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Die 2013 von der grünliberalen Fraktion eingereichte parlamentarische Initiative «Ehe für alle» beschäftigte in den Folgejahren verschiedenste Gruppierungen weit über das Parlament hinaus. Mit besonderer Spannung wurde auch die Positionierung der Schweizer Kirchen erwartet. Entgegen der weitläufigen Erfahrung sorgte für einmal aber nicht die römisch-katholische Kirche, sondern die evangelisch-reformierte für grosses Aufsehen, wie viele Medien berichteten.
Im Rahmen der im März 2019 eröffneten Vernehmlassung gingen Stellungnahmen verschiedener religiös-kirchlicher Organisationen ein, die sich unterschiedlich zu besagtem Sachverhalt äusserten. So zeigten sich beispielsweise die christkatholische Kirche, der Schweizerische Katholische Frauenbund oder die Evangelischen Frauen Schweiz deutlich positiv gegenüber der Kernvorlage. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund verkündete, er könne die Gesetzesänderung zwar nicht kommentieren, akzeptiere diese aber als einen Ausdruck der Tatsache, dass persönliche Freiheit und individuelle Autonomie in einem weltlichen Wertesystem einen anderen Stellenwert einnähmen als in einem religiös-ethisch orientierten. Die evangelisch-methodistische Kirche hatte zwar keine Stellungnahme eingereicht, in den Medien wurde aber spekuliert, dass der Schweizer Ableger vor einer Zerreissprobe stehe, da die internationale Vereinigte Methodistenkirche die Ehe für alle deutlich ablehne. Die Schweizer Bischofskonferenz empfahl offiziell zwar kein Nein – kümmere sich die sakramentale Eheschliessung in den Augen der katholischen Kirche doch in erster Linie um die Verbindung von Mann und Frau vor Gott, und nicht um die zivile Ehe –, äusserte aber in ihrer Eingabe bei der RK-NR grosse Bedenken gegenüber dem Vorhaben. Lediglich der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) konnte sich in dieser Frage nicht einig werden und musste eine Fristverlängerung über den 21. Juni 2019 hinaus beantragen, was ihm von der RK-NR auch gewährt wurde. Die offizielle Antwort fiel dennoch sehr ernüchternd aus: Viele seiner Mitgliedkirchen träten zwar für eine weitgehende oder gar vollständige Gleichbehandlung von hetero- und homosexuellen Paaren auf rechtlicher und kirchlicher Ebene ein, da sich aber einige dieser Mitglieder noch im Klärungsprozess befänden, werde der Urteilsbildungsprozess in der Abgeordnetenversammlung noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Gerade diese Spaltung der reformierten Kirche wurde in vielen Medien als die eigentliche Überraschung gehandelt und vielseitig diskutiert. Man war sich im Grundsatz einig, dass die reformierte Kirche allgemein als progressiver einzustufen sei als die katholische Kirche und sich daher bei gesellschaftlichem Wandel auch wesentlich schneller einbringe als der Vatikan, zumal das reformierte Verständnis der Trauung seit dem 19. Jahrhundert eine Bestätigung dessen sei, was der Staat vollziehe. Wie sich herausstellte, handelte es sich bei den innerkirchlichen Gräben weitestgehend um regionale Gräben, zum einen zwischen Stadt und Land und zum anderen zwischen der Deutschschweiz und der lateinischen Schweiz. Während man in den Städten und in der Deutschschweiz die Ehe eher als eine Gemeinschaft zweier Menschen betrachte, werde diese in den anderen Regionen eher als eine Verbindung von Mann und Frau und als eine von Gott eingesetzte Institution verstanden. Diese Ansicht kam besonders deutlich in einer von 200 Pfarrern unterzeichneten Erklärung zum Vorschein, in der gemäss dem Tages-Anzeiger vermerkt war, dass die Öffnung der Ehe für homosexuelle Menschen nichts anderes als ein «Segen ohne Segenszusage Gottes» sei und einem «Missbrauch» von Gottes Namen gleichkomme.
Das über Monate andauernde Hickhack fand schliesslich am 4. November 2019 ein Ende: Die Delegierten des SEK stellten sich an der Abgeordnetenversammlung mit 49 zu 11 Stimmen hinter die Vorlage. Sie empfahlen ihren Mitgliedkirchen die Ehe für alle, wie auch den damit einhergehenden allfälligen neuen zivilrechtlichen Ehebegriff für die kirchliche Trauung vorauszusetzen. Zugleich empfahlen die Delegierten, dass bei der kirchlichen Trauung auch in Zukunft die Gewissensfreiheit der Pfarrerinnen und Pfarrer gewahrt bleiben solle – wohl auch, um den Haussegen weitestgehend vor der Schieflage zu bewahren. Den Lohn dieser Arbeit sprachen die Medien im Wesentlichen dem SEK-Präsidenten Gottfried Locher zu. Er habe die Öffnung der Ehe stets mit guten Argumenten begründet und auch deutlich gemacht, dass die Ehe nicht zu den Grundfragen des Glaubens – im Sinne des Sakraments – gehöre und der gesellschaftliche Konsens ebenso wichtig sei, wie die biblischen Grundlagen, auch wenn einige Bibeltreue das anders sähen.

Ehe für alle - Kirchenposition

Im Sommer 2019 gingen die Frauen in der Schweiz auf die Strasse, um ihr Recht auf Gleichstellung einzufordern. So auch die Kirchenfrauen, die einem Aufruf des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes (SKF) gefolgt waren und sich im Juni den Massen am Frauenstreik anschlossen. Bereits im Frühjahr hatte Vroni Peterhans, Vizepräsidentin der rund 130'000 Frauen vertretenden Organisation gegenüber den Medien verlauten lassen, dass die Kirchenfrauen Präsenz markieren werden. Pinke Punkte mit der Aufschrift «Gleichberechtigung. Punkt. Amen.», selbstgebastelte pinke Mitren und insbesondere pinke Stiefel sollten symbolisch aufzeigen, dass «die Kirchenfrauen aus dem Sumpf der katholischen Kirche waten wollen [...], einem Sumpf von sexuellem Missbrauch und Ungleichbehandlung der Geschlechter», wie Peterhans vom St. Galler Tagblatt zitiert wurde. Unterstützung erhielt der SKF unter anderem von der «IG feministische Theologinnen der Schweiz und Liechtensteins» und den Evangelischen Frauen der Schweiz (EFS).
Peterhans zeigte sich insbesondere von der Reformunfähigkeit und der von der Männerdominanz geprägten Hierarchie der Kirche enttäuscht. Daher fordere man in erster Linie eine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, die sich in der Öffnung sämtlicher Ämter für die Frauen, mehr Mitbestimmung und weniger Hierarchie zeige. EFS-Präsidentin Dorothea Forster teilte diese Anliegen und begründete die Solidaritätsbekundungen der evangelischen Frauen darin, dass auch die Frauen in den protestantischen Leitungsgremien untervertreten seien, obwohl sie das Pfarramt bereits seit 50 Jahren ausüben dürften. Auch die Luzerner Theologin Jacqueline Keune kritisierte in der NZZ, dass Frauen alleine aufgrund ihres Geschlechtes abgewertet und ausgeschlossen würden. Gerade progressivere Frauen sähen – als einen möglichen Weg mit dieser fortlaufenden Kränkung umzugehen –, lediglich noch den Austritt aus der Kirche, was aber kaum zweckdienlich sein könne, da man so erst recht den Verfechtern eines konservativen Kirchenbildes die Deutungshoheit überliesse. Peterhans erläuterte, dass die Frauen die Kirche trotz ihrer Fehler gern hätten, da sie ihnen eine emotionale Heimat biete, gerade deshalb wollten sie sich am Streik beteiligen.
So werden sich die Kirchenfrauen zum einen am Streik selbst beteiligen, zum anderen aber auch am darauf folgenden Wochenende vor und in den Kirchen auf sich aufmerksam machen. Ginge es nach Peterhans, würden die Frauen gar einen Monat lang streiken, um aufzuzeigen, wie wichtig sie für die Aufrechterhaltung des Betriebes sind und wie viel unbezahlte Arbeit sie in den Gemeinden leisten. So sei die Zahl der Pastoralassistentinnen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, aber obwohl sie die gleiche Ausbildung absolvierten wie die Priester, hätten sie immer noch weniger Befugnisse als diese. So dürften sie beispielsweise die Gottesdienste gestalten, Kinder taufen und Ehen schliessen, nicht aber alle Sakramente – wie die Eucharistie, die Beichte oder die Krankensalbung – spenden. Man wolle niemanden verletzen oder Unschuldige bestrafen, aber dort wo es möglich sei, sollen die Frauen streiken. Im Weiteren wolle man das Anliegen auch bei den Schweizer Bischöfen deponieren, da die Reformbestrebungen schliesslich auch darauf abzielen würden, dass Frauen zu Diakoninnen, Priesterinnen und Bischöfinnen geweiht werden könnten. Um dieses Ziel erreichen zu können, müsse man zunächst menschen- aber auch männerfreundliche Strukturen – beispielsweise die Abschaffung des Pflichtzölibats – schaffen, damit die bestehenden Machtstrukturen aufgebrochen würden, denn aus der Politik und der Wirtschaft wisse man, dass eine formale Gleichstellung alleine nicht ausreiche. Gemäss der Aargauer Zeitung gebe es erste Anzeichen dafür, dass diese Anliegen auch von den Männern unterstützt werden. So begrüsse es etwa Felix Gmür, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz (SKB), wenn der Papst grünes Licht für die Weihe von Diakoninnen geben würde, da diese die Vorstufe des Priesteramtes darstellt. Dem medialen Echo zufolge komme dies aber für den Papst auch weiterhin nicht in Frage.
Zwei Tage nach dem Grossereignis zeigten sich die Organisatorinnen äusserst erfreut oder gar überwältigt von ihrem Erfolg. In seiner Medienmitteilung verkündete der Frauenbund, dass unzählige Kirchenfrauen und -männer dem Aufruf gefolgt und am Frauenstreik für die Anliegen eingetreten seien. Zudem habe der Streik auch im Wesentlichen dazu beigetragen, dass man sich sowohl innerhalb der Schweiz, als auch über die Landesgrenzen hinweg stark habe vernetzen können. Im Weiteren habe die Schweizer Bischofskonferenz Gesprächsbereitschaft bekundet und bereits einen Gesprächstermin festgelegt. Wie die Basellandschaftliche Zeitung Anfang August aber berichtete, sei das Gespräch für die Kirchenfrauen nicht nur positiv verlaufen. Auch wenn Hansruedi Huber, Medienverantwortlicher des Bistums Basel, angab, dass das Gespräch mit Bischof Gmür das gegenseitige Verständnis gefördert habe, fiel das Urteil von Elke Kreiselmeyer, Leiterin der katholischen Pfarrei St.Stephan Therwil/Biel-Benken, eher nüchtern aus: «Ein Erfolg war das für uns Frauen nicht», zitierte die Zeitung. Das Bistum habe zugesichert, dass man den Fokus neu auf kulturelle Veränderungen legen und entsprechend gezielte Aus- und Weiterbildungen im Bereich der Gleichstellung fördern wolle. Zudem würden die Berufsbezeichnungen dahingehend angepasst, dass der Zusatz «Laie» und «Assistent» gestrichen werden, damit die Unterscheidung von Geistlichen und Theologen entfalle. Auch wolle man die Frage des Zölibats auf nationaler Ebene besprechen, da sich das Bistum sowohl verheiratete Priester als auch Frauen am Altar vorstellen könne. Für Kreiselmeyer aber wäre es tatsächlich dann ein echter Erfolg gewesen, wenn die Kirche anerkannt hätte, dass Frauen das Recht haben, ihre Rolle zu definieren und der wissenschaftliche Nachweis, dass die Situation der Frauen kein biblisches Fundament habe, auch anerkannt worden wäre. Dennoch sei das Gespräch nicht gänzlich wirkungslos gewesen, zumal man mit Felix Gmür jemanden habe, der zuhöre und grundsätzlich immer zu Gesprächen bereit sei. Es gebe aber weiterhin noch viel zu tun.

Kirchenfrauen am Frauenstreik

Bereits zu Jahresbeginn wurde Bischof Huonders Stellungnahme zur Pastoralumfrage publik. Darin äusserte sich der Churer Bischof ablehnend gegenüber dem Empfangen der Sakramente durch Homosexuelle und geschiedene Wiederverheiratete. Solche Personen könnten zwar bei der Kommunion vor den Priester treten, müssten dies aber als Zeichen ihrer "irregulären Situation" mit verschränkten Armen tun, und könnten anstelle der Hostie lediglich den Segen empfangen. Zwei Wochen später hatten bereits über 2700 Schweizer Katholiken in einem Appell ihre Unzufriedenheit mit Huonders erneut provozierender Stellungnahme ausgedrückt. Die Forderungen der Bistumsleitung seien beschämend und völlig inakzeptabel. Dass die kirchliche Basis geschiedenen Wiederverheirateten und Homosexuellen offener gegenüber steht, letzteren zumindest in der Tendenz, brachten denn auch die Ende Januar kommunizierten Ergebnisse der Pastoralumfrage zu Tage. Im März forderten kirchliche Basisorganisationen, darunter die Vertreter der Pfarrei-Initiative sowie die Jungwacht Blauring, unter Hauptinitiative des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes (SKF) in einer Demonstration in St. Gallen die Abberufung von Bischof Huonder und dessen Generalvikar Martin Grichting. Unter dem Motto "Es reicht!" übergaben um die 2000 reformwillige Katholiken am 9. März Markus Büchel, dem Präsidenten der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), ein entsprechendes Schreiben mit der Forderung nach einem dem Bischof übergeordneten Administrator, der für eine barmherzige und weltzugewandte Kirche einstehe und Diskriminierungen jeglicher Art weder verursache noch dulde. Als Auslöser für diese drastische Forderung nannten die Demonstranten nicht nur Huonders Stellungnahme zur Pastoralumfrage, sondern auch seine Aussagen zu Genderfragen am internationalen Tag der Menschenrechte 2013 oder etwa seine Befürwortung zur Volksinitiative "Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache", entgegen dem vorangegangenem SBK-Beschluss auf Stimmfreigabe. Das Bistum vertrat die Ansicht, das eigentliche Problem der Initianten sei nicht die Person Vitus Huonder, sondern die Unvereinbarkeit gewisser Wertvorstellungen mit Teilen der kirchlichen Lehre. Huonder stand jedoch nicht ohne Unterstützung da: Der Bund junger Katholiken wollte den Bischof in einer am gleichen Tag stattfindenden Kundgebung unterstützen, was der Organisation jedoch von Bischof Huonder des kirchlichen Friedens Willen untersagt wurde. Durchgeführt wurde dann jedoch im Rahmen der Gebetsinitiative "Nein zum Krieg unter uns" ein Gottesdienst für Huonder mit 300 Gläubigen. Ein erstes klärendes Gespräch zwischen den reformwilligen Katholiken und der Churer Bistumsleitung fand im November statt, förderte jedoch noch keine sichtbare Annäherung der Parteien zutage.

Bischof Vitus Huonder

Bundesrätin Metzler eröffnete zwei Monate vor der Volksabstimmung vom 10. Juni mit viel persönlichem Engagement die Abstimmungskampagne zur Aufhebung des Bistumsartikels in der Bundesverfassung, die National- und Ständerat im Vorjahr beschlossen hatten. Sie führte aus, kein Staat kenne eine Bewilligungspflicht für Bistümer. Eine solche Einschränkung des Rechts einer Glaubensgemeinschaft auf Selbstorganisation und damit der Religionsfreiheit sei nicht gerechtfertigt, namentlich auch nicht durch das Interesse der öffentlichen Sicherheit – ganz abgesehen davon, dass die staatliche Kompetenz, Massnahmen zur Wahrung des religiösen Friedens zu treffen, ohnehin in der Verfassung bleiben wird. Die Streichung der Ausnahmeregelung sei auch von der Europäischen Menschenrechtskonvention und vom internationalen Menschenrechtspakt II her geboten. Mit Ausnahme der EDU und der PdA, welche die Nein-Parole ausgaben, sowie der SD, die Stimmfreigabe beschlossen, folgten alle politischen Parteien dieser Argumentation.

Weit weniger geeint zeigten sich die kirchlichen Organisationen. Während die Bischofskonferenz erwartungsgemäss für eine Streichung der Bestimmung eintrat, taten sich mehrere katholische Laienorganisationen schwer damit, da sie im Bistumsartikel eine Art Pfand für eine Mitsprache der Kirchenbasis bei Bischofsernennungen sahen; gegen eine Streichung sprach sich schliesslich aber nur der Schweizerische Katholische Frauenbund aus. Die reformierte Landeskirche verzichtete nach längerem Hin und Her auf eine Abstimmungsempfehlung. Obgleich sie die Information des Bundesrates als einseitig empfand – insbesondere bestritt sie, der Bistumsartikel sei diskriminierend und menschenrechtswidrig – wollte sie nicht Öl ins Feuer der konfessionellen Diskussionen giessen; sie plädierte aber erneut für die Schaffung eines Verfassungsartikels, in dem die Beziehungen zwischen dem Bund und den Religionsgemeinschaften zeitgemäss geregelt würden. Gegen die Streichung wehrten sich hingegen evangelikale Splittergruppen.

Parlamentarische Initiative der zur Aufhebung des Bistumsartikels (Pa.Iv. 00.415)

Der Ständerat sprach sich bereits mehrmals für eine Abschaffung des Bistumsartikels aus, welcher zur Errichtung neuer oder zur territorialen Veränderung bestehender Bistümer die Zustimmung des Bundes voraussetzt. Nachdem er bei der Verfassungsdiskussion mit seinem Ansinnen gegenüber Bundes- und Nationalrat unterlegen war, hatte er die Landesregierung beauftragt, Entwürfe für eine entsprechende Teilrevision des Grundgesetzes in eine Vernehmlassung zu geben. Diese fiel bedeutend kontroverser aus als von der kleinen Kammer erwartet. Die vier Bundesratsparteien sprachen sich für eine Abschaffung aus, ebenso die Schweizerische Bischofskonferenz, welche einmal mehr festhielt, dass es sich hier in erster Linie um ein antikatholisches Relikt aus der Zeit des Kulturkampfes handle. Wichtige Basisorganisationen (Römisch-katholische Zentralkonferenz, Katholischer Frauenverband) meldeten hingegen Widerstand an und meinten, vor einer Abschaffung müssten mit dem Vatikan ganz klare Abmachungen über die Mitsprache des Kirchenvolkes bei der Wahl von Bischöfen stipuliert werden. Der Widerstand der katholischen Basisbewegung erklärte sich durch die langjährigen Querelen um den äusserst umstrittenen Churer Exbischof Haas. Auch der Evangelische Kirchenbund und die Christkatholische Kirche lehnten eine bedingungslose Streichung ab; ihrer Meinung nach sollten die Beziehungen zwischen Kirche und Staat in einem speziellen Verfassungsartikel umfassend geregelt werden. Die meisten katholisch dominierten Kantone votierten für die Abschaffung. Bern wollte grundsätzlich am Bistumsartikel festhalten; Zürich und Genf vertraten die Auffassung, eine Aufhebung sei zumindest verfrüht.

Die Ergebnisse der Vernehmlassung bewogen die Staatspolitische Kommission des Ständerates, das Tempo zu drosseln – vorgesehen war ursprünglich eine Volksabstimmung im Lauf des Jahres 2000 – und weitere Interessenvertreter anzuhören. Nach diesen Hearings kam sie zum Schluss, dass eine isolierte Streichung des Bistumsartikels unnötige Diskussionen und unerwartete Emotionen auslösen könnte. Die SPK verzichtete deshalb darauf, diese dem Plenum zu unterbreiten. Mit einer Motion wollte sie dagegen den Bundesrat auffordern, eine umfassende Änderung von Art. 72 der Bundesverfassung vorzubereiten und das Anliegen mit einer Vorlage über das generelle Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften zu erfüllen.

Abschaffung des Bistumsartikels in der Bundesverfassung nicht geglückt (Ip. 94.3421 und Pa. Iv. 94.433)

Im Anschluss an die "Affäre Vogel" forderten über 70'000 Personen in einer Petition an die Schweizerische Bischofskonferenz die Abschaffung des Pflichtzölibats in der katholischen Kirche und die Zulassung der Frauen zur Priesterweihe. Die Unterschriften wurden von Pfarreien, basiskirchlichen Organisationen und dem Katholischen Frauenbund mit Unterstützung der Zeitschrift "Schweizerischer Beobachter" gesammelt. Die Bischofskonferenz bezeichnete die Petition als positives Zeichen der Mitsorge und versprach, den Dialog sowohl mit der Kirchenbasis als auch mit den Bischofskonferenzen der Nachbarländer Deutschland und Österreich aufzunehmen.

Petition Abschaffung des Pflichtzölibats Zulassung der Frauen zur Priesterweihe

In Luzern stellten sich die Stimmbürger hinter den Grossen Stadtrat und genehmigten mit deutlichem Mehr den Projektierungskredit für ein neues Konzert- und Kongresszentrum, gegen den die Unabhängige Frauenliste (UFL) das Referendum ergriffen hatte. In Anlehnung an das Versprechen der Stadtregierung, in allen Projektierungsphasen die Meinung der Luzerner Stimmbürger und Stimmbürgerinnen einzuholen, erklärte die UFL bereits am Abstimmungsabend, sie würde sich 1990 bei der Verabschiedung des weiterführenden Projektkredits wieder kritisch zu Wort melden. Gross war dann wenige Monate später die Empörung, als bekannt wurde, dass eine private «Stiftung Konzerthaus Luzern» sich bereit erklärt hatte, die dafür benötigten rund CHF 3 Mio. aus eigenen Mitteln aufzubringen, wodurch das fakultative Referendum und eine eventuelle weitere Abstimmung entfallen würden.

Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL)

Mit einer gross angelegten «Kulturoptimierungsstudie» eines privaten Betriebsberatungsbüros suchte man in Luzern der Raumnot die Stirne zu bieten, wobei hier nicht nur alternative Gruppen mehr Raum, sondern auch die Veranstalter der Internationalen Musikfestwochen einen neuen Konzertsaal und die Trägerschaft des Kunstmuseums ein grösseres Gebäude verlangten. Nachdem die Studie vorlag, sprach der Grosse Stadtrat Projekt- und Detailplanungskredite – nach Ansicht der Unabhängigen Frauenliste und des Grünen Bündnisses allerdings übereilt, weshalb diese erfolgreich das Referendum ergriffen. Auch die Tatsache, dass eine Privatperson den fraglichen Betrag von CHF 960'000 der Stadt kurzerhand schenkte, konnte die Sache der demokratischen Kontrolle nicht entziehen. Anfangs Dezember fand schliesslich noch eine Volksabstimmung über die Nutzung einer stillgelegten Fabrik statt. Diese konnte jedoch den Entschluss des Stadtrates, die Liegenschaft zum grösseren Teil dem Gewerbe und nur zum kleineren Teil der alternativen Kultur zu übergeben, nicht zugunsten der Kultur umstossen. Immerhin wurde der Ja-Anteil von 41.8 Prozent als positives Verdikt für die Belange der alternativen Kultur interpretiert.

Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL)