss Komitee, den Fokus der Diskussion auch auf die Krankenkassen zu lenken. Da alle Bürger krankenversichert seien, könnten sie alle zukünftig einmal ins Visier der Sozialdetektive geraten, argumentierte Dimitri Rougy vom Referendumskomitee. Dass das neue Gesetz – entgegen deren Erklärungen – für die Krankenkassen wichtig sei, zeige das starke Lobbying, das sie diesbezüglich in Bern betrieben hätten. Dieser Darstellung widersprach die CSS: Observationen spielten für sie jetzt und auch zukünftig bei der Missbrauchsbekämpfung keine Rolle, erklärte CSS-Sprecherin Christina Wettstein.
Noch während der Abstimmungskampagnen präsentierte der Bundesrat seine Verordnung zur Anforderung an die mit der Überwachung betrauten Personen. Diese müssten über eine Bewilligung des BSV verfügen, in den letzten 10 Jahren nicht für ein mit der Überwachung zusammenhängendes Delikt verurteilt worden sein, über eine Polizeiausbildung oder gleichwertige Ausbildung, dazu zählt auch eine Ausbildung an einer Detektivschule, sowie über ausreichende Rechtskenntnisse verfügen und mindestens zwei Jahre Berufserfahrung in der Personenüberwachung haben. Zudem soll das BSV ein Verzeichnis über die entsprechenden Personen führen. Dies sei zwar besser als gar keine Regelung, erklärte Silvia Schenker (sp, BS) als Mitglied des Referendumskomitees, löse aber das Grundproblem der Überwachung nicht.
In der Folge versuchten die Referendumsführenden klar zu machen, dass es ihnen nicht in erster Linie darum gehe, Observationen zu verhindern. Diese dürften aber nicht willkürlich erfolgen, sondern müssten auf einer sorgfältig ausgearbeiteten gesetzlichen Grundlage beruhen. Eine solche stelle das neue Gesetz aber nicht dar, da zu viele Punkte unklar seien. Zudem gingen die Möglichkeiten, welche die Versicherungen erhielten, viel zu weit. Man würde damit «mit Kanonen auf Spatzen […] schiessen», betonte Anne Seydoux (cvp, JU). Erstere Kritik unterstützte auch ein bürgerliches Komitee, vor allem bestehend aus Jungen Grünliberalen sowie teilweise aus Jungfreisinnigen. Unterstützt wurden sie von einigen Kantonalsektionen, etwa der GLP Neuenburg oder der CVP Jura, CVP Neuenburg und CVP Genf. Offiziell bekämpft wurde die Vorlage schliesslich von SP, Grünen und Grünliberalen, Letztere entschieden sich aber mit 67 zu 61 Stimmen nur knapp und gegen den Willen des Parteivorstands gegen das Gesetz. Unterstützung in den Medien erhielten die Komitees während des Abstimmungskampfes auch von einem Teil des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB): Die Hälfte der Verbandsmitglieder, die an einer entsprechenden Befragung teilgenommen hätten, lehne das neue Gesetz ebenfalls ab, weil Privatdetektive verglichen mit den Strafverfolgungsbehörden zu viele Kompetenzen erhielten, berichteten die Medien.
Auf der anderen Seite betonten die Befürworterinnen und Befürworter des neuen Gesetzes, zu dem unter anderem die SVP, FDP, CVP, BDP und EDU sowie zum Beispiel der Gewerbeverband, der Arbeitgeberverband und der Versicherungsverband zählten, dessen Wichtigkeit für die Sozialversicherungen. Einerseits sei eine konsequente Verfolgung von Missbrauch für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Sozialversicherungen zentral, andererseits könnten so Kosten gespart werden, wodurch mehr Geld für die tatsächlich Berechtigten übrigbliebe. Um letzteren Punkt zu verdeutlichen, führten die Befürwortenden des Gesetzes an, wie viele unrechtmässig bezogenen Leistungen durch die Observationen gespart werden können. Alleine zwischen 2009 und 2016 habe die IV gemäss Zahlen des BSV wegen festgestellten Missbräuchen in etwa 2000 Fällen pro Jahr insgesamt Renten in der Höhe von CHF 1.2 Mrd. eingespart. Jährlich seien 220 Fälle mithilfe von Observationen durchgeführt worden, wobei sich der Verdacht in der Hälfte der Fälle bestätigt habe. Der momentane Überwachungsstopp erschwere den entsprechenden Stellen hingegen die Überführung von Betrügerinnen und Betrügern. So erklärte die IV-Stelle Bern, dass sie im ersten Halbjahr 2018 nur halb so viele Fälle unrechtmässig bezogener Leistungen festgestellt habe wie im ersten Halbjahr 2017. Keine entsprechende Einschätzung abgeben wollte jedoch zum Beispiel die IV-Stelle des Kantons Aargau, die SVA Aargau, da aufgrund der langen Dauer der Überwachungen zu Beginn des Untersuchungszeitraums noch Observationen eingesetzt worden seien. Auch Silvia Schenker kritisierte entsprechende Aussagen als reine Spekulation, da nicht nachgewiesen werden könne, ob die Unterschiede tatsächlich auf die fehlenden Observationen zurückzuführen seien.

Ungewohnt grosse Aufmerksamkeit erhielt im Rahmen des Abstimmungskampfes das Abstimmungsbüchlein. Das Referendumskomitee kritisierte in den Medien die Informationspolitik des Bundesrates im Abstimmungsbüchlein deutlich. Letzteres sei fehlerhaft, so dass die freie Meinungsbildung nicht mehr gewährleistet sei. Beanstandet wurde insbesondere, dass das neue Gesetz durch Aussagen, wonach dieses keine Möglichkeiten schaffe, in Wohn- und Schlafzimmern zu filmen, und wonach Richtmikrofone und Wanzen nicht erlaubt seien, verharmlost werde. Dem widersprach die Bundeskanzlei und erklärte, man habe die Grundsätze der Sachlichkeit, Transparenz und Verhältnismässigkeit eingehalten. In der Folge versuchte das Komitee, den Versand des Abstimmungsbüchlein durch eine Abstimmungsbeschwerde beim Kanton Zürich und anschliessend beim Bundesgericht zu verhindern. Das Bundesgericht wies hingegen den Antrag auf Versandstopp ab. Ein solcher sei nicht gerechtfertigt, weil auch zwei weitere Vorlagen Ende November 2018 zur Abstimmung kämen. Inhaltlich entschied es jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Etwa drei Wochen vor dem Urnengang wurde schliesslich publik, dass die Zahlen des BSV zur Anzahl Observationen bei der IV nicht korrekt waren. So wäre etwa der Kanton Freiburg mit knapp 4 Prozent der Schweizer Bevölkerung für 30 Prozent aller Observationen verantwortlich gewesen; statt 70 Observationen, wie sie das BSV aufführte, hätten in demselben Zeitraum in Freiburg jedoch nur 8 Observationen stattgefunden, erklärte dann auch der Direktor der kantonalen Sozialversicherungsanstalt. Auch in Bern und in Basel-Landschaft waren die Zahlen falsch. Diese Fehler hatten Auswirkungen auf die Höhe der Einsparungen durch die Observationen, die von der Anzahl Observationen abhängt. In der Folge musste die Bundeskanzlei die im Abstimmungsbüchlein gedruckten Zahlen korrigieren: Jährlich komme es bei der IV von 2'400 Fällen, in denen Verdacht auf Sozialversicherungsbetrug bestehe, in 150 Fällen zu Observationen, nicht in 220 Fällen wie ursprünglich erklärt. Da das Abstimmungsbüchlein zu diesem Zeitpunkt bereits gedruckt und verschickt war, korrigierte der Bund die Zahlen nur in der elektronischen Fassung. Dies könne womöglich rechtliche Folgen – bis hin zur Ungültigerklärung der Abstimmung – haben, spekulierten die Medien.
Kurze Zeit später wurde ein weiterer Fehler im Abstimmungsbüchlein publik. So berichtigte die GPK-NR eine Angabe in einer Tabelle, wonach der Nachrichtendienst zum Beispiel Telefonüberwachungen zur Bekämpfung von «Terrorismus und gewalttätigem Extremismus» einsetzen könne. Dies stimme nur für Terrorismus, gegen gewalttätigen Extremismus, zum Beispiel gegen Links- oder Rechtsradikale, könne der Nachrichtendienst keine Telefonüberwachung einsetzen. Relevant war dieser Aspekt vor allem, weil die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage argumentierten, die Sozialversicherungen erhielten weitergehende Kompetenzen als Polizei oder Nachrichtendienst – was die Befürworterinnen und Befürworter bestritten.
Nicht nur das Abstimmungsbüchlein, auch die Zahlen bezüglich der Observationen, die der Schweizerische Versicherungsverband (SSV) publizierte, erwiesen sich kurz darauf als unvollständig. Der Verband sprach von 100 Fällen von Observationen pro Jahr und erklärte, das «Mittel der Observation [werde] zurückhaltend, aber effizient eingesetzt». Dabei führte er jedoch nur die Observationen zum obligatorischen Bereich der Unfallversicherung, nicht aber diejenigen von anderen Versicherungen (z.B. Zusatzversicherungen, Krankentaggeldversicherungen, Haftpflichtversicherungen) auf, bei denen Überwachungen deutlich häufiger eingesetzt werden, die jedoch das neue Gesetz nicht betraf.

Die Medien publizierten während des Abstimmungskampfes mehrmals Geschichten, welche unrechtmässige Bezüge von Sozialversicherungsgeldern thematisierten. So veröffentlichte etwa das Bundesgericht Mitte Oktober 2018 ein Urteil zu einer Person, die wegen Sozialversicherungsbetrugs ihren Rentenanspruch verlor (9C_221/2018). Auch ein Bericht in der «Rundschau» sowie Überwachungsvideos von Betrügern, die der Präsident der Konferenz der kantonalen Ausgleichskassen, Andreas Dummermuth, veröffentlichte, wurden von den Medien aufgenommenen. Andererseits kamen auch Personen zu Wort, welche zu Unrecht observiert worden waren, und im Zusammenhang damit wurden auch die Folgen von solchen Überwachungen beleuchtet. So könnten diese bei den Überwachten seelische Spuren bis hin zu psychischen Beschwerden und dem Gefühl des Überwachtwerdens hinterlassen und bestehende psychische Erkrankungen noch verstärken, erklärte die Psychiaterin Maria Cerletti gegenüber dem Blick. Dabei wirke nicht nur die Überwachung selbst schädlich, sondern bereits das Wissen, dass man überwacht werden könnte.

Deutliche Vorzeichen für den Abstimmungssonntag lieferten die Vorumfragen. Die verschiedenen Wellen der Tamedia-Umfrage zeigten konstant einen Ja-Stimmenanteil von ungefähr zwei Dritteln der Stimmen (1. Welle: 67% Jastimmen, 30% Neinstimmen, 2. Welle: 68% Jastimmen, 30% Neinstimmen, 3. Welle: 67% Jastimmen, 32% Neinstimmen), die zwei Wellen der SRG-Umfrage durch gfs.bern machten Ja-Mehrheiten von 57 respektive 59 Prozent aus. Ob der relativ klaren Ausgangslage begannen sich die Medien gegen Ende des Abstimmungskampfes für die Frage zu interessieren, was bei einer Bestätigung des Gesetzes durch das Volk geschehe. So bestehe durchaus die Möglichkeit, dass der EGMR in Strassburg auch das neue Gesetz beanstande, weil dieses verschiedene Anforderungen des Urteils von 2016 nicht erfülle. Zum Beispiel seien die Regelungen bezüglich der anordnenden, durchführenden und überwachenden Einheiten sowie die Art und Weise der Überwachung zu unpräzise formuliert, erklärte etwa Kurt Pärli, Professor für Soziales Privatrecht der Universität Basel, ebenfalls gegenüber dem Blick.

Am 25. November 2018 fiel das Abstimmungsergebnis ähnlich deutlich aus, wie die Umfragen zuvor angekündigt hatten. Mit 64.7 Prozent bei einer Stimmbeteiligung von 48.4 Prozent sprachen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für das Gesetz zur Überwachung der Versicherten aus. Am höchsten lag die Zustimmung in den Kantonen Appenzell-Innerrhoden (81.2%), Nidwalden (78.0%), Obwalden (76.4%) und Schwyz (76.4%), abgelehnt wurde es in den Kantonen Jura (48.6%) und Genf (41.4%). Neben deutlichen sprachregionalen Unterschieden – in der Deutschschweiz lag die Zustimmung gemäss einer Auswertung des BFS durchschnittlich um fast 18 Prozentpunkte höher als in der Romandie, aber um etwa 2 Prozentpunkte tiefer als in der italienischsprachigen Schweiz – zeigten sich auch grosse Differenzen zwischen städtischen und ländlichen Regionen: Hier betrugen die Differenzen 15.7 Prozentpunkte in der Deutschschweiz und 11.3 Prozentpunkte in der Romandie. Lediglich in der italienischsprachigen Schweiz stimmten die Stadt- und die Landbevölkerung ähnlich (2.4 Prozentpunkte Unterschied). Unterschiede zeigten sich gemäss der Nachabstimmungsbefragung Voto auch zwischen den Altersgruppen: Personen zwischen 18 und 29 Jahren stimmten der Vorlage nur zu 42 Prozent zu, alle übrigen Altersgruppen wiesen Zustimmungsraten zwischen 60 und 76 Prozent auf. Ähnlich wie zuvor die Tamedia-Nachbefragung zeigte auch Voto auf, dass die Sympathisantinnen und Sympathisanten der Grünen (Voto: 24%, Tamedia: 22%) dem neuen Gesetz deutlich kritischer gegenüberstanden als diejenigen der SP (Voto: 42%, Tamedia: 38%). Die Befürworterinnen und Befürworter zielten gemäss Voto in erster Linie auf eine effektive Missbrauchsbekämpfung bei den Sozialversicherungen ab, die Gegnerinnen und Gegner bezogen sich in ihrer Argumentation insbesondere auf die Probleme der Vorlage bezüglich der Rechtsstaatlichkeit.

Das Ergebnis zeige, dass ohne schlagkräftige Organisation im Rücken zwar eine Abstimmung erzwungen, nicht aber gewonnen werden könne, urteilten die Medien. Mit «Die Grenzen der Bürgerbewegung» fasste das St. Galler Tagblatt die Vorlage zusammen. Auch die Initianten betonten, dass ihnen im Hinblick auf die «millionenschwere Kampagne der Versicherungsbranche» das notwendige Geld für einen Vollerfolg gefehlt habe. Einen Teil ihres Ziels hätten sie jedoch dadurch erreicht, dass durch verschiedene im Abstimmungskampf gemachte Äusserungen der Befürworterinnen und Befürworter persönlichkeitsrechtliche Aspekte hätten geklärt werden können, zum Beispiel die Frage von Filmaufnahmen aus Schlafzimmern. Daran müsse sich die Justiz orientieren, auch wenn diese nicht direkt in die Gesetzesauslegung einfliessen würden, betonte zum Beispiel Daniel Gerny in der NZZ.


Abstimmung vom 25. November 2018

Beteiligung: 48.4%
Ja: 1'667'849' (64.7%), Stände: 21
Nein: 909'172 (35.3%), Stände: 2

Parolen:
– Ja: BDP, CVP, EDU, FDP, SVP, Arbeitgeberverband, Gewerbeverband, Versicherungsverband
– Nein: GPS, GLP, PdA, SD, SP, Dachverband der Behindertenorganisationen, Gewerkschaftsbund, Pro Infirmis, Travailsuisse
– Stimmfreigabe: EVP
* in Klammern die Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Parlament schafft eine gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten (Pa. Iv. 16.479)
Dossier: Überwachung von Versicherten (2016-2019)

Zwischen der Behandlung der Initiative im Parlament im September 2017 und der Volksabstimmung im März 2018 riss die Berichterstattung und die Debatte über die Initiative zur Abschaffung der Billag-Gebühren nicht mehr ab. Insbesondere nachdem Medienministerin Doris Leuthard im Oktober 2017 die neue Radio- und Fernsehabgabe von 365 Franken pro Jahr präsentiert hatte, gab es für die Medien kein Halten mehr. Diskutiert wurden in der Folge alle möglichen Aspekte der Vorlage. Relativ schnell beschrieben war der Inhalt der Initiative: Die Empfangsgebühr für Radio und Fernsehen soll abgeschafft werden und der Bund soll in Friedenszeiten keine Radio- und Fernsehstationen betreiben oder subventionieren dürfen. Stattdessen soll er entsprechende Konzessionen versteigern. Welche Auswirkungen eine solche Änderung hätte, wer sie befürwortete oder bekämpfte und wer wie davon betroffen wäre, sorgte in der Folge in Medien und Gesellschaft für viel Gesprächsstoff und wurde in über 7'000 Presseartikeln und 68'000 Tweets, Letztere gemäss (Fög) alleine zwischen anfangs Januar und Mitte Februar 2018, diskutiert.

Zu Beginn des Abstimmungskampfes besonders interessant war die Frage nach den Initianten und Befürwortern der Vorlage. Diese stellten gemäss Le Temps eine «alliance de circonstance» zwischen verschiedenen Akteuren vor allem aus der Deutschschweiz dar: neoliberale Rechte insbesondere aus der Zürcher SVP; junge Libertäre, die dadurch ihre Vision einer ultraliberalen Welt verbreiten wollten, sowie private Verleger, die sich Vorteile aus der Initiative erhofften. Die Hauptakteure der No-Billag-Komitees kamen folglich mit Olivier Kessler, Co-Initiator der Initiative und einstigem Präsidenten der Jungen SVP Schwyz, mit Thomas Juch, No-Billag-Co-Präsident und Vizepräsident der Jungfreisinnigen, mit Andreas Kleeb, Kommunikationsstratege und ehemaligem Parteipräsidenten der FDP Zug, und mit den Präsidenten der Unterstützerkomitees der Romandie, dem Jungfreisinnigen Nicolas Jutzet, und des Tessins, dem SVP-Gemeinderat von Lugano, Alain Bühler, aus dem Umfeld junger Libertärer. Deren Bewegung erlangte in der Folge durch Zeitungsinterviews und Auftritte in Diskussionsrunden einige mediale Aufmerksamkeit.
Anfangs sprach sich neben den Initianten kaum jemand für die Initiative aus; unterstützt wurde sie lediglich von der Zürcher SVP und vom Gewerbeverband, die beide relativ früh die Ja-Parole beschlossen hatten. Auch die Aktion Medienfreiheit, eine Gruppe privater Verleger präsidiert von Natalie Rickli (svp, ZH), sprach sich für die Vorlage aus, da ihr die Aktivitäten der SRG zu weit gingen. Lange fragten sich die Medien, was die SVP machen werde: Es seien bei ihr zwar schon immer Sympathien für die Initiative zu spüren gewesen, aber die Partei sei diesbezüglich gespalten. Eine Halbierung der Gebühr, wie es ihr Gegenvorschlag vorgesehen hatte, wäre von den meisten Exponentinnen und Exponenten bevorzugt worden, war zu lesen. Ebendiese Forderung anstelle der radikaleren Nullforderung hatte Nationalrätin Rickli den Initianten bereits vor Lancierung des Volksbegehrens nahegelegt. Die Medien erklärten die Zurückhaltung der SVP damit, dass es sich beim Thema der Initiative nicht um ein Kernanliegen der SVP handle und die im Januar 2018 lancierte Begrenzungsinitiative viele Ressourcen binde. Im Laufe der Kampagne sprachen sich jedoch immer mehr Mitglieder der SVP für die Initiative aus, unter ihnen auch alt-Bundesrat Christoph Blocher und Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR). Kurz vor der Abstimmung empfahl die SVP schliesslich mit 242 zu 17 Stimmen ein Ja zur Initiative. Zudem fassten die EDU und die Unabhängigkeitspartei up! die Ja-Parole.
Da zu Beginn der Kampagne noch unklar war, ob sich die SVP oder der Gewerbeverband finanziell beteiligen würden, setzten die Befürworter der Initiative auf Crowdfunding. Dieses sorgte für Aufmerksamkeit, nachdem der Betreiber der Crowdfunding-Seite erklärt hatte, die Sammelaktion für die Initiative zu stoppen und die bereits erhaltenen Gelder zurückzubezahlen. Die No-Billag-Initiative sei schlecht für die Kohäsion der Schweiz und als privates Unternehmen habe man das Recht, den Auftrag zu verweigern, erklärte die Geschäftsleitung. Olivier Kessler wertete dies als Sabotage und Affront gegen die Leute, die bereits insgesamt CHF 11‘500 für die Initiative gespendet hätten. Knapp 24 Stunden später startete das Crowdfunding auf einer privaten Seite erneut und erzielte nun – aufgrund von Solidaritätsbekundungen oder Gratiswerbung – mehr Spendengelder als zuvor: In den ersten 48 Stunden erhielten die Befürworter Spenden über CHF 22‘000, bis Ende Dezember 2017 nahmen sie insgesamt CHF 86‘000 mittels Crowdfunding ein.

Das Lager der Initiativgegner war relativ breit aufgestellt. Von den Parteien gaben die SP, die Grünen, die CVP, die BDP, die GLP, die EVP und die CSP die Nein-Parole heraus, genauso wie zum Beispiel Operation Libero, die Schweizerische Bischofskonferenz, die KdK und die Westschweizer Regierungskonferenz. Zögerlicher zeigten sich Economiesuisse und FDP. Die Freisinnigen fassten zwar mit 204 zu 82 Stimmen klar die Nein-Parole, machten aber an der Delegiertenversammlung ihrem Unmut gegenüber der SRG Luft. FDP-Präsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) fasste die Position der Partei entsprechend zusammen: «Es braucht Anpassungen, aber keine Revolution.» Auf deutliche Ablehnung stiess die Initiative hingegen bei der CVP, von den Medien häufig als «SRG-Partei» bezeichnet. Mit 50 zu 0 Stimmen beschloss der Parteivorstand die Nein-Parole entsprechend deutlich; die CVP übernahm zudem die Leitung der Kampagne. Trotz ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Volksbegehren geizten zahlreiche Initiativgegner nicht mit Kritik an der SRG und betonten, dass sie für den Gegenvorschlag gestimmt hätten, wenn dieser zustande gekommen wäre.
In Übereinstimmung mit der breiten Gegnerschaft der Initiative entstanden zahlreiche verschiedene Contra-Komitees. Dazu gehörten ein überparteiliches Komitee «Nein zu No Billag», dem sich über 140 nationale Parlamentarierinnen und Parlamentarier anschlossen, der Verein «Nein zum Sendeschluss», dem verschiedene zivilgesellschaftliche Akteure, darunter der Schriftsteller Pedro Lenz, der Direktor der Schweizer Journalistenschule und ehemalige SRF-Chefredaktor Diego Yanez sowie die Co-Präsidentin von Operation Libero Laura Zimmermann, angehörten. Operation Libero engagierte sich auch in einer eigenen Kampagne und erhoffte sich, mit Crowdfunding CHF 280‘000 zu erhalten, was dem Betrag entspricht, den die Bewegung bereits für ihre Kampagne gegen die Durchsetzungsinitiative auf dieselbe Weise erzielen konnte. Dieses Ziel erreichte Operation Libero im Dezember 2017 nach lediglich einer Woche Sammelaktion: Nachdem eine Vorumfrage der Sonntagszeitung einen deutlichen Vorsprung der Befürworter gezeigt hatte, schossen die Spenden durch die Decke. Zudem setzten sich das Komitee «NEIN zu No-Billag», bestehend aus engagierten Personen aus der Zivilgesellschaft, das Schweizer Syndikat Medienschaffender (SSM) mit der Kampagne «Made in Switzerland», Kulturschaffende mit dem «Aufruf der Kulturschaffenden gegen No-Billag» und der «Verein für die Rettung meiner Lieblingssendung», der eigens für diese Kampagne ins Leben gerufen worden war, gegen die Initiative ein. Zudem entstanden verschiedene Regionalkomitees in der Romandie, dem Tessin und im Bündnerland.

Breit diskutiert wurden in den Medien auch die Argumente der Befürworter und Gegner der Initiative. Die Initianten argumentierten, durch die Abschaffung der sogenannten «Zwangsgebühren» könne die Bevormundung der Bürger durch den Staat zumindest im Medienbereich gestoppt werden. Die Bürger sollten die Freiheit haben, zu wählen, was sie sehen und bezahlen wollen, erklärte Nicolas Jutzet. Dies betreffe insbesondere die jüngere Generation, die kaum noch lineares Fernsehen nutze: Untersuchungen des Fög sowie von Mediapulse und Vimentis verdeutlichten, dass nur noch 14 Prozent der 18- bis 24-Jährigen Fernsehen als Hauptinformationsquelle nutzen, die Marktanteile insbesondere von SRF 1 in dieser Altersgruppe deutlich niedriger liegen als für ältere Gruppen und Junge unzufriedener sind mit der SRG als ältere Personen.
Überdies würden die Gebühren einen fairen Wettbewerb und damit die Entstehung eines «vielseitigen und qualitativ hochstehenden Fernsehmarktes in der Schweiz» verhindern, argumentierte Mitinitiant Sebastian Frehner (svp, BS). Eines der prominentesten Argumente der Befürworter bezog sich demnach auf die Rolle der SRG. Die Befürworter der Initiative erachteten die No-Billag-Initiative als Möglichkeit, die Übermachtstellung der SRG zu brechen und dadurch die privaten Medienunternehmen zu stärken. Die SRG ruiniere mit ihren Gebührenmilliarden und einer aggressiven Wettbewerbsstrategie die privaten Medienhäuser, da sie durch den Startvorteil der Gebührenfinanzierung die Privaten am Werbemarkt unter Preisdruck setze und einfacher in neue Geschäftsfelder vorstossen könne, wurde argumentiert. Mit dieser Meinung standen die Initiativbefürworter nicht alleine da. Bis weit ins gegnerische Lager pflichtete man den Initianten bei, dass die SRG die Presse und die privaten Sender konkurriere, obwohl sie dies rechtlich nicht dürfe. Eine finanzielle Unterstützung der SRG sei nötig, erklärten hingegen die übrigen Initiativgegner. Dass bei den Medien der freie Markt, den die Initianten forderten, nicht spiele, könne man am Beispiel der Zeitungen sehen, erklärte Martin Candinas (cvp, GR). Daher bedürfe es bei Produktion und Verteilung von politischen und kulturellen Inhalten eines staatlichen Eingriffs, war in Le Temps zu lesen. Ohne staatliche Unterstützung könnten die Kosten zur Bereitstellung dieser Informationen nicht gedeckt werden. Da es sich für die grossen Medienunternehmen nicht lohnen würde, sich an der Versteigerung der Konzessionen zu beteiligen, käme eine Ersteigerung einzig für Milliardäre in Frage, betonte Roger Nordmann (sp, VD) zudem. Folglich käme es bei Annahme der Initiative zu einer sogenannten «Berlusconisierung» der Medienlandschaft: Einzelne finanzstarke Personen oder Unternehmen würden zukünftig den Medienmarkt und damit die Meinungsbildung dominieren.
Welche direkten Folgen eine Annahme der Initiative für die SRG hätte, war sehr umstritten und entwickelte sich immer mehr zur Glaubensfrage. Während Medienministerin Leuthard sowie mehrere Exponenten der SRG betonten, dass eine Annahme der Initiative das Ende der SRG bedeuten würde, bezweifelten dies die Initianten. Leuthard erklärte, dass die Initiative so klar formuliert sei, dass der Bundesrat sie per Verordnung umsetzen würde – das entsprechende Gesetz könne wohl kaum rechtzeitig erarbeitet werden. Man würde daher die Gebühren innerhalb eines Jahres zurückfahren. Auch SRG-Präsident Jean-Michel Cina, SRG-Generaldirektor Gilles Marchand sowie SRF-Direktor Ruedi Matter betonten, dass es bei einer Annahme zu einem Lichterlöschen bei der SRG und zu einer sukzessiven Entlassung der 6'000 Mitarbeitenden kommen würde. Insbesondere da bei Annahme der Initiative ein Grossteil der Bürger sofort aufhören würde, Gebühren zu bezahlen, wodurch die SRG in kürzester Zeit Liquidationsprobleme bekäme. Danach gäbe es in der Schweiz nur noch hoch kommerzielles Fernsehen mit viel Werbung. Dieser Darstellung widersprachen die Initianten: Sendungen mit hohen Einschaltquoten liessen sich über den Werbemarkt weiterhin finanzieren, betonte zum Beispiel Andreas Kleeb. Die SRG würde durch die Initiative zu einem gewöhnlichen Medienunternehmen, das sich am Markt bewähren müsste, erklärte auch Christoph J. Walther, Fachjournalist für Medien. Die Weltwoche rechnete aus, dass die SRG CHF 310 Mio. einnehmen könnte, wenn nur ein Viertel aller heutigen SRG-Nutzerinnen und -Nutzer die SRG-Programme zukünftig abonnieren würde. Da man bezüglich Werbung freier wäre, könnte man den Zuschauerrückgang durch längere Werbefenster sowie Werbung in Internet und Radio kompensieren. Auch der emeritierte Rechtsprofessor Rainer J. Schweizer hielt die Darstellung eines abrupten Endes der SRG für übertrieben. Er erklärte, die SRG würde vorläufig ihren Programmauftrag behalten und könnte weiter existieren, bis das Parlament das RTVG angepasst habe, weil dieses eine stärkere rechtliche Wirkung habe als die Ausführungsbestimmungen der Initiative. Um die Diskussionen zur Zukunft der SRG bei Annahme der Initiative auf eine solidere Basis zu stellen, hatte die KVF-NR bereits im April 2017 einen Bericht des BAKOM zu zwei Budgetvarianten der SRG gefordert, der im Juni 2017 erschien.
Nicht nur die SRG, auch die 21 respektive 13 regionalen Radio- und Fernsehstationen würde eine Annahme der Initiative vor grosse Probleme stellen, gaben Letztere zu bedenken. Diese erhalten ebenfalls CHF 68 Mio., zukünftig sogar CHF 81 Mio., aus dem Gebührentopf und sind zu etwa 50 Prozent gebührenfinanziert. Ohne diese Unterstützung könnten sie somit kaum überleben. Silvio Lebrument, Geschäftsführer der Somedia, erklärte, auch für den Radio- und Fernsehsender Südostschweiz würde eine Annahme der Initiative das Aus bedeuten. Folglich kritisierte auch der Verband der Schweizer Regionalfernseher Telesuisse die Initiative stark.
Eine Annahme der Initiative hätte schliesslich gemäss den Initiativgegnern auch negative Konsequenzen für die (Sprach-)Minderheiten. So erklärte Medienministerin Leuthard im Dezember, dass die Initiative diese deutlich stärker treffen würde als die Deutschschweiz. Heute fände eine Quersubventionierung der französisch- und italienischsprachigen Sender durch die Deutschschweizer Gebührenzahlenden statt: RSI zum Beispiel erhält 20.5 Prozent der Gebühreneinnahmen für 8.1 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner. Ohne diese Umverteilung könnten Radio- und Fernsehsender in anderen Sprachregionen kaum produziert werden, da die Märkte zu klein seien, erklärte Pascal Crittin, Direktor von RTS. Ausschliesslich werbefinanziert liesse sich hochwertiges Fernsehen nicht produzieren, bei einem Ja müsse RTS daher schliessen. Entsprechend kritisch zeigten sich die Medien und Akteure in der Romandie bezüglich der Initiative. Relativ lange war die Diskussion zur Initiative in den Westschweizer Medien deutlich weniger virulent als in der Deutschschweiz, die Initiative galt als chancenlos. Zudem sei das Westschweizer Fernsehen gemäss Peter Rothenbühler, langjährigem Chefredaktor von Le Matin, dank verschiedener hervorragender Informationssendungen in der Bevölkerung fest verankert. Aufgrund ausgewogener Informationsveranstaltungen und kontroverser Diskussionen sei auch der Vorwurf, die Sender seien politisiert, nie aufgekommen. Diese positive Einstellung zur SRG zeigte sich auch in der von Année Politique Suisse untersuchten Inseratekampagne: Im Vergleich zu früheren Vorlagen wurden in den französischsprachigen oder zweisprachigen Kantonen überdurchschnittlich viele Contra-Inserate publiziert, jedoch beinahe keine Pro-Inserate.
Speziell war die Lage für den Kanton Tessin, wo RSI mit 1100 Stellen, 500 Stellen bei Zulieferern und einer Wertschöpfung von CHF 213 Mio. gemäss einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts BAK Basel einer der grössten Arbeitgeber des Kantons ist. RSI-Direktor Maurizio Canetta betonte entsprechend die Gefahr der Vorlage für den Südkanton. Da das Tessin aktuell dreimal mehr Geld aus dem Gebührentopf erhalte, als es einzahle, würden bei Annahme der Initiative nur noch kommerzielle Gewinne zählen, die Regionalität ginge verloren. Mittelfristig müsse RSI schliessen, dann könnten nur noch italienische Sender empfangen werden. Trotz oder gerade wegen der starken Lage von RSI entwickelte sich im Tessin eine überaus starke Befürworterkampagne zur Initiative. Mit fast 60 Inseraten im untersuchten Zeitraum und den untersuchten Zeitungen – von denen jedoch mehr als die Hälfte in der Lega-nahen Zeitung «Il Mattino della Domenica» erschienen waren – legten sich die Befürworter mächtig ins Zeug, wie die Auswertung von Année Politique Suisse zeigte. Hauptsächlich kritisierten sie darin die Grösse der SRG und die staatliche Kontrolle des Fernsehens.
Ebenfalls besonders stark betroffen war der Kanton Graubünden als einziger dreisprachiger Kanton. Martin Candinas erklärte, die Vorlage sei ein Frontalangriff auf das rätoromanische Radio- und Fernsehangebot und ein Kahlschlag für den Medienplatz Schweiz. Der Kanton Graubünden würde bei einer Annahme der Initiative aus den Medien verschwinden, berichtet werden würde nur noch über Naturkatastrophen, ergänzte Nationalrätin Silva Semadeni (sp, GR). Die Initiative müsse klar abgelehnt werden, damit ein deutliches Signal für eine starke SRG gesendet werden könne, die in der Lage wäre, Minderheitensprachen, Berggebiete und periphere Regionen zu berücksichtigen. Im Laufe der Kampagne wurden die Initiativgegner immer deutlicher, Ständerat Stefan Engler (cvp, GR) etwa sprach vom Verlust eines Stückes Identität der Rätoromanen und von «einer Katastrophe für den Kanton Graubünden». Entsprechend aktiv zeigten sich die Bündner Initiativgegner auch in der Kampagnenphase – in keinem anderen Kanton zählte Année Politique Suisse mehr Contra-Inserate.
Das Argument der Sprachminderheiten war jedoch auch in der Deutschschweiz relevant. Hier sahen die Initiativgegner nicht nur die Schweizer Medienlandschaft, sondern mit ihr gar die nationale Kohäsion gefährdet. Diese beruhe nämlich gemäss NZZ unter anderem auf der Bereitschaft, die kleineren Sprachregionen mit Nachrichten und Unterhaltung zu bedienen und die kulturelle Vielfalt zu fördern. Durch die Initiative würde «einer der letzten Stützpfeiler unseres gemeinsamen Schweizer Dachs» verloren gehen, erklärte Nationalrat Christoph Eymann (lpd, BS).
Gegen eine solche «Überhöhung» der SRG wehrten sich wiederum die Befürworter der No-Billag-Initiative: Die Initiativgegner würden die SRG zur Rettung der vierten Gewalt und die No-Billag-Abstimmung zur Schicksalsfrage für die Schweiz hochstilisieren, kritisierte Nationalrat Lukas Reimann. Dabei hätten Umfragen gezeigt, dass selbst von den Initiativgegnern eine Mehrheit nicht glaube, dass die SRG mit Annahme der Initiative untergehen würde. Schliesslich bestritten die Befürworter der Initiative nicht nur die Darstellung der Medienministerin und der SRG-Verantwortlichen, wonach die SRG bei Annahme der Initiative nicht überleben könne, sie kritisierten insbesondere auch deren Weigerung, einen Plan B vorzulegen. Die SRG-Führung habe die Pflicht, den Fortbestand des Unternehmens sowie die Fortbeschäftigung der Mitarbeitenden unter allen Umständen zu sichern, erklärte unter anderem Nationalrat Gregor Rutz (svp, ZH). Dies veranlasste Andreas Kleeb, aber auch den Verleger der AZ Medien, Peter Wanner, zu Spekulationen, wonach die SRG über einen Plan B verfüge, diesen aber aus taktischen Gründen nicht kommuniziere.

Die Kampagnen zur No-Billag-Initiative konzentrierten sich stark auf Onlinekommentare und soziale Medien. Die Twitter-Aktivitäten zu No-Billag starteten anfangs Oktober und stiegen bis Ende Februar stetig an. Das Fög zählte von Januar bis Mitte Februar 2018 insgesamt 68'000 Tweets. Die Untersuchung des Fög bestätigte auch die oftmals geäusserte Vermutung, dass es bei den Twitter-Aktivitäten zu einer Bildung von Informations-Filterblasen komme: Grösstenteils bekamen die Nutzer nur Inhalte zu Gesicht, die mit ihren eigenen Ansichten übereinstimmten. Ausserordentlich stark tobte der Abstimmungskampf auch in den Medien. Das Fög bezeichnete die No-Billag-Initiative als «Sonderfall», da die Initiative über die ganze Kampagnendauer überdurchschnittlich viel Aufmerksamkeit in den Medien erzielt hatte. Das Fög zählte in den 14 Wochen vor der Abstimmung in den untersuchten Zeitungen 1049 inhaltliche Artikel zur Vorlage – insgesamt war die Rede von über 7000 Artikeln –, deutlich mehr als bei anderen vielbeachteten Vorlagen wie der Unternehmenssteuerreform III, der Durchsetzungsinitiative, der Masseneinwanderungsinitiative oder gar beim RTVG. Die Tonalität bezüglich der Initiative war in beinahe allen untersuchten Medien negativ, einzig die Weltwoche berichtete mehrheitlich positiv darüber. Vergleichsweise gut schnitt die Initiative auch bei der Aargauer Zeitung, 20 Minuten, der BaZ und der Sonntagszeitung ab. Überdurchschnittlich viel Resonanz erhielten gemäss dem Fög die Pro-Akteure jedoch neben der Weltwoche auch in den untersuchten Programmen der SRG. Während die Kampagne somit im inhaltlichen Teil der Zeitungen überdurchschnittlich stark vertreten war, zeigte sich in den Inseratespalten kein auffälliges Bild: Die Komitees schalteten im Vergleich mit Abstimmungen der vergangenen vier Jahre nur durchschnittlich viele Zeitungsinserate.

Am häufigsten porträtiert wurde die Position von Vertretern der Zivilgesellschaft, wie die Studie des Fög zeigte. Diese gehörten gemäss Fög überdies zu den grössten Kritikern der Initiative. So meldeten sich im Laufe der Kampagne zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen zu Wort; Diego Yanez, Vorstandsmitglied des Komitees «Nein zum Sendeschluss», sprach von einem «Ruck, der durch die Zivilgesellschaft» ging. Bekämpft wurde die Vorlage von vielen Seiten: Der Gehörlosenbund zum Beispiel sprach sich gegen die Initiative aus, da man auf Sendungen mit Untertiteln oder in Gebärdensprache angewiesen sei. Bereits das heutige Angebot sei ungenügend, eine Annahme der Initiative würde aber die Situation noch verschlechtern, erklärte Corinne Parrat, die gehörlose Miss-Handicap 2009. Auch die Sportfans und -organisatoren meldeten sich zu Wort. Sie sorgten sich, dass nach Annahme der Initiative kaum noch Sportübertragungen im Free TV zu sehen sein würden. Seit Beginn der Erhebung 2013 waren die zehn meistgeschauten Sendungen im SRF Sportübertragungen, von den Top 100 beinhaltete fast jede zweite Sendung Sport. Insbesondere Anhänger von Nischensportarten waren besorgt: Private würden wohl kaum Berichte zu über 100 verschiedenen Sportarten ausstrahlen, wie es die SRG tue, war zu vernehmen. Auch Swiss Olympic beteiligte sich an der Diskussion: Die SRG sei einer «der wichtigsten Sportförderer der Schweiz», sowohl für Elite- als auch für Breitensport. Ein Ja wäre daher das Ende von mehr als nur der SRG.
Auch von kultureller Seite wurde Kritik an der Initiative laut. Die Interessengemeinschaft Volkskultur, der 33 Verbände und 400‘000 Aktivmitglieder angehören, fasste einstimmig die Nein-Parole. Präsident Albert Vitali (fdp, LU) erklärte, bei Annahme der Initiative sei zum Beispiel die Übertragung von Schwing- und Jodelfesten in Gefahr, weil Private die Kosten der Übertragung nicht stemmen könnten. Die Nein-Parole erliessen auch der Blasmusikerverband sowie der Eidgenössische Jodelverband. «Für die Freunde der Volkskultur ist die Initiative ein Affront», betonte die Präsidentin des Jodelverbands Kathrin Niederberger. Für Brauchtumsfeste sei die SRG ein unverzichtbarer Partner.
Anders sah es hingegen lange Zeit bei der Schweizer Musikbranche aus. Noch im November 2017 kritisierte die Sonntagszeitung, dass sich diese nicht zur Vorlage äusserte, obwohl die SRG die Karrieren der Schweizer Musiker entscheidend gefördert habe. So würden jährlich CHF 300 Mio. von der SRG zu den Künstlern fliessen, was für einige mehr als 40 Prozent des Einkommens ausmache. Da Privatradios einen deutlich niedrigeren Anteil an Schweizer Musik spielten als die SRG-Kanäle, seien die Musiker auf Letztere angewiesen. Ähnlich sehe es bei der Filmbranche aus, betonten die Medien. Die SRG habe in den letzten 30 Jahren CHF 300 Mio. in die Filmförderung investiert und unterstütze zudem jährlich Schweizer Filme mit CHF 30 Mio. bis 40 Mio. Dieser Aufruf zeigte Ende 2017 Wirkung, als unter dem Motto «Nein zum Blackout – Nein zu No Billag» Werbespots mit zahlreichen verschiedenen Schauspielerinnen und Schauspieler ausgestrahlt wurden. Finanziert wurden diese vom Dachverband der Schweizer Film- und Audiovisionsbranche Cinésuisse, der darauf hinweisen wollte, dass zahlreiche Filme wie «Die Schweizermacher» oder «Heidi» ohne die enge Partnerschaft mit der SRG nicht hätten realisiert werden können.
Diese Solidaritätsbekundungen lösten jedoch nicht nur Begeisterung aus. Die Weltwoche sah sich in ihrer Kritik bestätigt: Durch die Initiative würden die Verflechtungen der SRG sichtbar; diese mache sich die Abhängigkeiten zahlreicher Akteure für ihre Zwecke zu Nutze. Dabei kritisierte die Weltwoche insbesondere die Printmedien, welche die SRG über die Jahre abhängig gemacht habe. Zum Beispiel zahle sie jährlich mehrere Millionen Schweizerfranken an die Somedia, die NZZ-Gruppe sowie die AZ-Medien und insgesamt flössen jährlich CHF 67.5 Mio. an private Radio- und Fernsehstationen. Das erkläre auch, warum von dieser Seite nur leichte Kritik an der SRG geäussert würde. Diejenigen, die auf diese Weise von der SRG profitierten, hätten sich nun auch gegen die Initiative ausgesprochen, erklärte die Weltwoche. Allgemein blieb die Haltung der Zeitungen zur Initiative jedoch unklar. Der Verlegerverband (VSM) mochte anfangs keine klare Ja- oder Nein-Parole fassen, empfahl schliesslich aber trotz bestehender Differenzen die Ablehnung der Initiative. Zwar sei man für die Gebührenfinanzierung, mache aber die Stärke des Engagements von den Zugeständnissen der SRG abhängig, erklärte Geschäftsführer Andreas Häuptli. Die SRG solle demnach langfristig ohne Werbung und Sponsoring auskommen und die Kommerzialisierung des Angebots reduzieren, wurde gefordert. Auch der Westschweizer Verband Médias Suisses sprach sich gegen die Initiative aus, wollte aber die Contra-Kampagne nur unterstützen, wenn die SRG auf zielgerichtete Werbung verzichte und aus der Admeira austrete.

Unter besonderer Beobachtung standen auch während der Kampagnenphase die SRG und ihre Mitarbeitenden: Vielfach wurde befürchtet, dass sie aufgrund der für sie weitreichenden Konsequenzen der Initiative nicht würden neutral bleiben können. Mitte Oktober definierte die SRG interne Leitlinien, die es ihren Mitarbeitenden erlaubten, ihre Position über soziale Netzwerke zu vertreten und das Programmangebot und die Werte der SRG proaktiv zu betonen. Die Mitarbeitenden durften hingegen keine direkten Abstimmungsempfehlungen abgeben. In ihren Sendungen nahm die SRG gemäss Fög eine klar kritische Haltung zu der Initiative ein, die negative Tonalität von SRF und RTS entsprachen jedoch der durchschnittlichen Haltung der Medien, erklärte das Fög weiter. Überdurchschnittlich grosse Resonanz erhielten jedoch die Statements der Befürworter bei der SRG. Diese zeigten sich jedoch mit dem Verhalten der SRG und ihrer Mitarbeitenden im Rahmen des Abstimmungskampfes nicht zufrieden und kritisierten deren «breit angelegte Informationskampagne», wie es der Bote der Urschweiz formulierte. Insbesondere Sendungen zur Initiative selbst, vor allem die Arena respektive ihr Moderator Jonas Projer wurden kritisiert. Olivier Kessler beschuldigte Projer als SRG-Angestellten und «Zwangsgebühren-Profiteur» zu wenig unabhängig zu sein, um die Sendung zur No-Billag-Initiative fair zu leiten. Er habe die Sendung einseitig moderiert und die Initiativbefürworter deutlich häufiger unterbrochen als die Gegner, ergänzte Kessler auf seinem Blog. Auf diese Anschuldigungen entgegnete Projer, dass die wichtigsten Themen beider Seiten angesprochen worden seien und die Redezeit ausgeglichen gewesen sei – man habe dies absichtlich gemessen. Unterstützung erhielt Projer im Nachhinein von SRG-Ombudsmann Roger Blum, der die Sendung aufgrund zahlreicher Beschwerden überprüfte. Demnach habe Projer Kessler deutlich weniger kritische und mehr unkritische Fragen gestellt als Bundesrätin Leuthard, habe diese aber nie, Kessler sowie Joachim Eder als Vertreter der Initiativgegner aber gleich häufig unterbrochen. Insgesamt seien die Befürworter zwar deutlich häufiger unterbrochen worden, eine «förmliche Diskriminierung» habe der Ombudsmann aber nicht festgestellt. Das hatten einige Zuschauer freilich anders wahrgenommen, in den sozialen Medien gingen die Wogen hoch. In einer Twitter-Nachricht wurden Projer und seine Kinder gar mit dem Tod bedroht, worauf dieser Strafanzeige einreichte.
Die SRG wurde jedoch nicht nur wegen dem Inhalt ihrer Sendungen, sondern auch wegen deren Kampagnenfinanzierung kritisiert. Die Initiativbefürworter befürchteten, die SRG setze Gebührengelder für den Abstimmungskampf ein, was zum Beispiel Stefan Ammann, Präsident der Jungfreisinnigen, als Beeinflussung wertete. Entsprechende Anfragen von Sylvia Flückiger-Bäni (A. 17.5446) und Lukas Reimann (A. 17.5455) im Parlament ergaben, dass die SRG zwar nicht über ein Budget für die Abstimmungsdebatte verfügte, wohl aber Geld für Medienanfragen aus dem Budgetposten «Public Affairs» bereitgestellt hatte. Dieser betrug fürs Jahr 2016 CHF 400‘000. Der Bundesrat erklärte diesbezüglich, die Trägerschaft der SRG habe das Recht und die Pflicht, Diskussionen über den Service public zu führen, jedoch müssten die Auftritte sachlich und transparent sein. Gemäss den Initiativ-Befürwortern war hingegen auch das äusserst heikel, da dadurch Arbeitszeit von Personen mit gebührenfinanzierten Löhnen in Anspruch genommen werde. Ferner brauche die SRG keine Plakate mehr zu finanzieren, weil sie stattdessen auf bereits bekannte Gesichter setzen könne.

Volksinitiative "Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren" (No Billag-Initiative)

Bei einer Stimmbeteiligung von knapp 43 Prozent nahm die Schweizer Stimmbevölkerung am 25. September 2016 das Bundesgesetz über den Nachrichtendienst (NDG) mit 65.5 Prozent Ja-Stimmen an. Das Resultat fiel damit noch deutlicher aus, als es die im Vorfeld durchgeführten Umfragen erwarten liessen. In keinem einzigen Kanton resultierte eine Nein-Mehrheit. Die geringste Zustimmung erfuhr das NDG im Kanton Basel-Stadt mit 55 Prozent. Am höchsten fiel die Zustimmung mit gut 74 Prozent im Kanton Waadt aus, gefolgt von Nidwalden mit gut 70 Prozent. In allen anderen Kantonen bewegte sich der Ja-Anteil zwischen 60 und 70 Prozent, wobei sich keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Landesteilen oder zwischen Stadt und Land zeigten.
Bundesrat Guy Parmelin, der hiermit seine Feuerprobe als neuer Verteidigungsminister vor dem Stimmvolk souverän bestanden hatte, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Ausgang der Abstimmung. Die Schweiz erhalte damit moderne Mittel, um auf aktuelle Bedrohungen zu reagieren, sagte er gegenüber den Medien. Auch das Ja-Komitee zeigte sich erfreut, dass es gelungen sei, die Ängste vor der Massenüberwachung zu entkräften. Die Presse deutete das Resultat entsprechend als Vertrauensbeweis der Stimmbevölkerung in den Staat. Das unterlegene Nein-Lager kündigte unterdessen an, nun auf die transparente Kontrolle des NDB zu pochen und die vom Bundesrat kommunizierte Zahl von rund zehn Überwachungsfällen pro Jahr genau im Auge zu behalten.
In Kraft treten wird das neue NDG am 1. September 2017. Bis dahin gebe es noch viel zu tun, erklärte der Verteidigungsminister. So müsse der NDB organisatorisch und technisch auf seine neuen Befugnisse ausgerichtet werden, denn mit diesen Anpassungen habe man bis zur Abstimmung zugewartet. Die personelle Aufstockung des NDB um 20 Stellen solle bis 2019 schrittweise erfolgen. Möglichst zeitnah müsse zudem die neue unabhängige Aufsichtsbehörde eingerichtet werden, deren Leitung der VBS-Chef bis Ende Jahr ernennen werde. Die Aufsicht solle dann – wie auch die Sicherheitspolitischen Kommissionen der eidgenössischen Räte und die GPDel – bereits in die Ausarbeitung der Verordnungen zur Konkretisierung des NDG einbezogen werden, die der Bundesrat Anfang 2017 in die Vernehmlassung schicken wolle.


Abstimmung vom 25. September 2016

Beteiligung: 42.94%
Ja: 1'459'068 (65.5%)
Nein: 768'065 (34.5%)

Parolen:
– Ja: BDP, CVP, EDU (1*), EVP (1*), FDP, FP, KVP, SVP (1*); KKJPD, Economiesuisse
– Nein: GP, PdA, Piratenpartei, SD, SP (2*); GSoA, Digitale Gesellschaft, Syndicom
– Stimmfreigabe: GLP (4*)
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Neues Nachrichtendienstgesetz (BRG 14.022)
Dossier: Staatliche Überwachung
Dossier: Vorstösse und Massnahmen zur Bekämpfung islamistischer Radikalisierungstendenzen

In der Woche nach der Schlussabstimmung in den eidgenössischen Räten über das revidierte BÜPF stellte sich – wie von SVP-Nationalrat und Komitee-Chef Franz Grüter (svp, LU) bereits seit längerem angekündigt – das Referendumskomitee „Stop BÜPF“ vor. Ihm gehörten neben der Piratenpartei, der Alternativen Liste und der Partei der Arbeit auch die Jungfreisinnigen, die Jungen Grünliberalen, die Junge SVP sowie die Juso an. Dazu kamen sieben zivilgesellschaftliche Organisationen, namentlich die Digitale Gesellschaft, der Verein Grundrechte, Operation Libero, die Internet Society Schweiz, der Chaos Computer Club Schweiz, die Stiftung pEp und Wilhelm Tux. Diese ungewöhnliche Allianz von Jungparteien von links bis rechts deutete darauf hin, dass in dieser Frage weniger ein parteiideologischer als vielmehr ein Generationenkonflikt vorlag. Mitte April präsentierte das Komitee seine Argumente. Im Zentrum der Kritik stand einerseits die als „unverhältnismässig“ angesehene Vorratsdatenspeicherung, bei der zwar die Frist zur Aufbewahrung der Daten nicht verlängert, aber der Kreis der Anbieter, die Daten für die Behörden bereithalten müssen, ausgeweitet wurde. Andererseits störten sich die BÜPF-Gegner an den Staatstrojanern, die fortan in fremde Computersysteme eindringen und so verschlüsselte Kommunikation abhören können. Besonders stossend sei hierbei, dass die Staatstrojaner bestehende Sicherheitslücken ausnutzen sollen, wodurch ein „legaler Schwarzmarkt von Sicherheitslücken“ geschaffen werde, so Norbert Bollow, Präsident der Digitalen Gesellschaft. Zum Abhören verschlüsselter Kommunikation gebe es auch andere Mittel, betonte JGLP-Co-Präsident Pascal Vuichard und verwies auf die Firma Skype, welche auf Gerichtsbeschluss hin mit den Behörden kooperiere. Vonseiten der IT-Anbieter kritisierte Jean-Marc Hensch, Geschäftsführer des Branchenverbandes Swico, die „überrissenen Mitwirkungspflichten“, da auch kleinere Anbieter einen automatischen Zugriff der Behörden auf ihre Systeme einrichten müssten. Im Grundsatz war sich das Komitee einig, dass die Privatsphäre nicht auf Vorrat eingeschränkt werden solle – mit den Worten von Juso-Präsident Fabian Molina: „Im Zweifel für die Freiheit.“ Ebenfalls im April trat die SP nach einem entsprechenden, äusserst knappen Beschluss der Delegiertenversammlung dem Referendumskomitee bei, allerdings gegen den Widerstand ihres Parteipräsidenten Christian Levrat (sp, FR) und entgegen der Mehrheit der Bundeshausfraktion, die das BÜPF im Parlament gutgeheissen hatte.
Einen Monat vor Ablauf der Referendumsfrist am 7. Juli 2016 wurde bekannt, dass die Unterschriftensammlung bis anhin harzig verlaufen war und deshalb noch rund die Hälfte der benötigten 50'000 Unterschriften fehlten. Daraufhin erklärte Juso-Präsident Fabian Molina den Abbruch der offiziellen Unterschriftensammlung. Er zeigte sich enttäuscht über die schwache Sammelleistung der bürgerlichen Jungparteien und glaubte nicht mehr an den Erfolg des Referendums. Die Allianzpartner ihrerseits bezeichneten den Rückzug Molinas als feige und unzuverlässig und beklagten auch das mangelnde Engagement der Juso, welche das Unterschriften-Soll auch nicht erfüllt hätten. Dennoch wollten sie nicht aufgeben und setzten die Unterschriftensammlung auch ohne Beteiligung der Juso fort. Ende Juni sah es denn auch tatsächlich danach aus, dass sich der Einsatz im Schlussspurt gelohnt hätte: Das Komitee verkündete, 55'000 Unterschriften erhalten zu haben, die lediglich noch beglaubigt werden müssten. Nach dem Austritt der Juso habe sich ein „gewaltiger Alarmismus“ breitgemacht, der die Sammler zusätzlich anspornte, erklärte Hernani Marques vom Chaos Computer Club. Er zeigte sich zuversichtlich, dass mindestens 51'000 gültige Unterschriften beisammen seien und das Referendum damit zustande komme.
Wie sich am Tag des Ablaufs der Referendumsfrist herausstellte, hatte sich das Komitee jedoch verkalkuliert. Von den gut 55'000 gesammelten Unterschriften trafen nur rund 45'000 rechtzeitig beglaubigt ein, damit sie bei der Bundeskanzlei hätten eingereicht werden können. Damit war das Referendum im allerletzten Moment gescheitert. Für das Komitee sei es eine „gewaltige Enttäuschung“. Schuld daran seien aber weder die Sammlerinnen und Sammler noch die Gemeinden, sondern das Komitee selbst, das in der Anfangsphase zu viel Zeit verloren habe, gab es in einer Mitteilung bekannt. Damit wird das BÜPF wie von den eidgenössischen Räten verabschiedet in Kraft treten.

BÜPF-Revision (BRG 13.025)
Dossier: Staatliche Überwachung

Die vor allem medial ausgetragene, gesellschaftliche Debatte um Reformen der Volksinitiative, die sich etwa im Begriff ‚Initiativenflut‘ manifestierte, lässt sich mit Zahlen aus dem Berichtsjahr unterfüttern (vgl. Tabelle anbei). Nachdem 2013 etwas weniger Initiativen (9) lanciert worden waren als 2012 (11) waren 2014 für insgesamt zwölf neue Begehren Unterschriftensammlungen gestartet worden. Gleich vier davon behandeln Ernährungs- und Landwirtschaftsfragen, wobei die vom Bauernverband und der SVP getragene Initiative „für Ernährungssicherheit“ innerhalb von knapp fünf Monaten mit fast 150'000 gültigen Unterschriften die Sammelhürde sehr rasch übersprang. Zwei der zwölf lancierten Begehren stammen aus der Feder von Anita Chaaban, die mit der Verwahrungsinitiative 2004 einen Erfolg an der Urne gefeiert hatte. Sie fordert ein Zentralregister für Sexualstraftäter und eine Haftung für Vollzugsbehörden bei Rückfällen fälschlicherweise entlassener Straftäter. Unterschriften werden zudem für die Wiedergutmachung an Verdingkinder gesammelt, für die Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h auf Autobahnen, für Vollgeld und die Abschaffung der Billag-Gebühren. Neue Dimensionen erreichen die restlichen beiden Initiativbegehren, die Ende Jahr lanciert wurden. Die Initiative „zur Ausschaffung krimineller Männer“ verwendet exakt den gleichen Initiativtext wie die 2010 angenommene Ausschaffungsinitiative der SVP mit der Ausnahme, dass sie „Ausländer“ durch „Männer“ ersetzt. Das Komitee „Männer raus“ will nach eigenen Angaben ein Zeichen setzten gegen den latenten Rassismus in der Schweiz. Auch die so genannte Rasa-Initiative (Raus aus der Sackgasse) bestreitet neue Wege. Sie fordert die Streichung der Artikel 121a und 197 Ziff. 11 a aus der Bundesverfassung. Dabei handelt es sich um jene Paragraphen, die mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative in die Verfassung Eingang gefunden hatten. Eine Streichungsinitiative war zuvor schon von der Gewerkschaft VPOD angeregt worden.
Die zwölf Begehren entsprechen lediglich der Hälfte der im Jahr 2011 lancierten Begehren, die Ausgangspunkt der Debatte um die Initiativenflut waren. Damals wurden zahlreiche Initiativen vor allem als Wahlvehikel lanciert. Dies scheint für die Wahlen 2015 eher kein Thema mehr zu sein. Von den 2014 lancierten Initiativen stammt einzig die „Fair Food-Initiative“ von einer Partei, nämlich der GP. Was in der Diskussion um (zu) viele Volksbegehren häufig zu kurz kommt, ist eine Relativierung mit nicht zustande gekommenen Initiativen. Ein Überblick über die letzten rund 35 Jahre zeigt, dass im Schnitt rund ein Drittel aller lancierten Initiativen an der Unterschriftenhürde gescheitert oder ein Volksanliegen zurückgezogen worden ist. Im Berichtjahr mussten total sechs Begehren als gescheitert klassiert werden. Aufgeteilt nach Lancierungsjahren zeigt sich folgendes Bild: Von den elf im Jahr 2012 lancierten Initiativen scheiterten deren fünf und von den neun im Jahr 2013 lancierten Volksbegehren brachten bisher deren fünf die 100'000 Unterschriften nicht zusammen (eine der 2013 lancierten Initiativen war 2014 noch im Sammelstadium und drei waren erfolgreich eingereicht).
Die Rekordzahl aus dem Jahr 2011, in dem 24 Begehren lanciert wurden – von diesen schafften übrigens elf die Unterschriftenhürde nicht – machte sich 2014 im Parlamentsbetrieb bemerkbar. So wurde im Berichtjahr über neun Initiativen abgestimmt, von denen sechs 2011 lanciert worden waren (2013 waren über 5 Initiativen Urnenentscheide gefällt worden). Neben den sechs im Berichtjahr zustande gekommenen Begehren (2013: 8) waren elf noch hängig (2013: 12). Darunter immer noch sechs, die im Spitzenjahr 2011 eingereicht worden waren. Insgesamt wurde der von Volksinitiativen verursachte Pendenzenberg im Berichtjahr aber langsam abgebaut.
Für 2015 waren Ende 2014 bereits einige weitere Volksbegehren angekündigt worden. Viel Staub wirbelte das noch vor Ende Jahr der Bundeskanzlei zur Prüfung vorgelegte Begehren der SVP auf, das unter dem Namen Selbstbestimmungsinitiative die Bundesverfassung über das Völkerrecht stellen will. Die Volkspartei wird wohl versuchen, mit diesem Anliegen im Wahljahr zu punkten. Zudem kündigte der Verband „Pro Velo Schweiz“ eine Initiative an, mit der die Förderung des Velofahrens in die Verfassung geschrieben werden soll. Ähnlich wie Wanderwege soll ein Velowegnetz erstellt und gepflegt werden. VCS und WWF sagten ihre Unterstützung zu. Die PdA beschloss im Dezember die Lancierung eines Begehrens, mit der eine AHV-Rente von CHF 4‘000 angestrebt wird, wofür die Pensionskassengelder in die AHV überführt werden sollen. Schliesslich beschloss die Junge GP eine Volksinitiative zur Förderung des verdichteten Bauens zu lancieren.

Lancierte Volksinitiativen 2014
Dossier: Lancierte Volksinitiativen von Jahr zu Jahr (ab 2007)

Das eigentliche, seit 2009 vorangetriebene Projekt der Alternativen Linken (AL), die Einigung verschiedener radikaler linker Gruppierungen (darunter etwa PdA/POP, SolidaritéS oder Alternative Liste) unter ein nationales Dach, verlief auch im Berichtsjahr nur sehr harzig (vgl. dazu schon 2013). Zwar feierten verschiedene extreme linke Gruppierungen im Berichtsjahr Wahlerfolge – so etwa die Alternative Liste, ein Mitglied der AL, das in den Städten Zürich und Schaffhausen je ein Exekutivmitglied stellt. Ein national homogeneres Auftreten wird aber einerseits durch die stark basisdemokratische Organisation und die skeptische Haltung gegenüber fixen Strukturen erschwert. Andererseits verhindert auch die sprachregional unterschiedliche politische Kultur der verschiedenen Gruppierungen ein nationales Zusammengehen: Während die radikale Linke in der Westschweiz eine grosse Tradition hat und stark etatistisch eingestellt ist, erweisen sich die weniger traditionellen Vereinigungen in der Deutschschweiz als eher staatsskeptisch. Gerade in der Westschweiz kommt es auch unter den linken Gruppierungen selber immer wieder zu Auseinandersetzungen. Schulterschlüsse wie diejenigen der Kommunistischen Partei und der SolidaritéS in Genf oder der PdA und der SolidaritéS im Kanton Waadt, die durchaus zu Erfolgen in Form von Sitzgewinnen geführt hatten, sind eher selten. Der Sekretär der AL, Frédéric Charpié glaubt dennoch nach wie vor an das linksalternative Projekt; es brauche zwar noch Zeit, aber es sei realistisch, dass die AL in zehn Jahren zwei oder drei Nationalratssitze gewinnen könnte.

Grabenkämpfe in der Alternative Linken
Dossier: Die Gründung der „Alternativen Linken"

Die Räte behandelten 2014 die Botschaft des Bundesrates zur Volksinitiative „Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)“, die im Vorjahr zustande gekommen war. Das von der EVP, der SP, den Grünen, der CSP, dem SGB sowie dem Verein Christnet lancierte Begehren verlangt die Einführung einer nationalen Erbschafts- und Schenkungssteuer. Die Initiantinnen und Initianten fordern, dass Nachlässe und Schenkungen über CHF 2 Mio. zu einem Satz von 20 Prozent besteuert werden. Zwei Drittel der Erträge sollen dem Ausgleichsfonds der AHV und ein Drittel den Kantonen zukommen. Für Kontroversen sorgten im Vorfeld die im Initiativtext verankerte Rückwirkungsklausel, die besagt, dass im Falle einer Annahme der Vorlage Schenkungen ab dem 1. Januar 2012 dem Nachlass zuzurechnen wären und ein vom Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, das zum Schluss kam, dass die Volksinitiative den Grundsatz der Einheit der Materie verletze. Die Frage der Gültigkeit der Volksinitiative prägte in der Sommersession 2014 denn auch den Auftakt der Beratungen im erstbehandelnden Ständerat. Die kleine Kammer nahm bei 5 Enthaltungen einen Ordnungsantrag Diener Lenz (glp, ZH) mit 25 zu 14 Stimmen an und wies die Vorlage mit dem Auftrag, die Gültigkeit vertieft zu prüfen und einen Mitbericht der Staatspolitischen Kommission (SPK) einzuholen, an die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-SR) zurück. Am 25. August 2014 teilte die WAK-SR mit, dass die Volksinitiative gemäss den geltenden Kriterien und der Praxis der Bundesversammlung für gültig erklärt werden müsse. Nach diesem Entscheid folgte der Ständerat in der Herbstsession schliesslich dem Bundesrat und empfahl die Initiative bei 2 Enthaltungen mit 32 zu 11 Stimmen zur Ablehnung. In der Wintersession schloss sich der Nationalrat dem Beschluss des Ständerates mit 124 zu 56 Stimmen und einer Enthaltung an. Das Initiativbegehren wurde ausserhalb der geschlossenen Linken nur von zwei CVP-Parlamentariern unterstützt.

„Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)“

Die politischen Kampagnen zur Abstimmung über die Volksinitiative „Für eine öffentliche Krankenkasse“ vom 28. September 2014 begannen schon bald nach der parlamentarischen Beratung in der Frühjahrsession und zogen sich mit grosser Intensität bis zum Abstimmungstermin hin. Die Argumentationslinien verliefen entlang denen in den Räten, wobei sich medial die häufige Beschäftigung der Bevölkerung mit dem Thema in ihrem Alltagsleben und gleichzeitig ein grosser Bedarf nach Faktenwissen abzeichneten. Zahllose Politikerinnen, Gesundheitsexperten, Kadermitglieder der Kassen und Journalistinnen äusserten sich in Interviews, Podien und Kolumnen. Auffallend stark mobilisierte das Thema in der Romandie, die sich bei Volksinitiativen mit ähnlichen Forderungen in der Vergangenheit bereits offener für einen Systemwechsel gezeigt hatte als die Deutschschweiz. Verschiedene Details gaben Anlass zu Diskussionen. So ortete zu Beginn der Kampagne das Gutachten eines St. Galler Rechtsprofessors, in Auftrag gegeben von der Initiativgegnerschaft, einen Fehler im Initiativtext: Da der Text kantonal einheitliche Prämien verlange, wären in Zukunft keine Rabatte für junge Erwachsene und insbesondere keine Kinderprämien mehr möglich. Auch Rabatte bei Hausarzt- oder Telemedizin-Modellen und bei hohen Franchisen wären laut dem Gutachten nicht mehr erlaubt. Die Initianten widersprachen: Es sei zu einer Unklarheit aufgrund ungenauer Übersetzung des ursprünglich in französischer Sprache eingereichten Initiativtexts durch die Bundeskanzlei gekommen. Bei genauer Übersetzung müsse es heissen: „Für jeden Kanton wird eine Prämie festgelegt“, während in der geltenden Übersetzung von einer „einheitlichen" Prämie die Rede ist. Auch die Höhe der durch die öffentliche Kasse realisierbaren Einsparungen sorgte für Diskussionsstoff. Während die Befürworter von einer Milliarde – mittel- bis langfristig gar von drei Milliarden – sprachen, hielten die Gegner dagegen, man könne höchstens von CHF 350 Mio. an Einsparungen im administrativen Bereich ausgehen, viel wahrscheinlicher jedoch von nur CHF 100 Mio. Bereits im Frühling 2013 hatte sich das Gegner-Komitee „Alliance Santé“ konstituiert, dem rund 100 Parlamentsmitglieder, Vertreter der Leistungserbringer, die beiden grossen Krankenversichererverbände Santésuisse und Curafutura, Patienten- und Konsumentenschutzverbände, der Versicherungs-, der Gewerbe- und der Bauernverband sowie der Pharmaverband Interpharma angehörten. Zwischen Juni und August 2014 formten sich zudem diverse kantonale Komitees. Die Ärzteschaft, der in Abstimmungen zum Gesundheitswesen ein grosser Einfluss zugeschrieben wird, bildete einen Spezialfall: Einige Verbände, unter ihnen der Verband der Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte, schlossen sich dem Ja-Komitee an, da sie sich von der Einheitskasse eine Minderung des eigenen administrativen Aufwands, mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten und eine bessere Koordination der Behandlungen erhofften. Andere, darunter der Spitalverband H+, befürchteten ein Staatsmonopol in der Medizin mit allfälliger Leistungsrationierung und schlossen sich dem Nein-Lager an. Der Dachverband FMH beschloss aufgrund der internen Divergenzen schliesslich Stimmfreigabe. Seitens der Parteien beschlossen nebst der SP die Grünen, die EVP und die CSP die Ja-Parole, alle anderen grossen Parteien sprachen sich für ein Nein aus. Travail.Suisse schloss sich dem Ja-Lager an.
Einige Aufmerksamkeit erhielt die schwierige Rolle des Gesundheitsministers Berset, der im Abstimmungskampf das Nein des Bundesrates zur Initiative seiner eigenen Partei vertreten musste – eine Rolle, die er dem allgemeinen Tenor nach gut erfüllte. Deutlich umstrittener war die Rolle der Krankenversicherer im Abstimmungskampf. Durch ihre Verbände waren sie im Nein-Komitee vertreten und steuerten drei der fünf Millionen Franken zum Kampagnenbudget bei, viele engagierten sich aber auch direkt gegen die Volksinitiative. Bereits früh publizierten diverse Kassen in ihren auflagenstarken Kundenmagazinen Artikel gegen die öffentliche Krankenkasse oder boten in Interviews prominenten Mitgliedern des Nein-Lagers eine Plattform. Vom Initiativkomitee ernteten die Kassen damit umgehend Kritik: Sie würden das Gebot der objektiven, verhältnismässigen und zurückhaltenden Information krass verletzen, das für sie als mit öffentlichen Bundesaufgaben betraute Organe in gleicher Weise wie für staatliche Behörden gelte. Die Kassen hielten dagegen, sie würden auch befürwortenden Stimmen Platz in ihren Publikationen einräumen; zudem würden sie das Geschäft durch und durch kennen und hätten damit die Pflicht, über die Konsequenzen der Initiative zu informieren. Im Juli wurde im Kanton Bern eine Abstimmungsbeschwerde gegen sieben Kassen beim Regierungsrat eingereicht; diese hätten durch ihre nicht objektive und unsachliche Information in ihren Publikationen die Abstimmungsfreiheit verletzt. Der Beschwerdeführer wurde von der SP juristisch unterstützt. Wenige Tage darauf folgten Abstimmungsbeschwerden in den Kantonen Waadt, Genf, Basel-Stadt und Tessin. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass die kantonalen Behörden nicht zuständig sind: Da die Beanstandungen kantonsübergreifende Aspekte betreffen, führe der Rechtsmittelweg direkt ans Bundesgericht, so die jeweiligen Antworten. Das daraufhin mit zwei Stimmrechtsbeschwerden angerufene oberste Gericht stellte knapp drei Wochen vor der Abstimmung fest, die Krankenkassen seien bei der vorliegenden Abstimmung nicht zur sonst erforderlichen Neutralität verpflichtet, da die Vorlage sie in qualifizierter Weise betreffe. Eine sachliche Argumentation und Zurückhaltung beim Einsatz von Werbemitteln und finanziellen Ressourcen könnten dennoch erwartet werden. Das Gericht zweifelte diese Sachlichkeit bei einzelnen Publikationen zwar an. Es führte aber aus, da der Abstimmungskampf intensiv geführt werde und auch das Ja-Lager ausreichend zu Wort käme, würden die Äusserungen der Krankenkassen das Abstimmungsergebnis nicht wesentlich beeinflussen. Auf diverse Punkte der Beschwerden war das Gericht gar nicht eingetreten, da diese als nicht ausreichend begründet angesehen wurden.

Volksinitiative „für eine öffentliche Krankenkasse“ (BRG 13.079)
Dossier: Vorstösse zur Ermöglichung von Einheitskrankenkassen (seit 1998)

Im März 2014 nahm der Ständerat als Erstrat die Beratung über die Änderung des Bundesgesetzes über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet (Sanierung Gotthard-Strassentunnel) auf. Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen der kleinen Kammer (KVF-SR) empfahl dem Plenum mit 7 gegen 6 Stimmen, auf die Vorlage einzutreten und ohne Änderung zuzustimmen. Eine Minderheit Stadler (glp, UR) beantragte Nichteintreten, eine Minderheit I Janiak (sp, BL) forderte die Rückweisung an den Bundesrat mit dem Auftrag, die Vereinbarkeit mit dem Landverkehrsabkommen sowie die Verfassungsmässigkeit vertieft zu prüfen. Eine Minderheit II Graber (cvp, LU) verlangte die Rückweisung an den Bundesrat, damit dieser aufzeige, wie die Forderungen der Zentralschweizer Regierungskonferenz in der Vorlage erfüllt werden. Eine Minderheit III Graber (cvp, LU) beantragte schliesslich die Rückweisung an den Bundesrat mit dem Auftrag, ein Programm vorzulegen, welches aufzeigt, welche Strassenbauprojekte wegen der zweiten Röhre entfallen bzw. verzögert werden und wie die Mehrkosten aus dem Unterhalt der zusätzlichen Röhre finanziert werden. In seinem Votum für den Antrag der Kommissionsminderheit nahm Standerät Markus Stadler Bezug auf die wichtigsten Argumente der Kommissionsmehrheit. Im Gegensatz zur Darstellung der Mehrheit werde das Tessin während der Sanierung nicht abgeschnitten: Der neue Gotthard-Basistunnel sei bis dahin in Betrieb und neben dem Gotthard führten auch noch andere Pässe in den Norden. Zudem wäre es möglich, den Tunnel in den Sommermonaten zu öffnen. Die Verkehrssicherheit werde durch eine zweite Röhre nur in den Röhren erhöht, auf den Zufahrtsstrecken erhöhe sich dafür das Unfallrisiko durch erwarteten Mehrverkehr. Die Sicherheit lasse sich mit einfachen Massnahmen sehr viel günstiger und effizienter steigern: Beispielsweise könnte der Mindestabstand zwischen Lastwagen erhöht oder die Höchstgeschwindigkeit gesenkt werden. Stadler betonte zudem den Widerspruch der Vorlage mit dem Alpenschutzartikel. Weitere Rednerinnen und Redner sorgten für eine ausgesprochen lange Eintretensdebatte. Mit 25 gegen 16 Stimmen trat die kleine Kammer schliesslich auf die Vorlage ein und lehnte sämtliche Minderheitenanträge ab. In der Gesamtabstimmung stimmte der Ständerat der Vorlage ebenfalls mit 25 gegen 16 Stimmen zu. Der Nationalrat debattierte in der Herbstsession über die Vorlage. Neben dem Minderheitenantrag Rytz (gps, BE) auf Nichteintreten waren weitere Minderheitsanträge gestellt worden: Minderheit I Graf-Litscher (sp, TG) forderte die Rückweisung an den Bundesrat mit dem Auftrag, Verfassungsmässigkeit sowie Vereinbarkeit mit dem Landverkehrsabkommen vertieft zu klären. Die Minderheit II Graf-Litscher (sp, TG) verlangte die Rückweisung an den Bundesrat verbunden mit der Aufgabe, ein Verzichts-, Verzögerungs- und Finanzierungsprogramm vorzulegen. Die Minderheit III Grossen (glp, BE) beantragte die Rückweisung an den Bundesrat mit dem Auftrag, in Artikel 84 Absatz 3 der Bundesverfassung ergänzend festzuhalten, dass die Benutzung zusätzlicher Fahrspuren pro Richtung auf Transitachsen im Alpengebiet verboten ist. Minderheit IV Nordmann (sp, VD) wollte die Rückweisung an den Bundesrat mit dem Auftrag verbinden, dem Parlament eine Sanierung ohne zweite Röhre dafür mit zeitlich umfassendem Bahnverlad von Strassenfahrzeugen zu unterbreiten. Nach langer Debatte zeigten sich sowohl in der Abstimmung über Eintreten wie auch in den Abstimmungen über die Rückweisungsanträge klare Gräben entlang der Parteilinien: Die Fraktionen von SP, Grünen und Grünliberalen stimmten geschlossen für Nichteintreten und für die Rückweisungsanträge, während die Fraktionen von SVP, FDP, CVP und BDP (bis auf 2 Stimmen) geschlossen für die bundesrätliche Vorlage eintraten. In der Schlussabstimmung vom 26. September 2014 nahm der Nationalrat die Vorlage mit 120 gegen 76 Stimmen an, der Ständerat mit 28 zu 17 Stimmen. Der Verein „Nein zur 2. Gotthardröhre“, welchem neben SP, Grünen, Grünliberalen auch EVP und CSP sowie über 40 weitere national oder regional tätige Organisationen angehören, ergriff das Referendum. Bereits im Dezember und somit noch vor Ablauf der Referendumsfrist am 15.1.2015 liess der Verein verlauten, die notwendigen 50'000 Unterschriften seien beglaubigt, darüber hinaus seien noch einmal so viele zusätzliche Unterschriften zusammengekommen.

Sanierung Gotthard-Strassentunnel (13.077)
Dossier: Sanierung des Gotthard-Strassentunnels

Die von der CSP bereits 2013 geplante Namensänderung wurde 2014 vollzogen. Mitte Januar nahmen die Delegierten in Fribourg die entsprechenden Statutenänderungen mit 15 zu 2 Stimmen an. Die Partei nennt sich neu "Mitte links – CSP". Ein neues Logo, das allerdings die gleichen Grundfarben (türkis, weiss) enthielt wie bisher, wurde Anfang Mai in Bern präsentiert. Mit der Namensänderung sollen neue, vor allem jüngere Wählerschichten angesprochen werden, die mit dem bisherigen „C“ wahrscheinlich eher abgeschreckt worden seien. An der politischen Ausrichtung wolle man jedoch nichts ändern. Nimmt man die Abstimmungsparolen der CSP zu den eidgenössischen Abstimmungen zum Nennwert, entsprach diese politische Linie durchaus links-grünen Positionen: Die Parolen der CSP waren nämlich bei allen zwölf eidgenössischen Abstimmungen identisch mit den Empfehlungen von SP und GP.

Namensänderung der CSP zu "Mitte-Links - CSP"