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Das 500-Jahr-Jubiläum der Schlacht bei Marignano (1515) warf im Berichtjahr erste Schatten voraus. Im Herbst 1515 erlitten die das Herzogtum Mailand verteidigenden Eidgenossen eine Niederlage gegen Frankreich. In der Folge gaben die eidgenössischen Orte einerseits ihre Expansionspolitik auf und schlossen zum anderen den Ewigen Frieden mit Frankreich. Im 20. Jh. wurde das Ereignis dann zum Heldenmythos stilisiert. Auf der einen Seite plante die seit 1965 bestehende Stiftung Pro-Marignano verschiedene Aktivitäten für das Jubiläum auch im Rahmen der Weltausstellung 2015 in Mailand. Auch das Landesmuseum bereitete eine Sonderausstellung vor. Auf der anderen Seite meldeten sich Parlamentarier vor allem aus dem Tessin zu Wort. Romano (cvp, TI) wollte etwa in einer von zahlreichen vor allem Südschweizer Parlamentariern unterzeichneten Interpellation vom Bundesrat wissen, ob und wie der Bund das Gedenken an die Schlacht unterstütze. Die Parlamentarier aus dem Tessin erhofften sich dank der Feierlichkeiten auch verbesserte Kontakte zu Italien. Der Bundesrat antwortete allerdings, dass die Erinnerung an Marignano keine gesamtschweizerische Aufgabe sei, und dass die geplanten Anlässe ohne Bundeshilfe auskommen müssten. Der Bund unterstütze Anlässe zur Erinnerung an historische Ereignisse nur sehr zurückhaltend. Die Debatte um Marignano zeigte im Ansatz die bereits bei der 700-Jahr-Feier 1991 geführte Debatte zwischen rechtskonservativen und linksliberalen Geschichtsvorstellungen. Auf der einen Seite wird die Schweiz als kriegerische gegen das Ausland sich wehrende Bauern- und Berglergesellschaft beschrieben, die seit 1291 Bestand hat. Auf der anderen Seite werden die Wurzeln der heutigen demokratischen und rechtsstaatlichen Schweiz mit ihren nationalen Institutionen, Menschen- und Bürgerrechten im Jahr 1848 verortet. Beide Daten sind sozusagen als Kompromiss an der Fassade des Bundeshauses genannt. Während die politische Rechte 2015 neben Marignano gleichzeitig auch der Schlacht beim Morgarten 1315 und der Anerkennung der Neutralität der Schweiz auf dem Wiener Kongress 1815 gedenken will, setzte die Linke bereits im Vorjahr auf Initiative Hans-Jürg Fehr (sp, SH) durch, dass künftig jeden 12. September im Parlament an die Gründung von 1848 erinnert werden soll. Die Ratspräsidenten beider Kammern hielten entsprechende Gedenkreden.

Marignano

Obwohl der im August 2012 von der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) angekündigte Wettbewerb für eine neue Nationalhymne noch nicht offiziell ausgeschrieben war, erhielt die SGG bereits zahlreiche Vorschläge. Der neue Geschäftsführer der SGG, Lukas Niederberger, gab am ersten August des Berichtjahres die Bedingungen für den Anfang Dezember offiziell unter dem Namen CHymne ausgerufenen Wettbewerb bekannt: In der ersten Hälfte des Jahres 2014 dürfen Vorschläge eingereicht werden, die sich textlich an der Präambel der Bundesverfassung orientieren und in deren neuen Melodie die heutige Hymne noch erkennbar ist. Eine 30köpfige Jury aus Kunst- und Medienschaffenden sowie Funktionären aus Sport- und Kulturverbänden aus allen vier Sprachregionen soll dann in der zweiten Jahreshälfte 2014 den Siegerbeitrag küren und diesen dem Bundesrat übergeben mit der Bitte, diesen als neue Nationalhymne zu bestimmen. Die Ankündigung wurde im eher linksstehenden britischen Guardian von zahlreichen Online-Kommentaren begleitet. Einzelne Kommentare lieferten gleich Vorschläge, etwa „Money, money, money“ von Abba oder „Offshore Banking Business“ von der britischen Punk-Band „The Members“. Im Inland rief der Vorschlag der SGG wenige, dafür gespaltene Reaktionen hervor. Während auf der einen Seite eine mögliche Reform des antiquierten Textes begrüsst wurde, wurde von rechtskonservativer Seite Kritik am Vorhaben laut. Eine Ende Berichtjahr eingereichte Interpellation Keller (svp, NW) will vom Bundesrat wissen, wie dieser zu den Plänen der SGG stehe, den Schweizerpsalm abzuschaffen. Die Weltwoche warf der SGG vor, sich mit dem Wettbewerb gegen die patriotische Funktion der Hymne und gegen ein Bekenntnis zu einer eigenständigen Schweiz zu richten. Auch auf kantonaler Ebene war die Nationalhymne Diskussionsgegenstand. So hiess im Kanton Tessin das Parlament einen Minderheitenantrag der parlamentarischen Schulkommission gut, der die Nationalhymne zum Pflichtstoff für die Primarschule bestimmte. Die geschlossenen Lega und SVP, fast alle CVP-Räte und die Hälfte der FDP-Kantonsparlamentarier sorgten dafür, dass die „Bionda Aurora“ künftig zum obligatorischen Schulstoff gehört. Dies war vorher lediglich im Kanton Aargau der Fall, wo auf Anregung der SVP im Jahr 2008 die Nationalhymne zum Pflichtstoff erklärt worden war.

Neue Nationalhymne?
Dossier: Bedeutung der Nationalhymne und Erneuerungsversuche

Im so genannten Brand Asset Valuator, einer Umfrage einer Kommunikationsagentur bei 1500 Konsumentinnen und Konsumenten zu deren Vorlieben zu über 1000 Marken, zeigte sich eine deutliche Heimmarktorientierung. Die Befragten gaben an, Produkten von inländischen Herstellern mehr zu vertrauen als im Ausland produzierten Waren. Unter die fünf beliebtesten Marken schaffte es lediglich Google als nicht-schweizerisches Produkt auf Platz drei, hinter Migros, Toblerone, aber vor Rega und Rivella.

Heimmarktorientierung

Mit zwei Vorstössen wollte sich die Ratsrechte als Hüterin von Schweizer Symbolik profilieren. Anlass war eine Aktion von Unbekannten aus dem Antifaschistischen Netzwerk Genf, die vor dem 1. August auf wilden Plakaten, auf denen mit dem Schweizer Kreuz bedruckte WC-Rollen abgedruckt waren, dazu aufforderten, den Nationalismus die Toilette runter zu spülen. Dies veranlasste die Genfer SVP-Präsidentin und Nationalrätin Amaudruz (svp, GE) zu einer bürgerlich breit abgestützten Motion, die die strafrechtliche Verfolgung bei Herabwürdigung der Schweizer Fahne verlangt. Bereits im Juni hatte Quadri (lega, TI) eine Motion eingereicht, die fordert, dass eine ausländische Flagge nur dann gehisst werden darf, wenn daneben eine mindestens gleich grosse Schweizer Fahne hängt. Der Bundesrat lehnte beide Motionen mit Verweis auf die Meinungs- und Meinungsäusserungsfreiheit ab. Beide Vorstösse wurden im Berichtjahr noch nicht behandelt.

Schweizer Fahne

Die Benutzungsordnung der Rütli-Wiese war Gegenstand zweier Vorstösse, die auf Ereignissen im Jahr 2011 fussen. Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft, die die „Wiege der Eidgenossenschaft“ im Auftrag des Bundes verwaltet, verbietet parteipolitische Anlässe. Aus diesem Grund hatte sie der CVP im Jahr 2011 die Durchführung eines Treffens aller Kantonalparteien verwehrt. Die SVP hingegen setzte sich mit einem Treffen ihres Zentralvorstandes über dieses Verbot hinweg und weigerte sich anschliessend, eine von der SGG geforderte Entschuldigung abzugeben. Die beiden aufgrund dieser Ereignisse eingereichten Vorstösse fordern nun eine Öffnung des Rütlis für politische Parteianlässe. Das Postulat Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU) wurde im Berichtsjahr vom Nationalrat überwiesen, unterstützt vom Bundesrat, der die Benutzungsordnung gegenwärtig ohnehin überprüfe. Die schärfer formulierte Motion der SVP-Fraktion, die eine bundesrätliche Verfügung für eine generelle Erlaubnis fordert, wurde im Berichtsjahr noch nicht behandelt. Der Bundesrat lehnte diese ab, weil er gegenüber der SGG gar nicht weisungsberechtigt sei. Anfang August hielten rund 200 Personen aus rechtsextremen Kreisen eine unbewilligte Kundgebung auf dem Rütli ab.

Bundesfeier auf dem Rütli

Die bereits mehrere Jahre schwelende Auseinandersetzung um die Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit auf Bundesebene nahm im Berichtsjahr ein Ende. Der Nationalrat hatte noch Ende 2011 den auf die parlamentarischen Initiativen Studer (evp, AG) und Müller-Hemmi (sp, ZH) zurückgehenden Vorschlag der RK-N für eine Streichung von Art. 190 BV knapp angenommen. Damit hätte die Judikative die Kompetenz erhalten, Gesetze auf ihre Verfassungsmässigkeit zu prüfen. Die Änderung und Aufhebung von Gesetzen hätte jedoch weiterhin der Legislative oblegen. Allerdings beschloss der Ständerat in der Sommersession des Berichtsjahrs entgegen der Empfehlung seiner Kommission mit 17 zu 27 Stimmen Nichteintreten. Im zweiten Durchgang schloss sich die grosse Kammer in der Wintersession 2012 diesem Entscheid letztlich relativ deutlich mit 101 zu 68 Stimmen an. Lediglich die SP, die GP und die GLP sprachen sich in der Mehrheit für ein Verfassungsgericht aus. Letzten Endes obsiegten die Bedenken einer möglichen Einschränkung der direkten Demokratie über das Argument der Befürworter, die eine Stärkung des Rechtsstaates hervorhoben. Es entspreche der Tradition der Schweiz eher, Gesetze mit Hilfe des politischen Willens statt mit rechtlichen Aspekten zu prüfen.

Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit auf Bundesebene (Pa.Iv. 05.445)
Dossier: Verfassungsgerichtsbarkeit

Im Oktober 2012 präsentierte Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Nationalrat die Stellungnahme des Bundesrates zu den beiden Motionen Yvette Estermanns (svp, LU) und empfahl damit dem Parlament die Ablehnung der Anliegen zur Abschaffung der Sommerzeit. Als Erstrat stimmte der Nationalrat mit 145 zu 23 Stimmen gegen eine Streichung von Artikel 2 des Zeitgesetzes (Mo. 10.3674). Etwas mehr Stimmen, aber immer noch deutlich zu wenig, gab es für Estermanns zweites Anliegen (Mo. 10.3675), wonach sich die Schweiz international für die Abschaffung der Sommerzeit einzusetzen gehabt hätte: Mit 135 zu 35 Stimmen folgte auch hier der Nationalrat der Empfehlung des Bundesrates und lehnte die Motion ab.

Abschaffung der Sommerzeit (Mo. 10.3674; Mo. 10.3675)
Dossier: Zeitumstellung

Mitte August wurde in Villmergen (AG) mit einem Freilichttheater und einem Festakt das 300-Jahr-Gedenken an den Zweiten Villmergerkrieg abgehalten. Bei der Schlacht von Villmergen schlugen die protestantischen Berner die katholischen Innerschweizer Truppen vernichtend. Die Folgen waren nicht nur territoriale Veränderungen, sondern auch die Schaffung eines paritätischen Schiedsgerichts für konfessionelle Streitfragen. Festrednerin Bundesrätin Leuthard betonte, dass der in Aarau unterzeichnete vierte Landfrieden vom 11. August 1712 ein Grundstein für die Schweizer Kultur des Dialogs sei, und aufgezeigt habe, dass Mehrheitsentscheide minderheitsfähig sein müssten.

Gedenken an den Zweiten Villmergerkrieg

Die Nationalhymne, die 2011 ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert hatte und erstmals auch im Parlament als Auftakt in eine neue Legislatur intoniert worden war, soll laut einer Idee der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) erneuert werden. Mittels Anpassung des Textes auf der Grundlage der Präambel der neuen Bundesverfassung und leichten melodiösen Veränderungen soll der Hymne zu mehr Akzeptanz verholfen werden. Die SGG kündigte – auch im Rahmen ihres 250jährigen Bestehens – einen entsprechenden Wettbewerb an. Ähnliche Ideen waren in den letzten Jahren gescheitert.

Neue Nationalhymne?
Dossier: Bedeutung der Nationalhymne und Erneuerungsversuche

Zum ersten Mal wurde zu Beginn der neuen Legislaturperiode im National- und Ständeratssaal die Nationalhymne intoniert. Nach der Vereidigung (117 Nationalrätinnen und Nationalräte) bzw. dem Gelübde (83 Mitglieder des Nationalrats) wurde der Schweizerpsalm von der Sopranistin Noëmi Nadelmann vorgetragen. Die erstmalige Darbietung geht auf eine Motion Marra (sp, VD) zurück, die gefordert hatte, dass die Nationalhymne nach jeder Gesamterneuerungswahl vorgetragen werden soll.

Nationalhymne bei Sessionseröffnung (Mo. 08.3071) und zu Legislaturbeginn (Mo. 09.3946)
Dossier: Bedeutung der Nationalhymne und Erneuerungsversuche

Die Ereignisse von 2007 auf dem Rütli wurden noch einmal Gegenstand parlamentarischer Debatten. Am 1. August 2007 war auf der Rütliwiese kurz nach Ende der Nationalfeier ein Sprengsatz explodiert. Vier Tage später detonierten weitere Sprengsätze in Briefkästen dreier Rütlikommissionsmitglieder. Im Oktober 2011 wurde das Verfahren gegen den mutmasslichen Täter aufgrund fehlender Beweise eingestellt. Eine brisante Rolle spielte dabei der Bundesrat, der die Herausgabe eines Vernehmungsprotokolls des Nachrichtendienstes mit einem mutmasslichen Zeugen verweigerte, weil er die Sicherheit des letzteren höher gewichtete. Gleich zwei Anfragen wurden in der Folge eingereicht, in denen der Bundesrat diesen Entscheid rechtfertigen musste. Die Affäre um den „Rütli-Bomber“ spielte dann auch bei der Debatte um die Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit eine Rolle.

Bundesfeier auf dem Rütli

Einen ungewollt heftigen Disput über die Schweizer Fahne löste Nationalratskandidat und Secondas Plus-Mitglied Ivica Petrusic (sp, AG) aus. An einer Medienkonferenz stellte Petrusic die Frage, ob die christliche Symbolik der Schweizerfahne noch zeitgemäss sei. Symbole unterstünden einem Wandel und unterlägen auch einem Anpassungsdruck. Diese Frage weckte harsche Kritik seitens der SVP, welche die Äusserung sogleich in ihre Wahlpropaganda und die Werbung für ihre Initiative zur Begrenzung der Zuwanderung einbaute.

Schweizer Fahne

Die Nationalhymne selber feierte 2011 ihr 50-jähriges Bestehen. Das von Alberich Zwyssig (1808-1854) komponierte Kirchenlied, das seit 1843 als „Schweizerpsalm“ an zahlreichen eidgenössischen Festen gespielt wurde, hatte 1958 auf Vorschlag des Bundesrates das damals als Hymne verwendete, melodisch mit der englischen Nationalhymne identische „Rufst du, mein Vaterland“ ersetzt. Nach einer dreijährigen Probezeit stimmte die Bevölkerung der Änderung zu, und seit dem 1. April 1961 gilt „Trittst im Morgenrot daher“ als offizielle Schweizer Nationalhymne.

50-jähriges Bestehen der Nationalhymne
Dossier: Bedeutung der Nationalhymne und Erneuerungsversuche

Da die Feierlichkeiten zum Gedenken an die Schlacht bei Sempach in den letzten Jahren immer wieder durch Aufmärsche von Rechts- und teilweise auch Linksextremisten gestört wurden, was zu immensen Sicherheitskosten geführt hatte, beschloss die Luzerner Regierung für das 625-jährige Jubiläum von 2011 ein neues Konzept. Anders als auf dem Rütli wurden Extremisten allerdings nicht mit einem Zulassungssystem ferngehalten. Der Kanton Luzern richtete vielmehr ein grosses, allen zugängliches Mittelalter-Volksfest aus, verzichtete jedoch auf den Umzug auf das Schlachtgelände.

Feier der Schlacht von Sempach

Mit der Ratifizierung der Unesco-Konvention zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes 2008 hat sich die Schweiz verpflichtet, eine Liste mit möglichem Kulturerbe zu erstellen. Die Kantone kamen der entsprechenden Aufforderung nach und reichten insgesamt 387 Vorschläge für ein Inventar lebendiger Traditionen ein. Neben traditionellen Festivitäten, Kunsthandwerk, Erzählkunst und Liedgut finden sich auch die Appenzeller Witze, die Mundartlieder von Mani Matter, das Hornussen oder die Zauberformel auf der Liste. Unter der Leitung des Bundesamtes für Kultur wurde die Liste aus gesamtschweizerischer Sicht bewertet, bereinigt und im September verabschiedet.

Bewahrung des immateriellen Kulturerbes

Die Rütli-Wiese geriet auch 2011 in die Schlagzeilen. Nicht die Jahrfeier, bei der Bundespräsidentin Calmy-Rey Überraschungsgast war und die dank dem seit 2009 bestehenden Ticketsystem ohne Zwischenfälle verlief, war Gegenstand der Diskussionen, sondern die Nutzung der Wiese für Parteianlässe. Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG), welche die symbolträchtige Wiese im Auftrag des Bundes verwaltet und für Anlässe mit mehr als 50 Personen Bewilligungen erteilt, verbietet parteipolitische Anlässe. Ende Mai trafen sich jedoch 70 Mitglieder des SVP-Zentralvorstandes ohne Bewilligung auf dem Rütli, um Widerstand gegen einen EU-Beitritt zu geloben. Die SGG bezeichnete dies als rechtswidrig und verlangte eine Entschuldigung, welche die SVP allerdings verweigerte. Es folgte eine Diskussion über die Öffnung des Rütli für Parteianlässe. Während die einen auf einen Zutritt für alle pochten, warnten andere vor der Vereinnahmung der Wiege der Eidgenossenschaft durch rechtsextreme Gruppierungen.

Bundesfeier auf dem Rütli

Für einigen Wirbel sorgte eine von der Universität Zürich und dem Wissenschaftszentrum Berlin herausgegebene Studie, welche die Qualität von 30 etablierten Demokratien zwischen 1995 und 2005 bestimmt. Die Schweiz schneidet in dieser Studie lediglich mittelmässig ab und entpuppt sich nicht als Musterdemokratie. Zurückzuführen sei dies auf die schwache und insbesondere sehr ungleiche Partizipation, die schwache Gewaltenkontrolle und die intransparenten Politikprozesse (fehlende Transparenz bei Parteienfinanzierung). Die Reaktionen auf die Studie waren sehr unterschiedlich. Sie reichten von Empörung bis zu Scham ob des vorgehaltenen Spiegels und gipfelten gar in einer Interpellation.

Qualität von 30 etablierten Demokratien

Mit zwei in der Herbstsession 2010 eingereichten Motionen begann das politische Engagement von Nationalrätin Yvette Estermann (svp, LU) für die Abschaffung der Zeitumstellung. Die Motionen verlangten vom Bundesrat zum einen die Abschaffung der Sommerzeit mittels der Streichung von Artikel 2 des Zeitgesetzes (Mo. 10.3674) und zum anderen, dass dieser sich «international dafür einzusetzen» habe, «dass die Sommerzeit abgeschafft wird» (Mo. 10.3675).

Estermann argumentierte, durch die Zeitumstellung entstünden nicht nur wirtschaftliche Kosten, auch die Umwelt profitiere nicht in erhofftem Masse von der Umstellung, weil dadurch wider Erwarten gar keine Energie eingespart werde. Für Firmen mit Schichtbetrieb, den öffentlichen Verkehr oder die Informatik sei die Umstellung ferner eine unnötige Belastung. Nicht zuletzt seien medizinische Bedenken anzubringen: Die innere Uhr des Menschen werde durch den ständigen Wechsel von der Sommer- zur Winterzeit und umgekehrt aus der Balance gebracht, was zu Stress, Leistungseinbrüchen, Müdigkeit und schliesslich gar zu einem erhöhten Herzinfarktrisiko führen könnte.
Der Bundesrat argumentierte in seiner Stellungnnahme, die Sommerzeit sei 1981 in der Schweiz nicht eingeführt worden, «um Energie zu sparen, sondern um eine Übereinstimmung der Zeitregelung unseres Landes mit derjenigen benachbarter Länder erreichen zu können.» Der Zustand einer «Zeitinsel» von 1980 habe zu erheblichen volkswirtschaftlichen Einbussen und «verkehrsorganisatorischen» Schwierigkeiten gegenüber den Nachbarstaaten geführt. Ein erneuter Alleingang würde sich also nicht lohnen und laut EU-Kommission habe in der EU «kein Mitgliedstaat [...] Absicht geäussert, die Sommerzeit abzuschaffen oder die Bestimmungen der geltenden Richtlinie zu ändern». Zudem gebe es keine internationale Kommission, an die man sich wenden könnte, um eine Abschaffung der Sommerzeit zu diskutieren. Über die gesundheitlichen Folgen der Zeitumstellung, so der Bundesrat weiter, gebe es sowohl Studien, welche die zusätzliche Belastung für den menschlichen Körper hervorgehoben haben, als auch solche, welche positive Effekte des Vor- oder Zurückstellens der Uhren hervorhoben. Aus diesen Gründen beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motionen.

Abschaffung der Sommerzeit (Mo. 10.3674; Mo. 10.3675)
Dossier: Zeitumstellung

Der Ständerat nahm als Zweitrat in der Herbstsession eine Motion Marra (sp, VD) an, welche die instrumentale Darbietung der Nationalhymne zu Beginn einer neuen Legislaturperiode fordert. Es wurde allerdings darauf hingewiesen, dass der Ständerat keine Legislatur kenne. Die Regel soll deshalb für beide Kammern für die erste Sitzung nach den Gesamterneuerungswahlen gelten. Der Nationalrat hatte sich bereits 2009 für diese Motion ausgesprochen.

Nationalhymne bei Sessionseröffnung (Mo. 08.3071) und zu Legislaturbeginn (Mo. 09.3946)
Dossier: Bedeutung der Nationalhymne und Erneuerungsversuche

Der Bund koordinierte die Nutzung und Verwaltung der Rütliwiese in einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung mit der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG). Geregelt wird insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Bund als Besitzerin und SGG als Verwalterin der Wiese. Es wird auch festgehalten, dass die Zentralschweizer Kantone zusammen die Sicherheit und den Zugang zur Wiese zu gewährleisten haben. Am 1. August stand nicht nur der Nationalfeiertag, sondern auch der Kauf des Rütli vor 150 Jahren durch die SGG sowie das 200-Jahr-Jubiläum der SGG im Vordergrund. Wie 2009 wurden lediglich Besucher mit einem gültigen Ticket zur Feier zugelassen.

Bundesfeier auf dem Rütli

Aufgrund der vorjährigen Störungen durch Rechtsradikale plante die Luzerner Regierung im Berichtsjahr anstelle eines Umzugs zum Gedenken an die Schlacht von Sempach die Durchführung eines Gottesdienstes. Die SVP Luzern sammelte daraufhin Unterschriften für eine Petition, die ein Beibehalten der bisherigen Feierlichkeiten forderte. Diese wurde auch von Bundesrat Maurer unterschrieben, was einigen Wirbel verursachte. Maurer wurde vorgeworfen, sich in kantonale Belange einzumischen und Rechtsextremismus zu unterstützen. Dieser rechtfertigte seine Unterschrift mit dem Hinweis, dass die Petition lediglich eine würdevolle Feier, also eine Feier ohne politischen Extremismus fordere. Die Luzerner Regierung schlug ein Konzept vor, das anstelle von Schlachtfolklore zukünftig ein Volksfest vorsieht, mit dem der Dialog gefördert und die zunehmende Politisierung des Anlasses verhindert werden soll.

Feier der Schlacht von Sempach

Im März 2008 hatte Margret Kiener Nellen (sp, BE) einen erneuten Versuch gestartet, die Landeshymne zu erneuern. Im Gegensatz zu ihrer ersten Motion, die sie im Jahr 2006 nach ablehnender Haltung des Bundesrates zurückgezogen hatte (Mo. 04.3046), enthielt die aktuelle Forderung keine inhaltlichen Vorgaben an die neue Landeshymne mehr; das neue Anliegen hätte den Bundesrat lediglich dazu aufgefordert, das BAK mit der Organisation eines geeigneten Wettbewerbsverfahrens für eine neue Landeshymne zu beauftragen.
In seiner ablehnenden Antwort hatte der Bundesrat seine Bedenken dazu geäussert, der Nationalhymne neuen Schwung zu verleihen. Erstens erachtete er es als schwierig, die Melodie beizubehalten und lediglich den Text zu verändern, zweitens hätten die Gesangskultur und der Chorgesang an Bedeutung verloren, weswegen oftmals nur noch die Melodie der Landeshymne abgespielt werde. Drittens habe auch die Bedeutung der identitätsstiftenden Symbole etwas abgenommen. Alles in allem war der Bundesrat zum Schluss gekommen, dass es keinen Grund gäbe, die aktuelle Nationalhymne zu verändern und dass diese nach wie vor die vielfältigen Erwartungen erfülle.
In der Frühjahrssession 2010 wurde das Geschäft abgeschrieben, da es nicht innert vorgesehener Frist abschliessend vom Parlament behandelt wurde.

Der Landeshymne neuen Schwung geben (Mo. 08.3026)
Dossier: Bedeutung der Nationalhymne und Erneuerungsversuche

Relativ knapp, mit 93 zu 83 Stimmen, lehnte der Nationalrat eine Motion Estermann (svp, LU) ab, die ihn gezwungen hätte, jeweils zur Sessionseröffnung die Nationalhymne zu singen. Die erst seit einigen Jahren eingebürgerte Motionärin hatte sich von diesem patriotischen Akt eine Stärkung des nationalen Zusammengehörigkeitsgefühls versprochen. Mit dieser Ablehnung war die Sache aber nicht erledigt. Gleichentags reichte die Sozialdemokratin Marra (VD) eine Motion ein, welche die instrumentale Darbietung der Nationalhymne zu Beginn einer neuen Legislaturperiode (nach der Vereidigungszeremonie des neugewählten Parlaments) fordert. In der Wintersession hiess der Nationalrat diesen Vorstoss diskussions- und oppositionslos gut.

Nationalhymne bei Sessionseröffnung (Mo. 08.3071) und zu Legislaturbeginn (Mo. 09.3946)
Dossier: Bedeutung der Nationalhymne und Erneuerungsversuche

Im November publizierte der Bundesrat seine Botschaft zur Änderung des Markenschutzgesetzes und zu einem neuen Bundesgesetz über den Schutz des Schweizerwappens und anderer öffentlicher Zeichen (so genannte Swissness-Vorlage). Über die doch primär wirtschaftspolitischen Aspekte dieser Vorlage, insbesondere die präzise Definition des Merkmals „schweizerisch“, berichten wir unten (Teil I, 4a, Strukturpolitik). Das neue Bundesgesetz über den Schutz des Schweizerwappens und anderer öffentlicher Zeichen will eine klar definierte Unterscheidung einführen: Das Wappen (Schweizerkreuz in einem Wappenschild) der Eidgenossenschaft darf grundsätzlich nur noch von dieser selbst oder von ihren Einheiten (Bundesämter, Bundesbetriebe etc.) verwendet werden. Den wenigen Firmen, welche dieses Schweizerwappen seit Jahrzehnten für ihre Waren und Dienstleistungen aus der Schweiz verwenden, kann das EJPD ein Weiterbenutzungsrecht erteilen. Die Schweizerfahne und das Schweizerkreuz hingegen sollen künftig von allen Herstellern von Produkten und Anbietern von Dienstleistungen verwendet werden dürfen, welche die Voraussetzungen zur Verwendung der Markenbezeichnung «Schweiz» erfüllen.

Swissness-Vorlage (BRG 09.086)
Dossier: Swissness - Schutz der Marke Schweiz

Die Luzerner Behörden sahen vorerst noch keinen Anlass, das Konzept für die Feier der Schlacht von Sempach zu ändern. Diese wurde auch dieses Jahr wieder von Rechtsradikalen für einen Grossaufmarsch benutzt. Ihren rund 250 Personen standen, von der Polizei abgetrennt, rund 100 dagegen protestierende Jungsozialisten gegenüber. Die eigentliche Feier fand witterungsbedingt in einer Kirche und ohne die Rechtsradikalen statt; letztere marschierten anschliessend allein zum Schlachtgelände. Nach der Kundgebung kündigte die Luzerner Kantonsregierung die Ausarbeitung eines neuen Konzepts für die Durchführung dieses Anlasses an.

Feier der Schlacht von Sempach