Bereits im Juli 2015 hatte der Bundesrat in Beantwortung eines Postulats einen Bericht vorgelegt, in dem er einen „Optimierungsbedarf" bei der Bemessung von IV-Renten für Personen, die zuvor in einem Teilzeitpensum arbeiteten, ausmachte. Zum überwiegenden Teil sind davon Frauen betroffen. Im Februar 2016 fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein Urteil zur IV-Berechnung bei Teilzeitangestellten und rügte die gängige Praxis als diskriminierend gegenüber Frauen. Beschwerde eingereicht hatte eine Mutter mit einem Rückenleiden, deren Invaliditätsgrad nach der Geburt ihrer zwei Kinder gesenkt worden war, was in einem Verlust der Rente resultierte. Die IV hatte die so genannte gemischte Methode zur Berechnung angewandt, die für Teilzeit erwerbstätige Personen mit Haushaltspflichten gilt und die Arbeitsfähigkeit im Beruf und bei der Hausarbeit separat berücksichtigt. Der so berechnete Invaliditätsgrad wird jedoch nur entsprechend dem Teilzeitpensum berücksichtigt, womit es zu einer doppelten Gewichtung des Teilpensums kommt und der resultierende Invaliditätsgrad oft unter den minimalen 40% für eine Teilrente liegt. Entsprechende Fälle sind gemäss Aussage der Behindertenorganisation Procap häufig. Das Bundesgericht hatte dazugehörige Entscheide wiederholt mit dem Argument gestützt, nicht nur invalide, sondern auch gesunde Menschen würden nach der Geburt von Kindern Einkommenseinbussen erleiden, wenn sie ihre Erwerbstätigkeit einschränken oder aufgeben – diese gesellschaftliche Realität auszugleichen, sei nicht Aufgabe der IV, auch wenn davon primär Frauen betroffen sind. Die Teilzeitarbeit komme einem freiwilligen Verzicht auf einen Teil des Lohns gleich, womit auch Einbussen bei den Sozialversicherungen verbunden sind. Das Strassburger Gericht dagegen urteilte, es liege klar eine Diskriminierung vor, die Betroffenen würden in ihrem Recht auf Familienleben beeinträchtigt. Die gemischte Methode betreffe – dies gemäss Angaben des Bundesrates – zu 98% Frauen. Sie benachteilige damit einen grossen Teil der Mütter, die nach der Geburt eines Kindes ihre Erwerbstätigkeit reduzieren, und sei nicht mehr zeitgemäss. Trotz des knappen Entscheids des Gerichts von vier zu drei Stimmen wird dem Urteil eine Signalwirkung zugeschrieben.

Diskriminierung von Teilzeitangestellten