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In der letzten Augustwoche fanden in Basel Feierlichkeiten zum Gedenken des Zionistenkongresses statt, der vor 100 Jahren in dieser Stadt stattgefunden hatte, und der als Geburtsstunde für die 1948 erfolgte Gründung des Staates Israel gilt. Unter grossen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Repräsentanten Israels trafen sich mehr als tausend Teilnehmer aus aller Welt zu Kongressen, Gedenkfeiern und anderen Anlässen. Die Schweiz war durch Bundesrätin Dreifuss und Nationalratspräsidentin Stamm (cvp, LU) vertreten; offizieller Vertreter Israels war der Präsident der Knesset, Dan Tichon. Zu den im Vorfeld befürchteten Demonstrationen von palästinenserfreundlichen Kreisen gegen den israelischen Staat kam es nicht.

Zionistenkongresses

Gemäss den Interpretationen der Verfasser einer repräsentativen Befragung haben sich die Diskussionen um die Politik der Schweiz im 2. Weltkrieg auch auf das Geschichtsbild der Schweizer und Schweizerinnen ausgewirkt. Die von der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik und Konfliktanalyse der ETH Zürich erstellte Studie ergab, dass 43% der Ansicht sind, dass die Schweiz primär wegen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Deutschland und seinen Verbündeten vom Krieg verschont geblieben ist; 24% glauben, dass dies vor allem eine Folge der militärischen Abwehrbereitschaft war und 18% betrachten beide Faktoren als gleichwertig. Dabei zeigten sich einige Unterschiede unter den Generationen. Während bei der sogenannten Aktivdienstgeneration (d.h. den mindestens 60jährigen) die Meinung dominierte, dass beide Faktoren zusammen verantwortlich waren (36%), war es bei den jüngeren Befragten die Ansicht, dass es primär die Wirtschaftspolitik war (47% bei den 30-59jährigen resp. 50% bei den 20-30jährigen). Die Landesverteidigung wurde von der Aktivdienstgeneration hingegen nicht wesentlich häufiger als primäre Ursache angegeben als von den jüngeren Altersgruppen (22% gegenüber 18% resp 14%). Im Vergleich zu 1983, als diese Frage zum ersten Mal gestellt wurde, nahm der Anteil derjenigen, welche in der Landesverteidigung den primären oder zumindest mit der Wirtschaftspolitik gleichwertigen Faktor für die Kriegsverschonung sehen, von 61% auf 42% ab. Dass allerdings bereits 1983 lediglich 24% der Befragten vorbehaltlos der Aussage zustimmten, dass die Schweiz vor allem wegen der Landesverteidigung vom Krieg verschont blieb, stellt auch gewisse Vorstellungen über die Bedeutung von schweizerischen Mythen in Frage. Ob und wie sich die Diskussion der schweizerischen Geschichte auf die Einstellung zur heutigen Aussenpolitik auswirkt, kann die Studie nicht eindeutig beantworten. Mit einer Zustimmung von rund 80% geniesst die Maxime der Neutralität jedenfalls immer noch sehr hohes Ansehen; ein Beitritt zur NATO würde von weniger als einem Viertel der Befragten akzeptiert. Während der Anteil der Befürworter eines Beitritts zur UNO gegenüber dem Vorjahr um sechs Prozentpunkte auf 57% gestiegen ist, sank derjenige der Befürworter eines EU-Beitritts um zehn auf 42%. Der Anteil derjenigen, die sich in irgendeiner Form eine Annäherung an die EU wünschen, blieb mit 67% konstant.

Geschichtsbild der Schweizer und Schweizerinnen Maxime der Neutralität jedenfalls immer noch sehr hohes Ansehen

Eine der jährlich durchgeführten Univox-Umfragen ergab, dass die Kritik der Bürgerinnen an den Behörden und ihrer Politik zugenommen hat. Der Anteil derjenigen, welche mit der Politik von Bundesrat und Parlament nicht zufrieden sind, stieg 1997 im Vergleich zum Vorjahr von 35% auf 44%, während der Anteil der Zufriedenen von 44% auf 40% sank. Die Umfrage zeigte, dass die Kritik massgeblich mit der politischen Einstellung der Befragten zusammenhängt. Sowohl bei den Sympathisanten rechtsbürgerlicher Parteien (SVP, SD und FP) als auch bei den Anhängern linker und grüner Parteien lag der Anteil der Unzufriedenen mit rund 50% deutlich über dem Mittel.

Kritik an den Behörden und ihrer Politik zugenommen

Unter dem Eindruck der teilweise gehässigen Diskussion über den Zweiten Weltkrieg standen auch drei vom Nationalrat als Postulate überwiesene Vorstösse. Bühlmann (gp, LU) verlangte mit zwei Motionen die Einrichtung eines Lehrstuhls für die Erforschung von Antisemitismus und Rassismus an der ETH resp. mehr Bundesgelder für die an der ETH angesiedelte Stiftung Jüdische Zeitgeschichte. Hochreutener (cvp, BE) lud den Bundesrat ein, ein Museum oder eine Gedenkstätte gegen das Vergessen des Holocaust und anderer schrecklicher Menschenrechtsverletzungen zu errichten. In seiner Antwort auf eine Interpellation Ruffy (sp, VD) führte der Bundesrat aus, dass der Bund bereits jetzt verschiedene Projekte unterstütze, welche schriftliche und audiovisuelle Dokumente über den Holocaust und die Politik der Schweiz während dieser Zeit zusammenstellen und einer breiten Öffentlichkeit bekanntmachen; ob aber eine spezielle Gedenkstätte errichtet werden soll, müsse später abgeklärt werden.

Erforschung von Antisemitismus und Rassismus

Auf die zum Teil sehr aggressiv vorgebrachten Beschuldigungen und Forderungen von Repräsentanten internationaler jüdischer Organisationen reagierten einige Personen mit anonymen Schmähbriefen und Drohungen an schweizerische jüdische Organisationen und Persönlichkeiten sowie mit verbal oder in Leserbriefen geäusserten antisemitischen Stereotypen. Von der SP-Fraktion und von Nationalrat Suter (fdp, BE) mit Interpellationen zu einer Stellungnahme aufgefordert, verurteilte der Bundesrat derartige Aktivitäten und Pauschalurteile und betonte, dass er sich dafür einsetze, Rassismus, Antisemitismus und andere diskriminierende Haltungen gegen Minderheiten an der Wurzel zu bekämpfen. Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus lancierte im Sommer eine breite Inserat- und Plakataktion gegen rassistische und antisemitische Vorurteile und Diskriminierungen.

antisemitischen Stereotypen

Die vom GfS-Forschungsinstitut gemessenen Ängste der Bevölkerung erreichten 1996 einen Höchststand. An der Spitze stand die Besorgnis über den Egoismus der Mitmenschen sowie die ökologische Entwicklung. Nur im Mittelfeld der geäusserten Ängste erschien die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz und das materielle Wohlergehen. Insgesamt ging jedoch die Angst vor der Zerstörung der Umwelt zurück, während die Furcht vor der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung zunahm.

Ängste

Nichts Neues ist die Angst der Romandie vor einer Deutschschweizer Dominanz. Sie trat dieses Jahr insbesondere aufgrund der Entscheidung der Swissair, die Langstreckenflüge weitgehend auf den Flughafen Zürich-Kloten zu konzentrieren, in Erscheinung. Die Zukunft des Flughafens Genf-Cointrin war auch ein Thema in den eidgenössischen Räten. Nicht weniger als eine Interpellation, drei dringliche Einfache Anfragen und elf Fragen wurden zu diesem Thema eingereicht. Neu dagegen war, dass auch die Ostschweiz öffentlich ihre Vernachlässigung gegenüber den anderen Regionen beklagte. Bei einem Treffen mit dem Bundesrat listeten die Vertreter der sieben Ostschweizer Kantone eine Reihe von Benachteiligungen ihres Landesteils durch die Bundesbehörden auf. Im Vordergrund standen dabei die Projekte der NEAT sowie die Verbilligung der Krankenkassenprämien.

Zukunft des Flughafens Genf-Cointrin Ostschweiz

Zwei Meinungsforschungsinstitute - das GfS-Forschungsinstitut und Démoscope - massen 1996 das Vertrauen der stimmberechtigten Bevölkerung in die Behörden. Dabei kamen die beiden Institute - freilich mit unterschiedlichen Frageformulierungen - zu recht verschiedenen Werten: für den Bundesrat wurde bei der GfS ein Vertrauenswert von 39%, bei Démoscope ein solcher von 71% gemessen. Beide Stellen nahmen jedoch, nach einem dramatischen Prestigeverlust zu Beginn der 80er-Jahre, 1996 einen leichten Aufschwung des Ansehens der Behörden wahr. Nicht betroffen von dem langfristigen Vertrauensverlust ist die Wirtschaft. Gemäss der Studie der GfS orientieren sich weite Teile der Bevölkerung zunehmend an wirtschaftlichen, denn an politischen Zusammenhängen.

Vertrauen der stimmberechtigten Bevölkerung in die Behörden

Infolge der Affären im EMD musste die Armee 1996 einen deutlichen Imageverlust hinnehmen. Ihre Akzeptanz fiel, gemäss einer Studie der ETH Zürich, von 78% auf 63% zurück und erreichte damit annähernd den bisher tiefsten Wert von 1991. Die Zustimmung zur Milizarmee sank ebenso wie das allgemeine Sicherheitsempfinden der Schweizer Bevölkerung. Dagegen nahm die Zustimmung zu einem Beitritt zu Internationalen Organisationen zu. Erstmals seit 1993 sprach sich eine schwache Mehrheit der Befragten für einen vorbehaltlosen Beitritt zu EU und UNO aus.

Armee Zustimmung zu einem Beitritt zu Internationalen Organisationen

Als bedenklich erwies sich gemäss einer Umfrage der Zeitschrift "das Beste" das staatsbürgerliche Wissen der Schweizer Bevölkerung. Nur eine Minderheit der Befragten konnte drei häufig bei Einbürgerungen gestellte staatspolitische Fragen richtig beantworten. Dabei zeigte sich die junge Generation wesentlich sattelfester in Staatskunde als die Älteren.

das staatsbürgerliche Wissen

Die politische Partizipation der Bevölkerung war Gegenstand einer weiteren wissenschaftlichen Untersuchung. Darin wurden die Anonymität des politischen Geschehens und die mangelnde Glaubwürdigkeit der in der Politik Tätigen als Hauptursachen der Stimmabstinenz festgestellt. Während für die Stimmenden in der Deutschschweiz die politische Mitbestimmung ein wichtiges Motiv für die Teilnahme an Abstimmungen ist, gehen die Menschen in der Romandie und im Tessin mehr aus Gewohnheit zur Urne. Personen aus der Mitte des Parteienspektrums zeigten sich überdurchschnittlich politikverdrossen.

Hauptursachen der Stimmabstinenz

Der Nationalrat behandelte im Frühjahr die von den Kommissionen beider Räte erstellten Berichte hinsichtlich einer besseren Verständigung unter den verschiedenen Sprachregionen der Schweiz. Die darin aufgeführten Vorschläge wurden durchwegs positiv beurteilt, der Bericht selbst zustimmend zur Kenntnis genommen. Unbehagen wurde in der fünfstündigen Diskussion an der Verwendung der Deutschschweizer Dialekte, gerade auch in den Medien, geäussert. Mit schlichtem Unverständnis reagierten insbesondere die Abgeordneten aus der Romandie auf die ablehnende Haltung der Deutschschweizer gegenüber dem Hochdeutschen. Nicht zuletzt sei es oft gerade die Verwendung der Schweizer Mundarten, welche die Verständigung unter den Sprachgruppen erschwere.

Kommunikation zwischen den einzelnen Landesteilen

Unter dem Titel "CH-Forum 98" nahm der Kanton Solothurn eines der vom Nationalrat im Rahmen der Verständigungsberichte diskutierten Projekte auf. In den kommenden Jahren soll auf dem als Begegnungszentrum landesweit etablierten Schloss Waldegg eine Reihe von Veranstaltungen zur Frage eines erneuerten nationalen Dialogs durchgeführt werden. Mit bislang 17 vorgesehenen Beiträgen, die thematisch von der Frage nach der Stellung der ausländischen Mitbürger bis zum Verhältnis zwischen Zentrum und Peripherie reichen, sind die Diskussionsbereiche weit abgesteckt. Den Beginn machte im November eine gut besetzte Tagung über die "Dialogfähigkeit der Schweiz", in deren Mittelpunkt die Frage nach den Ursachen der zunehmenden aussenpolitischen Abschottung sowie innenpolitischen Grabenbildung und allfällige Möglichkeiten zu deren Überwindung stand. Das "CH-Forum 98" versteht sich als Beitrag des Kantons Solothurn zu den Staatsfeierlichkeiten im Jahre 1998.

"CH-Forum 98" "Dialogfähigkeit der Schweiz"

Nach dieser grundsätzlichen Diskussion behandelte der Nationalrat eine Reihe parlamentarischer Vorstösse zu diesem Thema. Wie bereits der Ständerat überwies auch er eine in beiden Räten eingereichte gleichlautende Motion der beiden Ratskommissionen, welche die Landesregierung bei all ihren Beschlüssen zu besonderer Beachtung der sprachlichen und regionalen Verständigung verpflichtet. Damit konnte sich der Bundesrat nicht durchsetzen, welcher die Vorschläge zwar seinerseits begrüsste, jedoch für deren Überweisung als Postulat plädiert hatte. Er überwies weiter eine Motion des Ständerats (92.3493), welche im Anschluss an die Volksabstimmung über die Zugehörigkeit zum EWR eingereicht worden war und den Bundesrat beauftragt, im Zusammenwirken mit gesellschaftlichen und kulturellen Organisationen Massnahmen zu treffen, um die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften nachhaltig zu fördern.

Erfolg hatte auch eine parlamentarische Initiative von Robert (gp, BE). Darin wird der Bund aufgefordert, Bemühungen der Kantone zur Förderung der zweisprachigen Erziehung im Rahmen der Landessprachen zu unterstützen. Der Antrag Maspolis (lega, TI), der Initiative keine Folge zu geben, wurde deutlich verworfen. Eine weitere parlamentarische Initiative von Borel (sp, NE) für den Empfang mindestens eines Radioprogramms in jeder der drei Amtssprachen in der ganzen Schweiz wurde von der zuständigen Ratskommission in ein eigenes Postulat umgewandelt und dergestalt vom Plenum überwiesen.

Parlamentarische Initiativen zur Förderung der Mehrsprachigkeit

Als Postulat überwiesen wurde auch die Forderung der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats, die vom Bundesrat ein grösseres Engagement bei Fremdsprachenaufenthalten für Schüler und Lehrlinge sowie eine auf ökonomisch schwache Gebiete hin angelegte regionale Wirtschaftspolitik forderte. Kein Erfolg war schliesslich einem Minderheitsantrag der Verständigungskommission des Nationalrats beschieden, welcher zur Verbesserung der Kompetenz im Hochdeutschen für alle Lehrkräfte einen obligatorischen Aufenthalt im deutschsprachigen Ausland vorsah. Das entsprechende Postulat wurde auf Antrag des Bundesrats deutlich abgelehnt.

Kommunikation zwischen den einzelnen Landesteilen

Das Vertrauen der Schweizer Bevölkerung in die Behörden, Parteien und Verbände hat sich im Berichtsjahr weiter verringert. Laut den Ergebnissen des Marktforschungsinstituts Demoscope stieg der Anteil der Befragten, welche wenig bis gar kein Vertrauen in die Regierung haben, gegenüber dem Vorjahr um drei auf 27 Prozent, während die Anzahl Personen mit vollem und ziemlichem Vertrauen in den Bundesrat stagnierte. Ein genereller Rückgang war insbesondere beim Vertrauen in die Parteien und Verbände sowie in die kantonalen und kommunalen Behörden festzustellen. Laut der Univox-Umfrage zum Verhältnis Bürger-Staat erzielte die Zauberformel bei der Bevölkerung trotz den Misstönen rund um die Bundesratsersatzwahl eine hohe Akzeptanz. Eine Mehrheit der Befragten sprach sich aber für die Volkswahl der Landesregierung aus, nachdem 1988 noch das geltende System Zustimmung gefunden hatte. Eine Mehrheit glaubte ferner, dass der Bundesrat für die wichtigsten Probleme wie Arbeitslosigkeit, Drogen und Aids eine Lösung finden werde. Im übrigen zeigte sich, dass bei der Bewertung staatlicher Stellen weitere Image-Einbussen, vor allem bei den PTT, zu verzeichnen waren. Entgegen den gängigen Vorstellungen ergab eine weitere Demoscope-Studie, dass die eher als typisch germanisch eingestuften Eigenschaften wie Hang zum Materialismus, Erfolgsstreben, Sauberkeit und Aggressivität bei den Romands im allgemeinen ausgeprägter waren als bei den Deutschschweizern.

Vertrauen in die Regierung

In einer repräsentativen Umfrage des Magazins Reader's Digest, welche von den Befragten wissen wollte, welcher Kanton der sympathischste sei, plazierte sich das Tessin mit Abstand an erster Stelle, gefolgt von Bern, Graubünden und Wallis. Ausser dem Kanton Jura, der auf dem zweitletzten Platz landete, waren alle Kantone der Romandie im ersten Drittel der Rangordnung vertreten. Den Schluss bildete der Kanton Zürich. In einem sogenannten Kantonsrating beurteilte das Wirtschaftsmagazin "Bilanz" die Attraktivität der 26 Stände nach unterschiedlichen Kriterien wie Finanzen, Steuern, Wirtschaft, öffentliches Angebot, Umweltqualität und allgemeine Befindlichkeit. Dabei plazierte sich der Kanton Zug an erster Stelle, gefolgt von Graubünden und Nidwalden.

Umfrage sympathischste Kanton

Um eine bessere Kommunikation zwischen den einzelnen Landesteilen zu gewährleisten, mehr Brückenschläge und allgemein ein besseres Verständnis zwischen den Sprachregionen zu schaffen, haben die Büros der beiden Räte eine parlamentarische Kommission einberufen, welche das Phänomen analysieren und Lösungsvorschläge unterbreiten soll.

Kommunikation zwischen den einzelnen Landesteilen

Wie die Ergebnisse der 1992er Umfrage im Rahmen der UNIVOX-Untersuchung zur politischen Kultur in der direkten Demokratie zeigten, verstärkte sich der Trend des Misstrauens der Bevölkerung gegenüber der Politik; 52% der Befragten unterstützten die Aussage "Leute wie ich haben keinen Einfluss darauf, was die Regierung tut", was eine Zunahme von 9 Prozentpunkten im Vergleich zu 1989 darstellte. Über die Hälfte der Befragten glaubte im weiteren, dass sich die gewählten Politikerinnen und Politiker wenig um das Volk kümmern und den Kontakt mit ihm vollständig verloren haben. Nicht ganz die Hälfte der Befragten (46%) zeigten sich zufrieden mit der Art, wie die Schweiz regiert wird (1990: 54%; 1991: 42%), ein Drittel war unentschieden und ein Fünftel äusserte sich unzufrieden. Als wichtigste Probleme der Gegenwart wurde mit 21% die Arbeitslosigkeit und die Ausländerfrage genannt; gleichzeitig haben zu diesen beiden Themen immerhin 63% resp. 61% Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit des Bundesrates.

verstärkte sich der Trend des Misstrauens der Bevölkerung gegenüber der Politik

Die Idee der nationalen Identität, auf welcher die Willensnation Schweiz aufgebaut ist, wurde durch die Spaltung der Schweiz in die verschiedenen Sprachregionen in bezug auf die Frage eines EWR-Beitritts auf die Probe gestellt. Das Abstimmungsresultat zeigte mit aller Deutlichkeit die Demarkationslinie zwischen den französischsprachigen Kantonen einerseits, in welchen die Zustimmung zum EWR zum Teil über 80% betrug und den deutsch-, italienisch- und rätoromanischsprachigen Kantonen andererseits, in denen keine Mehrheit für den EWR zustande kam, auf. Relativiert wurde das Ergebnis durch die Tatsache, dass neben den beiden Basel auch die beiden anderen deutschsprachigen Grossagglomerationen Zürich und Bern sowie eine Reihe weiterer Deutschschweizer Städte dem EWR zugestimmt hatten. Der Graben zwischen deutschsprachiger und welscher Kultur hatte sich seit dem ersten Weltkrieg nie mehr in dem Masse manifestiert; ein grosser Teil der französischsprachigen Schweiz konnte sich nach dem für sie enttäuschenden, ja niederschmetternden Ergebnis kaum mehr als zur Schweiz gehörend identifizieren. In der Romandie wichen erste, aus der Enttäuschung entstandene, Sezessionsgedanken nach dem Abstimmungstag jedoch bald einer realistischeren Problemanalyse. Gemäss verschiedener Beobachter läuft die Schweiz nach dem Nein zum EWR fortan Gefahr, durch eine wachsende Indifferenz der Romands gegenüber der Deutschschweiz die nationale Kohäsion zu verlieren. Im übrigen wurde auch der traditionelle Zusammenhalt unter den lateinischen Kulturen, zwischen dem Tessin und der Romandie, mit dem klaren Nein des Tessins geschwächt. Das Auseinanderklaffen der Haltungen zum EWR in den verschiedenen Sprach- und Kulturräumen bot aber – zum Teil auch schon vor der Volksabstimmung – Gelegenheit, die Identität und die Verankerung der einzelnen Sprachregionen im Verhältnis zur Gesamtschweiz zu überdenken. Das Bewusstsein, dass weder die deutschsprachige Schweiz noch die Romandie ein kohärentes Ganzes bilden, wurde dabei gestärkt. Ebenso wurde offensichtlich, dass nur innerhalb einer politisch-sozialen Elite der Bevölkerung intensive und vielfältige Beziehungen zwischen Romands und Deutschschweizern gepflegt werden. Im übrigen sind die Erklärungsansätze, welche die unterschiedlichen Haltungen zur europäischen Integration in den Sprachregionen analysieren, sehr vielfältig und zum Teil widersprüchlich. Häufig thematisiert wurden beispielsweise die Minoritätssituation der Frankophonen in der Schweiz und die Nähe zur Europäischen Gemeinschaft durch die französische Sprache; viele Kommentatoren erwähnten den Antigermanismus der Deutschschweiz sowie deren vergangenheitsorientierte Mythen als tiefere Ursache für das Nein, während sie in der Romandie keine vergleichbare Negativbeziehung zum Kulturnachbarn Frankreich ausmachen konnten. Die vertiefte Analyse des Abstimmungsresulats liess den Graben zwischen Deutsch- und Welschschweiz jedoch bald differenziert erscheinen, denn genauso wie die Sprache scheinen die Faktoren wie städtischer oder ländlicher Lebensraum resp. die Situierung auf den Achsen Zentrum-Peripherie, Bildung, Einkommen und Alter eine wesentliche Rolle in der Entscheidung für oder gegen den EWR gespielt zu haben.

verschiedenen Sprachregionen EWR Graben zwischen deutschsprachiger und welscher Kultur

Begleitend zu den Diskussionen und Wortgefechten um einen Beitritt der Schweiz zum EWR entwickelten Persönlichkeiten aus dem intellektuellen und künstlerischen Schaffen auch Visionen und Utopien, welche über die allernächste Zukunft im engeren europäischen Umfeld hinausgingen. So propagierte der Schriftsteller Otto F. Walter, der dem EWR gegenüber eher negativ eingestellt war, die breite Öffnung der Schweiz zur Welt durch einen UNO-Beitritt, die Totalrevision der Bundesverfassung, die freiwillige Aufnahme von EG-Recht in den schweizerischen Rechtsbestand, wo dies problemlos möglich ist, den Aufbau einer europäischen Koalition der Kleinstaaten zugunsten eines föderalistischen und demokratischen Europas, einen Solidaritätsbeitrag auch als Nicht-EG-Mitglied zugunsten der ärmeren europäischen Länder und nicht zuletzt auch die verstärkte Zusammenarbeit mit engagierten ausserparlamentarischen Organisationen wie beispielsweise Greenpeace oder dem WWF. Der Politologe und Nationalrat Andreas Gross (sp, ZH), ebenfalls EWR-Gegner, legte den Schwerpunkt seiner Zukunftsvision auf die Schaffung einer Europäischen Verfassung mit direktdemokratischen Rechten.

Begleitend zu den Diskussionen und Wortgefechten um einen Beitritt der Schweiz zum EWR entwickelten Persönlichkeiten aus dem intellektuellen und künstlerischen Schaffen auch Visionen und Utopien, welche über die allernächste Zukunft im engeren europäischen Umfeld hinausgingen

Das Vertrauen der Bevölkerung in die Problemlösungsfähigkeit des Staates ist laut einer im Juli und August durchgeführten UNIVOX-Befragung zum Teil stark zurückgegangen. Der Umweltschutz stand nach Ansicht der Befragten zwar weiterhin an der Spitze der ungelösten Probleme, aber die Ausländer- und Asylpolitik, die Sozialpolitik sowie politisch-institutionelle Anliegen haben stark aufgeholt. Der Anteil derjenigen, welche in den einzelnen Politikbereichen ohne Einschränkung in die Problemlösungsfähigkeit des Staates vertrauten, ging im Vergleich zum Vorjahr um etwa 20 Prozentpunkte zurück. Immerhin rund drei Fünftel der Bevölkerung glaubte in den erwähnten Problembereichen "unbedingt" und "eher" an die Problemlösungsfähigkeit des Bundesrates (1990: 80% bis 96%). Der Anteil der Befragten, welcher generell zufrieden war mit der Art, wie die Schweiz regiert wird, sank gegenüber dem Vorjahr von 54% auf 42%; derjenige der Unzufriedenen stieg von 16% auf 24%.

Vertrauen

Die Kommission für soziale Fragen des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) publizierte unter dem Titel "Eine neue Schweiz im neuen Europa" zehn Thesen als Beitrag zum Jubiläumsjahr. Die Autoren lehnen darin ein selbstzufriedenes schweizerisches Sonderfalldenken ab und plädieren für ein Bemühen, international auf moralischer Ebene vorbildlich zu sein. Eine moralisch integre Politik beinhalte auch den Respekt vor der Schöpfung, welche höher gewertet werden sollte als die Wohlstandsmehrung. Die Reformen in Richtung einer weltweiten Friedensordnung, vermehrter Solidarität im Nord-Süd-Konflikt und mehr demokratischer Mitbestimmung im politisch-sozialen Leben würden jedoch gemäss den Autoren eine Totalrevision der Bundesverfassung voraussetzen.

Die Kommission für soziale Fragen des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) publizierte unter dem Titel "Eine neue Schweiz im neuen Europa" zehn Thesen als Beitrag zum Jubiläumsjahr

Die vom Bundesrat eingesetzte Expertenkommission "Schweiz morgen" präsentierte nach zweijähriger Arbeit ihren Schlussbericht. Darin entwarf sie in vier Szenarien, unter besonderer Berücksichtigung der Aspekte der Lebensqualität, mögliche Entwicklungen der Schweiz in wirtschaftlich-sozialer, kultureller und politischer Hinsicht nach dem Jahre 2000. Die 16köpfige Kommission unter der Leitung von Christian Lutz, Leiter des Gottlieb-Duttweiler-Instituts (GDI) in Rüschlikon und Präsident der schweizerischen Gesellschaft für Zukunftsforschung, umfasste Wissenschaftler aus verschiedenen Fachbereichen, Unternehmer, Journalisten und eine Vertreterin aus der Bundesverwaltung. In sieben Themenbereichen hatte die Kommission mögliche Grundhaltungen in bezug auf die Rolle der Schweiz in einer Welt im Umbruch, die institutionelle Entwicklung, die Umwelt- und Raumpolitik, die Sozialpolitik, die Wirtschaft, den kulturellen Wandel und die individuellen Lebensformen skizziert. Die verschiedenen Handlungsoptionen wurden in der Folge als Bausteine unterschiedlicher Gesamtszenarien verwendet.

Ein erstes Szenarium geht von einem Status quo aus, der einen kurzsichtigen, punktuellen Pragmatismus beinhaltet und für die Schweiz, gemäss der Kommission, kein sinnvolles Konzept darstellt. Ein zweites Szenarium mit der Devise "Mehr Leistung und Wettbewerb in Wirtschaft und Gesellschaft" hat persönliche Freiheit, individuelle Selbstverwirklichung und private Initiative als höchste Werte zum Ziel, würde aber gleichzeitig eine abnehmende Solidarität in der Gesellschaft, kulturelle Verarmung, eine extrem materialistische Haltung sowie einen Abbau der direkten Demokratie und des Föderalismus bewirken. Das dritte, dem die Sympathie der Kommission galt, hat eine idealistische Ausrichtung, deren Zielorientierung eine umwelt- und sozialverträgliche, basisorientierte und beschauliche Schweiz ist. Das vierte Szenario trägt hedonistische Züge mit dem Motto: Alle sollen sich ein schönes Leben machen können.

Neben der Entwicklung der Szenarien und der Beschreibung von deren möglichen politisch-sozialen und wirtschaftlich-kulturellen Implikationen erarbeitete die Kommission sowohl abstrakte als auch konkrete Leitideen für jene Bereiche, in denen sie einen starken Handlungsbedarf erkannte: Dazu gehört als wichtigstes Element eine aktive Rolle der Schweiz in einem demokratisch legitimierten Europa der Regionen, was einen EG-Beitritt bis zum Jahr 2000 erfordern würde, sowie ein stärkeres Engagement der Schweiz bei der Lösung internationaler Probleme, wozu ein Beitritt zu UNO, IWF und Weltbank empfohlen wird. Gemäss der Kommission braucht die Schweiz eine Reform der politischen Strukturen, womit unter anderem die Stärkung der parlamentarischen Demokratie gemeint ist, eine Ökologisierung der Wirtschaft, mehr Wettbewerb, eine Neuordnung des sozialen Ausgleichs mit einem Mindesteinkommen für alle und mehr Chancengleichheit von Mann und Frau in der Gesellschaft. Der Bericht sollte unter anderem dem Bundesrat als Basis für die Regierungsrichtlinien der kommenden Legislaturen dienen.

Expertenkommission Schweiz morgen

Gegen den Willen der Regierung überwies der Ständerat Rhinows (fdp, BL) Postulat "Leitbild Schweiz". Darin wird der innere Zustand des Landes als desolat sowie ohne gemeinsame Sprache bezeichnet und ein neuzeitlicher Entwurf einer der Zukunft gewachsenen Schweiz gefordert.

Ausarbeitung eines politischen Leitbildes