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Am 18. Juni 2023 gelangte der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative, der mittlerweile unter dem Titel Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (KlG) lief und meist als «Klimagesetz» bezeichnet wurde, zur Abstimmung. Die Vorlage umfasste Fördergelder für den Ersatz von fossilen Heizungen und für innovative Technologien sowie Ziele und Richtwerte für die Treibhausgasreduktion, etwa in Form von Reduktionszielen für die einzelnen Sektoren Verkehr, Industrie und Gebäude. Das grundlegende Ziel der Vorlage lag in der Erreichung von Netto Null bis 2050. Die einzelnen dafür notwendigen Massnahmen sollten jedoch erst im Rahmen der Weiterentwicklung des CO2-Gesetzes festgelegt werden.

Gegen dieses neue Gesetz hatte die SVP erfolgreich das Referendum ergriffen. Sie wurde dabei vom HEV und kleineren rechts-konservativen Parteien unterstützt. Die Gegnerschaft kritisierte, dass die Umsetzung des Gesetzes zwangsläufig zu einem Verbot von Öl, Gas, Diesel und Benzin führen werde. Infolgedessen würden der Strombedarf und die entsprechenden Kosten massiv steigen. Der erhöhte Strombedarf werde wiederum dazu führen, dass die Landschaft mit Windkraftanlagen und Solarpanels zerstört werde und trotzdem könne es gerade im Winter zu einer Strommangellage kommen.

Die Befürworterinnen und Befürworter des Klimagesetzes bestanden aus den Parteien Grüne, SP, GLP, Mitte, EVP sowie FDP.Liberale. Dazu gesellten sich noch zahlreiche Organisationen und Verbände, wie etwa Swissmem, der Schweizer Tourismus-Verband oder auch die Bankiervereinigung. Auch die Kantone, in Form der KdK, unterstützten das Gesetz. Koordiniert wurden die verschiedenen Akteurinnen und Akteure durch den eigens für den Abstimmungskampf gegründeten «Verein Klimaschutz», welcher laut eigenen Angaben über ein Budget von rund CHF 4 Mio verfügte. Das Komitee der Befürwortenden argumentierte, dass die Vorlage den Klimaschutz stärke, wichtige Anreize für die Abkehr von Öl und Gas setze und damit auch die Abhängigkeit der Schweiz von ausländischen Energielieferanten verringere. Die Bevölkerung und die Schweizer Wirtschaft würden finanziell entlastet, respektive bei der Entwicklung von klimafreundlichen Technologien unterstützt. Die Umsetzung des Gesetzes geschehe – entgegen der Einschätzung der Gegnerschaft – ohne Verbote oder neue Abgaben.

In den Medien gab besonders die Position des HEV Schweiz zu reden. Dieser hatte die Nein-Parole beschlossen, mehrere kantonale Sektionen sprachen sich jedoch für ein Ja oder für Stimmfreigabe aus. Aufgrund der Kampagne des HEV, die sich optisch und inhaltlich an der Kampagne der SVP ausrichtete, gab der damalige Ständerat Ruedi Noser (fdp, ZH) gar seinen Austritt aus dem HEV bekannt und kritisierte, dass der HEV von der SVP übernommen worden sei. In den Medien meldeten sich auch die beiden Klimawissenschaftler Thomas Stocker und Reto Knutti zu Wort. Während sich Stocker über die grelle Kampagne der SVP, welche lediglich Ängste schüre, und über einen vom Komitee «Rettung Werkplatz Schweiz» an fast alle Schweizer Haushalte versendeten Flyer enervierte – letzterer sei «unerträglich» und voller Unwahrheiten – monierte Knutti, dass lediglich über die zu befürchtenden Kosten und den Strom gesprochen werde und nicht über den Nutzen, der in der Erhaltung unserer Lebensgrundlagen liege.

Wie die APS- Zeitungs- und Inserateanalyse, welche im Vorfeld der Abstimmung durchgeführt wurde, zeigte, wurde die Abstimmungsvorlage überdurchschnittlich stark mit Inseraten beworben. Gut zwei Drittel der Inserate stammten dabei aus dem Lager der Befürwortenden, ein Drittel von den Gegnerinnen und Gegnern. Dieses Verhältnis deckte sich in etwa mit demjenigen zur Abstimmung über das CO2-Gesetz in 2021. Dem Anfang Juni 2023 publizierten Zwischenbericht des Fög konnte entnommen werden, dass das Klimagesetz in den Medien starke Beachtung fand und überwiegend positiv darüber berichtet wurde. Interessanterweise lösten nicht nur die offiziellen Kampagnen-Starts von Befürwortenden und Gegnerschaft, sondern auch die Turbulenzen um die Position des HEV einen Peak in der Medienberichterstattung aus.

In den Vorumfragen fand das Klimagesetz eine hohe, aber über die Zeit abnehmende Zustimmung. So zeigte etwa die Anfang Juni 2023 veröffentlichte dritte Umfragewelle von 20 Minuten/Tamedia, dass 56 Prozent der Befragten dem Gesetz zustimmen wollten (« Ja» oder « Eher Ja»). Der Tages-Anzeiger griff aus dieser Vorumfrage die Stimmungslage der Anhängerinnen und Anhänger der FDP heraus. Bemerkenswerterweise beabsichtigten diese grossmehrheitlich, die Vorlage abzulehnen, obwohl die Partei offiziell die Ja-Parole beschlossen hatte.

Das Abstimmungsresultat vom 18. Juni fiel dann jedoch deutlicher aus, als es die Vorumfragen prophezeit hatten. Bei einer Stimmbeteiligung von 42.5 Prozent stimmten fast 60 Prozent der Stimmenden für das neue Klimagesetz.

Abstimmung vom 18. Juni 2023

Beteiligung: 42.54%
-Ja: (59.1%)
-Nein: (40.9%)

Parolen:
-Ja: EVP, FDP (1*), GLP, GPS, Mitte, PdA, SP; SBV, SGB, VPOD
-Nein: EDU, Lega, SVP; HEV (4)
-Stimmfreigabe: SD
* in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Die Vox-Analyse brachte zu Tage, dass die Parteizugehörigkeit respektive -sympathie ausschlaggebend war für das Stimmverhalten. So sprachen sich lediglich Personen, die sich als rechtsaussen bezeichneten und/oder sich der SVP zugehörig fühlten, mehrheitlich gegen das Klimagesetz aus. Anders als bei der Abstimmung im Jahr 2021 votierten die Sympathisantinnen und Sympathisanten der Mitte und der FDP nun mehrheitlich für das Klimagesetz (64% respektive 66%). Das Geschlecht war ebenfalls ein wichtiger Faktor beim Abstimmungsverhalten: Frauen legten häufiger ein Ja in die Urne als Männer (63% respektive 55% Ja-Anteil). Zudem sprachen auch ein hoher Bildungsgrad sowie ein hohes Salär tendenziell für eine Zustimmung zum Klimagesetz. Bei den Motiven für oder gegen das Gesetz wurden insbesondere das Thema «Umweltschutz» und «Kostenfolgen» genannt. Während sich die Befürwortenden also vor allem einen Ausbau des Umweltschutzes erhofften, kritisierten die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage die Kosten, die mit der Umsetzung des Gesetzes einhergehen.
Die Medien ergänzten, dass wohl auch die Unverbindlichkeit der Vorlage – sie bestand bekannterweise mehrheitlich aus Zielen sowie Fördergeldern und nicht aus neuen Abgaben – zum klaren Ja geführt hatte. Zudem wurde an jenem Sonntag, im Gegensatz zur Abstimmung über das CO2-Gesetz von 2021, nicht noch über weitere umweltpolitische Anliegen abgestimmt, welche die ländliche Bevölkerung vermehrt an die Urne gelockt hätte und für mehr Nein-Stimmen hätte sorgen können. Bei der Frage nach dem « Wie weiter?» waren sich die Medien einig, dass die grosse Arbeit jetzt erst anfange. Diese bestehe darin, rasch viel Strom zu produzieren. Die politischen Akteure waren sich jedoch uneinig, wie dies am Besten geschehen solle. Zum einen befand sich der sogenannte Mantelerlass zur Zeit der Abstimmung über das Klimagesetz auf der Zielgeraden. Er soll die Erzeugung von Solar- und Windenergie sowie der Wasserkraft stark vorantreiben. Zum anderen wurde bereits im August 2022 mit der Unterschriftensammlung für die Initiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)» gestartet, welche sich mehr oder weniger explizit für den Bau neuer Atomkraftwerke ausspricht.

Indirekter Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative. Netto null Treibhausgasemissionen bis 2050 (Pa.Iv. 21.501)
Dossier: Die Gletscherinitiative, ihr direkter Gegenentwurf und ihr indirekter Gegenvorschlag

Ende April 2022 kam das Referendum gegen die AHV21 zustande. Damit wurde an der Urne nicht nur über die Mehrwertsteuererhöhung um 0.4 Prozentpunkte respektive 0.1 Prozentpunkte und somit über eine Zusatzfinanzierung für die AHV von CHF 12.4 Mrd. bis 2032 abgestimmt – diese musste als Verfassungsänderung sowieso der Stimmbürgerschaft vorgelegt werden –, sondern auch über die übrigen Massnahmen des Reformprojekts. Dieses sah vor, das Rentenalter der Frauen in vier Schritten (2024 bis 2027) demjenigen der Männer anzupassen, wodurch die AHV bis 2032 CHF 9 Mrd. weniger ausgeben respektive mehr einnehmen sollte als bisher. Im Gegenzug sollten die ersten neun betroffenen Frauenjahrgänge Zuschläge zu ihren Renten oder günstigere Bedingungen beim Rentenvorbezug erhalten, die insgesamt CHF 2.8 Mrd. kosten sollten. Allgemein sollte der Start des Rentenbezugs flexibilisiert und neu zwischen 63 und 70 Jahren möglich werden – mit entsprechenden Abzügen und (teilweise) Gutschriften bei früherem oder späterem Bezug –, wobei die Rente nicht mehr nur vollständig, sondern auch teilweise bezogen werden kann. Dies würde bis 2032 etwa CHF 1.3 Mrd. kosten. Insgesamt könnten die AHV-Ausgaben bis ins Jahr 2032 um insgesamt CHF 4.9 Mrd. gesenkt werden.

Die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform wehrten sich vor allem gegen die Finanzierung der Reform auf dem «Buckel der Frauen» (Tages-Anzeiger), also durch die Erhöhung des Frauenrentenalters. Dadurch würde den Frauen faktisch die Rente gekürzt – ein Jahr weniger Rente entspreche CHF 26'000, rechnete das Referendumskomitee vor. Diese Reduktion würde noch nicht einmal für diejenigen Jahrgänge, welche Kompensationsmassnahmen erhielten, vollständig ausgeglichen. Besonders störend daran sei, dass Frauen noch immer einen deutlich geringeren Lohn für ihre Arbeit und einen Drittel weniger Rente als die Männer erhielten, während sie gleichzeitig sehr viel mehr unbezahlte Arbeit leisteten. Darüber hinaus erachtete die Gegnerschaft die Erhöhung des Frauenrentenalters auch als ersten Schritt hin zum Rentenalter 67, das sie jedoch unter anderem mit Verweis auf die schlechten Arbeitsmarktchancen älterer Arbeitnehmender sowie auf die Erhöhung der Langzeitarbeitslosigkeit und der Sozialhilfequote ablehnte. Schliesslich erachteten die Gegnerinnen und Gegner auch die aktuelle Situation der AHV als weniger gravierend als die Befürwortenden der Revision: Die AHV sei solide, werde aber immer durch dramatische Prognosen schlechtgeredet – diese seien bisher jedoch nie eingetroffen. Die Nein-Parole zu beiden AHV-Vorlagen gaben die SP, die Grünen, die PdA sowie die SD aus, sie wurden von den Gewerkschaften unterstützt.

Die Befürwortenden der Reform betonten, dass die AHV struktureller Reformen bedürfe, zumal sie ansonsten bereits in wenigen Jahren mehr ausgeben als einnehmen werde. Die AHV21-Reform führe durch Massnahmen sowohl auf Einnahmeseite – durch die Mehrwertsteuererhöhung – als auch auf Ausgabenseite – durch die Erhöhung des Frauenrentenalters – zu einer Verbesserung der AHV-Finanzen. Bezüglich des Arguments der Gegnerschaft, dass vor allem die Frauen für die Reform aufkommen müssten, verwiesen die Befürwortenden auf die «substanziellen Kompensationen», welche die Frauen der Übergangsgeneration erhielten. Zudem sei eine Rentenaltererhöhung der Frauen auf 65 Jahre gerechtfertigt, da sie einerseits als Teil der Gleichstellung erachtet werden könne und da die grossen Rentenunterschiede andererseits nicht aus der AHV, sondern aus der beruflichen Vorsorge stammten. Im Gegenzug forderten jedoch auch verschiedene Mitglieder der Pro-Komitees Verbesserungen für die Frauen in der zweiten Säule, vor allem beim Koordinationsabzug, welcher gesenkt werden sollte. Die Ja-Parole zu beiden Vorlagen gaben die SVP, die FDP, die Mitte, die GLP, die EVP und die EDU sowie etwa Economiesuisse, der Arbeitgeberverband, der Gewerbeverband und der Bauernverband aus.

In der medialen Berichterstattung stand vor allem die Frage nach den Auswirkungen für die Frauen sowie der Fairness ihnen gegenüber im Mittelpunkt. Im Zentrum des Interesses stand dabei der Bund Schweizerischer Frauenorganisationen, Alliance f. So zeigten sich die im Verband organisierten Frauen öffentlich gespalten: Selbst der Vorstand des Verbands bestand aus Befürworterinnen und Gegnerinnen der AHV21. Alliance f sei in einer «delikate[n] Ausgangslage», betonten folglich etwa die AZ-Medien. Als Konsequenz gab der Verband Stimmfreigabe heraus und schuf zwei Frauenallianzkomitees, ein befürwortendes und ein ablehnendes. Damit wolle man sich trotz unterschiedlicher Positionen in die Diskussion einbringen und somit verhindern, dass die Männer die Debatte um das Frauenrentenalter dominierten, betonte etwa Co-Präsidentin von Alliance f und Präsidentin des befürwortenden Frauen-Komitees, Kathrin Bertschy (glp, BE).

Zusätzliche Aufmerksamkeit erhielt die AHV21-Abstimmung Ende Mai, als das BSV die neuen Finanzperspektiven der AHV herausgab. So war der Bundesrat in der Botschaft zur AHV21 im August 2019 von einem negativen Betriebsergebnis der AHV im Jahr 2030 von CHF 4.6. Mrd. ausgegangen. Im Juni 2021 hatte das BSV für 2030 ein Defizit von CHF 3.7 Mrd. prognostiziert, in den neusten Finanzperspektiven Ende Mai 2022 war hingegen nur noch von einem Defizit von CHF 1.8 Mrd. die Rede. Das BSV erklärte diese Veränderungen mit dem guten Betriebsergebnis des AHV-Ausgleichsfonds 2021 sowie mit einem stärkeren Beschäftigungs- und Reallohnwachstum als erwartet. Diese Entwicklung zeige auf, dass die AHV in einer «systematische[n] Angstmacherei zulasten der Bevölkerung» schlechtgeredet werde, liess der SGB verlauten. Die NZZ erachtete diese Zahlen trotz der Korrekturen noch immer als schlecht, «die AHV [werde] so oder so ins Minus» rutschen.

Im Juni 2022 entschied die SGK-SR, dass ihr Entwurf zur Pensionskassenreform BVG21 noch nicht reif für die Behandlung in der Herbstsession 2022 sei. Die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform sahen darin einen Versuch, kritische Debatten zur BVG21-Reform vor der Abstimmung über die AHV21 zu verhindern. Doch auch Befürwortende der AHV21-Reform störten sich an diesem Vorgehen der Kommission, zumal man bei einer Behandlung der BVG21-Reform den Frauen hätte zeigen wollen, dass man als Ausgleich zur Rentenaltererhöhung wie mehrfach versprochen ihre Pensionskassenrenten erhöhen werde.

Zu medialen Diskussionen führten in der Folge auch die Vorumfragen. Bereits Anfang Mai berichtete die SonntagsZeitung mit Verweis auf eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Demoscope, welche gemäss SonntagsBlick von den Befürwortenden in Auftrag gegeben worden war, dass sich 62 Prozent der SP-Sympathisierenden und 59 Prozent der Sympathisierenden der Grünen für die AHV21 aussprechen wollten. Insgesamt machte die Studie eine Zustimmung zur AHV21 von 55 Prozent aus. Darob publizierte jedoch der SGB die Resultate einer eigenen, zuvor beim Forschungsinstitut Sotomo in Auftrag gegebenen Studie, gemäss welcher die Sympathisierenden der SP die AHV21 zu 63 Prozent ablehnten, während der durchschnittliche Ja-Stimmenanteil über alle Parteien hinweg bei 48 Prozent zu liegen kam. Die Diskussion darüber, wie verlässlich Studien sind, welche von den Befürwortenden respektive der Gegnerschaft einer Vorlage in Auftrag gegeben werden, währte in den Medien jedoch nicht lange. Ab August konzentrierte sich die mediale Debatte auf die Vorumfragen von SRG/gfs.bern und Tamedia/Leewas, welche auf eine mehr oder weniger deutliche Annahme der zwei Vorlagen hindeuteten (Mehrwertsteuererhöhung: zwischen 54 und 65 Prozent, AHVG: zwischen 52 und 64 Prozent). Vor allem zeichnete sich in den Vorumfragen aber bereits ein deutlicher Geschlechtergraben ab, so sprachen sich beispielsweise Anfang August 2022 in der ersten Tamedia-Umfrage 71 Prozent der Männer für die Änderung des AHVG und somit für die Erhöhung des Frauenrentenalters aus, während diese nur 36 Prozent der Frauen befürworteten.

Hatten die Vorumfragen letztlich doch eine relativ deutliche Annahme beider AHV21-Vorlagen in Aussicht gestellt, wurde es am Abstimmungssonntag für die Gesetzesänderung sehr eng: Mit 50.55 Prozent Ja-Stimmen und gut 31'000 Stimmen Unterschied sprach sich die Stimmbürgerschaft für Annahme der Reform aus. Deutlicher fiel das Verdikt für die Zusatzfinanzierung über eine Mehrwertsteuererhöhung aus (55.07%).


Abstimmung vom 25. September 2022

Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; AHV21)
Beteiligung: 52.2%
Ja: 1'442'591 Stimmen (50.5%)
Nein: 1'411'396 Stimmen (49.5%)

Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer
Beteiligung: 52.2%
Ja: 1'570'813 Stimmen (55.1%)
Nein: 1'281'447 Stimmen (44.9%)

Parolen:
-Ja: SVP, FDP, Mitte, GLP, EVP, EDU; Economiesuisse, SAV, SBV, SGV
-Nein: SP, GPS, PdA, SD; SGB, Travail.Suisse, VPOD
* in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen


«Männer haben Frauen überstimmt», titelte in der Folge der «Blick», von einem «eklatante[n] Geschlechtergraben, wie es ihn noch nie gegeben hat», sprach die WOZ. In der Tat zeigten verschiedene Nachbefragungen einen grossen Zustimmungsunterschied zwischen Frauen und Männern. In der Vox-Analyse lag die Zustimmung zur Gesetzesänderung bei den Frauen im Schnitt bei 38 Prozent, bei den Männern bei 64 Prozent – wobei die direktbetroffenen Frauen unter 65 Jahren der Vorlage nur mit 25 Prozent (18-39 Jährige) respektive mit 29 Prozent (40-64 Jährige) zustimmten, die Frauen im Rentenalter hingegen mit 63 Prozent. In der Folge kam es in Bern und anderen Städten zu Demonstrationen, in denen Teile der Gegnerinnen der Vorlage ihre Wut über das Ergebnis ausdrückten. In einer Rede zeigte sich Tamara Funiciello (sp, BE) gemäss Medien empört darüber, dass «alte, reiche Männer» entschieden hätten, dass «Kita-Mitarbeiterinnen, Nannys, Reinigungskräfte und Pflegefachfrauen» länger arbeiten müssten. Dies führte im Gegenzug zu Unmut bei Vertreterinnen und Vertretern der bürgerlichen Parteien, welche kritisierten, dass «die Linke» den Stimmentscheid nicht akzeptieren wolle. Zudem sprach Regine Sauter (fdp, ZH) Funiciello die Berechtigung ab, im Namen aller Frauen zu sprechen, zumal Frauen keine homogene Masse bildeten. Funiciello hingegen betonte gemäss Tages-Anzeiger, dass es «für Verbesserungen [...] den Druck von der Strasse und den Dialog im Bundeshaus» brauche.

Doch nicht nur zwischen den Geschlechtern, auch zwischen den Sprachregionen zeigten sich bereits am Abstimmungssonntag grosse Unterschiede. Sämtliche mehrheitlich romanischsprachigen Kantone lehnten die Reform ab, allen voran die Kantone Jura (29% Ja-Stimmen), Neuenburg (35%) und Genf (37%), während sich nur drei deutschsprachige Kantone mehrheitlich gegen die Reform des AHV-Gesetzes aussprachen (Basel-Stadt: 47% Zustimmung; Solothurn: 49.8%, Schaffhausen: 50.0%). Die höchste Zustimmung fand sich in den Kantonen Zug (65%), Nidwalden (65%) und Appenzell-Innerrhoden (64%). «Die Deutschschweiz sichert die AHV», bilanzierte folglich etwa die NZZ, während SGB-Präsident und Nationalrat Maillard (sp, VD) die Unterschiede zwischen den Sprachregionen kritisierte, neben dem Geschlechtergraben und dem Sprachgraben aber auch einen Einkommensgraben ausmachte. Diese Ergebnisse bestätigte später auch die Vox-Analyse, welche für Personen mit Haushaltseinkommen unter monatlich CHF 3'000 eine deutlich tiefere Zustimmung zur Gesetzesänderung ermittelte als für Personen mit höheren Haushaltseinkommen (unter CHF 3'000: 32%; CHF 3'000-5'000: 49%, CHF 5'000-9'000: 52%, CHF 9'000-11'000: 59%, CHF über 11'000: 60%). Dieselben Unterschiede waren jeweils auch bei der Mehrwertsteuererhöhung erkennbar, wenn auch in geringerem Ausmass.

Als Motive für ihren Stimmentscheid machte die Vox-Analyse bei den Befürwortenden die Notwendigkeit zur Stabilisierung der AHV aus – sowohl bei der Gesetzesänderung (41%) als auch bei der Mehrwertsteuererhöhung (64%) wurde dieser Punkt häufig genannt. Zusätzlich erachteten aber die Befürwortenden die Gesetzesänderung – also wohl vor allem die Rentenaltererhöhung – auch als Schritt hin zur Gleichberechtigung (45%). Die Gegnerinnen und Gegner erachteten sowohl die Gesetzesänderung als ungerecht (84%), insbesondere im Hinblick auf die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern, als auch auf die Mehrwertsteuererhöhung (46%), die vor allem einkommensschwache Personen treffe und allgemein ein «schlechtes Finanzierungsmittel» (Vox-Analyse) darstelle.

Bereits am Tag nach der Volksabstimmung zur AHV21 schwenkte das mediale Interesse weg von der Reform der AHV hin zur BVG21-Reform. Denn nicht nur die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform, sondern auch weite Teile der Befürwortenden wiesen auf die Verpflichtung oder gar das «Versprechen» (AZ) hin, die mit dieser Annahme der Reform einhergingen: Im Gegenzug müsse das Bundesparlament die Benachteiligung der Frauen bei der Altersvorsorge im Rahmen der anstehenden BVG21-Reform korrigieren.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Wie sie gleich nach der ersten Abstimmung über das Covid-19-Gesetz angekündigt hatten, ergriffen die Freunde der Verfassung, das Netzwerk Impfentscheid und das Aktionsbündnis Urkantone auch das Referendum gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes, unterstützt wurden sie dabei von der Jungen SVP. Innert drei Wochen – mehr Zeit hatte das Referendumskomitee nach der erfolglosen Abstimmung über das Covid-19-Gesetz nicht zur Verfügung – sammelten sie 187'239 Unterschriften. 5'401 Unterschriften wiesen dabei bereits eine Stimmrechtsbescheinigung auf, für weitere 75'526 Unterschriften liess die Bundeskanzlei eine entsprechende Prüfung vornehmen – aufgrund des Covid-19-Gesetzes war es zu diesem Zeitpunkt möglich, auch unbescheinigte Unterschriften einzureichen. In der Folge bestätigte die Bundeskanzlei das Zustandekommen des Referendums mit 74'469 gültigen Unterschriften. Diese hohe Anzahl Unterschriften in so kurzer Zeit sorgte in der Presse für einige Anerkennung bezüglich der Organisationsfähigkeit und des breiten Netzwerks des Komitees, die NZZ sprach etwa von einem (erneuten) «Achtungserfolg». Die Medien wiesen aber auch auf die hohen Kosten und die entsprechenden finanziellen Mittel hin, welche für das Zustandekommen des Referendums nötig gewesen seien.

Ins Zentrum gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes stellte das Referendumskomitee vier Argumente: Als besonders kritisch erachtete es erstens das Covid-19-Zertifikat, welches zu einer «Zweiklassengesellschaft» und zur Diskriminierung von 2 Mio. Menschen führe. Teilweise wurde das Zertifikat gar mit der Rassentrennung des Apartheids-Regimes Südafrikas verglichen. Zweitens kritisierten die Gegnerinnen und Gegner der Reform die Befreiung der Geimpften – nicht aber der Ungeimpften – von der Quarantänepflicht, womit Letztere diskriminiert würden. Bei beiden Massnahmen werde ignoriert, dass auch Geimpfte ansteckend sein und sich selbst anstecken könnten. Drittens erkannte das Komitee in den Regelungen zur Kontaktrückverfolgung eine Möglichkeit zur Massenüberwachung der Bevölkerung. Und schliesslich kritisierte es viertens die weitreichenden zusätzlichen Kompetenzen, welche die Revision für den Bundesrat mit sich bringe und welche die Gefahr einer Diktatur verstärkten. Insgesamt seien dies «radikale und extreme Umkehrungen in unserer Gesellschaft», welche man mit dem Referendum verhindern wolle.

Früh zeichnete sich ab, dass diesmal auch die SVP das Referendum unterstützen würde. Hatte sie bei der Juni-Abstimmung aufgrund der breiten wirtschaftlichen Unterstützungsmassnahmen noch Stimmfreigabe erteilt, standen die Wirtschaftshilfen in dieser Revision deutlich weniger im Zentrum. Zudem mache ein Engagement gegen das Gesetz für die SVP Sinn, zumal es in keiner Partei mehr Personen gebe, welche die offizielle Corona-Politik des Bundes ablehnten, hob die Weltwoche hervor. Ende August 2021 fasste die Delegiertenversammlung der SVP mit 181 zu 23 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) die Nein-Parole zum Gesetz deutlich. In der Folge sprachen sich zwar mit Aargau und Glarus zwei Kantonalsektionen für das Gesetz aus, ansonsten zeigte sich die Partei aber deutlich geeinter als noch bei der Juni-Abstimmung, als 16 Kantonalparteien von der nationalen Parole abgewichen waren.

Daneben machten vor allem ein linkes Komitee «Geimpfte gegen das Covid-Gesetz» und dessen prominenteste Vertreterin, die Schriftstellerin Sibylle Berg, von sich reden. Das Komitee kritisierte einerseits, dass mit dem Zertifikat Ungeimpften – aber etwa auch Sans-Papiers – der Zugang zum gesellschaftlichen Leben verweigert werde, und äusserte andererseits Datenschutzbedenken. Es werde eine «Infrastruktur für totale Überwachung geschaffen», wurde gar argumentiert. Jedoch warf die WOZ dem Komitee selbst mangelnde Transparenz vor, nachdem sie bei einer Inserateanfrage festgestellt hatte, dass das Inserat über den SVP-Werber Alexander Segert bezahlt worden war. Das Komitee selbst habe zugegeben, dass es nicht wisse, wer genau das Inserat finanziert habe, betonte die Zeitung.

Neben der SVP sprach sich von den nationalen Parteien nur die EDU gegen das Gesetz aus, jedoch gaben auch die Jungfreisinnigen des Kantons Thurgau, die Mitte-Partei des Kantons Neuenburg sowie die Schweizer Demokraten des Kantons Bern Nein-Parolen aus. Unterstützt wurden die Referendumsführenden erneut auch von der Organisation «Mass-Voll», was aufgrund ihres radikaleren Stils vereinzelt zu Spannungen führte.

Anders als bei der Juni-Abstimmung setzten die Befürworterinnen und Befürworter der zweiten Revision diesmal weniger stark auf das Wirtschaftsargument. Vielmehr stand zu Beginn der Diskussionen um die Vorlage – kurz vor und während der Sommerferien – vor allem die gefährdete Reisefreiheit im Zentrum der Kritik. So bedarf das Schweizer Zertifikat zur Anerkennung durch die EU einer gesetzlichen Grundlage, welche mit Ablehnung der Revision nicht mehr vorhanden wäre, erklärte etwa EDI-Sprecher Markus Binder. Ein freiwilliger Einsatz des Zertifikats für Reisen sei somit nicht möglich, genauso wenig wie ein erneutes dringliches Gesetz zur Schaffung einer solchen rechtlichen Grundlage. Somit müsste das Parlament den ordentlichen Weg der Gesetzgebung beschreiten, wobei unklar sei, wie lange sich dies hinziehen würde.
Als weiteres zentrales Argument warnten die Befürwortenden des Gesetzes vor dem «Schliessungshammer» (NZZ), der ohne Zertifikat drohe. Denn ohne das Zertifikat habe der Bundesrat keine «weicheren» Optionen und müsse bei einem erneuten Anstieg der Fallzahlen und vor allem der Spitalauslastung wieder mit einem Lockdown reagieren, wurde befürchtet. Somit könne sich das Nein der Gegnerinnen und Gegner zum Eigentor entwickeln, indem sie dadurch weniger Freiheiten hätten als vor dem Referendum.
Insbesondere in Kultur-, Gastro- und Hotelleriekreisen hob man schliesslich die zentrale Bedeutung des Zertifikats sowie des Schutzschirms für Grossveranstaltungen hervor, die beide nur aufgrund der Revision des Covid-19-Gesetzes möglich waren. Man habe bisher stark unter der Pandemie gelitten, könne nun aber aufgrund des Zertifikats die Lokale und Veranstaltungen wieder stärker auslasten. Gerade auch dank des Schutzschirms für Grossveranstaltungen sei überhaupt erst wieder an eine Planung für Grossanlässe zu denken.

Die Befürwortenden bildeten ein breites Spektrum der Schweizer Politiklandschaft ab: Von den nationalen Parteien sprachen sich EVP, FDP, GLP, Grüne, Mitte, PdA und SP für das Gesetz aus, ebenso wie Economiesuisse, der Gewerbeverband, der SGB, Travailsuisse sowie verschiedene Tourismus-Organisationen. Auch Swiss Olympic sprach sich mit Verweis auf die Wichtigkeit des Zertifikats für den Sport für das Gesetz aus.

Bei der medialen Berichterstattung über mögliche Folgen eines Neins standen vor allem Unsicherheiten im Vordergrund. Klar war, dass die Regelungen aus der zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes bei einem Nein an der Urne bis ein Jahr nach ihrer Verabschiedung vom Parlament in Kraft bleiben würden – konkret somit bis zum 19. März 2022. Jedoch waren die meisten Regelungen des Covid-19-Gesetzes bis Ende 2021 begrenzt, einige zentrale Aspekte, wie zum Beispiel der Schutzschirm für die Grossveranstaltungen, aber auch Regelungen bezüglich der Arbeitslosenversicherung könnten aber noch bis Mitte 2022 oder gar Ende 2023 in Kraft bleiben. Denkbar war überdies eine Verlängerung des Covid-19-Gesetzes. Ob dies nötig sein würde, war von der Entwicklung der Pandemie abhängig: Womöglich wäre die Pandemie bereits vor Auslaufen der entsprechenden Regelungen vorbei, so dass die Unterstützungsmassnahmen für die Wirtschaft oder das Covid-19-Zertifikat gar nicht mehr vonnöten wären, spekulierten die Medien. Auch was bei einem Nein bis im März 2022 genau passieren würde, war unklar. So könnte das Covid-19-Zertifikat zwar rechtlich den Winter hindurch weiterhin in Kraft bleiben, ob dies politisch jedoch durchsetzbar wäre, war gemäss Presse fraglich. Schliesslich fragte man sich auch, ob eine durch das Epidemiegesetz begründete Einlasskontrolle das fehlende Zertifikat ersetzen könne. Diese Vermutungen unterband Bundesrat Berset jedoch, indem er klarstellte, dass zwar eine Zulasskontrolle für Geimpfte und Ungeimpfte aufgrund des Epidemiengesetzes rechtlich weiterhin möglich wäre, das dafür nötige Kontrollinstrument mit dem Zertifikat jedoch verloren ginge und es somit wenn nötig nur noch Einschränkungen für alle – Geimpfte und Ungeimpfte – gebe.

Im Abstimmungskampf dominierten anfangs die Gegnerinnen und Gegner der Revision deutlich. Sie nahmen ihren Schwung aus dem «Achtungserfolg», den sie mit über 40 Prozent Nein-Stimmen bei der Juni-Abstimmung und dem grossen Sammelerfolg bei den Unterschriften erzielt hatten, mit. Die Gegnerschaft der Revision begann demnach früh, Flyer, Inserate und Plakate zu publizieren – immer wieder sprachen die Medien von 50 Tonnen Werbematerial, welches die Gegnerschaft für den Abstimmungskampf produzierte. Gleichzeitig warben sie auf Youtube und Telegram für ein Nein zur Änderung des Gesetzes und gingen letztlich gemäss Zeitungsberichten gar von Haustür zu Haustür. Überdies verschafften sie sich mit fast wöchentlichen Demonstrationen Aufmerksamkeit – insbesondere die sogenannten Freiheitstrychler wurden bald zum Symbol des Protests gegen die bundesrätlichen Massnahmen – und eine Möglichkeit, ein breites Netzwerk zu erreichen, wie die Medien betonten. Lange Zeit waren denn sowohl in den Medien als auch werbetechnisch fast ausschliesslich die Gegnerinnen und Gegner zu sehen und zu hören. Organisiert wurde ihre Kampagne von der PR-Firma von Alexander Segert, der zuvor bereits mit verschiedenen umstrittenen Kampagnen für die SVP aufgefallen war. In einem Crowdfunding hatte das Contra-Komitee gemäss eigenen Angaben in wenigen Tagen CHF 300'000 eingenommen, die Medien berichteten aber auch über hohe Einzelbeträge von vermögenden Personen.

Bereits Mitte August wurden die Befürworterinnen und Befürworter der Revision für ihr fehlendes Engagement im Abstimmungskampf kritisiert. Als Mitte Oktober noch immer nichts von einer koordinierten überparteilichen Pro-Kampagne zu sehen war, wurden die Medien langsam ungeduldig. Sie befürchteten, dass sich die Befürwortenden ob der hohen Rate an Geimpften und später auch der Vorumfragen, die auf eine Zustimmung zwischen 61 Prozent (1. & 2. Welle SRG) und 69 Prozent (3. Welle Tamedia) hindeuteten, in falscher Sicherheit wiegten. So sei es deutlich schwieriger, «eine schweigende Mehrheit zu mobilisieren […] als eine laute Minderheit» (NZZ). Sie zeigten aber auch Verständnis für die Probleme der befürwortenden Parteien: Diese hätten kaum Geld zur Verfügung, zumal die Wirtschaftsverbände kein Geld für eine Kampagne aufwenden wollten. «Weil lange rein gar nichts ging», wie er erklärte, gründete der Zürcher FDP-Lokalpolitiker Peter Metzinger ein zivilgesellschaftliches Pro-Komitee. Sein Komitee verfügte nur über wenig Geld, bekam aber nach einer Weile «einen Zustupf im überschaubaren Rahmen» von der Economiesuisse, wie Michael Wiesner, Kommunikationsleiter von Economiesuisse, erklärte.
Mitte Oktober folgte dann zwar eine gemeinsame Pressekonferenz der Parteipräsidentinnen und -präsidenten von EVP, FDP, GLP, Grünen, Mitte und SP, in dem sie das Gesetz als Schlüssel zur Freiheit und als pragmatisches Mittel, um aus der Krise zu kommen, präsentierten. Die Medien erkannten in der nüchternen Kommunikationsweise zwar durchaus eine Notwendigkeit – man hatte weder das Geld noch die Zeit für eine emotionale Kampagne –, erachteten diese ob der lauten und emotionalen Gegnerschaft aber auch als sinnvolle Taktik. In der Folge lancierten verschiedene Parteien und Verbände Aufrufe und Appelle für eine Annahme der Revision, etwa über die sozialen Medien.
Eine eigene Kampagne lancierte schliesslich die sogenannte Tourismus-Allianz unter der Führung des Schweizer Tourismus-Verbands, die für ein Ja zur Gesetzesrevision als Basis für grenzüberschreitenden Tourismus und für EU-kompatible Nachweise warb. Aufmerksamkeit erzielte auch Andreas Kyriacou, Präsident der Freidenker-Vereinigung, der anfangs nur ein Plakat mit dem Slogan «Impfen statt Schimpfen» und der Unterschrift «Freiheitsimpfler» veröffentlichte. Dieses fand rasch Verbreitung in den sozialen Medien und generierte Spenden, dank denen es in der Folge in über 100 Gemeinden aufgehängt wurde.

Je näher der Abstimmungssonntag rückte, desto nervöser wurden sowohl das Pro- als auch das Contra-Lager, wie die Medien ausführlich berichteten. So beklagten sich etwa beide Seiten über fehlende Akzeptanz und Diskussionsbereitschaft der anderen Seite. Immer wieder war in den Medien von einer «Spaltung der Gesellschaft» die Rede. Die Gegnerschaft monierte einerseits die fehlende Nennung der Zertifikate im Gesetzestitel – was auf die nachträgliche Ergänzung der Regelungen zum Covid-19-Zertifikat durch das Parlament zurückzuführen war – und reichte gemäss NZZ am Sonntag 750 – häufig identische – Abstimmungsbeschwerden bei den Kantonen ein. Andererseits kritisierten die Gegnerinnen und Gegner, dass sie mehrfach unter fadenscheinigen Begründungen davon abgehalten worden seien, ihre Plakate aufzuhängen, oder dass diese gezielt heruntergerissen worden seien.
Die Befürworterinnen und Befürworter monierten hingegen insbesondere den rauen Ton der Gegnerschaft, der sich zudem verstärkt habe und schliesslich gar in Todesdrohungen gegen einen Politiker ausgeartet seien. Insbesondere die Mahnung des Berner Sicherheitsdirektors Reto Nause (BE, mitte) kurz vor dem Urnengang warf in den Medien grosse Wellen: «Wir erwarten einen unruhigen Abstimmungssonntag. Was, wenn die Gegner des Covid-Gesetzes das demokratische Verdikt nicht akzeptieren?», fragte er rhetorisch. So sei von vereinzelten Personen im Internet bereits zur Bewaffnung aufgerufen worden. Auf beiden Seiten berichteten die Medien überdies von Stimmen, die sich vor Ungereimtheiten bei der Abstimmung durch die andere Seite fürchteten – etwa versperrte Abstimmungslokale oder Manipulation der brieflichen Stimmen. Umgehend beteuerten jedoch verschiedene Mitglieder der Gegnerschaft, etwa der Sprecher des Aktionsbündnisses Urschweiz und Organisator der Contra-Kampagne, Josef Ender, oder die Präsidentin der Jungen SVP Zürich, Camille Lothe, dass es keine Hinweise auf Manipulation der Stimmabgabe oder der Auszählung gebe.
Die Medien sprachen ob diesen Vorwürfen von einer Gefahr für die Demokratie: Dass eine Seite die Einhaltung der demokratischen Regeln in Frage stelle, habe es so noch nie gegeben und sei brandgefährlich, war der Tenor. Der emeritierte Politikwissenschaftsprofessor Wolf Linder versuchte hingegen, die Geschehnisse zu relativieren: So würden «keine Parteien oder signifikanten politischen Kräfte die Verlässlichkeit unserer Abstimmungsergebnisse ernsthaft hinterfragen», daher solle man diesen Einzelmeinungen nicht zu viel Gewicht beimessen. Gar etwas Positives konnte Stefan Schmid von CH Media der aufgeheizten Situation abgewinnen: Sie steigere die erwartete Beteiligung an der Abstimmung. Die Pandemie habe denn auch die Gesellschaft nicht gespalten, sondern nur entsprechende Unterschiede sichtbarer gemacht. «Wichtig ist jetzt freilich, dass sich nach geschlagener Schlacht Siegerinnen und Verlierer, wie das hierzulande üblich ist, die Hand reichen und das Sägemehl von der Schulter klopfen», betonte er. Andere Kommentatorinnen und Kommentatoren zweifelten jedoch daran, ob dies allen Gegnerinnen und Gegner bei einer allfälligen Niederlage gelingen würde.

Neben den Kampagnen von Befürwortenden und Gegnerschaft wurde die Abstimmung zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes auch stark von den äusseren Umständen, allen voran von der Entwicklung der Pandemie beeinflusst. So begannen Mitte Oktober 2021 die Covid-19-Fallzahlen in der Schweiz, vor allem aber auch im benachbarten Ausland, wieder zu stiegen. Teile Deutschlands reagierten beispielsweise bereits im September 2021 mit einer Verschärfung der 3G-Regel hin zu einer 2G-Regel, bei der nur noch Geimpfte oder Genesene, nicht aber Getestete Zulass zu öffentlichen Innenräumen erhielten. Eine solche Verschärfung blieb in der Schweiz lange Zeit kaum vorstellbar und wurde von verschiedenen Sprechenden deutlich zurückgewiesen. Trotz der steigenden Fallzahlen verzichtete der Bundesrat vor der Abstimmung weitgehend auf Verschärfungen der Corona-Regelungen, was bei den Medien die Vermutung weckte, er wolle die Chancen des Gesetzes im Referendum nicht schmälern. Hingegen gab die Regierung Ende Oktober bekannt, verschiedene Regelungen des Covid-19-Gesetzes verlängern zu wollen – wie es die Kritikerinnen und Kritiker bereits in der Kampagne zur ersten Abstimmung befürchtet hatten. Darüber hinaus sprach der Bundesrat etwa zeitgleich eine Empfehlung für eine Auffrischungsimpfung für über 65-Jährige aus und nährte damit auch die Befürchtungen der Gegnerschaft, wonach zukünftig immer wieder neue Impfungen nötig sein würden. Schliesslich startete der Bundesrat drei Wochen vor dem Urnengang mit einer nationalen Impfwoche einen letzten Versuch, die Schweizer Impfquote vor dem Winter zu erhöhen. Dabei setzte er CHF 100 Mio. ein und startete eine umfassende Werbekampagne für die Impfung. In den Inseratespalten publizierte er denn auch ähnlich viele Inserate zur Impfwoche und zur Impfung wie die Gegnerschaft gegen die Revision des Covid-19-Gesetzes.
In der Woche vor dem Abstimmungssonntag wurde schliesslich bekannt, was vielerseits befürchtet worden war: In der Zwischenzeit war eine neue Virusvariante, Omikron, festgestellt worden, die deutlich ansteckender zu sein schien als die bisher vorherrschende Deltavariante. Unklar war auch, wie die vorhandenen Impfungen gegen die neue Variante wirken würden. Dies versetzte die Schweiz gemäss NZZ endgültig in einen «Schwebezustand, epidemiologisch und politisch gesehen».

Am Abstimmungssonntag folgte dann ein «klares Verdikt einer leisen Mehrheit», wie die AZ das Abstimmungsresultat betitelte: Mit 62.0 Prozent Ja-Stimmen und zwei ablehnenden Kantonen – in Appenzell Innerrhoden und Schwyz sagte die Mehrheit der Stimmenden Nein zur Revision – war die Zustimmung zum Gesetz gegenüber der ersten Abstimmung im Juni (60.2%) gar noch angestiegen. Zahlreiche Gemeinden und sechs Kantone (AR, GL, NW, OW, TG, UR) waren verglichen mit der Juni-Abstimmung neu ins Ja-Lager gewechselt. Die Medien hoben die hohe Stimmbeteiligung von 65.7 Prozent hervor und interpretierten das Ergebnis der Abstimmung als Vertrauensbeweis in die bundesrätliche Politik. Sie betonten aber wie bereits im Juni auch, dass dies keine Blankovollmacht für den Bundesrat darstelle. Die SVP wollte das Resultat denn auch nicht als Einladung für Massnahmenverschärfungen verstanden wissen. Gesundheitsminister Berset forderte die Gegnerinnen und Gegner auf, das Abstimmungsresultat zu akzeptieren: Zur Schweiz gehöre es, dass man sich nach der Abstimmung zusammenraufe. «Wir dürfen nicht endlos streiten.» Zu grossen Streitereien kam es denn in der Folge nicht mehr: Der befürchtete Grossaufmarsch blieb aus, nur vereinzelte Protestierende fanden sich auf dem Bundesplatz ein. Die meisten Sprechenden der Gegnerschaft akzeptierten das Ergebnis, lediglich «Mass-Voll» liess verlauten, dass das Resultat wegen «beispiellosen Unregelmässigkeiten [...] nicht legitim und für uns nicht bindend» sei.


Abstimmung vom 28. November 2021

Beteiligung: 65.7%
Ja: 2'222'594 Stimmen (62.0%)
Nein: 1'361'084 Stimmen (38.0%)

Parolen:
- Ja: EVP, FDP, GLP, GPS, Mitte*, PdA, SPS; Economiesuisse, Gemeindeverband, KdK, SGB, SGV*, SSV, TravailSuisse, VöV, Schweizer Tourismusverband, Hotelleriesuisse, Verband Seilbahnen Schweiz, Swissmem, Freidenker-Vereinigung
- Nein: EDU, SVP*; «Freunde der Verfassung», Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik», Netzwerk Impfentscheid, «Mass-Voll»
- Stimmfreigabe: SD*; GastroSuisse, Piratenpartei
* verschiedene abweichende Kantonalsektionen: Ja: SVP AG, SVP GL; Nein: Mitte NE, SD BE; Stimmfreigabe: SGV AG


Anhand der Gemeindeergebnisse zeigte sich in der Folge, dass die Opposition in der Innerschweiz im Vergleich zum Juni abgenommen hatte, in der Westschweiz hingegen angestiegen war. Gemäss der Vox-Nachabstimmungsbefragung hätten sich die Lager jedoch weiter polarisiert: Die SVP-Sympathisierenden hätten klarer Nein, diejenigen der FDP- und GLP klarer Ja gesagt als noch im Juni 2021. Mehrheitlich Nein gestimmt hatten neben den Sympathisantinnen und Sympathisanten der SVP auch Personen, die sich selbst auf der Links-Rechts-Achse als «rechtsaussen» einstufen, sowie Personen mit traditioneller Werthaltung und solche mit tiefem oder mittlerem Vertrauen in den Bundesrat. Als Hauptgrund für ihre Ablehnung der Gesetzesänderung nannten sie die empfundene Bevormundung durch die Behörden und entsprechend die fehlenden Freiheiten (zusammen 17%), ebenso übten viele Kritik an der indirekt wahrgenommenen Impfpflicht (10%). Die Befürwortenden hingegen wollten mit Annahme der Änderung vor allem die Corona-Politik des Bundesrates unterstützen (36%).

Zweite Revision des Covid-19-Gesetzes (Änderung und Zusatzkredit; BRG 21.016)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Aufgrund des von den «Freunden der Verfassung» ergriffenen Referendums stimmte die Schweizer Stimmbevölkerung im Juni 2021 über das Covid-19-Gesetz ab. Dieses enthielt einerseits die Regelungen zu den Unterstützungsmassnahmen für die Unternehmen und die Bevölkerung (u.a. Härtefallhilfen, Covid-Erwerbsersatz, Kurzarbeitsentschädigung), andererseits Ermächtigungen für den Bundesrat, zeitlich begrenzt von bestehenden Gesetzen abzuweichen. Während der erste Teil auch bei den Gegnerinnen und Gegnern unumstritten war, kritisierten sie den zweiten Teil stark. Dieser Teil enthielt beispielsweise Regelungen zur Einschränkungen von Behandlungen in den Spitälern, zur Abweichungen von gesetzlichen Fristen, zur elektronischen Durchführungen von Generalversammlungen von Unternehmen oder zu Einschränkungen im Asylbereich. Das Covid-19-Gesetz war nun insofern speziell, als Gesetze üblicherweise erst nach Ablauf der Referendumsfrist in Kraft treten. Da das Gesetz jedoch von einer Mehrheit der Mitglieder beider Kammern dringlich erklärt worden war, war es gleich nach Annahme im Parlament im September 2020 in Kraft getreten – was die Abstimmung darüber gemäss Tages-Anzeiger zu einer «demokratiepolitische[n] Kuriosität» machte. Zusätzlich speziell war, dass das Covid-19-Gesetz zum Zeitpunkt der Abstimmung vom Parlament bereits zweimal revidiert worden war – einmal in der Wintersession 2020 und einmal in der Frühjahrssession 2021. Da das Gesetz mit den Corona-bedingten Veränderungen Schritt halten müsse, seien verschiedene Teile des Gesetzes zum Zeitpunkt der Abstimmung gar nicht mehr in Kraft, betonte der Tages-Anzeiger. Zudem würde das Gesetz bei einer allfälligen Ablehnung an der Urne nicht per sofort ausser Kraft treten, sondern ein Jahr nach seiner Inkraftsetzung, also am 25. September 2021. Die meisten Regelungen des Gesetzes sind auf Ende 2021 befristet, lediglich einzelne dieser Regelungen würden bis Ende 2023 (etwa Regelungen zur Kurzarbeit) oder gar bis Ende 2031 (Regelungen zu den Covid-Krediten) gültig bleiben.

Der Abstimmungskampf zum Referendum gegen das Covid-19-Gesetz war nun geprägt von der Frage, worüber am 13. Juni 2021 genau abgestimmt wird. So betonten die Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes im Abstimmungsbüchlein, dass mit dem Referendum sichergestellt werden solle, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger «die höchste Instanz im Land» bleiben. Mit der Ablehnung des Covid-19-Gesetzes solle man zeigen, «dass Krisenmanagement gegen das Volk in der Schweiz nicht geht». So befürchteten sie, dass der Bundesrat das Notrecht durch das Gesetz unnötig verlängern würde und man durch eine Annahme des Gesetzes die bisherige bundesrätliche Corona-Politik legitimiere. Andreas Glarner (svp, AG) etwa argumentierte, dass man dem Bundesrat damit einen Blankocheck für weitere Einschränkungen gebe und sprach sich damit gegen das Gesetz aus – die SVP selbst entschied sich in der Folge für Stimmfreigabe. Gegen diese Argumentationen wehrten sich die Befürworterinnen und Befürworter des Gesetzes, da sie in ihren Augen am Covid-19-Gesetz vorbeizielten. So würden die Gegnerinnen und Gegner insbesondere die Corona-Massnahmen des Bundesrates kritisieren, etwa die Schliessung der Restaurants oder Läden, die jedoch nicht im Covid-19-Gesetz geregelt seien, sondern im 2013 von der Stimmbürgerschaft angenommenen Epidemiengesetz. Diese Bestimmungen würden somit durch eine Ablehnung des Gesetzes auch nicht aufgehoben. Der Kampf gegen das Gesetz stelle gemäss den Befürwortenden folglich bloss eine Art «Stellvertreterkrieg» dar, in dem sich die Gegnerinnen und Gegner ein Misstrauensvotum gegen die bundesrätliche Covid-Politik oder einen Denkzettel an den Bundesrat wünschten.
Die Gegnerschaft kritisierte aber durchaus auch verschiedene Aspekte des Gesetzes selbst: So fürchteten sie eine Diskriminierung oder gar einen Verlust der Grundrechte von ungeimpften Personen aufgrund des Covid-19-Zertifikats, da mit diesem eine Zweiklassengesellschaft, ja gar eine «neue Form der Apartheid», geschaffen werde. Zudem diene das Contact Tracing über die SwissCovidApp zur Massenüberwachung, wie die beiden Co-Präsidenten der «Freunde der Verfassung», Marion Russek und Werner Boxler, in der Weltwoche betonten. Das anfängliche Argument, wonach es aufgrund des Gesetzes zu einer verkürzten Prüfung von Impfstoffen kommen könnte, liess das Komitee nach einer Weile fallen – der Bundesrat hatte erklärt, dass es in der betreffenden Regelung einzig um Arzneimittel, nicht aber um Impfstoffe gehe.
Neben einzelnen Bestimmungen kritisierte die Gegnerschaft aber auch die Verbindung der Unterstützungsmassnahmen mit den zusätzlichen Ermächtigungen für den Bundesrat, da man den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern damit die Möglichkeit nehme, Ersteren zuzustimmen und Letztere abzulehnen. Gleichzeitig betonten sie, dass eine Ablehnung des Covid-19-Gesetzes an der Urne nicht das Ende der Unterstützungsmassnahmen bedeute – was das Hauptargument der Befürworterinnen und Befürworter darstellte. So könne das Parlament die Unterstützungsmassnahmen durch die Annahme einer Motion von Pirmin Schwander (svp, SZ; Mo. 21.3402) innert kürzester Frist in ein eigenes Gesetz giessen. Diese Argumentation teilten die Befürwortenden nicht, vielmehr warnten sie vor drastischen Folgen durch die Ablehnung des Gesetzes: Das vorzeitige Ende der Unterstützungsmassnahmen der Wirtschaft führe nämlich zu einem starken Anstieg der Konkurse, der Arbeitslosigkeit und der Sozialhilfequote. Zwar könne das Parlament allenfalls ein neues Gesetz beschliessen, dabei müsse es sich aber um ein ordentliches Gesetz handeln – ein weiteres dringliches Gesetz sei nicht möglich –, erklärte der Bundesrat. Ein solches könne aber unter anderem aufgrund der Referendumsfrist nicht vor dem 25. September 2021 in Kraft gesetzt werden. Somit käme es bei einer Ablehnung des Covid-19-Gesetzes zu einem Unterbruch der Unterstützungsmassnahmen. Auch der Bundesrat betonte zur Lancierung seines Abstimmungskampfes an einer Pressekonferenz, bei der unter anderem Gesundheitsminister Berset und Bundespräsident Parmelin sowie KdK-Präsident Rathgeb (GR, fdp) anwesend waren, dass das Covid-19-Gesetz die einzige rechtliche Grundlage zur Unterstützung der Betroffenen sei und dessen Ablehnung grosse Unsicherheiten bei Unternehmen und Arbeitnehmenden auslösen würde. Christian Rathgeb verwies auf die zentrale Bedeutung des Gesetzes für die Kantone und mahnte vor einem Bauchentscheid: «Die Menschen brauchen jetzt nicht einen Denkzettel, sondern konkrete finanzielle Unterstützung.»
Die Befürworterinnen und Befürworter wehrten sich auch gegen den Diktatur-Vorwurf der Gegnerschaft an den Bundesrat. So werde das Notrechtregime durch das Covid-19-Gesetz nicht verlängert, sondern wie von der Verfassung verlangt in ordentliches Recht überführt – das entsprechend auch vom Parlament verabschiedet worden sei. «Alles läuft, wie es die Verfassung vorsieht – auch wenn die «Freunde der Verfassung» das nicht wahrhaben wollen», betonte etwa die NZZ. «Wenn dies die Basis für eine Diktatur sein soll, wird es eine ebenso lächerliche wie grosszügige Diktatur sein – eine Diktatur, in der es für fast jeden Zweck Milliardenhilfen gibt und für jeden LKW-Fahrer eine Toilette», verteidigte dieselbe Zeitung das Gesetz mit Verweis auf eine spezifische Regelung im Covid-19-Gesetz zum Toilettenzugang von LKW-Fahrerinnen und -Fahrern.

Zu breiteren medialen Diskussionen im Abstimmungskampf führte auch das Abstimmungsbüchlein: Die Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes kritisierten, dass hier das ursprüngliche Covid-19-Gesetz aufgeführt worden war, obwohl dieses in der Zwischenzeit bereits mehrfach revidiert worden war. Dies sei aber insofern korrekt, als das Referendum zum ursprünglichen Gesetz gefasst worden sei – auch wenn die Ablehnung des Gesetzes auch die Revisionen ausser Kraft setzen würde, war der mediale Konsens in dieser Frage. Ansonsten stand das Referendum zum Covid-19-Gesetz deutlich im Schatten der gleichzeitig stattfindenden Abstimmungen zum CO2-Gesetz, zur Trinkwasser- und zur Pestizidinitiative sowie zum kaum beworbenen Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus. Die Studie des fög zählte etwa eine vergleichsweise geringe Anzahl Zeitungsartikel zum Covid-19-Gesetz, deren Tonalität leicht positiv war. Auch in den Inseratespalten schnitt das Covid-19-Gesetz unterdurchschnittlich ab, wie die Studie von Année Politique Suisse zeigte. Die Vorumfragen der SRG (67% Ja respektive 64% Ja) und von Tamedia (66%, 67%, 69%) liessen schliesslich kaum Zweifel an einer Annahme des Gesetzes aufkommen.

In der Zwischenzeit hatten die EDU, die «Freunde der Verfassung», das Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik» sowie die Gruppe «Mass-voll» die Nein-Parole ausgegeben. Die SVP hatte unter grossem medialen Interesse bereits im März 2021 entschieden, Stimmfreigabe zu erteilen, da sie «die negativen Folgen einer Ablehnung [als] grösser [erachtete] als die einer Zustimmung». Verschiedene Kantonalsektionen wichen jedoch von dieser Parole ab, so sprachen sich die Sektionen der Kantone Bern, Luzern, Waadt und Wallis für eine Annahme und die Sektionen der Kantone Appenzell-Innerrhoden, Basel-Landschaft, Schwyz und Zürich sowie die Junge SVP für eine Ablehnung aus. Ansonsten traf das Covid-19-Gesetz weitgehend auf Unterstützung, etwa durch sämtliche anderen grösseren Parteien (EVP, FDP, GLP, GPS, Mitte, SP) und zahlreiche grösseren Verbände wie Economiesuisse, SGB und Travailsuisse, aber auch durch den SGV oder GastroSuisse.

Am Abstimmungssonntag sollte sich das Bild aus den Vorumfragen bestätigen: Mit 60.2 Prozent bei einer Stimmbeteiligung von 59.7 Prozent sprachen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für das Covid-19-Gesetz aus. Zwar war kein Ständemehr nötig, dennoch verdeutlichte die Ablehnung der Vorlage in den Kantonen Uri (45.1%), Schwyz (40.9%), Nidwalden (48.6%), Obwalden (43.3%), Glarus (49.1%), Appenzell Ausserrhoden (47.0%), Appenzell Innerrhoden (39.2%) und Thurgau (49.9%) die Unterschiede zwischen den Regionen: So lag die Zustimmung in der Romandie mit 65.5 Prozent und in der italienischsprachigen Schweiz mit 68.8 Prozent beispielsweise deutlich höher als in der Deutschschweiz (58.3 Prozent).
Die Medien waren sich nicht sicher, wie dieses Resultat zu interpretieren war. Einerseits wurde von einem «Achtungserfolg der Gegner» (AZ) gesprochen – insbesondere da diese nicht von einer grossen Partei unterstützt worden seien (TdG) –, andererseits sei die Abstimmung zuvor als «Plebiszit über die generelle Corona-Politik des Bundesrates» angepriesen worden, weshalb das Resultat nun als Bestätigung ebendieser durch die Stimmbürgerschaft verstanden werden könne (NZZ). Einig war man sich jedoch mehrheitlich, dass dies nicht als Blankocheck für den Bundesrat verstanden werden dürfe – zugleich forderte unter anderem die SVP weitere Lockerungen der Corona-Massnahmen.


Abstimmung vom 13. Juni 2021

Beteiligung: 59.7%
Ja: 1'936'344 Stimmen (60.2%)
Nein: 1'280'128 Stimmen (39.8%)

Parolen:
- Ja: EVP, FDP, GLP, GPS, KVP, Mitte, PdA, SPS; Economiesuisse, Gemeindeverband, KdK, SAV, SGB, SGV, SSV, TravailSuisse, VPOD, GastroSuisse
- Nein: EDU; «Freunde der Verfassung», Aktionsbündnis «Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik», «Mass-voll»
- Stimmfreigabe: SD, SVP*
* verschiedene abweichende Kantonalsektionen: Ja: SVP BE, SVP LU, SVP NE, SVP VD, SVP VS; Nein: SVP AI, SVP BL, SVP SZ, SVP ZH, JSVP CH


Die Nachabstimmungsbefragung von gfs.bern zeigte einige Wochen später, dass die Vorlage von Personen unter 40 Jahren, von Sympathisantinnen und Sympathisanten der SVP sowie von Personen mit geringem bis mittlerem Vertrauen in den Bundesrat mehrheitlich abgelehnt worden war. Als Hauptgrund für ihre Ablehnung nannten die Befragten das Missbrauchspotenzial des Gesetzes (15% der Antworten), während die Befürwortenden vor allem auf die Notwendigkeit einer Gesetzesgrundlage (16%) sowie der finanziellen Unterstützung (12%) verwiesen.

Noch am Abstimmungssonntag kündigten die Junge SVP und die «Freunde der Verfassung» überdies bereits ein Referendum zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes und damit hauptsächlich zum Covid-19-Zertifikat an. Die zweite Revision war Mitte März 2021 vom Parlament verabschiedet worden, weshalb die Referendumsfrist nur noch drei Wochen andauerte. Die beiden Komitees zeigten sich überzeugt, dass man die nötigen 50'000 Unterschriften innert dieser kurzen Frist zusammenbekommen werde.

Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid 19-Epidemie (Covid-19-Gesetz; BRG 20.058)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Noch bevor der Abstimmungskampf zur Änderung der direkten Bundessteuer zur steuerlichen Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten, über die im Mai 2020 hätte abgestimmt werden sollen, richtig begonnen hatte, gab der Bundesrat im März 2020 bekannt, die Abstimmung aufgrund des Corona-bedingten Lockdowns auf September 2020 zu verschieben.
Die Abstimmungsvorlage umfasste zwei Aspekte: einerseits die im Titel aufgeführte Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs von CH 10'000 auf CHF 25'000, andererseits die der Vorlage von der bürgerlichen Parlamentsmehrheit hinzugefügte Erhöhung des Kinderabzugs von CHF 6'500 auf CHF 10'000. Im Zentrum der Abstimmungskampagne stand der zweite Aspekt, die Erhöhung des Kinderabzugs, wobei dieselbe Frage die Diskussion dominierte, die schon im Rahmen der Parlamentsdebatte im Mittelpunkt gestanden hatte: Wer profitiert von den Kinderabzügen? Zur Beantwortung dieser Frage stützten sich beide Seiten auf die Daten der ESTV, welche Finanzminister Maurer in der Parlamentsdebatte präsentiert hatte.
Die Befürworterinnen und Befürworter stellten den Nutzen der Vorlage für den Mittelstand in den Mittelpunkt ihrer Kampagne. «Der Mittelstand profitiert», warb etwa die CVP auf ihrer Internetseite. Stütze man sich auf die Definition des BFS für «Mittelstand», erhalte der Mittelstand 49 Prozent der Ermässigungen, argumentierte Marianne Binder-Keller gegenüber dem Sonntagsblick. Gegen diese Darstellung wehrten sich die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage: Der (obere) Mittelstand profitiere zwar auch, in erster Linie nütze die Vorlage aber vor allem den Gutverdienenden, kritisierten sie: Je höher das Einkommen, desto grösser sei der Spareffekt. 70 Prozent der Gesamtentlastung kämen so den 15 Prozent der Familien mit den höchsten Löhnen zu, während 45 Prozent der Familien keine Entlastung erfahren würden, da sie keine Bundessteuern bezahlten. Gar als «Klientelpolitik» bezeichnete etwa das liberale Komitee, vor allem bestehend aus Mitgliedern der GLP, die Vorlage. Noch einseitiger sei die Verteilung schliesslich, wenn nicht nur die Familien, sondern alle Haushalte, also auch die Alleinstehenden und die kinderlosen Paare, die ja ebenfalls von den Steuerausfällen betroffen wären, berücksichtigt würden, betonte überdies Jacqueline Badran (sp, ZH). Berücksichtige man diese ebenfalls, profitierten lediglich sechs Prozent aller Haushalte von 70 Prozent der Steuerausfälle. Man lasse jedoch den Mittelstand im Glauben, dass er von der Vorlage profitiere, indem in der Debatte sowie im Abstimmungsbüchlein jeweils das steuerbare Einkommen aufgeführt werde. Dies sei «total irreführend» (Badran gemäss Blick), da niemand die Höhe seines persönlichen steuerbaren Einkommens kenne. Die ESTV begründete die Verwendung des steuerbaren Einkommens jedoch damit, dass sich der tatsächliche Steuerbetrag beim Bruttoeinkommen zwischen verschiedenen Personen stark unterscheiden könne.
Obwohl die Befürworterinnen und Befürworter immer betonten, dass die Mehrheit der Familien profitiere, gab zum Beispiel Philipp Kutter (cvp, ZH), der die Erhöhung der Kinderabzüge im Nationalrat eingebracht hatte, in einem Interview gegenüber der NZZ unumwunden zu, dass die Vorlage auch eine Steuersenkung für Gutverdienende beinhalte: Über den Steuertarif seien allgemeine Steuersenkung für Gutverdienende «chancenlos», mehrheitsfähig sei einzig der «Weg über die Kinderabzüge».

Nicht nur der Mittelstand, sondern auch die Familien standen im Zentrum der Vorlage. Diese müssten endlich unterstützt werden, betonte Philipp Kutter, was mithilfe der aktuellen Vorlage möglich sei: 60 Prozent aller Familien könnten von einer Erhöhung des Kinderabzugs profitieren. Dem entgegnete etwa die NZZ, dass die Familien in den letzten Jahren stark entlastet worden seien (v.a. durch die Reduktion der Bundessteuer für Haushalte mit Kindern), deutlich stärker zumindest als Kinderlose. Brigitte Häberli-Koller (cvp, TG) befürwortete indes insbesondere, dass durch die aktuelle Vorlage alle Familienmodelle unabhängig der Betreuungsform entlastet würden. Die Gesellschaft habe als Ganzes ein Interesse daran, dass die Leute Kinder bekommen, ergänzte Kutter. Familiäre Strukturen seien für die Gesellschaft wichtig, überdies sei man dadurch weniger auf Zuwanderung angewiesen, die ja ebenfalls teilweise auf Ablehnung stosse. Demgegenüber wurde in der NZZ die Frage diskutiert, ob Kinderabzüge überhaupt gerechtfertigt seien. So könne man es als private Konsumentscheidung ansehen, Kinder zu haben; in diesem Falle würden Kinderabzüge der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit widersprechen. Es gäbe aber einen politischen Konsens, dass das Steuerrecht Kinderkosten berücksichtigen solle. Die Entscheidung, wie diese Unterstützung erfolgen solle (durch degressiv wirkende Kinderabzüge, neutral wirkende Abzüge vom Steuerbetrag oder durch progressiv wirkende Kinderzulagen zum Erwerbseinkommen), sei dann eine weitere, umverteilungspolitische Entscheidung.

Ein weiteres Argument der Gegnerinnen und Gegner der Erhöhung des Kinderabzugs lag in den daraus folgenden hohen Kosten: Die Vorlage verursache voraussichtlich fast 40mal höhere Kosten, als für die Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs geplant worden war, und übertreffe damit auch die Kosten der medial deutlich umstritteneren Verlängerung des Vaterschaftsurlaubs. Dadurch sei zukünftig weniger Geld für andere, sinnvollere Projekte vorhanden, argumentierten sie. SP, Grüne und die Kritikerinnen und Kritiker der Vorlage aus der FDP stellten dabei insbesondere die Individualbesteuerung in den Mittelpunkt. Dieser sprachen sie eine deutlich grössere Wirkung auf die Erwerbstätigkeit von Frauen zu als den Drittbetreuungsabzügen. Da sie aber ebenfalls zu hohen Steuerausfällen führen würde, befürchteten sie, dass die Abschaffung der Heiratsstrafe bei Annahme der aktuellen Vorlage auf die lange Bank geschoben würde, weil kein Geld mehr vorhanden wäre. Verstärkt wurde dieses Argument durch die hohen Kosten zur Bewältigung der Corona-Pandemie: Hatte der Bundesrat während der Budgetdebatte fürs Jahr 2020 noch mit einem Überschuss von CHF 344 Mio. gerechnet, wurde jetzt ein Defizit über CHF 20 Mrd. erwartet. Die Medien vermuteten von diesem Defizit nicht nur Auswirkungen auf die Vorlage zum Drittbetreuungs- und zum Kinderabzug, sondern auch auf die gleichzeitig stattfindenden Abstimmungen zu den Kampfflugzeugen und über den Vaterschaftsurlaub. «Angesichts enormer Zusatzlasten kann sich unsere Gesellschaft erst recht keine Steuergeschenke mehr leisten, die nichts bringen», argumentierte etwa GLP-Nationalrat Thomas Brunner (glp, SG). Das sahen die Befürwortenden anders, Philipp Kutter etwa betonte: «Das wird den Bund nicht umbringen».

Schliesslich waren sich Befürwortende und Gegnerschaft nicht einig, inwiefern das ursprüngliche Ziel der Vorlage, die Förderung der Beschäftigung hochgebildeter Personen, insbesondere von Frauen, durch die Ergänzung der Kinderabzüge gefördert wird. Raphaela Birrer argumentierte im Tages-Anzeiger, dass die Erhöhung der Kinderabzüge die Anreize zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit verstärke. In einer Studie zur Wirkung der beiden Abzüge (Kinderabzug und Drittbetreuungsabzug) auf die Erwerbstätigkeit bestätigte Avenir Suisse diesen Effekt nur bedingt: Zwar senkten beide Abzüge den Grenzsteuersatz (also die Besteuerung von zusätzlichem Einkommen) und förderten damit die Erwerbstätigkeit, jedoch sei der entsprechende Effekt des Kinderabzugs gering. Zudem senke er auch den Grenzsteuersatz von Einverdienerhaushalten, wodurch die Erwerbstätigkeit von Frauen nicht gesteigert werde. Von der Erhöhung des Betreuungskostenabzugs sei hingegen ein deutlich stärkerer Effekt auf die Erwerbstätigkeit zu erwarten, damit könne der Anreiz des aktuellen Steuersystems für Zweitverdienende, nicht oder nur wenig zu arbeiten, gemildert werden. Die GLP stellte entsprechend insbesondere diesen Aspekt in den Mittelpunkt und sprach von einer Mogelpackung, weil die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch die Erhöhung des Kinderabzugs nicht verbessert werde. Nationalrätin Christa Markwalder (fdp, BE), die sich ebenfalls im liberalen Komitee engagierte, reichte im Juni 2020 eine parlamentarische Initiative (Pa.Iv. 20.455) ein, mit der sie das Originalanliegen der Vorlage, also den Drittbetreuungsabzug, erneut aufnahm. Damit sollte dieser bei einer Ablehnung der Vorlage möglichst schnell verwirklicht werden können.
Die Frage, ob die Vorlage Anreize zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit beinhalte oder nicht, hatte aber noch eine zweite Komponente. So störte sich die Weltwoche überhaupt daran, dass das Steuerrecht «für alle möglichen Zwecke instrumentalisiert» werde. Es sei nicht dafür da, «bestimmte Lebensmodelle zu fördern», argumentierte Katharina Fontana. Zudem sei es unmöglich, Steuergerechtigkeit herzustellen, zumal sich niemand jemals gerecht besteuert fühle.

Bezüglich der Komitees gibt es weniger zu sagen. Auf der Befürworterseite der Vorlage standen insbesondere die CVP und die SVP. Ja-Parolen gaben auch die BDP, EVP und die FDP.Liberalen aus, unterstützt wurden sie vom Gewerbeverband. Die Medien interessierten sich indes insbesondere für die Position der Freisinnigen, zumal sie die Vorlage im Parlament anfangs bekämpft, ihr mit ihrem Meinungswandel dann aber zum Durchbruch verholfen hatten. Nun wolle sich die Partei nicht an der Kampagne beteiligen, so die WOZ, zumal sie intern gespalten war: Einzelne Personen, darunter Ständerat Andrea Caroni (fdp, AR) und Nationalrätin Christa Markwalder, sprachen sich gegen die Vorlage aus und beteiligten sich gar am liberalen Nein-Komitee. Dieses setzte sich insbesondere aus Mitgliedern der GLP zusammen und kämpfte vor allem dagegen, dass die «Mogelpackung» viel koste, aber keine oder gar negative Auswirkungen hätte. Damit würden «keine Anreize für arbeitstätige Elternteile geschaffen», betonte Kathrin Bertschy (glp, BE). Auf linker Seite kämpften vor allem die SP und die Grünen, welche die Unterschriften für das Referendum gesammelt hatten, für ein Nein. Unterstützt wurden sie von den Gewerkschaften, aber auch Avenir Suisse sprach sich gegen die Kinderabzüge aus. Stimmfreigabe erteilten hingegen unter anderem die FDP Frauen. Sie befürworteten zwar den Drittbetreuungsabzug, störten sich aber an den hohen Kosten des Kinderabzugs, durch den das wichtigere Projekt der Individualbesteuerung weiter hinausgeschoben werde. Auch der Arbeitgeberverband entschied sich für Stimmfreigabe, nachdem er das Projekt im Parlament noch bekämpft hatte, da es «kaum zu einer stärkeren Arbeitstätigkeit der Eltern beitrage», wie der Blick berichtete. Dasselbe geschah mit Economiesuisse, der das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Vorlage anfangs zu wenig ausgewogen gewesen sei. Der Sonntags-Blick vermutete, dass sich die Verbände nicht zu einer Nein-Parole hätten durchringen können, da das Referendum «aus dem falschen politischen Lager» stammte. Interessant war für die Medien schliesslich auch die Position des Bundesrates, insbesondere von Finanzminister Maurer. Dieser hatte die Vorlage im Parlament mit deutlichen Worten bekämpft, vertrat nun aber – wie im Gesetz für politische Rechte geregelt – die Position des Parlaments. Ersteres hatte er so gut getan, dass sich auch die NZZ nicht sicher war, ob er denn nun die Vorlage persönlich befürworte, wie seine Partei, oder sie ablehne.

Der Abstimmungskampf zur Vorlage verlief ungemein schwach. So stand sie deutlich im Schatten der Corona-Pandemie sowie der anderen vier Vorlagen. Sie wurde gemäss Analysen vom Fög und von Année Politique Suisse einerseits nur sehr schwach in Zeitungsinseraten beworben und andererseits auch in den Medien vergleichsweise selten thematisiert. Die briefliche Stimmabgabe deutete anfänglich auf mässiges Interesse am Super-Sonntag hin, wie der Abstimmungstag mit fünf Vorlagen in den Medien genannt wurde. Die SP schaltete sieben kurze Animationsfilme und gab ein Comic-Heftchen zu den Filmen aus, um zu verhindern, dass die Vorlage untergeht. Die ersten Vorumfragen Mitte August 2020 zeigten dann auch, dass die Meinungsbildung zur Vorlage noch nicht weit fortgeschritten war. Auf diese Tatsache wurde in den entsprechenden Berichten das Zwischenergebnis, wonach die Sympathisierenden von SP und Grünen die Vorlage mehrheitlich befürworteten, zurückgeführt. Besserverdienende gaben zu diesem Zeitpunkt an, der Vorlage eher zuzustimmen. Christian Levrat (sp, FR) hoffte, diese Personen durch die Kampagne noch umstimmen zu können. Die erste Tamedia-Umfrage ergab insgesamt eine Zustimmung («dafür» oder «eher dafür») von 55 Prozent und eine Ablehnung von 37 Prozent, während die SRG-Vorumfrage mit 51 Prozent zu 43 Prozent zu ähnlichen Ergebnissen kam. Diese Zahlen kehrten sich bis zum Termin der letzten Welle Mitte September um: Die Tamedia-Umfrage ergab eine Zustimmung von 46 Prozent und eine Ablehnung von 51 Prozent, die SRG-Umfrage eine von 43 Prozent zu 52 Prozent. Bei den Sympathisierenden von SP und Grünen war die Zustimmung vom ersten zum zweiten Termin gemäss SRG-Umfragen um 19 respektive 14 Prozentpunkte gesunken, bei den Sympathisierenden der GLP ebenfalls um 12 Prozentpunkte. Bei den übrigen Parteien nahm sie ebenfalls leicht ab.

Das Resultat der Abstimmung zur Änderung der direkten Bundessteuer über die steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten war schliesslich deutlicher, als die Vorumfragen und die Ausgangslage viele Kommentatorinnen und Kommentatoren hatten vermuten lassen: Mit 63.2 Prozent Nein-Stimmen lehnte das Stimmvolk die Vorlage mit einer vergleichsweise hohen Stimmbeteiligung von 59.2 Prozent deutlich ab. Dieses Nein lasse jedoch einigen Interpretationsspielraum, betonten die Medien. So gab es zwischen den Kantonen doch beträchtliche Unterschiede: Am kritischsten zeigte sich die Stimmbevölkerung im Kanton Appenzell-Ausserrhoden (28.1%), gefolgt von denjenigen in Appenzell-Innerrhoden (29.3%) und Bern (29.5%), am höchsten lag die Zustimmung im Tessin (52.0%) und in Genf (50.1%), beide Kantonsbevölkerungen hätten die Vorlage angenommen. Allgemein wurde gemäss BFS ersichtlich, dass die italienischsprachige (52.0%) und die französischsprachige Schweiz (48.5%) der Vorlage deutlich mehr abgewinnen konnten als die Deutschschweiz. Kaum Unterschiede waren zwischen Stadt und Land erkennbar: Die ländlichen Regionen (35.3%) lehnten die Vorlage ähnlich stark ab wie die Kernstädte (35.8%). Das Resultat könne nicht mit dem Links-Rechts-Schema erklärt werden, betonte die NZZ. Stattdessen seien vor allem die persönliche Einstellung zur Familienpolitik und zur Rolle des Staates relevant gewesen. Die externe Kinderbetreuung würde in der Romandie stärker akzeptiert und durch den Staat stärker unterstützt als in der Deutschschweiz, betonte denn auch CVP-Ständerätin Marianne Maret (cvp, VS) gegenüber der NZZ. Entsprechend habe in der Westschweiz vor allem der Drittbetreuungsabzug im Mittelpunkt gestanden, während in der Deutschschweiz hauptsächlich über den Kinderabzug diskutiert worden sei, stellte SP-Nationalrätin Franziska Roth (sp, SO) fest. Eine zu späte Kampagne in der Romandie machte schliesslich SP-Nationalrat Roger Nordmann für den hohen Anteil Ja-Stimmen in der französischsprachigen Schweiz verantwortlich. Christian Levrat erachtete das Ergebnis insgesamt als Absage des Volkes an die bürgerliche Steuerpolitik und als Ausblick auf andere bürgerliche Projekte zur Abschaffung der Stempelabgabe, der Industriezölle, des Eigenmietwerts oder der Heiratsstrafe. Stattdessen müssten nun Familien mit tiefen und mittleren Einkommen entlastet werden, insbesondere durch die Senkung der Krankenkassenprämien und die kostenlose Bereitstellung von Kita-Plätzen. Philipp Kutter wollte die Entlastung von Familien weiterverfolgen und plante anstelle des Kinderabzugs einen Abzug vom Steuerbetrag. Dass neben der Erhöhung des Kinderabzugs auch die Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs gescheitert war, erachtete Christa Markwalder nicht als entmutigend und setzte auf ihre eingereichte parlamentarische Initiative. Anders als bei der ersten Behandlung des Themas im Nationalrat, als sich die SP- und die Grüne-Fraktion gegen Eintreten ausgesprochen hatten, kündigte Christian Levrat an, die parlamentarische Initiative zu unterstützen. Dies sei aber nur ein erster Schritt, zusätzlich brauche es auch Lösungen, die sich für die Mehrheit der Bevölkerung auszahlten.


Abstimmung vom 27. September 2020

Beteiligung: 59.2%
Ja: 1'164'415 (36.8%)
Nein: 2'003'179 (63.2%)

Parolen:
- Ja: BDP (1*), CVP, EVP (1*), FDP (1*), SVP; SGV
- Nein: EDU, GLP (1*), GPS, PdA, SD, SP; SGB, SSV, Travail.Suisse, VPOD
- Stimmfreigabe: Economiesuisse, SAV
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten

Nach einem langen und emotionalen Abstimmungskampf nahm die Schweizer Stimmbevölkerung am 19. Mai 2019 die Übernahme der geänderten EU-Waffenrichtlinie mit 63.7 Prozent Ja-Stimmen deutlich an. Die Stimmbeteiligung lag bei 43.9 Prozent. Ausser im Tessin (45.5% Ja) überwog die Zustimmung in allen Kantonen. Am höchsten fiel sie in Basel-Stadt mit 75 Prozent Ja-Stimmen aus, gefolgt von den drei Westschweizer Kantonen Genf, Neuenburg und Waadt sowie dem Kanton Zürich mit jeweils über 70 Prozent. Gesamtschweizerisch zeigte sich ein klarer Stadt-Land- oder Zentrum-Peripherie-Graben, wobei die Zustimmung in den städtischen Zentren am höchsten und – nebst dem Tessin – in den ländlichen Regionen wie dem Berner Oberland, der Innerschweiz und den Bündner Südtälern am niedrigsten ausfiel.
Vertreterinnen und Vertreter der Befürworterseite werteten das Ergebnis in der Presse als positives Signal für die Beziehungen der Schweiz zur EU und blickten zuversichtlich in Richtung der anstehenden europapolitischen Entscheidungen über die Begrenzungsinitiative sowie über das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU. Demgegenüber sah das unterlegene Nein-Lager im Resultat kein Ja zu Europa, sondern schöpfte daraus neuen Elan für den Kampf gegen die Personenfreizügigkeit und das Rahmenabkommen. «Solche angstgetriebenen Abstimmungsergebnisse wären künftig die Regel, falls der Bundesrat das Rahmenabkommen mit der EU unterschreibt», zitierte beispielsweise die Aargauer Zeitung eine Mitteilung der SVP. Die Gesellschaft für ein freiheitliches Waffenrecht ProTell, die an vorderster Front gegen die Änderungen im Waffenrecht gekämpft hatte, liess derweil verlauten, man werde die Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie nun sehr genau überwachen und den Bundesrat an seinen Versprechungen messen, die er im Abstimmungskampf gemacht habe.
Der Ausgang der Abstimmung wurde sowohl von der Befürworter- als auch von der Gegnerseite zu einem grossen Teil der neuen Justizministerin Karin Keller-Sutter zugeschrieben. Sie habe mit ihrer Glaubwürdigkeit als ehemalige Polizeidirektorin eines Grenzkantons die Unentschlossenen überzeugt, lobte sie etwa der Waadtländer FDP-Nationalrat Laurent Wehrli in der «Tribune de Genève». Auch der Walliser SVP-Nationalrat und Interimspräsident von ProTell Jean-Luc Addor bezeichnete die Übernahme des EJPD durch Karin Keller-Sutter gegenüber der gleichen Zeitung als «Schlüsselmoment» in der Kampagne, weil die St. Gallerin – im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin und «historischen Waffengegnerin» Simonetta Sommaruga – im Dossier als glaubwürdig wahrgenommen worden sei. Die neue Bundesrätin bestand ihre Feuertaufe vor dem Stimmvolk offensichtlich mit Bravour.


Abstimmung vom 19. Mai 2019

Beteiligung: 43.9%
Ja: 1'501'880 (63.7%)
Nein: 854'274 (36.3%)

Parolen:
– Ja: BDP, CVP, EVP, FDP (Jungfreisinnige: 3*), GLP, GP, KVP, SP; KdK, Economiesuisse, SAV, SGV, SGB, Travail.Suisse, Gastrosuisse, Hotelleriesuisse, SBLV
– Nein: EDU, FP, SD, SVP; IGS, SOG, Schweizerischer Unteroffiziersverband, Jagd Schweiz, ProTell, SBV
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Übernahme der Richtlinie 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Dossier: Das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz)

Kurz nach deren Annahme durch das Parlament lancierten SP, Grüne, SGB, Unia sowie weitere Gewerkschaften und Jungparteien das Referendum gegen die Unternehmenssteuerreform III. Die Referendumsdrohung wurde bereits während der Behandlung im Parlament ausgestossen, falls die Steuerreform ohne Gegenfinanzierung beschlossen würde. Am 6. Oktober 2016 reichte das Referendumskomitee 56'000 beglaubigte Unterschriften gegen die USR III bei der Bundeskanzlei ein.

Im Abstimmungskampf kritisierten die Gegner des neuen Steuergesetzes insbesondere die ungleiche Verteilung von Kosten und Nutzen. So würden von der Vorlage nur Unternehmensbesitzer profitieren, während die Allgemeinheit die Steuerausfälle durch Leistungsabbau, höhere Gebühren und mehr Steuern zu bezahlen hätte. Die neuen "Steuertricks" seien zudem undurchsichtig, so dass nur die in deren Erarbeitung involvierten Beratungsfirmen ihre Auswirkungen abschätzen könnten. Die SP hatte im Parlament eine Gegenfinanzierung durch eine höhere Besteuerung der Dividenden gefordert, die vom Parlament jedoch abgelehnt worden war. Entsprechend befürchtete man nun auf Seiten des Referendumskomitees, dass die Steuerreform ohne Gegenfinanzierung zu hohen Kosten für Bund, Kantone und Gemeinden führen würde. Über die Höhe dieser zusätzlichen Kosten waren sich Befürworter und Gegner jedoch nicht einig: Der Bundesrat ging in seinem Bericht auf Bundesebene von Kosten von rund CHF 1,3 Mia. aus, zu denen aber weitere Kosten auf kantonaler und kommunaler Ebene hinzukommen würden. So hatten bereits vor der Durchführung der Volksabstimmung mehrere Kantone Senkungen ihrer kantonalen Gewinnsteuern veranlasst, was es ihnen erlauben sollte, international wettbewerbsfähig zu bleiben.

Auf der anderen Seite wiesen die Befürworter der USR III darauf hin, dass Nichtstun Steuersubstrat in der Höhe von CHF 5,4 Mia. pro Jahr gefährde und entsprechend deutlich teurer sei. Durch die Steuerreform könnten hingegen zehntausende Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in Milliardenhöhe gesichert werden. Zudem warfen die Befürworter den Gegnern vor, bewusst auf die Vorlage eines alternativen Plans zu verzichten, weil ihre Alternativen kaum Anklang finden würden.

Die Unterschriftensammlung war von einer regen medialen Berichterstattung zur Steuerreform begleitet, die auch nach Zustandekommen des Referendums nicht abriss. Entsprechend verzeichnete das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) eine sehr frühe und sehr starke Berichterstattung zur USR III, die Ende Januar durch das Interview von Eveline Widmer-Schlumpf in der Zeitung "Blick" noch weiter anstieg. In diesem hatte sich die ehemalige Finanzministerin gegen die Steuerreform in ihrer jetzigen Form ausgesprochen, da das Parlament bei dieser „nun einfach sehr weit gegangen [sei] mit zusätzlichen Entlastungen für gewisse Firmen“ und da es „ein paar Punkte [gebe], welche die Reform aus der Balance gebracht“ hätten. Immer häufiger meldeten sich anschliessend bürgerliche Politiker zu Wort, die ähnliche Bedenken gegenüber der USR III äusserten.

Nicht nur die Berichterstattung, auch die Inseratekampagne zur Unternehmenssteuerreform III startete früh und stark. So schaltete gemäss einer Analyse von Année Politique Suisse in den letzten 5 Jahren kaum ein Komitee so früh so viele Inserate wie die Befürworter der Steuerreform. Anders als bei der Berichterstattung, bei der das Verhältnis der Aufmerksamkeit für Befürworter und Gegner gemäss fög relativ ausgeglichen war, übertrumpften die Befürworter (88%) die Gegner (12%) bei den Inseraten deutlich. Auch die Parolenfassung deutete auf zwei ungleich grosse Lager hin: So sprachen sich mit SVP, FDP, CVP, BDP und GLP die meisten grösseren Parteien für die Steuerreform aus. Unterstützt wurden sie dabei unter anderem von Economiesuisse, dem Gewerbeverband sowie der Finanzdirektorenkonferenz. Die Nein-Parole beschlossen unter anderem die SP, Grünen, EVP, PdA, der Gewerkschaftsbund und Travail Suisse; Stimmfreigabe gewährte der Städteverband.

BRG Unternehmenssteuerreform III (BRG 15.049)
Dossier: Unternehmenssteuerreform III, Steuervorlage 17 und AHV-Steuer-Deal (STAF)
Dossier: Referenden gegen die Abschaffung der Verrechnungssteuer

Nach langjährigen Verhandlungen war im Vorjahr die Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes (Managed Care) von beiden Räten mit deutlicher Mehrheit angenommen worden. Eine Gruppierung von Spezialärzten, unterstützt vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund, hatte bereits vor dem Ratsbeschluss ein Referendum angekündigt. Das eigentliche Referendumskomitee bildete schliesslich eine Vereinigung von Praktikern aus dem Gesundheitswesen, unterstützt von einem Fachärzteverband und einem Verband medizinischen Personals. Am Tag des Ablaufs der Referendumsfrist, dem 19. Januar 2012, wurde das Referendum mit über 130'000 gültigen Unterschriften eingereicht.

Die Stimmbevölkerung kippt die Vorlage der KVG-Reform Managed Care nach langjähriger Arbeit an der Urne (BRG 04.062)
Dossier: 3. Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; 2004-2012)

Das Volk entschied am 24. Februar über die Unternehmenssteuerreform II, gegen welche im Vorjahr eine Allianz aus SP, GP und SGB das Referendum eingereicht hatte.

In der Kampagne für die Volksabstimmung bekämpften die SP, die Grünen, die EVP, die CSP und die SD zusammen mit den Gewerkschaften die Reform. Für die Linke stellte diese Lockerung der Doppelbesteuerung der Unternehmensgewinne ein unnötiges, ja sogar verfassungswidriges Steuergeschenk an die Reichen dar. Sie befürchteten, dass die daraus resultierenden Mindereinnahmen den Staat zu Sparmassnahmen im Sozialbereich zwingen würden. Ihre Werbung schlug recht aggressive Töne an. So versuchten sie, die Vorlage mit den von breiten Kreisen als skandalös empfundenen hohen Löhne und Prämien für Bankmanager in Verbindung zu bringen.

SVP, FDP, CVP und Liberale unterstützten gemeinsam mit dem Bundesrat und den Unternehmerverbänden Economiesuisse und Gewerbeverband die Unternehmenssteuerreform. Sie betonten vor allem die daraus entstehenden Vorteile für die KMU. Das gegnerische Argument der Steuerausfälle relativierten sie mit der Behauptung, dass die eingesparten Steuern wieder investiert würden, was positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und damit auch auf die zukünftigen Steuereinnahmen hätte.


Abstimmung vom 24. Februar 2008

Beteiligung: 38,6%
Ja: 938 744 (50,5%)
Nein: 918 990 (49,5%)

Parolen:
– Ja: FDP, CVP, SVP, GLP, LP, EDU, Lega; Economiesuisse, SGV, SBV.
– Nein: SP, GP, EVP (1)*, CSP (1)*, PdA, SD; SGB, Travail.Suisse.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Das Bundesgesetz über die Reform der Unternehmenssteuern wurde bei einer relativ schlechten Stimmbeteiligung von 38,6% mit einem Ja-Stimmenanteil von 50,5% äusserst knapp angenommen. Der Vorsprung der Befürwortenden betrug weniger als 20'000 Stimmen. Am stärksten stimmten die Niedersteuerkantone Nidwalden (64,3%), Appenzell Innerrhoden und Zug zu. Am niedrigsten war die Akzeptanz in den linken Industriekantonen Neuenburg (40,4%) und Basel-Stadt. Grundsätzlich nahm die Zustimmung von Ost nach West ab. Eine wichtige Ausnahme bildete Genf, das als einziger französischsprachiger Kanton zustimmte. Ein Grund für die Differenz zwischen den Sprachregionen mag darin gelegen haben, dass ausser Bern (wo sie am 24. Februar mit einer kantonalen Volksabstimmung eingeführt wurde) und Basel-Stadt (wo sie in Vorbereitung ist) bereits alle Kantone der Deutschschweiz eine ähnliche Regelung im kantonalen Steuerrecht kennen. Die Vox-Analyse zum Stimmverhalten zeigte, dass die Anhängerschaft der SP und der Grünen nahezu geschlossen der ablehnenden Parteiparole gefolgt war. Auch die Mitglieder oder Sympathisanten der Gewerkschaften sprachen sich überdurchschnittlich oft gegen die Unternehmenssteuerreform aus (72% Nein). Zwischen der Anhängerschaft der drei grossen bürgerlichen Parteien SVP, FDP und CVP gab es kaum Unterschiede; sie stimmte zu mehr als 70% für die Reform.

BRG Unternehmenssteuerreform II (BRG 05.058)
Dossier: Unternehmenssteuerreform II

Gegen das Bundesgesetz über die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeiten und Investitionen ergriff eine Linksallianz wie bereits im Jahr 2006 angekündigt das Referendum und reichte dieses mit mehr als 57'000 gültigen Unterschriften ein. Die bürgerlichen Parteien starteten eine Gegenkampagne. Der Linksallianz gehören unter anderen die SP, der Gewerkschaftsbund (SGB) und die Grünen an. Das Volk wird anfangs 2008 über die Vorlage abstimmen können.

BRG Unternehmenssteuerreform II (BRG 05.058)
Dossier: Unternehmenssteuerreform II

Mit einem Ja-Stimmenanteil von 68% hiess das Volk am 26. November die Harmonisierung der Familienzulagen klar gut. Das Gesetz wurde einzig in Appenzell Innerrhoden mit 54,4% abgelehnt. Am grössten war die Zustimmung mit 83,7% im Kanton Jura. Es ist dies jener Kanton, in dem die Familien vom neuen Gesetz am meisten profitieren werden, weil dort die Kinderzulagen am tiefsten waren. Auch die Kantone Neuenburg, Waadt und Bern, deren Zulagen ebenfalls deutlich unter dem künftigen Minimum lagen, stimmten der Harmonisierung mit Mehrheiten von über 70% zu. Mit Ausnahme von Genf lagen die durchschnittlichen Ja-Stimmenanteile in den Kantonen der Westschweiz und im Tessin höher als in der Deutschschweiz.


Abstimmung vom 26. November 2006

Beteiligung: 45,0%
Ja: 1 480 796 (68,0%)
Nein: 697 415 (32,0%)

Parolen: Ja: CVP, SP, EVP, CSP, PdA, PSA, GPS, SD, EDU, Lega; SBV, SGB, Travail.Suisse.
Nein: FDP (4*), SVP, LP, FPS; Economiesuisse, SGV.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Bundesgesetz über die Familienzulagen
Dossier: Vereinheitlichung der Kinderzulagen

Wegen der Aufhebung der Zusatzrente für Ehepartner und des Karrierezuschlags ergriffen mehrere kleinere Behindertenorganisationen, allen voran die Behinderten-Selbsthilfeorganisation „Zentrum für Selbstbestimmtes Leben“, das Referendum gegen die Revision, die sie als Sozialabbau auf dem Buckel der Schwächsten bezeichneten. Ihnen schloss sich Agile, der Dachverband der Behinderten-Selbsthilfe an. Die grossen Organisationen, so etwa Pro Infirmis und die Dachorganisationenkonferenz der privaten Behindertenhilfe (DOK) werteten die Sanierung der Versicherung und die verstärkten Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung höher und sprachen sich gegen das Referendum aus. Relativ rasch sprang die Grüne Partei auf den Referendumszug auf. Die SP und die Gewerkschaften zeigten sich hingegen gespalten. Während sich der SGB trotz Kritik an der Revision ablehnend verhielt, unterstützten seine Dachorganisationen in den Kantonen Bern und Freiburg das Referendum. Gegen die SP Frauen und die Junge SP erklärte die SP-Parteileitung ihren Verzicht: Eine breit geführte Referendums- und Abstimmungskampagne würde nur die von der SVP lancierte Polemik über die „Scheininvaliden“ anheizen und der SP im Wahljahr eine sichere Abstimmungsniederlage bescheren. Die Parteileitung wurde jedoch von der Delegiertenversammlung überstimmt und musste das Referendum unterstützen.

Das Volk bestätigt die 5. IV-Revision an der Urne (BRG 05.052)
Dossier: Fünfte IV-Revision (2004-2009)

Suite à la ratification de l’arrêté sur l’extension de la libre circulation et la révision des mesures d’accompagnement par le parlement, les Démocrates suisses (DS), ont décidé de lancer le référendum. De son côté, le comité directeur de l’USS a décidé d’y renoncer. Celui-ci a constaté qu’il avait obtenu gain de cause sur quasiment toutes les mesures d’accompagnement supplémentaires qui avaient été demandées.

Extension de la libre circulation des personnes aux nouveaux Etats membres de l'UE et révision des mesures d'accompagnement

In der Volksabstimmung vom 16. Mai wurde auch die Mehrwertsteuererhöhung zu Gunsten von AHV und IV mit über 68% Nein-Stimmen wuchtig verworfen. Am deutlichsten erfolgte die Ablehnung im Kanton Jura, wo nur 18,9% der Stimmenden ein Ja in die Urne legten. Es folgten die Kantone Wallis (20%) sowie Nid- und Obwalden mit 21,7 resp. 22,7%. Am höchsten war der Ja-Stimmenanteil im Kanton Basel-Stadt mit 39,3%, gefolgt von Zürich (36,6%) und Bern (34,1%).


Abstimmung vom 16. Mai 2004

Beteiligung: 50,8%
Ja: 756 550 (31,4%)
Nein: 1 651 347 (68,6%)

Parolen:
– Ja: CSP, CVP, EVP, GPS, SPS; SBV, SGB, Travail.Suisse
– Nein: EDU, FDP, FPS, Lega, LPS, PdA, SD, SVP; Economiesuisse, SGV

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Gegen die 11. AHV-Revision hatte der SGB im Vorjahr mit Unterstützung von SP, GP und Travail.suisse das Referendum ergriffen und mit in Rekordzeit gesammelten über 150'000 Unterschriften eingereicht. Im Abstimmungskampf standen sich zwei klar abgesteckte Lager gegenüber. Auf der einen Seite das links-grün-gewerkschaftliche, welches die Revision mit der Erhöhung des Frauenrentenalters, den Abstrichen bei der Witwenrente, dem verlangsamten Teuerungsausgleich sowie dem nicht eingehaltenen Versprechen auf eine sozial abgefederte Frühpensionierung als reine „Sozialabbauvorlage“ bezeichnete, auf der anderen Seite die bürgerlichen Parteien, für welche die Revision einen dringend notwendigen Beitrag zur Sicherung der Sozialwerke darstellte. Im Vorfeld der Abstimmung vom 16. Mai gaben die meisten Beobachter der Revision nur geringe Erfolgschancen. Das Ausmass der Ablehnung – über zwei Drittel Nein-Stimmen – erstaunte dennoch. In sämtlichen Kantonen wurde die Vorlage verworfen. Am deutlichsten war die Verweigerung im Kanton Jura mit lediglich 13,6% Ja-Stimmen, gefolgt vom Wallis (17,6%) und dem Kanton Neuenburg (21%). Am meisten Zustimmung fand die Revision in den Kantonen Appenzell Innerrhoden (45,9%), Appenzell Ausserrhoden (41,1%) und Nidwalden (40,1%). Während im links-grünen Lager der deutliche Entscheid mit grossem Jubel aufgenommen wurde, da er zeige, dass sich das Volk einem Rentenabbau widersetze, versuchten die Vertreter des bürgerlichen Lagers, die Bedeutung ihrer Niederlage herunter zu spielen. Einig war man sich allerdings, dass das von Bundesrat Couchepin in die Diskussion gebrachte Rentenalter 67 praktisch vom Tisch sei; es könne nur noch darum gehen, das AHV-Alter, das heute faktisch bei 62 Jahren liegt, durch geeignete Massnahmen wieder an die gesetzlich vorgesehenen 65 Jahre anzunähern.


Abstimmung vom 16. Mai 2004

Beteiligung: 50,8%
Ja: 772 773 (32,1%)
Nein: 1 634 572 (67,9%)

Parolen:
– Ja: FDP, SVP, CVP, LPS, EDU; Economiesuisse, SAGV, SGV, SBV.
– Nein: SP, GP, CSP, EVP, Lega; SGB, Travail.suisse.
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

An ihrer Delegiertenversammlung von Anfang Oktober beschloss die SP geschlossen, das Referendum gegen die 11. AHV-Revision zu ergreifen. Begründet wurde dieser Entscheid zwar auch mit der Erhöhung des Rentenalters der Frauen und den Abstrichen bei der Witwenrente, wodurch die Frauen gleich doppelt zur Kasse gebeten würden. Im Zentrum stand aber der Verzicht der bürgerlichen Parlamentsmehrheit auf eine soziale Abfederung des flexiblen Rentenalters. In einer koordinierten Aktion machte der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) zwischen dem 20. und dem 22. November an 200 Standorten für das Referendum gegen die 11. AHV-Revision mobil. In 48 Stunden kam die Rekordzahl von über 80'000 Unterschriften zusammen. Da auch weitere Organisationen (SP, GP, Travail.Suisse) zur Sammlung beitrugen, kam das Referendum mit 152'031 Unterschriften zustande.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)
Dossier: 11. AHV-Revision (1991-2004; 2005-2010)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Eine „Vereinigung zum Schutz der Arbeitslosen“ aus La-Chaux-de-Fonds (NE) und die Gewerkschaften SGB und CNG ergriffen mit Unterstützung der SP und der Grünen erfolgreich das Referendum gegen die Revision. Sie kritisierten insbesondere die zeitliche Kürzung des Taggeldanspruchs sowie die Streichung des Solidaritätsbeitrages der Besserverdienenden. Die Befürworter der Revision erklärten demgegenüber, mit der Revision sei ein soziales, konjunkturunabhängiges und wirkungsvolles System zur Unterstützung der Arbeitslosen geschaffen worden. Der Abstimmungskampf war nicht sehr heftig, da die Positionen im Rechts-Links-Schema klar bezogen waren und die Vorlage im Schatten der stark polarisierenden Volksinitiative der SVP „gegen Asylrechtsmissbrauch“ stand, die gleichentags zur Abstimmung gelangte.
In der Volksabstimmung vom 24. November wurde die AVIG-Revision mit rund 56% der Stimmen angenommen, wobei allerdings die Kantone Wallis, Neuenburg, Genf und Jura Nein-Stimmenanteile von zum Teil deutlich über 50% aufwiesen. Die stärkste Zustimmung fand die Vorlage im Kanton Appenzell-Innerrhoden mit über 68% Ja-Stimmen sowie in Obwalden und Graubünden mit mehr als 62% .

Abstimmung vom 24. November 2002

Beteiligung: 47,8%
Ja: 1 234 623 (56,1%)
Nein: 966 626 (43,9%)

Parolen:
– Ja: FDP (1*), CVP (1*), SVP, LP, FPS, EDU; Economiesuisse, SAGV, SGV
– Nein: SP, GP, EVP, Lega, PdA, CSP; SGB, CNG, KV Schweiz; Caritas
– Stimmfreigabe: SD
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

3.Revision des Gesetzes über die Arbeitslosenversicherung (AVIG)

Die Differenzbereinigung beim neuen Bundespersonalgesetz konnte in der Frühjahrssession abgeschlossen werden. Der Nationalrat stimmte dem Ständerat in den meisten strittigen Punkten zu, insbesondere auch bei dem von der Linken bekämpften Beschluss, dass bestimmte Personalkategorien gemäss Obligationenrecht angestellt werden können. In der Schlussabstimmung wurde das neue Gesetz vom Nationalrat mit 112:51 und vom Ständerat mit 36:5 Stimmen angenommen. Dagegen votiert hatten die Fraktionen der SP und der Grünen, wobei sich im Nationalrat elf SP-Abgeordnete aus der Deutschschweiz der Stimme enthielten. Der Bundesrat gab zudem eine Stellungnahme zu den im Vorjahr von der GPK-NR gemachten Empfehlungen für die Nebenerwerbstätigkeit von Bundesangestellten ab.

Noch vor Abschluss der parlamentarischen Beratungen kündigte der VPOD das Referendum an. Zusammen mit der Dachorganisation Föderativverband des Personals öffentlicher Dienste ergriff er dieses dann auch und reichte es mit gut 87'000 Unterschriften ein. Unterstützung hatte er beim SGB und bei der SP gefunden.

Die Abstimmungskampagne vermochte keine grossen Wellen zu werfen. Dies war nicht nur in der Deutschschweiz so, wo die meisten Kantone für ihre Angestellten bereits früher ähnliche neue Regeln eingeführt hatten, sondern auch in der Westschweiz, wo analoge Bestrebungen in einigen Kantonen zu heftigen Protesten des Personals geführt hatten. Wie in der Deutschschweiz empfahlen auch in der Romandie sämtliche bürgerlichen Parteien und auch die Redaktionen der massgeblichen Zeitungen ein Ja. Gegen die Reform kämpften neben dem SGB und seinen Verbänden und der SP auch noch die Grünen (ausser die Sektion des Kantons Zürich), die Schweizer Demokraten und die PdA. Für die Gewerkschaften war dieses Gesetz ein Signal für den Sozialabbau nicht nur für das Personal des Bundes und seiner Betriebe (namentlich Post und SBB) sondern für alle Beschäftigten. Zudem sei durch die Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen die Qualität und sogar die Existenz der öffentlichen Dienste (sog. Service public) gefährdet. Im speziellen kritisiert wurden die mit der Aufhebung des Beamtenstatus gelockerten Kündigungsbestimmungen und die Einführung von Leistungslohnkomponenten. Höhepunkt der Nein-Kampagne war eine am 4. November vom SGB in Bern organisierte Demonstration gegen Lohnabbau und gegen das Bundespersonalgesetz mit rund 20'000 Teilnehmenden. Die Gewerkschaftsfront war aber nicht geschlossen. Der CNG und auch der Bundespersonalverband sprachen sich für eine Annahme des Gesetzes aus, welches ihrer Meinung nach eine modernere Personalpolitik des Bundes und vor allem auch die Einführung einer echten Sozialpartnerschaft mit Gesamtarbeitsverträgen erlaubt. In diesem Verband, der auch zum Föderativverband gehört, sind vor allem Angestellte der allgemeinen Bundesverwaltung organisiert. Zum ersten GAV des SBB-Personals siehe hier.

Die Volksabstimmung vom 26. November ergab eine Zweidrittelsmehrheit für das neue Gesetz. Einzig in den Kantonen Jura und Tessin überwogen, allerdings knapp, die Neinstimmen. Die Zustimmung fiel im Kanton Zug mit 78% am klarsten aus, in den meisten anderen Deutschschweizer Kantonen waren es etwas über 70%. Wesentlich knapper erfolgte die Annahme in den französischsprachigen Kantonen (50-60%). Das Wallis verdankte seine knappe Mehrheit den zustimmenden deutschsprachigen Bezirken.


Bundespersonalgesetz
Abstimmung vom 26. November 2000

Beteiligung: 41,5%
Ja: 1 253 997 (66,8%)
Nein: 622 381 (33,2%)

Parolen:
– Ja: FDP, CVP, SVP, LP, EVP, EDU, CSP, Lega; Economiesuisse (Vorort), SGV, SBV, CNG, Angestelltenverbände.
– Nein: SP, GP (1*), SD, PdA; SGB.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen


Die Vox-Analyse ergab, dass auch eine Mehrheit der Sympathisanten der SP und des SGB dem neuen Gesetz zugestimmt hatte, wobei in diesem Lager der bereits im Parlament festgestellte Graben zwischen Französisch- und Deutschsprachigen von der Basis bestätigt wurde.

Bundespersonalgesetz (98.076)

Parmi les acteurs engagés pour un «oui» aux votations, le Vorort a joué son rôle de porte-parole d’une économie helvétique très majoritairement favorable aux bilatérales, dont l’investissement vis-à-vis de la votation fut évalué à plus de 10 millions de francs. Autres organisations favorables: l’Union suisse des arts et métiers (USAM), l’Union patronale suisse, l’Union suisse des paysans, l’USS, la FTMH, la Confédération des syndicats chrétiens, les associations de banquiers et des assureurs, l’Association transports et environnement. Soutien inhabituel qui démontre l’amplitude des débats, l’Université de Neuchâtel s’est officiellement engagée pour les bilatérales en raison du système d’échange qui les accompagne. Dans le rang des partis politiques: le PDC, le PS, le PRD, le Parti libéral, le Parti chrétien-social et l’UDC sont allés dans le sens du Conseil fédéral. Le débat au sein de cette dernière fut particulièrement houleux et a vu Christoph Blocher légèrement vaciller à la tribune du congrès réuni sur la question des bilatérales. Par 297 voix contre 201, les délégués UDC ont donné un mot d’ordre favorable aux accords, alors que leur leader médiatique n’avait pu afficher une position claire et cohérente sur la question (à relever que, le même jour, les délégués du Parti de la liberté eurent moins d’atermoiements pour recommander un «non» massif). Ainsi, plus de la moitié des sections cantonales de l’UDC se sont opposées à la décision du parti national. Second camouflet pour Christoph Blocher, la position de l’ASIN dont il est le président a été largement débattue par ses propres adhérents réunis en congrès, furieux qu’une recommandation de vote vis-à-vis de la votation ne fut même pas à l’ordre du jour. Au final, l’ASIN a, contre l’avis de Blocher, décidé de voter un mot d’ordre. Ce dernier a débouché sur un «non» très majoritaire.

Accords bilatéraux I avec l'UE (MCF 99.028-1)
Dossier: Die Bilateralen Verträge I und die sektoriellen Verhandlungen mit der EU 1993 bis 1998

Im Berichtsjahr kam es zu sechs mit einem fakultativen Referendum verlangten Volksabstimmungen. Zweimal brachte das Volk den Parlamentsentscheid zu Fall (Mutterschaftsversicherung,Invalidenversicherung), viermal bestätigte es den Beschluss (Raumplanung, Asylgesetz, dringliche Massnahmen im Asylbereich, Drogenabgabe).

Es wurden im Berichtsjahr zwölf Volksinitiativen eingereicht. Abgestimmt wurde über eine Volksinitiative (Hauseigentümer). Diese wurde abgelehnt. Damit erhöhte sich auf Ende 1999 der Bestand der eingereichten, aber dem Volk noch nicht zum Entscheid vorgelegten Initiativen auf 31 (1998: 21). Neu lanciert wurden 1999 4 Volksinitiativen. Neben der Denner AG, wo dies seit Jahren üblich ist, stellte nun auch der Gewerkschaftsbund für seine Volksinitiativen bezahlte Unterschriftensammler ein.

Volk und Stände hiessen drei von Regierung und Parlament vorgeschlagene Verfassungsänderung gut (Totalrevision, Kantonsklausel für Bundesratswahl, Transplantationsmedizin). Insgesamt kam es somit zu 10 Volksabstimmungen (1 Initiative, 3 obligatorische und 6 fakultative Referenden). Bei acht dieser Entscheide folgten die Stimmberechtigten dem Antrag von Regierung und Parlament. (Zu den eidgenössischen Urnengängen im Jahr 2000 siehe hier.)

Volksabstimmungen und Initiativen 1999

In der Deutschschweiz wurde der Abstimmungskampf wegen der mangelnden Unterstützung von SP und SGB nur sehr lau geführt, ganz im Gegensatz zur Romandie, wo die Gegner der Vorlage in den Medien stärker präsent waren. Alle Parteien – mit Ausnahme von PdA und SD – sowie die Gewerkschaften unterstützten die Vorlage; die Grünen waren uneins und beschlossen Stimmfreigabe. Am 29. November hiess das Volk die Gesetzesrevision mit 63,4% Ja-Stimmen gut. Die Romandie zeigte sich dem neuen Gesetz gegenüber kritischer als die Deutschschweiz, aber längst nicht mehr so negativ wie 1996. Einzig die Kantone Jura (64,8% Nein-Stimmen), Neuenburg (51,6%) und Freiburg (50,1%) lehnten ab, während Genf (54,5% Ja-Stimmen), Waadt und Wallis (je 55,9%) zwar unterdurchschnittlich annahmen, ihr deutliche Ablehnung von 1996 aber doch in eine Zustimmung umwandelten. Der Tessin, der zwei Jahre zuvor noch klar auf der Seite der Nein-Stimmenden war, hiess das Gesetz im zweiten Anlauf mit 60,3% gut. Die Deutschschweizer Kantone sagten alle deutlich ja, allerdings mit recht grossen Unterschieden. Die Ja-Stimmen-Anteile lagen zwischen 58,8% (Thurgau) und 74,1% (Zürich).


Abstimmung vom 29. November 1998

Beteiligung: 38,1%
Ja: 1'072'978 (63,4%)
Nein: 620'011 (36,6%)

Parolen:
– Ja: CSP, CVP, EDU, EVP, FDP, FPS, LdU (1*), SPS (2*), SVP; SAV, SBV, SGB, SGV, TravailSuisse, VSA
– Nein: KVP, PdA (1*), SD (1*); Frauen macht Politik (FraP)
– Stimmfreigabe: GPS (3*)
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Zweiter Anlauf, Parlamentarische Initiatitive SGK (BRG 97.447)
Dossier: Revision des Arbeitsgesetz (ArG)

Das hinter der SoS-Volksinitiative stehende Komitee «Schluss mit dem Schnüffelstaat» ergriff, wie bereits im Vorjahr angekündigt, gegen das neue Gesetz das Referendum. Obwohl es von der SP, der GPS, der PdA, dem Gewerkschaftsbund, den Demokratischen Juristen und weiteren Organisationen Unterstützung erhielt, gelang es ihm nicht, die erforderlichen Unterschriften beizubringen. Nach mehreren Nachkontrollen stellte die Bundeskanzlei fest, dass auch bei grosszügiger Auslegung der Bestimmungen über Fristen und Stimmrechtsbescheinigungen höchstens 49'696 gültige Unterschriften zusammengekommen waren.

Neues Staatsschutzgesetz und Volksinitiative «S.o.S. – Schweiz ohne Schnüffelpolizei» (BRG 94.028)
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen

Ende März deponierten kantonale Gewerkschaften und Arbeitlosenkomitees aus der Westschweiz rund 54'000 Unterschriften für das Referendum gegen den dringlichen Bundesbeschluss zur Arbeitslosenversicherung vom Dezember 1996. Dieser wollte einerseits den fünfprozentigen A-fonds-perdu-Beitrag des Bundes an die ALV (rund 230 Mio Fr.) ersatzlos streichen und andererseits mit einer Kürzung der Taggelder um 1% bzw. 3% die Arbeitslosenkasse um 70 Mio. Fr. entlasten. Sowohl SGB wie SP hatten beschlossen, das Referendum zumindest in der Startphase nicht mitzutragen. Als Begründung wurde angeführt, dass Partei und Gewerkschaft mit dem Kampf um eine Neuauflage des Arbeitsgesetzes und mit den Vorarbeiten an Volksinitiativen zum KVG und zur Arbeitszeitreduktion voll ausgelastet seien. Zudem räumten sie dem Referendum kaum eine Chance ein, hatten sie doch 1993 bei einem ersten ALV-Leistungsabbau eine deutliche Referendumsniederlage einstecken müssen. Angesichts des grossen Erfolgs der Unterschriftensammlung, beschlossen dann aber die Gewerkschaften, doch noch mit zum Teil beträchtlichen finanziellen Mitteln auf den Referendumszug aufzuspringen. Die neue SP-Präsidentin, Ursula Koch, setzte ebenfalls voll auf einen Erfolg in der ersten von ihr mitgeleiteten nationalen Abstimmungskampagne.

Voranschlag 1997: Dringlicher Bundesbeschluss ALV (BRG 96.070)
Dossier: 2. Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG; 1992-1997)

Schon im Vorfeld dieses Beschlusses kündigte der SGB das Referendum gegen das revidierte Gesetz an und fand dabei die Unterstützung von SP, GP, PdA, CNG und LFSA. Die EDU beschloss ihrerseits, wegen der "Entheiligung" des Sonntags auf den Referendumszug aufzuspringen. Aber auch welsche FDP-Politiker - unter ihnen der Vizepräsident der Partei, Peter Tschopp (GE) sowie die Nationalräte Christen (VD) und Dupraz (GE) - verhehlten nicht, dass sie für das Referendum gewisse Sympathien hegten. Diese drei Abgeordneten hatten denn in der Schlussabstimmung auch als einzige FDP-Vertreter gegen die Annahme der Vorlage gestimmt. Das Referendum kam schliesslich mit 165 467 Stimmen zustande.

Teilrevision des Arbeitsgesetzes: Verbot der Nacht- und Sonntagsarbeit von Frauen in der Industrie
Dossier: Revision des Arbeitsgesetz (ArG)