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Der Verfassungsentwurf löste bei der Bevölkerung ein unerwartet grosses und positives Echo aus. Bis Ende Dezember wurden über 130'000 Verfassungsentwürfe verschickt, rund 1'100 Einzelpersonen äusserten sich schriftlich zu der Revision. Unter den politischen Gruppierungen regte sich nicht unerwartet bei der Linken und den kleinen Parteien Widerstand gegen die geplante Erschwerung der Volksrechte. Kritik kam auch von Seiten der Konferenz der Kantonsregierungen, die den Föderalismus als Grundprinzip in allen Bereichen der Verfassungsrevision berücksichtigt wissen wollten.

Vernehmlassung und «Volksdiskussion» zur Reform der Bundesverfassung
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Bei der Nachführung des bestehenden Rechts werden die bisher über die ganze Verfassung verstreuten oder ungeschriebenen Grundrechte und Sozialziele in einem Titel zusammengefasst und die Zuständigkeit von Bund und Kantonen bei der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben festgelegt. Vier Neuerungen werden in der Form von Varianten vorgelegt: Die Möglichkeit, im Sinne der Pressefreiheit ein Redaktionsgeheimnis einzuführen, die Vereinfachung des Verfahrens bei Gebietsveränderungen unter den Kantonen, die Stärkung der Stellung der Kantone in der Aussenpolitik und die Einführung des sog. Öffentlichkeitsprinzips, das der Bevölkerung grösseren Einblick in die Verwaltung gewährt. Im Bereich der Volksrechte ist vor allem vorgesehen, die Unterschriftenzahlen für Volksinitiativen und Referenden zu verdoppeln und das fakultative Finanz- und Verwaltungsreferendum einzuführen. Der Grundsatz des Primats des zwingenden Völkerrechts wird ausdrücklich in der Verfassung verankert. Bei der Justiz wird die Möglichkeit, den Zugang zum Bundesgericht gesetzlich zu beschränken, explizit erwähnt und dem Bund die Kompetenz zu einer Vereinheitlichung der Strafverfahren erteilt. Auf die Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit wird verzichtet, hingegen soll das Bundesgericht im konkreten Anwendungsfall die Verfassungsmässigkeit von Bundesgesetzen und -beschlüssen überprüfen können.

Vernehmlassung und «Volksdiskussion» zur Reform der Bundesverfassung
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Im Frühjahr sprachen sich die Staatspolitischen Kommissionen beider Räte einstimmig gegen die Einsetzung eines Verfassungsrats zur Totalrevision der Bundesverfassung aus. Damit obliegt diese Aufgabe dem Parlament selber. Am 26. Juni gab der Bundesrat seinen Entwurf für eine Revision der Bundesverfassung in die – nach dem Vorbild der in mehreren Kantonen bestehenden Volksdiskussion – öffentliche Vernehmlassung. Er bringt, neben der Fortschreibung des bestehenden Verfassungsrechts, Neuerungen bei den Volksrechten und der Justiz.

Vernehmlassung und «Volksdiskussion» zur Reform der Bundesverfassung
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

In der Herbstsession nahm der Nationalrat die Beratung über die Motion des Ständerats (Motion Josi Meier, cvp, LU) hinsichtlich einer Totalrevision der Bundesverfassung auf. Von der zuständigen Kommission wurde der Vorstoss einstimmig zur Annahme empfohlen. Im Plenum stellten sich auch alle stellungnehmenden Fraktionen hinter das Begehren, bevor die Debatte aus Zeitgründen auf die Wintersession verschoben wurde. Dort meldete Zbinden (sp, AG) Bedenken an: Ohne Klarheit in der zentralen Frage der Stellung der Schweiz zur EU solle eine Verfassungsrevision nicht in Angriff genommen werden; die jetzige Revision verbaue den Weg zu einer grundlegenden Veränderung. Explizite Unterstützung erhielt Zbinden allerdings nur von der Freiheitspartei, wenn auch aus anderen Gründen. Die übrigen Fraktionen unterstützten die Motion grundsätzlich, wobei die Grünen für die Einsetzung eines Verfassungsrates plädierten. Da sich zudem Bundesrat Koller für das Begehren aussprach, wurde die Motion des Ständerats mit deutlicher Mehrheit überwiesen.

Beziehungen zur EG/EU und Reform der Bundesverfassung
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

In der behördlichen Vernehmlassung stiess das Projekt auf grundsätzliche Zustimmung. Allerdings forderten die Kantone, entgegen dem Bestreben Bundesrat Kollers, sich zunächst auf die Revision der Volksrechte und der Justiz zu konzentrieren, die Frage des Föderalismus mit in die derzeitige Revision aufzunehmen. Noch einen Schritt weiter ging die Kommission des Nationalrats, welche in die laufende Verfassungsänderung auch die Parlamentsrevision eingebaut sehen möchte.

Vernehmlassung und «Volksdiskussion» zur Reform der Bundesverfassung
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Nach dem Willen des Bundesrats soll die Totalrevision der Bundesverfassung bis zum Jubiläumsjahr 1998 abgeschlossen sein. Anlässlich einer Medienkonferenz legte die Landesregierung Ende Juni ihre Vorstellungen über den Zeitplan und die Grundsätze der Revision vor. Danach soll bis 1995 ein Entwurf erarbeitet werden, welcher im Jahr darauf dem Parlament zugeleitet und, bei positiver Aufnahme, 1998 verabschiedet werden könnte. Thematisch sind drei Schwerpunkte vorgesehen: Neben der Nachführung des geltenden Verfassungsrechts auch Reformen in den Bereichen der Volksrechte und des Justizwesens. Wie Bundesrat Koller ausführte, müssten diese Reformen insbesondere auf die Schaffung eines neuen Gleichgewichts zwischen Landesregierung, Parlament und Volk sowie auf eine verlässliche Einbettung der Schweiz in das internationale Beziehungsnetz hin ausgerichtet sein.

Der Bundesrat sieht die revidierte Verfassung freilich nicht als geschlossenes System. In die erwähnten Reformblöcke sollten, wie in einem offenen Baukasten, auch später weitere Elemente eingebaut werden können. Ausserdem werden parallel zu der Arbeit in den drei Reformbereichen, mit denen jeweils eine eigene Kommission befasst ist, Neuerungen bei der Regierungs- und der Parlamentsreform sowie dem Verhältnis zwischen Bund und Kantonen erarbeitet. All diese Reformbestrebungen, welche bislang unterschiedlich weit gediehen sind, sollen unter der Oberleitung Bundesrat Kollers koordiniert und letztlich in der revidierten Bundesverfassung zusammengeführt werden. Zur Offenheit der neuen Verfassung soll schliesslich auch eine nach Appenzeller Vorbild als «Volksdiskussion» beschriebene, breit angelegte öffentliche Vernehmlassung beitragen.

Vernehmlassung und «Volksdiskussion» zur Reform der Bundesverfassung
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Nach der Ablehnung des EWR-Vertrages und den sich daraus ergebenden Schwierigkeiten in bezug auf die politische Integration der Schweiz in ihr europäisches Umfeld wurde der Ruf nach einer inneren Reform in der Gestalt einer Totalrevision der Bundesverfassung wieder stärker. Die kleine Kammer überwies eine entsprechende Motion von Josi Meier (cvp, LU), welche vom Bundesrat verlangt, eine Vorlage auszuarbeiten, über welche das Parlament im Jubiläumsjahr abstimmen kann. In ihrer Begründung machte sie klar, dass durch die politischen und wirtschaftlichen Umbrüche in Europa und der Welt eine Revision nicht nur formeller, sondern auch materieller Art notwendig sei. Die Schwierigkeit einer auch inhaltliche Ziele verfolgenden Revision besteht laut den Staatsrechtlern Rhinow (fdp, BL) und Zimmerli (svp, BE) darin, den politischen Willen zu dieser Totalrevision auszumachen sowie einen Konsens aller politisch Verantwortlichen zu den Leitlinien der Revision zustandezubringen; Konflikte um gewisse materielle Änderungen seien bereits vorprogrammiert. Neben dem Haupttext sollten dem Parlament deshalb auch Varianten unterbreitet werden, in welchen lediglich Reformen der politischen Institutionen vorgeschlagen werden.

Beziehungen zur EG/EU und Reform der Bundesverfassung
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Vor dem Hintergrund der stetigen Annäherung der Schweiz an die Europäische Gemeinschaft sowie dem allgemeinen internen Reformbedarf mit den damit verbundenen tiefgreifenden verfassungsrechtlichen Anpassungen behielt die Idee einer Totalrevision der Bundesverfassung ihre Aktualität. Der Bundesrat schlug vor, einzelne Reformpakete wie die Regierungs- oder weitere Schritte einer Parlamentsreform als Teilrevisionen der Bundesverfassung zu organisieren; im Sinne eines möglichst pragmatischen Ansatzes und dementsprechend hohen Chancen einer breiten Akzeptanz schlug er vor, die Totalrevision nicht mit allzu vielen Neuerungen zu belasten. Im Vordergrund stehen dabei Vorschläge, die in den bisherigen Vorarbeiten zur Totalrevision der Bundesverfassung diskutiert und im Vernehmlassungsverfahren befürwortet worden sind. Hinzu kommen auch verschiedene Vorschläge der eidgenössischen Räte. Bei diesen in der Legislaturplanung vorgestellten Plänen ging der Bundesrat allerdings von einem positiven Ausgang der Volksabstimmung über den EWR aus.

Beziehungen zur EG/EU und Reform der Bundesverfassung
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Im Rahmen der Diskussion um eine eventuelle Unterzeichnung des EWR-Vertrags durch die Schweiz und den damit zusammenhängenden Änderungen von Bundesgesetzen und der Verfassung äusserte demgegenüber der Politikwissenschafter Germann die Meinung, das politische System Schweiz würde sich vollständig blockieren, wolle man sämtliche Verfassungsanpassungen an das EWR-Recht mittels Teilrevisionen durchführen. Eine andere Position nahmen Staatsrechtler an der Jahresversammlung des Schweizerischen Juristenvereins, welche dem Thema «Sinn und Zweck einer Verfassung» gewidmet war, ein. Gemäss Jean-François Aubert bedarf eine allfällige Unterzeichnung des EWR-Vertrags einzig der Beachtung von Art. 89 Absatz 5 BV (Staatsvertragsreferendum); spätere Verfassungsanpassungen könnten als Teilrevisionen durchgeführt werden.

Beziehungen zur EG/EU und Reform der Bundesverfassung
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Der Nationalrat wandelte drei Motionen – je eine der grünen und der sozialdemokratischen Fraktion sowie eine der Freisinnigen Nabholz (ZH) –, welche den Bundesrat aufforderten, die Totalrevision der Bundesverfassung zügig voranzutreiben, auf Antrag des Bundesrates in Postulate um.

Motionen für materielle Verfassungsreform bzw. Verfassungsrat (Mo, 90.440, Mo. 90.450 und Mo. 90.503)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Die Vereinigung für Verfassungsreform (VVR), welche 1984 als parteipolitisch unabhängiger Verein mit Einzel- und Kollektivmitgliedern (darunter Jugend-, Frauen-, Konsumenten- und Umweltorganisationen) gegründet worden war, um auf der Grundlage des Verfassungsentwurfs der Staatsrechtsprofessoren Alfred Kölz und Jörg Paul Müller die Idee der Totalrevision weiterzutragen, kündigte zu Jahresbeginn eine Volksinitiative für eine Totalrevision der Bundesverfassung und eine solche für die Schaffung eines Verfassungsrates an; zu deren Lancierung kam es aber noch nicht.

Verfassungsentwurf von Kölz und Müller und Vereinigung für Verfassungsreform (VVR)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe zum 700-Jahr-Jubiläum an der ETH Zürich hat Bundesrat Arnold Koller ein zukünftiges Bild der Schweiz als Verfassungsstaat skizziert, in welchem sich ein Reformwille aus dem Innern unseres Staatsgefüges mit den Herausforderungen unserer europäischen Umgebung und der internationalen Staatengemeinschaft zu einem neuen Ganzen verbindet. Sowohl aus innenpolitischer Sicht – die Parlaments- und Regierungsreform sowie die Anwendungsmodalitäten des Referendums gehören zu den wichtigsten Elementen – als auch von einer aussenpolitischen Perspektive aus gesehen – ein Anpassungsprozess an die Europäische Gemeinschaft braucht vermehrt Flexibilität, da letztere sich ebenfalls in einer ständigen Entwicklung befindet – müsste laut Koller die Verfassungsreform in grösseren Teilstücken vonstatten gehen. Er warnte aber auch vor der Illusion, eine perfekte Verfassung ausarbeiten zu wollen, welche über einen grossen Zeitraum Bestand haben könne.

Beziehungen zur EG/EU und Reform der Bundesverfassung
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Die Staatsschutzkrise, aber auch die Diskussionen um die Annäherung an die Europäische Gemeinschaft verliehen dem Prozess der Totalrevision neuen Aufwind. Zuerst reichten die grüne, darauf die sozialdemokratische Fraktion und zuletzt die Freisinnige Nabholz (ZH) Motionen bezüglich einer materiellen Totalrevision der Bundesverfassung ein. Die Motionen der GP und der SP (90.440) verlangen eine Revision in demokratischer, ökologischer, föderalistischer und sozialer Hinsicht und fordern Massnahmen, welche die Entwicklungen in Europa und die daraus abzuleitenden Konsequenzen für die Schweiz mitberücksichtigen; eine derartige Totalrevision würde nach Ansicht beider Parteien einen wesentlichen Schritt zur Überwindung der gegenwärtigen Staatskrise bedeuten. In der Motion Nabholz (90.503) geht es weniger um sachpolitische Ziele als um eine Verbesserung der Innovationsfähigkeit des politischen Systems, wozu insbesondere eine Parlaments- und Regierungsreform im Sinne der Vorschläge der Motion Rhinow (fdp, BL) (Mo. 90.435) gehören würde. Die Motion Nabholz sowie jene der SP-Fraktion sehen einen Verfassungsrat zur Ausarbeitung des Revisionsentwurfs vor; hierzu müsste in die bestehende Verfassung zuerst ein entsprechender Artikel eingefügt werden.

Motionen für materielle Verfassungsreform bzw. Verfassungsrat (Mo, 90.440, Mo. 90.450 und Mo. 90.503)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Gleichzeitig mit dem Erscheinen des neuen Entwurfs wurde auch die 1984 gegründete «Vereinigung für Verfassungsreform (VVR)», welcher Jugend-, Frauen-, Konsumenten-, Kultur- und Umweltschutzorganisationen angehören, reaktiviert. Diese forderte im November den Bundesrat und die Bundesversammlung auf, die Totalrevision im Sinne des Entwurfs Kölz/Müller möglichst rasch an die Hand zu nehmen und als Sofortmassnahme die verfassungsmässige Grundlage für einen Verfassungsrat zu schaffen. Ausserdem verlangte sie die Einführung der Gesetzesinitiative.

Verfassungsentwurf von Kölz und Müller und Vereinigung für Verfassungsreform (VVR)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Die Staatsrechtsprofessoren Kölz und Müller haben im Juli eine gründlich überarbeitete Fassung ihres 1984 erstmals veröffentlichten Entwurfs für eine totalrevidierte Bundesverfassung vorgelegt, welcher als Erweiterung neben einem Ausbau des Persönlichkeitsschutzes auch ein Kapitel über die Beziehungen zu Europa enthält. Ohne konkret zum Abschluss eines EWR-Vertrags oder zu einem EG-Beitritt Stellung zu nehmen, hielten sie fest, dass sie die Instrumente der direkten Demokratie so weit wie möglich beibehalten möchten. Die Bundesversammlung sollte allerdings die Kompetenz haben, die Unvereinbarkeit einer vom Volk angenommenen Gesetzes- oder Verfassungsinitiative mit einer Verfassungsbestimmung oder europäischem Integrationsrecht in einem begründeten und vor Bundesgericht anfechtbaren Entscheid festzustellen.

Verfassungsentwurf von Kölz und Müller und Vereinigung für Verfassungsreform (VVR)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Der Bundesrat nahm im Herbst Stellung zur Problematik der Verfassungsreform und betonte, zuerst müsse ein EWR-Vertrag ausgehandelt, genehmigt und die damit notwendige Anpassung der schweizerischen Rechtsordnung vollzogen werden. Erst nach einem positiven Entscheid über den EWR-Beitritt könnte eine europagerechte Vorlage für eine neue Bundesverfassung unterbreitet werden.

Beziehungen zur EG/EU und Reform der Bundesverfassung
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Ursprünglich war das Projekt Totalrevision vor 25 Jahren, nach der letzten grossen Staatskrise, der sogenannten Mirage-Affäre, an die Hand genommen worden. 1977 hatte die Expertenkommission Furgler einen Verfassungsentwurf präsentiert, der im anschliessenden Vernehmlassungsverfahren sehr unterschiedlich beurteilt wurde. Der Bundesrat hielt, wie auch die Mehrheit der Vernehmlassungsantworten, eine Totalrevision der Bundesverfassung für notwendig und beantragte der Bundesversammlung, die förmliche Einleitung des Verfahrens zu beschliessen. Seinem Bericht an die Bundesversammlung legte er eine Modellstudie des EJPD bei. Diese Studie, welche aufgrund des Schlussberichts der Arbeitsgruppe Wahlen, der bisherigen Verfassungsentwürfe sowie von totalrevidierten Kantonsverfassungen erarbeitet worden war, sollte die wichtigsten Züge einer neuen Verfassung aufzeigen. Die eidgenössischen Räte beschlossen 1987 die Totalrevision der Bundesverfassung und beauftragten den Bundesrat, einen Entwurf mit einer allerdings nur formalen Revision, welche das geltende Recht systematisch ordnet, vereinheitlicht und verständlicher darstellt, zu erarbeiten. Der Auftrag einer rein formalen Revision hatte zur Folge, dass sich niemand mehr enthusiastisch hinter das Projekt stellen konnte.

Rekapitulation der Vorbereitung der Verfassungsreform
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Nachdem sich der Ständerat im Vorjahr lediglich für eine formale Revision der Bundesverfassung ausgesprochen hatte, gelangte das Geschäft im Sommer an den Nationalrat. Hier setzte sich eine Minderheit aus FDP und NA für den Abbruch des vor über zwanzig Jahren begonnenen Unterfangens ein, da eine tragende Idee im Volk nicht zu erkennen sei. Auch die Kommissionsmehrheit war der Ansicht, die gegenwärtige Zeit der Wende und der Neubesinnung hätte der Totalrevision den Stellenwert genommen, den sie in den sechziger Jahren noch gehabt hätte. Wegen der offensichtlichen formaljuristischen Mängel, die die bereits 127mal teilrevidierte Verfassung aufweist, beantragte die Kommissionsmehrheit aber doch, dem Beschluss des Ständerates zu folgen. Nur die Ratslinke setzte sich, zusammen mit der LdU/EVP-Fraktion, für eine materielle Totalrevision ein, die den geänderten gesellschaftlichen Verhältnissen Rechnung tragen sollte, indem sie zum Beispiel die Sozialrechte – etwa im Bereich des Ausländerrechts – und ökologische Notwendigkeiten neu definiere. Die Ratsmehrheit wandte sich jedoch gegen den Versuch, chancenlose Partialrevisionen im Schutz einer Totalrevision zu verwirklichen. Bundesrätin Kopp, die sich für den Beschluss des Ständerates einsetzte, erhielt schliesslich den gewünschten Auftrag, die bestehende Verfassung formal zu revidieren und mit dem bestehenden ungeschriebenen Verfassungsrecht (etwa dem System des Vernehmlassungsverfahrens) zu ergänzen. Sie behielt sich aber vor, auch sich aufdrängende Neuerungen, wie etwa die Gesetzes- oder die Einheitsinitiative, als Varianten vorzuschlagen.

Fünf Monate nach diesem Beschluss des Nationalrates wurde als Pionierwerk die erste Teillieferung eines umfangreichen, von bekannten Staatsrechtlern verfassten Kommentars zur geltenden Bundesverfassung vorgestellt. Als Ziele ihrer Anstrengung nannten die Herausgeber das Ausmerzen bestehender Rechtsunsicherheiten und das Erreichen einer höheren normativen Lenkungskraft der Verfassung. Der Kommentar bezieht sich nicht nur auf das geschriebene, sondern auch auf das durch die Verwaltungspraxis oder durch Bundesgerichtsentscheide entstandene ungeschriebene Verfassungsrecht. Da die letzte Teillieferung ungefähr zu jenem Zeitpunkt erscheinen sollte, zu dem auch der Entwurf einer totalrevidierten Verfassung diskussionsreif sein dürfte, wurde der Verdacht geäussert, das gross angelegte Werk sei zur Unterstützung der bestehenden Grundordnung gedacht. Die Autoren bekannten sich jedoch zur anstehenden Totalrevision und betonten, dass auch die künftige Verfassung zu vielleicht zwei Dritteln auf der bestehenden aufbauen werde. Ausserdem könne der Kommentar die Diskussion um die neue Verfassung befruchten, da er die dazu unabdingbare Kenntnis der alten erhöhe.

Bericht über die Totalrevision der Bundesverfassung (BRG 85.065)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Die Rückfrage des Bundesrates an das Parlament, ob die Arbeiten an einer Totalrevision der Bundesverfassung fortgesetzt werden sollten, führte nicht zum Abbruch des umstrittenen Unternehmens. Eine Diskussion am Parteitag der FDP im April, die eine überwiegend negative Haltung zum Ausdruck brachte, wirkte zwar vorerst eher entmutigend. Die vorberatende Kommission des Ständerates erwog die Möglichkeit einer rein formalen Revision und liess sich vom EJPD einen entsprechenden Zusatzbericht vorlegen, verwarf dann aber diesen Ausweg. Sie beantragte dem Rat, den Revisionsauftrag zu erteilen, ihn aber zugleich zu präzisieren: Der von der Regierung auszuarbeitende Entwurf sollte «das geltende geschriebene und ungeschriebene Verfassungsrecht nachführen, es verständlich darstellen, systematisch ordnen sowie Dichte und Sprache vereinheitlichen». Konkrete Weisungen, wie sie von den Staatsrechtslehrern Jagmetti (fdp, ZH) und Aubert (lp, NE) gewünscht wurden, lehnte die Kommission jedoch ab, um dem Bundesrat die Freiheit, mindestens in Form von Varianten Neuerungen vorzuschlagen, nicht zu nehmen. Noch im Dezember gab die Ständekammer diesem Vorschlag mit 28:6 Stimmen ihren Segen – gewissermassen als Geschenk zum 50. Geburtstag der Vorsteherin des EJPD, die sich nachdrücklich für den Auftrag eingesetzt hatte. Zu diesem bescheidenen Neuanfang trugen befürwortende Stellungnahmen bürgerlicher Staatsrechtler und Politiker bei, die nicht als Systemveränderer verdächtigt werden konnten, ausserdem das sich verbreitende Gefühl, nach zwanzigjähriger Vorarbeit nicht einfach kapitulieren zu können.

Bericht über die Totalrevision der Bundesverfassung (BRG 85.065)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Die Aufnahme von Bericht und Modellentwurf war gedämpft. Unter den ersten Erklärungen der Regierungsparteien lautete diejenige der CVP am positivsten. Die FDP begrüsste den Antrag, empfahl aber ein behutsames Vorgehen, das es dem Parlament erlauben würde, auch Wegmarken für die konkrete Ausgestaltung des Verfassungsentwurfs zu setzen. Die SP bestritt der Revision ihre Aktualität, und die SVP erklärte sie für überflüssig. Die Präsidenten der vier Fraktionen sprachen sich alle für eine Fortsetzung des Unternehmens aus, allerdings mit unterschiedlichen Zielvorstellungen. Sozialdemokratische Sprecher befürworteten eine weitergehende Reform, als sie die Modellstudie anbietet. Entschiedener äusserten sich Vertreter des Landesrings für eine Totalrevision, wobei sie den im Vorjahr veröffentlichten Entwurf der Juristen A. Kölz und J. P. Müller in den Vordergrund rückten. Die Kommentare der Presse waren dagegen überwiegend skeptisch gestimmt.

Bericht über die Totalrevision der Bundesverfassung (BRG 85.065)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Zur Frage einer Totalrevision der Bundesverfassung legte der Bundesrat im Spätherbst den Bericht vor, den er 1983 angekündigt hatte, um dem Parlament den Entscheid über die Fortsetzung der Arbeiten zu überlassen. Dieser Bericht enthält eine Übersicht über den bisherigen Gang der Revisionsbestrebungen, Hinweise auf Verfassungsrevisionen im Ausland und in den Kantonen, den Entwurf der Expertenkommission Furgler sowie eine «Modell-Studie» des EJPD, die auf dem Expertenentwurf aufbaut, ihn aber aufgrund des Vernehmlassungsverfahrens wesentlich modifiziert. So werden Eigentum und Wirtschaftsfreiheit ohne Vorbehalte gewährleistet und die Bundeskompetenzen abschliessend aufgezählt. Den Grundrechten stehen Grundpflichten (Schul-, Stimm-, Dienst- bzw. Wehr- und Steuerpflicht) gegenüber. Ein Katalog von Staatszielen wird von den Kompetenzbestimmungen getrennt. Bei den Volksrechten wird neben der (unformulierten) Einheitsinitiative, die von der Bundesversammlung auf Verfassungs- oder Gesetzesstufe auszugestalten ist, auch die ausgearbeitete Verfassungsinitiative aufgeführt. Die Organisation der Bundesbehörden bleibt praktisch unverändert, und die gerichtliche Anfechtbarkeit von Bundesgesetzen fällt dahin. Der Bundesrat bejaht aber nur den Grundsatz der Totalrevision; zum neuen Modell enthält er sich eines Urteils. Was das weitere Verfahren betrifft, so setzt er voraus, dass es nach einem zustimmenden Grundsatzentscheid der Bundesversammlung seine Sache wäre, einen Entwurf für die parlamentarische Behandlung vorzulegen.

Bericht über die Totalrevision der Bundesverfassung (BRG 85.065)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Die Bemühungen um eine Totalrevision der Bundesverfassung erfuhren eine Belebung durch die Publikation eines neuen Verfassungsentwurfs. Dessen Autoren, die keiner Partei angehörenden Staatsrechtslehrer J. P. Müller (Bern) und A. Kölz (Zürich), versuchten der Kritik am Expertenentwurf von 1977 Rechnung zu tragen, zugleich aber mit der Hervorhebung der Umweltproblematik einen besonderen Akzent zu setzen. Sie schränkten die Kompetenzen des Bundes wieder auf die im Verfassungstext aufgezählten Bereiche ein und verankerten Eigentumsgarantie und Wirtschaftsfreiheit stärker, als es die Kommission Furgler getan hatte. Anderseits legten sie vermehrtes Gewicht auf Transparenz und Volksrechte.

Der Entwurf fand auf bürgerlicher wie auf sozialdemokratischer Seite Anerkennung; aus beiden Richtungen kam freilich auch Skepsis und Kritik. Lebhafter war das Interesse in Kreisen des Umweltschutzes. Eine Gruppe um den ökologisch engagierten Zürcher Anwalt Felix Matter trat mit der Idee hervor, auf der Grundlage des Entwurfs Kölz/Müller eine Volksinitiative für die Totalrevision zu lancieren. Eine Vereinigung für Verfassungsreform (VVR) wurde gegründet, der sich vor allem Jugend- und Frauenorganisationen wie auch der Schweizerische Konsumentenbund anschlossen. Der VVR traten u.a. die Jungparteien von CVP, SVP, EVP und LdU, die Schweiz. Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände, die Schweiz. Gesellschaft für Umweltschutz, der Schweiz. Verband für Frauenrechte und der Schweiz. Katholische Frauenbund bei. In den Vorstand wurden u.a. F. Matter (Präsident), die NR L. Robert (-, BE), M. Weber (ldu, ZH), P. Günter (ldu, BE) und R. Seiler (cvp, ZH) sowie H. Tschäni gewählt. Die Bewegung griff freilich nur langsam um sich und erntete namentlich in der lateinischen Schweiz wenig Echo. So wurde von der Bildung eines Initiativkomitees noch abgesehen.

Verfassungsentwurf von Kölz und Müller und Vereinigung für Verfassungsreform (VVR)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Dass eine Totalrevision der Bundesverfassung das «Helvetische Malaise» überwinden wird, erscheint immer weniger wahrscheinlich. Im August beschloss die Landesregierung, über die Fortsetzung des Revisionsverfahrens noch einmal das Parlament entscheiden zu lassen. Wie bekannt wurde, hatte das EJPD im Sommer 1982 dem Bundesrat eine Überarbeitung des Expertenentwurfs von 1977 vorgelegt, die in den umstrittensten Punkten (Kompetenzordnung im Bundesstaat, Eigentumsgarantie, Ständerat, Gesetzesinitiative, Verfassungsgerichtsbarkeit) zurücksteckte; doch diese Neufassung war vom Kollegium nicht übernommen worden. Kurt Furglers Nachfolger im EJPD, Rudolf Friedrich, betonte zwar die juristische Wünschbarkeit einer Totalrevision, zweifelte aber an ihren Realisierungschancen und strebte deshalb eine Rückendeckung bei den eidgenössischen Räten an. Damit bot er der uneinigen Regierung einen Ausweg: die Weiterführung der Revisionsarbeiten wurde bloss empfohlen. Zugleich lehnte der Bundesrat das von verschiedener Seite gewünschte Vorgehen in Etappen – z.B. durch ein Vorziehen des Abschnitts über die Grundrechte – ab. Ein Zwischenbericht, der auch die vom EJPD ausgearbeitete Fassung enthalten soll, wurde für 1984 angekündigt. Der Beschluss wurde unterschiedlich aufgenommen. Es fehlte nicht an Stimmen, die der Exekutive Mangel an Führungswillen vorwarfen. Namentlich die Sozialdemokraten zeigten sich enttäuscht. Ihre bürgerlichen Partner billigten den Entscheid, allerdings mit unterschiedlichen Erwartungen. Die SVP sprach sich für einen Abbruch des Verfahrens aus, in der FDP verwies man dagegen auf den eigenen, 1979 publizierten Entwurf.

Diskussion über die Weiterführung der Revisionsarbeiten
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Im Frühling sah es aus, als komme die Totalrevision der Bundesverfassung 1982 einen grossen Schritt weiter. Das EJPD unterbreitete nämlich Lösungsvarianten für einige Probleme, welche in der Vernehmlassung besonders umstritten gewesen waren. Die Landesregierung beriet darüber an einer ganztägigen, ausserordentlichen Sitzung im März, entschied aber damals nicht über Sachfragen, sondern erst über das weitere Vorgehen. Bis zu den Sommerferien solle ein bereinigtes Projekt vorliegen, das den Meinungsaustausch im Bundesrat berücksichtige, worauf den Departementen etwa drei Monate für das Mitberichtsverfahren bleiben würden. Noch vor Weihnachten erhalte dann das Parlament einen Verfassungsentwurf samt Botschaft. National- und Ständerat hätten also die Revisionsarbeit zu leisten und nicht ein besonders gewählter Verfassungsrat. Auch wäre sie in einem einzigen Anlauf erfolgt und nicht in mehreren Teilschritten. Bald zeigte es sich jedoch, dass diese Vorstellungen zu ehrgeizig und zu optimistisch waren. Schon im Mai lehnten es die Spitzen mehrerer Bundesratsparteien bei Gesprächen mit der Landesregierung ab, vor den Wahlen vom Herbst 1983 auf das Geschäft einzutreten. Der Bundesrat nahm deshalb das Thema erst im Dezember wieder auf und besprach Grundsätzliches zum Inhalt der Verfassung. Die Fortsetzung dieser Diskussion ist für das Frühjahr 1983 vorgesehen. Zudem wechselte im Januar 1983 der bisherige Betreuer der Totalrevision, Bundesrat Furgler, vom EJPD ins EVD hinüber. Er hatte sich noch 1982 zu einem Zeitplan bekannt, den er nun nicht einhalten konnte. Danach sollte das Volk 1986 über die neue Bundesverfassung abstimmen, und bei einer Annahme hätte sie 1991 ihre Vorgängerin abgelöst, sozusagen als Geschenk zum 700. Geburtstag der Eidgenossenschaft.

Diskussion über die Weiterführung der Revisionsarbeiten
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Bürgerliche Stimmen verlangen, dass das ganze Verfahren nun einer höheren Verbindlichkeit bedürfe, die durch eine Stellungnahme der Landesregierung zu erreichen sei. Diskutiert wurde ferner die Frage, ob das Parlament – wie es die geltende Verfassung vorsieht – die Revision durchführen solle oder ein Verfassungsrat. Die Einsetzung eines solchen würde eine von Volk und Ständen genehmigte Änderung der Revisionsbestimmungen in Art. 119 und 120 BV voraussetzen. Bundespräsident Furgler möchte eine solche Vorabstimmung vermeiden, da sie zu sehr unter dem Eindruck des Expertenentwurfs stände, den ja ein Verfassungsrat erst noch zu überarbeiten hätte.

Expertenentwurf der Kommission Furgler (Reform der Bundesverfassung)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)