Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Institutionen und Volksrechte

Akteure

  • Freisinnig-Demokratische Partei der Schweiz (FDP; -2009)

Prozesse

2 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

In der Volksabstimmung vom 12. März hiessen die Stimmberechtigten mit sehr deutlichem Mehr die im Vorjahr vom Parlament verabschiedete Justizreform gut. Nachdem die beiden am meisten umstrittenen Punkte, die Zugangsbeschränkungen und die Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit vom Parlament massiv entschärft resp. eliminiert worden waren, gab es kaum mehr Opposition gegen die Vorlage. Keine nationale Partei gab die Nein-Parole aus; lediglich die relativ unbedeutenden Kantonalsektionen der SVP in Genf und im Wallis lehnten die Reform ab.

Das Verdikt fiel mit einem Ja-Stimmenanteil von 86 Prozent sehr deutlich aus; nicht ein Kanton hatte sich dagegen ausgesprochen. Am klarsten fiel die Annahme in Genf mit 92 Prozent, am knappsten im Wallis mit 71 Prozent aus.


Justizreform
Abstimmung vom 12. März 2000

Beteiligung: 41,9%
Ja: 1'610'107 (86,4%) / 20 6/2 Stände
Nein: 254'355 (13,6%) / 0 Stände

Parolen:
– Ja: SP, FDP, CVP, SVP (2*), GP, LP (1*), EVP, FP, SD, EDU, PdA, CSP; Economiesuisse (Vorort), SGB, CNG.
– Nein: -
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Justizreform (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Die seit 1959 bestehende Zusammenarbeit der vier grossen Parteien in der Regierung des Bundesstaates geriet gegen Jahresende in eine ernste Krise. Es ist eine Eigenheit der schweizerischen Regierungsbildung, dass sie formell auf periodischen Majorzwahlen durch das Parlament beruht, ohne dass für die Personenauslese ein geregeltes zwischenparteiliches Verfahren besteht. So kommt es immer wieder vor, dass ein von einer Regierungspartei nominierter Kandidat in der Wahl unterliegt, da die Parlamentsmehrheit einen anderen Vertreter der betreffenden Partei vorzieht. Schon bei der ersten Regierungsbildung nach der «Zauberformel» 1959 wurde der Sozialdemokrat Tschudi statt des von der SPS portierten Parteipräsidenten Bringolf gewählt. Drei Jahre später unterlag der offizielle konservativ-christlichsoziale Kandidat seinem Parteikollegen Bonvin. 1973 schliesslich wurden den offiziellen Kandidaten aller drei grossen Bundesrats-Parteien innerparteiliche Konkurrenten vorgezogen. In den 24 Jahren seit Einführung der sogenannten «Zauberformel» hatte deswegen noch nie einer der vier Partner die Zusammenarbeit in Frage gestellt. Dies geschah jedoch bei den Gesamterneuerungswahlen vom 7. Dezember 1983.

Spekulationen über mögliche Vakanzen wurden schon früh angestellt. Hatten doch im Vorjahr die Demissionäre Hürlimann und Honegger ihren gemeinsamen Schritt damit begründet, dass 1983 das gleichzeitige Ausscheiden von drei oder vier Bundesräten vermieden werden müsse. So begann man mit dem Rücktritt Willi Ritschards und Georges-André Chevallaz zu rechnen. Schon im Sommer zirkulierten zahlreiche Namen möglicher Nachfolger und rückten die politischen Spannungsfronten vermehrt ins öffentliche Blickfeld.

Anfang Oktober wurden die offiziellen Rücktrittserklärungen bekanntgegeben. So kam die Diskussion über die Nachfolge noch vor den Parlamentswahlen in Gang. Im Mittelpunkt stand die von der SP-Parteispitze begünstigte Kandidatur der Zürcher Nationalrätin Lilian Uchtenhagen (sp), die wegen ihres erheirateten basellandschaftlichen Heimatscheins wählbar war. Auf freisinniger Seite galt der Waadtländer Staats- und Nationalrat Jean-Pascal Delamuraz als Favorit. Beide Anwärter waren aber innerhalb wie ausserhalb ihrer Parteien nicht unumstritten.
Besonderes Interesse erregte es, dass erstmals die Wahl einer Frau in die Landesregierung in greifbare Nähe rückte. Wie üblich spielten regionale Vertretungsansprüche eine Rolle. So machte man in Genf nachdrücklich geltend, dass man seit 1919 nicht mehr zum Zuge gekommen war. Die von Ritschard vertretene Nordwestschweiz schien ihrerseits ein Recht auf Berücksichtigung zu haben, desgleichen der seit 1979 bundesratslose Kanton Bern. Gegen Kandidaten, die in Zürich und in der Ostschweiz zu Hause waren, gab man zu bedenken, dass dieser Landesteil bereits drei von sieben Regierungssesseln besetzt hielt.

Die öffentliche Debatte drehte sich in einem ganz ungewohnten Mass um persönliche Eigenschaften der Hauptkandidaten. Lilian Uchtenhagen wurde in geradezu peinlicher Weise auf ihre Kommunikationsfähigkeit und seelische Belastbarkeit untersucht. Gegen Delamuraz wurde eine private «Affäre» aufgetischt, doch vermochte sich der robuste Vollblutpolitiker der Trübung seines Image besser zu erwehren als seine weibliche Kollegin.

Eine weitere emotionale Komponente erhielt der Kampf um die vakanten Bundesratssitze, als Willi Ritschard am 16. Oktober ganz unerwartet an einem Herzversagen starb. Aus den zahlreichen Würdigungen seiner volksverbundenen Persönlichkeit, seiner Leistungen und seiner «Vision einer besseren Schweiz» trat da und dort das Bild eines idealen Bundesrates hervor. Er hatte sich für seine Ablösung durch eine Frau ausgesprochen. Dass Lilian Uchtenhagen seine Wunschnachfolgerin gewesen sei, konnte jedoch nicht überzeugend belegt werden.

Sechs sozialdemokratische Kantonalparteien präsentierten den nationalen Entscheidungsgremien der SP ihre Kandidaten, bei denen die politische und die bürgerrechtliche Heimat nicht in allen Fällen übereinstimmte. Portiert wurden neben Lilian Uchtenhagen (ZH) die Nationalräte Hans Schmid (SG) und Kurt Meyer (BE), Ständerat Edi Belser (BL) sowie die Ex-Nationalräte Otto Stich (SO) und Arthur Schmid (AG). Sowohl im Parteivorstand wie in der Fraktion setzte sich Lilian Uchtenhagen durch, in der Fraktion allerdings erst im zweiten Wahlgang. Auf sie folgten Hans Schmid und Otto Stich; die übrigen waren schon nach der ersten Runde zurückgetreten.
Die Fraktion der FDP hatte unter drei kantonalen Kandidaturen auszuwählen. Der Waadtländer Delamuraz siegte — im dritten Wahlgang — vor dem neuen Genfer Ständerat Robert Ducret und dem ehemaligen Tessiner Nationalrat Pier Felice Barchi.

Die knappen Ergebnisse liessen die Wahlen in der Vereinigten Bundesversammlung noch völlig offen erscheinen. Die Nominierung der liberalen Genfer Ständerätin Monique Bauer neben Lilian Uchtenhagen durch die unabhängige und evangelische Fraktion blieb zwar blosse Demonstration; die Erkorene lehnte eine Kandidatur sogleich ab. Doch die sozialdemokratische Kandidatin begegnete in bürgerlichen Kreisen fortgesetztem Widerstand. Dieser verschärfte sich eher noch, als SPS-Präsident Hubacher in einem Interview drohte, seine Partei werde nicht jede Alternative akzeptieren; sollte die Wahl auf jemand fallen, der im internen Ausleseverfahren nur minimale Unterstützung erhalten habe, so werde ein Parteitag über den Rückzug aus der Landesregierung befinden. Freisinnigerseits wurde dies als Erpressungsversuch gewertet; die FDP schien demgegenüber der Durchsetzung ihrer offiziellen Nomination weniger Gewicht beizumessen.

Bundesratswahlen 1983