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Jahresrückblick 2020: Verbände

Verschiedene Branchenverbände befürchteten aufgrund der zur Eindämmung des Coronavirus verhängten Massnahmen drastische Folgen für die durch sie vertretenen Wirtschaftssektoren. Entsprechend forderten sie während des Lockdowns und danach bessere Kreditbedingungen oder Ausnahmeregelungen für ihre Branchen: Beispielsweise forderten die Verbände Hotelleriesuisse und Gastrosuisse vom Bundesrat einen Erlass der Covid-19-Kredite und eine rasche Wiedereröffnung der Restaurants und Bars; der Industrieverband Swissmem wollte, dass dringend benötigte Spezialistinnen und Spezialisten die verhängten Einreisesperren umgehen können. Unterstützt wurde die Forderung durch Economiesuisse. Beide Verbände erhofften sich zudem eine Abschaffung der Industriezölle, um Unternehmen finanziell zu entlasten.
Auch eine Forderung der Unia bezüglich des Lockdowns sorgte für Aufsehen. Weil gemäss der Gewerkschaft Arbeitnehmende in Industrie und Gewerbe während des Lockdowns nicht ausreichend geschützt waren – ein Banker könne etwa im Homeoffice arbeiten und dadurch die vom Bund empfohlenen Hygiene- und Abstandsregeln gut einhalten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Industrie, im Detailhandel, im Gewerbe oder auf dem Bau müssten weiterhin ungeschützt ihren beruflichen Tätigkeiten nachgehen –, forderte Unia-Chefin Vania Alleva landesweit eine Schliessung von Baustellen und Betrieben, bis auch dort umsetzbare und greifende Schutzmassnahmen und -konzepte erarbeitet worden seien. Seitens der Tagespresse musste sich Alleva aufgrund der hohen Kosten, welche diese Massnahme für Industrie und Gewerbe mit sich gebracht hätte, teils scharfen Vorwürfen stellen.

Abseits von Corona ging das Verbandswesen seinen gewohnten Gang. So kam es beispielsweise zu Personalmutationen (nicht abschliessende Auflistung): Jacques Bourgeois trat Ende März nach fast zwei Jahrzehnten von seinem Amt als Direktor des Schweizerischen Bauernverbands (SBV) zurück und wurde von Martin Rufer abgelöst. Flavia Kleiner gab ihr Amt als Co-Präsidentin bei Operation Libero per 20. Juni ab, nachdem sie dieses seit der Gründung der Bewegung 2014 innegehabt hatte, zuletzt zusammen mit Laura Zimmermann. Ihre Nachfolge trat Stefan Manser-Egli an. Einen Wechsel gab es auch bei Economiesuisse, hier trat Christoph Mäder per 1. Oktober die Nachfolge des bis dahin amtierenden Economiesuisse-Präsidenten Heinz Karrer an. Karrer hatte zuvor zwölf Jahre im Vorstand des Wirtschaftsverbands geamtet, sieben davon als Präsident. Ebenfalls im Oktober wurde am Gewerbekongress in Freiburg der Tessiner Fabio Regazzi (cvp) als neuer Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV) bestätigt, Diana Gutjahr (svp, TG) wurde in den Vorstand gewählt. Gemäss NZZ wäre die Wahl Gutjahrs anstelle Regazzis wünschenswert gewesen, denn sie, so analysierte die Zeitung, hätte unter anderem in Anbetracht der tiefen Frauenquote beim SGV frischen Wind in den Verband gebracht.

Ferner fanden 2020 mehrere Volksabstimmungen statt. Auch die Verbände nahmen zu den Anliegen Stellung und fassten Parolen.
Medienwirksam diskutiert wurde die von der AUNS zusammen mit der SVP lancierte Begrenzungsinitiative. Sowohl die grossen Wirtschaftsverbände – vertreten durch den SGV und Economiesuisse – als auch die Arbeitnehmerverbände – vertreten durch den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB), Travail.Suisse sowie die Gewerkschaften Unia, Syna und VPOD – lehnten die Initiative ab. Ein besonders wichtiges Gegenargument war die Befürchtung einer Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens mit der EU, die eine Annahme der Initiative womöglich zur Folge gehabt hätte.
Die grossen Schweizer Wirtschaftsdachverbände Economiesuisse, der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV), der SGV sowie der SBV fassten ferner gemeinsam die Nein-Parole zur ebenfalls viel diskutierten Konzernverantwortungsinitiative, über die im November abgestimmt wurde. Diese verlangte, dass Unternehmen rechtlich belangt werden können, sollten diese oder ihre Tochterfirmen im Ausland gegen geltende Menschenrechte und Umweltstandards verstossen. Die Wirtschaft, so hiess es seitens der Verbände, stehe ohne Wenn und Aber zu den Menschenrechten und Umweltstandards, doch, so die Argumentation, würde eine Annahme der Initiative Betroffenen im Ausland kaum helfen, zu Rechtsunsicherheit führen und dabei die Schweizer Wirtschaft unter Generalverdacht stellen. Der Gegenvorschlag, welcher bei Ablehnung der Initiative in Kraft treten würde und anstelle von rechtlichen Konsequenzen mehr Transparenz forderte, genoss von den Verbänden Unterstützung. Eine noch grössere Anzahl an Verbänden und insbesondere NGOs stand hingegen für die Initiative ein: Amnesty International, Greenpeace, Swissaid oder die Gesellschaft für bedrohte Völker gehörten zu den Trägerorganisationen der Konzernverantwortungsinitiative. Die Operation Libero, die Unia, der WWF, Terre des Femmes, der SGB und zahlreiche weitere Umweltschutz-, Menschenrechts- und Arbeitsrechtsorganisationen sicherten dem Anliegen ihre Unterstützung zu.

Auch historische Jubiläen konnten im Coronajahr begangen werden: Die Dachorganisation für lokale und regionale Behindertenorganisationen Pro Infirmis feierte ihr 100-jähriges Bestehen; Economiesuisse konnte diese Zahl gar noch überbieten: Seit 150 Jahren gibt es den Dachverband der Schweizer Wirtschaft, wenngleich nicht immer in gleicher Form wie heute.

Zu Jahresbeginn erreichte der Anteil der Zeitungsberichte zum Thema «Verbände» gemessen an allen anderen 2020 durch Année Politique Suisse erfassten Berichte seinen höchsten Wert und sank dann, mit einem erneuten leichten Anstieg im Sommer, bis Ende Jahr deutlich ab. Am stärksten in den Medienberichterstattungen vertreten waren die Industrieverbände sowie die Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände. Ebenfalls öfters Thema der medialen Berichterstattung waren die Gewerbeverbände, wenig vertreten waren hingegen die Landwirtschaft und die übrigen Arbeitgeberverbände.

Jahresrückblick 2020: Verbände
Dossier: Jahresrückblick 2020

Anfang 2020 legte die SPK-NR einen Umsetzungsvorschlag zur parlamentarischen Initiative von Edith Graf-Litscher (sp, TG) vor, mit der diese im Sinne des Öffentlichkeitsprinzips gefordert hatte, dass der Zugang zu öffentlichen Dokumenten zukünftig ohne Gebühren gewährt werden müsse. In ihrer Vorlage sah eine Kommissionsmehrheit von 13 zu 8 Stimmen vor, Kostenfreiheit gesetzlich zu verankern, aber bei einer «äusserst aufwändigen Bearbeitung» eines Gesuchs eine Gebühr von maximal CHF 2'000 als Ausnahmeregel festzulegen. Man habe bei der Ausarbeitung des Entwurfs festgestellt, dass die Departemente das Öffentlichkeitsprinzip sehr unterschiedlich umsetzen würden. Zwar würde in den meisten Fällen auf eine Gebühr verzichtet, wenn aber, wie in einzelnen Fällen vorgekommen, mehrere Tausend Franken in Rechnung gestellt würden, käme dies einer Aushöhlung des Prinzips gleich, wonach der Zugang zu amtlichen Dokumenten grundsätzlich kostenfrei sein müsse.
Dies sahen in der Vernehmlassung, die zwischen Februar und Mai 2020 durchgeführt wurde, auch die meisten Teilnehmenden so. Von den 51 Vernehmlassungsteilnehmern seien 38 für den Entwurf, fünf dagegen und acht hätten keine Stellungnahme abgegeben – so der Vernehmlassungsbericht. Zu den ablehnenden Teilnehmenden gehörten der Kanton Appenzell Innerrhoden, die CVP und drei der 19 angefragten Interessenorganisationen (economiesuisse, Swissmechanic, Swissmem). Die meisten Teilnehmenden begrüssten eine gesetzliche Verankerung der Kostenlosigkeit und eine Vereinheitlichung zwischen den Departementen. Die CVP sah hingegen aufgrund des Umstands, dass in den allermeisten Fällen keine Gebühren erhoben werden, keinen Regelungsbedarf. Economiesuisse und der Kanton Appenzell Innerrhoden stellten sich ihrerseits gegen die Gebührenfreiheit, weil die Kosten für aufwändige Abklärungen nicht von den jeweiligen Anfragenden, sondern der Allgemeinheit getragen werden müssten. Geteilter Meinung waren die Vernehmlassungsteilnehmenden hinsichtlich eines Maximalbetrags. Nicht nur die Höhe dieses Betrags war umstritten – den einen war er zu hoch, den anderen zu tief –, sondern auch die Frage, ob er allen Antragstellenden auferlegt werden soll, sorgte für Uneinigkeit. Der Kanton Tessin schlug etwa für Medienschaffende, NGOs und die Wissenschaft Erlass- und Reduktionsmöglichkeiten vor. Darüber hinaus war umstritten, ob im Gesetz überhaupt ein spezifischer Betrag festgelegt werden soll.
Ende 2020 nahm der Bundesrat zum Entwurf Stellung. Er begrüsse den Paradigmenwechsel im Sinne einer Verankerung der Kostenfreiheit im Gesetz. Dies entspreche der gelebten Praxis. Auswertungen zeigten, dass in 97 Prozent aller Anfragen auf Gebühren verzichtet würde. Allerdings zeige sich auch, dass die Zahl der Anfragen jedes Jahr zunehme. Dies sei einerseits erfreulich, weil sich das Öffentlichkeitsprinzip etabliert zu haben scheine, andererseits sei dies aber auch mit Mehraufwand für die Verwaltung verbunden. Insbesondere das BAG und Swissmedic müssten sehr aufwändige Gesuche bearbeiten. Ein Dossier für ein Zulassungsverfahren eines Medikaments beispielsweise könne «mehrere hundert Bundesordner» umfassen, wurde in der bundesrätlichen Stellungnahme ausgeführt. Eine Ausnahmeregelung werde deshalb ausdrücklich begrüsst. Allerdings unterstütze der Bundesrat die Idee, dass im Gesetz kein fixer Betrag festgehalten werden solle.

Öffentlichkeitsprinzip (Pa.Iv. 16.432)
Dossier: Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung

In der Vernehmlassung wurde das Vorhaben des Bundesrates, einen nationalen Adressdienst (NAD) zu schaffen, mehrheitlich befürwortet. Von den 55 eingegangenen Vernehmlassungsantworten äusserten sich 35 positiv zum Vorentwurf, darunter 21 Kantone sowie die BDP, die SP und die SVP. Zehn Teilnehmende positionierten sich nicht eindeutig oder zogen ein gemischtes Fazit, wobei nicht der Nutzen des Dienstes, sondern dessen konkrete Ausgestaltung in Frage gestellt wurde. Zu dieser Gruppe zählten die Kantone Appenzell Ausserrhoden und Graubünden, die CVP, der Gemeinde- und der Städteverband sowie der Gewerbeverband. Überwiegend ablehnend äusserten sich ebenfalls zehn Teilnehmende, darunter die Kantone Tessin und Waadt sowie die FDP. Während einige Organisationen die Notwendigkeit des neuen Registers in Frage stellten und Datenschutzbedenken äusserten (SKS, HEV, Privatim, Centre Patronal), forderte auf der anderen Seite der Verband der Einwohnerdienste die Schaffung eines zentralen Einwohnerregisters, das alle Daten der Einwohnerregister umfasst und nicht nur die Wohnadressen.
Die Stellungnahmen hätten insgesamt bestätigt, dass der geplante nationale Adressdienst einem Bedürfnis entspreche, gab der Bundesrat im Dezember 2020 per Medienmitteilung bekannt. Mit dem NAD sollen Schweizer Behörden die Wohnadresse der Einwohnerinnen und Einwohner auch über Kantonsgrenzen hinweg suchen und bestehende Adressdaten aktualisieren können. Das geplante Adressdienstgesetz (ADG) enthält die gesetzliche Grundlage für einen solchen Dienst und soll unter anderem den Inhalt, die Zugriffsmöglichkeiten und den Datenschutz regeln.
Die Vernehmlassungsergebnisse veranlassten den Bundesrat dazu, das Vorhaben weiterzuverfolgen, aber zuvor noch einige aufgeworfene Fragen zu klären. Er kündigte an, die Datenschutzbestimmungen und die Regelung der Datenhoheit zu präzisieren sowie die Abfragemöglichkeiten und die Rolle der Kantone und Gemeinden noch vertieft zu prüfen. Überdies wolle er bereits vor der Inbetriebnahme des NAD geklärt haben, ob und mit welchen zusätzlichen Datenquellen von Bund, Kantonen oder Gemeinden die Aktualität der bereitgestellten Daten verbessert werden könnte. Die Regierung beauftragte das EDI, die notwendigen Abklärungen zu treffen und anschliessend eine Botschaft auszuarbeiten.

Adressdienstgesetz (BRG 23.039)

Die drei grossen Schweizer Wirtschaftsdachverbände Economiesuisse, SAV, SGV sowie der SBV fassten gemeinsam die Nein-Parole zur viel diskutierten Konzernverantwortungsinitiative, über die im November 2020 abgestimmt wurde. Diese verlangte, dass Unternehmen rechtlich belangt werden können, sollten sie oder ihre Tochterfirmen im Ausland gegen geltende Menschenrechte und Umweltstandards verstossen.
Die Wirtschaft, so liess der neue Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder in einer gemeinsamen Medienmitteilung verlauten, stehe ohne Wenn und Aber zu den Menschenrechten und Umweltstandards, jedoch würde eine Annahme der Initiative Betroffenen im Ausland kaum helfen, zu Rechtsunsicherheit führen und dabei die Schweizer Wirtschaft unter Generalverdacht stellen. SAV-Präsident Valentin Vogt betonte, dass die Initiative in Anbetracht der gegenwärtigen Corona-Situation gefährlich sei: Die Schweizer Wirtschaft dürfe in einer derartigen Krise nicht auch noch Eigentore riskieren. SGV-Präsident Regazzi befürchtete bei Annahme der Initiative einen Domino-Effekt: Was anfänglich nur auf die Grosskonzerne abziele, treffe letztendlich auch die KMU, denn die Forderungen der Initiative würde beispielsweise auch für Lieferanten gelten. Nicht nur grosse, sondern auch kleine Unternehmen müssten sich deshalb vorsorglich rechtlich absichern. Die KMU sah Regazzi denn bei einer Annahme besonders betroffen, da Unternehmen mit einer kleinen Rechtsabteilung bei einem Zwischenfall nicht in der Lage wären, sich rechtlich zu wehren. Das«Wirtschaftsbashing» der Initianten müsse deshalb aufhören.
Schliesslich kam auch der Bauernverbandspräsident Markus Ritter zu Wort. Er sprach von einer ungerechten Beweislastumkehr und hob hervor, dass auch die Schweizer Landwirtschaft stark von Partnerunternehmen im Agrar- und Lebensmittelsektor abhängig sei. Indirekt würde also auch die Schweizer Bauernschaft von der Initiative getroffen.
Der Gegenvorschlag, welcher bei Ablehnung der Initiative in Kraft treten würde und anstelle von rechtlichen Konsequenzen mehr Transparenz forderte, genoss von den Verbänden Unterstützung.

Dachverbände der Wirtschaft sagen «Nein» zur KVI

Nachdem bereits im Juni 2020 bekannt geworden war, dass Christoph Mäder per 1. Oktober 2020 die Nachfolge des scheidenden Economiesuisse-Präsidenten Heinz Karrer antreten werde, wurde dessen Wahl im September vom Verbandsvorstand bestätigt. Mäder war auch davor bei Economiesuisse kein Unbekannter: Von 2008 bis 2019 war er Mitglied des Vorstandsausschusses und von 2011 bis 2017 war er Vizepräsident des Verbands. Beruflich war und ist Mäder im Verwaltungsrat verschiedener multinational agierender Unternehmen wie der Bâloise Holding AG, der Ems-Chemie Holding AG oder der Lonza Group AG tätig. Der liberale Mäder, so teilte Economiesuisse per Medienmitteilung mit, stehe ein für eine verantwortungsvolle, couragierte und faktenbasierte Arbeitsweise und wolle sich für einen prosperierenden und zukunftsorientierten Wirtschaftsstandort Schweiz einsetzen. Als starke Stimme wolle er mit dem Verband auch weiterhin Schweizer Unternehmen in der politischen Landschaft vertreten.
Der abtretende Präsident Karrer war seinerseits zwölf Jahre im Vorstand des Verbands, sieben davon amtierte er als Präsident. Jetzt wolle sich Karrer, so teilte der Verband mit, neuen Aufgaben zuwenden und sich bis zur Amtsübergabe im Oktober im Namen von Economiesuisse gegen die Volksinitiative «Für eine massvolle Zuwanderung» engagieren.
Auch die Presse berichtete über den Wechsel an der Verbandsspitze. Die NZZ etwa stellte Karrer ein mehrheitlich positives Zeugnis aus: Ihm sei es gelungen, den Verband zu einen und neu auszurichten, Entscheidungsprozesse zu bereinigen und in der Gesellschaft das Verständnis für Wirtschaftsanliegen zu stärken. Dennoch habe Economiesuisse aufgrund Karrers fehlenden Willens, sich entschiedener in der Politik zu engagieren, oft «kraft- und farblos» gewirkt, so die Bilanz in der NZZ. Die Economiesuisse konnte aber unter Karrer durchaus auch politische Erfolge verbuchen: 17 von 19 Abstimmungen, in deren Abstimmungskämpfen sich der Wirtschaftsverband laut Medienberichten engagiert hatte, seien zu dessen Gunsten ausgegangen (verloren hat Economiesuisse lediglich in den Abstimmungskämpfen zur Masseneinwanderungsinitiative und zur Unternehmenssteuerreform III).

Mäder als neuer Economiesuisse-Präsident bestätigt

Noch bevor der Abstimmungskampf zur Änderung der direkten Bundessteuer zur steuerlichen Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten, über die im Mai 2020 hätte abgestimmt werden sollen, richtig begonnen hatte, gab der Bundesrat im März 2020 bekannt, die Abstimmung aufgrund des Corona-bedingten Lockdowns auf September 2020 zu verschieben.
Die Abstimmungsvorlage umfasste zwei Aspekte: einerseits die im Titel aufgeführte Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs von CH 10'000 auf CHF 25'000, andererseits die der Vorlage von der bürgerlichen Parlamentsmehrheit hinzugefügte Erhöhung des Kinderabzugs von CHF 6'500 auf CHF 10'000. Im Zentrum der Abstimmungskampagne stand der zweite Aspekt, die Erhöhung des Kinderabzugs, wobei dieselbe Frage die Diskussion dominierte, die schon im Rahmen der Parlamentsdebatte im Mittelpunkt gestanden hatte: Wer profitiert von den Kinderabzügen? Zur Beantwortung dieser Frage stützten sich beide Seiten auf die Daten der ESTV, welche Finanzminister Maurer in der Parlamentsdebatte präsentiert hatte.
Die Befürworterinnen und Befürworter stellten den Nutzen der Vorlage für den Mittelstand in den Mittelpunkt ihrer Kampagne. «Der Mittelstand profitiert», warb etwa die CVP auf ihrer Internetseite. Stütze man sich auf die Definition des BFS für «Mittelstand», erhalte der Mittelstand 49 Prozent der Ermässigungen, argumentierte Marianne Binder-Keller gegenüber dem Sonntagsblick. Gegen diese Darstellung wehrten sich die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage: Der (obere) Mittelstand profitiere zwar auch, in erster Linie nütze die Vorlage aber vor allem den Gutverdienenden, kritisierten sie: Je höher das Einkommen, desto grösser sei der Spareffekt. 70 Prozent der Gesamtentlastung kämen so den 15 Prozent der Familien mit den höchsten Löhnen zu, während 45 Prozent der Familien keine Entlastung erfahren würden, da sie keine Bundessteuern bezahlten. Gar als «Klientelpolitik» bezeichnete etwa das liberale Komitee, vor allem bestehend aus Mitgliedern der GLP, die Vorlage. Noch einseitiger sei die Verteilung schliesslich, wenn nicht nur die Familien, sondern alle Haushalte, also auch die Alleinstehenden und die kinderlosen Paare, die ja ebenfalls von den Steuerausfällen betroffen wären, berücksichtigt würden, betonte überdies Jacqueline Badran (sp, ZH). Berücksichtige man diese ebenfalls, profitierten lediglich sechs Prozent aller Haushalte von 70 Prozent der Steuerausfälle. Man lasse jedoch den Mittelstand im Glauben, dass er von der Vorlage profitiere, indem in der Debatte sowie im Abstimmungsbüchlein jeweils das steuerbare Einkommen aufgeführt werde. Dies sei «total irreführend» (Badran gemäss Blick), da niemand die Höhe seines persönlichen steuerbaren Einkommens kenne. Die ESTV begründete die Verwendung des steuerbaren Einkommens jedoch damit, dass sich der tatsächliche Steuerbetrag beim Bruttoeinkommen zwischen verschiedenen Personen stark unterscheiden könne.
Obwohl die Befürworterinnen und Befürworter immer betonten, dass die Mehrheit der Familien profitiere, gab zum Beispiel Philipp Kutter (cvp, ZH), der die Erhöhung der Kinderabzüge im Nationalrat eingebracht hatte, in einem Interview gegenüber der NZZ unumwunden zu, dass die Vorlage auch eine Steuersenkung für Gutverdienende beinhalte: Über den Steuertarif seien allgemeine Steuersenkung für Gutverdienende «chancenlos», mehrheitsfähig sei einzig der «Weg über die Kinderabzüge».

Nicht nur der Mittelstand, sondern auch die Familien standen im Zentrum der Vorlage. Diese müssten endlich unterstützt werden, betonte Philipp Kutter, was mithilfe der aktuellen Vorlage möglich sei: 60 Prozent aller Familien könnten von einer Erhöhung des Kinderabzugs profitieren. Dem entgegnete etwa die NZZ, dass die Familien in den letzten Jahren stark entlastet worden seien (v.a. durch die Reduktion der Bundessteuer für Haushalte mit Kindern), deutlich stärker zumindest als Kinderlose. Brigitte Häberli-Koller (cvp, TG) befürwortete indes insbesondere, dass durch die aktuelle Vorlage alle Familienmodelle unabhängig der Betreuungsform entlastet würden. Die Gesellschaft habe als Ganzes ein Interesse daran, dass die Leute Kinder bekommen, ergänzte Kutter. Familiäre Strukturen seien für die Gesellschaft wichtig, überdies sei man dadurch weniger auf Zuwanderung angewiesen, die ja ebenfalls teilweise auf Ablehnung stosse. Demgegenüber wurde in der NZZ die Frage diskutiert, ob Kinderabzüge überhaupt gerechtfertigt seien. So könne man es als private Konsumentscheidung ansehen, Kinder zu haben; in diesem Falle würden Kinderabzüge der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit widersprechen. Es gäbe aber einen politischen Konsens, dass das Steuerrecht Kinderkosten berücksichtigen solle. Die Entscheidung, wie diese Unterstützung erfolgen solle (durch degressiv wirkende Kinderabzüge, neutral wirkende Abzüge vom Steuerbetrag oder durch progressiv wirkende Kinderzulagen zum Erwerbseinkommen), sei dann eine weitere, umverteilungspolitische Entscheidung.

Ein weiteres Argument der Gegnerinnen und Gegner der Erhöhung des Kinderabzugs lag in den daraus folgenden hohen Kosten: Die Vorlage verursache voraussichtlich fast 40mal höhere Kosten, als für die Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs geplant worden war, und übertreffe damit auch die Kosten der medial deutlich umstritteneren Verlängerung des Vaterschaftsurlaubs. Dadurch sei zukünftig weniger Geld für andere, sinnvollere Projekte vorhanden, argumentierten sie. SP, Grüne und die Kritikerinnen und Kritiker der Vorlage aus der FDP stellten dabei insbesondere die Individualbesteuerung in den Mittelpunkt. Dieser sprachen sie eine deutlich grössere Wirkung auf die Erwerbstätigkeit von Frauen zu als den Drittbetreuungsabzügen. Da sie aber ebenfalls zu hohen Steuerausfällen führen würde, befürchteten sie, dass die Abschaffung der Heiratsstrafe bei Annahme der aktuellen Vorlage auf die lange Bank geschoben würde, weil kein Geld mehr vorhanden wäre. Verstärkt wurde dieses Argument durch die hohen Kosten zur Bewältigung der Corona-Pandemie: Hatte der Bundesrat während der Budgetdebatte fürs Jahr 2020 noch mit einem Überschuss von CHF 344 Mio. gerechnet, wurde jetzt ein Defizit über CHF 20 Mrd. erwartet. Die Medien vermuteten von diesem Defizit nicht nur Auswirkungen auf die Vorlage zum Drittbetreuungs- und zum Kinderabzug, sondern auch auf die gleichzeitig stattfindenden Abstimmungen zu den Kampfflugzeugen und über den Vaterschaftsurlaub. «Angesichts enormer Zusatzlasten kann sich unsere Gesellschaft erst recht keine Steuergeschenke mehr leisten, die nichts bringen», argumentierte etwa GLP-Nationalrat Thomas Brunner (glp, SG). Das sahen die Befürwortenden anders, Philipp Kutter etwa betonte: «Das wird den Bund nicht umbringen».

Schliesslich waren sich Befürwortende und Gegnerschaft nicht einig, inwiefern das ursprüngliche Ziel der Vorlage, die Förderung der Beschäftigung hochgebildeter Personen, insbesondere von Frauen, durch die Ergänzung der Kinderabzüge gefördert wird. Raphaela Birrer argumentierte im Tages-Anzeiger, dass die Erhöhung der Kinderabzüge die Anreize zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit verstärke. In einer Studie zur Wirkung der beiden Abzüge (Kinderabzug und Drittbetreuungsabzug) auf die Erwerbstätigkeit bestätigte Avenir Suisse diesen Effekt nur bedingt: Zwar senkten beide Abzüge den Grenzsteuersatz (also die Besteuerung von zusätzlichem Einkommen) und förderten damit die Erwerbstätigkeit, jedoch sei der entsprechende Effekt des Kinderabzugs gering. Zudem senke er auch den Grenzsteuersatz von Einverdienerhaushalten, wodurch die Erwerbstätigkeit von Frauen nicht gesteigert werde. Von der Erhöhung des Betreuungskostenabzugs sei hingegen ein deutlich stärkerer Effekt auf die Erwerbstätigkeit zu erwarten, damit könne der Anreiz des aktuellen Steuersystems für Zweitverdienende, nicht oder nur wenig zu arbeiten, gemildert werden. Die GLP stellte entsprechend insbesondere diesen Aspekt in den Mittelpunkt und sprach von einer Mogelpackung, weil die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch die Erhöhung des Kinderabzugs nicht verbessert werde. Nationalrätin Christa Markwalder (fdp, BE), die sich ebenfalls im liberalen Komitee engagierte, reichte im Juni 2020 eine parlamentarische Initiative (Pa.Iv. 20.455) ein, mit der sie das Originalanliegen der Vorlage, also den Drittbetreuungsabzug, erneut aufnahm. Damit sollte dieser bei einer Ablehnung der Vorlage möglichst schnell verwirklicht werden können.
Die Frage, ob die Vorlage Anreize zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit beinhalte oder nicht, hatte aber noch eine zweite Komponente. So störte sich die Weltwoche überhaupt daran, dass das Steuerrecht «für alle möglichen Zwecke instrumentalisiert» werde. Es sei nicht dafür da, «bestimmte Lebensmodelle zu fördern», argumentierte Katharina Fontana. Zudem sei es unmöglich, Steuergerechtigkeit herzustellen, zumal sich niemand jemals gerecht besteuert fühle.

Bezüglich der Komitees gibt es weniger zu sagen. Auf der Befürworterseite der Vorlage standen insbesondere die CVP und die SVP. Ja-Parolen gaben auch die BDP, EVP und die FDP.Liberalen aus, unterstützt wurden sie vom Gewerbeverband. Die Medien interessierten sich indes insbesondere für die Position der Freisinnigen, zumal sie die Vorlage im Parlament anfangs bekämpft, ihr mit ihrem Meinungswandel dann aber zum Durchbruch verholfen hatten. Nun wolle sich die Partei nicht an der Kampagne beteiligen, so die WOZ, zumal sie intern gespalten war: Einzelne Personen, darunter Ständerat Andrea Caroni (fdp, AR) und Nationalrätin Christa Markwalder, sprachen sich gegen die Vorlage aus und beteiligten sich gar am liberalen Nein-Komitee. Dieses setzte sich insbesondere aus Mitgliedern der GLP zusammen und kämpfte vor allem dagegen, dass die «Mogelpackung» viel koste, aber keine oder gar negative Auswirkungen hätte. Damit würden «keine Anreize für arbeitstätige Elternteile geschaffen», betonte Kathrin Bertschy (glp, BE). Auf linker Seite kämpften vor allem die SP und die Grünen, welche die Unterschriften für das Referendum gesammelt hatten, für ein Nein. Unterstützt wurden sie von den Gewerkschaften, aber auch Avenir Suisse sprach sich gegen die Kinderabzüge aus. Stimmfreigabe erteilten hingegen unter anderem die FDP Frauen. Sie befürworteten zwar den Drittbetreuungsabzug, störten sich aber an den hohen Kosten des Kinderabzugs, durch den das wichtigere Projekt der Individualbesteuerung weiter hinausgeschoben werde. Auch der Arbeitgeberverband entschied sich für Stimmfreigabe, nachdem er das Projekt im Parlament noch bekämpft hatte, da es «kaum zu einer stärkeren Arbeitstätigkeit der Eltern beitrage», wie der Blick berichtete. Dasselbe geschah mit Economiesuisse, der das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Vorlage anfangs zu wenig ausgewogen gewesen sei. Der Sonntags-Blick vermutete, dass sich die Verbände nicht zu einer Nein-Parole hätten durchringen können, da das Referendum «aus dem falschen politischen Lager» stammte. Interessant war für die Medien schliesslich auch die Position des Bundesrates, insbesondere von Finanzminister Maurer. Dieser hatte die Vorlage im Parlament mit deutlichen Worten bekämpft, vertrat nun aber – wie im Gesetz für politische Rechte geregelt – die Position des Parlaments. Ersteres hatte er so gut getan, dass sich auch die NZZ nicht sicher war, ob er denn nun die Vorlage persönlich befürworte, wie seine Partei, oder sie ablehne.

Der Abstimmungskampf zur Vorlage verlief ungemein schwach. So stand sie deutlich im Schatten der Corona-Pandemie sowie der anderen vier Vorlagen. Sie wurde gemäss Analysen vom Fög und von Année Politique Suisse einerseits nur sehr schwach in Zeitungsinseraten beworben und andererseits auch in den Medien vergleichsweise selten thematisiert. Die briefliche Stimmabgabe deutete anfänglich auf mässiges Interesse am Super-Sonntag hin, wie der Abstimmungstag mit fünf Vorlagen in den Medien genannt wurde. Die SP schaltete sieben kurze Animationsfilme und gab ein Comic-Heftchen zu den Filmen aus, um zu verhindern, dass die Vorlage untergeht. Die ersten Vorumfragen Mitte August 2020 zeigten dann auch, dass die Meinungsbildung zur Vorlage noch nicht weit fortgeschritten war. Auf diese Tatsache wurde in den entsprechenden Berichten das Zwischenergebnis, wonach die Sympathisierenden von SP und Grünen die Vorlage mehrheitlich befürworteten, zurückgeführt. Besserverdienende gaben zu diesem Zeitpunkt an, der Vorlage eher zuzustimmen. Christian Levrat (sp, FR) hoffte, diese Personen durch die Kampagne noch umstimmen zu können. Die erste Tamedia-Umfrage ergab insgesamt eine Zustimmung («dafür» oder «eher dafür») von 55 Prozent und eine Ablehnung von 37 Prozent, während die SRG-Vorumfrage mit 51 Prozent zu 43 Prozent zu ähnlichen Ergebnissen kam. Diese Zahlen kehrten sich bis zum Termin der letzten Welle Mitte September um: Die Tamedia-Umfrage ergab eine Zustimmung von 46 Prozent und eine Ablehnung von 51 Prozent, die SRG-Umfrage eine von 43 Prozent zu 52 Prozent. Bei den Sympathisierenden von SP und Grünen war die Zustimmung vom ersten zum zweiten Termin gemäss SRG-Umfragen um 19 respektive 14 Prozentpunkte gesunken, bei den Sympathisierenden der GLP ebenfalls um 12 Prozentpunkte. Bei den übrigen Parteien nahm sie ebenfalls leicht ab.

Das Resultat der Abstimmung zur Änderung der direkten Bundessteuer über die steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten war schliesslich deutlicher, als die Vorumfragen und die Ausgangslage viele Kommentatorinnen und Kommentatoren hatten vermuten lassen: Mit 63.2 Prozent Nein-Stimmen lehnte das Stimmvolk die Vorlage mit einer vergleichsweise hohen Stimmbeteiligung von 59.2 Prozent deutlich ab. Dieses Nein lasse jedoch einigen Interpretationsspielraum, betonten die Medien. So gab es zwischen den Kantonen doch beträchtliche Unterschiede: Am kritischsten zeigte sich die Stimmbevölkerung im Kanton Appenzell-Ausserrhoden (28.1%), gefolgt von denjenigen in Appenzell-Innerrhoden (29.3%) und Bern (29.5%), am höchsten lag die Zustimmung im Tessin (52.0%) und in Genf (50.1%), beide Kantonsbevölkerungen hätten die Vorlage angenommen. Allgemein wurde gemäss BFS ersichtlich, dass die italienischsprachige (52.0%) und die französischsprachige Schweiz (48.5%) der Vorlage deutlich mehr abgewinnen konnten als die Deutschschweiz. Kaum Unterschiede waren zwischen Stadt und Land erkennbar: Die ländlichen Regionen (35.3%) lehnten die Vorlage ähnlich stark ab wie die Kernstädte (35.8%). Das Resultat könne nicht mit dem Links-Rechts-Schema erklärt werden, betonte die NZZ. Stattdessen seien vor allem die persönliche Einstellung zur Familienpolitik und zur Rolle des Staates relevant gewesen. Die externe Kinderbetreuung würde in der Romandie stärker akzeptiert und durch den Staat stärker unterstützt als in der Deutschschweiz, betonte denn auch CVP-Ständerätin Marianne Maret (cvp, VS) gegenüber der NZZ. Entsprechend habe in der Westschweiz vor allem der Drittbetreuungsabzug im Mittelpunkt gestanden, während in der Deutschschweiz hauptsächlich über den Kinderabzug diskutiert worden sei, stellte SP-Nationalrätin Franziska Roth (sp, SO) fest. Eine zu späte Kampagne in der Romandie machte schliesslich SP-Nationalrat Roger Nordmann für den hohen Anteil Ja-Stimmen in der französischsprachigen Schweiz verantwortlich. Christian Levrat erachtete das Ergebnis insgesamt als Absage des Volkes an die bürgerliche Steuerpolitik und als Ausblick auf andere bürgerliche Projekte zur Abschaffung der Stempelabgabe, der Industriezölle, des Eigenmietwerts oder der Heiratsstrafe. Stattdessen müssten nun Familien mit tiefen und mittleren Einkommen entlastet werden, insbesondere durch die Senkung der Krankenkassenprämien und die kostenlose Bereitstellung von Kita-Plätzen. Philipp Kutter wollte die Entlastung von Familien weiterverfolgen und plante anstelle des Kinderabzugs einen Abzug vom Steuerbetrag. Dass neben der Erhöhung des Kinderabzugs auch die Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs gescheitert war, erachtete Christa Markwalder nicht als entmutigend und setzte auf ihre eingereichte parlamentarische Initiative. Anders als bei der ersten Behandlung des Themas im Nationalrat, als sich die SP- und die Grüne-Fraktion gegen Eintreten ausgesprochen hatten, kündigte Christian Levrat an, die parlamentarische Initiative zu unterstützen. Dies sei aber nur ein erster Schritt, zusätzlich brauche es auch Lösungen, die sich für die Mehrheit der Bevölkerung auszahlten.


Abstimmung vom 27. September 2020

Beteiligung: 59.2%
Ja: 1'164'415 (36.8%)
Nein: 2'003'179 (63.2%)

Parolen:
- Ja: BDP (1*), CVP, EVP (1*), FDP (1*), SVP; SGV
- Nein: EDU, GLP (1*), GPS, PdA, SD, SP; SGB, SSV, Travail.Suisse, VPOD
- Stimmfreigabe: Economiesuisse, SAV
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten

Durch die Annahme zweier Motionen (Mo. 20.2451; Mo. 20.3460) war der Bundesrat vom Parlament in der Sommersession 2020 beauftragt worden, eine Vorlage zur Regelung der Geschäftsmieten auszuarbeiten, die eine Aufteilung der Mietzinse von Betrieben oder Einrichtungen, die während der ersten Welle der Corona-Pandemie behördlich geschlossen werden mussten oder nur stark eingeschränkt betrieben werden konnten, im Verhältnis von 40 (Mieterseite) zu 60 (Vermieterseite) für die Dauer der behördlich verordneten Massnahmen vorsah.

Vom 1. Juli bis zum 4. August 2020 gab der Bundesrat einen Entwurf für ein entsprechendes Covid-19-Geschäftsmietegesetz in die verkürzte Vernehmlassung, deren Ergebnis unter den 178 stellungnehmenden Parteien kontrovers ausfiel. Neben elf Kantonen (AR, BL, GE, LU, NW, OW, SZ, TG, UR, ZG, ZH) lehnten mit den FDP.Liberalen und der SVP auch zwei grosse Parteien sowie Economiesuisse, der Schweizerische Gewerbeverband, der Hauseigentümerverband und Immobilienverbände die Vorlage ab. Zustimmung erfuhr der Entwurf von acht Kantonen (AI, BS, FR, GL, GR, NE, SO, VD), den Parteien der Grünen, SP, CVP und EVP, von den Organisationen der Mieterinnen und Mieter, dem Schweizerischen Städteverband sowie von Gastro- und Berufsverbänden. Sechs Kantone (AG, BE, SG, SH, TI, VS) und die GLP hoben sowohl Vor- als auch Nachteile des Entwurfs hervor. Die sich in der Überzahl befindenden ablehnenden Stellungnehmenden kritisierten, dass der Staat mit einem solchen Gesetz massiv in die Vertragsverhältnisse zwischen Privaten eingreife, was in keinem Verhältnis zum volkswirtschaftlichen Nutzen einer solchen Regelung stehe. Ferner bestehe keine Verfassungsgrundlage für ein solches Vorgehen und ein allgemeiner Verteilschlüssel von 60/40 sei kein geeignetes Mittel, um den unterschiedlichen Situationen der Betroffenen gerecht zu werden. Die befürwortende Seite sprach sich in der Vernehmlassung teilweise für weitergehende Forderungen aus, man akzeptiere jedoch den gewählten Weg als Kompromiss und begrüsse ein rasches Vorwärtsgehen, liess etwa Natalie Imboden, Generalsekretärin des Mieterinnen- und Mieterverbandes, gegenüber Le Temps verlauten. Im Anschluss an die Vernehmlassung passte der Bundesrat die Vorlage punktuell an, in erster Linie, um Unsicherheiten in der Anwendung zu reduzieren.

Am 18. September 2020 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zum Covid-19-Geschäftsmietegesetz. Darin verzichtete er aufgrund der kontroversen Stellungnahmen darauf, dem Parlament die Botschaft zur Annahme zu beantragen, und bekräftigte ebenfalls seine bereits im Frühjahr vertretene negative Haltung gegenüber einer solchen Regelung (vgl. etwa Mo. 20.3161; Mo. 20.3142 oder die Stellungnahme des Bundesrates zur Situation der Geschäftsmieten). Dass der Bundesrat «seine eigene» Vorlage ablehnt (NZZ), war einigen Pressetiteln einen zentralen Vermerk wert. Konkret regelt der Gesetzesentwurf Mietverhältnisse von öffentlich zugänglichen Einrichtungen und Betrieben, die aufgrund der Covid-19-Verordnung 2 (Fassung 17./19./21.3.20) schliessen mussten (z.B. Restaurants, Coiffeursalons), und von Gesundheitseinrichtungen, die ihre Tätigkeiten reduzieren mussten. Für Erstere soll das Gesetz über die gesamte Dauer der vom Bund verordneten Schliessung gelten (17.3-21.6.20), während Gesundheitseinrichtungen, die ihren Betrieb einschränken mussten, gemäss Entwurf lediglich für eine maximale Dauer von zwei Monaten von einer solchen Mietzinsreduktion profitieren könnten. Von der 60/40-Regelung betroffen sind nur Mietverhältnisse, deren Nettomietzins pro Monat CHF 14'999 nicht übersteigt. Bei einem Nettomietzins zwischen 15'000 und 20'000 ist es beiden Mietparteien vorbehalten, durch eine einseitige schriftliche Mitteilung auf die Gesetzesregelung zu verzichten. Die Regelung gilt nur für Vertragsparteien, die zuvor noch keine ausdrückliche Einigung erzielt haben. Für den Fall, dass Vermieterinnen und Vermieter oder Pächter und Pächterinnen durch die Mietzinsreduktion in eine wirtschaftliche Notlage geraten würden, soll beim Bund eine finanzielle Entschädigung beantragt werden können. Dieser stellt dafür einen Härtefallfonds in der Höhe von maximal CHF 20'000 bereit.

Covid-19-Geschäftsmietegesetz
Dossier: Diskussionen um Erlass von Geschäftsmieten während des Lockdown

Trois associations quittent la faîtière Economiesuisse. En effet, Swiss Retail, Auto Suisse et Avenergy sentent que leurs intérêts ne sont plus pris en compte au sein d'Economiesuisse, qui donne selon eux priorité aux industries pharmaceutique et financière au détriment des PME. Ces retraits font perdre trois membres influents à l'association faîtière de l'économie. Swiss Retail, dont les membres réalisent un chiffre d'affaire annuel de 19 milliards de francs et emploient au total 46'000 collaborateurs, représente les intérêts du commerce de détail suisse, à l'exception de Coop et Migros. Auto Suisse regroupe les importateurs automobiles, dont Amag, pour un chiffre d'affaire annuel de plus de 10 milliards de francs. Enfin, Avenergy défend les préoccupations des importateurs de combustibles et carburants liquides.

Swiss Retail veut à l'avenir s'engager de manière plus directe pour défendre les intérêts de ses membres dans la sphère politique, ceci notamment suite aux fermetures de magasins imposées par la politique sanitaire de la Confédération durant la pandémie de Covid-19. D'autres divergences sont apparues avec la faîtière, au niveau par exemple des prises de position sur l'initiative pour des multinationales responsables.
Du côté d'Auto Suisse et d'Avenergy, les conflits avec leur association centrale s'établissent principalement au sujet de la politique climatique. Durant les négociations pour la loi sur le CO2, Economiesuisse s'est prononcée en faveur d'une taxe sur la benzine et le diesel. Cela a été la goutte qui fait déborder le vase pour les deux associations. Avenergy a décidé de rejoindre l'USAM, dont Auto Suisse est également membre et qui serait plus à même de représenter les intérêts de la branche à ses yeux.

Chez Economiesuisse, on regrette ces départs, tout en soulignant que malgré les intérêts parfois divergents des membres, chacun peut exprimer ses intérêts et préoccupations grâce à la structure démocratique de l'organisation.
La responsabilité revient néanmoins à l'organisation faîtière de l'économie, selon le Tages Anzeiger, qui met en avant quatre raisons pour expliquer ces départs. Tout d'abord, le processus de décision au sein de l'association ne serait pas assez transparent. De plus, Economiesuisse n'arriverait plus à trouver des positions communes qui auraient le soutien de tous ses membres et représenterait avant tout les intérêts de quelques grosses entreprises. Enfin, elle se concentrerait depuis plusieurs années sur des campagnes politiques onéreuses, mettant sur la touche un lobbying actif et cohérent, qui pourrait influencer la politique économique plus tôt au cours du processus législatif.

Trois associations quittent la faîtière EconomieSuisse

Martin Hirzel succède à Hans Hess à la tête de Swissmem à partir du 1er janvier 2021. Hess a été président de l'association faîtière des PME et des grandes entreprises de l’industrie suisse des machines, des équipements électriques et des métaux (industrie MEM) durant 10 ans, prenant la suite de l'ex-conseiller fédéral Johann Schneider-Ammann. Hirzel a pour mission de continuer sur la lancée de son prédécesseur, qui a vu, au cours de son mandat, le nombre d'entreprises membres passer de 950 à 1200.
Le secteur traverse néanmoins une période mouvementée, due à la crise du Covid-19. Pourtant, selon la Neue Zürcher Zeitung, le nouveau président a les compétences et l'expérience nécessaires pour faire face à ces difficultés et permettre à la branche de se relever sans trop de dommages. Il a mené sa carrière dans l'industrie durant plus de deux décennies, en étant notamment plusieurs années en poste dans les villes de São Paulo et Shanghai. Actuellement, il est membre du conseil d’administration de Bucher Industries SA et du conseil consultatif pour la région de Zurich de la Banque nationale suisse. Il occupe également le poste de président du conseil consultatif de la ZHAW School of Management & Law.

Par la même occasion, Martin Hirzel hérite du poste de Hans Hess en tant que vice-président d'Economiesuisse. Il a été élu à l'unanimité par l'assemblée générale et représente donc sa branche d'activité au sein de la présidence de la plus grande organisation faîtière de l’économie suisse.

Swissmem

Das Urteil über die bundesrätlichen Pläne zur Revision des EnG fiel in der Vernehmlassung im Frühling und Sommer 2020 grundsätzlich positiv aus. Mehrheitlich begrüsst wurden insbesondere das Ziel zum Erhalt der Versorgungssicherheit sowie die Verlängerung und Optimierung der Fördermassnahmen im Bereich der erneuerbaren Energien und der Wasserkraft. Dem Kerngehalt der Vorlage, mehr Anreize für Investitionen in Anlagen zur Stromproduktion aus erneuerbaren Energien zu schaffen, wurde damit mehrheitlich zugestimmt. Insbesondere auch die Unterstützung der Wasserkraft und die damit einhergehende Stärkung der Winterstromproduktion fanden in der Vernehmlassung Anklang. Mehrheitlich zugestimmt wurde des Weiteren dem Vorhaben, die Ausbauziele für die Elektrizitätsproduktion aus erneuerbaren Energien bis 2050 im Gesetz festzuschreiben.
Einige Vernehmlassungsteilnehmende wünschten sich die Einführung eines Energie-Lenkungssystems, anerkannten aber, dass dieses Vorhaben bereits in der Vorlage des Bundesrates für ein Klima- und Energielenkungssystem gescheitert war.
Kritik gab es seitens der Regierungskonferenz der Gebirgskantone (RKGK) für die Massnahmen im Bereich der Wasserkraft: Nach Ansicht der Gebirgskantone sollte der Wasserkraft in der Revision mehr Gewicht beigemessen werden. Die RKGK forderte die Einführung eines Mechanismus, der bei Tiefpreisphasen die Erträge für Strom aus Wasserkraft absichert. Ein solcher Mechanismus (bspw. eine gleitende Marktprämie) wurde in der Vernehmlassung von verschiedensten Seiten diskutiert. Energieministerin Simonetta Sommaruga plante bei der Wasserkraft zudem, dass künftig nur noch Kraftwerks-Neubauten finanziell unterstützt werden, Erneuerungsarbeiten an bestehenden Anlagen jedoch nicht mehr. Die Konferenz der kantonalen Energiedirektorinnen und -direktoren (EnDK) sowie die RKGK hätten es aber begrüsst, die Investitionsbeiträge auch für bestehende grosse Wasserkraftanlagen zu erhalten. Der VSE warnte in der Aargauer Zeitung davor, dass dadurch nur noch Notreparaturen vorgenommen und echte Investitionen in das zentrale Rückgrat der Schweizer Stromversorgung gefährdet würden. Gleichzeitig mahnte die EnDK, dass die Absicherungsmechanismen für eine sichere Stromversorgung EU-kompatibel auszugestalten seien, um Konflikte zu vermeiden. Allgemein stufte die Energiewirtschaft die vorgeschlagenen Massnahmen als zu gering ein, um einen ausreichenden Anreiz für Investitionen in erneuerbare Energien bieten zu können.
Grundsätzlich kritisch zur Vorlage äusserte sich unter den grossen Parteien die SVP, die eine Weiterführung der finanziellen Unterstützung für den Ausbau der erneuerbaren Energien ablehnte. Die vom Stimmvolk 2017 angenommenen Massnahmen seien nur als Anschubfinanzierung gedacht gewesen und dürften nicht verlängert werden, argumentierte die Partei. Ins gleiche Horn bliesen auch einige Wirtschafts- und Gewerbeverbände (bspw. Economiesuisse und der SGV).
Allgemein wurde von vielen Vernehmlassungsteilnehmenden die Verknüpfung der vorliegenden EnG-Revision mit der Revision des StromVG (Strommarktliberalisierung) gewünscht, da die beiden Projekte viele Parallelen aufwiesen und inhaltlich eng zusammenlägen.

Geplante Revision des Energiegesetzes für Fördermassnahmen ab 2023
Dossier: Revision StromVG und Revision EnG (ab 2017)

Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse fasste im Juni 2020 die Parolen zu den Abstimmungsvorlagen vom 27. September. Wie der Verband in einer Medienmitteilung festhielt, sagte er Nein zur Begrenzungsinitiative und Ja zur Beschaffung neuer Kampfflugzeuge. Zum Referendum über die steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten beschloss er Stimmfreigabe. Keine Parolen fasste er zum Vaterschaftsurlaub und zum Jagdgesetz. Bereits Ende 2019 hatte sich der Verband gegen die Begrenzungsinitiative positioniert, die Abstimmungen im Frühling 2020 wurden dann aber aufgrund der Corona-Pandemie auf September verschoben.
Die Begrenzungsinitiative stelle für den Wirtschaftsstandort Schweiz ein Experiment dar und gefährde den Wohlstand, hielt Economiesuisse in ihrer Medienmitteilung fest. Die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge sei nötig, da die aktuelle Flotte in die Jahre gekommen sei und der Luftraum auch zukünftig ausreichend geschützt werden müsse. Zudem betonte der Verband die Rolle der Luftwaffe als Bestandteil des Sicherheitsverbunds, von welchem auch Unternehmen und deren Mitarbeitende profitieren würden.
Die Stimmfreigabe zum Referendum betreffend die Kinderdrittbetreuungskosten begründete Economiesuisse mit der vorwiegend gesellschaftspolitischen und mangelnden volkswirtschaftlichen Relevanz des Kinderabzugs. Sie betonte jedoch auch, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Vorlage aus Sicht der Wirtschaft zu wenig ausgewogen sei.

Economiesuisse fasste im Juni die Parolen zu den Abstimmungsvorlagen vom 27. September 2020

Auch nachdem das Parlament in der Sommersession 2020 den Bundesrat damit beauftragt hatte, einen Gesetzesentwurf zur Regelung der Geschäftsmieten während der behördlich verordneten Schliessung zu präsentieren, ging die ausserparlamentarische Debatte zu den Geschäftsmieten weiter.
In den Medien stand zum einen Swiss Life im Zentrum, deren Chef sich bereits im Mai gegen den «Zwangsmieterlass» (Tages-Anzeiger) gestellt hatte und verlauten liess, dass eine solche Regelung die Immobilienbesitzerin CHF 10 Mio. kosten würde. Im Juni stand Swiss Life aufgrund eines Berichts in der Sonntagszeitung erneut in den Schlagzeilen, da die Immobilienverwaltungsgesellschaft Livit und Tochter von Swiss Life ihr Entgegenkommen in der Mietzinsfrage an Bedingungen geknüpft habe; gemäss einem dem Wochenblatt vorliegenden Schreiben an eine Vertragsverlängerung von fünf Jahren. Auf Anfrage wollte Swiss Life nicht für andere Liegenschaftsbesitzende sprechen und betonte, dass man selber Kleinstbetrieben auf Gesuch hin bedingungslosen Mietzinserlass gewähre. Im selben Artikel kam auch die Geschäftsleiterin des Zürcher Mieterinnen- und Mieterverbandes zu Wort, die bei der Vermieterseite zum Teil Verzögerungstaktiken feststellte.
Ein vom Hauseigentümerverband in Auftrag gegebenes und unter anderem von alt Bundesrichter Peter Karlen (svp) verfasstes Rechtsgutachten folgerte im August 2020, dass der Bund eine verfassungsmässige Kompetenz für einen entsprechenden Eingriff habe, und zwar in erster Linie basierend auf Art. 118 Abs. 2 BV (Schutz der Gesundheit). Die inhaltliche Ausgestaltung des Gesetzes sei gemäss Gutachten indes verfassungswidrig: Die geplanten Eingriffe in die Eigentumsgarantie seien unverhältnismässig und der Aufteilungsschlüssel von 60 zu 40 sei willkürlich und verletze das Gebot der Rechtsgleichheit; ebenso der Umstand, dass nur von der behördlichen Schliessung betroffene Geschäftsbetriebe unterstützt werden sollen, wenn die Inhaberinnen und Inhaber in den Geschäftsräumen zur Miete sind, nicht aber, wenn sich diese in ihrem Eigentum befinden.
Ende Oktober liess Gastrosuisse auf Anfrage der Sonntagzeitung verlauten, dass es bei der Mehrheit der Mietverhältnisse bis zum gegebenen Zeitpunkt nicht zu angemessenen Lösungen in der Frage gekommen sei. Präsident Casimir Platzer drohte mit dem Rechtsweg, falls die Vorlage zu den Geschäftsmieten im Parlament scheitern sollte. Unterdessen hatte die vorberatende RK-NR die Vorlage tatsächlich mehrheitlich abgelehnt, gemäss Sonntagszeitung insbesondere, weil Vertretende der CVP ihre Meinung geändert hätten. Keinen Meinungsumschwung vollzogen hatte gemäss eigenen Aussagen Fabio Regazzi (cvp, TI), obwohl er im Begriff war, das Amt des Gewerbeverbandspräsidenten zu übernehmen. Der SGV hatte sich in der Vernehmlassung klar gegen eine eidgenössische Regelung zu den Geschäftsmieten ausgesprochen.

Ausserparlamentarische Debatten zur Reduktion von Geschäftsmieten
Dossier: Diskussionen um Erlass von Geschäftsmieten während des Lockdown

Die Grenzschliessungen, welche im Frühling zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beschlossen wurden, trafen auch die Produktionskapazität der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie. Der Branchenverband Swissmem forderte eine Lockerung der Einreisebestimmungen, da wichtige Reparatur- und Unterhaltsarbeiten in den Produktionsstätten der Industrie oft von Fachspezialisten aus dem Ausland vorgenommen würden. Damit die Industrie wieder «den Weg zurück in die Normalität» finden und Arbeitsplätze erhalten werden können, so teilte der Verband im April 2020 mit, müssten die für die Branche wichtigen Fachkräfte wieder ungehindert ein- und ausreisen können. Zudem forderte der Verband eine Abschaffung der Industriezölle, wie sie im Parlament gerade behandelt werden, die der Industriebranche nach dessen Angaben eine finanzielle Entlastung von CHF 125 Mio. bringen würde.
Den Anliegen schloss sich der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse an: Dieser stellte im Mai ein Acht-Punkte-Programm zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie vor. Neben der Forderung, Industriezölle abzuschaffen, pochte der Verband etwa auf die finanzielle Förderung der wirtschaftlichen Innovation und auf mehr unternehmerischen Freiraum durch den Abbau von Regulierungen. Auch forderte Verbandspräsident Heinz Karrer in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger, die Schweiz müsse «offen bleiben», was sich einerseits auf die Grenzschliessungen, aber auch auf die kommende Abstimmungen über die Begrenzungsinitiative bezog.

Forderungen der Industrie- und Wirtschaftsverbände (Corona-Pandemie)

Im Mai 2020 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zum Bundesgesetz über elektronische Verfahren im Steuerbereich, mit dem er die rechtliche Grundlage für die Weiterentwicklung der Digitalisierung von Verfahren schaffen wollte. Damit sollen das Ziel der ESTV, zukünftig alle Daten elektronisch zu erhalten und zu verschicken, sowie die Motion Schmid (fdp, GR; Mo. 17.3371) erfüllt werden. Die Vorlage sah daher vor, die vollständig elektronische Einreichung der Steuererklärung zu ermöglichen, die Authentizität und Integrität der übermittelten Daten sicherzustellen sowie eine elektronische Bestätigung der Daten anstelle einer Unterzeichnung zu realisieren. Geplant war diese Änderung für Einkommens-, Vermögens-, Gewinn- und Kapitalsteuern, für den Antrag auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer von natürlichen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz sowie für die Wehrpflichtersatzabgabe – auch weiterhin sollte jedoch eine analoge Eingabe der Steuererklärung möglich bleiben. Bei Steuern, die in der Zuständigkeit des Bundes liegen, sowie beim internationalen Informationsaustausch sollten die Betroffenen hingegen zu einem elektronischen Verfahren verpflichtet werden können. Bereits heute sei eine elektronische Einreichung der Steuererklärung in den meisten Kantonen möglich, dem stehe nur die Unterzeichnungspflicht entgegen, erklärte der Bundesrat. Zukünftig solle dieses Verfahren medienbruchfrei möglich sein.
Darüber hinaus enthielt die Vorlage zwei weitere Änderungen, die zwar gemäss Bundesrat nicht direkt mit dem eigentlichen Anliegen der Vorlage zu tun hatten, aber der Verhältnismässigkeit wegen nicht in einer eigenen Vorlage behandelt würden. So sollten die Versicherungen der ESTV neu die Ausrichtung von Kapitalleistungen und Renten der zweiten Säule melden. Zudem sollten die Durchführungsbestimmungen in Art. 72 STHG, welche die Frist zur Anpassung des kantonalen Rechts an das STHG beinhalteten, vereinheitlicht und vereinfacht werden. Dabei sollte auch die Bestimmung zur Verwendung einheitlicher Formulare für die Steuererklärungen aufgehoben werden, da sie aufgrund von Eigenheiten der Kantone nie vollständig umgesetzt werden konnte.

Von Juni bis Oktober 2019 hatte die Vernehmlassung zum neuen Bundesgesetz über elektronische Verfahren im Steuerbereich stattgefunden. 25 Kantone (ausser NE), 7 Parteien (BDP, CVP, FDP, GLP, SVP, SP, Piratenpartei) und 17 Verbände und Organisationen, darunter der SSV, Economiesuisse, SGV, SGB, FDK oder TreuhandSuisse, hatten sich daran beteiligt. Sie alle stimmten der Vorlage grundsätzlich zu, stellten aber teilweise noch weitergehende Forderungen. Die Kantone, die FDK und die SSK forderten, die Bestimmung über einheitliche Formulare, wie vom Bundesrat vorgeschlagen, aufzuheben, während Economiesuisse, BDO, EXPERTsuisse und swissICT diese Pflicht beibehalten wollten. Drei Parteien (CVP, FDP, SVP) und sechs Organisationen (economiesuisse, EITSwiss, SGV, SSV, Städtische Steuerkonferenz, TreuhandSwiss) wollten dem Bundesrat nicht die Möglichkeit geben, den Steuerzahlenden bei Steuern in seiner Zuständigkeit elektronische Verfahren vorzuschreiben. In der Folge nahm der Bundesrat eine Änderung vor: So vereinheitlichte er die Übernahmefrist für Änderungen im STHG. Hingegen beliess er es bei der geplanten Streichung der Bestimmung über die einheitlichen Formulare.

Elektronische Verfahren im Steuerbereich (BRG 20.051)

Nachdem sich die beiden Parlamentskammern in der ausserordentlichen Session zur Bewältigung der Coronakrise in Bezug auf den Mieterlass für betroffene Betriebe nicht hatten einigen können, startete die WAK-NR im Nachgang der Session einen erneuten Versuch zum Erlass von Geschäftsmieten. Die neue, von ihr mit 13 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen verabschiedete Motion beinhaltete folgende Eckwerte: Restaurantbetriebe und andere, in demselben Punkt der Verordnung genannte Betriebe, die aufgrund der ausserordentlichen Lage ihre Tore schliessen mussten, sollen während der Zeit der behördlich verordneten Schliessung 40 Prozent des Mietzinses aufbringen müssen, während die verbleibenden 60 Prozent zu Lasten der Vermieterinnen und Vermieter ginge. Für Unternehmen, die ihren Betrieb aus demselben Grund reduzieren mussten, gilt dasselbe, jedoch maximal für zwei Monate. Während der Ständerat mit der abgeänderten Motion der WAK-NR das Anrecht auf Mietzinsreduktion (im Umfang von max. CHF 5'000) auf monatliche Bruttomieten von bis zu CHF 8'000 beschränken wollte, sah die WAK-NR ihre Mietzinsreduktion für Bruttomieten bis zu CHF 20'000 vor, wobei beide Parteien im Falle von Bruttomieten ab CHF 15'000 die Möglichkeit hätten, von der Regelung abzusehen. Auch die neue Motion sieht die Schaffung eines Härtefallfonds für die Vermieterschaft vor. Wie auch der Hauseigentümerverband lehnte eine bürgerliche Kommissionsminderheit die Motion ab, da diese einen Eingriff in privatrechtliche Verhältnisse darstelle und die Eigentumsgarantie verletze. Ferner befürchtete die Minderheit Rechtsunsicherheit und Abgrenzungsprobleme im Falle von Unternehmen, die nicht von einer Schliessung betroffen seien, die aber eine Betriebsreduktion geltend machten, da sie in letztem Fall ebenfalls Anrecht auf eine Mietzinsreduktion hätten.
Die in der Folgewoche zum Geschäft tagende WAK-SR zeigte sich nach wie vor mehrheitlich an einer raschen Lösung interessiert. Mit 8 zu 4 Stimmen (keine Enthaltungen) stellte sie sich hinter die Forderungen der neuen Motion der WAK-NR, «obwohl diese nicht in allen Punkten perfekt» sei. Gleichzeitig beschloss sie die Lancierung einer eigenen, mit dem Anliegen der WAK-NR identischen Motion (Mo. 20.3460), um die Umsetzung voranzutreiben, indem beide Räte in der Sommersession über das Anliegen befinden könnten und der Bundesrat so im Falle der Annahme so rasch als möglich mit der Umsetzung betraut werden könnte.

Neuer Anlauf betreffend Erlass von Geschäftsmieten
Dossier: Diskussionen um Erlass von Geschäftsmieten während des Lockdown

Nachdem der Bundesrat in seiner Mitteilung vom 8. April 2020 bekanntgegeben hatte, keine entsprechenden Massnahmen treffen zu wollen, beabsichtigten sowohl die WAK-NR als auch die WAK-SR, gewissen Betrieben, die ihre Tätigkeit Corona-bedingt einstellen oder einschränken mussten, die Geschäftsmieten teilweise oder ganz zu erlassen. Im Vorfeld der ausserordentlichen Session zur Bewältigung der Corona-Krise reichte sowohl die WAK-NR (Mo. 20.3142) als auch die WAK-SR (Mo. 20.3161) eine entsprechende Motion ein. Während der Vorstoss der nationalrätlichen Kommission Betreibenden von Restaurants und ähnlichen Betrieben für die Zeit der behördlichen Schliessung 70 Prozent des Mietzinses erlassen sowie einen Härtefallfonds für Vermieterinnen und Vermieter in Prüfung geben wollte, forderte die ständerätliche Kommission einen vollständigen Mietzinserlass für betroffene Kleinunternehmen und Selbständige mit einem Bruttomietzins unter CHF 5'000 pro Monat, sofern diese aufgrund der Beschlüsse zur Bekämpfung des Coronaviruses ihren Betrieb schliessen oder reduzieren mussten, sowie für Betriebe, deren Umsatz im Vergleich zum Vorjahr aufgrund von Covid-19 um mehr als 50 Prozent zurückging. Wo der Mietzins CHF 5'000 übersteigt, sollte ein Anreizsystem dazu beitragen, dass sich die Mieter- und Vermieterseite auf einen Mieterlass im Umfang von zwei Dritteln einigen. In diesem Fall wäre der Bund verpflichtet, ergänzend einen Drittel der Bruttomiete bis maximal CHF 3'000 pro Monat beizusteuern, womit ein letzter Drittel zu Lasten der Vermieterinnen und Vermieter ginge. Die Finanzkommission beantragte für die Beteiligung des Bundes einen Nachtragskredit in der Höhe von CHF 50 Mio. Diese Lösung käme jedoch nur Betrieben zu Gute, die keine anderen Hilfeleistungen – etwa in Form von Corona-Krediten – in Anspruch genommen hätten.

Der Bundesrat stand beiden Anliegen ablehnend gegenüber, wobei er in seinen Antworten die in seiner Mitteilung von Anfang April vorgebrachten Gründe wiederholte: Er stelle sich grundsätzlich gegen Pauschallösungen sowie gegen einen notrechtlichen Eingriff in Vertragsbeziehungen zwischen Privaten und er habe die Mieter- und Vermieterschaft dazu aufgerufen, individuelle Lösungen zu finden. Ferner habe er die Verwaltung beauftragt, bis im Herbst 2020 ein Monitoring zur Situation bei den Geschäftsmieten zu erstellen, auf dessen Basis bei Notwendigkeit weitere Massnahmen beschlossen werden könnten. Betreffend das von der WAK-SR vorgeschlagene Anreizsystem äusserte die Regierung ferner Skepsis bezüglich dessen Umsetzbarkeit und ortete Missbrauchspotential. Falls Parteien, die bereits eine Vereinbarung getroffen hätten, dennoch vom Anreizsystem oder einem weiteren Mietzinserlass profitieren würden, wäre der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt. Bezüglich des von der WAK-NR vorgeschlagenen Härtefallfonds hielt der Bundesrat fest, dass dies seiner Strategie widerspreche, grundsätzlich auf Liquiditätshilfen für beide Parteien zu setzen, wobei er auf die bestehende Solidarbürgschaftsverordnung und die damit einhergehende Möglichkeit der Aufnahme zinsfreier Darlehen, u.a. zur Überbrückung von Engpässen bei Fixkosten, verwies.

Die betroffenen Verbände beurteilten die Vorstösse unterschiedlich. Der Verband Immobilien Schweiz (VIS) zeigte sich gar verantwortlich für die Fassung des Ständerates; er wolle hiermit Rechtssicherheit schaffen und Kleinunternehmen vor dem Konkurs bewahren. Während der Mieterverband beide Vorstösse unterstützte, äusserte sich der Hauseigentümerverband kritisch, insbesondere auch gegenüber dem über den Vorschlag des VIS hinausgehenden Passus, dass sämtliche Betriebe davon profitieren dürften, sofern deren Umsatz aufgrund des Coronaviruses im Vergleich zum Vorjahr um mindestens die Hälfte eingebrochen sei. In einem gemeinsamen Schreiben zu Handen des Parlaments plädierten ferner 15 der grössten Gastronomieunternehmen für einen weiteren Vorschlag, gemäss welchem die geschuldeten Mietzinse zwischen März 2020 und Februar 2021 dem Umsatz anzupassen seien. Sie erachteten die Beschränkung der Mietzinsreduktion auf die Dauer der Zwangsschliessung als zu wenig weit gehend, da die Betriebe auch mittelfristig noch finanziell zu kämpfen hätten. Eine breite Front aus betroffenen Betrieben sprachen der Motion der WAK-NR ihre Unterstützung aus.

In der ausserordentlichen Session zur Bewältigung der Corona-Krise unterstützte jeweils eine Mehrheit im National- sowie im Ständerat die Motion der jeweiligen Kommission. Dabei stellte sich die kleine Kammer mit 24 zu 19 Stimmen (keine Enthaltungen) hinter die Motion der WAK-SR. Im Nationalrat stiess die Motion der WAK-NR mit 103 zu 77 Stimmen (15 Enthaltungen) gegen den Willen einer aus SVP-Vertreterinnen und -Vertretern bestehenden Kommissionsminderheit auf Zuspruch. In der Folge zeigte sich hingegen einmal mehr die Gespaltenheit der beiden Kammern in Mietrechtsfragen (vgl. etwa hier zu den gescheiterten Mietrechtsrevisionen): So beschloss die grosse Kammer auf Anraten ihrer Kommission diskussionslos die Ablehnung der vortags vom Ständerat beratenen Motion der WAK-SR, womit dieses Geschäft vom Tisch war. Mit 15 zu 2 Stimmen bei 8 Enthaltungen habe die nationalrätliche Kommission beschlossen, das Geschäft der ständerätlichen Kommission abzulehnen, führte Kommissionssprecherin Badran (sp, ZH) im Plenum aus. Die Kommissionsmehrheit erachte dieses als nicht zielführend, ungerecht und unausgewogen.
Die WAK-SR zeigte sich ihresgleichen unzufrieden mit dem Vorschlag ihrer Schwesterkommission. Ursprünglich hatte sie mit 7 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen ebenfalls deren Ablehnung empfohlen, da sie sich aufgrund der unterschiedlich starken Finanzkraft innerhalb der Mieterschaft gegen eine Pauschallösung für alle Mieterinnen und Mieter aussprach. In Anbetracht der unterdessen abgelehnten hauseigenen Motion und der gegebenen Dringlichkeit sah sich der Ständerat indes während der ausserordentlichen Session zu Kompromissen bereit und beschloss – nach Annahme eines Ordnungsantrages Sommaruga (sp, GE) auf Rückweisung an die Kommission – am Nachmittag desselben Tages eine abgeänderte Version der Motion der WAK-NR. Diese sah vor, die Mietzinsreduktion auf Selbständigerwerbende und Unternehmen zu beschränken, die aufgrund der Covid-19-Verordnung 2 ihren Betrieb reduzieren oder gar einstellen mussten und deren monatliche Bruttomiete CHF 8'000 nicht übersteigt. Diese sollten neu Anrecht auf eine Mietzinsreduktion von monatlich maximal CHF 5'000 über die Dauer von zwei Monaten haben, womit der Ständerat in diesem Punkt auf seine ursprüngliche Fassung zurückkommen wollte. Als nicht umstritten entpuppte sich zudem die Forderung der nationalrätlichen Motion, dass der Bundesrat die Schaffung eines Härtefallfonds für die Vermieterschaft prüfen solle.
Bundesrat Parmelin, der im Rat Stellung zur abgeänderten Motion nahm, begrüsste zwar den Versuch der gezielten Entlastung kleinerer und mittlerer Unternehmen und Selbständiger, die in diesen Zeiten am meisten betroffen seien, hielt davon abgesehen aber an seiner bisherigen Argumentation fest. Die abgeänderte Motion passierte den Ständerat mit 23 zu 19 Stimmen (1 Enthaltung).
Dem Nationalrat lagen zwei Ordnungsanträge Nordmann (sp, VD) und Glättli (gps, ZH) vor, die die grosse Kammer dazu verpflichten wollten, noch in derselben Session über die vom Ständerat abgeänderte Version der Motion der WAK-NR zu beraten. Diese fanden jedoch kaum Zuspruch im bürgerlichen Lager und wurden beide abgelehnt. Somit gelangte das Parlament in einem zentralen Punkt der ausserordentlichen Session bis zu deren Abschluss zu keiner Einigung. Auf der Agenda blieb das Thema dennoch: Vertreterinnen und Vertreter der Kommission versicherten dem Nationalrat vor den Abstimmungen über die Ordnungsanträge, die WAK-NR werde das Geschäft bereits in der kommenden Woche erneut thematisieren.

Als Blamage bezeichnete die NZZ das Versäumnis der beiden Parlamentskammern, bei einem so dringend scheinenden Problem nach der ausserordentlichen Session keine Lösung präsentieren zu können. Die NZZ und die AZ schrieben diesen Umstand in erster Linie der CVP zu, die sich in Bezug auf die Ausgestaltung des Lösungsansatzes speziell gespalten gezeigt habe. Während Daniel Fässler (cvp, AI) als Präsident des VIS die vom Ständerat abgeänderte Motion unterstützt hatte, zeigten sich mit Fabio Regazzi (cvp, TI) und Leo Müller (cvp, LU) nationalrätliche CVP-Vertreter mit Verbindungen zum Gewerbeverband gegenüber den Medien skeptisch.

Kommissionen verlangen Erlass von Geschäftsmieten bei durch Corona bedingter Schliessung oder Einschränkung des Betriebs
Dossier: Diskussionen um Erlass von Geschäftsmieten während des Lockdown

Am 27. März 2020 und somit kurz vor dem vielerorts als offizieller Umzugstermin benutzten Datum des 31. März erliess der Bundesrat die Verordnung über die Abfederung der Auswirkungen des Coronavirus im Miet- und Pachtwesen (Covid-19-Verordnung Miete und Pacht). Darin hält er fest, dass Umzüge unter Einhaltung der Empfehlung des BAG nach wie vor erlaubt seien. Ferner dehnte er die Zahlungsfristen bei Zahlungsrückständen auf Miet- und Pachtzinse, die in Zusammenhang mit der Bekämpfung des Coronavirus stehen und die zwischen dem 13. März und dem 31. Mai 2020 fällig werden, von 30 auf 90 Tage respektive von 60 auf 120 Tage aus. Zuletzt verdoppelte er die Kündigungsfrist von möblierten Zimmern und Einstellplätze von zwei Wochen auf 30 Tage.
Der Hauseigentümerverband zeigte sich überzeugt, dass ein kurz vor Monatsende ausgesprochenes allgemeines Zügelverbot zu einem beträchtlichen Chaos geführt hätte. Gemäss einem Branchenvertreter von Umzugsfirmen hätten zwar einige Umzugsfirmen den Betrieb geschlossen, das Angebot sei aber nach wie vor ausreichend, um Umzüge planmässig stattfinden zu lassen. Die Hygienemassnahmen, namentlich die 2-Meter-Abstandsregel beim Tragen von Möbelstücken, werde man nicht jederzeit einhalten können, aber dies seien Ausnahmen und diese werde man zeitlich beschränken. Dem Mieterverband gingen die Umzugsregelungen zu wenig weit, da ältere und andere gefährdete Personen dadurch nur unzureichend geschützt würden. Als ungenügend bezeichnete er ebenfalls die Regelungen zur Erstreckung der Zahlungsfristen; damit würden die Probleme lediglich verschoben. Unzufrieden zeigte er sich insbesondere auch ob dem Umstand, dass der Bundesrat darauf verzichtet hatte, Mieterlasse für zwangsweise geschlossene Geschäfte zu beschliessen. Stattdessen pochte die Regierung auf einvernehmliche Lösungen zwischen der Mieter- und Vermieterschaft und verwies auf die vom Bund verbürgten Kredite für Corona-geschädigte Betriebe, die zur Deckung von Fixkosten beschlossen worden waren.

Covid-19-Verordnung Miete und Pacht
Dossier: Diskussionen um Erlass von Geschäftsmieten während des Lockdown

Unmittelbar nach der zur Bekämpfung des Coronavirus behördlich verordneten Schliessung von Betrieben, die nicht zur Deckung des täglichen Bedarfs dienen, kam die Frage auf, ob Geschäftsmieten für die Dauer der Schliessung geschuldet seien. Gastrosuisse und andere Branchen- und Mieterorganisationen stellten sich auf den Standpunkt, dass für diese Zeit ein Mangel des Mietobjekts vorliege, da das gemietete Objekt für den vereinbarten Zweck nicht nutzbar sei. Der Hauseigentümerverband und der Verband Immobilien Schweiz erachteten die Aufhebung der Zahlungspflicht als verfehlt, da auch sie weiterhin mit der Liegenschaft in Verbindung stehende Zahlungen zu tätigen hätten. Sie vertraten die Ansicht, dass eine Betriebsschliessung in den Risikobereich der Betreibenden falle. Auf juristischer Seite fanden sich Fürsprecherinnen und Fürsprecher für beide Seiten, wobei aufgrund der noch nie dagewesenen Situation keine Partei auf einen Präzedenzfall Bezug nehmen konnte. Die Kontrahenten zeigten sich jedoch gesprächsbereit. Auch von Seiten der Vermietenden bestand gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten ein Interesse für die längerfristige Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses, weshalb es einen Konkurs der Mieterschaft zu verhindern galt. Der Hauseigentümerverband wusste einige Tage nach der Schliessung von vielen Vermieterinnen und Vermietern, die ihrer Mieterschaft entgegenkommen wollten. Gleichzeitig wies der Verband aber auch darauf hin, dass nicht alle Eigentümer und Eigentümerinnen in der finanziellen Lage seien, auf die Mietausfälle zu verzichten. Eine von Gastro Zürich-City durchgeführte Umfrage zeigte indes ein anderes Bild: Während rund 80 Prozent der Stadtzürcher Gastronomiebetriebe um eine Mietzinsreduktion angefragt hätten, hätte nur gerade die Hälfte von ihnen eine Antwort ihrer Vermieterinnen und Vermieter auf ihr Anliegen erhalten. Diese Antwort wiederum fiel nur in rund einem Drittel positiv aus, womit 13 Prozent aller Bars, Restaurants und Clubs in der Stadt Zürich mit Mietzinsreduktionen rechnen könnten.
Grosse Immobiliengesellschaften, Pensionskassen, Banken und Versicherungen zeigten sich gemäss Aussagen des Verbands der Geschäftsmieter im Gegensatz zu vielen Privatvermietenden wenig kulant. Sie würden sich gesprächsbereit zeigen, wenn ein Nachweis vorliege, dass alle verfügbaren Möglichkeiten wie Kurzarbeit und der Bezug von Notkrediten ausgeschöpft worden seien.

Zur Klärung der offenen Fragen im Mietrecht rief der Bundesrat Ende März die Einsetzung einer Task Force unter Leitung des BWO ins Leben, die Vertreterinnen und Vertreter aus der Verwaltung, der Mieter- und Vermieterorganisationen, der Immobilienwirtschaft sowie von Städten und Kantonen einschloss. Am 8. April verkündete der Bundesrat, dass er nicht in die vertraglichen Beziehungen zwischen Privaten eingreifen wolle und die Vertragsparteien dazu auffordere, «im Dialog konstruktive und pragmatische Lösungen» zu finden. Einen anderen Weg gingen die Kantone Basel-Stadt, Freiburg, Genf, Neuenburg und Waadt: Sie alle beschlossen Regelungen, die während den Frühlingsmonaten jeweils eine Kostenbeteiligung durch den Kanton vorsahen, sofern sich die beiden Parteien auf einen zum Teil vordefinierten Verteilungsschlüssel einigen konnten. Gemäss Zahlen aus Genf hätten im Westschweizer Stadtkanton 90 Prozent der von den Mietenden angefragten Vermieterinnen oder Vermieter dieser Lösung zugestimmt.

Mit der Zeit begannen sich auch einige grössere Immobilienbesitzer kulant zu zeigen. In den Medien fanden etwa der Flughafen Zürich und die Credit Suisse als erste grössere Vermietende Erwähnung in dieser Hinsicht. Nach der Mitteilung des Bundesrates folgten auch die Versicherungen Helvetia und mit der Swiss Life die grösste private Immobilienbesitzerin in der Schweiz. Letztere gab bekannt, dass sie Kleinstbetrieben, die monatlich weniger als CHF 5'000 Miete schulden, nach individueller Absprache Mietzinsreduktionen gewähre. Später beschlossen auch die Migros und die SBB während der Schliessung der Betriebe Mietreduktionen um 50 Prozent respektive erliessen die Miete für den betreffenden Zeitraum komplett. Eine Lösung wie die vom Ständerat vorgeschlagene Variante (vgl. nachfolgend) beschloss auch Swiss Prime Site nach der ausserordentlichen Session.

Im Gegensatz zum Bundesrat befand das Parlament, dass der Bund in dieser Sache Regelungen beschliessen solle, weswegen es die Frage der Geschäftsmieten als zentrales Traktandum auf das Programm der ausserordentlichen Session zur Bekämpfung des Coronavirus setzte. Obwohl sich mit dem Verband Schweizer Immobilien gar ein Teil der Vermieterschaft für einen der beiden Vorstösse zu den Geschäftsmieten verantwortlich zeigte, konnten die beiden Räte in der ausserordentlichen Session in dieser Frage keine Einigung erzielen (Mo. 20.3142; Mo. 20.3161). Im Nachgang zeichnete sich in den Kommissionen jedoch eine Kompromisslösung ab, die eine Aufteilung der Mietkosten im Verhältnis von 40 zu 60 auf die Mieter- und Vermieterschaft vorsieht und die von den Räten in der Sommersession behandelt werden soll.

Kurz vor Beginn der Sommersession publizierte der Schweizerische Verband der Immobilienwirtschaft eine Umfrage zum Stand der Verhandlungen bei Mietzinssenkungen, die 3544 Mietverhältnisse berücksichtigte. In 46 Prozent der Fälle seien Mietzinsreduktionen vereinbart worden, wobei diese in der Regel für die Dauer der Zwangsschliessung gelten und im Schnitt eine Reduktion um 50 Prozent umfassten. Zu Beginn der Sommersession doppelte der Verband Immobilien Schweiz mit einer eigenen Umfrage bei 30 Mitgliederunternehmen, die sich in insgesamt 5'200 Mietverhältnissen befinden, nach. In zwei Drittel aller Fälle hätten die Parteien bereits eine Einigung erzielen können, wobei diese in drei von zehn Fällen aus einer Mietzinsstundung bestand.

Ausserparlamentarische Debatten zur Reduktion von Geschäftsmieten
Dossier: Diskussionen um Erlass von Geschäftsmieten während des Lockdown

Im März 2020 feierte der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse sein 150-jähriges Bestehen. Genau genommen gibt es den Verband in seiner heutigen Form erst seit 2000; dieser entstand damals aus dem Zusammenschluss seines am 12. März 1870 gegründeten Vorgängers «Vorort» (dem schweizerischen Handels- und Industrieverein) und der Gesellschaft zur Förderung der Schweizer Wirtschaft «wf», die ihrerseits seit 1942 Bestand hatte. Der Medienmitteilung, welche die Economiesuisse zum Jubiläum veröffentlichte, war zu entnehmen, dass der Verband mit seinen 150 Jahren der älteste nationale Unternehmerverband der Welt sei. Dieser setze sich laut eigenen Angaben für eine freiheitliche und marktwirtschaftliche Ordnung ein und stehe exemplarisch für die «langfristig gewachsene, auf starken Institutionen beruhende politische Kultur der Schweiz».
Aufgrund der Corona-Pandemie wurde der Jubiläumsanlass von Economiesuisse auf unbestimmte Zeit verschoben. Ebenso musste die in Zusammenarbeit mit dem Archiv für Zeitgeschichte der ETH geplante Jubiläumsausstellung «Handel im Wandel – Vom Vorort zu Economiesuisse (1870–2020)» auf das Jahr 2021 verschoben werden.

150 Jahre Economiesuisse

An der Volksabstimmung vom 9. Februar 2020 musste die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» (Wohnrauminitiative), wie im Vorfeld bereits erwartet worden war, eine Niederlage einstecken. Bei einer Stimmbeteiligung von 41.7 Prozent äusserten sich 42.9 Prozent der Stimmenden positiv zum Volksbegehren. Auf überwiegende Zustimmung stiess die Wohnrauminitiative lediglich in den städtisch geprägten Kantonen Basel-Stadt (60.2%) und Genf (60.1%) sowie in den Westschweizer Kantonen Neuenburg (56.2%), Waadt und Jura (je 53.2%). Am deutlichsten abgelehnt wurde das Volksbegehren in ländlichen Kantonen, allen voran in Appenzell Innerrhoden (24.0%), Obwalden (27.4%), Schwyz (27.6%) und Nidwalden (27.7%). Das Scheitern der Volksinitiative führt dazu, dass der indirekte Gegenvorschlag, welcher eine Aufstockung des Fonds de Roulement, also des Fonds des Bundes zur Vergabe zinsgünstiger Darlehen an gemeinnützige Wohnbauträger, um CHF 250 Mio. über eine Dauer von 10 Jahren vorsieht, in Kraft tritt.
Das Ja in den Städten habe deutlich gemacht, dass das Problem teurer Wohnungen dort gross sei, liess etwa Natalie Imboden, Generalsekretärin des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbandes (SMV), gegenüber den Medien verlauten. Ebenso verwies sie auf einen «masslosen Angriff» der Vermietenden, der aktuell mit mehreren parlamentarischen Initiativen im Parlament stattfinde und der das ungebremste Streben nach Renditen aufzeige (etwa Pa.Iv. 17.491; Pa.Iv. 17.514; Pa.Iv. 17.515). Der SMV kündigte am Tag der Abstimmung ferner an, dass er beabsichtige, sich für eine weitere Erhöhung des Fonds de Roulement einzusetzen; die vom Bund beschlossene Aufstockung an Darlehen für preisgünstige Wohnbauträger würden nicht ausreichen. Eine zweite Initiative zu diesem Anliegen werde es aber in naher Zukunft nicht geben; man konzentriere sich momentan auf die Bekämpfung des Paketes an Vorstössen zur Schwächung des Mietrechts und sei bereit, bei Annahme im Parlament dagegen das Referendum zu ergreifen, bekräftigte Balthasar Glättli (gp, ZH) vom SMV gegenüber den Medien. Auf der anderen Seite interpretierte Hans Egloff (svp, ZH) als Präsident des Hauseigentümerverbandes das Resultat dergestalt, dass regional zugeschnittene Lösungen zielführender seien und dass es andere Massnahmen brauche, da in den Städten die 10-Prozent-Quote bereits erreicht werde. Auch er ortete Handlungsbedarf, wobei er zum einen Subjekt- anstelle von Objekthilfen vorschlug und empfahl zu überprüfen, ob alle Mietparteien in Genossenschaftswohnungen tatsächlich auch Anrecht auf eine solche hätten.


Abstimmung vom 9. Februar 2020

Beteiligung: 41.7%
Ja: 963'740 (42.9%), Stände 16 5/2
Nein: 1'280'331 (57.1%), Stände 4 1/2

Parolen:
- Ja: Grüne, PdA, SP; Berufsverband Soziale Arbeit Schweiz, Caritas, Hausverein, Mieterinnen- und Mieterverband, Schweizerischer Gewerkschaftsbund, Travail Suisse, Wohnbaugenossenschaften Schweiz
- Nein: BDP, CVP, EDU, EVP, FDP, GLP, SVP; Baumeisterverband, Centre patronal, Economiesuisse, Gemeindeverband, Gewerbeverband, Hauseigentümerverband, Verband der Immobilienwirtschaft
- Stimmfreigabe: Städteverband

Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» (BRG 18.035)
Dossier: Gebäudeprogramm; Reduktion des Energieverbrauchs ab 2000

In der ersten Dezemberhälfte 2019 startete der Schweizerische Mieterinnen- und Mieterverband (SMV) den Abstimmungskampf zur eigenen Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» (Wohnrauminitiative) mit einem Angriff auf das zu diesem Zeitpunkt bereits online verfügbare Abstimmungsbüchlein. Darin verwendete Formulierungen würden den Anschein erwecken, dass sich die Mieten nur in städtischen Gebieten und nur bis zum Jahr 2016 verteuert hätten. Ferner bemängelte der SMV, dass auf den monatlich publizierten Mietpreisindex (MPI) des BFS, der für den Zeitraum zwischen 2016 und November 2019 ebenfalls einen Anstieg der Mietpreise verzeichne (+3.5%; +28% seit 2000), nicht eingegangen werde. Stattdessen berief sich der Bund auf die seit 2013 steigende Leerwohnungsziffer sowie auf Erhebungen von diversen privaten Immobilienfirmen, die seit 2016 von einem rückläufigen oder stagnierenden Trend bei den Mietzinsentwicklungen für neu gebaute oder nach der Renovation wieder vermietete Wohnungen ausgingen. Die Bundeskanzlei verteidigte den Entscheid damit, dass das Anliegen der Volksinitiative in erster Linie auf letztgenannte Mietwohnungen abziele, weswegen die eigene Statistik zu den Bestandesmieten, also zu Mietzinsen für zum Erhebungszeitpunkt vermietete Wohnungen, weniger relevant sei.

Auch wenn diese vom Sonntags-Blick und Le Matin Dimanche portierte Geschichte keine grössere Debatte provozierte, drehte sich schliesslich doch der ganze Abstimmungskampf, der erst einen Monat vor der Abstimmung etwas an Fahrt aufnahm, um die Frage, wie stark die Mieten in der Schweiz denn nun tatsächlich angestiegen seien, sowie um andere faktenbasierte Fragen. Dazu trug eine in der ersten Januarhälfte 2020 herausgegebene Studie des Verbands der Immobilienwirtschaft (SVIT) bei, die sich auf den Iazi Netto Rent Index stützt, der «eigenschaftsbereinigte Bestandesmieten» misst, also etwa für die Lage und die Wohnungsgrösse der Mietobjekte korrigiert. Diese kam im Gegensatz zum MPI zum Schluss, dass die Bestandesmieten in den letzten Jahren aufgrund der Entwicklung des Referenzzinssatzes im Vergleich zum Jahr 2000 deutlich gesunken seien und keine generelle Mietzinssteigerung dingfest gemacht werden könne. Insgesamt sei der Ausgabenanteil für die Miete des Hauptwohnsitzes, inklusive Nebenkosten und Energie, unter Berücksichtigung des steigenden Bruttoeinkommens seit 2000 von 19.7 auf 18.5 Prozent gesunken. Ferner zirkulierte eine vom Immobilien-Beratungsunternehmen Wüest Partner im Jahr 2019 durchgeführte und kurz vor der Abstimmung erneut portierte Studie zu Angebotsmieten, in der über eine Million publizierte Mietwohnungsinserate analysiert wurden. Die Autorenschaft, die bezahlbaren Wohnraum anhand einer Schwelle für die monatlichen Mietzinsausgaben für Einzelhaushalte (CHF 1'000), Paarhaushalte (CHF 1'500) und Familien (CHF 2'000) definierte, schlussfolgerte, dass zum gegebenen Zeitpunkt 40 Prozent aller Mietwohnungen auf dem Wohnungsmarkt erschwinglich seien. Auf der anderen Seite rechnete der Sonntags-Blick, der sich recht häufig zu der Abstimmungsvorlage äusserte, in einem mehrseitigen Bericht vor, dass der Anteil Mietwohnungen im Besitz von Unternehmen zuungunsten der Privaten von 29 Prozent im Jahr 2000 auf zum gegebenen Zeitpunkt 40 Prozent zugenommen habe. Gleichzeitig verwies er auf die kürzlich erfolgten Massenkündigungen in sich im Besitz von Banken befindenden Miethausblocks in Basel und Zürich, die zu einem Brief der UNO-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Wohnen zuhanden des Bundesrates geführt hatten, in der diese ihre Sorge um die Einhaltung des Menschenrechts auf angemessenes Wohnen ausdrückte.

Ebenfalls zu einem Faktenstreit führte eine vom Hauseigentümerverband (HEV) angeführte Gegenkampagne. In der zweiten Januarhälfte verschickte das gegnerische Komitee des HEV Flyer an drei Millionen Haushalte, denen zu entnehmen war, dass der Bund seit den Neunzigerjahren bei den Wohnbaudarlehen Verluste in der Höhe von CHF 777 Mio. eingefahren habe. Tatsächlich wies das BWO in einem Bericht aus dem Jahr 2018 diese Zahl aus Bürgschaftsverlusten aus. Diese bezog sich jedoch auf Verluste, die unter einem anderen Bürgschaftsvergabe-System entstanden und mit dem heutigen System nichts mehr zu tun hätten, konterten die Befürworterinnen und Befürworter der Initiative und betitelten diese Aktion als gezielte Irreführung. In den Faktenstreit um die Kosten reihte sich zwei Wochen vor der Abstimmung eine weitere Episode ein: Die Wohnbaugenossenschaften Schweiz (WBG), Mitinitianten des Volksanliegens, kritisierten die im Abstimmungsbüchlein aufgeführte Formulierung, dass die Annahme der Initiative aufgrund einer geschätzten Verfünffachung an bisherigen Darlehen CHF 120 Mio. pro Jahr kosten würde. Auch die Gegnerschaft warnte in ihrer Argumentation häufig vor hohen Kosten bei Annahme der Initiative. Hier handle es sich jedoch um rückzahlbare und verzinste Darlehen, an denen der Bund aufgrund der Zinsen sogar verdiene, konterte die WBG. Von Seiten des BWO wurde Ende Januar gegenüber der NZZ bestätigt, dass diese Gelder nach Ablauf der Darlehensfrist wieder hereinkämen, um erneut vergeben werden zu können, dass für die Finanzverwaltung jedoch «alles Geld, das nicht in der Bundeskasse liegt [...], eine Ausgabe» darstelle. Von der in Aussicht gestellten Stimmrechtsbeschwerde sah die WBG schliesslich ab.

Neben den aufgeführten Diskussionen um die Faktentreue rückte die Berichterstattung über die eigentlichen Argumente der Befürworterseite und der Gegnerschaft eher in den Hintergrund. Als Hauptargument führten die Befürwortenden auf, dass die Lohnentwicklung mit der Mietzinsentwicklung nicht mithalten könne, womit die heutigen Mieten das Haushaltsbudget stark belasten würden. Auf ihren Abstimmungsplakaten warben die Initiantinnen und Initianten ferner mit dem Slogan «Spekulanten stoppen!» und bemängelten, dass Besitzerinnen und Besitzer von Immobilien nach immer höheren Renditen streben würden. Die Befürwortenden nahmen auch Bezug auf die aktuelle Klimadebatte und betonten, dass Bewohner und Bewohnerinnen von Genossenschaftswohnungen im Schnitt weniger Wohnfläche benutzen würden als Personen in Eigentums- oder Mietwohnungen. Sollte das revidierte CO2-Gesetz zu Stande kommen, würden ferner vielerorts energetische Sanierungen notwendig werden, so die Befürwortenden weiter. Bei Annahme der Initiative könnten diese dank zusätzlichen Fördergeldern sozialverträglicher umgesetzt werden. Auf der anderen Seite warnte die Gegnerschaft zusammen mit dem Bundesrat vor hohen Kosten und zunehmender Bürokratie und erachtete eine flächendeckende Lösung als nicht bedarfsgerecht. Ferner verwies sie auf die im Rahmen eines indirekten Gegenvorschlags im Vorjahr beschlossene Aufstockung des Fonds de Roulement, womit der Bund für die nächsten zehn Jahre zusätzliche zinsgünstige Darlehen an Wohnbaugenossenschaften vergeben könne; ein Förderinstrument, das sich bewährt habe und ausreichend sei. Nicht zuletzt würde das mit Annahme der Initiative einzuführende Vorkaufsrecht für Kantone und Gemeinde Private benachteiligen.

Das Fög wies in seinem Abstimmungsmonitor sowohl für die Wohnrauminitiative als auch für die zeitgleich stattfindende Volksabstimmung zur Antirassismus-Strafnorm eine lediglich durchschnittliche Beachtung durch die Medien aus. In Bezug auf die Tonalität zeigt die Studie ein für Volksbegehren eher ungewöhnliches Muster: Zuspruch und Ablehnung hielten sich bei der Wohnrauminitiative in etwa die Waage, wozu auch die Berichterstattung über die Kritik an den Informationen im Bundesbüchlein beigetragen habe. Extrem unausgewogen fiel indes die Kampagnenaktivität in Printmedien aus, wie die APS-Inserateanalyse zeigte: Hier gingen über 95 Prozent aller Inserate auf das Konto der bürgerlichen Gegnerschaft.

Die beiden Trendumfragen von Tamedia und der SRG sahen in der ersten, Ende Dezember 2019 durchgeführten Umfragewelle noch eine klare Mehrheit im Ja-Lager. Der Trend entwickelte sich insgesamt anhand eines für Volksbegehren typischen Musters: Bereits in der zweiten Umfragewelle von Mitte Januar war ein abnehmender Ja-Anteil zu beobachten. Nach der dritten, Ende Januar 2020 durchgeführten Umfragewelle prognostizierten dann beide Umfragen für die Volksabstimmung vom 9. Februar 2020 ein Nein für das Initiativbegehren.

Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» (BRG 18.035)
Dossier: Gebäudeprogramm; Reduktion des Energieverbrauchs ab 2000

Neben Economiesuisse sprachen sich auch mehrere weitere Wirtschaftsverbände zu Jahresbeginn 2019 für das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU aus, wenngleich man noch einigen Klärungsbedarf und einiges Verbesserungspotenzial sah. In der «Weltwoche» verkündete Monika Rühl, Vorsitzende der Geschäftsleitung von Economiesuisse, man befürworte das Abkommen, weil es den Zugang zum EU-Binnenmarkt sichere und die Rechtssicherheit zwischen der Schweiz und der EU verbessere. Bedingungslosen Zuspruch erhielt das Abkommen vom Wirtschaftsdachverband indes nicht: So seien etwa die hohen Schweizer Löhne zu schützen und durch die vorgesehene vereinfachte Niederlassungsmöglichkeit dürfe nicht der Anschein gemacht werden, EU-Bürger hätten Anrecht auf Schweizer Sozialhilfe. Ferner müsse garantiert werden, dass die Schweiz ihr Steuersystem «aufrechterhalten» könne. Diese Punkte, so liess Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer gegenüber den Medien verlauten, gelte es noch präzise abzuklären. Ähnlich äusserten sich auch Swissmem-Präsident Hans Hess, SBVg-Präsident Herbert Scheidt oder SAV-Präsident Valentin Vogt: Es gebe zwar Diskussionsbedarf, doch grundsätzlich sei das Abkommen wichtig und richtig, da es die Prosperität der Schweiz sichere.
Vorerst verhalten gab sich der Schweizerische Gewerbeverband: SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler (fdp, ZH) meinte etwa, der Bundesrat dürfe den Vertrag nicht unterzeichnen und müsse eine bessere Version aushandeln. Im April gab der Verband dann bekannt, man wolle sich zum Vertragstext erst wieder äussern, wenn eine definitive Fassung vorliege. Zudem sei nun die Abstimmung zur Begrenzungsinitiative abzuwarten: Würde diese angenommen, hätte sich das mit dem Abkommen sowieso erübrigt.

Rahmenabkommen Meinungen der Wirtschaftsverbände

In der im Februar 2019 zu Ende gegangenen Vernehmlassung kam die Einführung einer generellen Erlaubnisnorm zur systematischen Verwendung der AHV-Nummer durch Behörden grundsätzlich gut an. Begrüsst wurde die Vereinfachung des Verfahrens zur systematischen Verwendung der AHV-Nummer einerseits in Bezug auf die Effizienz der Verwaltungsabläufe sowie andererseits im Hinblick auf die Weiterentwicklung der E-Government-Strategie. Einwände äusserten jedoch viele Teilnehmende zum Datenschutz. Während die SP, die Grünen, die Piratenpartei, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände, Privatim, das Centre Patronal und der Hauseigentümerverband Defizite beim Persönlichkeitsschutz befürchteten, waren neun Kantonen und der Konferenz der kantonalen Ausgleichskassen die diesbezüglichen Vorgaben im Gesetz zu detailliert, sodass ihrer Meinung nach die zusätzlichen administrativen Aufgaben die Vereinfachung zunichtemachen könnten. Mehrere Teilnehmende forderten den Bundesrat in diesem Zusammenhang auf, die Erkenntnisse aus dem Postulat 17.3968 für ein Sicherheitskonzept für Personenidentifikatoren in das Gesetzgebungsvorhaben einfliessen zu lassen. Auf Ablehnung bei der grossen Mehrheit der Teilnehmenden stiess hingegen die vorgesehene Verschärfung der Strafbestimmungen; diese sei unverhältnismässig und schaffe Rechtsunsicherheit für die Behörden, kritisierten insbesondere die Kantone.
So war dies denn auch der einzige Punkt, wo der Bundesrat seinen Entwurf nach der Vernehmlassung inhaltlich noch anpasste, indem er auf die Verschärfung der Strafbestimmungen verzichtete. Ende Oktober 2019 verabschiedete er die Botschaft zuhanden des Parlaments.

Systematische Verwendung der AHV-Nummer durch Behörden (BRG 19.057)
Dossier: Systematische Verwendung der AHV-Nummer durch Behörden

Wie der «Blick» berichtete, seien im Oktober 2019 die Räumlichkeiten von Economiesuisse von «Autonomen gestürmt» worden. Die Aktivisten hätten sich Zutritt zum Büro des Wirtschaftsverbandes verschafft und Masken des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan getragen. Hinter der Aktion steckte die linksautonome Gruppierung «Revolutionäre Jugend Bern», die ein Video von der Aktion veröffentlichte. Sie warf Economiesuisse vor, mit «Diktaturen und Terrorregimen» wie der Türkei zusammenzuarbeiten, da sich der Verband für ein Freihandelsabkommen mit dem Land eingesetzt hatte. Der Wirtschaftsverband erstattete aufgrund des Vorfalls Anzeige wegen Hausfriedensbruch und Drohung.

Linksautonome Economiesuisse

Mitte September 2019 veröffentlichte das BAK die Vernehmlassungsergebnisse zur Totalrevision der Verordnung über das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (VISOS). Gesamthaft waren 92 Akteure (Kantone, Parteien, Dachverbände und weitere Organisationen) zur Stellungnahme eingeladen worden, wovon 54 auch antworteten. 26 der insgesamt 80 eingegangenen Antworten waren sogenannte Spontanantworten, d.h. sie stammten von nicht explizit eingeladenen weiteren Organisationen.
Das BAK deutete diese rege Rücklaufquote als ein «grosses Interesse» an der angestrebten Revision, die mehrheitlich auf ein positives Echo stiess. So fand die Revision in ihrer Gesamtheit bei 52 Stellungnahmen Anklang, wobei drei Akteure (die Kantone GE, JU, UR) ihre vollständige Zustimmung und 18 weitere Kantone, die SP, der SSV und 29 weitere Organisationen ihre Zustimmung mit Anpassungsbedarf geltend machten. Besonders hervorgehoben wurde hierbei, dass die Harmonisierungsbestrebungen der VISOS mit den Schwesterverordnungen VBLN und VIVS mehr Rechtssicherheit und eine grössere Legitimität der drei Inventare schaffe und die Objektivität sowie Wissenschaftlichkeit des ISOS durch die Aufnahme der Legaldefinition gesteigert würden. Zudem erhöhe die Festsetzung der Bestimmungen sowohl auf Bundes- als auch auf Kantonsebene die Planungssicherheit und eine Festlegung der Aufnahmekriterien auf Verordnungsstufe stärke das ISOS als raumplanerisches Instrument, was besonders im Bereich der Raumplanung zu mehr Rechts- und Planungssicherheit beitrage. 15 der zustimmenden Organisationen waren von diesen positiven Aspekten derart überzeugt, dass sie gar auf eine möglichst zeitnahe Inkraftsetzung der Revisionsvorlage durch den Bundesrat bestanden.
Dem gegenüber standen 26 Stellungnahmen, die eine Totalrevision in der dargebotenen Form vollständig (Kanton SG, die SVP und der SGV) oder mit Eventualanträgen (Kantone GR, NE, SO und ZG, vier Dachverbände und 15 Organisationen) ablehnten. Der Entwurf nehme die kantonalen Anliegen hinsichtlich der ISOS-Methode zu wenig auf und schaffe neue Hürden für die Interessenabwägung. Des Weiteren seien allgemeine Entwicklungsperspektiven und Ziele der Siedlungsentwicklung nach innen nicht entsprechend gewichtet worden. Zudem sei der Zeitpunkt der Revision äusserst ungünstig gewählt, da mit der Motion Regazzi (cvp, TI; Mo. 17.4308) und den parlamentarischen Initiativen Rutz (svp, ZH; Pa.Iv. 17.525) und Egloff (svp, ZH; Pa.Iv. 17.526) aktuell noch ISOS-relevante Vorstösse im Parlament hängig seien. Entsprechend beantragten 16 Stellungnahmen explizit die Sistierung der Revision, wovon sechs einen partnerschaftlichen Klärungsanstoss hinsichtlich der offenen Fragen von Bund und Kantonen forderten und zehn die parlamentarische Beratung der hängigen Geschäfte abwarten wollten.

Totalrevision der Verordnung über das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (VISOS)