Die SP setzte sich zusammen mit den Grünen zum Ziel, die bürgerliche Mehrheit im fünfköpfigen Stadtrat, der Exekutive der Kantonshauptstadt, zu sprengen. Links-Grün witterte Morgenluft, da der parteilose, ehemals der FDP angehörige Stadtpräsident Urs W. Studer nicht mehr antrat. Studer hatte sich 1996 mit der FDP überworfen, und war damals als wilder, parteiloser Kandidat in einer Kampfwahl gewählt worden. Er blickte auf eine 16-jährige Amtszeit zurück. Darüber hinaus trat auch der 2000 gewählte Baudirektor Kurt Bieder (fdp) nicht mehr an. Die FDP wollte ihn mit Martin Merki ersetzen. Die bürgerliche Mehrheit – neben Studer und Bieder war die CVP mit dem wieder antretenden Stefan Roth vertreten – sollte mit zwei SP- und einer GP-Kandidatur geknackt werden. Die SP setzte nach längerer Diskussion auf ein Zweierticket mit der bisherigen Ursula Stämmer und dem neu antretenden Beat Züsli. In der internen Ausmarchung über die Klinge springen musste Kantonsrätin und Kantonalparteipräsidentin Felicitas Zopfi. Die Grünen schickten den langjährigen Kantonsrat Adrian Borgula ins Rennen, der den zurücktretenden, seit 2000 amtierenden Sozialdirektor Ruedi Meier ersetzten sollte. Nicht nur Links-Grün wollte die aufgrund der drei vakanten Sitze Spannung verheissende Situation ausnutzen. Auch die SVP und die GLP wollten einen Sitz in der Stadtregierung erobern. Die SVP schickte Kantonsrat Rolf Hermetschweiler ins Rennen und die GLP wollte mit der Kantonsrätin und Grossstadtratsfraktionschefin Manuela Jost einen Stadtratssitz gewinnen. Neben diesen sieben Kandidierenden traten der von der Juso portierte Adelino De Sa und die parteilosen Marc César Welti und Philipp Federer an. Welti war Wirt und Federer gehörte dem Grossen Stadtrat an und war bis 2010 Mitglied der GP, trat dann aber aus, weil er nach eigener Aussage den Protestcharakter der Partei vermisste. Die SP und die GP traten im Wahlkampf gemeinsam auf. Die bürgerliche Allianz war hingegen eher schwach. Zwar unterstützten sich die CVP und die FDP gegenseitig – beide Parteien bestritten auch den Anspruch der SP auf einen zweiten Regierungssitz – aber Hand bieten für ein bürgerliches Trio mit der SVP wollten sie doch nicht. Nicht nur die SVP, sondern auch die GLP, die ebenfalls mit einem Schulterschluss mit FDP und CVP geliebäugelt hatte, mussten ohne Unterstützung antreten. Der Wirtschaftsverband warb für eine bürgerliche Stadtregierung aus CVP, FDP und SVP. Für das Stadtpräsidium, das ebenfalls direkt gewählt wurde, traten Ursula Stämmer (sp), Adrian Borgula (gp), Stefan Roth (cvp), Manuela Jost (GLP) und Marc César Welti (parteilos) an. Für Kritik sorgte die Kandidatur von Stefan Roth, da dieser ankündigte, das Finanzdepartement behalten zu wollen. In der Stadt Luzern ist das Stadtpräsidium vor allem mit repräsentativen Funktionen verbunden und wird deshalb mit einem eigenen Departement verknüpft. Die Kombination von Präsidium und Finanzdepartement kam vor allem in links-grünen Augen einer ungebührlichen Machtballung gleich. Aufgrund der hohen Zahl an Kandidierenden wurde ein zweiter Wahlgang erwartet. Dass dann im ersten Wahlgang bereits vier Personen gewählt waren, wurde als Überraschung taxiert. Am meisten Stimmen erhielt Stefan Roth (10'019 Stimmen) gefolgt von Martin'Merki (9 912 Stimmen). Auch Links-Grün konnte die beiden bisherigen Sitze bereits im ersten Umgang verteidigen: Ursula Stämmer (9'799 Stimmen) und Adrian Borgula (9'664) übersprangen das absolute Mehr (9 501). Die Richtungswahl wurde also auf den zweiten Wahlgang verschoben. Aufgrund der Resultate im ersten Wahlgang waren Züsli (7'410 Stimmen) und Jost (6'456 Stimmen) in der Poleposition. Beide wurden von ihren Parteien für den zweiten Wahlgang nominiert. Einen Achtungserfolg erzielte der von der SVP als Jux-Kandidat bezeichnete Jungsozialist De Sa (5'312 Stimmen), der sogar noch vor dem SVP-Kandidaten Hermetschweiler (4'278 Stimmen) lag. Federer und Welti waren abgeschlagen. Auch das Rennen um das Stadtpräsidium musste in einen zweiten Umgang. Zwar hatte Roth mit 8'624 Stimmen auch hier das beste Resultat erzielt, das absolute Mehr aber verpasst. Stämmer (3'981 Stimmen) und Borgula (3'439 Stimmen) kamen zusammen nahe an Roth heran. Borgula verzichtete in der Folge zugunsten von Stämmer auf eine erneute Kandidatur. Für den zweiten Wahlgang der Stadtratswahlen überlegten sich sowohl CVP und FDP, mit einer neuen Kandidatur anzutreten, um die bürgerliche Mehrheit in der Stadtexekutive zu verteidigen, verzichteten schliesslich aber darauf. Die Verhinderung einer Links-Grünen Mehrheit schien jedoch dadurch gefährdet, dass die SVP mit Hermetschweiler nochmals antreten wollte und die CVP und die FDP Jost unterstützten. Für Diskussionen im bürgerlichen Lager sorgte der Umstand, dass der gewählte Roth sowohl zusammen mit Jost als auch mit Hermetschweiler auf Plakaten für eine bürgerliche Mehrheit warb. Begründet wurde dies zuerst mit der Unterstützung der SVP für Roth im Kampf ums Stadtpräsidium. Die CVP intervenierte jedoch und in der Folge musste die SVP das Konterfei von Roth auf ihren Plakaten grau überdecken. Den Wirbel um seine Person überstand Roth dann allerdings schadlos. Beim zweiten Wahlgang für das Präsidium erhielt er mit 12'016 Stimmen rund 3500 Stimmen mehr als Stämmer (8'484 Stimmen). Knapper war der Ausgang um den fünften Stadtratssitz, den die noch junge GLP erobern konnte. Manuela Jost (8'725 Stimmen) lag nur ungefähr 700 Stimmen vor dem Sozialdemokraten Beat Züsli (8'026 Stimmen). Wie erwartet keine Chance hatte Rolf Hermetschweiler (3'488 Stimmen). Damit war der gemeinsame Angriff der SP und der GP gescheitert und die Fünfparteienregierung mit bürgerlicher Mehrheit hatte Bestand. Insgesamt wurde die Wahl deshalb trotz drei neuer Gesichter als Auftrag für Kontinuität betrachtet. Die Politik von Jost sei jener des zurücktretenden Studer näher als es der pointiert linke Politstil von Züsli gewesen wäre. Mit ihrer Ankündigung, in Zukunft vermehrt auch Oppositionspolitik zu betreiben, sendete die SP allerdings Zeichen für künftig schwieriger werdende Arbeit der neuen Stadtregierung, in der neu zwei Sitze von Frauen besetzt wurden. Die Wahlbeteiligung war beim zweiten Wahlgang mit 39,7% sogar etwas höher als noch beim ersten Wahlgang (37,0%). Weil Ursula Stämmer von der Baudirektion in die Bildungsdirektion wechselte, kam es zu einer Rochade. Die Baudirektion übernahm Manuela Jost und Adrian Borgula wurde Vorsteher der Umwelt-, Verkehrs- und Sicherheitsdirektion. Für die FDP, die vor den Wahlen die Baudirektion besetzte, übernahm Martin Merki die Sozialdirektion. Einzig Stefan Roth behielt die Finanzdirektion. Die auch aufgrund des Umstandes, dass Roth Kantonsrat bleiben wollte nicht abklingende linke Kritik an der grossen Machtfülle konterte das Regierungskollegium mit dem Argument der nötigen Kontinuität in finanziellen Fragen.

Kommunale Wahlen Luzern 2012
Dossier: Kommunale Wahlen 2012