Suche zurücksetzen

Inhalte

Akteure

  • Curafutura – die innovativen Krankenversicherer
  • Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS; -2022)

Prozesse

127 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Jahresrückblick 2023: Verbände

Zu den bedeutsamsten Ereignissen des Jahres 2023 gehörten für viele Verbände die eidgenössischen Wahlen. Wohl am meisten Präsenz hatten dabei Economiesuisse, Arbeitgeber-, Gewerbe- und Bauernverband, die erhebliche Mittel in ihre gemeinsame Wahlkampagne «Perspektive Schweiz» investierten, welche zu einem (land)wirtschaftsfreundlich zusammengesetzten Parlament beitragen sollte. Dabei wurde insbesondere von links-grüner Seite, aber auch in Medienkommentaren und von vereinzelten Bürgerlichen darauf verwiesen, dass der SBV und die grossen Wirtschaftsverbände namentlich in den Themen Freihandel und Subventionen grundlegend andere Interessen hätten, die mit der Zusammenarbeit nur notdürftig zugedeckt und früher oder später aufbrechen würden. In den Medien wurde denn auch unterschiedlich eingeschätzt, inwieweit der Rechtsruck im Nationalrat tatsächlich im Sinn der grossen Wirtschaftsverbände sei, da er vor allem durch Gewinne der SVP zustandekam, die in europa- und migrationspolitischer Hinsicht oft andere Positionen vertritt als etwa Economiesuisse. Einig war sich die Presse indessen, dass der Bauernverband gestärkt aus den Wahlen hervorging. Vor allem im Zusammenhang mit den Wahlen konnte dieser gegenüber den Vorjahren auch seine Medienpräsenz deutlich steigern (siehe Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse).

Mit Vorwürfen sah sich im Wahlkampf der Gewerkschaftsbund (SGB) konfrontiert, weil er den Organisationsaufwand für eine grosse Kaufkraftdemonstration kurz vor den Wahlen nicht als Wahlkampfkosten gemäss der neuen Transparenzgesetzgebung zur Politikfinanzierung deklariert hatte. Der SGB legte sein Budget für die Demonstration daraufhin rasch offen, stellte sich aber auf den Standpunkt, es habe sich nicht um eine Wahlkampfveranstaltung gehandelt. Scharfe Kritik handelte sich sodann die Kampagnenorganisation Campax ein, als sie im Wahlkampf einen Aufkleber verbreitete, auf dem die SVP und die FDP mehr oder weniger explizit als «Nazis» bezeichnet wurden. Campax änderte das Sujet daraufhin ab, doch der Vorfall führte zu erneuten bürgerlichen Forderungen, die Regeln für politische Kampagnenaktivitäten von staatlich unterstützten NGOs zu verschärfen.

Mehrere Verbände mussten sich im Berichtsjahr mit bedeutenden internen Konflikten auseinandersetzen. Im Schweizer Tierschutz (STS) eskalierten Diskussionen um Spesenabrechnungen und Führungsstil zu einem heftigen Machtkampf zwischen der Präsidentin und einem Teil der übrigen Vorstandsmitglieder. Stärker politisch aufgeladen war ein Machtkampf zwischen konservativen und progressiven Kräften in der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG), in dessen Zug der Vorstand alle Neueintritte bis 2024 sistierte, um einen befürchteten «Putsch» an der Mitgliederversammlung zu verhindern. Auch beim Konsumentenforum entbrannte ein Konflikt mit stark politischer Note, indem ein Vereinsmitglied der Verbandsspitze vorwarf, auf Kosten der Konsumentinnen- und Konsumenten-Interessen eine Kaperung der Organisation, insbesondere durch Wirtschaftsverbände, zu orchestrieren. Beim Hauseigentümerverband (HEV) war dessen Nein-Kampagne zum Klimagesetz Auslöser für interne Auseinandersetzungen und zahlreiche, teilweise prominente Verbandsaustritte. Zu einer Zerreissprobe kam es sodann bei der Frauen-Dachorganisation Alliance F, als deren Spitze sich im März im Parlament zugunsten der BVG-Reform einsetzte. Als Reaktion sistierten die SP Frauen zunächst ihre Verbandsmitgliedschaft und prüften unter anderem den Aufbau einer neuen, linken Frauen-Dachorganisation. Schliesslich entschieden sie jedoch, unter bestimmten Bedingungen vorerst doch bei Alliance F zu bleiben.

Beim Gewerbeverband (SGV) fielen Auseinandersetzungen um die politische Ausrichtung des Verbands derweil mit einem Personalgeschäft zusammen, das dem Verband deutlich mehr mediale Aufmerksamkeit bescherte als in den Vorjahren (siehe Abbildung 2): Als Nachfolger des langjährigen Verbandsdirektors Hans-Ulrich Bigler wurde zunächst Henrique Schneider gewählt, aufgrund einer Plagiatsaffäre wurde Schneiders Wahl jedoch noch vor dessen Amtsantritt widerrufen. So wählte der SGV mit Urs Furrer letztlich einen Verbandsdirektor, von dem die Medien einen moderateren Kurs erwarteten als von Bigler und Schneider. Reibungsloser ging die Neubesetzung von Spitzenposten in einer Reihe anderer Verbände über die Bühne, so beim Arbeitgeberverband, bei der Syna, beim VPOD, beim Versicherungsverband, bei Curafutura, bei der Bankiervereinigung, bei Avenir Suisse und bei Auto Schweiz.

Grössere strukturelle Veränderungen gab es in der Schweizer Verbandslandschaft 2023 kaum. Mit «Cinéconomie» wurde eine neue Allianz von Interessenorganisationen der Filmwirtschaft gegründet. Die Bankiervereinigung konnte die Rückkehr von Raiffeisen in den Verband verzeichnen, wohingegen der Krankenkassenverband Curafutura den Austritt der KPT hinnehmen musste.

Mediale Aufmerksamkeit für eigene inhaltliche Forderungen erzielte der Arbeitgeberverband mit einem Papier zum Fachkräftemangel, in dem er unter anderem längere und flexiblere Arbeitszeiten forderte, was starke Kritik von den Gewerkschaften provozierte. Der Mieterinnen- und Mieterverband forderte in der Diskussion um die steigenden Mieten insbesondere staatliche Mietzinskontrollen gegen missbräuchliche Mieten und deutlich mehr gemeinnützigen Wohnungsbau. Auch verschiedene Gruppierungen der Klimabewegung versuchten, Aufmerksamkeit für ihre Anliegen zu generieren, wobei sie wie in den Vorjahren wiederum zu teilweise umstrittenen Aktionsformen griffen.

Jahresrückblick 2023: Verbände
Dossier: Jahresrückblick 2023

Im Juni 2023 übernahm alt Ständerat Konrad Graber (mitte, LU) das Präsidium des Krankenkassenverbands Curafutura. Er löste Josef Dittli (fdp, UR) ab, der gut fünf Jahre lang an der Spitze des Verbands gestanden hatte.
Graber brachte reichlich Erfahrung in der Gesundheitspolitik mit in sein Amt: Er ist ehemaliger Präsident der ständerätlichen Gesundheitskommission, und von 2001 bis 2017 war er Verwaltungsrat der CSS-Versicherung gewesen; Graber hatte also aus der Nähe miterlebt, wie die CSS 2013 aus Santésuisse austrat und Curafutura mitgründete. Die Medien nahmen Grabers Amtsantritt zum Anlass für Spekulationen, ob das Schisma zwischen den beiden Krankenkassenverbänden in absehbarer Zeit überwunden werden und eine Wiedervereinigung in einem einzigen Verband gelingen könnte. Graber dämpfte jedoch in der Presse diesbezügliche Erwartungen: Er wolle mit Curafutura nun zuerst die Verbandsstrategie überarbeiten und erst danach allfällige strukturelle Konsequenzen daraus prüfen. Er verwies zudem darauf, dass schon im Vorjahr – nach der Übernahme des Santésuisse-Präsidiums durch Martin Landolt (mitte, GL) – Sondierungsgespräche für eine mögliche Fusion stattgefunden hätten, der Anlauf sei aber missglückt. Die Geschäftsmodelle einzelner Versicherer seien sehr unterschiedlich, woraus sich unterschiedliche Interessenlagen in manchen politischen Fragen ergäben. Das Entscheidende sei ohnehin, dass die Zusammenarbeit zwischen Santésuisse und Curafutura gut funktioniere, was derzeit der Fall sei.
Drei Monate nach seinem Amtsantritt nahm Graber in zwei Interviews mit 24heures und der NZZ Stellung zur Entwicklung der Gesundheitskosten und der Prämienbelastung. Dabei verwarf er die aktuellen Rezepte der grossen Parteien oder einzelner Parteiexponentinnen allesamt, weil sie entweder falsch, unrealistisch oder zu wenig konkret seien. Seine Kritik traf nicht nur die Idee der Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (svp, ZH) für eine Abschaffung der obligatorischen Grundversicherung, die FDP-Forderung nach einer Wahlmöglichkeit zwischen Voll- oder Light-Grundversicherung sowie die langjährige SP-Idee einer öffentlichen Einheitskasse, sondern auch die Kostenbremse-Initiative seiner eigenen Partei; letztere sei zu abstrakt. Um tatsächlich konkrete Kostensenkungen zu erzielen, gelte es primär drei bereits aufgegleiste Reformen möglichst rasch unter Dach und Fach zu bringen: erstens die EFAS-Reform, zweitens die Revision der Tardoc-Tarife und drittens die Förderung von Generika gegenüber teureren Originalmedikamenten. Ein gewisses Potenzial zur Kostensenkung räumte Graber auch bei den Krankenversicherungen selbst ein: Zu seiner CSS-Zeit hätten die Verwaltungskosten der Versicherer noch 8 Prozent der gesamten Gesundheitskosten ausgemacht, mittlerweile sei man bei 5 Prozent; dank Digitalisierung und künstlicher Intelligenz liege eine weitere Senkung dieser Quote auf 3–4 Prozent drin.
In der NZZ übte Graber schliesslich harsche Kritik an den Kantonen: Diese dächten bei der Spitalplanung immer noch zu wenig in überkantonalen Regionen. Wenn es mit einer freiwilligen Zusammenarbeit zwischen den Kantonen weiterhin nicht klappe, müsse allenfalls der Bund mit einem «sanften Eingriff in den Föderalismus» intervenieren. Eher unsanft war derweil Grabers Vorschlag für den Fall, dass die Kantone ihren Finanzierungsanteil an den Gesundheitskosten wie schon seit 25 Jahren weiter zulasten der Prämienzahlenden reduzierten: Dann müsse man sich laut Graber «irgendwann» gar die Frage stellen, «ob es nicht besser wäre, wenn die Kantone die Hoheit über das Gesundheitswesen abgeben würden».

Wechsel im Präsidium von Curafutura

Jahresrückblick 2022: Verbände

In der Schweizer Verbandslandschaft kam es im Jahr 2022 zu einigen Veränderungen. So löste sich etwa die Aktion für eine unabhängige Schweiz (AUNS), die mit dem EWR-Nein vor genau 30 Jahren ihren grössten Erfolg gefeiert hatte, auf Betreiben ihres Gründervaters Christoph Blocher auf und schloss sich mit zwei kleineren EU-kritischen Vereinen zur neuen Organisation «Pro Schweiz» zusammen. Angestrebt wird eine verbesserte Referendums- und Initiativfähigkeit, nachdem es um die AUNS zuletzt relativ ruhig geworden war. Mit der Neutralitätsinitiative beschloss «Pro Schweiz» an ihrer Gründungsversammlung denn auch gleich die Lancierung ihres ersten Initiativprojekts.

Auch bei den grossen Wirtschaftsverbänden gab es Neuerungen. Nachdem sich Economiesuisse, der Arbeitgeberverband (SAV) und der Gewerbeverband (SGV) schon 2021 zu einer engeren Zusammenarbeit bekannt hatten, schlossen sie im Sommer 2022 auch mit dem Bauernverband (SBV) eine «strategische Allianz». Die vier Allianzpartner wollen sowohl bei Abstimmungskämpfen als auch im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen 2023 vermehrt «gemeinsam für eine wirtschafts- und agrarfreundliche Politik kämpfen». Der Schritt wurde weitherum als Reaktion darauf gewertet, dass die Wirtschaftsverbände zuletzt zunehmend Schwierigkeiten bekundet hatten, bei Volksabstimmungen Mehrheiten für ihre Positionen zu erhalten. Auch 2022 mussten sie aus ihrer Sicht schmerzhafte Abstimmungsniederlagen einstecken, einerseits mit der Annahme der Initiative für ein Tabakwerbeverbot und des Filmgesetzes, andererseits mit der Ablehnung der Reformen der Stempelsteuer und der Verrechnungssteuer. Dass sie sich hingegen im September mit dem Ja zur AHV-21-Reform an der Urne knapp durchsetzen konnten, wurde teilweise als erste Frucht der neuen Allianz mit dem SBV interpretiert. Der SBV wiederum konnte sich über das deutliche Nein zur Massentierhaltungsinitiative freuen.

Eine besondere Entwicklung nahm im Jahresverlauf das Verhältnis zwischen den Krankenkassenverbänden Curafutura und Santésuisse, das meist angespannt gewesen war, seitdem sich Curafutura 2013 von Santésuisse abgespaltet hatte: Aufgrund zahlreicher inhaltlicher Differenzen, aber offenbar auch persönlicher Animositäten erreichte dieses Verhältnis im Frühling 2022 zunächst einen Tiefpunkt, und Gesundheitspolitikerinnen und -politiker aus dem gesamten politischen Spektrum äusserten erheblichen Unmut über die schwierige Zusammenarbeit mit den tief zerstrittenen Verbänden. Bis im Herbst entspannte sich das Verhältnis indessen deutlich, und beide Verbandsspitzen sprachen gar öffentlich von einer möglichen Wiedervereinigung.

Keine Fusion wird es bis auf Weiteres zwischen dem VPOD und dem Bundespersonalverband (PVB) geben. Nachdem die beiden Gewerkschaften einen solchen Schritt 2022 zunächst erwogen hatten, wurde diese Option vom PVB schliesslich verworfen. Der PVB will stattdessen eine Lösung aushandeln, bei der er als Kollektivmitglied dem VPOD beitreten könnte, womit seine unabhängige Rechtspersönlichkeit gewahrt bliebe und dennoch eine engere Verzahnung der beiden Gewerkschaften erreicht würde.
Die Syna sorgte einerseits mit internen Konflikten für Aufmerksamkeit und andererseits mit einem von ihr und der Unia intensiv geführten Kampf mit dem Baumeisterverband (SBV) um Anpassungen am Landesmantelvertrag im Bauhauptgewerbe. Die Gewerkschaften veranlassten in dessen Rahmen im Herbst eine landesweite Reihe von Arbeitsniederlegungen auf Baustellen.
An der Abstimmungsurne war die Bilanz auch für die Gewerkschaften gemischt: Während sie bei der Erhöhung des Frauenrentenalters im Rahmen der AHV-Reform und beim Medienpaket schmerzhafte Niederlagen einstecken mussten, standen sie bei den Abstimmungen zur Stempel- und zur Verrechnungssteuer sowie zum Filmgesetz auf der Siegerseite.

Schwierig verlief das Jahr für mehrere Organisationen, die in den letzten Jahren im Rahmen der Protestbewegung gegen die Covid-19-Massnahmen des Bundesrats entstanden waren. So wurden die «Freunde der Verfassung» von internen Konflikten und zwei Rücktrittswellen aus dem Vereinsvorstand erschüttert. Auch bei den Freiheitstrychlern entbrannte ein heftiger Konflikt zwischen zwei Führungspersonen, es kam zu Drohungen und Polizeieinsätzen. Der Verein «Mass-voll» wiederum musste gleich zu Beginn des Jahres eine grössere Abspaltung verkraften, als viele Mitglieder einen neuen Verein mit weniger politischer Ausrichtung gründeten. Insgesamt wurde es um diese Organisationen im Vergleich zum Vorjahr deutlich stiller, teils wohl wegen einer gewissen Lähmung durch diese internen Konflikte und teils wegen des Wegfalls der wichtigsten Triebfeder und Zielscheibe ihrer Proteste: Der Bundesrat hatte im Frühling 2022 die meisten Covid-Massnahmen aufgehoben. Dem Versuch eines Teils der Bewegung, unter dem Namen «Aufrecht Schweiz» bei verschiedenen kantonalen und kommunalen Parlaments- und Regierungswahlen politische Ämter zu erringen, war kein Erfolg beschieden. Die «Freunde der Verfassung» und «Mass-voll» konnten sich immerhin über die Ablehnung des Medienpakets im Februar freuen, zu dessen Gegnerinnen und Gegnern sie zählten.

Auch verschiedene Gruppierungen der Klimabewegung vermochten sich und ihre Forderungen nach griffigeren Klimaschutzmassnahmen ins mediale Scheinwerferlicht zu rücken. Um dies zu erreichen und der Dringlichkeit ihrer Anliegen Nachdruck zu verleihen, bedienten sie sich nebst Demonstrationen auch umstrittener und möglicherweise unerlaubter Aktionsformen. Dazu gehörten beispielsweise ein Aufruf zur Militärdienstverweigerung (Waadtländer Sektion von «Klimastreik Schweiz»), die Blockade von Verkehrsachsen («Renovate Switzerland») oder das Luftablassen aus Reifen von Geländewagen («The Tyre Extinguishers»). Kritikerinnen und Kritiker monierten, dass sich solche Gruppierungen radikalisiert hätten und damit den eigenen Anliegen einen Bärendienst erwiesen, weil sie die breite Öffentlichkeit gegen sich aufbrächten und diese mehr über die Aktionsformen als über die inhaltlichen Forderungen der Klimabewegung diskutiere.

Insgesamt waren die Verbände in den Medien etwa gleich oft Thema wie in den beiden Vorjahren. Erhöhte Aufmerksamkeit gab es im Februar für die doppelte Abstimmungsniederlage der Economiesuisse (Kategorie «Industrieverbände»), im Mai für die Bemühungen der Tourismusverbände um die Einstellung ukrainischer Flüchtlinge, im Frühling für die Konflikte bei den Covid-Protestorganisationen und für die F-35-Initiative der GSoA («ausserparteiliche Interessen») und schliesslich im Herbst für die Arbeitsniederlegungen auf den Baustellen und die Lohnforderungen der Gewerkschaften (siehe die APS-Zeitungsanalyse 2022 im Anhang).

Jahresrückblick 2022: Verbände
Dossier: Jahresrückblick 2022

Das Verhältnis zwischen den Krankenkassenverbänden Santésuisse und Curafutura, das im Frühling einen Tiefpunkt erreicht und bei Gesundheitspolitikerinnen und -politikern aus allen Lagern für Unmut gesorgt hatte, schien sich im Herbst 2022 stark gebessert zu haben. So berichtete die NZZ von deutlichen Zeichen der Versöhnung zwischen den beiden Verbänden und verkündete gar schon «das Ende [der] ungesunden Fehde».
Auf inhaltlicher Ebene konnten sich die beiden Verbände in einem alten Streitpunkt einigen, nämlich beim Tarifsystem für ambulante Medizin. Der Kompromiss liegt in einer Kombination der von Santésuisse und den Spitälern bevorzugten Pauschaltarife und dem Einzelleistungstarifsystem Tardoc, das von Curafutura und dem Ärztinnen- und Ärzteverband FMH präferiert worden war.
Über diese konkrete Frage hinaus wurden auch auf atmosphärischer Ebene neue Töne angeschlagen. Auf der einen Seite sagte Martin Landolt (mitte, GL) nach seiner Übernahme des Santésuisse-Präsidiums im Juni, er wolle als Brückenbauer wirken und er spüre «ein grosses Bedürfnis nach Deblockierung» des Verhältnisses zu Curafutura. Wenn es gelinge, in konkreten Projekten wie der Frage des Tarifsystems wieder erfolgreich zusammenzuarbeiten, könne neues Vertrauen wachsen. Eine Wiedervereinigung müsse nicht das Ziel sein, könne aber eine Begleiterscheinung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit sein, «wenn das emotionale und personelle Momentum stimmt». Im November erklärte dann Curafutura-Präsident Josef Dittli (fdp, UR), mittelfristig sei eine Fusion der beiden Verbände anzustreben – eine Perspektive, welche Curafutura wenige Monate davor noch abgelehnt hatte. Kurzfristig schloss Dittli eine Fusion zwar aus, er habe aber schon erste Gespräche mit dem Santésuisse-Präsidenten Martin Landolt dazu geführt.

Verhältnis zwischen den Krankenkassenverbänden Santésuisse und Curafutura

Im Oktober 2022 wurde unter dem Namen «Pro Schweiz» eine neue nationalkonservative und EU-skeptische Gruppierung aus der Taufe gehoben. Sie ist das Produkt einer Dreierfusion aus der «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz» (Auns), dem «Komitee Nein zum schleichenden EU-Beitritt (EU-No)» und der «Unternehmer-Vereinigung gegen den EU-Beitritt». Bereits im Frühling hatten die drei Organisationen je separat der Fusion – und damit ihrer Auflösung – zugestimmt.

Zum Gründungspräsidenten von Pro Schweiz wurde Stephan Rietiker (ZG, svp) gewählt, mit 15 Gegenstimmen bei 450 Anwesenden – die einzige Abstimmung an der Gründungsversammlung, die nicht einstimmig ausfiel, wie die NZZ festhielt. Für Rietiker ist das Pro-Schweiz-Präsidium das erste politische Amt: Bisher habe ihm für ein regelmässiges politisches Engagement wegen beruflicher Verpflichtungen die Zeit gefehlt, wie er der AZ erklärte. Nun plane er einen Tag pro Woche für Pro Schweiz einzusetzen, entlöhnt werde sein Präsidium nicht. Der 65-jährige US-schweizerische Doppelbürger ist Medtech-Unternehmer, Arzt, Oberst im Generalstab und ehemaliger kurzzeitiger Präsident des Fussballklubs Grasshoppers. Zu Rietikers parteipolitischem Werdegang wusste die NZZ zu berichten, dass dieser in seinen jungen Jahren die NZZ abbestellte, weil sie ihm «zu links» war, und der Autopartei beitrat. Später sei er FDP-Mitglied, dann parteilos und wieder FDP-Mitglied gewesen, bevor er vor zwanzig Jahren zur SVP wechselte. Ein gewisses politisches Engagement entwickelte Rietiker als Kritiker der behördlichen Covid-19-Politik, im Herbst 2021 kam er zu Medienauftritten im Abstimmungskampf gegen die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes. Im Zusammenhang mit diesem Engagement wurde gemäss NZZ Christoph Blocher (ZH, svp), der als graue Eminenz von Pro Schweiz gilt, auf Rietiker aufmerksam und fragte ihn schliesslich für das Pro-Schweiz-Präsidium an.
Mehr politische Erfahrung brachte der Vizepräsident von Pro Schweiz mit: Nationalrat Walter Wobmann (SO, svp) ist insbesondere als Vater der Initiativen für ein Minarettverbot und für ein Verhüllungsverbot bekannt. Wie Wobmann sind auch die meisten weiteren Mitglieder des 13-köpfigen Gründungsvorstands daneben in der SVP aktiv, so unter anderem die Nationalratsmitglieder Piero Marchesi (TI), Pierre-André Page (FR) und Therese Schläpfer (ZH) sowie die alt Nationalräte Adrian Amstutz (BE), Christoph Mörgeli (ZH) und Ulrich Schlüer (ZH). Geschäftsführer wurde Werner Gartenmann, der dieselbe Funktion schon bei der Auns ausgeübt hatte. Angesichts des doch stark parteipolitisch geprägten Vorstands äusserten einige Medien in ihren Kommentaren Zweifel, ob das von Rietiker formulierte Ziel, Pro Schweiz wieder über die SVP hinaus im bürgerlichen Lager abzustützen – wie die Auns in deren Anfangszeiten –, realistisch sei. Auch die angestrebte Verjüngung der Mitgliederbasis fand im Gründungsvorstand – und gemäss Medienberichten auch in der Teilnehmerschaft der Gründungsversammlung – noch keinen Niederschlag. Nicht im Gründungsvorstand sassen Lukas Reimann (SG, svp) und Roger Köppel (ZH, svp), die bisherigen Präsidenten der Auns und des Komitees «EU-No».

Stark betont wurde in den Pressekommentaren die Rolle von Christoph Blocher, der bei Pro Schweiz zwar kein Amt übernahm, aber der Haupttreiber hinter der Fusion gewesen war und auch den Gründungsakt der neuen Organisation leitete. Blocher war 1986 selbst Gründungspräsident der Auns gewesen und hatte diese zu ihrem grösstem Erfolg geführt, nämlich zum Sieg in der EWR-Abstimmung 1992. Auch das 2013 gegründete Komitee «EU-No» hatte Blocher früher präsidiert. Die Fusion bezeichnete er als notwendig, um dem konservativen Lager zu mehr Schlagkraft zu verhelfen; Pro Schweiz solle eine direktdemokratische «Kampforganisation» «gegen die Gegner der Schweiz im Innern» werden. Die Auns hingegen habe zuletzt an Kraft eingebüsst und war nach Blochers Einschätzung nicht mehr referendumsfähig. Nichtsdestotrotz war die Auns mit 20'000 zahlenden Mitgliedern und Einnahmen von rund einer Million Franken pro Jahr die mit Abstand grösste Fusionspartnerin. Pro Schweiz zählte bei ihrer Gründung gemäss NZZ 25'000 Mitglieder.

Dafür, dass sich Pro Schweiz inhaltlich wesentlich anders positionieren würde als die Auns, sahen die Medienkommentare keine Anhaltspunkte; die Fusion wurde als primär organisatorische und personelle Neuaufstellung dargestellt. Allerdings habe sich Rietiker über seine Pläne noch nicht stark in die Karten blicken lassen, sondern in seiner Antrittsrede eher allgemein über die Freiheit, die EU, die Zuwanderung, die «Woke-Kultur», die Medien, die Corona-Massnahmen, das «Gutmenschentum», eine «dilettantische Energiepolitik» des Bundes, die «skandalösen» Sanktionen gegen Russland und eine anzustrebende Orientierung an wachsenden Märkten in Asien und Amerika statt der EU gesprochen. Ein konkretes Projekt beschloss Pro Schweiz indessen gleich noch an der Gründungsversammlung – die Lancierung der Neutralitätsinitiative, welche ihrerseits eine Idee Blochers ist.

Ablösung der Auns durch «Pro Schweiz»

Am 15. Oktober 2022 enstand aus der Fusion der «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns)», dem «Komitee Nein zum schleichenden EU-Beitritt (EU-No)» und der «Unternehmer-Vereinigung gegen den EU-Beitritt» ein neuer nationalkonservativer und EU-skeptischer Verein namens «Pro Schweiz». An dessen Gründungsversammlung beschlossen die anwesenden Mitglieder, die von Alt-Bundesrat Christoph Blocher lancierte Neutralitätsinitiative inhaltlich sowie finanziell zu unterstützen. Die Volksinitiative entstand in Reaktion auf die Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland und die neue Auslegung der Neutralitätspolitik. Die Initiative wurde am 19. Oktober lanciert und hat das Ziel, eine «immerwährende» und «bewaffnete» Neutralität in der Verfassung zu verankern. Das Begehren will der Schweiz den Beitritt zu Militär- und Verteidigungsbündnissen und die Beteiligung an militärischen Auseinandersetzungen verbieten. Auch nichtmilitärische Zwangsmassnahmen wie Wirtschaftssanktionen sollen laut Initiative tabu werden. Die einzigen Ausnahmen bilden die Verpflichtungen gegenüber der UNO und Massnahmen zur Verhinderung der Umgehung von Sanktionen von Drittstaaten. Eine weitere Forderung der Initiative beinhaltet, dass die Schweiz ihre Neutralität nutzt, um Konflikte zu verhindern oder aufzulösen, indem sie sich als Vermittlerin einsetzt. Erstaunlicherweise war Christoph Blocher, der die Initiative massgebend vorangetrieben hatte, nicht Teil des Initiativkomitees. Blocher liess verlauten, dass er in seinem Alter keinen Abstimmungskampf mehr führen wolle. Präsidiert wurde das Initiativkomitee von SVP-Nationalrat Walter Wobmann (svp, SO), der in der Rolle des Abstimmungskämpfers schon bei der Minarett- und der Burka-Initiative erfolgreich gewesen war. Die Frist für das Sammeln der nötigen 100'000 Unterschriften läuft bis zum 8. Mai 2024.

Die Initiative stiess bei den Parlamentariern und Parlamentarierinnen anderer Parteien auf wenig Gegenliebe. Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (mitte, VS) sprach sich gegen das Begehren aus, da sich die Schweiz nicht «in jeder Krise hinter der Neutralität verstecken» dürfe. FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (fdp, ZH) erachtete die SVP-Initiative als falschen Weg.

Lancierung der Volksinitiative «Wahrung der schweizerischen Neutralität (Neutralitätsinitative)»

Josef Dittli (fdp, UR) gab im Herbst 2022 bekannt, dass er im Mai 2023 von seinem Amt als Präsident des Krankenkassenverbands Curafutura zurücktreten werde. Er hatte seit Januar 2018 als Präsident von Curafutura geamtet. 2023 wolle er bei den eidgenössischen Wahlen nochmals als Urner Ständerat antreten und sich dann stärker auf das Parlamentsmandat konzentrieren können. Curafutura starte nun die Suche nach einer Nachfolge für ihn, da eine Wiedervereinigung mit dem zweiten grossen Krankenkassenverband Santésuisse gemäss Dittli zwar mittelfristig wünschbar, aber bis im Frühling 2023 ausgeschlossen sei.

Wechsel im Präsidium von Curafutura

Ergänzend zu den Massnahmen des ersten Massnahmenpakets schlug der Bundesrat im September 2022 in seiner Botschaft zum zweiten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen sieben Gesetzesänderungen, erneut basierend auf dem Bericht einer Expertengruppe von 2017, vor. Mit dem Ziel, die Kostenentwicklung in der OKP und der Prämien einzudämmen, sollten etwa Netzwerke zur koordinierten Versorgung als eigene Leistungserbringer definiert werden und die Kriterien für Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW) differenziert geprüft werden können. Zwei Gesetzesänderungen betrafen neue Preismodelle mit Rabatten und Rückerstattungen zwischen den Zulassungsinhaberinnen der Arzneimittel und den Kostenträgerinnen und Behörden sowie die Ausnahme solcher Modelle aus dem Recht auf Zugang zu öffentlichen Dokumenten – üblicherweise verlangen die Zulassungsinhaberinnen Stillschweigen über die tatsächlichen Kosten und Rabatte. Schliesslich sollten auch Referenztarife für ausserkantonale Wahlbehandlungen festgelegt, eine Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsübermittlung geschaffen sowie die Leistungen der Apothekerinnen und Apotheker zulasten der OKP angepasst werden.

Bei der Vernehmlassung, an der sich 328 Stellungnehmende, darunter alle Kantone, die GDK, neun politische Parteien und zahlreiche Verbände oder Organisationen beteiligten, gab es gemäss Botschaft viele kritische Äusserungen, wonach das Paket «zu umfassend, zu wenig ausgereift und (politisch) nicht umsetzbar» sei. Insbesondere die Leistungserbringenden, Gemeinden und Städte sowie Wirtschaftsvertretenden lehnten es ab, Zustimmung fand es hingegen bei den Kantonen, Konsumenten- und Patientenorganisationen, Versicherungen und bei verschiedenen politischen Parteien. Der Bundesrat nahm aufgrund der Rückmeldungen Änderungen an einigen Regelungen vor und strich die Verpflichtung zu einer Erstberatungsstelle – unter anderem in Hinblick auf die Ablehnung der Managed Care-Vorlage von 2012. Zudem sollte ursprünglich das gesamte zweite Massnahmenpaket als indirekter Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative dienen, im Anschluss an die Vernehmlassung entschied sich der Bundesrat jedoch, das anfänglich im zweiten Massnahmenpaket enthaltene Kostenziel separat als indirekter Gegenvorschlag vorzulegen.

Die Aargauer Zeitung zeigte sich von der bundesrätlichen Botschaft wenig begeistert, insbesondere in Anbetracht des grossen von Santésuisse prognostizierten Prämienanstiegs für das Jahr 2023. Das Paket bringe «nichts Neues» und kaum Einsparungen – zudem bestehe die Gefahr, dass das Parlament die Massnahmen zusätzlich abschwäche.

Zweites Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 22.062)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Im Juni 2022 entschied der Bundesrat einmal mehr, die neue Tarifstruktur TARDOC noch nicht zu genehmigen. Zwar seien gegenüber den Vorgängerversionen Verbesserungen erzielt worden, noch immer würden jedoch insbesondere die Anforderungen an die Kostenneutralität und die Wirtschaftlichkeit nicht eingehalten, kritisierte er. Folglich sollten die beteiligten Tarifpartner Curafutura und FMH die Tarifstruktur bis Ende 2023 erneut überarbeiten – bestenfalls in Zusammenarbeit mit zusätzlichen Tarifpartnern – sowie ein langfristiges Monitoring von TARDOC und ein Konzept zur Behebung der Mängel beilegen. Der Bundesrat präzisierte überdies die für eine Genehmigung notwendigen Bedingungen. Die Tarifpartner sprachen in der Folge von einem «unverständliche[n] Entscheid, der die Tarifpartnerschaft nachhaltig schwächt». So erfülle TARDOC die gesetzlichen Genehmigungskriterien und wäre dank Effizienzsteigerungen und der Beseitigung von Fehlanreizen eine Verbesserung gegenüber TARMED. Insbesondere sei die vom Bundesrat im Juni 2021 geforderte Kostenneutralität sichergestellt gewesen, der Bundesrat habe jedoch die entsprechenden Spielregeln in der Zwischenzeit geändert. Zudem kritisierten Curafutura und FMH, dass damit die «Verweigerungshaltung» der nicht an TARDOC beteiligten Akteurinnen und Akteure belohnt werde.
Santésuisse, das Ende 2022 zusammen mit H+ ambulante Pauschalen für eine alternative Tarifstruktur zur Prüfung eingereicht hatte, zeigte sich über diesen ablehnenden Entscheid des Bundesrates erleichtert und forderte alle Tarifpartner auf, ein gemeinsames Modell auszuarbeiten, etwa im Rahmen eines gemeinsamen nationalen Tarifbüros. Die Medien betonten in der Folge einhellig die Relevanz der Ablösung von TARMED. Die aktuell noch verwendete Tarifstruktur, über die Zahlungen in der Höhe von CHF 12 Mrd. jährlich abgerechnet werden, sei veraltet und bilde die tatsächlichen Kosten nicht mehr genügend ab – diese würden folglich je nach Kostenpunkt über- oder unterschätzt.

Tarifstruktur TARDOC
Dossier: Tarifstrukturen im Gesundheitswesen

Im Massnahmenpaket 1a zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen hatten Bundesrat und Parlament entschieden, die Tarifpartner zur Schaffung eines gemeinsamen ambulanten Tarifbüros zu verpflichten. Bereits im März 2021 hatten die Tarifpartner in einem Letter of Intent ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit in diesem Themenbereich festgehalten. Unter Leitung des Berner Regierungsrates Pierre Alain Schnegg (BE, svp) erarbeiteten Arbeitsgruppen bis Juni 2022 in zehn Sitzungen die zur Schaffung der als Aktiengesellschaft geplanten «Orga­nisation für ambulante Arzttarife AG» (OAAT) notwendigen Dokumente. In der Folge sollten diese Dokumente von den beteiligten Verbänden ratifiziert werden, so dass Mitte November 2022 die Gründung erfolgen könnte.
Zu den zu ratifizierenden Dokumenten gehörten neben Statuten und Aktionärsbindungsvertrag auch eine «Zusatzvereinbarung Doppelte Parität», mit der die Verantwortlichen von TARDOC und der ambulanten Pauschalen die «Grundlagen zum Tarif für die Verrechnung ärztlicher Leistungen» durch das jeweils andere Tarifprojekt akzeptierten. Damit sollte der Streit zwischen FMH, Curafutura und der Medizinaltarif-Kommission UVG MTK respektive H+ und Santésuisse bezüglich des zukünftigen Abrechnungssystems für ambulante Leistungen beigelegt werden, wie es auch der Bundesrat und die SGK-NR gefordert hatten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Bundesrat keines der beiden Tarifprojekte bewilligt. Anschliessend machten sich die Arbeitsgruppen an die Ausarbeitung «gemeinsamer übergeordneter Tarifierungsgrundsätze», mit denen das «Zusammenspiel [...] zwischen ambulanten Pauschalen und TARDOC» festgelegt werden sollte, wie FMH erklärte.

Gemeinsames ambulantes Tarifbüro
Dossier: Tarifstrukturen im Gesundheitswesen

Die NZZ berichtete im Frühjahr 2022 von tiefgehenden Konflikten zwischen Santésuisse und Curafutura, die «langsam Züge eines Glaubensstreits» annähmen. Obwohl die beiden Krankenkassen-Dachverbände dieselbe Branche und somit eigentlich dieselben Interessen verträten, lägen sie derzeit bei mehreren zentralen gesundheitspolitischen Fragen über Kreuz. So verfolgten sie erstens bei der Reform des Tarifs für ambulante medizinische Leistungen unterschiedliche Modelle. Zweitens verträten sie unterschiedliche Positionen zur Kostenbremse-Initiative der Mitte-Partei. Drittens werde das bundesrätliche Vorhaben einer «Kostensteuerung», welche bei einem übermässigen Anstieg medizinischer Behandlungen finanzielle Korrekturen zulasten der Ärzteschaft und Spitäler vorsieht, von Santésuisse befürwortet, von Curafutura hingegen bekämpft. Und viertens wolle Curafutura bei Verhandlungen mit Spitälern und Ärzteschaft eher Zugeständnisse machen, während Santésuisse hier eine harte Linie verfolge. Nebst inhaltlichen Differenzen spielten gemäss NZZ aber nicht zuletzt auch persönliche Animositäten eine bedeutende Rolle beim Zerwürfnis: Aus der Zeit, als sich Curafutura 2013 von Santésuisse abspaltete, bestünden immer noch nicht verheilte Wunden.
Bei Gesundheitspolitikerinnen und -politikern aus allen politischen Lagern machte sich ob dieser Streitigkeiten zunehmend Ärger über die beiden Verbände breit. So liess sich etwa der Präsident der nationalrätlichen Gesundheitskommission (SGK-NR), Albert Rösti (svp, BE), mit der Aussage zitieren, es sei eine «Zumutung»: Die Politik könne sich «kein vernünftiges Bild» machen, wenn zwei Verbände, die eigentlich für dieselbe Interessengruppe sprechen, ständig entgegengesetzte Positionen einnähmen. SP-Gesundheitspolitikerin Barbara Gysi (SG) hatte den Eindruck, dass es den beiden Verbänden oft gar nicht mehr nur um inhaltliche Fragen gehe, sondern darum, recht zu behalten. Auch Ruth Humbel (mitte, AG) hatte wenig Verständnis für den Zwist und erachtete die Spaltung in zwei rivalisierende Verbände aus derselben Branche als «grundsätzlich unsinnig».
Ob eine Annäherung oder gar eine Wiedervereinigung zwischen den beiden Dachverbänden in absehbarer Zeit realistisch sei, wurde von den Auskunftspersonen der NZZ unterschiedlich eingeschätzt. Nicht zuletzt die beiden Verbände selbst nahmen auch zu dieser Frage unterschiedliche Positionen ein: Während der Sprecher von Santésuisse sich für eine Wiedervereinigung «grundsätzlich offen» zeigte, lehnte die Curafutura-Sprecherin dies ab.

Verhältnis zwischen den Krankenkassenverbänden Santésuisse und Curafutura

Im Frühling 2022 beschlossen die Mitgliederversammlungen der «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz» (Auns), des «Komitees Nein zum schleichenden EU-Beitritt (EU-No)» und der «Unternehmer-Vereinigung gegen den EU-Beitritt» je separat, sich als eigenständige Organisationen aufzulösen und zu fusionieren. Die fusionierte Organisation sollte voraussichtlich den Namen «PSS – Pro Souveräne Schweiz» erhalten, darüber sollte aber erst an der Gründungsversammlung der neuen Organisation im Oktober 2022 definitiv entschieden werden. Eine Arbeitsgruppe unter Christoph Blocher (svp, ZH) sollte bis dahin auch die Statuten des neuen Vereins vorbereiten.
Die Mitglieder der drei Organisationen folgten mit den Fusionsbeschlüssen ihren jeweiligen Vorständen, die sich im März 2022 in einer gemeinsamen Medienmitteilung zu einem Zusammenschluss bekannt hatten. Mit der Bündelung der Ressourcen könne man «die Schlagkraft der Verteidiger einer unabhängigen und neutralen Schweiz erhöhen». Erklärtes Ziel sei es, eine referendumsfähige Organisation zu erhalten und die nötigen finanziellen Mittel für Abstimmungskämpfe bereitzustellen. Genau diese Fähigkeit, erfolgreich ein Referendum zu ergreifen und einen Abstimmungssieg zu erzielen, sprach Christoph Blocher der heutigen Auns ab. Überhaupt war Christoph Blocher – Gründungspräsident der Auns und Ex-Präsident des Komitees EU-No – gemäss Medienberichten die treibende Kraft hinter dem Zusammenschluss.
Dabei ging der Schritt zumindest beim grössten Fusionspartner, der Auns, nicht ganz ohne Misstöne über die Bühne: Das Vorstandsmitglied Luzi Stamm (svp, AG) wollte an der Versammlung offenbar Kritik an der geplanten Fusion äussern, doch seine «nicht enden wollende Zwischenrede» wurde per Versammlungsbeschluss unterbrochen, wie dem Versammlungsbericht der Auns zu entnehmen war. Selbst der seit 2014 amtierende Präsident der Auns, Nationalrat Lukas Reimann (svp, SG), zeigte sich in seiner Rede an der Versammlung «unsicher» bezüglich der Fusion – sicher sei er aber, «dass Christoph Blocher das Richtige tut». Im Sonntagsblick zog Reimann freilich Blochers Analyse in Zweifel, dass die Auns nicht mehr referendumsfähig gewesen sei: Man habe über mehr als 20'000 zahlende, wenn auch «etwas ältere» Mitglieder sowie über eine Adressdatenbank mit 90'000 Personen verfügt und in den letzten Jahren viermal die Lancierung einer Volksinitiative beschlossen. Dass man schliesslich auf alle vier Initiativen verzichtet habe, habe auch daran gelegen, dass Christoph Blocher jeweils gefunden habe, man müsse sich auf den Kampf gegen das Rahmenabkommen konzentrieren. Mit bloss vier Gegenstimmen entschieden sich letztlich aber auch die Auns-Mitglieder klar für die Fusion. Gegenüber dem Sonntagsblick befand Reimann anschliessend, die Fusion «müsse kein Flop werden, [...] aber jetzt kaufen wir halt schon die Katze im Sack, wenn man nicht recht weiss, was da kommt».

Ablösung der Auns durch «Pro Schweiz»

Die «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz» (Auns) beschloss im August 2021, eine Fusion mit dem «Komitee Nein zum schleichenden EU-Beitritt (EU-No)» zu prüfen. Zwei Wochen davor hatte der Vorstand von «EU-No» einen analogen Beschluss gefasst und bekannt gegeben, «ergebnisoffene» Gespräche mit der Auns aufnehmen zu wollen. Der Beschluss erfolgte auf Vorschlag von Christoph Blocher (svp, ZH), seines Zeichens Gründungspräsident der Auns und ehemaliger Präsident des Komitees «EU-No». Blocher übernahm auch gleich die Leitung der mit den Fusionsabklärungen betrauten Arbeitsgruppe der beiden Organisationen. Kein Teil dieser Arbeitsgruppe war hingegen der seit 2014 amtierende Auns-Präsident Lukas Reimann (svp, SG), der gemäss einem NZZ-Bericht bereits 2020 von Blocher die «Empfehlung» erhalten habe, vom Auns-Präsidium zurückzutreten.
Blocher begründete die Fusionsbestrebungen laut NZZ damit, dass auf der einen Seite das Komitee «EU-No» seinen «Auftrag» erfüllt habe, indem der Bundesrat im Mai 2021 die Verhandlungen für ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU abgebrochen hatte – schliesslich war die Verhinderung eines solchen Abkommens der Hauptzweck des 2013 gegründeten Komitees gewesen. Auf der anderen Seite werde die Auns in ihrer gegenwärtigen Verfassung nicht in der Lage sein, eine Volksabstimmung zu gewinnen, wenn die «Classe Politique» dereinst einen neuen Anlauf für einen «landesverräterischen Vertrag» mit der EU unternehmen werde. Es brauche deshalb eine Bündelung und Wiederbelebung der EU-kritischen Kräfte.

Ablösung der Auns durch «Pro Schweiz»

im Juni 2021 gab der Bundesrat das Ergebnis seiner Prüfung der neuen Tarifstruktur TARDOC bekannt: Diese sei in ihrer aktuellen Form nicht genehmigungsfähig, weil sie «gewichtige materielle Mängel aufweist und eine kostenneutrale Einführung nicht sichergestellt ist». Unerfüllt blieben die Anforderungen im Bereich der Kostenneutralität sowie insbesondere bezüglich Wirtschaftlichkeit und Billigkeit der Tarifstruktur, wie der Bundesrat erklärte. Überdies zeigte er sich aber auch mit der Vereinfachung der Tarifstruktur, ihrer Anpassung an aktuelle Gegebenheiten und ihrer Transparenz nicht zufrieden, insbesondere nachdem er diese Punkte in seinem Prüfbericht von November 2020 bereits hervorgehoben habe. Schliesslich störte sich der Bundesrat daran, dass weder Santésuisse noch der Spitalverband (H+) den Tarifvertrag unterzeichnet hätten. Daher forderte er die Tarifpartner zu einer gemeinsamen Überarbeitung auf.
Die beteiligten Tarifpartner zeigten sich mit diesem Entscheid des Bundesrats nicht einverstanden, in einer Medienmitteilung nannten sie ihn «unverständlich und nicht nachvollziehbar». Die aktuelle Version von TARDOC erfülle die gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien, betonten sie. Gar von einer «Art Todesstoss für die Tarifautonomie» sprach alt-Ständerat Joachim Eder, Präsident des Tarifbüros ats-tms. Schliesslich sei TARMED nicht mehr zeitgemäss, wodurch die medizinischen Leistungen unsachgemäss vergütet würden. Man werde prüfen, «inwieweit die Forderungen nach Anpassungen des TARDOC überhaupt sachgerecht und umsetzbar sind».
Ende Dezember 2021 reichten die betroffenen Tarifpartner eine von ihnen als «finale Version des TARDOC» bezeichnete Überarbeitung zur Genehmigung ein. Man habe dabei wie gefordert die Kostenneutralität verlängert, den Tarif vereinfacht und die Transparenz erhöht, erklärten sie in einer Medienmitteilung. Sie wiesen überdies auf die fehlenden Alternativen bezüglich einer Tarifrevision hin und hofften entsprechend auf eine Inkraftsetzung von TARDOC per 1. Januar 2023.

Tarifstruktur TARDOC
Dossier: Tarifstrukturen im Gesundheitswesen

Zwischen Juni und Oktober 2020 führte der Bundesrat eine Vernehmlassung zur Revision des Mehrwertsteuergesetzes durch. Die Regierung plante unzählige Änderungen des Mehrwertsteuergesetzes in den Bereichen Steuerpflicht, Steuerabrechnung und Steuersicherung. Insbesondere war geplant, die ausländischen Versandhandelsunternehmen neu als Leistungserbringende einzustufen, wodurch sie als Lieferanten die Mehrwertsteuer auf alle verkauften Produkte entrichten müssten. Zudem sollten in der Revision zahlreiche parlamentarischen Vorstösse umgesetzt werden.

Im September 2021 präsentierte die ESTV ihren Vernehmlassungsbericht zu den 97 eingegangenen Stellungnahmen, unter anderem von 24 Kantonen, 5 Parteien (CVP, FDP, GPS, SPS und SVP) und 63 Organisationen wie die Dachverbände der Städte und Gemeinden, Dachverbände der Wirtschaft, FDK und übrige Organisationen aus sehr heterogenen Bereichen wie die Post oder die SBB, das Mehrwertsteuer-Konsultativgremium KG, verschiedene Verbände aus dem Gastro- oder Tourismusbereich, aber beispielsweise auch Amazon Services Europe Sàrl oder Rakuten Europe Sàrl (beide mit Sitz in Luxembourg), Curafutura und Santésuisse, der Schweizerische Pensionskassenverband (ASIP), Greenpeace und WWF oder die Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten. Dabei stiessen die zahlreichen Regelungen auf deutlich unterschiedlichen Anklang. Keiner der Vernehmlassungsteilnehmenden sprach sich gegen die Einführung der Plattformbesteuerung aus, auch wenn durchaus Vorbehalte oder Verbesserungsvorschläge vorgebracht wurden. Auch die Auskunftspflicht für Versandhandels- und Dienstleistungsplattformen oder die Einführung des elektronischen Nachweises für die Ausfuhr im Reiseverkehr wurden trotz Fragen und Alternativvorschlägen grundsätzlich akzeptiert.
Als «begrüsst von fast allen» teilte die ESTV verschiedene andere Regelungen, etwa den reduzierten Steuersatz für Produkte der Monatshygiene, die Steuerausnahme für die aktive Teilnahme an kulturellen Anlässen oder die Steuerausnahme für Leistungen der koordinierten Versorgung ein, die jeweils nur von Economiesuisse und teilweise von SwissHoldings abgelehnt wurden.
Die übrigen Massnahmen stiessen auf mehr oder weniger starke Ablehnungen. Besonders kritisch zeigten sich der Schweizerische Expertenverband für Wirtschaftsprüfung, Steuern und Treuhand (EXPERTsuisse) und das Mehrwertsteuer-Konsultativgremium, die zahlreiche der weiteren Bestimmungen, teilweise zusammen mit anderen Akteuren, ablehnten. Auf besonders breiten Widerstand stiess etwa die Ausweitung der Bezugsteuer bei Business to Business-Leistungen (B2B-Leistungen) ausländischer Unternehmen sowie die Beweiserleichterung für ein Gemeinwesen bei Subventionen.

Revision des Mehrwertsteuergesetzes: Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer in einer digitalisierten und globalisierten Wirtschaft (BRG 21.019)
Dossier: Weiterentwicklung der Mehrwertsteuer in einer globalisierten Wirtschaft – Das Bundesratsgeschäft (BRG 21.019) und der Weg dahin

Jahresrückblick 2020: Verbände

Verschiedene Branchenverbände befürchteten aufgrund der zur Eindämmung des Coronavirus verhängten Massnahmen drastische Folgen für die durch sie vertretenen Wirtschaftssektoren. Entsprechend forderten sie während des Lockdowns und danach bessere Kreditbedingungen oder Ausnahmeregelungen für ihre Branchen: Beispielsweise forderten die Verbände Hotelleriesuisse und Gastrosuisse vom Bundesrat einen Erlass der Covid-19-Kredite und eine rasche Wiedereröffnung der Restaurants und Bars; der Industrieverband Swissmem wollte, dass dringend benötigte Spezialistinnen und Spezialisten die verhängten Einreisesperren umgehen können. Unterstützt wurde die Forderung durch Economiesuisse. Beide Verbände erhofften sich zudem eine Abschaffung der Industriezölle, um Unternehmen finanziell zu entlasten.
Auch eine Forderung der Unia bezüglich des Lockdowns sorgte für Aufsehen. Weil gemäss der Gewerkschaft Arbeitnehmende in Industrie und Gewerbe während des Lockdowns nicht ausreichend geschützt waren – ein Banker könne etwa im Homeoffice arbeiten und dadurch die vom Bund empfohlenen Hygiene- und Abstandsregeln gut einhalten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Industrie, im Detailhandel, im Gewerbe oder auf dem Bau müssten weiterhin ungeschützt ihren beruflichen Tätigkeiten nachgehen –, forderte Unia-Chefin Vania Alleva landesweit eine Schliessung von Baustellen und Betrieben, bis auch dort umsetzbare und greifende Schutzmassnahmen und -konzepte erarbeitet worden seien. Seitens der Tagespresse musste sich Alleva aufgrund der hohen Kosten, welche diese Massnahme für Industrie und Gewerbe mit sich gebracht hätte, teils scharfen Vorwürfen stellen.

Abseits von Corona ging das Verbandswesen seinen gewohnten Gang. So kam es beispielsweise zu Personalmutationen (nicht abschliessende Auflistung): Jacques Bourgeois trat Ende März nach fast zwei Jahrzehnten von seinem Amt als Direktor des Schweizerischen Bauernverbands (SBV) zurück und wurde von Martin Rufer abgelöst. Flavia Kleiner gab ihr Amt als Co-Präsidentin bei Operation Libero per 20. Juni ab, nachdem sie dieses seit der Gründung der Bewegung 2014 innegehabt hatte, zuletzt zusammen mit Laura Zimmermann. Ihre Nachfolge trat Stefan Manser-Egli an. Einen Wechsel gab es auch bei Economiesuisse, hier trat Christoph Mäder per 1. Oktober die Nachfolge des bis dahin amtierenden Economiesuisse-Präsidenten Heinz Karrer an. Karrer hatte zuvor zwölf Jahre im Vorstand des Wirtschaftsverbands geamtet, sieben davon als Präsident. Ebenfalls im Oktober wurde am Gewerbekongress in Freiburg der Tessiner Fabio Regazzi (cvp) als neuer Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV) bestätigt, Diana Gutjahr (svp, TG) wurde in den Vorstand gewählt. Gemäss NZZ wäre die Wahl Gutjahrs anstelle Regazzis wünschenswert gewesen, denn sie, so analysierte die Zeitung, hätte unter anderem in Anbetracht der tiefen Frauenquote beim SGV frischen Wind in den Verband gebracht.

Ferner fanden 2020 mehrere Volksabstimmungen statt. Auch die Verbände nahmen zu den Anliegen Stellung und fassten Parolen.
Medienwirksam diskutiert wurde die von der AUNS zusammen mit der SVP lancierte Begrenzungsinitiative. Sowohl die grossen Wirtschaftsverbände – vertreten durch den SGV und Economiesuisse – als auch die Arbeitnehmerverbände – vertreten durch den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB), Travail.Suisse sowie die Gewerkschaften Unia, Syna und VPOD – lehnten die Initiative ab. Ein besonders wichtiges Gegenargument war die Befürchtung einer Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens mit der EU, die eine Annahme der Initiative womöglich zur Folge gehabt hätte.
Die grossen Schweizer Wirtschaftsdachverbände Economiesuisse, der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV), der SGV sowie der SBV fassten ferner gemeinsam die Nein-Parole zur ebenfalls viel diskutierten Konzernverantwortungsinitiative, über die im November abgestimmt wurde. Diese verlangte, dass Unternehmen rechtlich belangt werden können, sollten diese oder ihre Tochterfirmen im Ausland gegen geltende Menschenrechte und Umweltstandards verstossen. Die Wirtschaft, so hiess es seitens der Verbände, stehe ohne Wenn und Aber zu den Menschenrechten und Umweltstandards, doch, so die Argumentation, würde eine Annahme der Initiative Betroffenen im Ausland kaum helfen, zu Rechtsunsicherheit führen und dabei die Schweizer Wirtschaft unter Generalverdacht stellen. Der Gegenvorschlag, welcher bei Ablehnung der Initiative in Kraft treten würde und anstelle von rechtlichen Konsequenzen mehr Transparenz forderte, genoss von den Verbänden Unterstützung. Eine noch grössere Anzahl an Verbänden und insbesondere NGOs stand hingegen für die Initiative ein: Amnesty International, Greenpeace, Swissaid oder die Gesellschaft für bedrohte Völker gehörten zu den Trägerorganisationen der Konzernverantwortungsinitiative. Die Operation Libero, die Unia, der WWF, Terre des Femmes, der SGB und zahlreiche weitere Umweltschutz-, Menschenrechts- und Arbeitsrechtsorganisationen sicherten dem Anliegen ihre Unterstützung zu.

Auch historische Jubiläen konnten im Coronajahr begangen werden: Die Dachorganisation für lokale und regionale Behindertenorganisationen Pro Infirmis feierte ihr 100-jähriges Bestehen; Economiesuisse konnte diese Zahl gar noch überbieten: Seit 150 Jahren gibt es den Dachverband der Schweizer Wirtschaft, wenngleich nicht immer in gleicher Form wie heute.

Zu Jahresbeginn erreichte der Anteil der Zeitungsberichte zum Thema «Verbände» gemessen an allen anderen 2020 durch Année Politique Suisse erfassten Berichte seinen höchsten Wert und sank dann, mit einem erneuten leichten Anstieg im Sommer, bis Ende Jahr deutlich ab. Am stärksten in den Medienberichterstattungen vertreten waren die Industrieverbände sowie die Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände. Ebenfalls öfters Thema der medialen Berichterstattung waren die Gewerbeverbände, wenig vertreten waren hingegen die Landwirtschaft und die übrigen Arbeitgeberverbände.

Jahresrückblick 2020: Verbände
Dossier: Jahresrückblick 2020

Noch bevor die Räte den gemäss SGK-NR weniger umstrittenen Teil des ersten Massnahmenpakets zu Ende beraten hatten, behandelte der Nationalrat in der Sondersession im Oktober 2020 die übrigen Artikel des ersten Kostendämpfungspakets unter dem Namen Paket 1b des ersten Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Dazu gehörten die Massnahmen zur Steuerung der Kosten, das Beschwerderecht der Versicherer gegen Spitalplanungsentscheide sowie das Referenzpreissystem für patentabgelaufene Arzneimittel. Mit 17 zu 0 Stimmen bei 8 Enthaltungen hatte die SKG-NR ihren Entwurf, der gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag einige gewichtige Änderungen enthielt, zuvor angenommen. Eintreten war unbestritten.

Als ersten Hauptpunkt diskutierte der Nationalrat die Frage der Kostensteuerung, wobei Ruth Humbel (cvp, AG) und Philippe Nantermod (fdp, VS) die Kommissionsposition ausführlich darlegten: Eine knappe Kommissionsmehrheit unterstütze die Kostensteuerung generell. Diese lege fest, dass Tarifverträge entsprechend der Forderung der angenommenen Motion Brand (svp, GR; Mo. 18.3305) Massnahmen zur Kostenkorrektur im Falle eines unvorhergesehenen Anstiegs der Gesundheitskosten enthalten müssen. Anstatt entsprechende Regeln vorzuschreiben, wie der Bundesrat beabsichtigt hatte, setzte die Kommission jedoch auf degressive Tarife: Bei häufigerer Anwendung sollten die Tarife entsprechend sinken. Stattdessen folgte der Rat jedoch äusserst knapp mit 91 zu 90 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) einer Minderheit II Hess (bdp, BE), die vorschlug, die Kostensteuerungsmassnahmen aus dieser Vorlage zu streichen, zumal sie ein «Bestandteil des Zielkostensystems» seien, welches erst im zweiten Kostendämpfungspaket behandelt werden wird. Entsprechend solle diese Massnahme ins zweite Paket verschoben werden.

Der zweite Hauptpunkt der Vorlage stellte das Beschwerderecht der Krankenversicherungen und ihrer Verbände gegenüber Entscheidungen der Kantonsregierungen bezüglich der Spitallisten sowie bezüglich Preisfestsetzungen für Arzneimittel, wie die Kommissionsmehrheit den bundesrätlichen Vorschlag ergänzt hatte, dar. Eine Minderheit Prelicz-Huber (gp, ZH) wehrte sich dagegen, dass «private Interessen eine Steuerung durch die politische Seite, durch die Kantone, aufheben» können sollen. Stattdessen soll die Kompetenz sowie die Entscheidhoheit in den entsprechenden Fragen bei den Kantonen und damit bei der Politik verbleiben. Nur die Politik und das Volk hätten das Wohl der ganzen Bevölkerung im Blick, während die Versicherungen ihre Partikularinteressen verfolgten, argumentierte sie. Konsequenterweise müsse man sonst auch ein Beschwerderecht unter anderem für Patienten- und Patientinnenorganisationen oder für die Sozialpartner einrichten. Zudem könne die entsprechende Regelung zu einer Blockade und zu Rechtsunsicherheit führen. Dem widersprach unter anderem Thomas de Courten (svp, BL), der die Versicherungen im Gesundheitswesen als «Anwälte der Patientinnen und Patienten» bezeichnete und die Massnahme für nötig erachtete, damit ein Gleichgewicht in der Verhandlungsmacht sichergestellt und die alleinige Macht der Kantone gebrochen werden könne. Die Minderheit setzte sich mit 104 zu 75 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) respektive 94 zu 87 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) durch, der Nationalrat sprach sich somit gegen das Beschwerderecht der Krankenversicherungen aus. Die Stimmen für die Kommissionsmehrheit stammten von Mehrheiten der SVP-, FDP.Liberale- und Mitte-Fraktion.

Den dritten zentralen Aspekt stellte die Frage des Referenzpreissystems für patentabgelaufene Arzneimittel dar, das der Bundesrat einführen wollte. Mit einem Referenzpreissystem für Generika dürfte die OKP zukünftig nur noch denjenigen Preis für ein Arzneimittel vergüten, der in diesem Referenzpreissystem festgelegt worden war — ausser es ist das einzige für die Patientin oder den Patienten mögliche Arzneimittel, dann wird es unabhängig vom Preis vergütet. Die Kommissionsmehrheit lehnte nun die Schaffung eines solchen Systems ab. Hier gehe es um Fragen der Versorgungssicherheit und der Patientensicherheit (wie in diesem Bericht ausgeführt wird), erklärte Kommissionssprecherin Humbel. Bei wechselnden Referenzpreisen bestehe die Gefahr, dass es zu nicht medizinisch begründeten Medikamentenwechseln komme, was zu abnehmender Therapietreue und sinkender Patientensicherheit und dadurch zu Folgekosten führen könne. Zudem könnten Firmen aufgrund des Preisdrucks darauf verzichten, ihre Produkte in der Schweiz anzubieten, wodurch die Abhängigkeit von den übrigen Lieferanten steige. Wie problematisch eine solche Abhängigkeit sei, habe sich im Rahmen der Corona-Krise gezeigt. Die Kommission wolle deshalb auf das Referenzpreissystem verzichten und stattdessen, beruhend auf einem Vorschlag von Curafutura, Pharmasuisse, Ärzte mit Patientenapotheke und Intergenerika die Generikapenetration erhöhen. Der Marktpreis solle daher jährlich statt alle drei Jahre überprüft und die Generikapreise gegenüber den Originalen um weitere fünf Prozent gesenkt werden. Zudem soll eine preisunabhängige Vertriebsmarge geschaffen werden, damit Ärztinnen, Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker nicht wie bisher mehr Geld verdienten, wenn sie teurere Medikamente verkauften. Entsprechend habe man auch einstimmig die Motion 20.3936 eingereicht.
Eine Minderheit I Hess unterstützte hingegen das Referenzpreissystem des Bundesrates. Minderheitensprecher Hess argumentierte, seine Minderheit habe das bundesrätliche System etwas vereinfacht und abgeschwächt. So solle das Referenzpreissystem nur gelten, wenn mehr als zwei wirkstoffgleiche Medikamente auf dem Markt sind und ein Arzneimittel vom Bundesrat nicht als unverzichtbar festgelegt worden war. Mit einem eigenen Preis, also unabhängig vom Generika-Preis, sollten überdies Biosimilars, das sind Nachahmerpräparate, deren Wirkstoffe nicht mit denjenigen der Originale identisch sind, ins Preissystem aufgenommen werden, da diese gemäss dem revidierten Heilmittelgesetz nicht mit Generika gleichgesetzt werden können. Mit diesem Modell, das er als Referenzpreissystem «light» bezeichnete, könne das grösstmögliche Sparvolumen erreicht werden, argumentierte der Minderheitensprecher.
Eine Minderheit II Porchet (gp, VD) wollte überdies das Substitutionsrecht für Apothekerinnen und Apotheker stärken. Diese sollten zukünftig bei neuen Behandlungen eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel abgeben müssen, sofern dies aus medizinischer und pharmazeutischer Sicht möglich ist.
Mit 114 zu 65 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat die Einführung des Referenzpreissystems light ab. Interessant ist dabei, dass sich die Positionen der SP und der Grünen in dieser Frage deutlich unterschieden, was in Gesundheitsfragen nur selten der Fall ist: Während die SP die Einführung eines Referenzpreissystems zusammen mit der Mehrheit der Mitte-Fraktion unterstützte, sprachen sich die Grünen mit der GLP-Fraktion, der Mehrheit der SVP-, der FDP.Liberalen- und der Minderheit der Mitte-Fraktion dagegen aus. Abgelehnt wurden auch die Anträge auf eine Sonderbehandlung der Biosimilars (103 zu 75 Stimmen bei 7 Enthaltungen) sowie der Antrag der Minderheit II Porchet (108 zu 77 Stimmen). In letzterer Frage standen SP und Grüne zusammen mit den Grünliberalen wieder gemeinsam auf der Seite der Minderheit.

Im Rahmen dieser drei Hauptthemen behandelte der Nationalrat auch weitere Detailfragen, so zum Beispiel die Frage der verhandelten Rabatte. Als «Tabubruch» und als «absolutes No-Go» bezeichnete Barbara Gysi (sp, SG) den Vorschlag der SGK-NR, wonach maximal 25 Prozent der Einsparungen durch zwischen Tarifpartnern und Leistungserbringenden ausgehandelten tieferen Preisen und Tarifen den Versicherungen zur freien Verfügung stehen sollten, dass sie gemäss Gysi also «in die Taschen der Versicherer fliessen» sollten. Bisher mussten die entsprechenden Einsparungen vollumfänglich den Versicherten zugute kommen. «Braucht es denn wirklich dieses sogenannte Incentive [...], damit die Krankenversicherer ihre Arbeit tun, nämlich günstige Preise aushandeln?», fragte Gysi rhetorisch. Entsprechend beantragte ihre Minderheit die Streichung des Artikels, zumal dieser gemäss Flavia Wasserfallen (sp, BE) auch ohne seriöse Abklärungen in die Kommission gelangt sei. Kommissionssprecherin Humbel führte aus, dass der Ständerat bei Annahme dieser Regelung noch prüfen müsse, ob dieser Artikel dem grundsätzlichen Gewinnverbot in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und der Forderung in Art. 56 Abs. 3bis KVG, wonach alle nicht der Qualitätsverbesserung dienenden Vergünstigungen an die Versicherten weitergegeben müssen, widerspricht und was unter dem Ausdruck «zur freien Verfügung» genau verstanden werden soll. Thomas de Courten befürwortete schliesslich den Mehrheitsantrag; es sei der «Sinn dieser ganzen Debatte, dass wir die Kosten dämpfen und die Anreize entsprechend setzen». Mit 117 zu 67 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Nationalrat für den Kommissionsvorschlag aus.
Ausführlich legte schliesslich Thomas de Courten seinen Minderheitsantrag zu den Parallelimporten dar. Er wehrte sich darin gegen den Vorschlag der Kommissionsmehrheit, patentabgelaufene Medikamente ohne Zulassungspflicht durch Swissmedic auf den Schweizer Markt zu bringen. Parallelimporte seien bereits heute erlaubt, dabei müssten aber dieselben Bedingungen eingehalten werden, die für alle anderen Medikamente auch gelten. Mit dem Vorschlag der Kommission könnten Zulassungsentscheide irgendwelcher anderen Länder zukünftig auch für die Schweiz gelten, ohne dass zum Beispiel die Good Manufacturing Practice der Schweiz im Herstellungsprozess beachtet werden müsste. Eine zusätzliche Prüfung durch Swissmedic sei nicht nötig, da man davon ausgehe, dass die ausländischen Zulassungsbehörden dieselben Qualitätsanforderungen stellten wie Swissmedic, begründete Kommissionssprecherin Humbel den Minderheitsantrag. Mit 128 zu 53 Stimmen folgte der Rat diesbezüglich jedoch der Mehrheit, Gehör fand das Anliegen von de Courten nur bei der Mehrheit der SVP-Fraktion und je einem Mitglied der FDP.Liberalen- und der Mitte-Fraktion.

In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat seinen Entwurf schliesslich mit 130 zu 52 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an. Die Gegenstimmen stammten von der SP-Fraktion sowie von der Mehrheit der Grünen-Fraktion.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Gut sechs Jahre, nachdem das Postulat Humbel (cvp, AG) für die Entlastung der Krankenversicherung von ungerechtfertigten Kosten angenommen worden war, legte der Bundesrat seinen Bericht vor. Konkret ging es um die Frage, welche Kosten der OKP durch Arztbesuche aufgrund von Arztzeugnissen, welche die Arbeitgebenden nach kürzester Zeit verlangten, entstehen.
Der Bundesrat erachtete es als schwierig, die Kostenfolgen durch entsprechende Zeugnisse abzuschätzen. Das Ausstellen eines Zeugnisses sei nur ein Nebenaspekt der Behandlung und werde folglich in der Rechnungsstellung nicht als Kostenpunkt vermerkt. Zudem werde nirgends zwischen notwendigen, sinnvollen und nicht notwendigen, nicht sinnvollen Behandlungen unterschieden. Bei einer Umfrage durch das BAG schätzte Santésuisse die entsprechenden vermeidbaren Kosten auf CHF 200 Mio. pro Jahr (0.6% der OKP-Bruttokosten), Curafutura und der Haus- und Kinderärzteverband MFE konnten keine entsprechenden Schätzungen abgeben. Dieselbe Umfrage ergab, dass die meisten Arbeitgebenden nach drei Tagen ein Arbeitszeugnis verlangten, üblich seien aber auch Regelungen zwischen einem und fünf Tagen. Santésuisse schätzte denn auch das Einsparpotenzial einer Regelung, gemäss der Arbeitgebende erst nach fünf Tagen ein Arbeitszeugnis verlangen könnten, auf CHF 100 Mio. pro Jahr. Dieser Betrag lasse sich jedoch aufgrund der Franchisen nicht 1:1 auf die OKP übetragen, gab der Verband zu bedenken. Heute bestehe weder im OR noch im Arbeitsgesetz eine Regelung zum Arztzeugnis, wurde im Bericht weiter ausgeführt; stattdessen werde dies jeweils im Arbeitsvertrag oder im Gesamtarbeitsvertrag geregelt.
Diskutiert wurden auch verschiedene Möglichkeiten zur Änderung der bisherigen Regelung: Eine Kostenübernahme durch die Versicherten kritisierte MFE mit der Befürchtung, dass Arbeitnehmende damit seltener oder später zum Arzt gingen, wodurch sich das Ansteckungsrisiko für andere Personen erhöhe oder sich die Krankheit verschlimmere, was eine lange Arbeitsunfähigkeit nach sich ziehen könnte. Eine Übernahme der Zeugniskosten durch die Arbeitgebenden lehnten SAV und SGV ab und auch eine Aufteilung der Kosten, bei der die Patientinnen und Patienten für den Arztbesuch, die Arbeitgebenden für das Arztzeugnis aufkommen würden, bezeichnete der SAV als «weder denkbar noch angemessen», während der SGV auf Kostenfolgen von mehreren Tausend Franken pro Jahr für die Unternehmen verwies. Eine Festsetzung der Zeugnispflicht auf den vierten Tag lehnte der SAV wiederum ab, weil er einerseits ungerechtfertigte Absenzen befürchtete und ein zu einem früheren Zeitpunkt erstelltes Arztzeugnis oft für die Kostenübernahme der Taggeldversicherung nötig sei. Den Vorschlag von MFE, diese Frage neu im OR zu regeln, lehnte wiederum der Bundesrat aus formellen Gründen ab: Eine entsprechende Regelung sei untypisch für das OR, ihre Aufnahme brauche daher wichtige Gründe. Man solle entsprechend nicht das Gesetz, sondern die Vertragspraxis ändern. Zusammenfassend erklärte der Bundesrat, dass eine Übernahme der Kosten von Akteuren ausserhalb der OKP zu wenig Kosteneinsparungen, aber zu zahlreichen Folgeproblemen führen würde, und empfahl daher mangels Alternativen, dass die OKP die Kosten auch zukünftig übernehmen solle.

Einholen von Arbeitsunfähigkeitszeugnissen (Po. 13.3224)

En réponse à la mise en œuvre de l'initiative contre l'immigration de masse, jugée insuffisante, et suite à l'échec devant les urnes de son initiative de mise en œuvre, l'UDC et l'ASIN ont lancé un nouveau texte, l'initiative pour une immigration modérée, appelée également «initiative de limitation». Celle-ci demande que la Suisse puisse réguler son immigration de manière autonome, en mettant notamment un terme à l'accord de libre-circulation des personnes (ALCP), conclu entre la Suisse et l'UE. L'évitement de la clause guillotine, qui rendrait les autres accords avec l'UE caducs en cas de suppression de l'ALCP, était la motivation principale des opposant-e-s à l'initiative. Le Conseil fédéral et le Parlement s'opposaient au projet. L'UDC et l'ASIN n'ont pas réussi à séduire hors de leur camp, et l'initiative a été rejetée par 61.7% des votant-e-s.

Pandémie mondiale oblige, la campagne se sera moins déroulée dans la rue et les salles de débat, et plus en ligne et à la maison, grâce à notamment à la distribution de tout-ménages. La RTS annonçait une distribution de 4 millions du tout-ménages de l'UDC, contre 2.1 millions de celui de l'USS. L'UDC a également fait réaliser un clip vidéo, qu'elle a fait tourner sur les réseaux. La vidéo en question met en scène une petite fille, qui raconte en début de séquence une Suisse idyllique, où la nature est belle, où les gens peuvent donner leur avis, où la petite fille va à l'école: une belle Suisse pour laquelle son «grand-père a travaillé dur»; la deuxième partie du clip met en scène une Suisse victime d'une immigration démesurée: du béton partout, des personnes à la rue, et dans la classe de la petite fille, seules Laila et Sarah sont encore suisses. Du côté des encarts publicitaires publiés dans les journaux, l'état des lieux proposé par Année Politique Suisse deux semaines avant la votation montre que le nombre d'annonces contre l'initiative est plus de deux fois plus important que celles en sa faveur; néanmoins l'ampleur de la campagne des opposant-e-s est moindre que lors de la votation de l'initiative sur l'immigration de masse. Plusieurs titres de presse s'accordent à le dire, l'initiative de limitation a moins créé le débat que les initiatives anti-immigration précédentes de l'UDC.

Les sympathies politiques, plus que les caractéristiques socio-démographiques, ont fait pencher la balance. Les personnes situées très à gauche ou à gauche ne sont que 6 à 10 pourcent à avoir voté oui, au centre cette proportion s'élève à 38 pourcent et atteint 52 pourcent à droite. Ce sont évidemment les rangs des sympathisant-e-s de l'UDC et de l'ASIN qui ont été les meilleurs soutiens, avec un plébiscite à 87 pourcent. Outre ces sympathies, l'âge a aussi joué un rôle, les votant-e-s plus âgé-e-s ayant été plus enclin-e-s à favoriser le texte, de même que les personnes à bas revenu ou dont le niveau de formation est moins élevé.

Au lendemain de la votation, les commentaires se tournaient plutôt vers l'accord-cadre avec l'UE, dont les négociations peuvent reprendre après sa mise en péril par l'éventualité d'une victoire de l'initiative de limitation. Pour beaucoup de commentateurs, c'est là que le vrai travail de négociation commence, le refus de l'initiative n'étant qu'une victoire d'étape. Du côté de l'UDC, le sixième échec en votation populaire sur un objet critique envers la population étrangère nécessite un temps de réflexion pour le parti. Son président, Marco Chiesa ainsi que la directrice de la campagne, Esther Friedli, assurent cependant que l'immigration restera à l'agenda politique de l'union du centre.


Votation du 27 septembre 2020

Participation: 59.49%
Oui: 1'233'995 (38.3%) / Cantons: 3 1/2
Non: 1'988'349 (61.7%) / Cantons: 17 5/2

Consignes de vote:
- Oui: UDC, ASIN
- Non: PS, Verts, PVL, PDC, PLR, PBD, Economiesuisse, USS, Travail.Suisse, Gastrosuisse, Swissmem

Initiative populaire «pour une immigration modérée (initiative de limitation)»

Im Mai 2020 legte der Bundesrat dem Parlament die Änderung des KVG bezüglich der Vergütung des Pflegematerials vor. Ziel der Vorlage war es, in Übereinstimmung mit einer Motion der SGK-NR (Mo. 18.3710) eine einheitliche Vergütung für Pflegematerial, das von der betroffenen Person selbst oder von Laien angewendet wird, und von Pflegematerial, das von Pflegefachpersonen angewendet wird, einzuführen. 2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht die Position des Bundesrates bestätigt, wonach gemäss dem bestehenden Gesetz die von Pflegefachpersonen verwendeten Materialien Bestandteil der Pflegeleistung seien und nicht separat verrechnet werden dürften. Die von den Versicherten selbst angewendeten Materialien seien hingegen separat von der OKP zu übernehmen.
Neu sollen die Materialien in drei Kategorien gegliedert werden: Die Kategorie A enthält einfache Verbrauchsmaterialien mit direktem Bezug zu den Pflegeleistungen (z.B. Handschuhe) sowie Material und Gegenstände zum Mehrfachgebrauch für verschiedene Patientinnen und Patienten (z.B. Blutdruckmessgeräte), diese sollen auch zukünftig gemäss den Regeln der Pflegefinanzierung von OKP, Versicherten und Kantonen bezahlt werden. Zur Kategorie B gehören Mittel und Gegenstände für die Untersuchung oder Behandlung einer Krankheit gemäss MiGeL (z.B. Verbandmaterial), diese werden neu unabhängig von der anwendenden Person durch die OKP finanziert. Auch die Materialien der Kategorie C, Mittel und Gegenstände, die nicht von der versicherten Person selbst oder durch eine nichtberuflich mitwirkende Person verwendet werden können (z.B. Heimventilation), werden von der OKP übernommen.
Die Vorlage soll eine Entlastung für Gemeinden und Kantone in der Höhe von jährlich CHF 65 Mio. mit sich bringen und stattdessen die Gesamtkosten der OKP um 0.2 Prozent erhöhen. Da die Höhe des Bundesbeitrags an die Prämienverbilligung 7.5 Prozent der OKP-Bruttokosten beträgt, steigt auch der entsprechende Bundesbeitrag um CHF 4.9 Mio.

Zwischen Dezember 2019 und Februar 2020 fand die Vernehmlassung zur Vergütung des Pflegematerials statt. Dabei gingen 126 Stellungnahmen ein. Die Kantone und mit ihnen die GDK sowie die Leistungserbringenden sprachen sich für die Änderung aus. Auch die CVP, EVP, FDP, GLP und SP zeigten sich mehrheitlich zufrieden, äusserten jedoch teilweise Vorbehalte, insbesondere bezüglich der Kostenverlagerung zur OKP. Die SVP lehnte die Vorlage ab, da sie dadurch eine Mengenausweitung ohne qualitative Verbesserung der Pflegeleistungen befürchtete. Auch die Versichererverbände lehnten die Vorlage ab, da sie die höheren Kosten fürchteten.

In der Herbstsession 2020 behandelte der Nationalrat die Vorlage. Hatte sich die SVP im Rahmen der Vernehmlassung als einzige Partei noch gegen die KVG-Änderung ausgesprochen, stimmte auch sie der Gesetzesänderung nun zu: Einstimmig mit 189 zu 0 Stimmen nahm der Nationalrat die Vorlage an.

Änderung des KVG bezüglich Vergütung des Pflegematerials (BRG 20.046)
Dossier: Änderungsvorschläge zur Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL)

Nach einer ersten Prüfung der 2019 eingereichten neuen Tarifstruktur für ambulante ärztliche Leistungen, TARDOC, verlangte der Bundesrat verschiedene Anpassungen der Tarifstruktur. Im Juni 2020 reichten die Tarifpartner FMH und Curafutura eine überarbeitete Version des Ärztetarifs nach, mit der sie nun sämtliche Auflagen des Bundesrates zu erfüllen glaubten. Neu habe man nun ein gemeinsames Kostenneutralitätskonzept ergänzt und die Tarifstruktur überarbeitet. In der Zwischenzeit hatte sich zudem die Krankenkasse SWICA der Tarifstruktur angeschlossen, womit TARDOC nun mit den in der Curafutura vertretenen Versicherungen CSS, Helsana, Sanitas und KPT die Mehrheit der Versicherten hinter sich wusste.
Im August 2020 gab das BAG bekannt, seine ausführliche Prüfung des Tarifs noch um die neu eingereichten Elemente erweitern zu müssen. So müsse sichergestellt werden, dass die Tarifstruktur die vom Bundesrat gestellten Bedingungen einhalte und daraus insbesondere keine Mehrkosten entstünden.

Tarifstruktur TARDOC
Dossier: Tarifstrukturen im Gesundheitswesen

Im Juni 2020 eröffnete der Bundesrat eine Vernehmlassung zur Präzisierung des Spitalkostenbeitrags der Patientinnen und Patienten. Dort schlug er vor, die bestehende Regelung in der KVV, wonach die Patientinnen und Patienten einen Beitrag in der Höhe von CHF 15 pro Tag an die Spitalkosten bezahlen müssen, dahingehend zu präzisieren, dass diese Beiträge neu weder für den Austrittstag noch für Urlaubstage anfallen sollen. Dadurch würden bei den Krankenversicherungen Mehrkosten in der Höhe von CHF 22 Mio. jährlich anfallen.
An der Vernehmlassung, die bis Oktober 2020 dauerte, nahmen 38 Stellungnehmende teil, darunter 23 Kantone, die GDK, die SP und die Grünen, der SSV, Curafutura und Santésuisse, der SGB sowie FMH, Spitex und die Stiftung Konsumentenschutz aller drei Sprachregionen (SKS, FRC, acsi). Der Grossteil der Befragten, darunter 20 Kantone, die links-grünen Parteien und die Gewerkschaft, aber auch die Leistungserbringenden sprachen sich vorbehaltlos für die Vorlage aus. Einen Vorbehalt brachten hingegen die Konsumentenverbände an: Sie verlangten eine Rückerstattung der ab Anfang 2012 unrechtmässig erhobenen Beträge für den Austrittstag, teilweise auch für den Eintrittstag. Die Versicherungen hingegen forderten, dass die Urlaubstage und teilweise die Austrittstage gleich definiert werden wie in der Tarifstruktur.

Spitalkostenbeitrag: Bundesrat regelt zu bezahlende Tage

Im Februar 2020 lancierte die AUNS an einer Medienkonferenz in Bern ihre Kampagne zur Abstimmung über die Begrenzungsinitiative. Die Begrenzungsinitiative, über die schliesslich aufgrund der Corona-Pandemie erst im Herbst und nicht wie geplant im Mai abgestimmt wurde, sah unter anderem vor, bei einer Annahme das Freizügigkeitsabkommen mit der EU binnen eines Jahres neu zu verhandeln, sodass die Schweiz die Zuwanderung effektiver steuern respektive begrenzen könnte. Wie die AUNS gegenüber der Presse darlegte, sah sie die freie Zuwanderung, bedingt durch das Abkommen mit der EU, als Ursache für steigende Mietpreise sowie für überfüllte Strassen und Züge. Aufgrund der hohen Migrationszahlen, so die AUNS weiter, wachse die Bevölkerung und damit auch deren Platzbedarf zu stark, weshalb die Landschaft vermehrt «zubetoniert» werde, wodurch wiederum die Biodiversität beeinträchtigt werde und die Umweltbelastung steige.
Aus diesen Gründen warb die AUNS mit dem Slogan «Es wird eng» für eine Annahme der Initiative. Obwohl sie die Initiative zusammen mit der SVP lanciert hatte, kämpften der Verein und die Partei mit separaten Kampagnen für eine Annahme.

AUNS-Kampagne zur Abstimmung über die Begrenzungsinitiative

In der Herbstsession 2019 behandelte der Nationalrat als Erstrat den Vorschlag der SGK-NR für eine Einführung eines monistischen Finanzierungssystems für die Gesundheitsleistungen. Eine Kommissionsminderheit Gysi (sp, SG) hatte dem Rat Nichteintreten beantragt. Barbara Gysi betonte, dass die SP-Fraktion zwar eine einheitliche Finanzierung von stationären und ambulanten Leistungen befürworte, aber diese Vorlage ablehne, da darin die «Meinung der Kantone in grossen Zügen missachtet» worden sei. Den Kantonen käme nur noch die Rolle der Zahlstelle zu, die Relevanz der Spitallisten würde stark reduziert. Überdies würde die Vorlage zu einer Besserstellung der Privatspitäler und Zusatzversicherten zulasten der OKP führen, kritisierte Gysi. Aufgrund der zahlreichen Mitglieder in der Subkommission, die Mandate bei Krankenversicherungen oder Krankenkassenverbänden hätten, und aufgrund der «getreuen» Umsetzung der Vorschläge von Curafutura begünstige die Vorlage die Interessen der Krankenversicherungen. «Diese Vorlage stammt klar aus der Feder von Curafutura», fasste sie ihre Kritik zusammen. Ein Nichteintreten würde dem Bundesrat zusammen mit den Kantonen eine neue Lösungsfindung ermöglichen.
Ruth Humbel (cvp, AG) betonte als Kommissionssprecherin, dass es den Krankenversicherungen nicht verboten sei, fachliche Inputs zu geben. Zudem seien die Privatspitäler ein «Nebenschauplatz». In erster Linie stärke die Vorlage die Steuerungsmöglichkeit der Kantone, indem sie neu den ambulanten und stationären Bereich planen könnten, einen Einsitz in Tarmed oder Tardoc erhielten und weiterhin die Tarife genehmigten oder erliessen, wenn sich die Tarifpartner nicht einigten. Mit 136 zu 52 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat in der Folge für Eintreten aus. Die ablehnenden Stimmen stammten aus der SP- und der Grünen-Fraktion sowie von MCG-Mitglied Roger Golay (mcg, GE).
In der Detailberatung diskutierte der Nationalrat verschiedene technische Fragen, die jedoch, so die Auffassung der meisten Rednerinnen und Redner, hochpolitisch waren. So beriet die grosse Kammer die Berechnung der Kantonsbeiträge, bei der zwei Fragen umstritten waren: Soll erstens der Abzug der Risikoabgaben risikobasiert oder kostenbasiert erfolgen und sollen zweitens die Kostenbeteiligungen der Versicherten abgezogen werden, bevor die Kantonsbeiträge berechnet werden. Bei ersterer Frage sprach sich eine Kommissionsminderheit Nantermod (fdp, VS) für das risikobasierte Pauschalmodell aus. Dieses habe den Vorteil, dass nur die Risikokompensation und nicht die variablen Verwaltungskosten der Versicherungen berücksichtigt würden, erklärte Regine Sauter (fdp, ZH) für die Kommissionsminderheit. Dadurch würden die Anreize zur Kosteneffizienz erhöht. Hingegen argumentierte Heinz Brand (svp, GR), dass es hier um Steuergelder der Kantone gehe und diese der Kostenwahrheit entsprechen müssten. Somit könne man diese nicht «aufgrund irgendwelcher mathematischer Berechnungen» verteilen. Mit 111 zu 78 Stimmen sprach sich der Nationalrat für den Mehrheitsantrag der SGK-NR und somit für das kostenbasierte Modell aus: Eine Allianz aus SP-, Grünen- und SVP-Fraktion setzte sich diesbezüglich gegen die geschlossen stimmenden übrigen Fraktionen durch.
Eine weitere Minderheit Nantermod setzte sich dafür ein, dass die Kostenbeteiligungen der Versicherten, also zum Beispiel die Franchisen, ebenfalls in die Berechnung des Kantonsanteils einfliessen sollten. Nur dadurch würden Personen mit hohen Franchisen gleich behandelt wie Personen mit tiefen Franchisen. Mit dieser Berechnungsart müssten die Kantone den Versicherungen aber auch Geld für Kosten überweisen, die nicht von ihnen, sondern von den Versicherten bezahlt worden seien, kritisierte Gesundheitsminister Berset. Rechtlich sei es gemäss dem Bundesamt für Justiz zudem problematisch, wenn der Bund die Kantone zwinge, Kosten zu übernehmen, die nicht unter die OKP fielen, erklärte Kommissionssprecherin Humbel. Weiter könne es nicht sein, dass die Eigenverantwortung, die den höheren Franchisen zugrunde liege, «an die Kantone delegiert werde». Mit 148 zu 33 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) respektive 141 zu 46 Stimmen (bei keiner Enthaltung) sprach sich der Nationalrat für den Antrag des Bundesrates und die Berechnung der Kantonsbeiträge nach Abzug der Franchisen aus. Für die Minderheit hatten sich vor allem Teile der SVP- und der FDP.Liberale-Fraktionen eingesetzt. Gleichzeitig entschied sich der Rat auch, den von den Kantonen übernommenen Mindestanteil von 22.6 Prozent auf 25.5 Prozent zu erhöhen, wie es der Bundesrat beantragt hatte.
Wie sich bereits in der Eintretensdebatte angekündigt hatte, war die Frage der Vergütungen an die Vertragsspitäler in der Detailberatung besonders umstritten. Diese liegt heute bei 45 Prozent, neu soll sie jedoch auf 74.5 Prozent erhöht werden. Dadurch würden Privatspitäler, die sich nicht an der Ausbildung oder am Grundversorgungsauftrag beteiligten, die besonders lukrative Fälle der übrigen Spitäler abwerben würden und deren Gewinne auf den Konten von ausländischen Investoren landeten, noch stärker aus der OKP abgegolten werden als bisher, kritisierte Barbara Gysi. Dadurch käme es zu einem Anstieg der Prämien der Grundversicherten, zu einer Mengenausweitung durch die Privatspitäler – bereits jetzt würden halbprivat oder privat versicherte Personen zum Beispiel 2.2-mal häufiger am Knie operiert als Grundversicherte – sowie zu einem Anstieg der Anzahl Privatspitäler. Schliesslich unterliefe dies auch die Spitalplanung der Kantone. Letzteren Punkt betonte auch Bundesrat Berset. Kommissionssprecherin Humbel entgegnete hingegen, dass Privatkliniken nicht per se teurer seien als öffentliche Spitäler und es überdies nur zehn davon gebe. Heute würden 45 Prozent der stationären Kosten der Vertragsspitäler durch die Kantone sowie 100 Prozent der ambulanten Leistungen durch die Versicherungen vergütet; mit einem Anteil von 74.5 Prozent wäre der Unterschied zu heute somit vernachlässigbar. Die grosse Kammer sprach sich in der Folge mit 132 zu 56 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) deutlich für den Antrag der Kommissionsmehrheit und die höhere Vergütung für die Vertragsspitäler aus.
Bei der Frage nach der zukünftigen Rolle der gemeinsamen Einrichtung der Versicherungen entschied sich der Rat gegen eine Minderheit Aeschi (svp, ZG) und eine Minderheit Carobbio (sp, TI) dafür, dass die Einrichtung neu auch für die Aufteilung des Kantonsbeitrags auf die Versicherungen zuständig sein soll. Sowohl Aeschi als auch Carobbio hatten mit ihren Anträgen beabsichtigt, die Rolle der Kantone in EFAS zu stärken; Thomas Aeschi wollte den Kantonen die Möglichkeit geben, das Geld selbst zu verteilen, während Marina Carobbio der gemeinsamen Einrichtung die Kontrolle über die Zahlungen übertragen wollte, damit die Kantone den Versicherungen nicht blind vertrauen müssten, wie Bea Heim (sp, SO) erklärte.
Schliesslich stimmte der Nationalrat dem Entwurf mit 121 zu 54 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) zu, wobei die ablehnenden Stimmen wie schon in der Eintretensabstimmung von der SP- und der Grünen-Fraktion sowie von Roger Golay stammten. Auch im Lager der SVP stiess die Vorlage mit 8 Enthaltungen jedoch nicht ausschliesslich auf Unterstützung.

Einführung eines monistischen Finanzierungssystems für die Gesundheitsleistungen (EFAS; Pa.Iv. 09.528)

En septembre 2019, le Conseil national s'est prononcé sur le message du Conseil fédéral relatif à l'initiative de limitation, lancée par l'UDC et l'ASIN. Le collège exécutif recommande de rejeter le texte, arguant qu'un renoncement à l'Accord sur la libre circulation des personnes (ALCP) menacerait trop sérieusement l'économie. Il pénaliserait non seulement les emplois, mais également les autres accords bilatéraux (relatifs aux obstacles techniques au commerce, aux marchés publics, à l'agriculture, à la recherche et aux transports aérien et terrestre). En effet, en cas d'abolition d'un des accords, les autres seraient automatiquement résiliés, en vertu de la clause dite «guillotine».
Le débat en chambre basse a duré en tout huit heures et a vu se succéder plus de 90 prises de parole. L'UDC, seule contre tous, a dressé de la Suisse du futur un tableau sombre et inquiétant. Si la Confédération helvétique ne parvient pas à gérer son immigration de manière raisonnable et autonome, elle s'expose à une Suisse à 10 millions d'habitant.e.s, avec une qualité de vie en chute libre, de l'insécurité, une augmentation des violences faites aux femmes, un bétonnage hors de contrôle, voire même le surgissement de bidonvilles dans les agglomérations. Pour illustrer ce scénario, le neuchâtelois Raymond Clottu (udc, NE) a récité la fable de La Fontaine, celle de la grenouille qui veut se faire aussi grosse que le bœuf, se terminant sur ces mots: «La chétive pécore s'enfla si bien qu'elle creva».
Les opposant.e.s au texte, reconnaissant de l'immigration qu'elle pose certains défis, ont surtout souligné l'importance des accords bilatéraux et des conséquences que leur abandon aurait sur l'économie. Pierre-Alain Fridez (ps, JU) juge l'initiative économiquement tellement aberrante qu'il soupçonne les «plus fins stratèges» de l'UDC de ne pas espérer sa mise en œuvre, mais de s'en servir uniquement pour créer un débat instrumentalisant une «xénophobie latente à des fins électorales».
Au terme de la joute verbale, le Conseil national a refusé l'initiative de limitation par 142 voix contre 53 et 2 abstentions, toutes deux à chercher dans les rangs de l'UDC.

Initiative populaire «pour une immigration modérée (initiative de limitation)»