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Nach einem langen und emotionalen Abstimmungskampf nahm die Schweizer Stimmbevölkerung am 19. Mai 2019 die Übernahme der geänderten EU-Waffenrichtlinie mit 63.7 Prozent Ja-Stimmen deutlich an. Die Stimmbeteiligung lag bei 43.9 Prozent. Ausser im Tessin (45.5% Ja) überwog die Zustimmung in allen Kantonen. Am höchsten fiel sie in Basel-Stadt mit 75 Prozent Ja-Stimmen aus, gefolgt von den drei Westschweizer Kantonen Genf, Neuenburg und Waadt sowie dem Kanton Zürich mit jeweils über 70 Prozent. Gesamtschweizerisch zeigte sich ein klarer Stadt-Land- oder Zentrum-Peripherie-Graben, wobei die Zustimmung in den städtischen Zentren am höchsten und – nebst dem Tessin – in den ländlichen Regionen wie dem Berner Oberland, der Innerschweiz und den Bündner Südtälern am niedrigsten ausfiel.
Vertreterinnen und Vertreter der Befürworterseite werteten das Ergebnis in der Presse als positives Signal für die Beziehungen der Schweiz zur EU und blickten zuversichtlich in Richtung der anstehenden europapolitischen Entscheidungen über die Begrenzungsinitiative sowie über das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU. Demgegenüber sah das unterlegene Nein-Lager im Resultat kein Ja zu Europa, sondern schöpfte daraus neuen Elan für den Kampf gegen die Personenfreizügigkeit und das Rahmenabkommen. «Solche angstgetriebenen Abstimmungsergebnisse wären künftig die Regel, falls der Bundesrat das Rahmenabkommen mit der EU unterschreibt», zitierte beispielsweise die Aargauer Zeitung eine Mitteilung der SVP. Die Gesellschaft für ein freiheitliches Waffenrecht ProTell, die an vorderster Front gegen die Änderungen im Waffenrecht gekämpft hatte, liess derweil verlauten, man werde die Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie nun sehr genau überwachen und den Bundesrat an seinen Versprechungen messen, die er im Abstimmungskampf gemacht habe.
Der Ausgang der Abstimmung wurde sowohl von der Befürworter- als auch von der Gegnerseite zu einem grossen Teil der neuen Justizministerin Karin Keller-Sutter zugeschrieben. Sie habe mit ihrer Glaubwürdigkeit als ehemalige Polizeidirektorin eines Grenzkantons die Unentschlossenen überzeugt, lobte sie etwa der Waadtländer FDP-Nationalrat Laurent Wehrli in der «Tribune de Genève». Auch der Walliser SVP-Nationalrat und Interimspräsident von ProTell Jean-Luc Addor bezeichnete die Übernahme des EJPD durch Karin Keller-Sutter gegenüber der gleichen Zeitung als «Schlüsselmoment» in der Kampagne, weil die St. Gallerin – im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin und «historischen Waffengegnerin» Simonetta Sommaruga – im Dossier als glaubwürdig wahrgenommen worden sei. Die neue Bundesrätin bestand ihre Feuertaufe vor dem Stimmvolk offensichtlich mit Bravour.


Abstimmung vom 19. Mai 2019

Beteiligung: 43.9%
Ja: 1'501'880 (63.7%)
Nein: 854'274 (36.3%)

Parolen:
– Ja: BDP, CVP, EVP, FDP (Jungfreisinnige: 3*), GLP, GP, KVP, SP; KdK, Economiesuisse, SAV, SGV, SGB, Travail.Suisse, Gastrosuisse, Hotelleriesuisse, SBLV
– Nein: EDU, FP, SD, SVP; IGS, SOG, Schweizerischer Unteroffiziersverband, Jagd Schweiz, ProTell, SBV
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Übernahme der Richtlinie 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Dossier: Das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz)

Wie angekündigt sammelten verschiedene Komitees Unterschriften für ein Referendum zum Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF): ein linkes Komitee, bestehend aus den Grünen, den Jungen Grünen, der Juso, VPOD und Westschweizer Gewerkschaften; ein Generaktionenkomitee, das sich aus der Jungen GLP und der Jungen BDP zusammensetzte; ein bürgerliches Komitee aus Mitgliedern der Jungen SVP und vier kantonalen Sektionen der Jungfreisinnigen; sowie ein Bürgerkomitee «Kuhhandel Nein», das Unterschriften über die Onlineplattform Wecollect sammeln wollte. Die breite Liste an Gegnern der STAF führte in der Presse zu einigen Diskussionen: Die Spaltung der Linken – die SP stellte sich als einzige linke Partei klar hinter die Vorlage – war ein Thema, über die sich emanzipierenden Jungparteien wurde berichtet und es wurde darüber diskutiert, was denn nun ein allfälliges «Nein» an der Urne zur STAF ob einer so breiten Gegnerschaft zu bedeuten hätte.
Anfang November erschienen die ersten Zeitungsberichte, welche den Erfolg der Unterschriftensammlung, der bis dahin als gesichert gegolten hatte, in Frage stellten: So laufe die Sammlung der Unterschriften mittels Onlineplattform sehr langsam, was als Anzeichen für allgemeine Schwierigkeiten, die nötigen 50'000 Unterschriften zusammenzubekommen, gewertet werden könne. Als Gründe dafür wurde unter anderem genannt, dass sich die starken Kampagnenorganisationen nicht an der Unterschriftensammlung beteiligten und dass die Dauer der Unterschriftensammlung aufgrund der Feiertage schlechter genutzt werden könne als sonst. Ferner schränke die Komplexität der Vorlage die Bereitschaft der Schweizerinnen und Schweizer ein, das Referendum zu unterzeichnen. Im neuen Jahr vermeldeten die Komitees jedoch, dass sie die Unterschriften erfolgreich eingereicht hätten und Anfang Februar 2019 bestätigte die Bundeskanzlei das Zustandekommen des Referendums: Über 60'000 gültige Unterschriften hatten die Komitees gesammelt.
In der Folge berichteten die Medien insbesondere über die Zusammensetzung der beiden Lager: Ihre Unterstützung zur STAF vermeldet hatten in der Zwischenzeit die FDP, die CVP, die SP, die BDP, die EVP und die EDU. Auch die Wirtschaft stellte sich weitgehend hinter das neue Gesetz; Economiesuisse, Swissholding, der Arbeitgeberverband, der Bauernverband und auch der Gewerbeverband – mit Ausnahme einiger Kantonalsektionen – fassten die Ja-Parole. Kantone, Städte und Gemeinden unterstützten die Vorlage durch ihre entsprechenden Organisationen (KdK, Städteverband, Gemeindeverband) ebenso. Gegen die STAF sprachen sich die Grünen, die GLP und die meisten Jungparteien ausser den Jungfreisinnigen und der Jungen CVP sowie der VPOD aus, nicht aber der SGB, der Stimmfreigabe beschloss. Von besonderem Interesse für die Presse war die Position der SVP: Diese entschloss sich, aufgrund ihrer internen Differenzen zwischen der Bundeshausfraktion, welche die STAF deutlich abgelehnt hatte, und einer Befürwortergruppe um Finanzminister Maurer ebenfalls für Stimmfreigabe. Dadurch bleibe der Partei eine Zerreissprobe erspart, urteilten die Medien. In den Monaten vor der Abstimmung gaben jedoch zahlreiche Kantonalsektionen der SVP die Ja-Parole aus. Bis zum Schluss sprachen sich 10 Kantonalsektionen für die STAF aus und 4 dagegen. Doch nicht nur die SVP war bezüglich dieser Vorlage gespalten; auch bei den Grünliberalen und den Grünen fanden sich verschieden Kantonalsektionen, welche der Vorlage gegen den Willen der nationalen Partei zustimmten.
Die Differenzen zur Vorlage innerhalb der Parteien widerspiegelten sich auch in den Vorumfragen. Am deutlichsten votierten in der ersten SRG-Vorumfrage im April 2019 die Anhängerinnen und Anhänger der FDP (82%) und der CVP (71%) für die STAF, gefolgt von denjenigen der SP (59%) und der BDP (57%). Doch auch bei den Sympathisantinnen und Sympathisanten der Grünen (45% Ja-Stimmen, 42% Nein-Stimmen) und der GLP (43% Ja-Stimmen, 32% Nein-Stimmen) fand die Vorlage eine relative Mehrheit. Einzig die Anhängerinnen und Anhänger der SVP sprachen sich mehrheitlich gegen die STAF aus (35% Ja-Stimmen, 55% Nein-Stimmen). Insgesamt gaben in dieser ersten SRG-Umfrage 54 Prozent der Befragten an, der Vorlage sicher oder eher zustimmen zu wollen, 37 Prozent wollten die STAF sicher oder eher ablehnen. Unsicher zeigten sich noch 9 Prozent der Befragten. Bis zur zweiten SRG-Umfrage Anfang Mai 2019 war die Differenz zwischen den beiden Lagern dann merklich angestiegen: Der Anteil Zustimmende war auf 59 Prozent gestiegen, der Anteil Ablehnende leicht gesunken (35%). Veränderungen gab es auch innerhalb der Parteien, wobei das Befürworterlager in beinahe allen Parteien deutlich anwuchs; selbst in der SVP erreichte es nun eine relative Mehrheit (47%).

Die Berichterstattung zur STAF umfasste zahlreiche verschiedene Aspekte. Immer wieder Thema war die schwarze Liste der EU für Steueroasen: Seit Ende 2017 befand sich die Schweiz auf der sogenannten grauen Liste, der Beobachtungsliste, und im Oktober 2018 entschied sich die EU, die Schweiz vorläufig auf dieser Liste zu belassen. Da die Frist der EU, die umstrittenen Steuerschlupflöcher abzuschaffen, jedoch Ende 2018 ablief und ihr nächster Beurteilungstermin im März 2019, also vor der Abstimmung im Mai 2019, anstand, befürchteten die Medien, die Schweiz könne noch vor der Abstimmung auf die schwarze Liste geraten. Dies hätte womöglich scharfe Gegenmassnahmen der EU-Mitgliedstaaten zur Folge gehabt. Mitte März gab die EU jedoch bekannt, der Schweiz noch bis Ende 2019 Zeit für die Umsetzung ihrer Versprechen einzuräumen. Die EU respektiere die Schweizer Verfassung, die ein Referendum ermögliche, erklärten die EU-Finanzminister.
Viel Aufmerksamkeit in der Berichterstattung zur STAF erhielt Wirtschaftsprofessor Christoph Schaltegger von der Universität Luzern. Er kritisierte, dass die STAF das Anreizproblem der Nehmerkantone des Finanzausgleichs nicht stark genug mildere: Viele Nehmerkantone würden heute durch die Ansiedelung neuer Firmen oder durch höhere Gewinne von Firmen mehr Geld verlieren, als sie durch die höheren Steuern erzielten, weil ihre Einkünfte aus der NFA dadurch überproportional sänken. Zwar würde die STAF diese Problematik mildern – die Gewinne der Unternehmen würden in der NFA weniger stark gewichtet –, jedoch seien auch im Falle einer Annahme noch immer 11 Kantone (AR, AI, Fr, GL, GR, JU, LU, SO, TG, UR, VS) von diesen Anreizproblemen betroffen. Grundsätzlich bestehe ein Konflikt zwischen NFA und den Zielen des Steuerteils der STAF, erklärte Schaltegger: Die Geberkantone hätten aufgrund der STAF Anreize, sich für Unternehmen attraktiv zu positionieren, während Nehmerkantone sich aus finanzieller Sicht eher unattraktiv geben müssten. Aufwind bekam diese Problematik im April 2019, als bekannt wurde, dass das Finanzdepartement bei der Berechnung der Folgen für die einzelnen Kantone die Gewinne der Gemeinden mitberücksichtigt hatte. Dies wäre jedoch nur zulässig, wenn die Gemeinden mit ihren Gewinnen mithelfen würden, die kantonalen Mindereinnahmen wettzumachen. Dazu wären jedoch kantonale Gesetzesänderungen nötig; die betroffenen Kantone bestritten jedoch, solche Änderungen zu planen.
Nicht nur wegen der Folgen bezüglich der NFA verglich die Presse die Auswirkungen der STAF auf die Kantone, sie berichteten auch regelmässig über den Stand der kantonalen Umsetzungsvorlagen zur STAF und zu deren Auswirkungen auf den Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen. Besonders rosig präsentierte sich die Situation für die Kantone Genf, Basel-Stadt und Waadt, meldeten sie. Diese hätten ihre Gewinnsteuern allesamt deutlich reduziert, was ihnen gemäss Finanzminister Maurer deutlich leichter gefallen sei als anderen Kantonen, weil sie viele Unternehmen hätten, die bisher privilegiert besteuert worden seien. Insgesamt seien jedoch gemäss Medien die meisten Kantone dabei, ihre Gewinnsteuern denjenigen der Zentralschweizer Tiefsteuerkantone anzunähern. Verlieren würden dabei vor allem die Kantone Aargau und Zürich, deren Gewinnsteuern vergleichsweise hoch bleiben werden. Sie seien besonders stark auf die Möglichkeiten, die ihnen die STAF biete, angewiesen. Neben den Gewinnsteuern verglichen die Zeitungen auch immer wieder die sozialen Kompensationsmassnahmen, welche die Kantone planten. Hatte die Presse zum Beispiel Ende November 2018, nachdem der Kanton Bern eine Reduktion der Unternehmensbesteuerung abgelehnt hatte, noch berichtet, dass die meisten Kantone auf solche sozialen Ausgleichsmassnahmen verzichten würden, tönte dies im April 2019 anders: Gemäss NZZ planten 16 Kantone einen sozialen Ausgleich zu den Unternehmenssteuersenkungen. Die Drohung der SP, in allen Kantonen, die bei der kantonalen Umsetzung der STAF auf einen sozialen Ausgleich verzichten wollten, das Referendum zu ergreifen, habe demnach Erfolg gehabt, urteilten die Medien.
Neben Schaltegger schaltete sich auch Aymo Brunetti, Wirtschaftsprofessor der Universität Bern, in die Diskussion zur STAF ein. Er kritisierte insbesondere die laue Haltung des Bundesrates bezüglich der Erhöhung des Rentenalters. Er rechnete vor, dass die zusätzliche Lebenserwartung für 65-Jährige bei der Gründung der AHV 1948 12-13 Jahre betragen habe, diese nun aber bei 21 Jahren und bald sogar bei 25 Jahren liege. Zudem seien 1948 sechs Erwerbstätige auf einen Rentner gekommen, heute seien es noch gut drei. Heute müssten entsprechend vor allem die Jungen und Ungeborenen für die Renten der Älteren bezahlen: Ein 55-Jähriger zahle die zusätzlichen Lohnbeiträge noch 10 Jahre lang, ein 25-Jähriger aber viermal so lange. Zusätzlich erlangte der AHV-Teil der STAF auch aufgrund der Diskussionen zum Reformpaket AHV 21 regelmässig mediale Aufmerksamkeit. Im Februar 2019 zum Beispiel präsentierte der Bundesrat den Vernehmlassungsbericht zur neuen AHV-Rerfom. Die SP reagierte auf die darin enthaltene Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre mit einer Referendumsdrohung – hatte sie doch zuvor erklärt, mit der STAF sei die Rentenaltererhöhung vom Tisch. Immer wieder erschienen zudem Berichte, die besagten, dass die CHF 2 Mrd., welche die AHV durch die STAF erhalten würde, ihr bloss einige Jahre weiterhelfen würden. Eine Erhöhung des Frauenrentenalters könne damit wohl nicht verhindert werden, erklärte zum Beispiel der Tagesanzeiger.
Schliesslich diskutierten die Zeitungen die Frage, was bei einer Ablehnung der STAF geschehen würde. Einig war man sich, dass die umstrittenen Steuerprivilegien so bald wie möglich abgeschafft werden müssten. Unklar blieb dabei, wie geduldig sich die EU gegenüber der Schweiz zeigen würde. Und gänzlich unterschiedlich waren die Positionen der linken und der bürgerlichen Gegnerinnen und Gegner der Vorlage bezüglich der folgenden Revision: Die Präsidentin der Grünen, Regula Rytz (gp, BE), gab an, die Steuerprivilegien nach Ablehnung der STAF nur mit unbestrittenen Entlastungen abschaffen zu wollen; die Bürgerlichen hingegen sprachen davon, den Steuerteil der STAF ohne die AHV-Finanzierung umsetzen zu wollen.

Dass letztere Diskussionen unnötig waren, zeigte sich spätestens am 19. Mai 2019. Mit 66.4 Prozent sprachen sich die Stimmenden bei einer Beteiligung von 42.7 Prozent für den AHV-Steuer-Deal aus. Die Stimmenden in allen Kantonen nahmen die STAF an, besonders hoch war die Zustimmung in den Kantonen Waadt (80.7%), Neuenburg (72.4%) und Wallis (71.8%) mit über 70 Prozent Zustimmung, am tiefsten in den Kantonen Solothurn (58.6%), Bern (60.4%) und Aargau (62%). Wie die Nachabstimmungsbefragung «Voto» zeigte, sprachen sich die Sympathisantinnen und Sympathisanten sämtlicher Parteien mehrheitlich für die Vorlage aus, wenn auch bei der SVP (52%) nur knapp. Die Nachbefragung zeigte zudem, dass 42 Prozent der Befragten beide Vorlagen angenommen hätten, wenn diese den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern einzeln vorgelegt worden wären; 29 Prozent hätten nur zum AHV-Teil, 7 Prozent nur zum Unternehmenssteuerteil Ja gesagt und 7 Prozent hätten beide Vorlagen abgelehnt. Entsprechend erwies sich gemäss der Studie auch die Sanierung der AHV als Hauptargument der Ja-Stimmenden, während die Nein-Stimmenden vor allem mit der Verknüpfung der zwei Teile Mühe bekundeten. Trotz der Kritik, welche die Verknüpfung der zwei Themen erfahren hatte, erwies sich diese Taktik aus Sicht der Abstimmungsgewinnerinnen und -gewinner somit als erfolgreich.


Abstimmung vom 19. Mai 2019

Beteiligung: 42.7%
Ja: 1'541'147 (66.4%), Stände: 23
Nein: 780'457 (33.6%), Stände: 0

Parolen:
– Ja: BDP (1), CVP, EDU, EVP, FDP, SP; Jungfreisinnige (4), Junge CVP; Economiesuisse, Gemeindeverband, KdK, SAV, SBV, SGV, SSV, TravailSuisse, Kaufmännischer Verband Schweiz, Swiss Family Business, Science Industries, Swissholdings
– Nein: GLP (3), GPS (1), SD; Junge BDP, Junge Grüne, Junge Grünliberale, Juso, Junge SVP; VPOD
– Stimmfreigabe: SVP (10xJa, 4xNein); SGB
* in Klammern die Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Steuervorlage 17 (SV17) und Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF; BRG 18.031)
Dossier: Unternehmenssteuerreform III, Steuervorlage 17 und AHV-Steuer-Deal (STAF)

Am 17. September 2018 lancierte das Referendumskomitee seine Kampagne gegen das Gesetz über die Grundlage der Überwachung von Versicherten vor dem Hauptsitz der CSS-Krankenversicherung in Bern. Ziel dieser Aktion sei gemäss Komitee, den Fokus der Diskussion auch auf die Krankenkassen zu lenken. Da alle Bürger krankenversichert seien, könnten sie alle zukünftig einmal ins Visier der Sozialdetektive geraten, argumentierte Dimitri Rougy vom Referendumskomitee. Dass das neue Gesetz – entgegen deren Erklärungen – für die Krankenkassen wichtig sei, zeige das starke Lobbying, das sie diesbezüglich in Bern betrieben hätten. Dieser Darstellung widersprach die CSS: Observationen spielten für sie jetzt und auch zukünftig bei der Missbrauchsbekämpfung keine Rolle, erklärte CSS-Sprecherin Christina Wettstein.
Noch während der Abstimmungskampagnen präsentierte der Bundesrat seine Verordnung zur Anforderung an die mit der Überwachung betrauten Personen. Diese müssten über eine Bewilligung des BSV verfügen, in den letzten 10 Jahren nicht für ein mit der Überwachung zusammenhängendes Delikt verurteilt worden sein, über eine Polizeiausbildung oder gleichwertige Ausbildung, dazu zählt auch eine Ausbildung an einer Detektivschule, sowie über ausreichende Rechtskenntnisse verfügen und mindestens zwei Jahre Berufserfahrung in der Personenüberwachung haben. Zudem soll das BSV ein Verzeichnis über die entsprechenden Personen führen. Dies sei zwar besser als gar keine Regelung, erklärte Silvia Schenker (sp, BS) als Mitglied des Referendumskomitees, löse aber das Grundproblem der Überwachung nicht.
In der Folge versuchten die Referendumsführenden klar zu machen, dass es ihnen nicht in erster Linie darum gehe, Observationen zu verhindern. Diese dürften aber nicht willkürlich erfolgen, sondern müssten auf einer sorgfältig ausgearbeiteten gesetzlichen Grundlage beruhen. Eine solche stelle das neue Gesetz aber nicht dar, da zu viele Punkte unklar seien. Zudem gingen die Möglichkeiten, welche die Versicherungen erhielten, viel zu weit. Man würde damit «mit Kanonen auf Spatzen […] schiessen», betonte Anne Seydoux (cvp, JU). Erstere Kritik unterstützte auch ein bürgerliches Komitee, vor allem bestehend aus Jungen Grünliberalen sowie teilweise aus Jungfreisinnigen. Unterstützt wurden sie von einigen Kantonalsektionen, etwa der GLP Neuenburg oder der CVP Jura, CVP Neuenburg und CVP Genf. Offiziell bekämpft wurde die Vorlage schliesslich von SP, Grünen und Grünliberalen, Letztere entschieden sich aber mit 67 zu 61 Stimmen nur knapp und gegen den Willen des Parteivorstands gegen das Gesetz. Unterstützung in den Medien erhielten die Komitees während des Abstimmungskampfes auch von einem Teil des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB): Die Hälfte der Verbandsmitglieder, die an einer entsprechenden Befragung teilgenommen hätten, lehne das neue Gesetz ebenfalls ab, weil Privatdetektive verglichen mit den Strafverfolgungsbehörden zu viele Kompetenzen erhielten, berichteten die Medien.
Auf der anderen Seite betonten die Befürworterinnen und Befürworter des neuen Gesetzes, zu dem unter anderem die SVP, FDP, CVP, BDP und EDU sowie zum Beispiel der Gewerbeverband, der Arbeitgeberverband und der Versicherungsverband zählten, dessen Wichtigkeit für die Sozialversicherungen. Einerseits sei eine konsequente Verfolgung von Missbrauch für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Sozialversicherungen zentral, andererseits könnten so Kosten gespart werden, wodurch mehr Geld für die tatsächlich Berechtigten übrigbliebe. Um letzteren Punkt zu verdeutlichen, führten die Befürwortenden des Gesetzes an, wie viele unrechtmässig bezogenen Leistungen durch die Observationen gespart werden können. Alleine zwischen 2009 und 2016 habe die IV gemäss Zahlen des BSV wegen festgestellten Missbräuchen in etwa 2000 Fällen pro Jahr insgesamt Renten in der Höhe von CHF 1.2 Mrd. eingespart. Jährlich seien 220 Fälle mithilfe von Observationen durchgeführt worden, wobei sich der Verdacht in der Hälfte der Fälle bestätigt habe. Der momentane Überwachungsstopp erschwere den entsprechenden Stellen hingegen die Überführung von Betrügerinnen und Betrügern. So erklärte die IV-Stelle Bern, dass sie im ersten Halbjahr 2018 nur halb so viele Fälle unrechtmässig bezogener Leistungen festgestellt habe wie im ersten Halbjahr 2017. Keine entsprechende Einschätzung abgeben wollte jedoch zum Beispiel die IV-Stelle des Kantons Aargau, die SVA Aargau, da aufgrund der langen Dauer der Überwachungen zu Beginn des Untersuchungszeitraums noch Observationen eingesetzt worden seien. Auch Silvia Schenker kritisierte entsprechende Aussagen als reine Spekulation, da nicht nachgewiesen werden könne, ob die Unterschiede tatsächlich auf die fehlenden Observationen zurückzuführen seien.

Ungewohnt grosse Aufmerksamkeit erhielt im Rahmen des Abstimmungskampfes das Abstimmungsbüchlein. Das Referendumskomitee kritisierte in den Medien die Informationspolitik des Bundesrates im Abstimmungsbüchlein deutlich. Letzteres sei fehlerhaft, so dass die freie Meinungsbildung nicht mehr gewährleistet sei. Beanstandet wurde insbesondere, dass das neue Gesetz durch Aussagen, wonach dieses keine Möglichkeiten schaffe, in Wohn- und Schlafzimmern zu filmen, und wonach Richtmikrofone und Wanzen nicht erlaubt seien, verharmlost werde. Dem widersprach die Bundeskanzlei und erklärte, man habe die Grundsätze der Sachlichkeit, Transparenz und Verhältnismässigkeit eingehalten. In der Folge versuchte das Komitee, den Versand des Abstimmungsbüchlein durch eine Abstimmungsbeschwerde beim Kanton Zürich und anschliessend beim Bundesgericht zu verhindern. Das Bundesgericht wies hingegen den Antrag auf Versandstopp ab. Ein solcher sei nicht gerechtfertigt, weil auch zwei weitere Vorlagen Ende November 2018 zur Abstimmung kämen. Inhaltlich entschied es jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Etwa drei Wochen vor dem Urnengang wurde schliesslich publik, dass die Zahlen des BSV zur Anzahl Observationen bei der IV nicht korrekt waren. So wäre etwa der Kanton Freiburg mit knapp 4 Prozent der Schweizer Bevölkerung für 30 Prozent aller Observationen verantwortlich gewesen; statt 70 Observationen, wie sie das BSV aufführte, hätten in demselben Zeitraum in Freiburg jedoch nur 8 Observationen stattgefunden, erklärte dann auch der Direktor der kantonalen Sozialversicherungsanstalt. Auch in Bern und in Basel-Landschaft waren die Zahlen falsch. Diese Fehler hatten Auswirkungen auf die Höhe der Einsparungen durch die Observationen, die von der Anzahl Observationen abhängt. In der Folge musste die Bundeskanzlei die im Abstimmungsbüchlein gedruckten Zahlen korrigieren: Jährlich komme es bei der IV von 2'400 Fällen, in denen Verdacht auf Sozialversicherungsbetrug bestehe, in 150 Fällen zu Observationen, nicht in 220 Fällen wie ursprünglich erklärt. Da das Abstimmungsbüchlein zu diesem Zeitpunkt bereits gedruckt und verschickt war, korrigierte der Bund die Zahlen nur in der elektronischen Fassung. Dies könne womöglich rechtliche Folgen – bis hin zur Ungültigerklärung der Abstimmung – haben, spekulierten die Medien.
Kurze Zeit später wurde ein weiterer Fehler im Abstimmungsbüchlein publik. So berichtigte die GPK-NR eine Angabe in einer Tabelle, wonach der Nachrichtendienst zum Beispiel Telefonüberwachungen zur Bekämpfung von «Terrorismus und gewalttätigem Extremismus» einsetzen könne. Dies stimme nur für Terrorismus, gegen gewalttätigen Extremismus, zum Beispiel gegen Links- oder Rechtsradikale, könne der Nachrichtendienst keine Telefonüberwachung einsetzen. Relevant war dieser Aspekt vor allem, weil die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage argumentierten, die Sozialversicherungen erhielten weitergehende Kompetenzen als Polizei oder Nachrichtendienst – was die Befürworterinnen und Befürworter bestritten.
Nicht nur das Abstimmungsbüchlein, auch die Zahlen bezüglich der Observationen, die der Schweizerische Versicherungsverband (SSV) publizierte, erwiesen sich kurz darauf als unvollständig. Der Verband sprach von 100 Fällen von Observationen pro Jahr und erklärte, das «Mittel der Observation [werde] zurückhaltend, aber effizient eingesetzt». Dabei führte er jedoch nur die Observationen zum obligatorischen Bereich der Unfallversicherung, nicht aber diejenigen von anderen Versicherungen (z.B. Zusatzversicherungen, Krankentaggeldversicherungen, Haftpflichtversicherungen) auf, bei denen Überwachungen deutlich häufiger eingesetzt werden, die jedoch das neue Gesetz nicht betraf.

Die Medien publizierten während des Abstimmungskampfes mehrmals Geschichten, welche unrechtmässige Bezüge von Sozialversicherungsgeldern thematisierten. So veröffentlichte etwa das Bundesgericht Mitte Oktober 2018 ein Urteil zu einer Person, die wegen Sozialversicherungsbetrugs ihren Rentenanspruch verlor (9C_221/2018). Auch ein Bericht in der «Rundschau» sowie Überwachungsvideos von Betrügern, die der Präsident der Konferenz der kantonalen Ausgleichskassen, Andreas Dummermuth, veröffentlichte, wurden von den Medien aufgenommenen. Andererseits kamen auch Personen zu Wort, welche zu Unrecht observiert worden waren, und im Zusammenhang damit wurden auch die Folgen von solchen Überwachungen beleuchtet. So könnten diese bei den Überwachten seelische Spuren bis hin zu psychischen Beschwerden und dem Gefühl des Überwachtwerdens hinterlassen und bestehende psychische Erkrankungen noch verstärken, erklärte die Psychiaterin Maria Cerletti gegenüber dem Blick. Dabei wirke nicht nur die Überwachung selbst schädlich, sondern bereits das Wissen, dass man überwacht werden könnte.

Deutliche Vorzeichen für den Abstimmungssonntag lieferten die Vorumfragen. Die verschiedenen Wellen der Tamedia-Umfrage zeigten konstant einen Ja-Stimmenanteil von ungefähr zwei Dritteln der Stimmen (1. Welle: 67% Jastimmen, 30% Neinstimmen, 2. Welle: 68% Jastimmen, 30% Neinstimmen, 3. Welle: 67% Jastimmen, 32% Neinstimmen), die zwei Wellen der SRG-Umfrage durch gfs.bern machten Ja-Mehrheiten von 57 respektive 59 Prozent aus. Ob der relativ klaren Ausgangslage begannen sich die Medien gegen Ende des Abstimmungskampfes für die Frage zu interessieren, was bei einer Bestätigung des Gesetzes durch das Volk geschehe. So bestehe durchaus die Möglichkeit, dass der EGMR in Strassburg auch das neue Gesetz beanstande, weil dieses verschiedene Anforderungen des Urteils von 2016 nicht erfülle. Zum Beispiel seien die Regelungen bezüglich der anordnenden, durchführenden und überwachenden Einheiten sowie die Art und Weise der Überwachung zu unpräzise formuliert, erklärte etwa Kurt Pärli, Professor für Soziales Privatrecht der Universität Basel, ebenfalls gegenüber dem Blick.

Am 25. November 2018 fiel das Abstimmungsergebnis ähnlich deutlich aus, wie die Umfragen zuvor angekündigt hatten. Mit 64.7 Prozent bei einer Stimmbeteiligung von 48.4 Prozent sprachen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für das Gesetz zur Überwachung der Versicherten aus. Am höchsten lag die Zustimmung in den Kantonen Appenzell-Innerrhoden (81.2%), Nidwalden (78.0%), Obwalden (76.4%) und Schwyz (76.4%), abgelehnt wurde es in den Kantonen Jura (48.6%) und Genf (41.4%). Neben deutlichen sprachregionalen Unterschieden – in der Deutschschweiz lag die Zustimmung gemäss einer Auswertung des BFS durchschnittlich um fast 18 Prozentpunkte höher als in der Romandie, aber um etwa 2 Prozentpunkte tiefer als in der italienischsprachigen Schweiz – zeigten sich auch grosse Differenzen zwischen städtischen und ländlichen Regionen: Hier betrugen die Differenzen 15.7 Prozentpunkte in der Deutschschweiz und 11.3 Prozentpunkte in der Romandie. Lediglich in der italienischsprachigen Schweiz stimmten die Stadt- und die Landbevölkerung ähnlich (2.4 Prozentpunkte Unterschied). Unterschiede zeigten sich gemäss der Nachabstimmungsbefragung Voto auch zwischen den Altersgruppen: Personen zwischen 18 und 29 Jahren stimmten der Vorlage nur zu 42 Prozent zu, alle übrigen Altersgruppen wiesen Zustimmungsraten zwischen 60 und 76 Prozent auf. Ähnlich wie zuvor die Tamedia-Nachbefragung zeigte auch Voto auf, dass die Sympathisantinnen und Sympathisanten der Grünen (Voto: 24%, Tamedia: 22%) dem neuen Gesetz deutlich kritischer gegenüberstanden als diejenigen der SP (Voto: 42%, Tamedia: 38%). Die Befürworterinnen und Befürworter zielten gemäss Voto in erster Linie auf eine effektive Missbrauchsbekämpfung bei den Sozialversicherungen ab, die Gegnerinnen und Gegner bezogen sich in ihrer Argumentation insbesondere auf die Probleme der Vorlage bezüglich der Rechtsstaatlichkeit.

Das Ergebnis zeige, dass ohne schlagkräftige Organisation im Rücken zwar eine Abstimmung erzwungen, nicht aber gewonnen werden könne, urteilten die Medien. Mit «Die Grenzen der Bürgerbewegung» fasste das St. Galler Tagblatt die Vorlage zusammen. Auch die Initianten betonten, dass ihnen im Hinblick auf die «millionenschwere Kampagne der Versicherungsbranche» das notwendige Geld für einen Vollerfolg gefehlt habe. Einen Teil ihres Ziels hätten sie jedoch dadurch erreicht, dass durch verschiedene im Abstimmungskampf gemachte Äusserungen der Befürworterinnen und Befürworter persönlichkeitsrechtliche Aspekte hätten geklärt werden können, zum Beispiel die Frage von Filmaufnahmen aus Schlafzimmern. Daran müsse sich die Justiz orientieren, auch wenn diese nicht direkt in die Gesetzesauslegung einfliessen würden, betonte zum Beispiel Daniel Gerny in der NZZ.


Abstimmung vom 25. November 2018

Beteiligung: 48.4%
Ja: 1'667'849' (64.7%), Stände: 21
Nein: 909'172 (35.3%), Stände: 2

Parolen:
– Ja: BDP, CVP, EDU, FDP, SVP, Arbeitgeberverband, Gewerbeverband, Versicherungsverband
– Nein: GPS, GLP, PdA, SD, SP, Dachverband der Behindertenorganisationen, Gewerkschaftsbund, Pro Infirmis, Travailsuisse
– Stimmfreigabe: EVP
* in Klammern die Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Parlament schafft eine gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten (Pa. Iv. 16.479)
Dossier: Überwachung von Versicherten (2016-2019)

Am 25. November 2018 kam die Selbstbestimmungsinitiative zur Abstimmung. Die lediglich 33.7 Prozent Ja-Stimmen – in keinem einzigen Kanton fand die Initiative eine Mehrheit – waren für die meisten Beobachterinnen und Beobachter überraschend wenig. Die grösste Unterstützung erhielt das SVP-Begehren in den Kantonen Schwyz (47.1%) und Appenzell Innerrhoden (47.0%) sowie im Tessin (46.1%). In der Romandie beziehungsweise in den Kantonen Waadt (23.4%), Neuenburg (22.6%), Genf (24.7%) und Jura (24.5%) votierten hingegen mehr als drei Viertel der Teilnehmenden gegen die Initiative. Die Stimmbeteiligung lag bei 48.41 Prozent und damit leicht höher als bei der gleichzeitig zur Abstimmung stehenden Hornkuh-Initiative (48.30%) und bei der gesetzlichen Grundlage für die Überwachung von Versicherten (48.38%).
Am Tag nach der Abstimmung waren sich die Medien einig und sprachen von einer «Klatsche» (Blick), von einem «échech historique» (Le Temps) oder einer «schweren Schlappe» für die SVP. Die Ablehnung des Begehrens der Volkspartei sei überraschend deutlich ausgefallen. Allerdings sei die Frage der Hierarchie zwischen Völker- und Landesrecht nach wie vor nicht geklärt. Von einem «Pyrrhussieg» sprach gar die Basler Zeitung, weil sich künftig wohl die Konflikte zwischen den beiden Normstufen häufen würden. Zudem waren sich die Protagonisten uneinig darüber, was das Resultat für die künftige Aussenpolitik bedeute. Zur Diskussion standen dabei der Rahmenvertrag mit der EU und der UNO-Migrationspakt. Während für die Aargauer Zeitung das Nein «kein Freipass für das Rahmenabkommen mit der EU» darstelle, sprach die Wochenzeitung von einem Signal für die internationale Zusammenarbeit.
Hans-Ueli Vogt (svp, ZH) sah einen Grund für die Niederlage in den Argumenten der Gegnerschaft, gegen die die SVP nicht angekommen sei. Die Vorlage sei zu abstrakt gewesen, urteilte dabei Roger Köppel (svp, ZH) in der Weltwoche. Ein Urteil, das auch die NZZ teilte: Für einmal habe die SVP «das Bauchgefühl» nicht ansprechen können. SVP-Präsident Albert Rösti (svp, BE) habe sich mehr erhofft, wie er der Aargauer Zeitung zu Protokoll gab. Man habe eine Schlacht verloren, nicht aber den Kampf für die Unabhängigkeit. Zudem erachte er es als Erfolg, dass man dank der SVP intensiv über die direkte Demokratie diskutiert habe – trotz massiver «Verunsicherungs-Kampagne» der Gegner, so der Berner Nationalrat im Blick. Das Nein bedeute, so der Parteipräsident weiter, dass die Bevölkerung zur Klärung des Verhältnisses zwischen Landes- und Völkerrecht keine Verfassungsänderung wolle. Es sei aber kein Plebiszit für Verhandlungen mit der EU, sondern ein Ja für die direkte Demokratie und ein Auftrag, den UNO-Migrationspakt oder den Rahmenvertrag mit der EU zu bekämpfen. Die SVP werde dies weiterhin tun und als Druckmittel auch die Begrenzungsinitiative weiter verfolgen, die im Sommer zustande gekommen war.
Während im Siegerlager die GLP das Resultat als «Ja zu einer offenen und vernetzten Schweiz» interpretierte (Beat Flach [glp, AG] in der Aargauer Zeitung), sah es die SP zwar als Stärkung der Bilateralen, nicht aber als Steilpass für ein Rahmenabkommen an. Regula Rytz (gp, BE) war stolz, dass die Bevölkerung die Sprengkraft der Initiative gegen die Institutionen erkannt habe. Das System zwinge zum Ausgleich und in der Schweiz könne niemand alleine entscheiden, kommentierte Justizministerin Simonetta Sommaruga das Verdikt. Die Bevölkerung wisse diesen Ausgleich zu schätzen. Der Gewerbeverband und Economiesuisse interpretierten das Nein als Bestätigung einer weltoffenen Wirtschaftsschweiz. Die Gewerkschaften sahen darin eine Ansage gegen die Abschottungspolitik und von einem klaren Bekenntnis zum Völkerrecht sprach Amnesty International.


Abstimmung vom 25. November 2018

Beteiligung: 48.4%
Ja: 872'288 (33.7%) / Stände: 0
Nein: 1'713'501 (66.3%) / Stände: 20 6/2

Parolen:
– Ja: EDU, FPS, SD, SVP
– Nein: BDP, CVP, EVP, FDP, GLP, GPS, KVP, PdA, SP; Economiesuisse, SGB, SGV, Travail.Suisse

Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)» (BRG 17.046)

Am 4. März 2018 war dann der Tag der Entscheidung gekommen. Wie die Vorbefragungen hatten vermuten lassen, wurde die No-Billag-Initiative deutlich abgelehnt. 71.6 Prozent der Stimmenden und Mehrheiten in allen 26 Kantonen sprachen sich gegen die Initiative aus. Besonders hoch war die Ablehnung in der Romandie, insbesondere im Kanton Neuenburg mit 78.3 Prozent Nein-Stimmen. Auch der Kanton Graubünden lehnte die Initiative mit 77.2 Prozent Nein-Stimmen deutlich ab. Am besten kam die No-Billag-Initiative im Kanton Schwyz mit 62.4 Prozent Ablehnung, gefolgt vom Kanton Schaffhausen mit 62.7 Prozent an; auch im Kanton Tessin fand die Vorlage mit 65.5 Prozent Nein-Stimmen nur etwa bei einem Drittel der Stimmenden Unterstützung. Aufgrund der intensiven Kampagne wenig überraschend fiel die Stimmbeteiligung mit 54.8 Prozent überdurchschnittlich hoch aus, im Tessin lag sie gar bei 65 Prozent. „Die No-Billag-Initiative startete ohne Chance, flog dann überraschend hoch, um schliesslich krachend abzustürzen“, fasste die Luzerner Zeitung den Abstimmungskampf fast poetisch zusammen.
Die Initianten zeigten sich zwar enttäuscht, dass sie nicht die von ihnen erwarteten 40 Prozent Zustimmung erreicht hatten, waren aber gleichzeitig zufrieden damit, das Thema aufs Tapet gebracht zu haben. Olivier Kessler unterstrich, dass es ihnen gelungen war, mit der Initiative eine grosse medienpolitische Diskussion zu lancieren und das Thema Zwangsgebühren zu enttabuisieren. Andreas Kleeb ergänzte, dass ohne die Initiative die Gebühren nicht auf CHF 365 gesenkt worden wären, und Thomas Juch fasste die Hoffnung der Initianten folgendermassen zusammen: „Wir haben heute nicht an der Urne gewonnen, aber wir werden langfristig gewinnen“.
Erste Gewinne im Sinne der Initianten hatten sich bereits kurz vor der Abstimmung angekündigt. So vermeldeten verschiedene Kritiker der Initiative, nach der Abstimmung im Parlament gegen die Sonderstellung der SRG vorgehen zu wollen. Dies bekräftigten sie durch die Einreichung verschiedener Vorstösse: Beat Vonlanthen (cvp, FR) wollte mit einer Motion (Mo. 18.3070) ein Werbeverbot ab 19:30 Uhr sowie ein Onlinewerbeverbot, eine Obergrenze für die Werbeeinnahmen und einen Ausstieg der SRG aus der Admeira erreichen. Eine BDP-Motion (Mo. 18.3100) zielte auf eine Senkung der Gebühren auf CHF 320 und auf eine entsprechende Kürzung des Budgets der SRG. Auch GLP-Präsident Jürg Grossen (glp, BE) und FDP-Präsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) forderten, dass die SRG zukünftig sparen müsse. Selbst Gerhard Pfister, Präsident der SRG nahestehenden CVP, sprach sich für eine „Debatte über Grösse und inhaltliche Ausrichtung der SRG“ aus. SP-Präsident Christian Levrat (sp, FR) forderte stattdessen eine verstärkte Presseförderung. Aber auch die Initiativbefürworter waren bereits vor dem Abstimmungssonntag erneut tätig geworden: Natalie Rickli (svp, ZH) forderte in einer parlamentarischen Initiative eine Reduktion der Gebühren auf CHF 300 (Pa. Iv. 18.404) und Gregor Rutz (svp, ZH) beabsichtigte, die Abgabe für Unternehmen zu streichen (Pa. Iv. 18.405).
Auch von Seiten der SRG folgte eine Reaktion. Bereits Ende Januar hatte sich SRG-Generaldirektor Gilles Marchand mit einem Plan R zu Wort gemeldet: Nach Ablehnung der Initiative sollten die Strukturen der SRG vereinfacht und flexibilisiert, Prioritäten geklärt und Entscheidungen nachvollziehbarer gemacht werden. Einen Tag nach dem Abstimmungstermin machten die Verantwortlichen der SRG einen zusätzlichen Schritt auf ihre Kritiker zu. Marchand bezeichnete den Abstimmungssonntag als „Wendepunkt in der Geschichte der SRG“ und kündigte zusammen mit SRG-Präsident Jean-Michel Cina einen Reformplan an. Die SRG werde CHF 100 Mio. sparen – doppelt so viel wie aufgrund des Gebührendeckels sowieso nötig gewesen wäre. Sie werde sich zukünftig auf ihre Raison d‘Être konzentrieren und insbesondere Informationssendungen, Filme, Dokumentationen, Serien und mehr Eigenproduktionen ausstrahlen. Bei Spielfilmen soll es keine Werbeunterbrechungen mehr geben, zudem werde man auf eigenständige Inhalte auf den Internetseiten, auf Onlinewerbung und – trotz Erlaubnis des UVEK – auf zielgruppenspezifische Werbung verzichten. Damit setzte die SRG trotz Abstimmungsgewinn zumindest einen Teil der Forderungen ihrer Kritiker um.


Abstimmung vom 04. März 2018

Beteiligung: 54.8%
Ja: 833'837 (28.4%) / Stände: 0
Nein: 2'098'302 (71.6%) / Stände: 20 6/2

Parolen:
– Ja: SVP (2*), EDU, JSVP, Jungfreisinnige, Gewerbeverband
– Nein: CVP, BDP (1*), EVP, FDP, GLP, Grüne, LDP, SP, TravailSuisse, SGB, Economiesuisse, VSM, Médias Suisse
* In Klammer Anzahl abweichende Kantonalsektionen

Volksinitiative "Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren" (No Billag-Initiative)

Neben dem obligatorischen Referendum zur Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, kündigten verschiedene Gruppierungen, allen voran die Westschweizer Gewerkschaften, ihr Interesse an der Ergreifung eines fakultativen Referendums zur Reform der Altersvorsorge 2020 an. So seien mit der Erhöhung des Frauenrentenalters und der Senkung des Umwandlungssatzes zwei Änderungen enthalten, die man nicht akzeptieren könne. Nach kurzer Zeit wurde jedoch deutlich, dass die Westschweizer Gewerkschaften nicht auf eine breite Unterstützung hoffen konnten und das Referendum mehrheitlich alleine würden stemmen müssen. Unterstützt wurden sie lediglich von vereinzelten linken Organisationen, zum Beispiel von der Genfer SP-Kantonalsektion. Gegen Ende der Unterschriftensammlung engagierten sich auch die Zeitschriften K-Tipp und Saldo. Als Grund dafür gaben sie an, dass sie verhindern wollten, dass auf dem Stimmzettel ausschliesslich von der AHV die Rede sei und dadurch das vollständige Ausmass der Revision unterschätzt würde. Zwar kritisierten auch weitere linke Kreise die Vorlage, allen voran die Gewerkschaften, dennoch sprachen sich die Delegierten der Unia, von VPOD, des SGB sowie von Travai.Suisse knapp für die Reform aus. Dabei wurden die unterschiedlichen Positionen der Linken in der Deutsch- und Westschweiz deutlich. Um diese verschiedenen Positionen zu vereinen, beschloss die SP eine Urabstimmung durchzuführen, bei der sich 90 Prozent der teilnehmenden SP-Mitglieder für die Reform aussprachen. Ungeachtet dieser Urabstimmung beschlossen die Juso kurze Zeit später die Nein-Parole und unterstützten das linke Referendumskomitee.

Gespalten zeigten sich wie bereits im Parlament auch die Bürgerlichen. FDP und SVP sowie breite Wirtschaftskreise inklusive Economiesuisse, dem Gewerbeverband und dem Arbeitgeberverband sprachen sich gegen die Reform aus, setzten dem linken Referendumskomitee jedoch kein bürgerliches Pendant entgegen. Unter dem Namen „Generationenallianz” bewarben sie aber gemeinsam die Ablehnung der Reform. Die anderen bürgerlichen Parteien, allen voran die CVP und BDP, warben für die Annahme der Vorlage. Unterstützt wurden sie von zahlreichen Westschweizer Verbänden, unter anderem vom Westschweizer Wirtschaftsverband Centre Patronal. Im Laufe der Kampagne sprachen sich unter anderem auch der Bauernverband, Eveline Widmer-Schlumpf als neue Präsidentin der Pro Senectute, Pro Senectute selbst sowie weitere Seniorenverbände für die Reform aus. Gespalten zeigten sich die Versicherungen: Während Helvetia und Axa Winterthur, der Pensionskassenverband Asip sowie der Verwaltungsratspräsident des AHV-Fonds die Reform befürworteten, hielten sich die anderen Versicherer bedeckt.

Da die Berichterstattung zur Vorlage nach dem Showdown im Parlament im März 2017 bis zum Abstimmungstermin im September 2017 nie wirklich abriss, beleuchteten die Medien jedes Detail der Vorlage und insbesondere des Abstimmungskampfes. So wurde ausführlich über die Positionen der verschiedenen Parteien, Verbände, Vereine und Interessengruppen, aber auch über einzelne Abweichler innerhalb der verschiedenen Akteursgruppen berichtet. Diskutiert wurden die Gefahr für die Reform durch das erforderliche Ständemehr sowie die Konsequenzen für die Reform, falls nur eine der beiden Vorlagen angenommen würde. Ausführlich beschrieben wurden die Aktivitäten der Jungparteien, die trotz geringem Budget mit viel Engagement versuchten, die jüngeren Stimmbürger zu mobilisieren und zu überzeugen. So engagierte sich zum Beispiel die Junge CVP mit einer eigenen Pro-Kampagne im Internet und mit Standaktionen, während die Jungfreisinnigen mit Aktionstagen, Plakaten und Videos für ein Nein warben. Zudem erhielten die Befürworter mit Ruth Dreifuss, Walter Andreas Müller und Beni Thurnheer prominente Unterstützung. Dieses Engagement ausserhalb des bezahlten Raums wurde auch durch eine Auswertung der Inseratekampagne durch Année Politique Suisse verdeutlicht. Diese ergab, dass Anzahl und Reichweite der Inserate zur Altersvorsorge entgegen der betont grossen Relevanz der Vorlage nur durchschnittlich gross waren, was die Komitees mit ihren knappen Budgets erklärten.

Ebenfalls sehr engagiert zeigte sich Bundesrat Berset, der nicht müde wurde, die Wichtigkeit der Reform zu betonen. Dieses starke Engagement vor allem auch in Zusammenhang mit seinen Warnungen vor den drastischen Folgen eines Neins brachten ihm jedoch viel Kritik ein. Hinzu kam eine breite Kritik am Abstimmungsbüchlein, das ausschliesslich die Referendumsführer, also die Westschweizer Gewerkschaften, zu Wort kommen liess, nicht aber die bürgerlichen Gegner der Vorlage. Grund dafür war, dass bei obligatorischen Referenden Minderheitenpositionen keine eigenen Seiten erhalten und bei fakultativen Referenden nur die Referendumskomitees. Darüber hinaus war vor allem inhaltliche Kritik am Abstimmungsbüchlein zu vernehmen, so seien die Darstellungen des Bundesrates fehlerhaft und unvollständig. Doch nicht nur zur Informationspolitik des Bundesrates, auch bezüglich der Argumentationen beider Lager wurden im Laufe der Kampagne vermehrt kritische Stimmen laut. Kritisiert wurde, dass beide Seiten nicht mit offenen Karten spielten und wichtige Argumente gezielt verschwiegen.

Inhaltlich drehte sich die Berichterstattung vor allem um die Frage, ob die AHV schneller in ernsthafte finanzielle Probleme gerate, wenn man die Reform annehme oder wenn man sie ablehne. Beide Seiten gaben zu, dass in Zukunft weitere Reformen nötig sein werden, uneinig war man sich jedoch darüber, bei welchem Abstimmungsergebnis dies dringender der Fall sei. Auch bezüglich den Gewinnern und Verlierern der Reform war man sich uneins. Sowohl Befürworter als auch Gegner betonten, dass alleine ihre Position die Situation der Jungen und der Frauen verbessern würde.

Aufgrund der knappen, ungewöhnlichen Ausgangslage mit Spaltungen innerhalb der linken und bürgerlichen Parteien war schliesslich unklar, welches Lager tendenziell in Führung lag. Wirklich Licht ins Dunkel konnten auch die Vorumfragen nicht bringen. Manchmal ergaben sie einen Vorsprung der Befürworter, manchmal der Gegner, aber grösstenteils machten sie relativ knappe Zwischenresultate zwischen den beiden Lagern aus. Entsprechend knapp gingen die Abstimmungen schliesslich auch aus. Mit 2357 Stimmen mehr bei 50.0 Prozent und 11 5/2 Standesstimmen lehnte das Stimmvolk die Mehrwertsteuererhöhung ab. Leicht deutlicher fiel die Entscheidung zur Reform der Altersvorsorge 2020 aus, die mit 52.7 Prozent abgelehnt wurde. Nach über zweijähriger Ausarbeitung der Reform wird das Parlament somit bei der Revision der Altersvorsorge von vorne beginnen müssen.


Abstimmung vom 24. September 2017

Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer:
Beteiligung: 46.8%
Ja: 1`254`675 (50,0%) / Stände: 9 1/2
Nein: 1`257`032 (50,0%) / Stände: 11 5/2

Parolen:
-Ja: SP, Grüne, CVP, GLP, EVP, BDP, EDU
-Nein: SVP, FDP


Reform der Altersvorsorge 2020:
Beteiligung: 46,7%
Ja: 1`186`079 (47,3%)
Nein: 1`320`830 (52,7%)

Parolen:
-Ja: SP, Grüne, CVP, GLP, EVP, BDP
-Nein: SVP, FDP, EDU, PdA

Reform «Altervorsorge 2020» (BRG 14.088)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Mit 60,4 Prozent Ja- gegenüber 39,6 Prozent Nein-Stimmen nahm das Schweizer Stimmvolk am 12. Februar 2017 die erleichterte Einbürgerung von Personen der dritten Ausländergeneration deutlich an. Die Stimmbeteiligung lag schweizweit bei 46,8 Prozent und schwankte zwischen 39 Prozent im Kanton Uri und rund 66 Prozent in Schaffhausen. Eher überraschend war das ebenfalls deutliche Ständemehr: 17 von 23 Ständen stimmten der Vorlage zu. Die auf frühere Abstimmungsergebnisse zur erleichterten Einbürgerung zurückgehenden Befürchtungen der Befürworter, am Ständemehr zu scheitern, wurden damit klar widerlegt. In den im Vorfeld des Urnengangs noch als „Swing States“ bezeichneten Kantonen resultierte überall ein Ja. Verglichen mit der Abstimmung von 1994, als das Anliegen am Ständemehr gescheitert war, wechselten somit die acht Kantone Luzern, Nidwalden, Solothurn, Aargau, Schaffhausen, Appenzell-Ausserrhoden, Tessin und Wallis auf die Befürworterseite, wobei es in Nidwalden, Appenzell-Ausserrhoden und Tessin ein enges Rennen war (NW 50,4%, AR 50,9%, TI 50,2% Ja-Stimmen). Die knappste Entscheidung überhaupt fiel im Kanton Thurgau, wo lediglich 24 Stimmen für die ablehnende Standesstimme ausschlaggebend waren. Ein ebenfalls hauchdünnes Nein resultierte in Glarus und St. Gallen mit Nein-Stimmenanteilen von 50,4 Prozent bzw. 50,2 Prozent. Demgegenüber stiess die Vorlage in sämtlichen Westschweizer Kantonen auf überdurchschnittlich hohe Zustimmung. Am deutlichsten stimmte der in Ausländerfragen ohnehin sehr offen eingestellte Kanton Neuenburg mit einem Ja-Stimmenanteil von 75,1 Prozent zu. Die höchste Ablehnung hingegen erfuhr die Vorlage in Appenzell-Innerrhoden, dessen Stimmbevölkerung zu 56,4 Prozent ein Nein einlegte. Augenfällig ist bei den Ergebnissen zudem das Gefälle zwischen Stadt und Land; so stimmte die Stadt Zürich zu 76 Prozent Ja (Kanton ZH: 63,2%) und die Stadt St. Gallen zu 65 Prozent (Kanton SG: 49,8%).

Bundesrätin Simonetta Sommaruga liess nach dem Urnengang verlauten, die Regierung nehme das Ergebnis „mit grosser Genugtuung“ zur Kenntnis und es stimme zuversichtlich „für weitere, ebenso umstrittene Vorlagen“. Darüber hinaus ermunterte sie junge Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation, nun „die Chance zu nutzen und ihre Heimat mitzugestalten“, und fügte an, die Erleichterung der Einbürgerung sollte voraussichtlich spätestens in einem Jahr in Kraft treten. Freude über den Entscheid herrschte auch beim SGB und bei der Operation Libero. Während Ersterer von einer überfälligen Reform sprach und ankündigte, nun auch die Anforderungen für andere Einbürgerungswillige senken zu wollen, sah Letztere in dieser Abstimmung einen „ersten, wichtigen Schritt zu einem liberalen Bürgerrecht“. Daran müsse man jetzt anknüpfen und beispielsweise auch die erforderliche Aufenthaltsdauer senken oder die Mindestwohnsitzfristen in den Gemeinden abschaffen. Wenig erfreut zeigte sich die SVP, die nach der Durchsetzungsinitiative und dem Asylgesetz mit dieser Abstimmung die dritte Niederlage in der Ausländerpolitik innerhalb eines Jahres hinnehmen musste. Als Kopf des Gegenkomitees und Initiator der umstrittenen Plakate machte Andreas Glarner (svp, AG) besonders die bereits Eingebürgerten für das Resultat verantwortlich und forderte die Abschaffung des Doppelbürgerrechts. Die SVP erklärte aber auch, das Verdikt von Volk und Ständen zu akzeptieren und die noch offenstehende Möglichkeit, das Referendum gegen die in dieser Sache beschlossene Gesetzesänderung zu ergreifen, nicht wahrnehmen zu wollen.


Abstimmung vom 12. Februar 2017

Beteiligung: 46,84%
Ja: 1'499'627 (60,4%) / Stände: 15 4/2
Nein: 982'844 (39,6%) / Stände: 5 2/2

Parolen:
– Ja: SP, FDP (1*), CVP (1*), Grüne, GLP, BDP (1*), EVP, Städteverband, Eidgenössische Migrationskommission, SGB, Travail.Suisse
– Nein: SVP, EDU (1*)
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

La Suisse doit reconnaître ses enfants (Iv.Pa. 08.432) / Erleichterte Einbürgerung der dritten Generation

Auf Vorschlag der Bundeskanzlei legte der Bundesrat den Abstimmungstermin für die Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV“ auf den 25. September 2016 fest. Er entsprach damit nicht dem Wunsch der bürgerlichen Parteien, die Initiative möglichst früh an die Urne zu bringen, damit diese vor der Beratung der Reform der Altersvorsorge 2020 durch den Nationalrat vom Tisch gewesen wäre. Die Kommissionssitzungen zur Reform fanden folglich vor der Volksabstimmung über die Initiative statt, die Plenardebatte begann am Tag nach dem Abstimmungssonntag.

Auf der Befürworterseite formierten sich nebst dem lancierenden Gewerkschaftsbund die SP und JUSO, die Grünen, sämtliche anderen Gewerkschaftsorganisationen sowie verschiedene, jedoch nicht alle Senioren- und Seniorinnenverbände. Wichtigstes Argument der Befürworter war der Umstand, dass die Entwicklung der AHV-Renten nicht mit jener der Löhne Schritt halten könne und gleichzeitig die Lebenskosten, insbesondere für Mieten und Krankenkassen, angestiegen seien, weshalb es eines Ausgleichs bedürfe. Dieser Ausgleich sei mittels der AHV, im Gegensatz zur zweiten Säule, günstig und effizient vorzunehmen. Bei den Pensionskassen sei in den nächsten Jahren dagegen mit Rentenkürzungen von 15 bis 20% zu rechnen, ein weiterer Grund für eine Aufstockung der ersten Säule. Die AHV bezeichneten die Befürworter und Befürworterinnen als nicht nur das gerechteste, sondern aufgrund des Umlageverfahrens auch das sicherste Sozialwerk. An einer Medienkonferenz Ende Juni lancierte das Pro-Komitee seine Kampagne und kündigte an, bis zum Abstimmungstag eine grosse Auswahl an niederschwelligen Anlässen durchzuführen, um eine breite Mobilisierung zu erreichen.

Auf der Gegnerseite fanden sich neben den Bundesbehörden die bürgerlichen Parteien SVP, FDP, CVP, EVP, GLP und BDP sowie die Wirtschaftsverbände (Arbeitgeberverband, Gewerbeverband, Economiesuisse und Bauernverband). Sie warnten, angesichts der demografischen Entwicklung führe die Initiative zu Mehrkosten in unverantwortlicher Höhe und stünde damit vollkommen quer zu den tatsächlichen Entwicklungen. Bis ins Jahr 2030 wäre demnach bei Annahme der Initiative die Finanzierungslücke in der AHV fast doppelt so gross, wie sie es gemäss dem aktuellen Szenario ist, was auf Kosten der jungen Beitragszahlerinnen und -zahler gehen werde. Die Situation der Rentnerinnen und Rentner mit den tiefsten Einkommen würden zudem durch die Initiative kaum verbessert, weil diese ohnehin durch Ergänzungsleistungen unterstützt werden, welche bei einer Anhebung der AHV entsprechend gesenkt würden. Die Erhöhung der AHV sei nicht notwendig, da diese mittels des Mischindex' laufend an die Teuerung und damit an die Lohnentwicklung angepasst würde, und die Aussage der Initiantinnen und Initanten, die Renten der zweiten Säule würden stark sinken und es gelte daher die erste Säule zu stärken, entspreche nicht den Tatsachen. Überhaupt sei eine Gesamtreform der Altersvorsorge angezeigt; punktuelle Massnahmen wie die von der Initiative angestrebte Erhöhung seien keine Lösung. Auch das Gegenkomitee kündigte beim Start der Kampagne eine Reihe von Aktionen an.

Am Umstand, dass nebst den Parteien sämtliche grossen und viele mittlere und kleine Berufs- und Interessenorganisationen zur Initiative Stellung bezogen, lässt sich die zugeschriebene Wichtigkeit der Vorlage ablesen. Dies hängt zweifellos mit der parallel zum Abstimmungskampf im Parlament weiter diskutierten Reform der Altersvorsorge zusammen, deren durch den Bundesrat vorgesehener fein austarierter Massnahmenmix durch eine Annahme der Initiative auf den Kopf gestellt würde.

Im Juli bezog Bundesrat Berset im Namen des Gesamtbundesrates Stellung zur Initiative. Er wies auf die Konsequenzen einer Annahme für die Reform der Altersvorsorge hin, insbesondere da die Rentenerhöhung bereits per Anfang 2018 eingeführt werden müsste, womit wenig Zeit für eine Anpassung der Reform bliebe. Das Defizit der AHV würde rasch ansteigen. Der sozialdemokratische Vorsteher des Innendepartements erklärte an der Medienkonferenz explizit, er habe die Initiative dem Bundesrat zur Ablehnung empfohlen. Damit stellte sich Berset einmal mehr gegen ein Anliegen seiner eigenen Partei, und wiederum erhielt er von den Medien und vielen politischen Akteuren ein gutes Zeugnis für seine Ausführung dieser Aufgabe.

Die erste Tamedia-Umfrage, publiziert Mitte August, zeigte eine Zustimmung von 60% für die Initiative. Dieser hohe Wert überraschte; insbesondere gaben neben den Anhängerinnen und Anhänger des linken Lagers auch SVP- und CVP-Wählende mehrheitlich an, für oder eher für die Initiative zu sein. Auch die erste SRG-Umfrage, eine Woche später publiziert, zeigte einen Ja-Trend, wenn auch weniger deutlich. Die Zustimmung geriet in der Folge ins Bröckeln, womit sich Ende August ein enges Rennen abzeichnete. Die Anzahl der Unentschlossenen blieb vergleichsweise hoch. Mitte September wies die Tamedia-Umfrage ein Gleichgewicht zwischen Befürwortern und Gegnern aus, während die SRG-Umfrage ein Nein vorhersagte. Erstere zeigte zudem einen deutlichen Altersgraben: Während jüngere Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Initiative klar kritisch gegenüberstanden, gaben ältere ebenso klar an, sie annehmen zu wollen. Angesichts der Übermacht älterer Stimmender an der Urne war deshalb vereinzelt der Begriff der „Gerontokratie" zu vernehmen.

Am 25. September 2016 legten schliesslich bei einer als durchschnittlich einzustufenden Stimmbeteiligung rund 41% der Stimmenden ein Ja, 59% ein Nein in die Urne. Nur in den Kantonen Jura, Neuenburg, Genf, Tessin und Waadt traf die Initiative auf Zustimmung, womit sich annähernd ein Röstigraben ergab. Besonders deutlich wurde die Initiative in ländlichen Gebieten der Deutschschweiz abgelehnt. Das Nein der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger wurde im Allgemeinen als Anschub für die anstehende Rentendebatte gedeutet, wobei Uneinigkeit darüber herrschte, ob die Position der Linken dadurch geschwächt wurde.


Abstimmung vom 25. September 2016

Beteiligung: 43,13%
Ja: 921'375 (40,60%) / Stände: 5
Nein: 1'348'032 (59,40%) / Stände: 15 6/2

Parolen
– Ja: SP, GPS; SGB, Travail.Suisse
– Nein: SVP (1*), CVP, FDP, GLP, BDP, EVP; Economiesuisse, SGV, SAV
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV“

Abstimmung vom 14. Juni 2015

Beteiligung: 43.45%
Ja: 610'284 (27.5%) / 0 Stände
Nein: 1'611'911 (72.5%) / 20 6/2 Stände

Parolen:
Ja: CSP, EVP, Grüne, SP, Piraten; SGB, Travail.Suisse
Nein: BDP, CVP, FDP, GLP, SVP; economiesuisse, SBV

Harmonisierung von Stipendien und anderen Ausbildungsbeihilfen

"Rösti- und Polentagraben sind programmiert", titelte die NZZ bereits am 5. Juni, mit dem Argument, dass insbesondere die Sprachminderheiten von einem ausgebauten Service public profitieren und dies mit einem befürwortenden Stimmentscheid untermauern würden. Zumindest was das Resultat betrifft behielt die alte Tante grösstenteils recht: An der Volksabstimmung zur RTVG-Vorlage vom 14. Juni 2015, wurde das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen bei einer Stimmbeteiligung von 43,7% mit einer hauchdünnen Mehrheit von 3'649 Stimmen – und somit noch leicht knapper als die vorläufigen amtlichen Ergebnisse vermuten liessen, und gar knapper als jedes andere seit der Einführung des Frauenstimmrechts erzielte Abstimmungsresultat – angenommen. Treibende Kraft hinter diesem Hauch von Ja war in der Tat die Romandie (mit Ausnahme des Wallis), wo die Vorlage teilweise beträchtlichen Zuspruch erhielt – an vorderster Front vom Kanton Waadt, der die Vorlage, gefolgt von den Kantonen Genf (61,9%), Neuenburg (59,6%) und Jura (58,6%), mit einem Ja-Anteil von 62,5% deutlich befürwortete. Abgesehen von der Romandie legten lediglich Basel-Stadt (51,2%) und Graubünden (50,9%) ein Ja ein; in allen anderen Kantonen – inklusive dem Tessin (48,0%) – fand die Vorlage keine Mehrheit. Während der Ja-Anteil in den grösseren, städtisch geprägten Kantonen immerhin die 47%-Marke überschritt, bewegte sich dieser in den ländlichen Kantonen der Zentral- und Innerschweiz zwischen 40% und 45%. Das knappe Ergebnis führte denn auch nicht zum Abflauen der politischen Diskussionen, sondern zu deren intensiven Weiterführung. Die GLP, die ebenso wie die SVP und die FDP zu den Abstimmungsverliererinnen gehörte, kündigte beispielsweise an, eine Motion zur Definition des medialen Service public in der Bundesverfassung einzureichen. Dass hier Handlungsbedarf bestehe, habe die Debatte zum RTVG gezeigt. Nationalrätin Natalie Rickli (svp, ZH) kommentierte die Befunde des Tagesanzeigers, wonach die Auslandschweizer für das Ja zum RTVG verantwortlich seien: Es sei "irritierend, dass Leute mitentscheiden, die gar nicht bezahlen müssen". Nichtsdestotrotz seien jedoch diejenigen Gegnerinnen und Gegner, welche ihr Stimmrecht nicht wahrgenommen hatten, zu grossen Teilen für die Niederlage verantwortlich. Rickli rief zur Unterstützung der sich dazumals im Sammelstadium befindenden No-Billag-Initiative auf, mit der der Druck auf die SRG aufrechterhalten werden könne. Die Initiative erhielt nach der Referendumsniederlage nun auch Unterstützung vom Schweizerischen Gewerbeverband. Der Verband Schweizer Medien zeigte sich mit dem Abstimmungsresultat und gar mit dessen Knappheit zufrieden, denn Letzteres sei ein Warnsignal an die SRG. Diese solle sich auf einen Service public im engeren Sinne beschränken und ausschliesslich über die neue Abgabe finanziert werden, was einem Werbeverbot für die SRG gleichkäme.


Abstimmung vom 14. Juni 2015

Beteiligung: 43.7%
Ja: 1'128'522 (50.1%)
Nein: 1'124'873 (49.9%)

Parolen:
– Ja: SP, CVP, GPS, BDP (2*), EVP; Economiesuisse, SGB, Travail.Suisse, VSM.
– Nein: SVP, FDP (3*), GLP; SGV, SBV, Konsumentenforum.
– Stimmfreigabe: SAV, SKS.
* Anzahl abweichende Kantonalsektionen in Klammern

Änderung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) vom 26. September 2014
Dossier: Revisionen des Bundesgesetzes über Radio- und Fernsehen (RTVG)

In der Sommersession 2015 behandelte der Ständerat als Erstrat die Botschaft des Bundesrates zur Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV. Das Anliegen des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes stiess bei den Kantonsvertreterinnen und Kantonsvertretern auf wenig Zustimmung. Die Kommissionsmehrheit beantragte, dem Bundesrat zu folgen und die Initiative der Stimmbevölkerung zur Ablehnung zu empfehlen. Eine linke Minderheit Rechsteiner (sp, SG) beantragte, die Initiative zur Annahme zu empfehlen. Die Gegnerinnen und Gegner machten geltend, das Volksbegehren stehe vor dem Hintergrund der angespannten Situation der AHV, der anstehenden Rentenreform und der aktuell schwierigen Wirtschaftslage „quer in der Landschaft". Bereits eine langfristige Sicherung der AHV auf dem aktuellen Niveau sei eine Herausforderung. Eine Erhöhung aller Renten um zehn Prozent würde jährlich fünf bis sechs Milliarden Franken kosten, so die Kommissionssprecherin. Diese zusätzlichen finanziellen Mittel könnten nicht innerhalb nützlicher Frist beschafft werden, müsste doch die Rentenerhöhung gemäss dem Initiativtext spätestens ab dem zweiten Kalenderjahr nach Annahme der Initiative vorgenommen werden. Die Mehrausgaben würden bei der AHV zudem zu einem strukturellen Umlagedefizit führen, was die aktuellen und zukünftigen Erwerbstätigen belaste und den Generationenvertrag weiter strapaziere. Nicht zuletzt würden die finanzschwächsten Rentnerinnen und Rentner gar nicht von einer Erhöhung der AHV-Renten profitieren, da diese bei ihnen vollumfänglich durch eine entsprechende Senkung der Ergänzungsleistungen kompensiert werden würde. Wohlhabenderen Rentnern und Rentnerinnen, die grundsätzlich gar nicht auf eine Rente der ersten Säule angewiesen wären, würde die Volksinitiative dagegen zu einer Einkommenserhöhung verhelfen. Sprecherinnen und Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion machten sich für das Volksbegehren stark. Minderheitssprecher Rechsteiner erklärte, seit der Einführung des Mischindex' zur Berechnung der AHV-Renten im Jahr 1980 habe sich aufgrund des Effekts der sogenannten kalten Degression ein Rückstand der Renten auf die Löhne von zehn Prozent aufgelaufen. Ziel der Initiative sei es, diese zehn Prozent auszugleichen, um den verfassungsmässigen Auftrag der AHV, zusammen mit der Pensionskasse eine angemessene Fortführung des bisherigen Lebensstandards zu garantieren, wieder zu erfüllen. Dies sei wichtig, weil die AHV für eine Mehrheit der Bevölkerung, und insbesondere für die Frauen, die wichtigste Säule der Altersvorsorge darstelle. Aufgrund dieses Verfassungsgrundsatzes könnten auch nicht die Ergänzungsleistungen anstelle der AHV ausgebaut werden. Das Verhältnis zwischen Rentenverbesserung – diese würde für Alleinstehende rund 200, für Ehepaare 350 Franken monatlich betragen – und Erhöhung der Lohnbeiträge sei bei der AHV zudem hervorragend. Eine Rentenerhöhung sei verkraftbar, denn die Finanzierung der AHV sei aufgrund der umfassenden Beitragspflicht bei gleichzeitig nach oben begrenzten Renten aussergewöhnlich solide. Dem Argument, Wohlhabende sollten keine Erhöhung der AHV-Rente erhalten, weil sie gar nicht auf die erste Säule angewiesen seien, hielt der SP-Ständerat ein Zitat des Alt-Bundesrates Tschudi entgegen: „Die Reichen brauchen die AHV nicht, aber die AHV braucht die Reichen." Auf hohe Einkommen würden hohe Beiträge bezahlt. Weitere Mitglieder der SP betonten, die Ergänzungsleistungen seien unter Druck geraten, weshalb es die AHV zu stärken gelte. Diese sei als Mittel zur Existenzsicherung gegenüber den nur auf Antrag ausbezahlten EL ohnehin vorzuziehen. Bezüglich der Finanzierung wurde angemerkt, auch die Initiative „gegen die Heiratsstrafe" der CVP würde zu einer Erhöhung des Rentenvolumens führen, die Mittepartei könne die Initiative also eigentlich nicht mit dem Argument der Finanzierbarkeit bekämpfen. Schliesslich, führten die Befürworter aus, sei die Initiative nicht als Opposition gegen das Projekt Altersvorsorge 2020 zu verstehen, wie bürgerliche Politiker dies darstellten. Vielmehr stehe sie komplementär zur Rentenreform. Man hätte sich deshalb eine Behandlung in derselben Session gewünscht, wozu es jedoch aufgrund strategischer Überlegungen der bürgerlichen Kommissionsmehrheit nicht gekommen sei. In der Schlussabstimmung erklärte die kleine Kammer die Volksinitiative stillschweigend für gültig; der Minderheitsantrag Rechsteiner unterlag gegen die ablehnende Kommissionsmehrheit mit 33 gegen 11 Stimmen bei einer Enthaltung.

Volksinitiative „AHVplus: für eine starke AHV“

Im Mai 2014 stimmte der Souverän über die Volksinitiative „Für den Schutz fairer Löhne (Mindestlohn-Initiative)“ ab, die 2011 vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) lanciert worden war. Die Initiantinnen und Initianten verlangten einerseits, dass Bund und Kantone die Löhne in der Schweiz schützen, indem sie die Festlegung von Mindestlöhnen in Gesamtarbeitsverträgen (GAV) fördern. Andererseits forderteten sie, dass der Bund einen nationalen gesetzlichen Mindestlohn von CHF 22 pro Stunde festlegen soll, was bei einer Wochenarbeitszeit von 42 Stunden und 12 Monatslöhnen rund CHF 4'000 Bruttolohn pro Monat entsprechen würde. Mit seinen Forderungen wollte das Initiativkomitee dafür sorgen, dass alle Arbeitnehmenden in der Schweiz von ihrem Lohn leben können. Es hoffte zudem, damit die Armut reduzieren zu können, Lohnunterbietung zu bekämpfen und zugleich den sozialen Frieden in der Schweiz zu wahren. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) stellte fest, dass 2010 rund 9% aller Beschäftigten und damit über 300‘000 Personen in der Schweiz weniger als die geforderten CHF 22 verdienten. Der Bundesrat sah in einem nationalen gesetzlichen Mindestlohn das gute Funktionieren des Arbeitsmarktes gefährdet und Arbeitsplätze bedroht und beantragte im Januar 2013 den eidgenössischen Räten, die Initiative Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen. Nachdem es in der Herbstsession 2013 zu einer klassischen Staat-versus-Markt-Debatte zwischen linken und rechten Volksvertretern gekommen war, folgten in den Schlussabstimmungen der darauffolgenden Wintersession beide Kammern der Empfehlung des Bundesrates, wobei 12 Ständeräte und 56 Nationalräte des linken Lagers gegen den Bundesrat votierten und die Initiative unterstützten. Der klassische Links-Rechts-Konflikt spiegelte sich auch in der Parolenfassung der Parteien und Verbände wider, wobei sich eine auffallend grosse Anzahl an Verbänden zur Vorlage äusserte. Nicht überraschend sprachen sich die Arbeitnehmerverbände dafür und die Arbeitgeberverbände im Allgemeinen dagegen aus.
Der Abstimmungskampf zur Mindestlohn-Initiative wurde äusserst intensiv geführt. Überraschend verzeichnete die Vorlage mehr Presseanzeigen als die gleichentags anstehende Abstimmung zum Finanzierungsplan der Beschaffung des Kampfflugzeugs Gripen. Die Kampagne der Befürworter wies einen vorwiegend zentralisierten Charakter auf und wurde in erster Linie von den Gewerkschaften SGB und Unia bestritten. Die Gegenseite setzte sich mit dem Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, der neu gegründeteten wirtschaftspolitischen Plattform SuccèSuisse, dem Verband der Schweizerischen Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (Swissmem), dem Dachverband des Schweizerischen Handels (Handel Schweiz) und etlichen kantonalen Gewerbe- und Arbeitgeberverbänden aus einer Vielzahl an lose koordinierten, potenten und politsch erprobten Schwergewichten zusammen. Während die Pro-Seite in erster Linie Fairness-Aspekte bei der Entlöhnung von Arbeit und die Lohndiskrimierung von Frauen als Argumente ins Feld führte, brachten die Initiativgegner vor, dass die Mindestlohn-Initative Sozialpartnerschaften, Arbeitsplätze sowie das duale Bildungssystem gefährde, staatliche Interventionen Wettbewerb verzerrten und branchenspezifische und regionale Unterschiede vom Initiativbegehren zu wenig berücksichtigt würden.
Die Mindestlohn-Initiative scheiterte letzlich deutlich. Nur 23,7% der Partizipierenden sprachen sich an der Urne zugunsten der Vorlage aus. Dies ist selbst im Vergleich zur 1:12-Initiative, welche im November 2013 einen Ja-Stimmenanteil von 34,7% erreichte, ein ausserordentlich tiefer Zustimmungswert. Die Stimmbeteiligung betrug überdurchschnittliche 55,5%. Die höchsten Ja-Anteile wurden in den Kantonen Jura (35,9%), Genf (33,9%) und Tessin (32,0%) registriert. Die tiefste Zustimmung verzeichneten die Kantone Appenzell Innerrhoden (12,1%), Nidwalden (12,8%) und Schwyz (13,6%).


Abstimmung vom 18. Mai 2014

Beteiligung: 56,4%
Ja: 687 571 (23,7%) / 0 Stände
Nein: 2 210 192 (76,3%) / 20 6/2 Stände

Parolen:
– Ja:, SPS, GPS(2)*, CSP, SGB, TravS, Unia.
– Nein: SVP, FDP, CVP, GLP, BDP, EVP, eco, sgv, SAV.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Der VOX-Analyse zur Mindestlohn-Initiative ist zu entnehmen, dass ein Grund für die hohe Ablehnung der Initiative im weitverbreiteten Zweifel an der Verwirklichung der anvisierten Ziele liege. So hielt nur gerade ein Drittel der Stimmenden das Argument, wonach Mindestlöhne die Zahl der Sozialhilfebeziehenden senke und damit Kantone und Gemeinden entlaste, für überzeugend. Der klassische Links-Rechts-Konflikt widerspiegelte sich auch in den Abstimmungsmustern der Parteisympathisanten. So stimmten 70% der Anhängerinnen und Anhänger der Grünen und 55% der SP-Gefolgschaft für die Initiative, während sie die Wählerschaft von CVP (11%), FDP (5%), SVP (7%), GLP (18%) und BDP (7%) deutlich verwarfen. Die VOX-Analyse kam weiter zum Schluss, dass gesellschaftliche Merkmale bei weitem nicht so stark mit dem Stimmentscheid korrelierten wie politsche Einstellungen. So habe die Initiative nicht mal bei den tiefsten Einkommensklassen, die direkt von einem Mindestlohn von CHF 4000 profitiert hätten, Gehör finden können. Die Befürchtung, wonach die Initiative Arbeitsplätze vernichten würde, stellte sich im Endeffekt, so die VOX-Studie weiter, als äusserst entscheidungsrelevant heraus.

initiative populaire intitulée « pour la protection de salaires équitables »

Dans son message publié en janvier, le Conseil fédéral a proposé au parlement de rejeter l’initiative populaire intitulée « pour la protection de salaires équitables » sans lui opposer de contre-projet. La revendication phare du texte, déposé par l’Union syndicale suisse (USS), porte sur l’introduction d’un salaire mensuel brut de 4'000 francs au minimum, ce qui correspond à un salaire horaire de 22 francs. Selon des chiffres fournis par l’USS, environ 330'000 salariés ou 9% de la population active perçoivent aujourd’hui des revenus situés en-dessous de ce seuil en Suisse. Le Conseil fédéral a estimé que l’introduction d’un tel salaire minimum porterait atteinte au bon fonctionnement du marché du travail et limiterait la marge de manœuvre du partenariat social. Lors de la session d’automne, le Conseil des Etats a suivi la recommandation du Conseil fédéral au terme d’un débat classique opposant la gauche à la droite. Les socialistes et les verts n’ont pourtant pas ménagé leurs efforts afin de tenter de convaincre les sénateurs des partis bourgeois du bien-fondé du texte, que ce soit au niveau social ou économique. Les représentants de droite ont, quant à eux, fait valoir qu’un salaire minimum de 22 francs de l’heure provoquerait une hausse des coûts de travail et menacerait la pérennité de nombreux emplois dans des branches telles que le commerce de détail ou la restauration. C’est par 31 voix contre 13 que la chambre des cantons a rejeté l’initiative populaire. Le Conseil national lui a emboîté le pas au cours de la session d’hiver. Les délibérations se sont pourtant déroulées dans un contexte particulier. Etant donné qu’elles ne se sont tenues que quelques jours après le vote sur l’initiative populaire « 1 à 12 » qui n’a pas laissé indifférente l’élite politique suisse, 72 conseillers nationaux, en dehors des représentants des groupes parlementaires, ont éprouvé le besoin de s’exprimer sur la question du salaire minimal. Le débat monstre au sein du Conseil national a eu pour conséquence le report de plusieurs jours du vote final. Comme prévu, le texte a finalement été rejeté en bloc par la majorité bourgeoise. Cela a débouché sur un résultat sans appel de 137 voix contre 56. Le peuple suisse votera sur cette initiative populaire le 18 mai 2014.

initiative populaire intitulée « pour la protection de salaires équitables »

Die Sozialpolitik hinsichtlich Sicherung der AHV rückte auch bei der SP immer stärker in den Fokus. Nicht nur, weil ihr Bundesrat Alain Bersetdie „Altersvorsorge 2020“ aufgleiste, sondern auch, weil die Geschäftsleitung an der Delegiertenversammlung Anfang März die Unterstützung der vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) lancierten Volksinitiative „AHVplus“ beantragte. Das Mitte März lancierte Begehren fordert eine Erhöhung sämtlicher AHV-Renten um 10%, lässt die Finanzierung allerdings offen. Das Rentenalter der Frauen soll nur dann erhöht werden, wenn damit eine ökonomische Gleichstellung der Geschlechter verknüpft wird. Die SP möchte – anders als der SGB – die AHV-Mehrausgaben mittels Erbschaftsbesteuerung finanzieren, eine Idee, die in der entsprechenden Volksinitiative ausformuliert war. Allerdings sind aufgrund der im Oktober präsentierten Pläne des SP-Bundesrates für die Rentenreform 2020 parteiinterne Konflikte vorprogrammiert. Verschiedene Parteiexponenten schlugen deshalb eine Urabstimmung vor. Nicht nur die geplante Erhöhung des Rentenalters für Frauen und die Konzentration auf beide Säulen, sondern auch die Kritik Bersets an der „AHVplus“-Initiative sorgten für parteiinterne Diskussionen.

Sozialpolitik

Am 23. September kam mit der Volksinitiative „Sicheres Wohnen im Alter“ bereits das dritte Volksanliegen zur Wohneigentumsförderung im Jahr 2012 zur Abstimmung. Das Volksanliegen des HEV verlangte die Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung für Hausbesitzer im Rentenalter. Bundesrat und Parlament beantragten Ablehnung der Vorlage. Während der Nationalrat im Vorjahr entgegen Ständerat und Bundesrat noch auf Annahme plädiert hatte, führte ein Umschwenken der BDP- und CVP/EVP-Fraktion in der neu gewählten grossen Kammer im Berichtsjahr zum Einlenken. Unter den Verbänden kämpfte der Hauseigentümerverband alleine auf weiter Flur für das Anliegen und erhielt von Seiten der Parteien lediglich Unterstützung von der SVP. Die FDP, deren Fraktion sich im Nationalrat noch für die Initiative ausgesprochen hatte, beschloss an ihrer Delegiertenversammlung die Nein-Parole. Ausschlaggebend für diese Wende sei unter anderem die herbe Abstimmungsniederlage der HEV-Bausparinitiative vom 17.6., liess Parteipräsident Philipp Müller verlauten. Zahlreiche Rückmeldungen von Parteianhängern hätten die FDP für deren positive Haltung zum Bausparen kritisiert. Es habe sich gezeigt, dass Regelungen, von denen ausschliesslich eine bestimmte Personengruppe profitieren könne, von der Parteibasis als unliberal erachtet werden. Hingegen stellten sich einige kantonalen Sektionen der CVP und FDP sowie eine BDP-Sektion gegen ihre Mutterparteien und empfahlen den Bürgern ein Ja. Bei einer Stimmbeteiligung von 41.5% lehnte das Schweizer Volk die Initiative dann mit einem Ja-Anteil von 47.4% und der Zustimmung durch 9 1/2 Stände ab. Unterstützung fand das Anliegen insbesondere in der Ostschweiz, sowie in den Kantonen Solothurn, Genf und Tessin. Hans Egloff, Präsident des HEV, wertete dieses Ergebnis als „Riesenerfolg“, wenn man berücksichtige, dass die eidgenössische Hauseigentümerquote nur 39% betrage. Das Abstimmungsergebnis liess von verschiedenster Seite die Forderung nach einer generellen Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung aufkommen. Während sich der Mieterverband und die Grüne Fraktion für einen reinen Systemwechsel aussprachen, was zusätzlich die Aufhebung der bestehenden steuerlichen Abzugsmöglichkeiten bedeuten würde, favorisierten der HEV und die FDP einen Systemwechsel unter Beibehaltung bestimmter Abzugsmöglichkeiten. Bereits in der Folgewoche wurden verschiedenste Vorstösse mit Vorschlägen zum Systemwechsel eingereicht. Die parlamentarische Behandlung dieser Anliegen stand im Berichtsjahr noch aus.


Abstimmung vom 23. September 2012

Beteiligung: 41,5%
Ja: 1'013'871 (47,4%) / 9 1/2 Stände
Nein: 1'125'355 (52,6%) / 11 5/2 Stände

Parolen:
– Ja: SVP; HEV, SGV.
– Nein: BDP(1)*, CVP(2)*, CSP, EVP, FDP(4)*, Grüne, GLP, SP; SGB, Travail.Suisse.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative „Sicheres Wohnen im Alter“ (BRG 10.060)
Dossier: Vorstösse zur Abschaffung des Eigenmietwerts (1992-2023)

Am darauffolgenden Abstimmungstermin vom 17.6. äusserte das Schweizervolk mit der Volksinitiative „Eigene vier Wände dank Bausparen“ seinen Willen zum zweiten Bausparanliegen. Im Gegenzug zum abgelehnten Volksbegehren der SGFB verlangte die Initiative des HEV die obligatorische Einführung des Bausparens in allen Kantonen, wobei die maximalen Steuerabzüge mit jährlich CHF 10'000 etwas moderater ausfielen als die von der SGFB verlangten CHF 15'000 pro Jahr. Um bei der ersten Bausparinitiative Vernachlässigtes nachzuholen, präsentierte der HEV Mitte April eine von ihm in Auftrag gegebene Studie, welche folgerte, dass nachweislich Mittelstandsfamilien mit einem jährlichen steuerbaren Einkommen unter 100'000 Franken vom Bausparen profitieren würden. 17 Prozent der befragten Baselbieter Wohneigentumsbesitzer gaben an, dass sie ohne Steueranreiz auf den Erwerb von Wohneigentum verzichtet hätten. Darüber hinaus bilanziert die Studie zusätzliche Einnahmen durch ansteigende Bauinvestitionen und Handänderungen von Liegenschaften, welche laut ihren Berechnungen die durch das Bausparmodell anfallenden steuerlichen Mindereinnahmen sogar übersteigen würden. Die Studie stiess hingegen entweder auf wenig Resonanz oder auf Kritik und Widerstand. Am Abstimmungssonntag wurde das zweite Bausparanliegen dann mit einem äusserst klaren Nein-Anteil von 68,9% um einiges deutlicher abgelehnt als das fakultative Bausparanliegen der SGFB. Kein einziger Kanton äusserte sich mehrheitlich positiv zum Anliegen, womit dem bestehenden und seit der Revision des eidgenössischen Steuerharmonisierungsgesetzes im Jahre 2005 rechtswidrigen Bausparmodell im Kanton Baselland weitere Legitimation entzogen wurde. Mit Ablehnung des letzten hängigen Anliegens zum Bausparen sieht sich der Halbkanton gezwungen, seine Praxis endgültig zu beenden. Sogleich nach dem Abstimmungstermin gab die Baselbieter Regierung bekannt, Bausparabzüge seien nur noch bis Ende des laufenden Jahres zulässig.


Abstimmung vom 17. Juni 2012

Beteiligung: 38,5%
Ja: 601'449 (31,1%) / 0 Stände
Nein: 1'332'839 (68,9%) / 20 6/2 Stände

Parolen:
– Ja: FDP(2)*, SVP; SBV.
– Nein: CVP(4)*, SP, EVP, CSP, GPS, GLP; SGB, Travail.Suisse.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

HEV-Volksinitiative „Eigene vier Wände dank Bausparen“
Dossier: Die Bausparinitiativen

Im März kam mit der Volksinitiative „Für ein steuerlich begünstigtes Bausparen“ ein Anliegen der Schweizerischen Gesellschaft zur Förderung des Bausparens (SGFB) zur Abstimmung. Die Initiative verlangte die fakultative Einführung von Steuerabzügen beim erstmaligen Erwerb von Wohneigentum. Darüber hinaus sollen Abzüge für an der Erstliegenschaft vorgenommene energiesparende Massnahmen getätigt werden können. Die politischen Akteure zeigten sich im Vorfeld stark gespalten. Erstmals seit 1977 konnten sich die parlamentarischen Kammern für das Bausparanliegen des SGFB und die im Juni zur Abstimmung stehende Bauspar-Vorlage des HEV (siehe unten) nicht auf eine gemeinsame Abstimmungsempfehlung einigen. Der von der Einigungskonferenz präsentierte Kompromissvorschlag war im Vorjahr in beiden Kammern gescheitert. Während der Nationalrat beide Volksanliegen zur Annahme empfehlen wollte, hatten der Stände- wie auch der Bundesrat in beiden Fällen auf Ablehnung plädiert. Im Gegensatz zu den Linksparteien, die der Bauspar-Initiative des SGFB geschlossen ablehnend gegenüber standen, zeigten sich die kantonalen Sektionen der bürgerlichen Parteien gespalten. Obwohl deren Mutterparteien die Initiative allesamt zur Annahme empfahlen, beschlossen verschiedenste kantonale Parteien ein Nein. Insbesondere zersplittert zeigte sich, wie bereits bei der RPG-Revision, die CVP. Deren Vorstand fasste die Ja-Parole äusserst knapp mit 15 zu 13 Stimmen bei zwei Enthaltungen. Die Gespaltenheit reflektierte schliesslich in den insgesamt 12 abweichenden Kantonalsektionen. Das Stimmvolk schickte die Vorlage bei einer Stimmbeteiligung von 45,0% und einem Nein-Anteil von 55,8% bachab. Noch klarer zeigte sich die Ablehnung bei den Ständen mit lediglich 4 1/2 unterstützenden Kantonen. Der Kanton Basel-Landschaft, welcher als einziger Kanton noch über die Möglichkeit des Bausparens verfügt, entpuppte sich als einziger zustimmender Kanton der Deutschschweiz und sogar er äusserte seine Unterstützung mit einem Ja-Anteil von 53% lediglich relativ knapp. Als Gründe für dieses Ergebnis wurde die angespannte finanzielle Lage des Baselbietes angeführt. Finanzministerin Widmer-Schlumpf (bdp) zeigte sich zufrieden mit dem Entscheid, da nur ausgewählte Kreise von den zusätzlichen Steuererleichterungen hätten profitieren können. Letzteres bestritt Hans Egloff, damals Vorstandsmitglied des HEV. Man habe es jedoch verpasst, mit dem Argument von zusätzlichen Bauaufträgen um die Gunst der KMU zu werben. Der HEV sah die Chancen des eigenen, am 17.6. zur Abstimmung stehenden Bausparanliegens weiterhin intakt und gab an, die festgestellten Mängel in der aufkommenden Kampagne korrigieren zu wollen.


Abstimmung vom 11. März 2012

Beteiligung: 45,0%
Ja: 980'273 (44,2%) / 4 1/2 Stände
Nein: 1'237'825 (55,8%) / 16 5/2 Stände

Parolen:
– Ja: FDP(4)*, CVP(12)*, SVP(1)*, BDP(2)*; SGV, SBV.
– Nein: SP, EVP, CSP, GPS, GLP; SGB, Travail.Suisse.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

SGFB-Volksinitiative „Für ein steuerlich begünstigtes Bausparen“
Dossier: Die Bausparinitiativen

Im Februar kam die 2007 von verschiedenen linken Organisationen lancierte Volksinitiative «Für den Schutz vor Waffengewalt» zur Abstimmung. Die Initiative forderte ein Verbot der privaten Aufbewahrung von besonders gefährlichen Waffen, einen Bedarf- und Fähigkeitsnachweis sowie die Einführung eines nationalen Waffenregisters. Das Initiativkomitee, das das Sturmgewehr im Kleiderschrank als Relikt des Kalten Krieges ansah, erhoffte sich mit der Neuregelung eine verbesserte Suizid- und Gewaltprävention. Nachdem 2010 bereits beide Räte und der Bundesrat die Ablehnung der Initiative empfohlen hatten, bekämpfte eine breite bürgerliche Allianz aus SVP, FDP, CVP, BDP, EDU, Schweizer Demokraten, Gewerbeverband, Bauernverband und Schiessverband die Waffen-Initiative. Die Gegner der Initiative befürchteten vor allem die Opferung traditioneller Werte zugunsten einer Scheinsicherheit. Die Initiative würde Zeichen eines Misstrauens in die Verantwortlichkeit der Bürger darstellen. Getroffen würden zudem jene, die verantwortungsvoll mit Waffen umgingen – Verbrecher würden sich hingegen nicht an die Regelung halten. Der BDP-Präsident Hans Grunder sah in der Initiative sogar das versteckte Ziel der Abschaffung der Armee. Auch rechneten die Gegner mit erheblichen administrativen Mehrkosten.

Die Initiative wurde am 13. Februar 2011 an der Urne mit 56,3%-Nein-Stimmen bei einer Stimmbeteiligung von 49,2% verworfen. Dabei wurden die bereits im Abstimmungskampf sichtbaren Gräben bestätigt. Die grösste Zustimmung fand die Initiative in der Westschweiz: Genf (61%), Basel-Stadt (58,9%), Waadt (53,7%), Neuenburg (53,2%) und Jura (52%), aber auch Zürich (50,4%) nahmen die Initiative an. Die Gegner der Initiative konzentrierten sich in der Zentral- und Ostschweiz: Appenzell Innerrhoden (72,3%), Obwalden (71,9%), Schwyz (70,9%) und Uri (70,6%). Die Vox-Analyse zeigte, dass den Stimmbürgern die Entscheidung leicht fiel und viele sich früh positionierten. Dabei hing der Stimmentscheid stark von der politischen Ausrichtung und den politischen Wertevorstellungen ab: Personen, die für eine offene und moderne Schweiz sind, stimmten ebenso massiv Ja, wie jene, die eine verschlossene und traditionelle Schweiz vertreten, Nein sagten. Es gewann damit dieselbe Schweiz die Abstimmung, die sich bereits bei der Minarett- und der Ausschaffungsinitiative durchsetzte. Die drei Hauptargumente der Befürworter polarisierten laut der VOX-Analyse stark: Dass die Waffe zuhause gefährlich und unzeitgemäss sei und die Selbstmordrate erhöhe, wurde von den Gegnern strikt abgelehnt. Sie argumentierten ihrerseits mit einer bereits genügenden Gesetzeslage und der Wahrung der persönlichen Freiheit und der Eigenverantwortung. Die Diskreditierung des Milizsystems der Armee war das Hauptargument des überparteilichen Komitees der Gegner, dessen vom Werber Alexander Segert illustrierten Kampagne mit kaputten 1.-August-Lampions an die Emotion der Stimmbürger appellierte.


Abstimmung vom 13. Februar 2011

Beteiligung: 49,2%
Ja: 1'083'312 (43,7%) / 5 1/2 Stände
Nein: 1'395'812 (56,3%) / 15 5/2 Stände

Parolen:
– Ja: CVP-Frauen, CSP, EVP, Grüne, GLP, PdA, SP, SP-Frauen, GSoA, SEK, SGB, TravS, FMH.
– Nein: FDP-Liberale, FDP-Frauen, CVP (5)*, BDP, EDU, SVP, SVP-Frauen, AVF, JCH, SBV.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative „Für den Schutz vor Waffengewalt“ (09.098)
Dossier: Schutz vor Waffenmissbrauch: Volksinitiative 2011 und nachfolgende parlamentarische Vorstösse

In der Volksabstimmung vom 28. November konnte die SVP einen Sieg feiern: 52,9% der Stimmbürger und 17,5 der 23 Stände sprachen sich für die Ausschaffungsinitiative aus. Der Gegenvorschlag hatte mit einem Nein-Stimmenanteil von 54,2% keine Chance; sämtliche Kantone lehnten ihn ab. Zum ersten Mal wurde damit eine Initiative im Bereich der Ausländerpolitik angenommen. Wie üblich in Ausländerfragen unterschieden sich die Abstimmungsergebnisse zwischen der Deutsch- und der Westschweiz deutlich: Mit Ausnahme des Kantons Wallis lehnten alle Westschweizer Kantone das Volksbegehren ab, in der Deutschschweiz sagte nur Basel-Stadt nein. Markanter als der „Röstigraben“ waren allerdings die Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Regionen. So hat beispielsweise der Kanton Zürich die Ausschaffungsinitiative mit 50,8% angenommen, in der Stadt wurde sie hingegen mit 64,5% Nein-Stimmen abgelehnt. Der Kanton Bern hat ebenfalls Ja gesagt (53,7%), die Stadt hingegen lehnte mit 55,6% Nein-Stimmen ab. Während im Kanton Sankt Gallen das Volksbegehren mit knapp 60% befürwortet wurde, stimmten in der Stadt bloss 50,7% Ja. Die EU und einzelne Mitgliedstaaten tadelten die Schweiz für das Abstimmungsresultat. Sie gaben ihr zu verstehen, dass sie damit ihren Aussenseiterstatus zementiere und ihre Glaubwürdigkeit als verlässlicher Vertragspartner in Frage stelle. Kritik gab es auch vom Europarat und vom UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR), die den neuen Verfassungstext für völkerrechtswidrig halten, da bei automatischen Ausschaffungen kein Schutz vor Folter und Verfolgung gewährleistet sei.


Abstimmung vom 28. November 2010

Beteiligung: 52,6%
Volksinitiative:
Ja: 1'398'360 (52,9%) / 15 5/2 Stände
Nein: 1'243'325 (47,1%) / 5 1/2 Stände
Gegenentwurf:
Ja: 1'189'186 (45,8%) / 0 Stände
Nein: 1'407'743 (54,2%) / 20 6/2 Stände

Parolen:
Volksinitiative:
Ja: SVP, SD, EDU, Auto-Partei, Lega.
Nein: FDP, CVP, SP, EVP, CSP, PdA, GP, GLP, BDP; SGB, TravS.
Gegenentwurf:
Ja: FDP, CVP, EVP, GLP, BDP.
Nein: SP (10)*, SVP, CSP, PdA, GP, SD, EDU, Auto-Partei, Lega; SGB (1)*, TravS.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Stichfrage:
für die Volksinitiative: SVP, SD, EDU, Auto-Partei, Lega.
für den Gegenentwurf: FDP, CVP, SP, EVP, PdA, GLP, BDP; SGB, TravS.

Volksinitiative „Für die Ausschaffung krimineller Ausländer“
Dossier: Ausschaffungsinitiative – Abstimmung und Umsetzung

In der Volksabstimmung vom 29. November nahmen Volk und Stände die Minarett-Initiative (Volksinitiative „gegen den Bau von Minaretten“) trotz klarem Nein von Bundesrat und Parlament mit einem deutlichen Ja-Anteil von 57,5% an. Einzig der Kanton Genf verwarf die Initiative klar (40,3% Ja-Stimmen) und die Kantone Basel-Stadt, Neuenburg und Waadt wiesen ein knappes Nein aus. Alle übrigen Kantone nahmen die Initiative an. Während der Kanton Zürich nur äusserst knapp zustimmte, waren es im Kanton Bern drei von fünf Personen. Die Zustimmungsrate im Kanton Tessin sowie in einigen Kantonen der Zentral- und Ostschweiz überstieg sogar 65%. Neben der SVP und der EDU sprachen sich im Vorfeld auch die übrigen Rechtsparteien für ein Minarettverbot aus. Alle übrigen Parteien sowie economiesuisse, die Gewerkschaften und die Kirchen beschlossen die Nein-Parole. Nach der Abstimmung kam es zu spontanen Mahnwachen und Demonstrationen in verschiedenen Städten. Reaktionen in ausländischen Medien und Stellungnahmen von Regierungsvertretern und anderen Politikern waren zahlreich und mit Ausnahme von Seiten der Rechtspopulisten überwiegend negativ. Der Europarat, das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte und die Organisation der islamischen Konferenz der UNO verurteilten den Entscheid. Auch im islamischen Raum sorgte das Minarettverbot für Enttäuschung und Empörung; mehrere religiöse Führer warnten aber die Muslime in der Schweiz vor einer Überreaktion und ermutigten sie zur Weiterführung und Verstärkung des interkulturellen Dialogs. Aufrufe zum Boykott wurden hauptsächlich im Internet publiziert. Online-Umfragen europäischer Zeitungen zeigten jedoch, dass Bürger anderer europäischer Länder der Initiative auch mehrheitlich zugestimmt hätten. Stimmen von verschiedensten Seiten wurden laut, welche dazu aufriefen, die Ängste der Bevölkerung ernst zu nehmen und der grassierenden Verunsicherung gegenüber anderen Kulturen aktiv entgegen zu wirken.


VI „gegen den Bau von Minaretten“
Abstimmung vom 29. November 2009

Beteiligung: 53,8%
Ja: 1 535 010 (57,5%) / 17 5/2 Stände
Nein: 1 134 440 (42,5%) / 3 1/2 Stände

Parolen:
– Ja: SVP, SD, EDU, FPS, Lega.
– Nein: FDP, CVP(1)*, SP, EVP, CSP, PdA, GP, KVP, GLP, BDP; ZSA, economiesuisse, SGB, Travail.Suisse.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» (BRG 08.061)

Volk und Stände lehnten am 30. November die Volksinitiative des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) „für ein flexibles AHV-Alter“ mit 59% Neinstimmen ab. Zustimmung hatte der Gewerkschaftsbund zu seinem von der SP, der GP, der EVP, der CSP, den SD und der Lega unterstützten Begehren nur im Tessin und im Jura, sowie sehr knapp in Genf und Neuenburg gefunden.

58,6% gegen die Volksinitiative „Für ein flexibles AHV-Alter“

Am 1. Juni stimmte das Volk über die von rechtsbürgerlichen Kreisen eingereichte VolksinitiativeVolkssouveränität statt Behördenpropaganda“ ab. Das Begehren verlangte zur Hauptsache, dass sich die Landesregierung in Zukunft, abgesehen von einer kurzen Verlautbarung, nicht mehr im Vorfeld von Volksabstimmungen äussern darf. Die Kampagne war sehr lau. Ein aus Vertretern aller grossen Parteien ausser der SVP gebildetes Komitee trat als Gegner in Erscheinung. Für die Initiative setzten sich nur die SVP und die kleinen Rechtsaussenparteien EDU, SD und Lega ein. Dabei trat die SVP kaum in den Vordergrund und verwendete ihre Propagandamittel in erster Linie zugunsten der gleichzeitig zum Entscheid vorgelegten Einbürgerungsinitiative.


Abstimmung vom 1. Juni 2008

Beteiligung: 45,2%

Ja: 538 928 (24,8%) / 0 Stand
Nein: 1 634 196 (75,2%) / 20 6/2 Stände

Parolen: Ja: SVP (2)*, EDU (1)*, SD, Lega, FPS.
Nein: FDP, CVP, SP, GP, GLP, EVP, LP, CSP, PdA; Economiesuisse, SGV, SGB, Travail.Suisse.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen


Die Initiative wurde deutlich, mit mit 1'634'196 Nein gegen 538'928 Ja (75%) abgelehnt, kein einziger Kanton stimmte zu. Sogar der notorisch behördenkritische Kanton Schwyz verwarf sie mit 59% Nein-Stimmen. Überdurchschnittlich stark war die Ablehnung in den städtischen Agglomerationen und in der Westschweiz. In der französischsprachigen Schweiz sprachen sich weniger als 20% für das Volksbegehren aus. Mit der Ablehnung der Volksinitiative trat der im Vorjahr vom Parlament beschlossene indirekte Gegenvorschlag in Kraft.

Volksinitiative Volkssouveränität statt Behördenpropaganda (BRG 05.054)

Am 1. Juni lehnten Volk und Stände die von der SVP eingereichte Volksinitiative zur Einbürgerungspolitik („für demokratische Einbürgerungen“) deutlich ab. Diese wollte erreichen, dass erstens jede Gemeinde selbst bestimmen kann, nach welchem Verfahren sie einbürgern will, und dass zweites dieser Entscheid endgültig, das heisst nicht beschwerdefähig sein soll. Die Initiative widersprach damit dem Urteil des Bundesgerichts aus dem Jahre 2003, wonach ein negativer Entscheid begründet werden muss und eine Beschwerde, zum Beispiel wegen Diskriminierung oder Willkür gegen diesen eingereicht werden kann. Die Initiative griff aber auch in die kantonale Hoheit über die Gemeindeorganisation ein.
Das Resultat fiel bei einer Beteiligung von 45% mit 1'415'249 Nein gegen 804'730 Ja deutlich aus. Nur gerade im Kanton Schwyz, wo die Urnenabstimmung über Einbürgerungen Tradition hat, stellte sich eine Mehrheit (60%) hinter die SVP-Initiative. Relativ knapp abgelehnt wurde das Begehren in den Kantonen der Zentral- und der Ostschweiz. In den grossen Mittellandkantonen Bern und Zürich stimmten weniger als 40% für die Initiative. Am geringsten fiel die Unterstützung in der Romandie aus, wo mehr als 80% mit Nein stimmten. Die nach der Abstimmung durchgeführte repräsentative Befragung ergab, dass die Sympathisanten der SVP nahezu geschlossen für, die Anhänger der drei anderen Regierungsparteien und die Parteiunabhängigen aber sehr deutlich dagegen gestimmt hatten.


Abstimmung vom 1. Juni 2008

Beteiligung: 45,2%
Ja: 804'730 (36,2%) / 1 Stand
Nein: 1'415'249 (63,8%) / 19 6/2 Stände

Parolen: Ja: SVP, EDU (1)*, SD, Lega, FPS; SGV.
Nein: FDP (2)*, CVP, SP, GP, GLP, EVP, LP, CSP, PdA; SGB, Travail.Suisse.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative "für demokratische Einbürgerungen"
Dossier: Einschränkung der Einbürgerungen auf Gemeindeebene (bis 2008)

Das Volk entschied am 24. Februar über die Unternehmenssteuerreform II, gegen welche im Vorjahr eine Allianz aus SP, GP und SGB das Referendum eingereicht hatte.

In der Kampagne für die Volksabstimmung bekämpften die SP, die Grünen, die EVP, die CSP und die SD zusammen mit den Gewerkschaften die Reform. Für die Linke stellte diese Lockerung der Doppelbesteuerung der Unternehmensgewinne ein unnötiges, ja sogar verfassungswidriges Steuergeschenk an die Reichen dar. Sie befürchteten, dass die daraus resultierenden Mindereinnahmen den Staat zu Sparmassnahmen im Sozialbereich zwingen würden. Ihre Werbung schlug recht aggressive Töne an. So versuchten sie, die Vorlage mit den von breiten Kreisen als skandalös empfundenen hohen Löhne und Prämien für Bankmanager in Verbindung zu bringen.

SVP, FDP, CVP und Liberale unterstützten gemeinsam mit dem Bundesrat und den Unternehmerverbänden Economiesuisse und Gewerbeverband die Unternehmenssteuerreform. Sie betonten vor allem die daraus entstehenden Vorteile für die KMU. Das gegnerische Argument der Steuerausfälle relativierten sie mit der Behauptung, dass die eingesparten Steuern wieder investiert würden, was positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und damit auch auf die zukünftigen Steuereinnahmen hätte.


Abstimmung vom 24. Februar 2008

Beteiligung: 38,6%
Ja: 938 744 (50,5%)
Nein: 918 990 (49,5%)

Parolen:
– Ja: FDP, CVP, SVP, GLP, LP, EDU, Lega; Economiesuisse, SGV, SBV.
– Nein: SP, GP, EVP (1)*, CSP (1)*, PdA, SD; SGB, Travail.Suisse.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Das Bundesgesetz über die Reform der Unternehmenssteuern wurde bei einer relativ schlechten Stimmbeteiligung von 38,6% mit einem Ja-Stimmenanteil von 50,5% äusserst knapp angenommen. Der Vorsprung der Befürwortenden betrug weniger als 20'000 Stimmen. Am stärksten stimmten die Niedersteuerkantone Nidwalden (64,3%), Appenzell Innerrhoden und Zug zu. Am niedrigsten war die Akzeptanz in den linken Industriekantonen Neuenburg (40,4%) und Basel-Stadt. Grundsätzlich nahm die Zustimmung von Ost nach West ab. Eine wichtige Ausnahme bildete Genf, das als einziger französischsprachiger Kanton zustimmte. Ein Grund für die Differenz zwischen den Sprachregionen mag darin gelegen haben, dass ausser Bern (wo sie am 24. Februar mit einer kantonalen Volksabstimmung eingeführt wurde) und Basel-Stadt (wo sie in Vorbereitung ist) bereits alle Kantone der Deutschschweiz eine ähnliche Regelung im kantonalen Steuerrecht kennen. Die Vox-Analyse zum Stimmverhalten zeigte, dass die Anhängerschaft der SP und der Grünen nahezu geschlossen der ablehnenden Parteiparole gefolgt war. Auch die Mitglieder oder Sympathisanten der Gewerkschaften sprachen sich überdurchschnittlich oft gegen die Unternehmenssteuerreform aus (72% Nein). Zwischen der Anhängerschaft der drei grossen bürgerlichen Parteien SVP, FDP und CVP gab es kaum Unterschiede; sie stimmte zu mehr als 70% für die Reform.

BRG Unternehmenssteuerreform II (BRG 05.058)
Dossier: Unternehmenssteuerreform II

Mit einem Ja-Stimmenanteil von 68% hiess das Volk am 26. November die Harmonisierung der Familienzulagen klar gut. Das Gesetz wurde einzig in Appenzell Innerrhoden mit 54,4% abgelehnt. Am grössten war die Zustimmung mit 83,7% im Kanton Jura. Es ist dies jener Kanton, in dem die Familien vom neuen Gesetz am meisten profitieren werden, weil dort die Kinderzulagen am tiefsten waren. Auch die Kantone Neuenburg, Waadt und Bern, deren Zulagen ebenfalls deutlich unter dem künftigen Minimum lagen, stimmten der Harmonisierung mit Mehrheiten von über 70% zu. Mit Ausnahme von Genf lagen die durchschnittlichen Ja-Stimmenanteile in den Kantonen der Westschweiz und im Tessin höher als in der Deutschschweiz.


Abstimmung vom 26. November 2006

Beteiligung: 45,0%
Ja: 1 480 796 (68,0%)
Nein: 697 415 (32,0%)

Parolen: Ja: CVP, SP, EVP, CSP, PdA, PSA, GPS, SD, EDU, Lega; SBV, SGB, Travail.Suisse.
Nein: FDP (4*), SVP, LP, FPS; Economiesuisse, SGV.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Bundesgesetz über die Familienzulagen
Dossier: Vereinheitlichung der Kinderzulagen