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Im Juni 2019 gastierte der Formel-E-Zirkus in der Stadt Bern. Obwohl das Budget von CHF 15 Mio. durch Sponsoren getragen wurde und somit keine Steuergelder flossen, die Tickets innerhalb einiger Minuten ausverkauft waren und über 100'000 Leute live mitverfolgten, wie mit Sébastien Buemi ein Schweizer aufs Podest fuhr, fand der ganze Anlass nicht ohne Nebengeräusche statt.
Bereits im Vorfeld war das Rennen stark umstritten. Während für die Stadtregierung die Elektromobilität sowie die neuen Technologien im Zentrum standen und Sicherheitsdirektor Reto Nause (BE, cvp) den Anlass als «Event in der Champions League» bezeichnete, äusserten die Gegnerinnen und Gegner den Vorwurf, das Rennen sei nicht nachhaltig und nütze nur dem Tourismus und dem Veranstalter. Die Regierung wurde vom Parlament heftig kritisiert und Gemeinderätin Ursula Wyss' (BE, sp) positive Haltung gegenüber der Veranstaltung führte in der SP-Parteiführung zu Diskussionen. Umweltschützer und -schützerinnen betonten, die Formel-E sei umweltschädlich und Elektroautos stellten keine wirksame Massnahme gegen den Klimawandel dar. Zudem wiesen sie auf die 1'000 Lastwagenfahrten hin, die für den Materialtransport nach Bern nötig gewesen waren. Die Veranstalter ihrerseits machten auf ihre Partnerschaft mit myclimate aufmerksam und erklärten, dass ihr Ziel eine klimafreundliche Durchführung des Events sei. Laut der Berner Zeitung verursachte der gesamte E-Prix-Zirkus im Vorjahr aber 32'000 Tonnen CO₂.
Weitere Spannungen gab es bezüglich der Streckenführung, welche die Veranstalter wegen der Kulisse so nahe wie möglich bei der Stadt haben wollten. Dadurch waren Teile des Obstbergquartiers für einige Tage nicht mehr mit dem Auto erreichbar und auch der öffentliche Verkehr war eingeschränkt. Gemäss Heini Gysel, Präsident der Nachbarschaftsgruppe, sprachen sich 9 von 10 Einwohnerinnen und Einwohner gegen den Anlass aus. Die Kommunikation sei mangelhaft gewesen und man sei enttäuscht von der rot-grünen Regierung. Ein weiterer Vorwurf lautete, dass die Anwohnerinnen und Anwohner nie gefragt worden seien, ob sie das Rennen wollten. Doch nicht alle im Obstbergquartier waren dem Rennen gegenüber negativ eingestellt. So gab es beispielsweise auch Personen, die ihren Balkon für eine bessere Sicht auf die Strecke vermieteten.
Nicht nur Bewohnerinnen und Bewohner des Obstbergquartiers zeigten sich nicht sehr erfreut über den Event, auch die Begeisterung der Ladenbesitzer und -besitzerinnen in der Altstadt hielt sich in Grenzen. Grund dafür war das sogenannte E-Village, also die Fanzone, mit der einige Gassen völlig zugestellt wurden. Kundinnen und Kunden blieben in der Folge wegen des erschwerten Zugangs aus und die Eigentümer und Eigentümerinnen der Geschäfte beschwerten sich, dass sie nicht informiert worden seien.
Der Formel-E-Veranstaltung wurde zudem mit Protest begegnet. Das Grüne Bündnis und einige andere linke Parteien bildeten zusammen das Bündnis «Formel-E ade». Am Donnerstag vor dem Rennen gab es eine bewilligte Velodemonstration, an der gut 1'000 Personen teilnahmen. Weil dabei Infrastrukturen, Werbebanner wie auch TV- und Stromkabel beschädigt wurden, was in einem Sachschaden von CHF 400'000 resultierte, konnte am Freitag ein geplantes Training erst gegen Abend stattfinden. Alberto Longo, stellvertretender Geschäftsführer der Formel-E, zeigte kein Verständnis für die Vandalen und liess verlauten, dass man rechtliche Schritte prüfen wolle. Obwohl das Rennen friedlich verlief, kam es auch in den darauffolgenden Tagen noch zu Problemen. So funktionierte wegen den Abbauarbeiten auch drei Tage nach der Veranstaltung der ÖV nicht völlig reibungslos.
Eine Rückkehr der Formel-E nach Bern dürfte unwahrscheinlich bleiben. Dies nicht nur wegen den Gegnern und Gegnerinnen, sondern auch weil – wie im Januar 2020 bekannt wurde – die Swiss E-Prix Operations AG, die Organisatorin der Schweizer Formel-E-Rennen, Konkurs ging.

Formel E-Rennen in Bern

Stadt und Kanton Bern zogen eine sehr positive Bilanz der Eishockey-WM im April und im Mai des Berichtsjahres in Bern. Die Stadt Bern habe sich erneut profiliert und Gewerbe und Hotellerie der Stadt hätten sogar noch mehr profitiert als bei der Fussball-Euro 2008. Das Budget, welches für die Sicherheit, die Unterstützung der WM-Organisatoren und das Rahmenprogramm mit Gratiskonzerten auf dem Bundesplatz bereitgestellt worden war, wurde gar um 20% unterschritten.

Eishockey-WM

Immer mehr Städte verschärften die Kontrollen im Kampf gegen den Sozialhilfemissbrauch. So beispielsweise die Städte Basel, Bern und Zürich. In Zürich erhärtete sich in zwei Dritteln der von den Sozialinspektoren untersuchten verdächtigen Fälle der Verdacht auf Sozialhilfe-Missbrauch. Die Stadtzürcher Sozialinspektoren hatten ihre Arbeit im Jahr 2007 aufgenommen. In der Mehrheit der entdeckten Fälle deklarierten die Sozialhilfeempfangenden die Nebeneinkünfte oder ihre Autos nicht. Aber auch durch falsche Angaben zur Haushaltsgrösse oder nicht angegebene Vermögenswerte wurde zu viel Sozialhilfe eingefordert .

Sozialhilfemissbrauch

Die gute Konjunktur entschärfte die finanzielle Situation der öffentlichen Sozialhilfe 2006 erneut. Wie die Städteinitiative Sozialpolitik mitteilte, sank in fünf von acht Schweizer Städten die Zahl der Sozialfälle. Wo die Fallzahlen noch stiegen, schwächte sich die Zunahme immerhin deutlich ab. In Zürich, Basel und Winterthur sanken die Zahlen um 1,5%, in den Städten Schaffhausen und Uster sogar um rund 7%. Zugenommen haben die Fallzahlen lediglich in Bern, St. Gallen und Luzern. Die uneinheitliche Entwicklung spiegelt gemäss der Mitteilung einerseits die regional unterschiedliche Erholungstendenz der Wirtschaft, anderseits aber auch die föderalistische Regelung der Sozialhilfe. Die neuen Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) zur Bemessung der Sozialhilfe würden nicht in allen Kantonen gleich umgesetzt. In den meisten der Städte stiegen allerdings die Nettokosten pro Fall gegenüber 2005 erneut. Sie betrugen nun durchschnittlich knapp 11'000 Fr. Die Gründe dafür seine vielfältig, hiess es. Einer davon sei der zunehmende Beratungs- und Betreuungsaufwand, unter anderem für die Arbeitsintegration, ein anderer die sinkende Rückerstattung aus den Sozialversicherungen.

sank in fünf von acht Schweizer Städten die Zahl der Sozialfälle

Die Olympiakandidatur Bern-Montreux 2010 kam nicht recht vom Fleck. Insbesondere die Wirtschaft schien vom Projekt nicht wirklich überzeugt, weshalb sich die Sponsorensuche sehr mühsam gestaltete. Der Bundesrat zeigte sich optimistischer und sprach Ende Januar einen Kredit von 300'000 Fr. zur Unterstützung der Vorbereitungsarbeiten. Anfangs Februar entschied der Exekutivrat von Swiss Olympic, die Kandidatur Berns und der Westschweiz für die olympischen Winterspiele 2010 unter dem Namen „Berne 2010“ offiziell beim IOC einzureichen. In den folgenden Wochen formierte sich in Stadt und Kanton Bern ein breiter links-grüner Widerstand gegen das Projekt, dem sich auch bürgerliche Politiker anschlossen, während im Rest der Schweiz, insbesondere auch in der an der Durchführung beteiligten Romandie eher Gleichgültigkeit herrschte. Während die Gegner vor den finanziellen und ökologischen Folgen des Projekts warnten, sahen die Initianten und die Exekutiven von Stadt und Kanton Bern darin eine einzigartige Gelegenheit, die Region weltweit bekannt zu machen. Der Regierungsrat legte dem Grossen Rat zwei Olympiakredite über total 22,5 Mio Fr. vor, verbunden mit der Auflage, sie dem obligatorischen Referendum zu unterstellen. Die Stadt doppelte mit einem Kredit von 4 Mio Fr. nach, ebenfalls unter der Bedingung einer Zustimmung an der Urne. Trotz Opposition der Grünen und von weiten Teilen der SP nahmen die Parlamente die Kredite an. Aber auch diese politische Unterstützung konnte nicht verhindern, dass das Initiativkomitee finanziell nicht auf Kurs kam. Anfangs August waren Rechnungen von über 500'000 Fr. offen. Im Lauf des August stiegen sowohl die kantonale wie die Stadtberner SP und die Umweltverbände definitiv aus dem Olympiazug aus. Unterstützung fand die Kandidatur hingegen bei der SVP und der FDP. Obgleich das Exekutivkomitee des IOC Ende August „Berne 2010“ zusammen mit Salzburg (Österreich), Vancouver (Kanada) und Pyeongchang (Südkorea) in den Rang einer „Candidate City“ erhob, fiel am 22. September das Verdikt an der Urne für die Promotoren vernichtend aus: Mit 77,5 resp. 78,8% Nein-Stimmen wurden die beiden kantonalen Kreditvorlagen von den Stimmberechtigten wuchtig verworfen. Knapp eine Woche nach dieser Abstimmungsniederlage stellte das Initiativkomitee das Projekt ein und informierte das IOC über den Rückzug. Trotz dreimaligem Scheitern in Serie – vor Bern Sion 2002 und Sion 2006 – scheint der olympische Traum in der Schweiz noch immer nicht ausgeträumt. Bereits einen Tag nach dem Aus für „Berne 2010“ dachte der Bündner SVP-Ständerat Brändli laut über eine Kandidatur „Davos 2014“ nach.

Olympische Winterspiele 2010
Dossier: Olympiakandidaturen

Nach den von der Städteinitiatve „Ja zur sozialen Sicherung“ vorgestellten Daten ging die Zahl der Sozialhilfebezüger 2001 leicht zurück, am stärksten in Basel (-15,8%), Schaffhausen (-7,7%) und Bern (-7,2%), während sie in Sankt Gallen und Winterthur praktisch stabil blieb. Im Durchschnitt erhielten 5% der Einwohner der grossen Schweizer Städte Sozialhilfe. Einmal mehr zeigte sich, dass Kinder das Armutsrisiko enorm beeinflussen: 22,4% aller unterstützter Haushalte waren Einelternfamilien, weitere 13% Familien mit mehreren Kindern. Jedes zehnte Kind lebte in einer Familie, die als arm bezeichnet werden muss. Die Städteinitiative verlangte deshalb erneut rasche Massnahmen zu Gunsten der Familien: Ausdehnung des EL-Systems auf Familien, substantielle Erhöhung der Kinderzulagen, Ausbau der ausserhäuslichen Kinderbetreuung und verstärkte Integration der Jugendlichen aus finanzschwachen Familien in den Arbeitsmarkt.

Sozialhilfebezüger

Acht Städte – Basel, Bern, Biel, Lausanne, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich – liessen von einer Beratungsfirma einen Vergleich ihrer Sozialhilfe anstellen. Die Untersuchung kam zum Schluss, dass sich die Probleme in allen diesen Städten ähnlich stellen: Die Kosten sind im letzten Jahrzehnt erheblich gestiegen, scheinen sich nun aber zu stabilisieren. Es zeigte sich aber auch, dass ein Vergleich schwierig ist, da die Systeme von Kanton zu Kanton, oft sogar noch von Ort zu Ort verschieden sind. Die sogenannte Sozialhilfedichte (Anteil der Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger an der Gesamtbevölkerung) liegt im Mittel der acht Städte bei 5,4%. Biel als Stadt mit besonders hoher Arbeitslosigkeit wies mit 7,5% den höchsten, Winterthur mit 3,6% den tiefsten Wert aus. Kinder und Jugendliche waren überall etwa doppelt so häufig von der Sozialhilfe abhängig wie Erwachsene. Eine wichtige Kennzahl im Vergleich der Fürsorgeämter ist die Dauer der Sozialhilfeabhängigkeit, da sie Auskunft über die Effizienz der getroffenen Integrationsmassnahmen gibt. In Basel wurde mit 39,4% der höchste Anteil von Sozialhilfeempfängern mit einer Bezugsdauer von mehr als drei Jahren festgestellt; am günstigsten schnitt Biel mit 20,8% Prozent ab.

Probleme ähnlich Systeme verschieden

Aufgrund einer Bewilligung der interdisziplinären Schweizerischen Kommission für biologische Sicherheit in Forschung und Technik (SKBS) wurden an Spitälern in Bern, Genf, Lausanne und Zürich erste Versuche mit somatischer Gentherapie aufgenommen. Getestet wurden Einsätze bei vererbbarer Immunschwäche, Degeneration von Nervenzellen, vererbbarer Erkrankung der Atemwege sowie bei Oberflächen- und bösartigen Hirntumoren.

Versuche mit somatischer Gentherapie (1995)
Dossier: Entwicklungen in der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen in den Neunzigerjahren

Ende Juni 1993 gab das BAG bekannt, welche Projekte beim Versuch einer kontrollierten Drogenabgabe an Süchtige bewilligt werden. In acht Städten sollen 700 Drogensüchtige unter ärztlicher Kontrolle Heroin, Morphin oder injizierbares Methadon erhalten. 250 Drogenkranken in Bern, Thun, Olten, Zürich und Basel wird Heroin zur Verfügung gestellt, 250 Süchtige in Bern, Thun, Olten, Basel, Schaffhausen, Zug und Zürich bekommen Morphin und weitere 200 Drogenabhängige in Bern, Freiburg, Basel und Zürich injizierbares Methadon. Da die politisch Verantwortlichen der Romandie (mit Ausnahme des Kantons Freiburg) jede Liberalisierung in der Drogenpolitik ablehnen, ist die Westschweiz an den Projekten nicht beteiligt. Angesichts der geringen Anzahl von Versuchsteilnehmern – 700 von den auf rund 30'000 geschätzten Drogensüchtigen in der Schweiz – warnte das BAG vor zu hohen Erwartungen bezüglich der Bewältigung des Drogenproblems. Im Zentrum des therapeutischen Interesses steht die Beobachtung der individuellen biographischen Entwicklung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Ziel der Versuche ist es, eine Verbesserung des körperlichen und psychischen Gesundheitszustandes, eine Erleichterung der sozialen Integration und Arbeitsfähigkeit, eine Distanzierung von der Drogenszene und einen Abbau des deliktischen Verhaltens zu erreichen. Die Ergebnisse sollen die nötigen Grundlagen zur Formulierung einer neuen Drogenpolitik liefern. Die Versuche laufen bis Ende 1996 und sind weltweit die ersten dieser Art. Begonnen wurde Ende Jahr mit einem ersten Projekt in Zürich, welches sich ausschliesslich an drogensüchtige Frauen mit ihren spezifischen Problemen richtet.

Das BAG trug zudem der von Drogenfachleuten vielfach geäusserten Kritik an seinen Vorgaben Rechnung und revidierte die Rahmenbedingungen für die Versuche. Der Begriff der Schwerstabhängigkeit wurde durch jenen der Drogensucht mit negativen gesundheitlichen oder sozialen Folgen ersetzt, die untere Altersgrenze von 20 Jahren nur noch als Richtlinie definiert und der Nachweis von zwei gescheiterten Entzugsversuchen nicht mehr als Bedingung vorgeschrieben. Entscheidend für die Teilnahme an den Versuchen ist, dass beim Probanden bisherige Behandlungen versagt haben oder aus nachweisbaren Gründen nicht in Frage kommen. Finanziell kam der Bund den ausführenden Kantonen insofern entgegen, als er – neben der Beschaffung des Heroins bei einer Pharmafirma in Frankreich und der auf CHF 2.2 Mio. veranschlagten Begleitforschung – seinen Beitrag pro Versuchsteilnehmer von CHF 1000 auf CHF 3000 erhöhte. Das Schweizer Projekt ist insofern einzigartig, als in England, wo seit Jahren mit Erfolg das «Liverpooler Modell» der medizinisch überwachten Drogenabgabe funktioniert, der Staat diese Abgabe zwar toleriert, dabei aber keine aktive Rolle spielt.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Im Spätwinter des Vorjahres hatten die Stadtbehörden von Bern und Zürich die beiden offenen Szenen Kocherpark und Platzspitz geschlossen in der Hoffnung, auswärtige Drogenkonsumentinnen und -konsumenten in ihre Wohnsitzkantone zurückzudrängen und so die offenen Szenen verkleinern zu können. Immer deutlicher zeigte sich aber, dass dieser Versuch nicht gelungen war. In Bern konnte eine grössere Szenenbildung verhindert werden, doch führte dies in erster Linie dazu, dass die Situation unübersichtlicher wurde, die Polizei fast pausenlos im Einsatz stand und für die Süchtigen der Beschaffungsstress zunahm. In Zürich verteilten sich die Drogenkonsumenten vorerst auf die an den Platzspitz angrenzenden Quartiere, was zu einer unerträglichen Belastung der dortigen Wohnbevölkerung führte. Schliesslich bildete sich am stillgelegten Bahnhof Letten eine neue offene Szene.

Koordinierte Aktion der Städte gegen die offene Drogenszene (1991–1995)

Wie bereits im Vorjahr angekündigt, wurden im Verlauf des Winters 1991 und des Frühjahres 1992 die offenen Szenen in Zürich (Platzspitz) und Bern (Kocherpark) aufgelöst, doch gelang vor allem in Zürich die Dezentralisierung in die weitere Umgebung nicht. Stadtpräsident Estermann (ZH, sp) richtete im Sommer 1992 einen dringenden Appell an Bund, Kanton und Gemeinden, Zürich bei der Bewältigung des Drogenproblems nicht allein zu lassen. In erster Linie forderte er bessere Auffangstrukturen in den Wohngemeinden der Drogenabhängigen und eine Revision des Betäubungsmittelgesetzes in Richtung Entkriminalisierung sowie die breite Abgabe von Heroin an Schwersüchtige. Er bat aber auch um vermehrte Unterstützung bei der Repression des Drogenhandels, insbesondere um die Internierung von delinquierenden Asylbewerbern. Sowohl EDI wie EJPD lehnten dies ab.

Koordinierte Aktion der Städte gegen die offene Drogenszene (1991–1995)

Die Drogenfachleute reagierten erleichtert, bedauerten aber die geringe Teilnehmerzahl, da damit kaum schlüssige Resultate erreicht werden könnten. Die Städte Basel, Bern, Freiburg, St. Gallen, Solothurn, Zug und Zürich meldeten umgehend ihr Interesse an, mindestens einen Versuch mit harten Drogen durchzuführen. Der Beginn der Versuche wurde auf Herbst 1992 in Aussicht gestellt. Der Erlass der entsprechenden Verordnung verzögerte sich jedoch bis Ende Oktober, so dass frühestens 1993 damit gestartet werden kann. Die vom Bundesrat gesetzten Rahmenbedingungen lassen 13 Versuche zu, fünf davon mit Heroin. In die Heroinversuche können nur schwerstabhängige, verelendete oder sich prostituierende Drogensüchtige einbezogen werden, welche volljährig und seit mindestens zwei Jahren nachweisbar drogenabhängig sind sowie mindestens zwei gescheiterte Entzüge hinter sich haben und für andere Therapieprogramme nicht in Frage kommen.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Keine zehn Tage nach der Drogenkonferenz zeigte sich ziemlich überraschend, dass zumindest in der Einschätzung der offenen Szenen bereits ein gewisser gesamtschweizerischer Konsens eingetreten war: Die im Städteverband zusammengeschlossenen Städte kündigten an, in den kommenden Monaten in einer koordinierten Aktion die offenen Drogenszenen zum Verschwinden bringen und die auswärtigen Fixer und Fixerinnen von der Polizei zwangsweise in ihre Wohn- oder Heimatgemeinden zurückschaffen zu wollen,, um diese vermehrt in die Verantwortung für die Drogenkranken miteinzubeziehen. Obgleich namhafte Strafrechtler bezweifelten, dass diese Abschiebungen rechtlich überhaupt zulässig seien, und Drogenfachleute warnten, ohne Schaffung der entsprechenden Infrastrukturen (Unterkünfte, Sicherstellung der AIDS-Prävention) sei bei einer Auflösung der offenen Szenen mit vermehrten Drogentoten zu rechnen, liessen sich die Stadtbehörden von Bern und Zürich, die wegen der repressiven Haltung des Kantons Aargau und der Romandie besonders vom Drogentourismus betroffen sind, nicht von ihrem Vorhaben abhalten: Anfangs Dezember 1991 wurde der Berner Kocherpark, wo die Fixer nach mehrfacher Vertreibung aus politisch nicht genehmen Standorten – unter anderem die Bundeshausterrasse – eine gewisse Betreuung und Geborgenheit erfahren hatten, nachts geschlossen; kurz nach Jahresende erfolgte auch die nächtliche Räumung der Zürcher Szene beim Platzspitz.

Koordinierte Aktion der Städte gegen die offene Drogenszene (1991–1995)

Der einzig neue Ansatzpunkt schien die Bereitschaft des Bundesrates zu sein, die Auswirkungen einer diversifizierten Drogenabgabe an Abhängige zu prüfen. Allgemein wurde dies als Zustimmung des Bundes zu den vor allem in den Städten Basel, Bern und Zürich seit längerem geforderten gezielten Versuchen mit der medizinisch kontrollierten Abgabe von Heroin verstanden, welche ein Gutachten des EJPD vom Vorjahr als rechtlich nicht ganz unbedenklich, aber doch zulässig eingestuft hatte. Im Kanton Bern und in der Stadt Zürich gaben die Legislativen bereits grünes Licht für derartige Versuche.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Wie auch immer Drogenpolitik in der Schweiz gehandhabt wird, so gerät sie ins Kreuzfeuer divergierender Standpunkte. Für die einen, in erster Linie die Vertreter der Autopartei und einen Teil der SVP, ist sie zu verständnisvoll und permissiv. Für die anderen, Sozialarbeiter und Politiker aus dem links-grünen Spektrum, ist sie zu stur und unmenschlich. Besonders deutlich wurde dies in den zum Teil sehr emotional geführten Diskussionen um die Fixerräume in den grossen Städten der deutschen Schweiz. Aber auch der Graben zwischen der Deutschschweiz und der Romandie vertiefte sich weiter, da sich die welschen Kantonen nach wie vor strikte weigerten, ihren Drogensüchtigen eine nicht repressive Infrastruktur anzubieten, wodurch diese in die Städte mit offener Szene – vorab Zürich und Bern – auswichen und so dort die Probleme noch verschärften.

Drogenpolitik im Kreuzfeuer (1990)