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Die Bundesversammlung genehmigte mehrere Revisionen von kantonalen Verfassungen, darunter auch die Totalrevision der Verfassung von Basel-Stadt. Letztere war im Nationalrat unbestritten. Im Ständerat löste hingegen der Artikel, welcher den Kanton verpflichtet, sich gegen die Nutzung der Kernenergie einzusetzen, eine rege Diskussion aus. Bei ähnlichen, allerdings aggressiver formulierten Passagen in den Verfassungen der Kantone Genf und Basel-Land hatte die Bundesversammlung in früheren Jahren Vorbehalte angebracht. In diesem Fall beantragten sowohl die Kommissionsmehrheit als auch der Bundesrat eine vorbehaltlose Anerkennung. Ihr Argument war, dass die Bestimmung nicht bundesrechtswidrig sei, da sie einzig über die Art der im Kanton genutzten Energieträger Aussagen mache, hingegen den Kanton nicht dazu verpflichte, Bundesbeschlüsse zur Energiepolitik zu hintertreiben oder den Bau von Atomkraftwerken in Nachbarkantonen zu verhindern. Nicht zulässig wäre es gemäss der Kommissionsmehrheit aber auch, wenn Basel-Stadt es ansässigen privaten Unternehmen verbieten würde, Energie aus Kernkraftwerken zu beziehen. Der Rat verzichtete mit 23 zu 14 Stimmen auf einen Vorbehalt.

Totalrevision Basel-Stadt
Dossier: Revisionen der Kantonsverfassungen

Die Bundesversammlung genehmigte eine Reihe von Revisionen von kantonalen Verfassungen, darunter – neben der oben erwähnten zürcherischen – auch die Totalrevision derjenigen des Kantons Freiburg.

Freiburg
Dossier: Revisionen der Kantonsverfassungen

Die Bundesversammlung genehmigte eine Reihe von Revisionen von kantonalen Verfassungen, darunter auch die Totalrevision derjenigen Graubündens. Dabei kam es zu einer Kontroverse zwischen dem Bundesrat und dem Ständerat über das Majorzsystem. Auslöser dazu war eine Bemerkung in der Botschaft der Landesregierung, welche, gestützt auf das Urteil einiger Staatsrechtler, das Majorzsystem bei Parlamentswahlen als „rechtlich zweifelhaft“ eingestuft hatte, da es der demokratischen Repräsentationsidee widerspreche. Auf die bundesrätliche Anregung, dieses Wahlsystem für kantonale Parlamente in Zukunft als nicht verfassungskonform zu taxieren, reagierte die SPK des Ständerates – deren Mitglieder mit Ausnahme der Vertreter des Kantons Jura alle nach diesem System gewählt werden – kurz, heftig und negativ. Das Majorzsystem werde nicht nur in der Schweiz, sondern auch in einer ganzen Reihe anderer demokratischer Staaten für Parlamentswahlen angewendet und es sei in der Schweiz gemäss Bundesverfassung Sache der Kantone und ihrer Bürgerinnen und Bürger, das von ihnen bevorzugte Wahlverfahren zu bestimmen. Beide Ratskammern schlossen sich dieser Meinung an, und auch Bundesrat Blocher distanzierte sich von der in der Botschaft formulierten Kritik am Majorzsystem. Unterstützung erhielt die Majorzkritik des Bundesrates von der Linken. Im Nationalrat unterlag sie jedoch mit einem Antrag, das Majorzsystem und die Wahlkreiseinteilung aus der Bündner Verfassung zu streichen, da sie im Widerspruch zur Bundesverfassung stehen würden.

Kontroverse um das Majorzsystem bei Parlamentswahlen anlässlich der Genehmigung der Kantonsverfassung Graubündens (04.018)
Dossier: Revisionen der Kantonsverfassungen

Die Bundesversammlung genehmigte eine Reihe von Revisionen von Kantonsverfassungen, darunter auch die Totalrevision derjenigen des Kantons St. Gallen.

Die Bundesversammlung genehmigte eine Reihe von Revisionen von Kantonsverfassungen, darunter auch die Totalrevision derjenigen des Kantons St
Dossier: Revisionen der Kantonsverfassungen

Das nationale Parlament hiess diskussionslos sämtliche Anträge des Bundesrates auf Genehmigung von revidierten Kantonsverfassungen gut. Darunter befand sich auch die totalrevidierte Neuenburger Kantonsverfassung. Gegen Jahresende beantragte der Bundesrat die Ratifizierung der neuen St. Galler Kantonsverfassung.

Das nationale Parlament hiess diskussionslos sämtliche Anträge des Bundesrates auf Genehmigung von revidierten Kantonsverfassungen gut
Dossier: Revisionen der Kantonsverfassungen

Im August legte der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft mit einer Serie von technischen und redaktionellen Änderungen von Gesetzen und eingereichten Volksinitiativen vor, um diese formal an die neue Bundesverfassung anzupassen. Da es sich dabei nicht um materielle Neuerungen handelt, werden sie hier nicht einzeln aufgeführt. Das Parlament verabschiedete sie diskussionslos bei bloss einigen Gegenstimmen resp. Enthaltungen im Nationalrat, vor allem aus den Reihen der Freiheits-Partei. Der Bundesrat setzte die neue Bundesverfassung auf den 1. Januar 2000 in Kraft.

Totalrevision der Bundesverfassung: Verfahren und Verfahrensfragen (BRG 96.061)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Von den beiden im ursprünglichen Totalrevisionsvorhaben enthaltenen Reformpaketen Justizreform und Volksrechte konnte beim ersten die parlamentarische Behandlung abgeschlossen werden, während das zweite aufgegeben wurde.

Totalrevision der Bundesverfassung: Verfahren und Verfahrensfragen (BRG 96.061)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Am 18. April fand die Volksabstimmung über die neue, totalrevidierte Verfassung statt. Mit Ausnahme von links- und rechtsextremen Kleinparteien (PdA, FP, SD) sprachen sich alle nationalen Parteien und auch alle massgeblichen Interessenverbände für die neue Verfassung aus. Unter den Regierungsparteien fiel der Entscheid bei der SVP am knappsten aus: die von den Zürcher Nationalräten Hans Fehr und Schlüer angeführte Opposition unterlag an der Delegiertenversammlung mit 185:92 Stimmen. Für die rechtsbürgerlichen Kritiker ging die Reform über eine Nachführung hinaus. Sie sei vielmehr Ausdruck eines unakzeptablen, von der politischen Mitte und der Linken geprägten Politikverständnisses. Die Sektion Zürich der SVP und in ihrem Gefolge auch diejenigen von Kantonen, wo die SVP erst in den letzten Jahren gegründet worden ist (unter anderem BS, LU, SO, SG), gaben die Nein-Parole aus. Bei der SP, deren Fraktion die neue Verfassung anlässlich der parlamentarischen Verhandlungen ebenfalls heftig kritisiert hatte, entschied sich der Parteivorstand mit 34:3 Stimmen für die Ja-Parole. Die von Nationalrat Rennwald (JU) formulierte Kritik bemängelte das Fehlen von linken Politikinhalten, also gerade das Gegenteil von dem, was der Verfassung von SVP-Seite vorgeworfen wurde.

In der Kampagne schlugen die Wellen nicht sehr hoch. Auf Befürworterseite fiel vor allem der grosse Einsatz des aus dem Amt scheidenden Justizministers Koller auf. Im redaktionellen Teil der Presse war die Stimmung durchwegs positiv, hingegen waren praktisch keine Inserate für die neue Verfassung auszumachen. Die nicht zuletzt in Leserbriefen sehr aktiven Gegner behaupteten, dass sich die Schweiz mit der Verfassung internationalem Recht unterstellen würde (weil darin der auch bisher geltende Vorrang des Völkerrechts nun explizit erwähnt ist), sie zu einem Ausbau des Sozialstaats führe und sich überhaupt die alte Verfassung bewährt habe. In den Inseraten sprachen sie vor allem davon, dass die neue Verfassung eine «Liquidation der Schweiz» einleiten würde; zudem stellten sie darin auch eine ganze Reihe von schlicht falschen Behauptungen auf (z.B. dass in der neuen Verfassung die Begriffe «Schweizerische» und «Eidgenössische» gestrichen worden seien). Neben den erwähnten SVP-Kantonalsektionen, der FP und den SD beteiligten sich auch weit rechtsaussenstehende Organisationen wie der VPM (mit der ihm nahestehenden Zeitschrift «Zeit-Fragen») und «Pro Libertate» an der Kampagne. Dieses über das übliche Mass von Abstimmungspropaganda hinausgehende Verdrehen von Tatsachen durch die Gegner rief in der letzten Woche vor der Abstimmung den Bundesrat mit einer Gegendarstellung auf den Plan.

Volk und Kantone hiessen die totalrevidierte Bundesverfassung am 18. April mit einer relativ knappen Mehrheit von 59.2 Prozent und bei 12 2/2 gegen 8 4/2 Ständestimmen gut. Die Beteiligung fiel mit 35.9 Prozent recht mager aus; besonders niedrig war sie in der Romandie, wo nur gerade 21.6 Prozent von ihrem Stimmrecht Gebrauch machten. Mitverantwortlich dafür war sicher auch der Beschluss des Bundesrates, diese Vorlage in Anbetracht ihrer besonderen Bedeutung allein, d.h. nicht im Multipack mit anderen, für die Stimmbürgerinnen und -bürger attraktiveren Vorlagen zu präsentieren. Am meisten Ja-Stimmen gab es in der französischen Schweiz (mit Ausnahme des Wallis) und im Tessin. Ähnlich deutlich fiel die Zustimmung auch in den Grossstädten der Deutschschweiz aus. Gegen die totalrevidierte Verfassung sprachen sich die kleinen Kantone der Innerschweiz (ohne Zug), die Ostschweiz (ohne Graubünden) sowie der Aargau und das Wallis aus.


Bundesbeschluss über die Neue Bundesverfassung
Abstimmung vom 18. April 1999

Beteiligung: 35.9%
Ja: 969'310 (59.2%) / 12 2/2 Stände
Nein: 669'158 (40.8%) / 8 4/2 Stände

Parolen:
– Ja: SP, FDP, CVP, SVP (8*), LP, LdU, EVP, EDU (1*); SGB, CNG, Vorort, SGV, SBV.
– Nein: FP, SD, PdA; Centre patronal.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Totalrevision der Bundesverfassung: Verfahren und Verfahrensfragen (BRG 96.061)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Als Zweitrat genehmigte auch der Nationalrat die am 14. Dezember 1997 vom Volk angenommene totalrevidierte Verfassung des Kantons Tessin. Die Bundesversammlung hiess im Berichtsjahr ferner die teilrevidierten Verfassungen der Kantone Luzern, Nidwalden, Glarus, Basel-Land, Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden, Graubünden und Aargau und später auch noch diejenigen von Zürich, Obwalden, Solothurn, Waadt und Genf gut.

totalrevidierten Verfassung des Kantons Tessin
Dossier: Revisionen der Kantonsverfassungen

Das Parlament begann die Beratung der Verfassungstotalrevision in einer einwöchigen Sondersession im Januar. Die Verhandlungen beschränkten sich auf den Teil A (Verfassungsnachführung) und wurden parallel geführt, wobei der Ständerat Erstrat für die Detailberatungen eines ersten Teils (bis Art. 126), und der Nationalrat für den zweiten Teil war. Die Differenzbereinigung zog sich dann bis in die Wintersession, wo die totalrevidierte Bundesverfassung mit der Schlussabstimmung am 18. Dezember verabschiedet wurde. Die Behandlung der als Teile B und C ebenfalls zum Totalrevisionsprojekt gehörenden Vorlagen «Volksrechte» und «Justizreform» gerieten demgegenüber in zeitlichen Verzug. Die Justizreform steckte zu Jahresende noch in der Differenzbereinigung zwischen den beiden Räten. Die Plenumsberatungen zur Reform der Volksrechte konnten hingegen im Berichtsjahr noch nicht begonnen werden. In diesem Bericht wird die Entwicklung dieser beiden Reformpakete im jeweiligen Sachzusammenhang dargestellt.

Totalrevision der Bundesverfassung: Verfahren und Verfahrensfragen (BRG 96.061)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Damit konnte die neue Verfassung wie geplant noch im Jubiläumsjahr zum 150jährigen Bestehen des Bundesstaates vom Parlament verabschiedet werden. In der Schlussabstimmung votierte der Nationalrat mit 134:14 Stimmen bei 31 Enthaltungen und der Ständerat einstimmig für die Reform. Die Opposition im Nationalrat kam sowohl von links als auch von rechts. Die 14 Neinstimmen stammten von drei (welschen) Sozialdemokraten, der Freiheitspartei, der Mehrheit der Schweizer Demokraten (ohne Ruf, BE) und vier Vertretern der SVP. Gut vertreten waren die SP und die SVP auch bei den Enthaltungen (14 resp. 11). Die CVP und die GP stellten sich einhellig hinter das Projekt, während beim Freisinn fünf und bei den Liberalen eine Enthaltung zu verzeichnen waren.

Totalrevision der Bundesverfassung: Verfahren und Verfahrensfragen (BRG 96.061)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Nachdem in der zweiten Runde der Differenzbereinigung noch rund ein Dutzend Streitpunkte übriggeblieben waren, präsentierte die aus beiden Ratskammern paritätisch zusammengesetzte Einigungskonferenz in der Dezembersession ihre Vorschläge, welche von beiden Räten akzeptiert wurden. Die SP-Vertreter machten einen letzten Versuch, ihre in der parlamentarischen Auseinandersetzung unterlegenen Vorschläge doch noch in die Verfassung einzubringen. Sie schlugen vor, zwei ihrer Forderungen (aktivere Wirtschaftspolitik des Staates und dabei Einsatz für eine «gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung» bzw. zwingende Verwirklichung der Sozialziele) dem Volk als Alternativfragen vorzulegen. Beide Ratskammern lehnten es jedoch ab, dieses speziell für die Verfassungsrevision geschaffene Instrument der Alternativabstimmung anzuwenden.

Totalrevision der Bundesverfassung: Verfahren und Verfahrensfragen (BRG 96.061)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Der Bundesrat beantragte dem Parlament die Genehmigung der am 14. Dezember 1997 vom Volk angenommenen totalrevidierten Verfassung des Kantons Tessin, was der Ständerat noch im Berichtsjahr vollzog. Die Bundesversammlung stimmte zudem den Verfassungsänderungen in den Kantonen Luzern, Obwalden, Schaffhausen, Waadt und Zug sowie den vom Bundesrat im Berichtsjahr neu vorgelegten teilrevidierten Verfassungen von Appenzell Ausserrhoden, Graubünden und Uri zu.

totalrevidierten Verfassung des Kantons Tessin
Dossier: Revisionen der Kantonsverfassungen

Im Ganzen gesehen hielt sich das Parlament an das Konzept der Nachführung und verzichtete weitgehend auf materielle Neuerungen. Dies trug dazu bei, dass das öffentliche Interesse an den Parlamentsberatungen eher gering war. Obwohl dieses Konzept auch den Medienschaffenden bekannt war, konnten doch viele unter ihnen ihre Enttäuschung nicht verbergen, dass die Gelegenheit nicht benutzt wurde, um ihrer Ansicht nach notwendige Reformen zu beschliessen. Um eine breitere Öffentlichkeit auf die Verfassungsreform aufmerksam zu machen, lancierte Bundesrat Koller anfangs Juni eine rund eine halbe Million Franken kostende Werbeaktion mit Plakaten.

Totalrevision der Bundesverfassung: Verfahren und Verfahrensfragen (BRG 96.061)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Nach Beendigung der Detailberatung erklärten sich im Nationalrat die Sozialdemokraten unzufrieden. Nachdem sie mit ihren zahlreichen materiellen Abänderungsanträgen praktisch durchwegs gescheitert waren (eine Ausnahme war die Aufnahme des neuen Kinderartikels, allerdings nicht in der von der SP vorgeschlagenen Formulierung) gaben sie bekannt, dass sie den Verfassungsentwurf in der vorliegenden Form ablehnen würden. Die Gesamtabstimmung fiel bei einer Annahme mit 49:40 Stimmen bei 47 Enthaltungen denn auch sehr mager aus. Neben den Sozialdemokraten hatten sich auch die meisten SVP-Vertreter der Stimme enthalten oder die Vorlage abgelehnt. Zurückgeführt wurde dieses eher konfuse Ergebnis auf eine taktische Stimmabgabe, mit der die Linke markieren wollte, dass für sie die vom Nationalrat beschlossene Version das absolute Minimum darstelle und sie vom Ständerat in der Differenzbereinigung ein weitgehendes Entgegenkommen erwarte. Im Ständerat erfolgte die Zustimmung in der Gesamtabstimmung oppositionslos.

Totalrevision der Bundesverfassung: Verfahren und Verfahrensfragen (BRG 96.061)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Im Ständerat war Eintreten auf die nachgeführte Verfassung unbestritten. Der Kommissionssprecher Rhinow (fdp, BL) machte in seinem Eröffnungsvotum darauf aufmerksam, dass es darum gehe, zum ersten Mal seit 150 Jahren die Verfassung vollständig neu zu redigieren. Bei der Totalrevision von 1874 seien zwar wichtige materielle Neuerungen eingeführt, der Aufbau des Textes und dessen Formulierung aber aus der Fassung von 1848 weitgehend unverändert übernommen worden. In seinem Votum zur Eintretensdebatte rief Bundesrat Koller noch einmal den Parlamentsbeschluss von 1987 in Erinnerung, sich auf eine Nachführung der Verfassung zu beschränken. Es gehe nicht darum, «den Staat neu zu erfinden», seine Fundamente (liberaler Rechtsstaat, direkte Demokratie, Föderalismus und soziale Marktwirtschaft) seien nach wie vor tragfähig. Allerdings gelte es, die Verfassung, welche seit 1874 nicht weniger als 140 mal teilrevidiert worden sei, wieder in eine klare Struktur und eine lesbare Sprache zu bringen. Die Anpassung an den heutigen Sprachgebrauch erwies sich allerdings für die französisch- resp. italienischsprachige Version als nicht unproblematisch. Während der deutsche Text bewusst geschlechtsneutral gehalten war, sah man in den vorberatenden Kommissionen für die beiden anderen Sprachen davon ab, da dies nach Aussage des Redaktionskommissionsmitglieds Cavadini (lp, NE) mit den Gesetzen dieser Sprachen nicht vereinbar wäre oder zumindest zu als unschön empfundenen Wendungen und Wortkonstruktionen führen würde. Die Kommissionen schlugen vor, in diesen Sprachen mit einer Fussnote am Anfang darauf zu verweisen, dass bei den männlichen Formulierungen die Frauen immer mitgemeint sind. Auf Druck namentlich von französischsprachigen Parlamentarierinnen nahm die französischsprachige Redaktionskommission dann im Laufe der Plenumsberatungen entsprechende Änderungen vor und schuf mit Doppel- resp. Funktionsbezeichnungen (z.B. présidence anstelle von le président), aber ohne Rückgriff auf Wortschöpfungen, einen Text, der zur Zufriedenheit der Kritikerinnen ausfiel.

Totalrevision der Bundesverfassung: Verfahren und Verfahrensfragen (BRG 96.061)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Im Nationalrat war bereits der Grundsatz der Verfassungsrevision umstritten. Die Fraktion der Freiheitspartei beantragte Nichteintreten, da die Revision überflüssig sei und zudem im Entwurf viel zuviel Gewicht auf staatliche Regulierung und Sozialrechte gelegt und das Prinzip der Selbstveranwortlichkeit und Wirtschaftsfreiheit vernachlässigt werde. Dieser auch von den Schweizer Demokraten – diese bemängelten zudem noch, dass dieses Projekt nichts anderes als eine Unterwerfung unter die Normen der EU sei – unterstützte Antrag unterlag mit 153:10 Stimmen. Genau das Gegenteil kritisierte ein Teil (rund ein Drittel) der SP-Fraktion am vorliegenden Entwurf. Rechsteiner (sp, SG) forderte die Rückweisung an die Kommission mit dem Auftrag, die Sozialrechte und die Interventionsmöglichkeiten des Staates in die Wirtschaftspolitik auszubauen und den Willen zur Integration der Schweiz in die EU und die UNO explizit in die Verfassung aufzunehmen. Ähnliches, wenn auch etwas abstrakter und zudem angereichert mit dem Vorschlag, den Föderalismus neu zu konzipieren (und dabei insbesondere auch die Zahl der Kantone zu verringern) forderte Rennwald (sp, JU) in seinem Rückweisungsantrag an den Bundesrat. Nachdem Rechsteiner seinen Antrag zugunsten desjenigen von Rennwald zurückgezogen hatte, unterlag auch dieser deutlich mit 140:14 Stimmen.

Totalrevision der Bundesverfassung: Verfahren und Verfahrensfragen (BRG 96.061)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Der Ständerat übernahm die Präambel der Bundesratsversion. Der Nationalrat erweiterte diese Präambel auf Antrag seiner Kommission um zwei Punkte. Er fügte die Erwähnung der Verantwortung gegenüber dem Schöpfer hinzu und übernahm die aus der Version Muschg der gescheiterten Verfassungstotalrevision von 1977 stammende Deklaration, «dass nur frei ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen». Die von der Linken beantragte Streichung der Anrufung Gottes lehnte der Nationalrat jedoch mit 105:53 Stimmen ab. In der Differenzbereinigung sprach sich der Ständerat gegen diese beiden Ergänzungen aus, der Nationalrat hielt jedoch mit recht deutlicher Mehrheit gegen den Widerstand von Freisinnigen und SVP-Abgeordneten daran fest. Die Einigungskonferenz übernahm schliesslich die Version der grossen Kammer.

Zweckartikel, Selbstverantwortung und Chancengleichheit in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Beim Zweckartikel der Schweizerischen Eidgenossenschaft nahm der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission und gegen den Widerstand des Bundesrats sowie der SVP-Fraktion und eines Teils der Freisinnigen auch noch den Passus auf, dass der Bund für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern sorgt. Der Ständerat lehnte diese Ergänzung mit denselben Argumenten ab wie der Bundesrat: es handle sich dabei um einen unklaren Begriff, der nicht zu den Staatszwecken gehören solle. Nachdem beide Räte in der Differenzbereinigung auf ihren Entscheiden beharrt hatten, setzte sich an der Einigungskonferenz die Version des Nationalrats durch.

Zweckartikel, Selbstverantwortung und Chancengleichheit in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Über die Parteigrenzen hinweg war man sich im Nationalrat einig, dass im Sinne der Subsidiarität staatlichen Handelns in der Verfassung auch an die Selbstverantwortung der Individuen gegenüber sich selbst und der Gesellschaft appelliert werden müsse. Der Nationalrat nahm auf Antrag seiner Kommission bei den Allgemeinen Bestimmungen einen neuen Artikel auf, der fordert, dass jede Person für sich selbst Verantwortung wahrnimmt und nach Kräften zur Bewältigung der Aufgaben in Gesellschaft und Staat beiträgt. Der Ständerat stimmte diesem Passus in der Differenzbereinigung zu, strich aber die vom Nationalrat im gleichen Zusammenhang beschlossene Formel, dass sich jede Person gemäss ihren Fähigkeiten und Neigungen entwickeln können soll. Diese schlankere Version wurde zum definitiven Verfassungstext.

Zweckartikel, Selbstverantwortung und Chancengleichheit in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Bei den Grundrechten gaben namentlich das Diskriminierungsverbot und das Streikrecht zu reden. Bei ersterem ging die Auseinandersetzung nicht um das Verbot der Diskriminierung an sich, sondern um die Frage, ob die Gruppen, welche namentlich nicht diskriminiert werden dürfen, einzeln exemplarisch zu nennen seien, und wenn ja, welche dazugehören würden. Der Ständerat entschied sich gegen eine Aufzählung. Die CVP und die Linke setzten sich im Nationalrat hingegen erfolgreich für eine – nicht abschliessende – Aufzählung ein, da damit auch ein Signal an die Bevölkerung zugunsten dieser Gruppen ausgesendet werde. Der Ständerat fügte sich in der Differenzbereinigung diesem Entscheid. Das Recht auf Streik und Aussperrung (mit der Einschränkung, dass sie Arbeitsbeziehungen betreffen und keine vertraglichen Friedenspflichten verletzen dürfen) wurde vom Ständerat mit dem Argument gestrichen, dass dieses Recht zwar durch die Rechtsprechung gewährleistet sei, ihm aber kein Grundrechtscharakter zukomme. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Formel setzte sich im Nationalrat jedoch gegen einen namentlich von der SVP und einer Mehrheit der FDP getragenen Streichungsantrag mit 91:67 Stimmen durch. In der Differenzbereinigung gab der Ständerat insofern nach, als er zwar kein Grundrecht auf Streik anerkannte, aber diesen unter den erwähnten Bedingungen für zulässig erklärte.

Grundrechte und Sozialstaatlichkeit in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Bei den Grundrechten wichen die Räte in zwei Punkten von ihrer Devise ab, keine materiellen Neuerungen gegenüber der bestehenden Verfassung und der Rechtspraxis einzuführen. Nachdem sich Redner aus allen Parteien dafür eingesetzt hatten, nahm der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission einen Artikel in die Verfassung auf, der den Bund verpflichtet, auf dem Gesetzesweg Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen von Behinderten zu treffen. Der Ständerat hatte einen entsprechenden Antrag Brändli (svp, GR) ursprünglich abgelehnt, lenkte dann aber ein. Der Nationalrat nahm zudem in erster Lesung einen von der SP geforderten speziellen Kinderartikel unter die Grundrechte auf. Danach sollen Kinder und Jugendliche Recht auf besonderen Schutz und Anspruch auf eine harmonische Entwicklung haben. Bundesrat Koller hatte vergeblich gegen den Anspruch auf harmonische Entwicklung argumentiert, dass damit ein einklagbares Grundrecht geschaffen werde, das gar nicht justiziabel sei. Der Ständerat reduzierte diesen Anspruch dann auf das Postulat der Förderung der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen und konnte sich damit durchsetzen.

Grundrechte und Sozialstaatlichkeit in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Die Sozialziele, welche bisher in der Verfassung und in internationalen Verträgen verstreute Elemente in einem übersichtlichen Katalog zusammenfassen (Art. 41), gaben im Ständerat kaum zu Diskussionen Anlass. Im Nationalrat unterlag die SP mit ihrer Forderung, diese Sozialziele in einklagbare Sozialrechte umzuwandeln. Aber auch der als Reaktion darauf eingereichte Antrag Föhn (svp, SZ), die Sozialziele aus der Verfassung zu streichen, wurde deutlich verworfen.

Sozialziele in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Beim Paket «Volksrechte» waren zu Jahresende wichtige Entscheide, wie z.B. zur Erhöhung der Unterschriftenzahl, noch offen. Die beiden zuständigen Subkommissionen hatten beantragt, auf eine Erhöhung zu verzichten.

Reform der Volksrechte (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)