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In der Herbstsession 2017 beriet der Ständerat als Erstrat die Umsetzung der Pädophilen-Initiative. Schon in der Eintretensdebatte wurde verschiedentlich betont, wie schwierig es sei, den Artikel 123c BV umzusetzen. Ständerat Jositsch (sp, ZH) sprach gar von der „Quadratur des Kreises“ und beantragte Nichteintreten. Mit einer Umsetzung „light“, also dem Versuch, den Konflikt mit den rechtsstaatlichen Prinzipien und den Grundrechten so klein wie möglich zu halten, sende man ein gefährliches Signal an die Stimmbevölkerung: Man könne jede Initiative, so radikal ihre Forderung auch sei, bedenkenlos annehmen, um damit ein Zeichen zu setzen – das Parlament würde das mit der Umsetzung dann schon regeln. Um diesem Argument Nachdruck zu verleihen, nannte er das Beispiel der Volksinitiative zur Wiedereinführung der Todesstrafe: „Wenn irgendwelche grauenhaften Taten passieren, werden die Leute bei einer solchen Initiative Ja stimmen, weil sie sagen, man werde ja nicht gerade eine Guillotine auf dem Bundesplatz aufstellen, nur weil sie der Initiative zugestimmt hätten [...].“ Dieser Entwicklung müsse Einhalt geboten werden. Die Pädophilen-Initiative könne nicht umgesetzt werden, ohne höherrangiges Recht zu verletzen, weshalb man auf die Umsetzung besser ganz verzichten und nicht auf die Vorlage eintreten solle. Auch Andrea Caroni (fdp, AR) zeigte Verständnis für das Dilemma seines Kollegen und legte dar, dass es unmöglich sei, die Initiative wortgetreu umzusetzen und dabei die Verhältnismässigkeit zu wahren – genauso unmöglich sei es aber, die Initiative „light“ umzusetzen und dabei die Glaubwürdigkeit vor der Stimmbevölkerung zu wahren. Dennoch sei es Aufgabe des Parlamentes, den Verfassungsartikel auf generell-abstrakte Weise zu konkretisieren und offenstehende Fragen zu beantworten. Es sei staatspolitisch nicht vertretbar, diese „heisse Kartoffel“ einfach an die Gerichte weiterzureichen. Den besten Ausweg sah Caroni darin, den Verfassungsartikel mit einem „Minimum an Verhältnismässigkeit“ umzusetzen. Von der Debatte um die Verhältnismässigkeit nichts wissen wollte hingegen SVP-Fraktionsangehöriger Thomas Minder (parteilos, SH). „Man könnte meinen, die Verhältnismässigkeit [...] stehe über allen anderen Normen der Verfassung“, kritisierte er und fügte an, indem das Volk die Pädophilen-Initiative angenommen habe, habe es den entsprechenden Verfassungsartikel eben als verhältnismässig beurteilt. Einige Parlamentarier schöben das Verhältnismässigkeitsprinzip vor, um „politisch Unliebsames zu bekämpfen“, wodurch die Verhältnismässigkeit ad absurdum geführt werde. Bundesrätin Simonetta Sommaruga hielt dem entgegen, dass die Verhältnismässigkeit gemäss Artikel 5 BV ein Grundsatz rechtsstaatlichen Handelns sei, der bei jedem staatlichen Handeln beachtet werden müsse und dem daher zu Recht eine gewisse Priorität eingeräumt werde. Mit 35 zu 7 Stimmen bei einer Enthaltung trat die Ständekammer schliesslich auf die Vorlage ein.

Die anschliessende Detailberatung verlief im Allgemeinen weniger kontrovers als es die mit Leidenschaft geführte Eintretensdebatte hätte vermuten lassen. Auf keinen Widerstand stiessen so etwa die Anträge der vorberatenden RK-SR, einerseits Antragsdelikte und Übertretungen – es handelt sich im konkreten Fall um Exhibitionismus, sexuelle Belästigung und Pornografie zum Eigenkonsum – aus der Liste der Anlasstaten für ein zwingendes lebenslanges Tätigkeitsverbot zu streichen, und andererseits nur zwischen zwei anstatt drei Typen von Tätigkeitsverboten zu unterscheiden. Erstens solle ein lebenslanges Tätigkeitsverbot stets von Amtes wegen und nicht auf Antrag verhängt werden und zweitens sei es nicht notwendig, für den direkten Kontakt mit Patienten im Gesundheitsbereich und den sonstigen Kontakt mit besonders schutzbedürftigen Erwachsenen verschiedene Tätigkeitsverbote vorzusehen, da sich diese Bereiche ohnehin oft überschnitten. Es soll hingegen je ein separates Tätigkeitsverbot für den Kontakt mit Minderjährigen und mit Erwachsenen geben, abhängig davon, ob die Anlasstat an einer minderjährigen oder an einer volljährigen Person begangen worden ist. Ebenfalls unbestritten war das Einfügen einer expliziten Spezialausnahme für Fälle der einvernehmlichen Jugendliebe, um deutlich zu machen, dass in diesen Fällen von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes abgesehen werden muss.

Hauptstreitpunkte waren die Definition des Begriffs „Kinder“, der Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung, die Möglichkeit zur Überprüfung eines angeordneten Tätigkeitsverbotes sowie die Kompetenzen der Staatsanwaltschaft. Bei der Definition des Begriffs „Kinder“ ging es um die Frage, ob alle an Minderjährigen begangenen Anlasstaten – so der Vorschlag des Bundesrates – oder nur solche, die an unter 16-Jährigen begangen worden sind – wie von der Kommission beantragt –, automatisch zu einem Tätigkeitsverbot führen sollen. Mit deutlicher Mehrheit (38 zu 4 Stimmen) setzte sich der Antrag der Kommission gegen jenen des Bundesrates durch, weil dieser der Verhältnismässigkeit eher Rechnung trage und die viel diskutierten Fälle von Jugendliebe von vornherein wenigstens teilweise entschärfe. Knapper fiel die Entscheidung in der Frage aus, wie weit der richterliche Ermessensspielraum bei der Anwendung der Ausnahmebestimmung sein soll. Während der Bundesrat Ausnahmen nur in „besonders leichten Fällen“ vorgesehen hatte und darin von der Kommissionsminderheit unterstützt wurde, wollte die Kommissionsmehrheit den Verzicht auf ein Tätigkeitsverbot bereits in „leichten Fällen“ ermöglichen. Nachdem Bundesrätin Sommaruga konstatiert hatte, die Differenz zwischen Mehrheits- und Minderheitsantrag sei „nicht wahnsinnig gross“, folgte der Ständerat mit 22 zu 19 Stimmen bei einer Enthaltung dem Antrag seiner Kommissionsminderheit.
Mit härteren Bandagen gekämpft wurde um die vom Bundesrat vorgesehene Möglichkeit, ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot unter bestimmten Bedingungen nach 10 Jahren zu überprüfen und gegebenenfalls aufzuheben. Nach Ansicht der Kommissionsmehrheit entferne sich die Umsetzungsgesetzgebung damit zu weit vom Inhalt der Initiative. Die Verhältnismässigkeit werde durch die Ausnahmebestimmung sowie durch die Einschränkung der Anlasstaten ausreichend gewährleistet, erläuterte Kommissionssprecher Fabio Abate (fdp, TI) den Mehrheitsantrag, welcher keine Aufhebungsmöglichkeit für lebenslängliche Tätigkeitsverbote vorsah. Der Bundesrat und die Kommissionsminderheit argumentierten hingegen, das Tätigkeitsverbot sei nicht Teil der strafrechtlichen Sanktion, sondern eine zusätzliche Massnahme, um zukünftige Taten zu vermeiden – ähnlich der lebenslänglichen Verwahrung. Es sei daher auch hier geboten, die strafrechtliche Maxime zu befolgen, eine Massnahme nur so lange aufrechtzuerhalten, als sie zur Sicherstellung ihres Zweckes notwendig sei, weshalb es eine Überprüfungsmöglichkeit geben müsse. Die klare Mehrheit der Ständekammer liess sich von diesem Einwand jedoch nicht überzeugen und stimmte mit 28 zu 14 Stimmen bei einer Enthaltung für den Antrag der Kommissionsmehrheit.
Zum Schluss drehte sich die Diskussion um die Kompetenzen der Staatsanwaltschaft im Strafbefehlsverfahren. Während unbestritten war, dass ein Tätigkeitsverbot nur durch ein Gericht ausgesprochen werden kann, blieb die Frage offen, ob der Verzicht auf die Verhängung eines Tätigkeitsverbotes ebenfalls nur in einem Gerichtsverfahren oder auch im Strafbefehlsverfahren durch die Staatsanwaltschaft erfolgen können soll. Die Kommissionmehrheit wollte in der Strafprozessordnung ausdrücklich festschreiben, dass die Härtefallklausel nur von einem Gericht angewandt werden kann – und bei dieser Gelegenheit dieselbe Regelung auch für die Härtefallklausel in der Umsetzungsgesetzgebung zur Ausschaffungsinitiative festmachen. Die Kommissionsminderheit kritisierte den fehlenden sachlichen Bezug und Bundesrätin Sommaruga wies darauf hin, dass Strafbefehle nur in einfachen und klaren Fällen erlassen werden dürfen – Voraussetzungen, die bei Fragen, ob auf die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes oder eines Landesverweises verzichtet werden kann, eher nicht gegeben seien. Falls die Staatsanwaltschaft doch in einem sehr klaren Fall, beispielsweise bei Jugendliebe, von der Verhängung eines Tätigkeitsverbotes absehe, sollte das hingegen unproblematisch sein. Im Gegenteil wäre eine Überweisung an ein Gericht in solchen Fällen unverhältnismässig aufwändig und kostspielig. Der Ständerat folgte sodann mit 23 zu 17 Stimmen bei zwei Enthaltungen der Minderheit und dem Bundesrat und verzichtete auf diese Anpassung der Strafprozessordnung.
In der Gesamtabstimmung nahm die kleine Kammer die Vorlage mit 26 zu 12 Stimmen bei vier Enthaltungen an. Die Gegenstimmen stammten hauptsächlich aus dem links-grünen Lager, aber auch von Vertretern der SVP-Fraktion.

Umsetzung der Pädophilen-Initiative (16.048)
Dossier: Pädophilen-Initiative

Im Mai 2014 wurde die 2009 von der Marche Blanche lancierte und 2011 zustande gekommene Volksinitiative „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen“ von 63,5% der Stimmbevölkerung bei einer Stimmbeteiligung von 54,9% angenommen. Über hundert Mitglieder zählte das überparteiliche Pro-Komitee „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen“. Unter den Vertretern aus der BDP, CVP, FDP, SVP, MCG, Lega und EDU befanden sich auch bekannte Politikerinnen und Politiker, wie etwa Oskar Freysinger (svp, VS), Natalie Simone Rickli (svp, ZH) und Thomas Minder (parteilos, SH). Ausgehend von der Ansicht, dass der vom Bundesrat ausgearbeitete und vom Parlament 2013 verabschiedete indirekte Gegenvorschlag zu wenig weit gehe, um Opfer vor Wiederholungstätern zu schützen, eröffnete das Komitee am 25. März den Abstimmungskampf.

Ihm stand das Contra-Komitee „Nein zur Pädophilie-Initiative“ gegenüber, welches sich erst kurz zuvor formiert hatte und von Andrea Caroni geleitet wurde. Obwohl alle Parteien ausser der SVP die Nein-Parole herausgegeben hatten, wurde das Nein-Komitee erst spät aktiv. Das aus Mitte-Links-Parlamentariern zusammengesetzte Komitee stellte sich hinter den indirekten Gegenvorschlag und kritisierte die Initiative aus dieser Perspektive als überflüssig, unvollständig und unverhältnismässig: Seiner Meinung nach biete das Bundesgesetz über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot einen umfassenderen Schutz der Kinder und wahre gleichzeitig den Rechtsstaat. Auch der Bundesrat empfahl die Volksinitiative zur Ablehnung. Das Parlament konnte sich bis zum Schluss nicht auf eine Abstimmungsempfehlung einigen.

Der Abstimmungskampf drehte sich folglich nicht um die Frage, ob Kinder vor sexuellen Übergriffen geschützt werden sollten, sondern durch welche Regelung dies geschehen sollte. Da es sich beim Kindsmissbrauch um ein emotionales Thema handelt, hatten die Gegner der Initiative mit ihren Argumenten der Rechtsstaatlichkeit und der Verhältnismässigkeit einen schweren Stand. Hinzu kam, dass dem Gegnerkomitee kaum finanzielle Mittel zur Verfügung standen und es sich auf eine Website und eine Pressekonferenz beschränken musste. So trug am Schluss das Pro-Komitee, welches mit seinen Teddybär-Plakaten und -Inseraten aktiv auftrat, den klaren Sieg davon. Es nützte auch nichts, dass der Bundesrat kurz vor der Abstimmung den Gegenvorschlag per 1. Januar 2015 in Kraft setzte.

Die grösste Zustimmung fand die Initiative in der Romandie (FR 68,8%, VD 68,7%, VS 74,3%, NE 70%, GE, 73,6%, JU 71,5%) und im Tessin (83%). Am wenigsten Ja-Stimmen bekam das Anliegen im Heimatkanton von Andrea Caroni (AR 55%).


Abstimmung vom 18. Mai 2014

Beteiligung: 54,9%
Ja: 1'818'658 (63,5%) / 20 6/2 Stände
Nein: 1'044'753 (36,5%) / 0 Stände

Parolen:
– Ja: BDP (1*), JCVP, SVP, EDU, MCR/MCG.
– Nein: CVP (10*), FDP (6*), SP, CSP, EVP, GLP (3*), Grüne (2*); LCH, SAJV, SGB, Travail.Suisse, VPOD, Jungwacht Blauring Schweiz, Pfadibewegung Schweiz, SATUS Schweiz, Stiftung Kinderschutz Schweiz.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen


Die Vox-Analyse ergab, dass es zwar durchaus einen klaren Konfliktgraben zwischen linken Gegnern und rechten Befürwortern gab. Schliesslich gab aber vor allem die persönliche Bedeutung der Vorlage den Ausschlag, wobei das Argument „Der Schutz des Kindes steht über allem“ überwog. Insgesamt waren die Stimmbürger gut über die Vorlage informiert und ihre Stimmmotivation spiegelte im Wesentlichen die Argumente der Abstimmungskomitees wieder. Dennoch schien vielen nicht klar gewesen zu sein, dass es neben der vorgelegten Initiative auch einen indirekten Gegenvorschlag in der Form eines Gesetzes gab.

Nach der Abstimmung stand das Parlament ein weiteres Mal vor der schwierigen Aufgabe, eine neue Verfassungsbestimmung umsetzen zu müssen, die einer anderen Bestimmung der Bundesverfassung – dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit – widerspricht. Noch im Berichtsjahr wollte die Justizministerin einen Entwurf in Form einer Änderung des Bundesgesetzes über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot in die Vernehmlassung schicken.

Volksinitiative „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen“ (12.076)
Dossier: Pädophilen-Initiative

Mit der Revision des Bundespersonalgesetzes wollte der Bundesrat die Attraktivität der Bundesverwaltung als Arbeitgeberin steigern und das Personalrecht dem für die Privatwirtschaft geltenden Obligationenrecht weiter annähern. Ziele der Änderung des seit 2002 geltenden Rahmengesetzes waren unter anderem eine grössere Flexibilität bei der Auflösung von Arbeitsverhältnissen und bessere Regelungen der Unterstützung bei unverschuldeter Kündigung. Der Ständerat brachte als Erstrat neben ein paar sprachlichen Detailkorrekturen einen zusätzlichen Passus ein, mit dem geeignete Massnahmen zur Sicherstellung einer adäquaten Vertretung der Landessprachen in der Verwaltung sowie zur Förderung der Sprachkenntnisse einer zweiten Amtssprache und passiver Kenntnisse einer dritten Amtssprache bei den höheren Kadern gefordert werden. Darüber hinaus präzisierte die kleine Kammer den Übergang von befristeten zu unbefristeten Anstellungsverhältnissen, setzte der Kündigungsfrist eine maximale Obergrenze von sechs Monaten und legte die maximale Entschädigung bei einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses zwischen einem Monats- und einem Jahreslohn fest. Die Vorschläge von Thomas Minder (parteilos, SH) Abgangsentschädigungen als grundsätzlich unzulässig zu erklären und die Kündigungsfristen statt auf Verordnungs- auf Gesetzesstufe zu regeln, blieben chancenlos. Im Nationalrat scheiterte ein gleich begründeter Antrag der SVP-Fraktion auf Nichteintreten. Auch die SVP plädierte erfolglos für konkrete gesetzliche Bestimmungen für Kündigungsfristen, Arbeitszeiten und Ferien. Auch in der grossen Kammer waren die Abgangsentschädigungen ein Diskussionsthema. Aber auch hier hatte der SVP-Vorschlag, grundsätzlich auf Abgangsentschädigungen zu verzichten, keine Chance. Der Nationalrat schuf einige Differenzen zum Ständerat, die allerdings lediglich sprachliche Präzisierungen waren und von der kleinen Kammer in der zweiten Lesung alle gutgeheissen wurden. Ausnahme bildete einzig eine Präzisierung der Abgangsentschädigung bei Kündigungen ohne eigenes Verschulden, auf die der Ständerat verzichten wollte. Der Nationalrat folgte diesem Wunsch und hiess das revidierte Bundespersonalgesetz bei der Schlussabstimmung in der Wintersession mit 177 zu 12 Stimmen zu. Der Ständerat sprach sich einstimmig (40 Stimmen) bei zwei Enthaltungen für die Revision aus.

Revision des Bundespersonalgesetzes (11.049)