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Gut ein Jahr nach der Behandlung durch ihre Schwesterkommission befasste sich die WBK-NR im Januar 2021 erneut mit der parlamentarischen Initiative Wehrli (fdp, VD) «Für ein Programm zu Jugend und Ernährung». Dabei blieb sie mit 12 zu 12 Stimmen und dem Stichentscheid des Präsidenten Reynard (sp, VS) bei ihrer positiven Haltung gegenüber der Vorlage und beantragte dem Nationalrat Folgegeben, «ohne sich [allerdings] auf die Modalitäten der Umsetzung fest[...]legen» zu wollen. Hinsichtlich einer möglichen Implementierung und der Erarbeitung einer Strategie für nachhaltige Ernährung entschied sie sich zudem mit 17 zu 7 Stimmen, ein Postulat einzureichen, welches das Aufzeigen bestehender nationaler und kantonaler Angebote im Zusammenhang mit «Jugend und Ernährung» zum Ziel hat. Die Kommission führte überdies gemäss eigenen Angaben eine umfassende Analyse zum Thema «Jugend und Ernährung» durch und konsultierte dazu Vertreterinnen und Vertreter der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz, der Allianz Ernährung und Gesundheit, der Allianz der Wirtschaft für eine massvolle Präventionspolitik (AWMP), des Verbands Schweizerischer Mineralquellen und Soft-Drink-Produzenten (SMS) sowie von éducation21.

Für ein Programm zu Jugend und Ernährung (Pa.Iv. 19.463)

Noch bevor die Räte den gemäss SGK-NR weniger umstrittenen Teil des ersten Massnahmenpakets zu Ende beraten hatten, behandelte der Nationalrat in der Sondersession im Oktober 2020 die übrigen Artikel des ersten Kostendämpfungspakets unter dem Namen Paket 1b des ersten Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Dazu gehörten die Massnahmen zur Steuerung der Kosten, das Beschwerderecht der Versicherer gegen Spitalplanungsentscheide sowie das Referenzpreissystem für patentabgelaufene Arzneimittel. Mit 17 zu 0 Stimmen bei 8 Enthaltungen hatte die SKG-NR ihren Entwurf, der gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag einige gewichtige Änderungen enthielt, zuvor angenommen. Eintreten war unbestritten.

Als ersten Hauptpunkt diskutierte der Nationalrat die Frage der Kostensteuerung, wobei Ruth Humbel (cvp, AG) und Philippe Nantermod (fdp, VS) die Kommissionsposition ausführlich darlegten: Eine knappe Kommissionsmehrheit unterstütze die Kostensteuerung generell. Diese lege fest, dass Tarifverträge entsprechend der Forderung der angenommenen Motion Brand (svp, GR; Mo. 18.3305) Massnahmen zur Kostenkorrektur im Falle eines unvorhergesehenen Anstiegs der Gesundheitskosten enthalten müssen. Anstatt entsprechende Regeln vorzuschreiben, wie der Bundesrat beabsichtigt hatte, setzte die Kommission jedoch auf degressive Tarife: Bei häufigerer Anwendung sollten die Tarife entsprechend sinken. Stattdessen folgte der Rat jedoch äusserst knapp mit 91 zu 90 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) einer Minderheit II Hess (bdp, BE), die vorschlug, die Kostensteuerungsmassnahmen aus dieser Vorlage zu streichen, zumal sie ein «Bestandteil des Zielkostensystems» seien, welches erst im zweiten Kostendämpfungspaket behandelt werden wird. Entsprechend solle diese Massnahme ins zweite Paket verschoben werden.

Der zweite Hauptpunkt der Vorlage stellte das Beschwerderecht der Krankenversicherungen und ihrer Verbände gegenüber Entscheidungen der Kantonsregierungen bezüglich der Spitallisten sowie bezüglich Preisfestsetzungen für Arzneimittel, wie die Kommissionsmehrheit den bundesrätlichen Vorschlag ergänzt hatte, dar. Eine Minderheit Prelicz-Huber (gp, ZH) wehrte sich dagegen, dass «private Interessen eine Steuerung durch die politische Seite, durch die Kantone, aufheben» können sollen. Stattdessen soll die Kompetenz sowie die Entscheidhoheit in den entsprechenden Fragen bei den Kantonen und damit bei der Politik verbleiben. Nur die Politik und das Volk hätten das Wohl der ganzen Bevölkerung im Blick, während die Versicherungen ihre Partikularinteressen verfolgten, argumentierte sie. Konsequenterweise müsse man sonst auch ein Beschwerderecht unter anderem für Patienten- und Patientinnenorganisationen oder für die Sozialpartner einrichten. Zudem könne die entsprechende Regelung zu einer Blockade und zu Rechtsunsicherheit führen. Dem widersprach unter anderem Thomas de Courten (svp, BL), der die Versicherungen im Gesundheitswesen als «Anwälte der Patientinnen und Patienten» bezeichnete und die Massnahme für nötig erachtete, damit ein Gleichgewicht in der Verhandlungsmacht sichergestellt und die alleinige Macht der Kantone gebrochen werden könne. Die Minderheit setzte sich mit 104 zu 75 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) respektive 94 zu 87 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) durch, der Nationalrat sprach sich somit gegen das Beschwerderecht der Krankenversicherungen aus. Die Stimmen für die Kommissionsmehrheit stammten von Mehrheiten der SVP-, FDP.Liberale- und Mitte-Fraktion.

Den dritten zentralen Aspekt stellte die Frage des Referenzpreissystems für patentabgelaufene Arzneimittel dar, das der Bundesrat einführen wollte. Mit einem Referenzpreissystem für Generika dürfte die OKP zukünftig nur noch denjenigen Preis für ein Arzneimittel vergüten, der in diesem Referenzpreissystem festgelegt worden war — ausser es ist das einzige für die Patientin oder den Patienten mögliche Arzneimittel, dann wird es unabhängig vom Preis vergütet. Die Kommissionsmehrheit lehnte nun die Schaffung eines solchen Systems ab. Hier gehe es um Fragen der Versorgungssicherheit und der Patientensicherheit (wie in diesem Bericht ausgeführt wird), erklärte Kommissionssprecherin Humbel. Bei wechselnden Referenzpreisen bestehe die Gefahr, dass es zu nicht medizinisch begründeten Medikamentenwechseln komme, was zu abnehmender Therapietreue und sinkender Patientensicherheit und dadurch zu Folgekosten führen könne. Zudem könnten Firmen aufgrund des Preisdrucks darauf verzichten, ihre Produkte in der Schweiz anzubieten, wodurch die Abhängigkeit von den übrigen Lieferanten steige. Wie problematisch eine solche Abhängigkeit sei, habe sich im Rahmen der Corona-Krise gezeigt. Die Kommission wolle deshalb auf das Referenzpreissystem verzichten und stattdessen, beruhend auf einem Vorschlag von Curafutura, Pharmasuisse, Ärzte mit Patientenapotheke und Intergenerika die Generikapenetration erhöhen. Der Marktpreis solle daher jährlich statt alle drei Jahre überprüft und die Generikapreise gegenüber den Originalen um weitere fünf Prozent gesenkt werden. Zudem soll eine preisunabhängige Vertriebsmarge geschaffen werden, damit Ärztinnen, Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker nicht wie bisher mehr Geld verdienten, wenn sie teurere Medikamente verkauften. Entsprechend habe man auch einstimmig die Motion 20.3936 eingereicht.
Eine Minderheit I Hess unterstützte hingegen das Referenzpreissystem des Bundesrates. Minderheitensprecher Hess argumentierte, seine Minderheit habe das bundesrätliche System etwas vereinfacht und abgeschwächt. So solle das Referenzpreissystem nur gelten, wenn mehr als zwei wirkstoffgleiche Medikamente auf dem Markt sind und ein Arzneimittel vom Bundesrat nicht als unverzichtbar festgelegt worden war. Mit einem eigenen Preis, also unabhängig vom Generika-Preis, sollten überdies Biosimilars, das sind Nachahmerpräparate, deren Wirkstoffe nicht mit denjenigen der Originale identisch sind, ins Preissystem aufgenommen werden, da diese gemäss dem revidierten Heilmittelgesetz nicht mit Generika gleichgesetzt werden können. Mit diesem Modell, das er als Referenzpreissystem «light» bezeichnete, könne das grösstmögliche Sparvolumen erreicht werden, argumentierte der Minderheitensprecher.
Eine Minderheit II Porchet (gp, VD) wollte überdies das Substitutionsrecht für Apothekerinnen und Apotheker stärken. Diese sollten zukünftig bei neuen Behandlungen eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel abgeben müssen, sofern dies aus medizinischer und pharmazeutischer Sicht möglich ist.
Mit 114 zu 65 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat die Einführung des Referenzpreissystems light ab. Interessant ist dabei, dass sich die Positionen der SP und der Grünen in dieser Frage deutlich unterschieden, was in Gesundheitsfragen nur selten der Fall ist: Während die SP die Einführung eines Referenzpreissystems zusammen mit der Mehrheit der Mitte-Fraktion unterstützte, sprachen sich die Grünen mit der GLP-Fraktion, der Mehrheit der SVP-, der FDP.Liberalen- und der Minderheit der Mitte-Fraktion dagegen aus. Abgelehnt wurden auch die Anträge auf eine Sonderbehandlung der Biosimilars (103 zu 75 Stimmen bei 7 Enthaltungen) sowie der Antrag der Minderheit II Porchet (108 zu 77 Stimmen). In letzterer Frage standen SP und Grüne zusammen mit den Grünliberalen wieder gemeinsam auf der Seite der Minderheit.

Im Rahmen dieser drei Hauptthemen behandelte der Nationalrat auch weitere Detailfragen, so zum Beispiel die Frage der verhandelten Rabatte. Als «Tabubruch» und als «absolutes No-Go» bezeichnete Barbara Gysi (sp, SG) den Vorschlag der SGK-NR, wonach maximal 25 Prozent der Einsparungen durch zwischen Tarifpartnern und Leistungserbringenden ausgehandelten tieferen Preisen und Tarifen den Versicherungen zur freien Verfügung stehen sollten, dass sie gemäss Gysi also «in die Taschen der Versicherer fliessen» sollten. Bisher mussten die entsprechenden Einsparungen vollumfänglich den Versicherten zugute kommen. «Braucht es denn wirklich dieses sogenannte Incentive [...], damit die Krankenversicherer ihre Arbeit tun, nämlich günstige Preise aushandeln?», fragte Gysi rhetorisch. Entsprechend beantragte ihre Minderheit die Streichung des Artikels, zumal dieser gemäss Flavia Wasserfallen (sp, BE) auch ohne seriöse Abklärungen in die Kommission gelangt sei. Kommissionssprecherin Humbel führte aus, dass der Ständerat bei Annahme dieser Regelung noch prüfen müsse, ob dieser Artikel dem grundsätzlichen Gewinnverbot in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und der Forderung in Art. 56 Abs. 3bis KVG, wonach alle nicht der Qualitätsverbesserung dienenden Vergünstigungen an die Versicherten weitergegeben müssen, widerspricht und was unter dem Ausdruck «zur freien Verfügung» genau verstanden werden soll. Thomas de Courten befürwortete schliesslich den Mehrheitsantrag; es sei der «Sinn dieser ganzen Debatte, dass wir die Kosten dämpfen und die Anreize entsprechend setzen». Mit 117 zu 67 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Nationalrat für den Kommissionsvorschlag aus.
Ausführlich legte schliesslich Thomas de Courten seinen Minderheitsantrag zu den Parallelimporten dar. Er wehrte sich darin gegen den Vorschlag der Kommissionsmehrheit, patentabgelaufene Medikamente ohne Zulassungspflicht durch Swissmedic auf den Schweizer Markt zu bringen. Parallelimporte seien bereits heute erlaubt, dabei müssten aber dieselben Bedingungen eingehalten werden, die für alle anderen Medikamente auch gelten. Mit dem Vorschlag der Kommission könnten Zulassungsentscheide irgendwelcher anderen Länder zukünftig auch für die Schweiz gelten, ohne dass zum Beispiel die Good Manufacturing Practice der Schweiz im Herstellungsprozess beachtet werden müsste. Eine zusätzliche Prüfung durch Swissmedic sei nicht nötig, da man davon ausgehe, dass die ausländischen Zulassungsbehörden dieselben Qualitätsanforderungen stellten wie Swissmedic, begründete Kommissionssprecherin Humbel den Minderheitsantrag. Mit 128 zu 53 Stimmen folgte der Rat diesbezüglich jedoch der Mehrheit, Gehör fand das Anliegen von de Courten nur bei der Mehrheit der SVP-Fraktion und je einem Mitglied der FDP.Liberalen- und der Mitte-Fraktion.

In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat seinen Entwurf schliesslich mit 130 zu 52 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an. Die Gegenstimmen stammten von der SP-Fraktion sowie von der Mehrheit der Grünen-Fraktion.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Im Oktober 2020 wurde der Ergebnisbericht zur Vernehmlassung des indirekten Gegenvorschlags zur Organspende-Initiative, welche vom 13. September bis zum 13. Dezember 2019 gedauert hatte, veröffentlicht. Insgesamt hatten 81 Akteurinnen und Akteure Stellung genommen, wobei sich mit 53 von ihnen ein Grossteil der Vernehmlassungsteilnehmenden vollumfänglich oder grundsätzlich zustimmend zum Gegenvorschlag aussprachen. Zu ihnen gehörten 21 Kantone, die beiden Parteien GLP und GPS sowie dreissig Organisationen, darunter auch Swisstransplant, eine Unterstützerin der Volksinitiative. Explizit abgelehnt wurde die Vorlage von 16 Vernehmlassungsteilnehmenden. Als Gründe für die ablehnende Haltung wurden die Befürwortung der Volksinitiative (JU), des Erklärungsmodells (LU, CVP, EVP, CBCES, EKS, MERH_UZH, NEK) oder der parlamentarischen Initiative Nantermod (fdp, VS; pa.Iv. 18.443; FDP), aber auch die zu enge Zustimmungslösung (ÄPOL) und der Wunsch nach Beibehaltung der aktuell gültigen erweiterten Zustimmungslösung (HGS) aufgeführt. Weitere Argumente gegen den indirekten Gegenvorschlag liessen sich auf ethische Bedenken (SH, HLI, MIGUNIBE, SPO) oder auf die Forderung zurückführen, dass die Vorlage Teil eines Gesamtprojekts zur Einwilligung in der Gesundheits- und Humanforschung sein sollte (Privatim). Weder eine zustimmende noch eine ablehnende Haltung nahmen aus diversen Gründen zehn Vernehmlassungsteilnehmende ein (BL, TG, iEH2, SPS, BDP, SVP, GDK, insieme, SBK und SGG). Der SAV, santésuissse und der SSV verzichteten auf eine Stellungnahme.

Positiv aufgenommen wurde von der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden die geplante Einbindung der Angehörigen. In diesem Zusammenhang kam denn auch mehrfach die Forderung auf, dass eine Organentnahme nur zulässig sein soll, wenn die Angehörigen erreicht werden können. Auch die gesetzliche Verankerung eines Registers wurde grösstenteils befürwortet, wobei verschiedene Änderungsvorschläge eingingen. Einer von ihnen bestand darin, dass neben der Dokumentation des Widerspruchs auch eine Zustimmung festgehalten werden können sollte. Von verschiedenen Seiten wurde zudem der Wunsch geäussert, dass der Stiftung Swisstransplant die Registerführung zukommen soll, weil sie bereits über ein Register verfüge. Ferner wurde der Information der Bevölkerung über das Widerspruchsmodell ein hoher Stellenwert beigemessen.

Organspende-Initiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 20.090)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Im Mai 2020 legte der Bundesrat dem Parlament die Änderung des KVG bezüglich der Vergütung des Pflegematerials vor. Ziel der Vorlage war es, in Übereinstimmung mit einer Motion der SGK-NR (Mo. 18.3710) eine einheitliche Vergütung für Pflegematerial, das von der betroffenen Person selbst oder von Laien angewendet wird, und von Pflegematerial, das von Pflegefachpersonen angewendet wird, einzuführen. 2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht die Position des Bundesrates bestätigt, wonach gemäss dem bestehenden Gesetz die von Pflegefachpersonen verwendeten Materialien Bestandteil der Pflegeleistung seien und nicht separat verrechnet werden dürften. Die von den Versicherten selbst angewendeten Materialien seien hingegen separat von der OKP zu übernehmen.
Neu sollen die Materialien in drei Kategorien gegliedert werden: Die Kategorie A enthält einfache Verbrauchsmaterialien mit direktem Bezug zu den Pflegeleistungen (z.B. Handschuhe) sowie Material und Gegenstände zum Mehrfachgebrauch für verschiedene Patientinnen und Patienten (z.B. Blutdruckmessgeräte), diese sollen auch zukünftig gemäss den Regeln der Pflegefinanzierung von OKP, Versicherten und Kantonen bezahlt werden. Zur Kategorie B gehören Mittel und Gegenstände für die Untersuchung oder Behandlung einer Krankheit gemäss MiGeL (z.B. Verbandmaterial), diese werden neu unabhängig von der anwendenden Person durch die OKP finanziert. Auch die Materialien der Kategorie C, Mittel und Gegenstände, die nicht von der versicherten Person selbst oder durch eine nichtberuflich mitwirkende Person verwendet werden können (z.B. Heimventilation), werden von der OKP übernommen.
Die Vorlage soll eine Entlastung für Gemeinden und Kantone in der Höhe von jährlich CHF 65 Mio. mit sich bringen und stattdessen die Gesamtkosten der OKP um 0.2 Prozent erhöhen. Da die Höhe des Bundesbeitrags an die Prämienverbilligung 7.5 Prozent der OKP-Bruttokosten beträgt, steigt auch der entsprechende Bundesbeitrag um CHF 4.9 Mio.

Zwischen Dezember 2019 und Februar 2020 fand die Vernehmlassung zur Vergütung des Pflegematerials statt. Dabei gingen 126 Stellungnahmen ein. Die Kantone und mit ihnen die GDK sowie die Leistungserbringenden sprachen sich für die Änderung aus. Auch die CVP, EVP, FDP, GLP und SP zeigten sich mehrheitlich zufrieden, äusserten jedoch teilweise Vorbehalte, insbesondere bezüglich der Kostenverlagerung zur OKP. Die SVP lehnte die Vorlage ab, da sie dadurch eine Mengenausweitung ohne qualitative Verbesserung der Pflegeleistungen befürchtete. Auch die Versichererverbände lehnten die Vorlage ab, da sie die höheren Kosten fürchteten.

In der Herbstsession 2020 behandelte der Nationalrat die Vorlage. Hatte sich die SVP im Rahmen der Vernehmlassung als einzige Partei noch gegen die KVG-Änderung ausgesprochen, stimmte auch sie der Gesetzesänderung nun zu: Einstimmig mit 189 zu 0 Stimmen nahm der Nationalrat die Vorlage an.

Änderung des KVG bezüglich Vergütung des Pflegematerials (BRG 20.046)
Dossier: Änderungsvorschläge zur Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL)

2019 veröffentlichte ein Team der Universität St. Gallen in Zusammenarbeit mit der Handelshochschule Leipzig zum vierten Mal den Schweizer Gemeinwohlatlas. Die Studie versuchte zu eruieren, welchen Beitrag Organisationen, Unternehmen oder Behörden für das Gemeinwohl der Gesellschaft leisten, wofür insgesamt 110 Institutionen von knapp 15'000 beim Marktforschungsinstitut «intervista» registrierten Schweizerinnen und Schweizern aus den deutschen, französischen und italienischen Sprachregionen mit den Noten von 1 bis 6 bewertet wurden. Von den Befragten hatten im Vorfeld 73 Prozent angegeben, besorgt darüber zu sein, dass dem Gemeinwohl in der Schweiz zu wenig Beachtung zukommt.
Bei den ausgewählten Organisationen handelte es sich beispielsweise um alle SMI notierten sowie die 50 umsatzstärksten Schweizer Unternehmen und Schadens- und Krankenversicherungen; auch die grössten Genossenschaften, NGOs und Organisationen des öffentlichen Sektors sowie Sportverbände und Medienhäuser wurden bewertet. Benotet wurden Parameter aus den Hauptkategorien Aufgabenerfüllung, Zusammenhalt, Lebensqualität und Moral.

Auf den ersten fünf Plätzen fanden sich allesamt Organisationen oder Stiftungen aus dem Gesundheits- und Sozialwesen: Die Rega belegte mit der Note 5.55 den ersten Rang, gefolgt von der Spitex (Note 5.50), der Pro Senectute (Note 5.44), der Paraplegiker Stiftung (Note 5.40) und schliesslich dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) (Note 5.24) auf dem fünften Platz. Unbeliebt waren hingegen Sportverbände wie die Fifa (Note 2.39, Platz 109), die Uefa (Note 2.74, Platz 107) oder das Internationale Olympische Komitee (IOC) (Note 3.54, Platz 94). Die Sonntagszeitung hielt in einem Bericht über die Rangliste fest, dass dies auf die Korruptionsskandale oder Hooligan-Probleme zurückzuführen sei, mit welchem die Verbände zu kämpfen gehabt hätten.
Von den Unternehmen landeten auffälligerweise Genossenschaften – respektive von den Studienverfassenden als Genossenschaften gewertete Unternehmen – auf den vorderen Plätzen: Migros (12. Platz), Volg (17. Platz), Coop (19. Platz) und die Landi (22. Platz) waren besonders beliebt, ebenso die genossenschaftliche Versicherung Mobiliar (18. Platz). Beliebtestes nicht-genossenschaftliches Unternehmen war der Sanitärkonzern Geberit auf dem 28. Rang.
Verlierer unter den Konzernen waren der Rohstoffhändler Glencore (108. Platz), die Blick-Zeitung (105. Platz), das Social Media Unternehmen Facebook (102. Platz) oder die Bank UBS (96. Platz), das Schlusslicht der Rangliste bildete die Zigarettenmarke Marlboro mit der Note 2.26. Dass kommerzielle Unternehmen schlecht Abschnitten sei laut der Sonntagszeitung keine Überraschung: Untersuchungen hatten gezeigt, dass bereits das Etikett «gewinnorientiert» genüge, damit die Aktivität eines Konzerns als «schädlich» oder «weniger wertschöpfend» eingeschätzt werde.

Bewertung Organisationen

Le député socialiste Eric Nussbaumer (ps, BL) demande à sa chambre de renvoyer la motion sur le stockage du bois rond en commission. En effet, malgré le soutien unanime de cette dernière, Eric Nussbaumer note qu'un nouvel élément participant au débat a fait son apparition entre temps. Lors de sa prise de position, la CEATE-CN n'avait pas encore d'informations, fournies depuis par différentes études et révélées par les médias, concernant l'utilisation importante d'insecticides pour le stockage du bois rond. En effet, afin de se prémunir du scolyte – un petit insecte de la famille des coléoptères –, les propriétaires forestiers pulvérisent des pesticides sur le bois stocké dans les forêts en attente d'être travaillé. L'année 2018 ayant été marquée par une sécheresse dévastatrice pour les forêts et la tempête Burglind ayant causé la chute d'innombrables arbres, les scieries sont débordées. Les quantités de bois en attente sont donc particulièrement grandes, d'où une utilisation plus grande de pesticides – pesticides dont l'autorisation d'utilisation en forêt est exceptionnellement accordée pour ce genre de cas. Selon une estimation calculée par l'association des Médecins en faveur de l'environnement (MfE), quelques 700 kilogrammes d'un insecticide réputé être très toxique, irritant et pouvant endommager les organes des êtres humains ont ainsi été répandus dans les forêts suisses pour la seule année 2018. Une solution à ce problème serait de s'occuper du bois coupé dans des endroits centralisés; une solution qui coûterait cependant cher sur un marché soumis à une forte pression. Une autre possibilité reste simplement d'amener le plus rapidement possible le bois coupé en scierie; une pratique éprouvée dans le canton de Glaris et qui ne nécessite pas d'insecticides.
Le député Nussbaumer, également membre de la commission en question, considère que cet aspect joue donc un rôle dans le débat sur la facilitation du stockage du bois rond en forêt. Une majorité hétéroclite composée des partis de gauche ainsi que d'une majorité du PLR, du PBD et des verts libéraux est du même avis et décide de soutenir la motion d'ordre déposée par le socialiste (96 contre 88 et 4 abstentions).

Mise en oeuvre de la Politique forestière 2020. Conditions de défrichement facilitées (Mo. 18.3715)
Dossier: Der Schweizer Wald und die Herausforderungen des Klimawandels

Nach einem langen und emotionalen Abstimmungskampf nahm die Schweizer Stimmbevölkerung am 19. Mai 2019 die Übernahme der geänderten EU-Waffenrichtlinie mit 63.7 Prozent Ja-Stimmen deutlich an. Die Stimmbeteiligung lag bei 43.9 Prozent. Ausser im Tessin (45.5% Ja) überwog die Zustimmung in allen Kantonen. Am höchsten fiel sie in Basel-Stadt mit 75 Prozent Ja-Stimmen aus, gefolgt von den drei Westschweizer Kantonen Genf, Neuenburg und Waadt sowie dem Kanton Zürich mit jeweils über 70 Prozent. Gesamtschweizerisch zeigte sich ein klarer Stadt-Land- oder Zentrum-Peripherie-Graben, wobei die Zustimmung in den städtischen Zentren am höchsten und – nebst dem Tessin – in den ländlichen Regionen wie dem Berner Oberland, der Innerschweiz und den Bündner Südtälern am niedrigsten ausfiel.
Vertreterinnen und Vertreter der Befürworterseite werteten das Ergebnis in der Presse als positives Signal für die Beziehungen der Schweiz zur EU und blickten zuversichtlich in Richtung der anstehenden europapolitischen Entscheidungen über die Begrenzungsinitiative sowie über das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU. Demgegenüber sah das unterlegene Nein-Lager im Resultat kein Ja zu Europa, sondern schöpfte daraus neuen Elan für den Kampf gegen die Personenfreizügigkeit und das Rahmenabkommen. «Solche angstgetriebenen Abstimmungsergebnisse wären künftig die Regel, falls der Bundesrat das Rahmenabkommen mit der EU unterschreibt», zitierte beispielsweise die Aargauer Zeitung eine Mitteilung der SVP. Die Gesellschaft für ein freiheitliches Waffenrecht ProTell, die an vorderster Front gegen die Änderungen im Waffenrecht gekämpft hatte, liess derweil verlauten, man werde die Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie nun sehr genau überwachen und den Bundesrat an seinen Versprechungen messen, die er im Abstimmungskampf gemacht habe.
Der Ausgang der Abstimmung wurde sowohl von der Befürworter- als auch von der Gegnerseite zu einem grossen Teil der neuen Justizministerin Karin Keller-Sutter zugeschrieben. Sie habe mit ihrer Glaubwürdigkeit als ehemalige Polizeidirektorin eines Grenzkantons die Unentschlossenen überzeugt, lobte sie etwa der Waadtländer FDP-Nationalrat Laurent Wehrli in der «Tribune de Genève». Auch der Walliser SVP-Nationalrat und Interimspräsident von ProTell Jean-Luc Addor bezeichnete die Übernahme des EJPD durch Karin Keller-Sutter gegenüber der gleichen Zeitung als «Schlüsselmoment» in der Kampagne, weil die St. Gallerin – im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin und «historischen Waffengegnerin» Simonetta Sommaruga – im Dossier als glaubwürdig wahrgenommen worden sei. Die neue Bundesrätin bestand ihre Feuertaufe vor dem Stimmvolk offensichtlich mit Bravour.


Abstimmung vom 19. Mai 2019

Beteiligung: 43.9%
Ja: 1'501'880 (63.7%)
Nein: 854'274 (36.3%)

Parolen:
– Ja: BDP, CVP, EVP, FDP (Jungfreisinnige: 3*), GLP, GP, KVP, SP; KdK, Economiesuisse, SAV, SGV, SGB, Travail.Suisse, Gastrosuisse, Hotelleriesuisse, SBLV
– Nein: EDU, FP, SD, SVP; IGS, SOG, Schweizerischer Unteroffiziersverband, Jagd Schweiz, ProTell, SBV
* Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Übernahme der Richtlinie 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Dossier: Das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz)

Kurz nachdem das Referendum gegen die Übernahme der EU-Waffenrichtlinie offiziell zustande gekommen war, gab die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) – wohl nicht vollends beabsichtigt – sowohl für die Gegner- als auch für die Befürworterseite den Startschuss zum Abstimmungskampf. An der Präsidentenkonferenz Ende Januar 2019 sprachen sich über dreissig anwesende Sektionen einstimmig gegen die Verschärfung des Waffenrechts aus und bewilligten darüber hinaus einen finanziellen Beitrag an das Referendumskomitee. Darin Einsitz nehmen wollte die SOG jedoch nicht, wie im entsprechenden Positionspapier zu lesen war, in dem sie ihre Nein-Position damit begründete, dass die Übernahme der EU-Waffenrichtlinie das «liberale, dem Milizwesen verpflichtete Schweizer Waffenrecht» unnötig einschränke. Die Verschärfung treffe nicht den gefährlichen Handel mit illegalen Waffen, sondern die legalen Waffenbesitzerinnen und -besitzer und sei daher «keine nachhaltige Massnahme gegen die terroristische Bedrohung in der Schweiz». Die NZZ bezeichnete den Positionsbezug der SOG als wichtigen Erfolg für die Gegnerschaft des neuen Waffenrechts, insbesondere für die Schützenverbände, die im Referendumskomitee federführend waren. Bei Sicherheitspolitikerinnen und -Politikern der bürgerlichen Mitte kam die SOG damit jedoch schlecht an: Der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli zeigte sich gegenüber der NZZ «enttäuscht» von den Offizieren, denen wohl «der Stellenwert von Schengen nicht bewusst» sei. Die Luzerner CVP-Nationalrätin Ida Glanzmann-Hunkeler bedauerte an gleicher Stelle, dass die Offiziere «ins Boot der SVP» stiegen und sich für deren Kampf gegen Schengen einspannen liessen. In den Tagen darauf traten einige SOG-Mitglieder um die beiden GLP-Politiker Pascal Vuichard (GL) und Roland Fischer (LU) aus dem Schatten und verkündeten öffentlich, mit dem Positionsbezug der SOG nicht einverstanden zu sein. Vuichard äusserte Bedenken, die SOG verspiele mit diesem Statement ihre Glaubwürdigkeit, da die Armee von den Änderungen gar nicht betroffen sei. Das von den GLP-Offizieren gegründete Ja-Komitee setzte eine «Lawine der Kritik» (Tribune de Genève) an der SOG in Gang und erhielt auch parteiübergreifend weiteren Zulauf – so beispielsweise von FDP-Ständerat und Oberst im Generalstab Josef Dittli. Der «Krach der Offiziere» (BaZ) gründete darin, dass für die Ja-Komiteeangehörigen ein gutes Verhältnis zu Europa für die Schweiz aus sicherheitspolitischer Sicht absolut notwendig sei, weshalb die Schengen/Dublin-Mitgliedschaft nicht gefährdet werden dürfe, zumal die Änderung des Waffenrechts «sehr umsichtig und pragmatisch» erfolge. Dass sich auch Armeechef Philippe Rebord hinter das neue Waffenrecht stellte, befeuerte die Debatte zusätzlich. SOG-Präsident Stefan Holenstein gab derweil gegenüber der Presse zu Protokoll, das Waffenrecht sei «kein Kernthema» der SOG und der Entscheid sei «keine Abstimmungsparole», sondern «eine Position als Ergebnis der internen Beratungen».

Mitte Februar lancierte Bundesrätin Karin Keller-Sutter anlässlich einer Medienkonferenz den Abstimmungskampf offiziell. Mit dem Slogan «Niemand wird entwaffnet» platzierte sie das Hauptargument des Bundesrates landesweit prominent in den Schlagzeilen: Die Änderungen am Waffenrecht seien nur geringfügig und die Schiesstradition in der Schweiz bleibe erhalten. Die Gesetzesänderung rechtfertige es somit nicht, die Schengen-Mitgliedschaft der Schweiz aufs Spiel zu setzen; die Kosten der Beendigung der Schengen-Zusammenarbeit seien schlicht zu hoch – und zwar sowohl in Form von zusätzlichen Staatsausgaben als auch in Form von Sicherheitsverlust. Das SIS werde von Schweizer Sicherheitsbehörden 300'000 Mal täglich abgefragt und habe während zehn Jahren im Schnitt zu einer Verhaftung täglich verholfen; «ohne Schengen wären wir bildlich gesprochen blind», würdigte der stellvertretende Fedpol-Direktor René Bühler den Beitrag des Schengener Abkommens an die Sicherheit der Schweiz. Hinzu kämen gemäss der Justizministerin volkswirtschaftliche Kosten von mehreren Milliarden Franken pro Jahr – einerseits im Tourismussektor, weil die Schweiz nicht mehr mit dem Schengen-Visum bereist werden könnte, andererseits im Asylbereich, da die Schweiz nach Wegfall des mit Schengen verknüpften Dublin-Abkommens Asylbewerberinnen und -bewerber nicht mehr abweisen könnte, wenn sie bereits in einem anderen Schengen-Staat Asyl beantragt haben. Wie die Gegnerschaft des neuen Waffenrechts darauf zu hoffen, dass dieser Fall nicht eintrete, sei riskant, denn der Ausschluss der Schweiz aus Schengen/Dublin erfolge bei Verweigerung der Rechtsübernahme automatisch, es sei denn, der Gemischte Ausschuss, in dem die 28 EU-Staaten und die Schweiz vertreten sind, einigte sich innerhalb von 90 Tagen einstimmig auf einen weiteren gemeinsamen Weg. Eine solche Einigung hielt Keller-Sutter jedoch für unwahrscheinlich, da sich die EU zurzeit nicht in «Kompromisslaune» (St. Galler Tagblatt) befinde. Das gegnerische Argument, die Verschärfung des Waffenrechts trage nichts zur Terrorismusbekämpfung bei, konterte die Bundesrätin damit, die Richtlinie beabsichtige in erster Linie, den illegalen Waffenhandel zu erschweren und die Bevölkerung vor Waffenmissbrauch zu schützen, sie sei aber «kein Pakt zur Terrorbekämpfung».

Mit ihren Erläuterungen an der Medienkonferenz erntete die Justizministerin wiederum heftige Kritik aus den Reihen des Referendumskomitees. So kreideten ihr die Gegner an, der Bundesrat habe eine Kehrtwende vollzogen, indem er die Waffenrichtlinie explizit nicht mehr in Zusammenhang mit Terrorismusbekämpfung bringe, sondern nur noch von der Bekämpfung illegalen Waffenhandels und Waffenmissbrauchs spreche. Weiter bezichtigten sie verschiedene Exponenten der Gegnerschaft mehr oder weniger direkt der Irreführung und der Falschinformation. Sie störten sich vor allem daran, dass rund 80 Prozent der im Schiesssport verwendeten Waffen neu verboten würden, und auf etwas Verbotenes bestehe kein Rechtsanspruch; daran ändere auch die vorgesehene Ausnahmebewilligung nichts. Zudem fürchteten sie sich vor zukünftigen weiteren Verschärfungen des Waffenrechts; da die EU-Richtlinie alle fünf Jahre überprüft werden solle, seien weitere Verschärfungen vorprogrammiert. Die Debatte um die Kosten des angeblich drohenden Schengen-Ausschlusses sei nur ein «Ablenkungsmanöver», zitierte die «Südostschweiz» den Walliser SVP-Nationalrat und ProTell-Interimspräsidenten Jean-Luc Addor; die EU habe überhaupt kein Interesse daran, die Abkommen zu kündigen, weil sie davon mindestens so viel profitiere wie die Schweiz und die Schweiz ja bereits ein effizientes Waffenrecht besitze. In Wahrheit sei die Reform ein «trojanisches Pferd», mit dem die EU in Zukunft alle halbautomatischen Waffen verbieten könne, so Addor gegenüber der «Tribune de Genève». Anders als der Bundesrat den Leuten weismachen wolle, seien die Änderungen für die Schützen überhaupt nicht zumutbar, stellte auch IGS-Präsident Luca Filippini in der Presse klar und betonte einmal mehr, die Annahme der Waffenrichtlinie wäre «das Ende des Schiessens als Volkssport», ja sogar «der Beginn vom Ende unseres Rechtsstaates».

So klar, wie es auf den ersten Blick den Anschein erwecken mag, waren die Fronten jedoch nicht. Wie bei den Offizieren äusserten sich auch bei den Schützen nach und nach kritische Stimmen zur Haltung des nationalen Verbandes. Während diverse kantonale Schützenverbände an ihren Versammlungen finanziell und ideologisch zum Kampf gegen das «Entwaffnungsdiktat» aus Brüssel, von dem sie sich existenziell bedroht sahen, rüsteten, beschloss etwa der Schaffhauser Kantonalschützenverband Stimmfreigabe, da die neuen Bestimmungen laut Präsident Pascal Herren «den Schiesssport nicht beeinträchtigen» würden. Auch der Präsident der Ausserrhoder Schützen, Bruno Preisig, gab in der Aargauer Zeitung zu Protokoll, er habe «kein Problem mit den neuen Regelungen», im Gegenteil: «Es wäre klüger gewesen, das Geld in die Nachwuchsförderung, statt in eine grosse Nein-Kampagne zu investieren.» Für ein Ja zum neuen Waffenrecht setzten sich hingegen geschlossen die grossen Wirtschaftsverbände Economiesuisse, Hotelleriesuisse und der Gewerbeverband sowie kantonale Handelskammern ein. Auf Druck der Tourismusbranche hatte sich der Gewerbeverband Ende Januar zur Ja-Parole durchgerungen, obwohl der von SVP-Nationalrat Jean-François Rime (FR) präsidierte Verband die Vorlage vor Jahresfrist noch als unverhältnismässig abgelehnt hatte, wie das St. Galler Tagblatt berichtete. Bedeutend für die Wirtschaft seien gemäss der NZZ vor allem die Folgen eines Neins: Die Verbände befürchteten zusätzliche Kosten für das Asylwesen und die innere Sicherheit, höhere Staukosten im grenzüberschreitenden Verkehr infolge wiedereingeführter Grenzkontrollen sowie einen Rückgang der Tourismus-Nachfrage aufgrund des wegfallenden Schengen-Visums. Anlässlich ihrer Delegiertenversammlung schloss sich Ende März schliesslich noch die SVP, die sich im Abstimmungskampf bisher zurückgehalten hatte, offiziell dem Nein-Lager an. Der Berner SVP-Nationalrat Werner Salzmann begründete die Zurückhaltung seiner Partei gegenüber der NZZ damit, dass man sich in einem Wahljahr befinde und somit «nicht beliebig Geld zur Verfügung [habe], um die Kampagnen von Verbänden zu unterstützen». Hinter vorgehaltener Hand sei man in Schützenkreisen jedoch sogar froh um die Zurückhaltung der SVP, so die NZZ weiter, da ein klares Verständnis des Referendums als Angriff auf Schengen/Dublin wohl eher der Befürworterseite zum Vorteil gereicht hätte. Alle anderen grösseren nationalen Parteien gaben indes die Ja-Parole aus.

Anfang April zeugten erste Umfrageergebnisse von einer bereits starken Meinungsbildung an den beiden politischen Polen. Insgesamt hatten 53 Prozent der Befragten angegeben, (eher) für die Verschärfung des Waffenrechts stimmen zu wollen, 46 Prozent (eher) dagegen. In den Anhängerschaften der beiden grossen Polparteien sprachen sich je über drei Viertel klar dafür (SP) bzw. klar dagegen (SVP) aus. Bei den Mitte-Parteien betrug die Zustimmung hingegen trotz Ja-Parolen nur gerade 50 (FDP) bzw. 47 Prozent (CVP). Die Abstimmung werde somit in der Mitte entschieden, so die Experteneinschätzung. Das überparteiliche Ja-Komitee interpretierte den äusserst knappen Vorsprung als «Weckruf» (Tages-Anzeiger), die Stimmbevölkerung noch klarer von der Wichtigkeit von Schengen/Dublin überzeugen zu müssen. Dies schien der Befürworterschaft zunehmend zu gelingen, konnte das Ja-Lager in den folgenden Umfragen doch entscheidend zulegen. Zwei Wochen vor dem Abstimmungstermin verbuchte es mit einer Zustimmung von rund 60 Prozent einen komfortablen Vorsprung. Die Sympathisantinnen und Sympathisanten aller grosser Parteien ausser der SVP stellten sich mit klarer Mehrheit hinter die Vorlage, Frauen stärker als Männer und städtische Gebiete stärker als ländliche Regionen. Der Verbleib der Schweiz im Schengen-Raum zeichnete sich hingegen klar als das schlagende Argument der Debatte ab.

Insgesamt bot der Abstimmungskampf über die lange Zeitdauer wenig Abwechslung, verlief aber zugleich äusserst emotional. Vor allem auf der Gegnerseite war eine grosse Wut spürbar, sowohl über die vermeintliche Entwaffnung der Schweizer Bürgerinnen und Bürger als auch über die Fremdbestimmung aus Brüssel. Das Antasten des Rechts auf eine private Waffe wurde als Angriff auf die Identität des Schweizervolkes gesehen. Dagegen bot Bundesrätin Karin Keller-Sutter den Gegnern wenig Angriffsfläche, argumentierte sachlich und vornehm zurückhaltend, wie der Tages-Anzeiger den Auftritt der Justizministerin in der SRF-«Arena» Mitte April beurteilte. Indem sich die Befürworterseite hauptsächlich auf das Schengen-Argument beschränkte, wurden allerdings von beiden Seiten die immergleichen Argumente bis zum Abstimmungstermin schon fast gebetsmühlenartig wiederholt.

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Übernahme der Richtlinie 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Dossier: Das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz)

Ende 2018 wurde die «Strategie eHealth Schweiz 2.0 2018–2022» publiziert, welche auf die bisherige eHealth-Strategie aus dem Jahr 2007 folgte. Ihr Hauptaugenmerk lag auf der Verbreitung des elektronischen Patientendossiers. Mittels Digitalisierung strebte sie die Verbesserung der Behandlungsqualität, Patientinnensicherheit, Effizienz, koordinierten Versorgung, Interprofessionalität und Gesundheitskompetenz an. Durch digital kompetente Menschen und digital vernetzte Gesundheitseinrichtungen und Fachpersonen soll das Gesundheitssystem qualitativ besser, sicherer und effizienter werden, so die Vision der Strategie. Insgesamt enthielt die Strategie 25 Ziele, die sich in den drei Handlungsfeldern «Förderung von Digitalisierung», «Abstimmung und Koordination von Digitalisierung» sowie «Befähigung zur Digitalisierung» verorten liessen. Die Umsetzung soll durch den Bund, die Kantone, eHealth Suisse und den Stammgemeinschaften – Gruppen von Dienstleistenden im Gesundheitswesen – geschehen, wobei es ebenfalls der Beteiligung weiterer relevanter Akteure bedürfe.

Strategie E-Health 2.0
Dossier: Digitalisierung im Gesundheitswesen

Le DEFR a récolté 205 avis lors de la procédure de consultation du projet de modification de la loi sur le service civil (LSC). Hormis les cantons de Vaud et de Bâle-Ville, qui ne se sont pas exprimés, l'ensemble des cantons s'accordaient pour réviser le droit du service civil. L'UDC, l'UDF, le PLR, le PDC, la CG MPS, la Conférence nationale des Associations militaires faîtières, l'USAM et la SSO estimaient nécessaire d'agir. Les partis précités et la plupart des cantons soutenaient les sept mesures présentées dans le projet – un minimum de 150 jours de service civil à accomplir, un délai d'attente d'un an entre le dépôt de la demande et l'admission pour les militaires incorporés, un facteur d'1.5 pour les officiers et sous-officiers, interdiction des affectations nécessitant des études de médecine humaine, dentaire ou vétérinaire, pas d'admission de militaires n'ayant plus de jours de service à accomplir, l'obligation d'accomplir une période d'affectation par année dès l'entrée en force de l'admission, l'obligation pour les requérants ayant déposé leur demande pendant l'école de recrue de terminer leur affectation longue au plus tard pendant l'année civile qui suit l'entrée en force de la décision d'admission. Selon eux, il faudrait aller encore plus loin.
La gauche de l'échiquier politique, le PEV, le Parti Bourgeois-Démocratique, trois cantons (GR, ZG, NW), plusieurs associations et la majorité des établissements d'affectation ont rejeté le projet. Selon ces acteurs, excepté les cantons, il ne serait pas nécessaire d'intervenir. D'après leurs arguments, la révision de la loi contredirait le droit international et la Constitution fédérale (violation du principe d'égalité, de l'interdiction de l'arbitraire et de proportionnalité), les effectifs de l'armée ne seraient pas menacés, les cantons et les communes supporteraient davantage de charges en cas de diminution du nombre de civilistes, etc.

Dans son message, le Conseil fédéral a ajouté une huitième mesure, demandée par une partie des acteurs consultés, à savoir l'interdiction des affectations à l'étranger. En raison des résultats contrastés, il n'a pas souhaité durcir davantage les conditions d'accès au service civil. Face à la critique d'un manque de vue d'ensemble du système de l'obligation de service, il a rappelé l'existence du rapport «Avenir de l'obligation de servir» et que la révision de la loi fédérale sur la protection de la population et sur la protection civile serait transmise au Parlement. Il a ordonné une analyse relative au renouvellement des effectifs de l'armée et de la protection civile. Selon les conclusions, il pourrait proposer d'autres modifications du système de l'obligation de servir. La mise en œuvre de la loi est prévue pour mai 2020.

Bundesrat will Zulassungen zum Zivildienst drastisch einschränken (BRG. 19.020)
Dossier: Bundesgesetz über den zivilen Ersatzdienst

An der Vernehmlassung zum ersten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen zwischen September und Dezember 2018 beteiligten sich 150 Einheiten und Organisationen, darunter alle Kantone, die sieben grossen nationalen Parteien, der Städte- und der Gemeindeverband, Dachverbände der Wirtschaft, Konsumenten-, Patienten-, Leistungserbringenden- sowie Versichererverbände. Entsprechend breit war trotz Lobes für die Bemühungen des Bundesrates zur Kostensenkung auch die Kritik an dem neuen Projekt. Insbesondere wurde vor Wechselwirkungen mit anderen Revisionen, vor Finanzierungs- oder Versorgungsproblemen sowie vor einer verstärkten Bürokratisierung oder staatlichen Steuerung gewarnt, wie das BAG in seinem Ergebnisbericht erklärte.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Im November 2018 veröffentlichte der Bundesrat die Botschaft für eine Änderung des Erwerbsersatzgesetzes (EOG) zur Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen, wie sie die Motion der SGK-SR vom August 2016 (Mo. 16.3631) gefordert hatte. Grund für die Revision des EOG sei eine Rechtslücke bei der Mutterschaftsentschädigung, da die Mütter bei über dreiwöchigem Spitalaufenthalt der Neugeborenen heute zwar die Mutterschaftsentschädigung aufschieben könnten, jedoch weder das EOG noch eine andere Versicherung bei Aufschub der Mutterschaftsentschädigung Leistungen vorsähen. Daher schlug der Bundesrat 56 zusätzliche Entschädigungstage (Wochentage, nicht Arbeitstage) sowie eine Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs und des Schutzes vor Kündigung zur Unzeit vor, sofern Neugeborene mindestens drei Wochen im Spital verbleiben müssten und die Mütter nach dem Mutterschaftsurlaub ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnähmen. Die Zusatzkosten von jährlich CHF 5.9 Mio. würden durch die aktuellen Einnahmen der EO gedeckt.

Bei der Vernehmlassung von März bis Juni 2018, an der sich alle 26 Kantone, fünf im eidgenössischen Parlament vertretene Parteien sowie zahlreiche Verbände beteiligten, traf der Vorschlag ausser bei der SVP und dem Gewerbeverband mehrheitlich auf Zustimmung. Die SVP argumentierte, dass die Erholung der Mutter und der Aufbau einer Bindung zum Kind – der Zweck des Mutterschaftsurlaubs – auch im Spital geschehen könnten. Der SGV hielt die Nachweispflicht für die Mütter, dass sie bereits vor der Geburt geplant hätten, nach dem Mutterschaftsurlaub wieder zu arbeiten, für unpraktikabel und forderte das Vorliegen eines gültigen Arbeitsvertrags. Auch SAV, SGB und Travail.Suisse erachteten diesen Nachweis als zu komplex und sprachen sich stattdessen für eine Überprüfung durch die Ausgleichskassen anhand der später entrichteten Beiträge aus, während die SP eine Ausdehnung der Entschädigung auf alle Frauen unabhängig ihrer Erwerbstätigkeit forderte. Darüber hinaus kritisierten SGB und Travail.Suisse, dass die Vorlage nicht alle Lücken im sozialen Netz bezüglich Mutterschaftsentschädigung schliesse.

Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen (BRG 18.092)

Eine Woche nach den Schlussabstimmungen in den eidgenössischen Räten zur Übernahme der EU-Waffenrichtlinie wurde die über lange Zeit immer wieder ausgesprochene Referendumsdrohung in die Tat umgesetzt. Am 5. Oktober 2018 präsentierte sich das Referendumskomitee, co-präsidiert von SSV- und IGS-Präsident Luca Filippini zusammen mit den drei SVP-Nationalräten Jean-Luc Addor (VS), Werner Salzmann (BE) und Jean-François Rime (FR) sowie SVP-Nationalrätin Silvia Flückiger-Bäni (AG), vor den Medien. Die IGS als Hauptträgerin des Referendums vereint 14 Verbände aus dem Umfeld des Schweizer Schiesswesens, darunter neben Sportschützen auch Jäger, Waffensammler und -händler. Der zentrale Kritikpunkt der IGS am neuen Waffenrecht war der «Paradigmenwechsel», dass der Waffenbesitz von einem generellen Recht für Schweizerinnen und Schweizer zu einem Privileg herabgestuft werde, das nur noch ausnahmsweise gewährt werde; die damit verbundene «Vorstellung, künftig mit einer verbotenen Waffe schiessen zu müssen», sei das Problem, so die NZZ. Darüber hinaus wurde diese Änderung vom Referendumskomitee jedoch auch als erster Schritt in Richtung Abschaffung des Privatwaffenbesitzes gesehen; es würden sicher weitere Verschärfungen folgen. Weiter wurde die Pflicht zur Nachmeldung von halbautomatischen Waffen kritisiert: Obwohl das Volk eine Nachregistrierung im Rahmen der Waffenschutz-Initiative 2011 abgelehnt habe, werde eine solche nun durch die «Brüsseler Hintertür» eingeführt, so Werner Salzmann in der BaZ. Die Beendigung der Schengen/Dublin-Zusammenarbeit sei hingegen nicht das Ziel des Referendums, beteuerte das Komitee und zeigte sich überzeugt davon, dass die EU kein Interesse daran habe, die Zusammenarbeit mit der Schweiz zu beenden. Gleichzeitig präsentierte sich das Komitee im Internet unter dem Namen «Nein zum Entwaffnungsdiktat der EU» und portierte damit die europa- und schengenkritische Haltung der SVP.

So geeint, wie das Referendumskomitee vielleicht den Eindruck erwecken konnte, war die Waffenlobby jedoch nicht. ProTell und der SSV, die an vorderster Front und «mit schrillen Tönen» (AZ) gegen die Verschärfung des Waffenrechts kämpften, konnten nicht alle Lobbymitglieder für diesen Kampf begeistern. Sowohl die Schweizerische Offiziersgesellschaft, die selbst zwar nicht Mitglied der IGS, sondern nur Sympathisantin ist, als auch Jagd Schweiz, Mitglied der IGS, wollten das Referendum nur passiv unterstützen, d.h. ideell, aber weder mit Finanzen noch mit dem Sammeln von Unterschriften. Auch nicht alle kantonalen Schiesssportverbände zeigten sich überzeugt von der Argumentation ihres Dachverbandes. So erklärte etwa der Präsident des Bündner Schiesssportverbandes gegenüber der Aargauer Zeitung, man unterstütze das Referendum vor allem aus Solidarität mit dem SSV, nicht weil die Reform an sich ein grosses Problem sei. Kritisch zum Referendum äusserte sich in der Presse auch Lorenz Hess, Berner BDP-Nationalrat und ehemaliger Präsident eines Schützenvereins. Insbesondere die Kritik an der vorgesehenen Zwangsmitgliedschaft für Schützen in einem Schiessverein sei nicht nachvollziehbar – ein Vereinszwang habe bis 1996 bestanden, ohne dass sich die Schützenvereine dagegen gewehrt hätten. Was ProTell von in der Unterschriftensammlung zu wenig engagierten Schützenvereinspräsidenten hielt, berichtete der «Blick»: In Schützenvereinen, die einen «Ausredenkönig» als Präsidenten hätten, sei eine «Druckerhöhung von unten» durchaus erwünscht, habe die Gesellschaft für ein freiheitliches Waffenrecht auf ihrer Facebook-Seite betont. Interimspräsident Jean-Luc Addor quittierte den Online-Post damit, es müssten verschiedene Tonalitäten möglich sein. Mit nahezu 200'000 Mitgliedern dürfte es für die IGS allerdings kein allzu grosses Problem sein, bis Mitte Januar 2019 die erforderlichen 50'000 Unterschriften zu sammeln.

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Übernahme der Richtlinie 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Dossier: Das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz)

Nachdem der Nationalrat in der Sommersession 2018 die vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung des Waffengesetzes zur Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie (2017/853) in einigen Punkten abgeschwächt und damit gemäss Bundesrätin Simonetta Sommaruga «nicht mehr richtlinienkonform» entschieden hatte, kam das Geschäft zur Vorberatung in die SiK-SR. Deren Sprecher Josef Dittli (fdp, UR) erklärte im Herbst 2018 vor dem Ständeratsplenum, sie habe erneut die KKJPD, die KKPKS sowie den Schweizer Schiesssportverband (SSV) zum laufenden Gesetzgebungsprojekt angehört und in ihrer Beratung schliesslich einen Kompromiss zwischen den Ansprüchen von Schengen/Dublin und jenen der Schützen gesucht, der die Spielräume der EU-Richtlinie ausnutze, aber nicht gegen sie verstosse.
Der Ständerat trat ohne Gegenantrag auf die Vorlage ein. Als ersten Teil der eingangs beschriebenen Kompromisslösung beantragte die SiK-SR ihrem Rat einstimmig, wie vom Nationalrat beschlossen die Ordonnanzwaffen, die von Armeeangehörigen am Ende des Dienstes direkt aus den Beständen der Militärverwaltung zu Eigentum übernommen werden, nicht als verbotene Waffen zu kategorisieren. Mit 29 zu 15 Stimmen schloss sich der Ständerat in dieser Frage dem Nationalrat an.
In anderen Punkten ortete die SiK-SR jedoch Korrekturbedarf am Beschluss des Nationalrates, um den Anforderungen der EU-Richtlinie zu entsprechen, so etwa betreffend die Regelung des Erwerbs und Besitzes von Ladevorrichtungen mit hoher Kapazität. Der Nationalrat hatte hier grossen administrativen Aufwand und keinen Nutzen gesehen und schliesslich ganz auf eine Regelung verzichtet. Laut Kommissionssprecher Dittli schreibt die EU-Richtlinie jedoch vor, dass grosse Magazine nur von Personen erworben werden dürfen, die auch die dazugehörigen Waffen erwerben dürfen. Der Beschluss des Nationalrates sei somit nicht richtlinienkonform und müsse korrigiert werden. Die SiK-SR schlug ihrem Rat hierzu vor, die grossen Magazine im Gesetz nicht wie Munition zu regeln – das hatte der Bundesrat ursprünglich vorgesehen, jedoch war die damit zusammenhängende Buchführungspflicht für die Händler im Nationalrat kritisiert worden. Stattdessen wollte sie ein eigenes Kapitel über den Erwerb und Besitz von Ladevorrichtungen mit hoher Kapazität einfügen, in dem festgehalten wird, dass solche nur von Personen erworben werden dürfen, die zum Erwerb der entsprechenden Waffe berechtigt sind sowie dass zu deren Besitz berechtigt ist, wer sie rechtmässig erworben hat. Bei diesem Vorschlag entfiele die Buchführungspflicht und grosse Magazine könnten unbürokratisch nach Vorlage der Ausnahmebewilligung oder des Waffenerwerbsscheins erworben werden. Nachdem sich auch Justizministerin Sommaruga mit dieser Regelung einverstanden erklärt hatte, nahm sie der Ständerat stillschweigend an. Ebenfalls als nicht richtlinienkonform hatte die SiK-SR den Entscheid des Nationalrates gegen die Markierung von wesentlichen Waffenbestandteilen bewertet. Dieser hatte auch hier unnötigen administrativen Aufwand gesehen und deshalb beim geltenden Recht bleiben wollen, wonach bei zusammengebauten Feuerwaffen die Markierung eines wesentlichen Bestandteils genügt. Die EU-Richtlinie verlange jedoch bei einem Neuerwerb die Markierung aller wesentlichen Waffenbestandteile, begründete Dittli den Antrag der Kommission, hier dem Bundesrat zu folgen, was der Ständerat schliesslich auch tat.
Keine Frage der Konformität mit der EU-Richtlinie war jene, ob den Kantonen bei der Erteilung von Ausnahmebewilligungen an Sportschützen mittels einer Kann-Formulierung ein gewisser Ermessensspielraum im Sinne des Föderalismus zugestanden werden soll oder ob mit einer Muss-Formulierung schweizweit für alle Sportschützen die gleichen Bedingungen festgehalten werden sollen, wie es der Nationalrat beschlossen hatte. Mit 24 zu 21 Stimmen nahm die kleine Kammer einen diesbezüglichen Einzelantrag Engler (cvp, GR) an und folgte dem Nationalrat; damit müssen die Kantone allen Sportschützen eine Ausnahmebewilligung erteilen, die nachweisen, dass sie Mitglied in einem Schiessverein sind oder sonst regelmässig schiessen, und dürfen keine zusätzlichen Anforderungen stellen. Ebenfalls einverstanden zeigte sich der Ständerat damit, dass dieser Nachweis einmal nach fünf und ein weiteres Mal nach zehn Jahren erbracht werden muss. Bei der allgemeinen Bestimmung für Ausnahmebewilligungen – nicht jener speziell für Sportschützen – hingegen, schwenkte die Ständekammer auf die bundesrätliche Kann-Formulierung zurück, um über das Waffengesetz hinausgehende kantonale Vorschriften nicht zu verunmöglichen.
Mit einer letzten Änderung kam der Ständerat noch einmal den Schützen entgegen, indem er die Bestätigungspflicht für vor dem Inkrafttreten des Waffengesetzes erworbene, neu verbotene Waffen in eine einfache Meldepflicht umwandelte. Ein Einzelantrag Hösli (svp, GL), der komplett auf eine Meldung oder Bestätigung verzichten und stattdessen das Prinzip der Besitzstandswahrung festschreiben wollte, blieb mit 10 zu 31 Stimmen bei 2 Enthaltungen chancenlos. In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat den Gesetzesentwurf mit 34 zu 6 Stimmen bei 5 Enthaltungen an und gab ihn zurück an den Nationalrat zur Differenzbereinigung.
War es nach der Debatte im Erstrat ProTell gewesen, die mit dem Referendum drohte, war es nach der Beratung im Ständerat die AUNS, die ankündigte, sie werde das Referendum unterstützen oder wenn nötig selbst ergreifen – es gehe um «die Selbstbestimmung der unabhängigen Schweiz», so der Wortlaut in der entsprechenden Mitteilung. Während sich die SVP als «Unterstützerin im Hintergrund» am Referendum beteiligen wolle, hätten indes der SSV und die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) diesbezüglich noch keinen Entscheid gefällt.

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Übernahme der Richtlinie 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Dossier: Das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz)

In der Sommersession 2018 befasste sich der Nationalrat als Erstrat mit der Übernahme der geänderten EU-Waffenrichtlinie (2017/853) als Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Wie umstritten diese Vorlage war, zeigte sich schon in der langen, ausführlichen Eintretensdebatte, an deren Ende die grosse Kammer über einen Nichteintretens-, einen Sistierungs- und einen Rückweisungsantrag – alle von derselben SVP-Minderheit gestellt – zu befinden hatte. Nationalrat Beat Arnold (svp, UR) begründete als Minderheitssprecher die Anträge: Mit einer Sistierung der Beratungen, bis der EuGH über die Klage der Tschechischen Republik bezüglich der Rechtmässigkeit der EU-Waffenrichtlinie als sicherheitspolitisches Instrument befunden haben wird, soll verhindert werden, dass sich die Schweiz mit der Umsetzung einer gar nicht legitimen Richtlinie beschäftige. Nichteintreten sei angezeigt, weil die im Gesetzesentwurf enthaltenen Verschärfungen für die Terrorbekämpfung nichts nützten und stattdessen «der breiten Entwaffnung der Bevölkerung dienen» sowie von «gravierenden Versäumnissen in der Schengen-Sicherheitspolitik» ablenken sollten. Das Schweizer Waffengesetz enthalte bereits «alle notwendigen und sinnvollen Vorschriften zur Terrorbekämpfung», weshalb es nicht revidiert werden müsse. Mit dem Rückweisungsantrag wollte die Minderheit Arnold den Bundesrat beauftragen, alle über die EU-Waffenrichtlinie hinausgehenden Einschränkungen sowie alle Regulierungen, die die Schweizer Waffentradition in irgendeiner Weise beeinträchtigen, aus dem Entwurf zu entfernen. FDP-Fraktionssprecherin Corina Eichenberger-Walther (fdp, AG) entgegnete, die FDP-Fraktion werde einstimmig auf die Vorlage eintreten, da sowohl die Rückweisung als auch die Sistierung die fristgemässe Umsetzung der Vorgaben – die Schweiz hat dazu bis am 31. Mai 2019 Zeit – torpedierten und somit ein unnötiges Risiko für die Weiterführung der Abkommen von Schengen und Dublin eingegangen würde. Zwar sei es bedauerlich, dass die Änderung des Waffengesetzes die Sicherheit in der Schweiz nur marginal erhöhe, allerdings bringe die Assoziierung an Schengen/Dublin für die Schweiz einen grossen Sicherheitsgewinn, weshalb diese Abkommen nicht gefährdet werden dürften. Denselben Tenor liess auch die CVP-Fraktion hören: Man sei nicht bereit – wie es Fraktionssprecher Nicolo Paganini (cvp, SG) ausdrückte – «das Schengen-Abkommen für ein an einem untauglichen Ort statuiertes Souveränitätsexempel auf den Opferaltar zu legen.» Ebenso betonten die Vertreterinnen und Vertreter der GLP-, SP- und BDP-Fraktionen die Bedeutung von Schengen/Dublin für die Schweiz. Auch die Grüne Fraktion erklärte, auf die Vorlage eintreten zu wollen, betonte aber gleichzeitig, der Entwurf gehe zu wenig weit, um die Sicherheit der Schweizer Bevölkerung tatsächlich zu verbessern. Nach einem langen Schlagabtausch und vielen Fragen an Bundesrätin Simonetta Sommaruga trat der Nationalrat schliesslich auf die Vorlage ein und lehnte die Minderheitsanträge auf Sistierung, Nichteintreten und Rückweisung mit grosser Mehrheit ab. Eintreten mit allen verfügbaren Mitteln verhindern wollte die geschlossene SVP-Fraktion mit sehr vereinzelter Unterstützung aus den Fraktionen der CVP und der FDP, blieb damit aber letztlich erfolglos.
Die Detailberatung zum Geschäft fand in drei getrennten Blöcken statt, wovon sich der erste mit den Begriffen, dem Erwerb und Besitz von Waffen und wesentlichen Waffenbestandteilen, dem Erwerb von Munition und Munitionsbestandteilen, der Waffenherstellung, der Buchführung und dem Aufbewahren von Waffen beschäftigte. Im zweiten Block standen die Verbote im Zusammenhang mit Waffen, Waffenbestandteilen und Waffenzubehör, die Ausnahmebewilligungen sowie die Übergangsbestimmungen im Zentrum, bevor im dritten Block über die administrativen Sanktionen und die Datenbearbeitung debattiert wurde. Insgesamt hatte die grosse Kammer über 33 Minderheits- und einige Einzelanträge zu befinden, wovon jedoch nur zwei im Rat eine Mehrheit fanden. Durch die Annahme dieser beiden SVP-Minderheitsanträge im ersten Block hielt der Nationalrat erstens am geltenden Recht fest, dass bei zusammengebauten Waffen die Markierung eines wesentlichen Bestandteils genügt; der Bundesrat hatte diesen Satz aufheben und die Markierungspflicht damit auf alle wesentlichen Waffenbestandteile ausdehnen wollen, wie es die EU-Richtlinie verlangt. Zweitens verzichtete die Volkskammer darauf, den Erwerb und Besitz von grossen Magazinen zu regeln. Der Bundesrat hatte für die sogenannten Ladevorrichtungen mit hoher Kapazität dieselben Regeln wie für Munition vorgesehen, womit diese insbesondere auch der Buchführungspflicht für Händler unterlägen, was der Nationalrat nicht goutierte. Ein Verbot erachtete er auch nicht als sinnvoll, weil Magazine im Internet beschafft werden könnten und das Verbot somit nicht kontrollierbar wäre.
Im zweiten Block nahm der Nationalrat drei grössere Änderungen am Gesetzesentwurf vor, allesamt so wie sie die Kommissionsmehrheit vorgeschlagen hatte. So stimmte die grosse Kammer mit deutlicher Mehrheit dem Konzept ihrer Kommission zu, das die direkt von der Armee übernommene Ordonnanzwaffe trotz ihrer Eigenschaft als zum Halbautomat umgebaute automatische Waffe gar nicht erst zu den verbotenen Waffen zählt. Der Bundesrat hatte angedacht, diese zwar zu den verbotenen Waffen zu zählen, deren Eigentümer aber von der Pflicht zur Mitgliedschaft in einem Schützenverein oder zum regelmässigen Schiessen auszunehmen. Da im Endeffekt beide Regelungen zur selben Anwendung führten, ging es hierbei nicht um eine materielle Änderung, sondern vielmehr darum, das Schweizer Sturmgewehr nicht als «verboten» zu bezeichnen. Des Weiteren sprach der Nationalrat den Kantonen die Entscheidkompetenz in Bezug auf Ausnahmebewilligungen für verbotene Waffen ab. In der Version des Nationalrates schreibt das Waffengesetz neu vor, dass Ausnahmebewilligungen grundsätzlich immer erteilt werden, wenn die im Gesetz bestimmten Bedingungen erfüllt sind; der Bundesrat hatte gewollt, dass die Kantone wie bisher zusätzliche, eigene Erfordernisse verlangen können. Die dritte Änderung in diesem Bereich betraf den Nachweis über die Mitgliedschaft in einem Schiessverein oder das regelmässige Nutzen der Waffe zum sportlichen Schiessen als Voraussetzung für den Erhalt einer Ausnahmebewilligung. Während der Bundesrat vorgesehen hatte, dass dieser Nachweis gleich sowie nach fünf und nach zehn Jahren erneut erbracht werden muss, beschloss der Nationalrat, dass das erste Mal nach fünf und noch einmal nach zehn Jahren genügt.
Im dritten Block betreffend die administrativen Sanktionen und die Datenbearbeitung nahm die Volkskammer keine Änderungen gegenüber dem Entwurf des Bundesrates vor. Ebenfalls in diesem letzten Block behandelte der Nationalrat den Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der EU-Waffenrichtlinie – zuvor war ausschliesslich über die konkrete Umsetzung der Vorgaben im Schweizer Waffengesetz debattiert worden. Hierbei kam es noch einmal zu einer Grundsatzabstimmung: Eine Minderheit Arnold hatte beantragt, in den Bundesbeschluss einen Absatz einzufügen, dass der Bundesrat der EU mitteile, dass das aktuelle Schweizer Waffengesetz alle notwendigen Vorschriften zur Terrorbekämpfung enthalte und folglich Art. 2 des Beschlusses, der die Annahme der Änderung des Waffengesetzes festschreibt, zu streichen. Mit 124 gegen 67 Stimmen (die geschlossene SVP-Fraktion und zwei Abweichler aus den Reihen der FDP) sprach sich der Nationalrat jedoch für die Genehmigung des Notenaustausches aus, wie ihn der Bundesrat vorgesehen hatte.
In der Gesamtabstimmung nahm die grosse Kammer die Vorlage mit 114 zu 67 Stimmen bei 8 Enthaltungen an. Die Presse resümierte, die Debatte habe sich über weite Strecken nur um die «rote Linie» gedreht, die Frage, wie weit man gehen könne, ohne mit der EU auf Konfrontationskurs zu gehen. Richtig begeistert von der Vorlage schien niemand zu sein: Die Linke brachte keinen einzigen ihrer Verschärfungsvorschläge durch und monierte, das Gesetz bringe keine Verbesserung im Hinblick auf die Prävention von Suiziden und häuslicher Gewalt. Sie begrüsste einzig die Nachregistrierung aller halbautomatischen Waffen. Die SVP schien zu versuchen, die Gelegenheit zu nutzen, das ihr ohnehin unliebsame Schengen-Abkommen loszuwerden und versuchte mit allen Mitteln, dem Entwurf des Bundesrates die Zähne zu ziehen, was ihr mit vereinzelter Unterstützung aus dem bürgerlichen Lager in zwei Punkten schliesslich auch gelang: Dort, wo die Minderheitsanträge angenommen wurden, ist das Gesetz mutmasslich nicht mehr mit den EU-Vorgaben kompatibel. Der SVP und ProTell ging jedoch schon die Version des Nationalrates zu weit: Erfolge im Ständerat keine Korrektur, werde man das Referendum ergreifen, drohte ProTell zum wiederholten Male in einer Mitteilung. Zuvor wolle man jedoch «sämtliche Hebel in Bewegung setzen, insbesondere via die interparlamentarische Gruppe für ein liberales Waffenrecht, um die Ständeräte zu überzeugen, dieses unfaire Gesetz abzulehnen.» Im bürgerlichen Lager ausserhalb der SVP wurde die Gesetzesanpassung am ehesten als notwendiges Übel betrachtet, das an sich zwar nicht viel bringt, mit dem man aber den Fortbestand der Schengen-Assoziierung sichern kann.

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Übernahme der Richtlinie 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Dossier: Das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz)

Selbst Wochen nach der Verabschiedung der Botschaft zur Umsetzung der geänderten EU-Waffenrichtlinie durch den Bundesrat Anfang März 2018 ebbte die gesellschaftliche Debatte über die geplante Verschärfung des Schweizer Waffenrechts nicht ab. Mitte März schloss sich der schweizerische Büchsenmacher- und Waffenfachhändlerverband (SBV) medienwirksam der Front um den schweizerischen Schiesssportverband (SSV) an und liess durch seinen Präsidenten Daniel Wyss abermals verkünden, man werde das Referendum ergreifen, sollte die Gesetzesänderung wie vom Bundesrat vorgeschlagen vom Parlament gutgeheissen werden. Für den SBV habe die neue Regelung «eine riesige, existenzgefährdende Auswirkung», da sich der Aufwand für die Waffengeschäfte durch die auf sämtliche Transaktionen ausgedehnte Meldepflicht sowie die Markierungspflicht aller wesentlichen Waffenbestandteile schätzungsweise um eine Stunde pro Tag erhöhe; «und wir bekämpfen damit keinen einzigen Verbrecher», empörte sich Wyss gegenüber der Aargauer Zeitung. Der Schaden durch die Gesetzesänderung wäre so massiv, dass der SBV diesen höher gewichte als die Abkommen von Schengen und Dublin. Am besten wäre es jedoch, wenn das Parlament die Vorlage so abänderte, dass kein Referendum nötig wäre.

Gut zwei Wochen später drängten die Befürworter der Vorlage ins Rampenlicht, indem die SP zusammen mit dem Verband Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB), der Verbindung der psychiatrisch-psychotherapeutisch tätigen Ärztinnen und Ärzte und den Evangelischen Frauen Schweiz vor den Medien die «Plattform für ein zukunftsfähiges Waffenrecht» präsentierte. Als gemeinsames Ziel nannten sie ein striktes Waffenrecht für eine sichere Schweiz; das schweizerische Waffenrecht solle dazu enger an die Vorgaben der EU-Richtlinie angepasst werden als dies der Bundesrat vorsah. Die SP hatte 14 Änderungsanträge vorbereitet, um den Entwurf des Bundesrates zu verschärfen, u.a. betreffend die Nachregistrierung und die Aufbewahrung von Waffen, die Marktpreise für Armeewaffen sowie die Möglichkeit für Kantone, ein psychologisches Gutachten zu verlangen, wenn die Gefahr von Selbst- oder Fremdgefährdung mit der Waffe besteht. Während sich die Ärztinnen und Ärzte in erster Linie zur Verhinderung von häuslicher Gewalt und Suiziden für eine Verschärfung des Waffenrechts einsetzten, war das Hauptanliegen der Polizeibeamten ein lückenloses, schweizweites Waffenregister, um vor einem Polizeieinsatz wissen zu können, ob mit Waffen zu rechnen ist. Die kantonalen Waffenregister seien unvollständig, da eine Registrierungspflicht erst seit 2008 bestehe, argumentierte VSPB-Generalsekretär Max Hofmann in der NZZ. Er wünschte sich deshalb die Nachregistrierung sämtlicher Waffen, nicht nur der halbautomatischen. Ausserdem betonte er im «Blick» die Unverzichtbarkeit des Schengener Informationssystems für die Polizeiarbeit.
Damit stellte sich der VSPB offen gegen der Polizei im Grunde wohlgesinnte Kreise wie die Schützen. Die Polizeibeamten liessen sich von der SP instrumentalisieren, kritisierten SVP-Nationalrat Werner Salzmann (svp, BE) und ProTell-Generalsekretär Robin Udry denn auch postwendend. Für Letzteren wäre die Nachregistrierung aller Schusswaffen gemäss NZZ «der Orwellsche Albtraum eines Überwachungsstaats». Hofmann entgegnete darauf, es gehe nicht um Ideologie, sondern um die Sache und der VSPB unterstütze auch nicht alle Visionen seiner Allianzpartner. Wenige Tage nach seinem Auftritt an der Medienkonferenz der «Plattform für ein zukunftsfähiges Waffenrecht» erntete Hofmann jedoch auch aus den eigenen Reihen Kritik. Erwin Rommel, Mitglied des Zentralvorstandes des VSPB, äusserte sich in der BaZ dahingehend, dass er vom Vorgehen der Geschäftsleitung nichts gewusst habe. Ein solcher Auftritt stehe Hofmann nicht an, da der Verband laut Statuten politisch neutral bleiben müsse. Ausserdem seien die Verbandsmitglieder nicht über ihre Meinung zur Waffenrechtsverschärfung befragt worden. Der interne Knatsch bei den Polizisten fand wohl ihren Höhepunkt, als sich die KKPKS vor der SiK-NR dezidiert gegen die Vorlage des Bundesrats aussprach. Die Gesetzesänderung bringe «viel Bürokratie bei wenig Nutzen», monierte sie in der Anhörung. Ob sie jedoch den zusätzlichen Aufwand in Kauf nähme, um das Schengen-Abkommen zu schützen, sei gemäss der NZZ unklar geblieben. Die SiK entschied in der Folge, zusätzlich auch noch die Polizeibeamten und die KKJPD zu einer schriftlichen Stellungnahme einzuladen. Derweil sah sich der VSPB zu einer Rechtfertigung gezwungen und stellte in einer Mitteilung klar, man fordere entgegen der Darstellung in den Medien keine striktere Umsetzung als die vom Bundesrat angedachte und unterstütze die weitergehenden Forderungen seitens der SP nicht.

Inzwischen herrschte aber auch aufseiten der Waffenlobby nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen: «Immer mehr bürgerliche Waffenfreunde gehen auf Distanz zur neuen Führungscrew um den interimistischen ProTell-Präsidenten Jean-Luc Addor, die radikale Tendenzen zeigt», schrieb die Aargauer Zeitung Mitte April. Presseberichten zufolge sei selbst Ständerat Josef Dittli (fdp, UR), seines Zeichens – notabene neben Addor – Co-Präsident der «Parlamentarischen Gruppe für ein freiheitliches Waffenrecht», der radikale Kurs der ProTell-Führung nicht geheuer. Er unterstütze die Forderung von Addor und «gleichgesinnten Protagonisten» nach öffentlichem Waffentragen nicht. «Die Schweiz ist nicht der Wilde Westen!», zitierte ihn beispielsweise die Luzerner Zeitung. Auch SVP-Nationalrat und Wortführer der Waffenfreunde, Werner Salzmann, stecke diesbezüglich «im Dilemma», berichtete dieselbe Zeitung. Zu Wort meldete sich ebenfalls Alt-Nationalrat Willy Pfund (fdp, SO), seinerzeit Präsident von ProTell, der dieses Amt 2016 jedoch «im Zorn über den Kurs des Addor-Lagers» (Aargauer Zeitung) niedergelegt hatte. Er bezeichnete den Wunsch nach Waffentragen in der Öffentlichkeit als «unsinnige und gefährliche Forderung»: Die Öffentlichkeit reagiere heute sensibler auf solche Fragen als noch vor einigen Jahren, weshalb man damit letztlich das liberale Schweizer Waffenrecht gefährde. Die Aargauer Nationalrätin Silvia Flückiger-Bäni (svp, AG) war gar so erbost über die ProTell-Führung um Addor, dass sie nach 14-jähriger Mitgliedschaft kurzerhand den Austritt aus der Organisation gab. Einig waren sich die waffenfreundlichen Bürgerlichen und ProTell einzig darin, dass die EU-Waffenrichtlinie bekämpft werden müsse. Dies kam denn auch an der Generalversammlung von ProTell am 14. April zum Ausdruck: Nachdem die SiK-NR wenige Tage zuvor auf die Vorlage des Bundesrates zur Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie eingetreten war, beschlossen die ProTell-Mitglieder vorsorglich einstimmig das Referendum. Zur Bekämpfung der Gesetzesvorlage werde man nächstens eine «sehr starke und einflussreiche» nationale Allianz gründen, gab ProTell-Generalsekretär Robin Udry in der Sonntagszeitung zu Protokoll.

Die SiK-NR schrieb in ihrer Medienmitteilung, sie sei mit 15 zu 9 Stimmen auf die Vorlage eingetreten, um einerseits das Schengen-Assoziierungsabkommen nicht zu gefährden und andererseits mit einer möglichst pragmatischen Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie die Traditionen des schweizerischen Schiesswesens wahren zu können. Das Volk solle überdies die Möglichkeit haben, sich im Rahmen eines fakultativen Referendums zur Frage zu äussern. Die Minderheit habe indes keinen Revisionsbedarf im schweizerischen Waffenrecht geortet, keinen Nutzen für die Terrorbekämpfung gesehen und den hohen administrativen Umsetzungsaufwand gefürchtet. Einen Rückweisungs- und eine Sistierungsantrag hatte die Kommission abgelehnt. Neben der schon erwähnten KKPKS hatte die Kommission auch den SBV, ProTell, den SSV, die schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) und die Organisation «Stop Suicide» angehört, was die NZZ zur Bemerkung veranlasste, bei den Anhörungen seien fast nur Gegner der Vorlage zu Wort gekommen.

Während sich der SBV, ProTell, der SSV und die AUNS – sowie auch die GSoA als explizite Befürworterin der Waffenrechtsverschärfung – schon auf den «wohl unausweichlichen Referendumskampf» (BaZ) vorbereiteten, zeigte sich die SOG in dieser Sache wenig enthusiastisch. Ihr Präsident Stefan Holenstein geizte gegenüber der BaZ zwar nicht mit Kritik an der Vorlage und an deren Befürwortern, erachtete das Referendum jedoch nicht als zwingend. So attestierte er der CVP und der FDP eine «übertriebene Angst vor einer Kündigung des Schengen/Dublin-Abkommens» und stellte sich auf den Standpunkt, es gebe bei der Umsetzung der EU-Richtlinie durchaus noch ungenutzten Spielraum. Die Pflicht, entweder Mitglied in einem Schiessverein zu sein oder die Waffe regelmässig für das sportliche Schiessen zu nutzen, bezeichnete er als «unverhältnismässig und eine Bevormundung». Die Vorlage bekämpfe so nicht den gefährlichen Handel mit illegalen Waffen, sondern treffe legale Waffenbesitzer und indirekt, über das ausserdienstliche Schiesswesen, auch die Armee. Es sei indes möglich, das Gesetz freiheitlich auszugestalten und dem «eigenständigen Staats- und Milizwesen» der Schweiz anzupassen. An das Parlament richtete er deshalb die Forderung, auf «vorauseilenden Gehorsam gegenüber der EU» zu verzichten. Es bestehe kein Anlass, «panikartig von Schengen-Rauswurf» zu reden, sei das Abkommen doch in gegenseitigem Interesse. In dieser Hinsicht sei die von Bundesrat und Verwaltung proklamierte «Entweder-Oder-Strategie» nicht richtig. Für die SOG stehe das Referendum daher nicht im Vordergrund, sondern komme nur als Ultima Ratio in Frage.

Frischen Wind in die Debatte brachte Mitte Mai schliesslich das Bekanntwerden des genaueren Inhalts der tschechischen Klage beim EuGH betreffend die EU-Waffenrichtlinie. Die Tschechische Republik zweifelte eben nicht nur wie bisher angenommen an deren Rechtmässigkeit, sondern machte mit Hinblick auf die Schweizer Sonderregelung für Armeewaffen auch eine Verletzung des Diskriminierungsverbots geltend. Sollte der EuGH der Klägerin in diesem Punkt Recht geben, bedeutete dies wohl das Aus für die von der Schweiz ausgehandelte Ausnahmeklausel. Aufgrund der so veränderten Ausgangslage wollte die SVP die Sistierung der Vorlage in der Kommission noch einmal zum Thema machen. Die Presse berichtete zudem, das Fedpol verfolge das Verfahren mit, für eine Stellungnahme sei es jedoch noch zu früh.

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Übernahme der Richtlinie 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Dossier: Das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz)

Als Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands muss die Schweiz, ihres Zeichens assoziiertes Schengen-Mitglied, die Änderung der EU-Waffenrichtlinie (2017/853) übernehmen. Dazu muss die Bundesversammlung einerseits einen entsprechenden völkerrechtlichen Vertrag (in Form eines Notenaustausches) genehmigen und andererseits das Schweizer Waffengesetz anpassen, um die Änderungen im Landesrecht umzusetzen. Für die Übernahme und Umsetzung der EU-Richtlinie hat die Schweiz bis am 31. Mai 2019 Zeit, sonst droht der Ausschluss aus den Abkommen von Schengen und Dublin. Nachdem das diesbezügliche Vernehmlassungsverfahren kurz nach Jahresbeginn abgeschlossen worden war, verabschiedete der Bundesrat Anfang März 2018 seine Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung der geänderten EU-Waffenrichtlinie. Da sich ein Grossteil der in der Vernehmlassung geäusserten Kritik eher auf die Vorgaben der Richtlinie als auf deren tatsächliche Umsetzung konzentriert hatte und auch der Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung praktisch ausgeschöpft worden war, weist der Entwurf zuhanden des Parlaments im Vergleich zur Vernehmlassungsvorlage nur wenige Anpassungen auf. So sieht etwa Art. 33 Abs. 1 Bst. a WG vor, die Waffe von Sportschützinnen und -schützen zu beschlagnahmen und die Strafverfolgung wegen unberechtigten Waffenbesitzes zu eröffnen, falls diese die Auflage missachten, entweder die Mitgliedschaft in einem Schiessverein oder auf andere Art den regelmässigen Gebrauch ihrer Feuerwaffe für das sportliche Schiessen zu belegen und diesen Nachweis nach fünf und nach zehn Jahren zu wiederholen. Sei der Erwerb der Waffe seinerzeit jedoch rechtmässig erfolgt, soll der betreffenden Person mittels einer Ergänzung von Art. 31 Abs. 2 WG die Möglichkeit gegeben werden, ein neues Gesuch für eine Ausnahmebewilligung einzureichen oder die Waffe einer berechtigten Person zu übertragen, um den strafrechtlichen Konsequenzen zu entrinnen. Zu den wichtigsten Änderungen zählt des Weiteren die Verlängerung der Frist, innerhalb welcher der Besitz einer neu verbotenen Waffe vom kantonalen Waffenbüro bestätigt werden muss, von zwei auf drei Jahre, um die Arbeitslast für die Kantone besser zu verteilen. Ebenso wurde die Frist, innerhalb welcher die Waffenhändlerinnen und -händler den kantonalen Waffenbüros Meldung über erfolgte Transaktionen im Zusammenhang mit halbautomatischen Waffen erstatten müssen, von zehn auf zwanzig Tage ausgedehnt. Damit blieben die zentralen Punkte der Vorlage grösstenteils unangetastet. Halbautomatische Feuerwaffen werden von der Kategorie B der bewilligungspflichtigen Waffen in die Kategorie A der verbotenen Waffen überführt, wodurch sie zukünftig nur noch mit einer Ausnahmebewilligung erworben werden können. Verschiedene Ausnahmetatbestände für Sportschützen, Waffensammlungen und für aktuelle Besitzerinnen und Besitzer von neu verbotenen Waffen sowie bei der Übernahme der Armeewaffe ermöglichen jedoch weiterhin den Einsatz dieser Waffen im schweizerischen Schiesswesen. Es sind weder medizinische oder psychologische Tests noch die Einführung eines zentralen Waffenregisters vorgesehen. Hingegen werden zur besseren Rückverfolgbarkeit von Waffen die Markierungspflicht auf alle wesentlichen Bestandteile von Feuerwaffen ausgedehnt und der Informationsaustausch mit anderen Schengen-Staaten erweitert.

Schützen- und Waffenkreise konnten der Vorlage nach wie vor nichts abgewinnen. Der Bundesrat sei überhaupt nicht auf die ihrerseits in der Vernehmlassung geäusserten Einwände eingegangen; der Gesetzesentwurf sei ein «Affront gegenüber den Schützen» und ein «Kniefall vor der EU», liess SVP-Nationalrat Werner Salzmann, Präsident des Berner Schiesssportverbandes und Wortführer der Gegner einer Waffenrechtsverschärfung, in der Presse verlauten. Das Gesetz trage nichts dazu bei, die Sicherheit in der Schweiz zu verbessern, stattdessen würden unbescholtene Bürger plötzlich zu Besitzern von verbotenen Waffen gemacht. Das könne nicht akzeptiert werden und falls das Parlament hier keine Kehrtwende vollziehe, müsse das Referendum ergriffen werden. Dass damit die Schweizer Beteiligung an Schengen/Dublin aufs Spiel gesetzt werde, sei er sich bewusst, Schuld daran habe aber der Bundesrat, weil er es versäumt habe, den Schützen entgegenzukommen. Auch ProTell befand den Vorschlag des Bundesrates für inakzeptabel und kündigte das Referendum an, falls er so vom Parlament verabschiedet würde. Die Gesetzesänderung sei ein «Misstrauensvotum gegen all jene Bürger, die Waffen besitzen», drückte es ProTell-Generalsekretär Robin Udry gegenüber den Medien aus. Präsident ad interim und SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor (VS) störte sich laut dem «Blick» daran, dass die neuen Regeln vor allem ehrliche Waffenbesitzer träfen anstatt «Terroristen [...], die sich über unsere Gesetze lustig machen.» Der Bundesrat zerstöre damit das traditionelle Vertrauen zwischen Bürger und Staat. Auch er drohte mit dem Referendum. Gemäss einem vom Tages-Anzeiger zitierten Communiqué wolle auch die SVP «alle unnötigen Verschärfungen in unserem Waffengesetz entschieden bekämpfen» und das Referendum unterstützen, würden die fraglichen Punkte vom Parlament nicht verbessert.
Zufrieden mit dem bundesrätlichen Entwurf zeigten sich unterdessen die Kantone, deren Anliegen der Bundesrat auch Rechnung getragen hatte. Hans-Jürg Käser, Präsident der KKJPD, glaubte erst gar nicht, dass es den mit dem Referendum drohenden Kritikern wirklich um die halbautomatischen Waffen gehe: «Diese Kritiker sind gegen die EU und gegen alles Europäische wie Schengen», argwöhnte er in der NZZ, das Schengen-Abkommen bringe der Schweiz jedoch viel Sicherheit und dürfe deshalb nicht «wegen einer pragmatischen Anpassung des Waffenrechts» gefährdet werden. Die Bedeutung von Schengen/Dublin betonten auch FDP und CVP, welche den Vorschlag des Bundesrates ebenfalls unterstützten. CVP-Nationalrätin Ida Glanzmann-Hunkeler (LU) sprach von einem «moderaten» Gesetz, das «wirklich nur ein Minimum» verlange, während FDP-Ständerat Joachim Eder (ZG) den Bundesrat lobte, er habe «gut verhandelt».

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Übernahme der Richtlinie 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
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Ende Februar 2018 gab der amtierende Präsident von ProTell, Hans-Peter Wüthrich, seinen sofortigen Rücktritt bekannt. Der Rücktritt kam insofern überraschend, als dass der Ex-Brigadier Wüthrich das Präsidentenamt bei der Waffenlobby-Organisation erst im Sommer 2017 angetreten hatte und damit nach acht Monaten wieder zurücktrat. In der Medienmitteilung von ProTell hiess es, Wüthrich habe das Amt aus Zeitgründen niedergelegt. Der bisherige Vize-Präsident und Walliser SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor übernahm das Amt des Präsidenten interimistisch und blieb auch nach der Generalversammlung von ProTell am 14. April 2018 Präsident ad interim. Addor gilt als Hardliner, so reichte er etwa im März 2017 eine parlamentarische Initiative ein, mit welcher er das Waffentragen in der Öffentlichkeit erlauben wollte, ohne dass dafür im Voraus glaubhaft gemacht werden muss, dass die Waffe zum Schutz vor einer tatsächlichen Gefährdung benötigt wird. Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats sprach sich mit 22 zu 0 Stimmen (3 Enthaltungen) gegen diese parlamentarische Initiative aus, worauf Addor den Vorstoss zurückzog. Zudem wurde Addor im August 2017 vom Bezirksgericht Sitten wegen Rassendiskriminierung zu einer bedingten Geldstrafe und zu einer Busse verurteilt. Grund für die Verurteilung war ein Tweet Addors auf der Social-Media-Plattform Twitter im Jahr 2014. Die Nachricht von einem Schusswechsel in einer Moschee in St. Gallen, bei dem ein Mann ums Leben gekommen war, hatte Addor mit den Worten «on en redemande» («wir wollen mehr davon») kommentiert. Die Suche nach einem neuen Pro Tell-Präsidenten dauerte im Sommer 2018 noch an.

ProTell-Präsident tritt ab

En marge de la conférence nationale Santé 2020, dont l’objectif était de trouver des pistes afin de réduire les coûts de la santé, le conseiller fédéral Alain Berset a pointé du doigt les salaires de certains médecins spécialistes. Il a réagi suite à l'annonce du conseiller d'Etat Mauro Poggia (GE, mcg), selon laquelle les revenus annuels estimés des chirurgiens seraient proche du million. Alain Berset juge cette situation inadmissible vis-à-vis des patientes et patients qui paient des primes. Jean-Marc Heinicke, président de l'Ordre des chirurgiens genevois, a réfuté en rappelant que les spécialistes exerçant dans des cliniques privées ne participaient pas à la hausse des coûts de la santé et que le chiffre avancé était «fantaisiste».
Les jours suivants, les organisations des médecins ont contesté que les médecins étaient les responsables de la perpétuelle hausse des primes de l’assurance maladie obligatoire. Sur le plateau de l'émission Infrarouge, Pascal Strupler, directeur de l'Office fédéral de la santé publique (OFSP) a précisé qu'il y avait 140 médecins spécialistes qui gagneraient un revenu avoisinant 850'000 francs sur le compte de l'assurance-maladie obligatoire (LaMal).
Cette polémique fait surtout ressortir le manque de transparence, également dénoncé par Alain Berset, concernant les salaires des médecins. La Confédération a toutefois lancé plusieurs projets en parallèle pour contrer l'absence de collectes et de statistiques publiques actuelles, ainsi que pour que soient apportés des éclaircissements y relatifs. Avec ce débat public, il est possible que le monde politique et l’opinion publique réclament à l’avenir davantage de transparence en matière de salaires des médecins.

Polémique sur les salaires des médecins

Anfang Februar 2018 veröffentlichte das Fedpol den Ergebnisbericht der Vernehmlassung zur Übernahme der geänderten EU-Waffenrichtlinie. Nebst den zahlenmässig sehr gut vertretenen Schützen- und Waffenkreisen – darunter der schweizerische Schiesssportverband (SSV), der schweizerische Büchsenmacher- und Waffenfachhändlerverband (SBV), ProTell, Legalwaffen Schweiz (LEWAS) und Jagd Schweiz – befanden sich auch alle Kantone, sieben nationale und drei kantonale Parteien, die KKJPD und die RK MZF, Economiesuisse, der schweizerische Gewerbeverband (SGV), der schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und der schweizerische Städteverband unter den insgesamt 2205 Vernehmlassungsteilnehmenden. Davon sprachen sich der SSV und jene 2055 Stellungnehmenden, die sich dessen Stellungnahme angeschlossen hatten – darunter insbesondere Jagd Schweiz und die Aktion «Finger weg vom Schweizer Waffenrecht!», aber auch eine Vielzahl von Schützenvereinen und Privatpersonen – sowie der SBV, ProTell, LEWAS, die AUNS, die Gruppe Giardino, das Centre Patronal, der SGV, Swiss Olympic und zahlreiche weitere Schützen-, Waffensammler- und militärnahe Organisationen dezidiert gegen die geplante Änderung des Waffengesetzes aus. Einen grundsätzlich ablehnenden Standpunkt vertraten zudem auch die SVP Schweiz, ihre Sektionen Neuenburg, Jura und Valais Romand sowie die Kantone Nidwalden und Schwyz. Neun Kantone gaben zu verstehen, dass sie zwar die Ziele der EU-Waffenrichtlinie unterstützten, die vorgesehenen Änderungen am Waffengesetz aber ablehnten, da sie keinen genügenden Beitrag zur Bekämpfung von Waffenmissbrauch leisteten. Demgegenüber erklärte sich die Mehrheit der Kantone mit den Neuerungen grundsätzlich einverstanden. Insgesamt positiv beurteilt wurde der Entwurf auch von der BDP, der GLP, der FDP, der SP und den Grünen – wobei die letzteren beiden ausdrücklich bedauerten, dass er keine weitergehenden Massnahmen umfasste. Ebenso überwiegend befürwortend äusserten sich u.a. die KKJPD, die RK MZF, Economiesuisse, der Städteverband, die FER, der SGB, die GSoA, Terre des Hommes Schweiz, der schweizerische Friedensrat, die Frauen für den Frieden Schweiz, die Evangelischen Frauen Schweiz, die Haus- und Kinderärzte Schweiz und die schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie. Unter den zustimmenden Stellungnahmen ausdrücklich positiv hervorgehoben wurden das Ziel, den Waffenmissbrauch zu bekämpfen bzw. den Zugang zu halbautomatischen Waffen einzuschränken, sowie die Vorteile der Schengen-Assoziierung für die Schweiz. Ansonsten äusserte sich die Zustimmung zur Vorlage hauptsächlich durch die Abwesenheit von Kritik.

An Letzterer wurde jedoch nicht gespart. Anlass dazu boten neben den einzelnen Bestimmungen des Waffengesetzes und deren konkreter Ausgestaltung vor allem die Stossrichtung der Revision im Allgemeinen. In der Schweiz, wo das Recht auf Waffenbesitz ein Aspekt der Unabhängigkeit und Souveränität des Staates sei, manifestiere sich im liberalen Waffenrecht der gegenseitige Respekt zwischen Staat und Bürgern, weshalb Verschärfungen nicht angebracht seien, argumentierten etwa ProTell, der SSV die RK MZF, die SVP sowie fünf Kantone (AI, AR, GL, SG, OW). Des Weiteren wurden die Entwaffnung der Bürger und schwere (Ruf-)Schäden für das Schweizer Schiesswesen befürchtet. Problematisch am Vorhaben sei ausserdem, dass darin Regelungen vorgesehen seien, die in der jüngeren Vergangenheit vom Volk abgelehnt worden waren. So komme die Registrierungspflicht für rechtmässig erworbene, aber neu verbotene halbautomatische Feuerwaffen einer Nachregistrierung gleich und der für den Erwerb einer solchen Waffe künftig erforderliche Nachweis einer Mitgliedschaft in einem Schiessverein bzw. alternativ des regelmässigen Gebrauchs der Waffe für das sportliche Schiessen erinnere zu stark an eine Bedürfnisklausel. Beide Massnahmen waren 2011 bei der Volksabstimmung über die Initiative gegen Waffengewalt abgelehnt worden – ein Umstand, den ausser Schützen- und Waffenkreisen auch die SVP und vier Kantone (AR, GE, SZ, TI) betonten. Von verschiedenen Seiten wurde zudem die fehlende Verhältnismässigkeit der Vorlage bemängelt. Während Angehörige der Waffenlobby ausführten, dass mit dem Entwurf eher die legalen Waffenbesitzer bestraft als Terroranschläge verhindert würden, äusserten sich zahlreiche Kantone und die CVP dahingehend, dass trotz erheblichen bürokratischen Mehraufwandes kaum ein Sicherheitsgewinn resultiere. Entgegen der Ankündigung des Bundesrates befanden der SSV, der SBV und ProTell den Umsetzungsvorschlag nicht für «pragmatisch» und die CVP sowie die grosse Mehrheit der Kantone bezweifelten, dass der Bundesrat den Handlungsspielraum bei der Umsetzung vollständig ausgeschöpft habe. Schützenkreise wiesen überdies auf eine hängige Klage am EuGH hin, in der die Tschechische Republik die Rechtmässigkeit der neuen EU-Waffenrichtlinie angefochten hatte, weil die Terrorabwehr den Einzelstaaten obliege und gar nicht in die Zuständigkeit der EU falle. Die Schweiz solle diesem Urteil nicht vorgreifen und das Waffenrecht nicht vorschnell anpassen.

Inhaltlich sei der Entwurf hinsichtlich zentraler Begrifflichkeiten – beispielsweise der Definitionen von «Faustfeuerwaffe» und «Handfeuerwaffe» – zu wenig präzise und überlasse zu viele Klärungen dem Verordnungsgeber, was Rechtsunsicherheit mit sich bringe. In diesem Zusammenhang forderten der SSV, der SBV, ProTell, LEWAS, der Städteverband sowie neun Kantone den Bundesrat auf zu definieren, was «Regelmässigkeit des sportlichen Schiessens» bedeute. Die Notwendigkeit einer solchen Präzisierung zeigte sich bereits in den unterschiedlichen Vorstellungen des Begriffs, welche die Vernehmlassungsantworten offenbarten: Hielten der SBV und ProTell einmal in fünf Jahren für eine angemessene Regelmässigkeit, sahen die Kantone Neuenburg, Tessin, Waadt und Wallis eine ausreichende Regelmässigkeit ab einer zweimaligen Nutzung pro Jahr gegeben. Ganz konkrete Kritik betraf darüber hinaus die vorgesehene Unterscheidung von Waffenkategorien anhand der Magazinkapazität. Diese sei kein Indikator für die Gefährlichkeit einer Waffe und die Regelung daher nicht nachvollziehbar; stattdessen wäre eine Unterscheidung anhand des Kalibers, des Munitions-Typs und einer allfälligen Serienfeuer-Möglichkeit zu diesem Zweck dienlicher. Da Magazine zum Teil waffentypübergreifend eingesetzt und separate Magazine bewilligungsfrei erworben werden könnten, sei die Regelung leicht zu umgehen und Missbrauch schwer zu verhindern, stellten mehrere Kantone fest. Die Skepsis der Waffenlobby sowie des Kantons Schwyz weckte zudem die Pflicht für Waffensammler, den Zweck der Sammlung offenzulegen. Der Mensch sei seit jeher ein Sammler, wie es ProTell ausdrückte, und viele Sammlungen dienten keinem besonderen Zweck ausser der Freude am Objekt selbst, weshalb eine solche Bestimmung verfehlt sei. Die Kritik am Entwurf beschränkte sich jedoch nicht darauf, dass er zu viele Einschränkungen vorsehe; an einigen Stellen wurde auch bemängelt, dass die Regelungen zu wenig weit gingen. So schlugen beispielsweise die SP, die GLP und fünf Kantone (NE, TI, VD, VS, GE) vor, es sei auch von Eigentümern von Ordonnanzwaffen ein Nachweis zu verlangen, dass sie die Waffe regelmässig für den Schiesssport verwendeten.

Auch lehnten nicht alle Kritiker der Waffenrechtsanpassung ebenso die Genehmigung des Notenaustausches mit der EU ab. Der Notenaustausch ist im Grunde genommen das Verfahren zur Übernahme eines weiterentwickelten Rechtsakts, der dem Schengen-Besitzstand angehört. Nachdem die EU der Schweiz am 31. Mai 2017 die neue Waffenrichtlinie als Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes notifiziert hatte, versicherte der Bundesrat in seiner Antwortnote vom 16. Juni 2017 der EU, dass die Schweiz die Richtlinie – vorbehaltlich der parlamentarischen Genehmigung – innerhalb einer Frist von zwei Jahren übernehmen und umsetzen werde. Die SVP, der SSV und LEWAS waren der Meinung, die Schweiz könne der EU mitteilen, die Waffenrichtlinie zu übernehmen – wozu sie als Vertragsstaat von Schengen/Dublin verpflichtet ist –, ohne dafür die Schweizer Rechtslage anpassen zu müssen. Sie hielten das Schweizer Waffenrecht für den Anforderungen der EU-Richtlinie dem Sinn nach entsprechend und sahen darum keinen Bedarf für eine Änderung des Schweizer Waffenrechts, auch wenn der Notenaustausch genehmigt würde. In die gleiche Richtung äusserte sich auch die CVP, welche die Frage stellte, ob das geltende Waffengesetz keine ausreichende Grundlage darstelle, um die Ziele der EU-Waffenrichtlinie weitgehend zu erfüllen. ProTell und der Kanton Schwyz lehnten indes auch die Genehmigung des Notenaustausches ab und forderten weitere Verhandlungen mit der EU.

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Übernahme der Richtlinie 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Dossier: Das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz)

Seit der sogenannten «Kasachstan-Affäre» waren einige Monate vergangen und im Parlament schien das Thema Lobbying im Jahr 2017 – mit Ausnahme einer parlamentarischen Initiative Berberat (sp, NE) mit der Forderung nach transparenterem Lobbying, die von den Räten wie eine heisse Kartoffel hin- und hergeschoben wurde – an Priorität verloren zu haben. Dies sah in der gesellschaftlichen Debatte allerdings etwas anders aus.

Im Frühling sorgte eine Idee von Pierre-Yves Maillard (VD, sp) und Mauro Poggia (GE, mcg) für Schlagzeilen. Die beiden Regierungs- und ehemaligen Nationalräte wollten mit einer Volksinitiative dafür sorgen, dass Parlamentsmitglieder nicht mehr im Verwaltungsrat einer Krankenkasse sitzen oder anderweitig mit einer solchen verbunden sein dürfen. Damit sollten die steigenden Krankenkassenprämien gebremst werden. Die Idee stiess bei betroffenen Parlamentsmitgliedern auf Gegenwehr: Konrad Graber (cvp, LU), Verwaltungsrat der CSS, und Heinz Brand (svp, GR), Präsident des Krankenkassen-Dachverbandes Santésuisse, hielten die Idee für nicht zielführend. Es handle sich um eine «Verunglimpfung der Krankenkassen», gaben sie der Luzerner Zeitung zu Protokoll. Die Unterschriftensammlung für das Begehren wurde im Oktober 2017 gestartet.

Mitte März legte die Staatengruppe gegen die Korruption (Greco), bei der die Schweiz seit 2006 Mitglied ist, einen Bericht vor, der mehrere Schwachstellen im Schweizer Lobbyismussystem aufzeigte und Empfehlungen abgab. Unter anderem sollten Parlamentsmitglieder verpflichtet werden, bei Ratsverhandlungen Interessenkonflikte aktiv offenzulegen. Das Register der Interessenbindungen reiche nicht aus. Zudem müssten finanzielle Interessen von Parlamentarierinnen und Parlamentariern transparent gemacht werden. Dies ist in der Schweiz nach wie vor freiwillig. Die Organisation Lobbywatch veröffentlichte eine Liste, mit der aufgezeigt wurde, dass lediglich 37 Parlamentsmitglieder die Einkünfte aus ihren Mandaten vollständig deklarierten.

Eine Analyse von Forschern der Universitäten Lausanne und Genf um André Mach wurde Mitte Mai von der Sonntags-Zeitung breit aufgemacht. Erstens zeigten die Daten, dass sich die relevanten Interessenbindungen von Parlamentsmitgliedern zwischen 1992 und 2015 mehr als verdoppelt hatten, zwischen 2007 – seit dann müssen auf der Basis des 2002 revidierten Parlamentsgesetzes alle Interessenbindungen obligatorisch angegeben werden – und 2015 haben sie um 20 Prozent zugenommen. Für die Analyse gilt eine Verbindung dann als relevant, wenn ein Mandat einem Sachgebiet zugeordnet werden kann, zu dem das Parlamentsmitglied einen Bezug hat, etwa weil es in einer entsprechenden Kommission sitzt. Zugenommen haben laut der Studie insbesondere Verbindungen zu Interessenverbänden, welche die Parlamentarierinnen und Parlamentarier für Sitzungen, die laut Sonntags-Zeitung auch in Sitzungszimmern im Bundeshaus selber stattfanden, mit «vielen Tausend Franken pro Jahr» entschädigten – der Sonntags-Blick sprach von CHF 20'000 für vier Sitzungen, die Parlamentsmitglieder etwa von der Groupe Mutuel erhalten haben sollen. Der Austausch von Expertenwissen sei zwar für Milizparlamentarier wichtig, allerdings sei nicht klar, weshalb dies entlohnt werden müsse, fragte die Sonntags-Zeitung rhetorisch. Die Zunahme der Bindungen könne freilich durchaus auch als Zeichen für mehr Transparenz gelesen werden, befanden die Forscher. Früher habe Interessenvertretung eher informell und im vorparlamentarischen Prozess stattgefunden. Heute sei die Einflussnahme während des parlamentarischen Prozesses wohl auch aufgrund des grösseren Parteienwettbewerbs wichtiger und werde hier auch etwas transparenter.
Eine Analyse der NZZ, die auf den gleichen Daten des «Observatoriums der Schweizer Eliten (Obelis)» beruhte, brachte ein weiteres Argument für ein zunehmend professionalisiertes Lobbying ins Spiel. Die Zeitung zeigte auf, dass sich die Wirtschaft in den letzten 60 Jahren stark von der Politik entflechtet habe. Vor 60 Jahren habe jedes vierte Parlamentsmitglied ein Spitzenamt in der Wirtschaft belegt, was heute nicht mehr so sei. Die Überlegung liegt nahe, dass das damalige unmittelbare Lobbying durch eine stärker mittelbares und organisierteres abgelöst wurde.

Auf Antrag von Thomas Minder (parteilos, SH) wurde in der Sommersession 2017 von den Parlamentsdiensten eine «Lobbyistenzählung» durchgeführt, wie dies der «Blick» betitelte. Zugang zum Parlament erhält, wer einen der beiden Dauerzutrittsausweise (Badges) besitzt, die jedes Parlamentsmitglied vergeben darf, oder wer einen Tagesausweis erhält, der ebenfalls von Parlamentsmitgliedern ausgestellt werden kann. Während der 11 Tage der Sommersession wurden 127 Lobbyierende mit Dauerzutritt und 386 mit Tagesausweis gezählt. Während die einen die Zahl als «an der oberen Grenze» beurteilten (Pirmin Bischof; cvp, SZ), fanden Lobbyistenkreise die rund 50 Personen pro Tag angemessen (z.B. Andreas Hugi; CEO eines Beratungsbüros). Zu reden gab aber die hohe Zahl an Tageskarten. Damit würden die Transparenzregeln unterlaufen, befürchtete Didier Berberat in der Zeitung Le Temps.

Dass Interessengruppen gezielt auf Kommissionsmitglieder zugehen, zeigte eine Mitte Juli 2017 veröffentlichte Untersuchung des Sonntags-Blick zur Gesundheitspolitik. Allerdings – so das Sonntagsblatt – seien es nicht so sehr die Krankenkassen, sondern die Ärzte, Spitäler und Patientenorganisationen sowie die Pharmaindustrie, die viele Mandate vergeben hätten. «Die Genossen mit den Ärzten, die Liberalen mit der Pharma, die CVP mit allen» fasste der Sonntagsblick den Befund zusammen, «wer mit wem im Krankenbett» stecke.

Lobbying aus gesellschaftlicher Perspektive (2017)
Dossier: Lobbyismus im Bundeshaus

Tarifpartner sollen Tarife von Laboranalysen aushandeln. So kurz und knapp war der Auftrag an den Bundesrat aus einer Kommissionsmotion der SGK des Ständerats, womit ein gleicher Mechanismus wie bei den DRG und beim Tarmed übernommen werden sollte. Eine linke Kommissionsminderheit wollte diese KVG-Änderung nicht mittragen. Der Bundesrat beantragte ebenfalls, die Motion nicht zu unterstützen, da er Blockaden bei den Tarifverhandlungen befürchtete, wie dies bereits beim Tarmed oder bei der Physiotherapie zu Problemen geführt hatte. Deswegen wollte die Regierung ihre durch das KVG eingeräumte Subsidiarität im Bereich der Tarifregelungen beibehalten und so eine „schlanke Regelung“ weiterführen.
Das Plenum beriet diese in der Kommission mit 9 zu 3 Stimmen gefasste Motion im November 2017 und nahm sie mit 24 zu 18 Stimmen an. Kommissionssprecher Kuprecht (svp, SZ) führte die Beweggründe aus und verwies dabei nicht nur auf ältere Vorstösse – seine eigene Motion (Mo. 16.3487), die er nach dieser Beratung zurückzog, eingeschlossen –, sondern auch auf Sondierungsgespräche zwischen der FMH und den Krankenkassenverbänden im Zuge der Beratungen ebendieser. Die vorliegende Motion wurde unter Berücksichtigung besonderer Kritikpunkte der Verhandlungspartner als Folge-Vorstoss formuliert. Die Gegner der Motion hielten sie für unnötig, weil, und hier teilten sie die Meinung der Regierung, es bereits möglich sei, tiefere Tarife auszuhandeln. Jene Tarife, die bereits geregelt sind, würden Höchstansätze beziffern und eine Unterschreitung dieser sei in gegenseitigem Einverständnis bereits denkbar. Überdies wurde angeregt, noch einen sich in Ausarbeitung befindlichen Massnahmenkatalog zur Begrenzung der Gesundheitskosten abzuwarten. Die Opposition verfing im Rat zu wenig und die Motion ging an den Nationalrat.

Tarifpartner sollen Tarife von Laboranalysen aushandeln

Da der Nationalrat nicht auf die parlamentarische Initiative Joder (svp, BE; Pa.Iv. 11.418) «Gesetzliche Anerkennung der Verantwortung der Pflege» eingetreten war, wollte sich der Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) über den Weg des Volkes Gehör verschaffen und lancierte im Januar 2017 eine Initiative mit dem Titel «Für eine starke Pflege» (Pflegeinitiative). Damit tat er es der Hausärzteschaft gleich, die 2009 die Hausarzt-Initiative lanciert hatte. Das Initiativkomitee war breit abgestützt: Unter den 27 Urheberinnen und Urhebern befanden sich neben Ärztinnen und Ärzten sowie Personen aus dem Pflegebereich zahlreiche (ehemalige) Nationalrätinnen und Nationalräte von allen grösseren Parteien – mit Ausnahme der FDP.
Gefordert werden in dem offen gehaltenen Initiativtext neben der Förderung der Pflege durch Bund und Kantone auch die Sicherstellung einer genügenden Zahl an diplomierten Pflegefachpersonen. Gemäss den Medien erklärte die Präsidentin des SBK, Helena Zaugg, dass man zudem eine Aufwertung des Pflegeberufes erreichen wolle, dies unter anderem mit familienfreundlicheren Arbeitsmodellen, einem besseren Lohn während der Ausbildung und mehr Kompetenzen. Es gelte, die pflegerische Grundversorgung zu sichern. Dem Tagesanzeiger zufolge bedürfe es zurzeit in der Schweiz jährlich 4'700 neu diplomierter Pflegefachpersonen, in Zukunft gar 6'000. An einer höheren Fachschule oder Fachhochschule hätten in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich aber nie mehr als 2'500 Personen abgeschlossen. Daher würden 40 Prozent der neu angestellten Pflegefachpersonen aus dem Ausland rekrutiert. Weiter würden viele Pflegefachkräfte ihrem Beruf den Rücken kehren. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklungen dürfte sich das Problem durch eine zu niedrige Anzahl Pflegefachkräfte zusätzlich verschärfen.
An der Initiative kritisiert wurde die Abrechnung pflegerischer Leistungen durch die Pflegepersonen. Insbesondere die Krankenkassen befürchteten, dass dies eine Ausweitung verbunden mit Mehrkosten und höheren Prämien zur Folge haben könnte. Ebenfalls auf Widerstand stiess die Initiative bei den Verbänden der Spitäler, Spitex und Altersheime. Obwohl sie die Ziele der SBK teilten, hielten sie die Initiative nicht für zweckmässig, da sie der Privilegierung einzelner Berufe in der Verfassung kritisch gegenüberstünden und befürchteten, dass die Kantone Einfluss an den Bund verlieren könnten. Die Initiative sei zu vage formuliert, was bei ihrer Auslegung Probleme verursachen könne, und zudem gäbe es Unklarheiten bezüglich finanzieller Konsequenzen. Daher forderten die drei Verbände einen Gegenvorschlag.
Nach einer Sammelzeit von rund acht Monaten wurde die Initiative am 7. November 2017 bei der Bundeskanzlei eingereicht. Am 29. November 2017 gab die BK bekannt, dass die Initiative mit 114'078 gültigen Unterschriften zu Stande gekommen sei.

Für eine starke Pflege (Pflegeinitiative). Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 18.079 & Pa.Iv. 19.401)
Dossier: Die Pflegeinitiative und ihre Umsetzung

Am 14. Oktober 2017 trat ProTell, die Gesellschaft für ein freiheitliches Waffenrecht, in den Fokus der Öffentlichkeit, weil bekannt wurde, dass Bundesratskandidat Ignazio Cassis (fdp, TI) im September 2017, rund eine Woche vor seiner Wahl in den Bundesrat, dem Verein beigetreten war. ProTell hatte die drei FDP-Bundesratskandidaten Pierre Maudet (GE, fdp), Isabelle Moret (fdp, VD) und Ignazio Cassis vor der Bundesratswahl zu ihrer Haltung zum Waffenrecht befragt und sie eingeladen, Vereinsmitglied zu werden. Cassis hatte dem Verein mitgeteilt, dass er gerne Mitglied werde, und war ProTell am 11. September 2017 beigetreten, wie der Generalsekretär von ProTell, Robin Udry, der Nachrichtenagentur SDA mitteilte. Brisant war diese Meldung, weil ProTell vehement die Übernahme der verschärften EU-Waffenrichtlinie bekämpft und bei deren Nicht-Übernahme ein Ausschluss der Schweiz aus dem Schengen-Raum drohen würde. Bisher hatte sich Cassis jedoch stets für die bilateralen Verträge mit der EU und das Schengen-Abkommen ausgesprochen. Politiker jeglicher Couleur reagierten prompt. CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) etwa zeigte sich „erstaunt“, dass Cassis ProTell so kurz vor der Bundesratswahl beigetreten war. Als Aussenminister müsse Cassis die Bilateralen vertreten, dazu gehöre auch Schengen, sagte Pfister im St. Galler Tagblatt und schlussfolgerte: „Eine Mitgliedschaft bei ProTell ist mit dem Amt eines Bundesrates nicht kompatibel.“ Die FDP bemühte sich derweil, die Wogen zu glätten: Die Partei stehe weiterhin zu Schengen, versicherte FDP-Präsidentin Petra Gössi im gleichen Artikel.
Nur wenige Tage nach dem öffentlichen Bekanntwerden seiner ProTell-Mitgliedschaft kündigte Cassis diese am 17. Oktober 2017 wieder. „Angesichts der laufenden öffentlichen Diskussion und der Instrumentalisierung seines damaligen Beitritts hat Bundesrat Cassis seine Mitgliedschaft bei ProTell und Libertà e valori (Freiheit und Werte, das Tessiner Pendant zu ProTell; Anmerkung des Autors) aufgegeben“, liess Cassis über die Bundeskanzlei ausrichten. Es folgte erneut Kritik von Medien und Politikern: Die Zeitung Nordwestschweiz und der Tages-Anzeiger warfen Cassis Opportunismus vor, Beat Arnold (svp, UR) äusserte Zweifel an Cassis' Rückgrat, weil er im Vorfeld der Wahl „den Rechten“ habe gefallen wollen und jetzt „den Linken“. Silvia Schenker (sp, BS) verglich Cassis mit einer „Fahne im Wind“. Nur Cassis' Parteikollegen zeigten Verständnis: Der Beitritt und Austritt bei ProTell sei ein „Lapsus, der aufgrund der enormen Drucksituation während des Wahlkampfs verzeihbar ist“, so Joachim Eder (fdp, ZG) in der „Nordwestschweiz“. Auch ProTell wollte die Kündigung ihres prominentesten Mitglieds nicht überbewerten. ProTell-Vizepräsident Jean-Luc Addor (svp, VS) sagte gegenüber dem St. Galler Tagblatt, dass Cassis aufgrund seines langjährigen Engagements für Libertà e valori echte Überzeugungen für ein liberales Waffenrecht habe. Es gebe keinen Grund zu glauben, dass sich das ändern werde, so Addor.

Pro Tell und Cassis

Ende September 2017 gab der Bundesrat einen Vorentwurf zur Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie (2017/853) in die Vernehmlassung. Das Ziel der Richtlinie, die vor dem Hintergrund der terroristischen Bedrohung in Europa ausgearbeitet worden war, ist die Bekämpfung des Waffenmissbrauchs. So sollen insbesondere solche Waffen, deren Verwendung viele Menschenleben fordern kann, schwerer zugänglich gemacht werden. Darunter fallen etwa halbautomatische Waffen, die auch im Schweizer Schiesswesen eingesetzt werden. Für das sportliche Schiessen sowie zu Sammlerzwecken sollen solche Waffen gemäss der vom Bundesrat vorgeschlagenen Lösung jedoch weiterhin erworben werden können. Voraussetzung ist, dass der Nachweis erbracht wird, dass entweder eine Mitgliedschaft in einem Schiessverein besteht oder die Waffe regelmässig für das sportliche Schiessen genutzt wird bzw. dass die gesammelten Waffen sicher aufbewahrt und der Zweck der Sammlung offengelegt wird. Personen, die bereits eine fragliche Waffe besitzen, müssen deren Besitz vom kantonalen Waffenbüro bestätigen lassen, sofern die Waffe nicht ohnehin schon im kantonalen Waffenregister eingetragen ist. Für die Ordonnanzwaffen der Schweizer Armee, die ebenfalls in die betreffende Kategorie fallen, sind keine Änderungen vorgesehen, da die Schweiz von der EU eine entsprechende Ausnahmeregelung erhalten hat. Überdies sind im Vorentwurf präzisere Auflagen für Waffenhändler sowie Massnahmen zur verbesserten Identifizierung und Rückverfolgbarkeit von Waffen vorgesehen.

Angesichts des bundesrätlichen Umsetzungsvorschlages – in der Presse wahlweise mit den Attributen «weich», «sanft», «harmlos» oder schlicht «light» versehen – entpuppte sich die Angst, die in letzter Zeit in der öffentlichen Debatte umgegangen war, die EU wolle der Schweiz das Sturmgewehr verbieten, als unbegründet. Auch der «Vereinszwang», ein weiteres rotes Tuch für die Schützenlobby, fand letztlich keinen Eingang in die Vernehmlassungsvorlage – zumindest nicht für Schützinnen und Schützen, die regelmässig an der Waffe üben. «Gemessen an der Hitze, mit der die Suppe gekocht wurde, wird sie jetzt nur noch lauwarm gegessen», formulierte es der Tages-Anzeiger. Obwohl die Schützen durch erfolgreiches Lobbying viele ihrer Ziele hatten erreichen können, waren sie nicht bereit, von der Referendumsdrohung abzurücken. ProTell-Generalsekretär Robin Udry zeigte sich im Tages-Anzeiger «schockiert» vom Vorschlag des Bundesrates und bezeichnete diesen als «Vertrauensbruch gegenüber Hunderttausenden Waffenbesitzern», den ProTell «mit allen Mitteln bekämpfen» werde, auch mit dem Referendum. Ins gleiche Horn blies auch der SVP-Nationalrat und Präsident des Berner Schiesssportverbandes Werner Salzmann: «Sollte das Parlament nicht erhebliche Korrekturen anbringen, müssen wir dieses [das Referendum] ergreifen und die Kündigung von Schengen/Dublin in Kauf nehmen», zitierte ihn etwa das St. Galler Tagblatt. Die Konzessionen vonseiten des Bundesrates seien ungenügend; weder die Vereinspflicht für Gelegenheitsschützinnen und -schützen noch die zwangsmässige Nachregistrierung von Waffen – laut Salzmann ein «Eingriff in die persönliche Freiheit» – seien akzeptabel. Auch die SVP könne sich vorstellen, ein allfälliges Referendum zu unterstützen, berichtete das St. Galler Tagblatt weiter. Dagegen verkündete Luca Filippini, seit April 2017 Präsident des Schweizer Schiesssportverbandes, im «Corriere del Ticino» diplomatisch, man müsse die einzelnen Massnahmen erst analysieren. Die Vernehmlassung läuft bis am 5. Januar 2018.

Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Übernahme der Richtlinie 2017/853 zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Dossier: Das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz)