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Nachdem der Lobbyismus des Bauernverbands bereits 2015 Gegenstand von Kritik war, liessen diverse Schweizer Medien auch 2016 nicht davon ab. Stein des Anstosses war die Zustimmung des Nationalrats in der Sondersession Ende April zu einem umstrittenen Gesetzesentwurf, der Bauern beim Verkauf von Bauland steuerlich entlasten sollte. Eine solche Regelung war bis 2011 in Kraft gewesen, bevor das Bundesgericht Ende 2011 entschied, dass Bauern Gewinne aus dem Verkauf von Bauland vollumfänglich versteuern müssen. Der Schweizerische Bauernverband (SBV), allen voran dessen Präsident Markus Ritter (cvp, SG), hatte vor der Abstimmung im Nationalrat intensiv für die Wiedereinführung dieses Gesetzes geweibelt. Gemäss Medienberichten entgingen dem Bund insgesamt 400 Millionen Franken an Steuer- und AHV-Einnahmen, wenn das Gesetz wieder eingeführt werden würde.

Überrascht über den Entscheid des Nationalrats untersuchten die Medien in der Folge die Einflussnahme Ritters auf seine Ratskollegen. Die CVP-Fraktion würde merklich öfter die Anliegen der Bauern unterstützen seit Ritter 2012 Präsident des SBV wurde. Damit sei eine „Agrar-Allianz“ im Nationalrat entstanden, bestehend aus der CVP-, der SVP- und der BDP-Fraktion, die im Nationalrat über eine Mehrheit verfügen. Durch das Betreiben von Kuhhandel würden dabei unentschlossene Parlamentarier überzeugt: Die Unternehmenssteuerreform III sei von Ritter zuerst kritisiert worden, bevor er den Wirtschaftsvertretern die Unterstützung der Bauern zusicherte, um im Gegenzug deren Stimmen für das eigene Anliegen zu erhalten. In einem Interview mit der Aargauer Zeitung verteidigte sich der höchste Schweizer Bauer: Mit der steuerlichen Entlastung für Bauern, die ihr Bauland verkauften, solle eine Gleichbehandlung von Bauern, Privatpersonen und Firmeninhabern geschaffen werden – etwas, das vom Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) jedoch bestritten wurde. Es sei zudem „kein Selbstläufer“, Politiker der CVP-, SVP- und BDP-Fraktionen, in denen die Bauern allesamt nicht in der Mehrheit sind, von den Anliegen des Bauernverbands zu überzeugen. Zum Vorwurf des Kuhhandels sagte Ritter, dass der Bauernverband grundsätzlich jedes Geschäft einzeln prüfe und es dem Verband nicht um Gegengeschäfte gehe, sondern um „das Finden von Mehrheiten“.

Ständeräte zeigten sich im Sommer jedoch sehr skeptisch gegenüber dem Entscheid der grossen Kammer. Die Bauern würden ihren Rückhalt in der Bevölkerung überschätzen, sagte Ruedi Noser (fdp, ZH) und Anita Fetz (sp, BS) unterstellte den Bauernvertretern im Parlament, dass sie „unverfroren überall zugreifen“. Auch die Bauland-Affäre von Bundesrat Guy Parmelin (svp) dürfte zum schweren Stand des Gesetzesvorhabens bei den Ständeräten beigetragen haben. Denn anfangs Mai enthüllte der Blick, dass sich Parmelin im Bundesrat für die Annahme des Gesetzes stark machte, von dem er selber als Miteigentümer einer Baulandparzelle profitiert hätte. In der Dezembersession beschloss der Ständerat mit 27:12 Stimmen denn auch deutlich, nicht auf die Vorlage einzutreten, womit das Geschäft an den Nationalrat zurückging.

Der Einfluss des Bauernverbands im Parlament (2016)

Im ersten Halbjahr 2015 thematisierten diverse Medien den starken Lobbyismus des Bauernverbandes im Bundeshaus. Hintergrund waren Erfolge der Bauern im Parlament. So unterstützte die grosse Kammer etwa eine parlamentarische Initiative des SBV-Direktors und Nationalrats Jaques Bourgeois (fdp, FR; Pa.Iv. 10.538). Die Initiative wollte Lebensmittel vom Cassis-de-Dijon-Prinzip ausnehmen. Seit der Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips 2010 können Produkte, die in der EU rechtmässig in Verkehr sind, grundsätzlich auch in der Schweiz frei zirkulieren. In der Öffentlichkeit wurde insbesondere der Gegensatz des Lobbying-Erfolgs des Bauernverbandes bei gleichzeitig stetig abnehmender Zahl von Berufsbauern diskutiert. Weil die Zahl der Bauernbetriebe zurückgeht, würden die Direktzahlungen des Bundes an immer weniger Betriebe ausbezahlt, wodurch jeder Bauer im Schnitt mehr Geld erhalte. Die Bauern würden auf hohem Niveau klagen, lautete das Fazit in den Medien. In einem Interview mit der NZZ räumte SBV-Präsident Markus Ritter (cvp, SG) ein, dass die verbliebenen Höfe mehr Direktzahlungen erhalten würden, betonte gleichzeitig aber auch, dass sie im Gegenzug auch mehr leisten müssten, etwa in den Bereichen Biodiversität, Sömmerungsgebiete und in der Landschaftsqualität. Zudem kritisierte Ritter die Medien für ihre angeblich einseitige Darstellung, wenn über die Bauern geschrieben werde. Im Herbst des gleichen Jahres dämpfte der Ständerat den Höhenflug des Bauernverbands allerdings wieder: Er trat nicht auf die parlamentarische Initiative Bourgeois’ ein, wodurch diese vom Tisch war.

Der Einfluss des Bauernverbands im Parlament (2015)

Verschiedene Zeitungen berichteten im Frühjahr 2015 über den starken Einfluss des Agrarsektors, welcher im Parlament immer wieder ersichtlich sei. So fielen Entscheidungen, welche das Parlament zu treffen habe, häufig im Sinne der Landwirtschaft aus. Anlass für die entsprechenden Zeitungsberichte waren verschiedene im Sinne der Landwirtschaft in der Sondersession im Mai 2015 gefällt Entscheide: Unter anderem nahm der Nationalrat die parlamentarische Initiative Bourgeois (fdp, FR; Pa.Iv. 10.538) an, die Lebensmittel aus dem Cassis-de-Dijon-Prinzip ausnehmen wollte. Das Prinzip legt fest, dass die Zulassungsprüfungen und Deklarationsvorschriften von EU oder EWR-Ländern bedingungslos akzeptiert werden, auch wenn deren Bestimmungen von den landeseigenen abweichen. Würden Lebensmittel von diesem Prinzip ausgenommen, würde dies ein zusätzliches Handelshemmnis mit protektionistischer Wirkung für die Schweizer Landwirtschaft bedeuten. Obwohl die Initiative schliesslich am Willen des Ständerats scheiterte, gelang es der Bauernschaft, im Nationalrat eine Mehrheit von 109 Stimmen auf ihre Seite zu bringen.
Einen eindeutigen Sieg erzielte die Bauernlobby in der Sondersession 2015 bei den Diskussionen um Sparmassnahmen. Wiederum gelang es ihr, 109 Mitglieder des Nationalrats und 35 Mitglieder des Ständerats davon zu überzeugen, von Kürzungen in der Höhe von CHF 56.7 Mio. in der Landwirtschaft abzusehen, während in zahlreichen anderen Bereichen der Rotstift angesetzt wurde.
Ein ähnliches Bild zeigte sich im Folgejahr bei den Verhandlungen um die Revision des Landesversorgungsgesetzes, als es den Landwirtschaftsvertretenden gelang, spezielle Konditionen für die Landwirtschaft auszuhandeln. Während auf vielen importierten und einheimischen Produkten, welche für die Landesversorgung von zentraler Bedeutung sind, sogenannte Garantiefondsbeiträge erhoben werden, wurde bei inländischen Nahrungs- und Futtermitteln sowie bei Saat- und Pflanzgut auf diesen Beitrag verzichtet. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die einheimische Landwirtschaft nicht mit zusätzlichen Steuern belastet werden solle. Obwohl der Ständerat dieser Anpassung des Gesetzesentwurfs zuerst nicht zustimmen wollte, akzeptierte er die Ausnahmeregelung für die Landwirtschaft im Differenzbereinigungsverfahren schliesslich doch.

Die Ansätze in den Medien zur Erklärung dieser Durchsetzungsstärke des Agrarsektor waren vielfältig. Einerseits wurde betont, dass die starke Stellung der Landwirtschaft im Parlament daher komme, dass in der Landwirtschaft tätige Personen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen überdurchschnittlich stark im Parlament vertreten sind. Vor den Wahlen im Herbst 2015 seien Landwirtinnen und Landwirte nach den Juristinnen und Juristen, den Berufspolitisierenden sowie den im unternehmerischen oder beratenden Umfeld tätigen Personen mit 18 Sitzen die fünftgrösste Berufsgruppe im Nationalrat gewesen. Ein Artikel der NZZ argumentierte, dass es die Landwirtschaft geschafft habe, die Bevölkerung mit Verweis auf den Zweiten Weltkrieg glauben zu machen, dass die staatliche Förderung für die einheimische Versorgungssicherheit unerlässlich sei. Dies habe dazu geführt, dass die Schweizer Landwirtschaft so stark abgeschottet sei wie kaum in einem anderen Land, obwohl wir heute in einer stark vernetzten und globalisierten Welt lebten.

Einfluss des Agrarsektors im Parlament