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An zwei Anlässen äusserte sich EMD-Vorsteher Kaspar Villiger zum gegenwärtigen Zustand des schweizerischen politischen Systems. An dessen Pfeilern - dem föderalistischen Aufbau, der direktdemokratischen Partizipation der Schweizer Bevölkerung, dem parlamentarischen Milizsystem sowie der parteimässigen Zusammensetzung der Bundesregierung - wollte Villiger nicht rütteln. Trotz mancher unübersehbarer Nachteile bewahre und befestige nämlich gerade dieses System den Zusammenhalt des Landes, indem es die zentrifugalen und partikularen Interessen binde.

Zustand des schweizerischen politischen Systems

Mit der Veröffentlichung des Schlussberichts konnte das Nationale Forschungsprogramm (NFP 21) über "Kulturelle Vielfalt und nationale Identität" abgeschlossen werden. Der vom Basler Geschichtsprofessor Georg Kreis unter dem Titel "Die Schweiz unterwegs" publizierte Forschungsbericht geht in 47 thematisch weit gestreuten Untersuchungen der Frage nach Befinden und Selbstverständnis in der Schweiz nach. Der Bericht enthält eine historische Betrachtung des Aufbaus des eidgenössisch-schweizerischen Nationalgefühls, legt jedoch sein Hauptaugenmerk auf die nationale Identitätsfindung in der jüngeren Vergangenheit. Diese wird anhand des Beziehungsgeflechts zwischen zunehmender politischer und wirtschaftlicher Internationalisierung und darauf reagierendem Rückzug auf lokale Strukturen analysiert, unter besonderer Beachtung der Stellung der verschiedenen Sprachgruppen zueinander. Als Möglichkeit, die beschriebenen Herausforderungen in Zukunft zu bewältigen, stellt sich für den Herausgeber, der auch den Titel seines Buches in dieser Hinsicht verstanden wissen will, in erster Linie die Annahme und mitgestaltende Fortentwicklung der gesellschaftlichen Dynamik dar.

Kulturelle Vielfalt und nationale Identität" (NFP 21)

Verständigungsschwierigkeiten bestehen offensichtlich nicht allein zwischen den einzelnen Landesteilen, sondern auch zwischen "Elite" und einfacher Bevölkerung. Dies geht zumindest aus einer Lausanner Studie hervor, in welcher mehrere hundert Mitglieder der Führungsschichten befragt wurden. Danach schätzen diese den gegenwärtigen Zustand und die Zukunftsaussichten des Landes generell pessimistischer ein als der Grossteil der Bevölkerung. Besonders deutlich werden die Unterschiede in der Beurteilung der internationalen Öffnung der Schweiz sowie in der Wertschätzung der zentralen staatlichen Werte, wie etwa der direktdemokratischen Partizipation. Die Studie, 1993 erstmals durchgeführt, soll jährlich wiederholt werden.

Führungsschichten

Nach dieser grundsätzlichen Diskussion behandelte der Nationalrat eine Reihe parlamentarischer Vorstösse zu diesem Thema. Wie bereits der Ständerat überwies auch er eine in beiden Räten eingereichte gleichlautende Motion der beiden Ratskommissionen, welche die Landesregierung bei all ihren Beschlüssen zu besonderer Beachtung der sprachlichen und regionalen Verständigung verpflichtet. Damit konnte sich der Bundesrat nicht durchsetzen, welcher die Vorschläge zwar seinerseits begrüsste, jedoch für deren Überweisung als Postulat plädiert hatte. Er überwies weiter eine Motion des Ständerats (92.3493), welche im Anschluss an die Volksabstimmung über die Zugehörigkeit zum EWR eingereicht worden war und den Bundesrat beauftragt, im Zusammenwirken mit gesellschaftlichen und kulturellen Organisationen Massnahmen zu treffen, um die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften nachhaltig zu fördern.

Erfolg hatte auch eine parlamentarische Initiative von Robert (gp, BE). Darin wird der Bund aufgefordert, Bemühungen der Kantone zur Förderung der zweisprachigen Erziehung im Rahmen der Landessprachen zu unterstützen. Der Antrag Maspolis (lega, TI), der Initiative keine Folge zu geben, wurde deutlich verworfen. Eine weitere parlamentarische Initiative von Borel (sp, NE) für den Empfang mindestens eines Radioprogramms in jeder der drei Amtssprachen in der ganzen Schweiz wurde von der zuständigen Ratskommission in ein eigenes Postulat umgewandelt und dergestalt vom Plenum überwiesen.

Parlamentarische Initiativen zur Förderung der Mehrsprachigkeit

Als Postulat überwiesen wurde auch die Forderung der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats, die vom Bundesrat ein grösseres Engagement bei Fremdsprachenaufenthalten für Schüler und Lehrlinge sowie eine auf ökonomisch schwache Gebiete hin angelegte regionale Wirtschaftspolitik forderte. Kein Erfolg war schliesslich einem Minderheitsantrag der Verständigungskommission des Nationalrats beschieden, welcher zur Verbesserung der Kompetenz im Hochdeutschen für alle Lehrkräfte einen obligatorischen Aufenthalt im deutschsprachigen Ausland vorsah. Das entsprechende Postulat wurde auf Antrag des Bundesrats deutlich abgelehnt.

Kommunikation zwischen den einzelnen Landesteilen

Gegen Ende des Berichtsjahres präsentierte die Tessiner Regierung ihr dezentrales Konzept für eine Landesausstellung im Jahr 1998. Die von Stararchitekt Mario Botta präsidierte Arbeitsgruppe sieht vor, auf drei grenzüberschreitenden Seen der drei Kulturräume, dem Boden-, dem Genfer- und dem Langensee, Ausstellungen zu den drei gesellschaftlichen Grundaspekten Frieden, Leben und Wissen zu organisieren.

Tessiner

Nach der Ablehnung des EWR-Vertrages und den sich daraus ergebenden Schwierigkeiten in bezug auf die politische Integration der Schweiz in ihr europäisches Umfeld wurde der Ruf nach einer inneren Reform in der Gestalt einer Totalrevision der Bundesverfassung wieder stärker. Die kleine Kammer überwies eine entsprechende Motion von Josi Meier (cvp, LU), welche vom Bundesrat verlangt, eine Vorlage auszuarbeiten, über welche das Parlament im Jubiläumsjahr abstimmen kann. In ihrer Begründung machte sie klar, dass durch die politischen und wirtschaftlichen Umbrüche in Europa und der Welt eine Revision nicht nur formeller, sondern auch materieller Art notwendig sei. Die Schwierigkeit einer auch inhaltliche Ziele verfolgenden Revision besteht laut den Staatsrechtlern Rhinow (fdp, BL) und Zimmerli (svp, BE) darin, den politischen Willen zu dieser Totalrevision auszumachen sowie einen Konsens aller politisch Verantwortlichen zu den Leitlinien der Revision zustandezubringen; Konflikte um gewisse materielle Änderungen seien bereits vorprogrammiert. Neben dem Haupttext sollten dem Parlament deshalb auch Varianten unterbreitet werden, in welchen lediglich Reformen der politischen Institutionen vorgeschlagen werden.

Beziehungen zur EG/EU und Reform der Bundesverfassung
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 1/2: Vorgeschichte (1966 bis 1996)

Der Ständerat überwies eine gemeinsame, auf der Basis eines Zwischenberichts erarbeitete Motion der beiden Verständigungskommissionen, welche vom Bundesrat verlangt, bei allen Beschlüssen der sprachlichen und regionalen Verständigung innerhalb der Schweiz besondere Beachtung zu schenken. Verschiedene Redner wiesen in ihren Erwägungen auf den verstorbenen Schriftsteller Dürrenmatt hin, der schon vor Jahren festgestellt hatte, dass die deutsche und die französische Schweiz längst nicht mehr miteinander, sondern nur gerade nebeneinander leben.

Motion zur sprachlichen und regionalen Verständigung

Ähnliche Forderungen wurden an einer Tagung in Lausanne auch von den "Rencontres suisses", einer Gruppe von Wissenschaftern und Intellektuellen, gestellt. In ihren Augen muss sich die Förderung des nationalen Zusammenhalts und des Heimatgefühls am Ziel einer gemeinsamen Zukunft orientieren. Einzelne Gemeinden, welche zum Teil schon vor der EWR-Abstimmung sprachübergreifende Gemeinde- oder Städtepartnerschaften eingegangen waren, engagierten sich konkret für die kulturelle Verständigung, indem sie einen Schüleraustausch oder gegenseitige Behördenbesuche organisierten.

Förderung des nationalen Zusammenhalts

Im Kanton Luzern verabschiedete der Grosse Rat eine Vorlage über ein neues Verfahren zur Totalrevision der knapp 120 Jahre alten Staatsverfassung. In der Volksabstimmung nahmen die Luzerner Stimmberechtigten zwar die Einsetzung eines 100köpfigen Verfassungsrates an, verwarfen jedoch dessen paritätische Besetzung mit je 50 Frauen und Männern mit 64,7% Nein-Stimmen.

Luzern
Dossier: Revisionen der Kantonsverfassungen

Nach der Verwerfung des EWR-Vertrages in der Volksabstimmung vom 6. Dezember 1992 hatte das Parlament Spezialkommissionen zur Verständigung zwischen den Sprachgebieten bestellt. Die Aufgabe der 15 National- und acht Ständeräte bestand darin, Vorschläge zur Überbrückung der kultur- und sprachpolitischen Gräben auszuarbeiten. In ihrem Bericht forderten die Verständigungskommissionen unter anderem eine Totalrevision der Bundesverfassung, eine zukunftsgerichtete 150-Jahr-Feier des Bundesstaats sowie eine Landesausstellung im Jahre 2000, welche ein Begegnungsort für die verschiedenen Kultur- und Sprachgemeinschaften werden soll. Insbesondere im Geschichtsunterricht sollte das Augenmerk vermehrt auf die Bundesstaatsgründung und die Geschichte der modernen Schweiz gerichtet werden.

Kommunikation zwischen den einzelnen Landesteilen

Der Kanton Wallis schlug im Anschluss an die Erwägungen der Verständigungskommissionen vor, die Landesausstellung im Kantonshauptort Sion zu organisieren. Aber auch die Kantone Genf, Neuenburg und Tessin machten sich für eine Landesausstellung 2000 auf ihrem Gebiet stark. Die Genfer Regierung präsentierte eine Vorstudie, welche vorsieht, die Trilogie Leben, Denken und Schaffen spielerisch darzustellen. Während das Projekt eines Walliser Komitees unter dem Titel "Demopolis 2000" eine Zukunftsstadt von ca. 60 Hektaren Fläche beim Kantonshauptort Sion vorsieht, plant ein Neuenburger Komitee eine eher konventionelle Ausstellung mit Kantons-, Bundes- und Europapavillons, verteilt zwischen dem Seeufer und dem Passübergang Vue des Alpes.

Wallis Landesausstellung 2000 Genfer Neuenburger

Das Vertrauen der Schweizer Bevölkerung in die Behörden, Parteien und Verbände hat sich im Berichtsjahr weiter verringert. Laut den Ergebnissen des Marktforschungsinstituts Demoscope stieg der Anteil der Befragten, welche wenig bis gar kein Vertrauen in die Regierung haben, gegenüber dem Vorjahr um drei auf 27 Prozent, während die Anzahl Personen mit vollem und ziemlichem Vertrauen in den Bundesrat stagnierte. Ein genereller Rückgang war insbesondere beim Vertrauen in die Parteien und Verbände sowie in die kantonalen und kommunalen Behörden festzustellen. Laut der Univox-Umfrage zum Verhältnis Bürger-Staat erzielte die Zauberformel bei der Bevölkerung trotz den Misstönen rund um die Bundesratsersatzwahl eine hohe Akzeptanz. Eine Mehrheit der Befragten sprach sich aber für die Volkswahl der Landesregierung aus, nachdem 1988 noch das geltende System Zustimmung gefunden hatte. Eine Mehrheit glaubte ferner, dass der Bundesrat für die wichtigsten Probleme wie Arbeitslosigkeit, Drogen und Aids eine Lösung finden werde. Im übrigen zeigte sich, dass bei der Bewertung staatlicher Stellen weitere Image-Einbussen, vor allem bei den PTT, zu verzeichnen waren. Entgegen den gängigen Vorstellungen ergab eine weitere Demoscope-Studie, dass die eher als typisch germanisch eingestuften Eigenschaften wie Hang zum Materialismus, Erfolgsstreben, Sauberkeit und Aggressivität bei den Romands im allgemeinen ausgeprägter waren als bei den Deutschschweizern.

Vertrauen in die Regierung

In Beantwortung einer Interpellation Iten (fdp, ZG) zu den Vorbereitungsarbeiten der 150-Jahr-Feier des Bundesstaates antwortete Bundesrätin Dreifuss, dass erste Projektskizzen im Bundesamt für Kultur ausgearbeitet würden. Es stünde auch schon fest, dass das Landesmuseum, welches im Jubiläumsjahr nicht nur sein 100jähriges Bestehen, sondern auch die Eröffnung des Westschweizer Ablegers in Prangins (VD) feiern kann, in die Feierlichkeiten einbezogen wird. Ständerat Iten unterstrich in seiner Begründung, dass das Jubiläumsjahr 1998 zum Gedenken an die Bundesstaatsgründung vor 150 Jahren sowie als Markstein des Endes der Alten Eidgenossenschaft 1798 respektive des Beginns der Helvetik vor 200 Jahren einen historischen Rückhalt für die gesamte Eidgenossenschaft darstellt, im Gegensatz zum 700-Jahr-Jubiläum im Jahre 1991.

Vorbereitungsarbeiten der 150-Jahr-Feier des Bundesstaates

Gemäss der Vox-Analyse ergaben sich bei den sozio-demographischen Merkmalen nur relativ geringe Unterschiede in der Zustimmung. Paradoxerweise stimmten die Wähler und Wählerinnen aus dem linken Spektrum der von den SD lancierten Initiative viel stärker zu, als jene aus dem rechten Teil, was wiederum auf die unterschiedliche Bedeutung der Initiative zurückzuführen war. Den einen ging es vor allem um einen zusätzlichen bezahlten arbeitsfreien Tag, den anderen um den Bundesfeiertag. Der positive Ausgang der Volksabstimmung konnte demzufolge kaum als Sieg der Rechtsparteien interpretiert werden.

Volksinitiative für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag (92.050)

Ohne lange Diskussionen hiessen National- und Ständerat die von den Schweizer Demokraten am 25. Oktober 1990 eingereichte „Volksinitiative Für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag“ mit 62 zu 2 resp. 22 zu 6 Stimmen gut. In bezug auf den Begriff arbeitsfrei, welcher im Initiativtext nur ungenau definiert war, wies der Kommissionssprecher der kleinen Kammer darauf hin, dass dieser Feiertag gemäss Bundesrat nicht kompensiert wird, falls er auf einen Sonntag fällt, dass er aber von Arbeitnehmern kompensiert werden kann, wenn er in den Ferien auf einen andern Tag als auf den Sonntag fällt.

Obwohl die Schweizer Demokraten mit der Lancierung der Initiative patriotische Ziele verfolgten, war ihr Vorschlag praktisch unbestritten, da auch die Attraktivität eines zusätzlichen Feiertages sowie der Aspekt der einheitlichen Regelung eine wichtige Rolle im Entscheidprozess spielten. Bis anhin war der 1. August in den Kantonen Zürich, Schaffhausen, Thurgau, Tessin und Genf ein Feiertag, während in den andern Kantonen entweder halbtags oder bis vier Uhr gearbeitet wurde. Im Vorfeld der Abstimmung gaben einzig die allfälligen Kosten für die Arbeitgeber Anlass zu Diskussionen.

Für die Volksabstimmung gaben alle Parteien ausser den Grünen und der LP die Ja-Parole heraus. Für die Liberalen bedeutete die Bundeskompetenz einen zu starken Eingriff in den Föderalismus, weshalb sie das Begehren ablehnten; die Grünen entschlossen sich für Stimmfreigabe, weil sie keine Initiative aus der rechtsnationalistischen Ecke unterstützen wollten. In der SP sorgte der Umstand, dass zwölf sozialdemokratische Abgeordnete im Abstimmungskomitee zusammen mit Mitgliedern oder Sympathisanten der Schweizer Demokraten vertreten waren, für Unmut. Die Gewerkschaften empfahlen die Ja-Parole, während sich der Arbeitgeber- und der Gewerbeverband wegen der Belastung der Wirtschaft durch einen zusätzlichen Feiertag bei voller Lohnzahlung gegen die Initiative stellten.


„Volksinitiative für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag“
Abstimmung vom 26. September 1993

Beteiligung: 39,9%
Ja: 1'492'285 (83,8%) / 20 6/2 Stände
Nein: 289'122 (16,2%)

Parolen:
Ja: FDP (*6), SP, CVP (*3), SVP (*2), AP, SD, LdU, EVP, PdA, EDU, Lega; SGB, CNG.
Nein: LP (*2); ZSAO, SGV.
Stimmfreigabe: GP (*3).
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen


In der Abstimmung vom 26. September befürworteten 83,8% der Stimmenden die Initiative, wobei alle Kantone zustimmten. Der Kanton Appenzell Innerrhoden, der schon überdurchschnittlich viele Feiertage kennt, unterstützte die Initiative mit 59,3% am knappsten, während das Tessin und Genf mit 92,9% resp. 90,2% am deutlichsten zustimmten.

Volksinitiative für einen arbeitsfreien Bundesfeiertag (92.050)

Die Regierung des Kantons St. Gallen sprach sich in ihrem Bericht über eine Totalrevision der aus dem Jahr 1890 stammenden Verfassung zugunsten von gestaffelten Teilrevisionen aus, die gemäss ihrer Dringlichkeit nacheinander durchgeführt werden sollen. Damit stellte sie sich gegen die vorberatende Parlamentskommission, welche für eine Totalrevision eintrat. Als vorrangig bezeichnete der regierungsrätliche Bericht den Umbau der regionalen und organisatorischen Gliederung des Kantons sowie die Neuorganisation des Verhältnisses zwischen Gemeinden und Kanton einschliesslich der finanziellen Verflechtungen. Erst in zweiter Priorität sollen Fragen der Staatsfinanzen, der Gewaltentrennung und Behördenorganisation sowie der politischen Rechte behandelt werden.

St. Gallen
Dossier: Revisionen der Kantonsverfassungen

Auf der Suche nach verschiedenen Gründen der Ablehnung des EWR-Vertrages durch eine Mehrheit der Deutschschweizer stiessen politische Beobachter auf die Bedeutung des Heimatgefühls, das für viele Stimmende in der Deutschschweiz entscheidend für die Ablehnung des EWR-Vertrages gewesen war. Viele Romands wurden sich bewusst, dass in der Vielschichtigkeit des Begriffs "Heimat", der im Französischen nur auf umständliche Weise umschrieben werden kann, einer der kulturellen Unterschiede zwischen der alemannischen und der welschen Bevölkerung begründet ist. Kultur- und Medienschaffende der Romandie stellten auch einen verstärkten Trend zur Herstellung eines Heimatbezugs in der Musik und im Kinoschaffen von Deutschschweizern fest. Im Gegensatz zur Romandie schienen ihnen die Intellektuellen und die Jungen ebenso wie die andern sozialen Schichten und Altersklassen in der Deutschschweiz den Mythen um Berge und Heimat stark verbunden.

Bedeutung des Heimatgefühls in der Deutschschweiz

Eine wissenschaftliche Arbeit über Nationalismus im Rahmen der Bundesfeierlichkeiten zeigte auf, wie schwierig die Zielsetzungen der Bundesfeiern bei der 700-Jahr-Feier mit jenen der Vorbereitungen zur EWR-Abstimmung in Einklang zu bringen waren. Patriotismus, Nationalismus und Sonderfalldenken konnten gemäss dieser Studie im Rahmen der Feierlichkeiten eine Eigendynamik entwickeln, die durch die vorwiegend auf rationaler Ebene geführte Argumentation der EWR-Befürworter nicht mehr gebremst werden konnte.

Eine wissenschaftliche Arbeit über Nationalismus im Rahmen der Bundesfeierlichkeiten zeigte auf, wie schwierig die Zielsetzungen der Bundesfeiern bei der 700-Jahr-Feier mit jenen der Vorbereitungen zur EWR-Abstimmung in Einklang zu bringen waren

Die Verfassungskommission des Kantons Appenzell Ausserrhoden legte den Entwurf für eine neue Staatsverfassung vor. Wesentliche Neuerungen betreffen unter anderem die Erweiterung der Volksrechte; künftig soll jede Bürgerin und jeder Bürger mittels der sogenannten Volksdiskussion zu einer Landsgemeindevorlage persönlich im Kantonsparlament Stellung nehmen können. Besonders kontrovers war der Vorschlag, Ausländern, die über zehn Jahre in der Schweiz und mindestens fünf Jahre im Kanton ihren Wohnsitz haben, das Stimmrecht auf Gemeindeebene zu erteilen. In bezug auf die Behördenwahlen sieht der Entwurf einerseits die Verlängerung der Amtsdauer der Regierungsräte von einem auf drei Jahre vor, andererseits soll aber auch die Volkswahl des Ständerats an der Landsgemeinde eingeführt werden. Die Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau wurde explizit festgeschrieben, ohne jedoch Quotenregelungen einzuführen. Wie im Kanton Bern machten sich gewisse religiöse Kreise für die Erwähnung von Gott in der Präambel stark. Im Berichtsjahr konnte die Vernehmlassung zum Entwurf noch nicht abgeschlossen werden.

Appenzell-Ausserrhoden
Dossier: Revisionen der Kantonsverfassungen

Die Stimmberechtigten des Kantons Bern haben die im Vorjahr vom Parlament beschlossene Totalrevision der Staatsverfassung mit einem Ja-Anteil von 77,8% gutgeheissen. Als einziger Amtsbezirk lehnte das Oberhasli die Vorlage ab. Die 100jährige Verfassung wird damit auf Anfang 1995 durch ein Regelwerk ersetzt, das wichtige Neuerungen bei den Grundrechten, den politischen Rechten sowie den Finanzkompetenzen der Behörden bringt. Unmittelbar nach der Volksabstimmung wurde ein der EVP nahestehendes Komitee gegründet, das eine Volksinitiative für die explizite Erwähnung von Gott in der Verfassung lancierte.

Bern
Dossier: Revisionen der Kantonsverfassungen

Wichtiges Diskussionsthema im Berichtsjahr blieb nach der Ablehnung des EWR-Vertrages die Frage, auf welche Weise zwischen den verschiedenen Bevölkerungsund Sprachgruppen eine Einigung in bezug auf die zukünftige Europapolitik der Schweiz erreicht werden könnte. Der Genfer Staatsrat und alt Nationalrat Guy-Olivier Segond (fdp) wies unter anderem auch auf die Notwendigkeit hin, innerhalb der Deutschschweiz – vor allem zwischen Stadt und Land – Brücken zu schlagen. Eine Tagung zum Thema "Europa als kulturelle Herausforderung" auf dem Schloss Waldegg bei Solothurn zeigte den Teilnehmern und Teilnehmerinnen auf, wie schwierig die Position der mit Schuldgefühlen behafteten Deutschschweizer gegenüber der zum Teil apodiktischen Haltung der Welschen war. Jacques Pilet, Chefredaktor des "Nouveau Quotidien", forderte zur Bewältigung der Krise namentlich eine verbesserte Kommunikation in Form eines Ausbaus des Strassen- und Schienennetzes zwischen den Regionen und der Realisierung des Swiss-Metro-Eisenbahn-Projektes sowie die systematische Förderung der Zweisprachigkeit an den Schulen.

zukünftige Europapolitik der Schweiz

In einer repräsentativen Umfrage des Magazins Reader's Digest, welche von den Befragten wissen wollte, welcher Kanton der sympathischste sei, plazierte sich das Tessin mit Abstand an erster Stelle, gefolgt von Bern, Graubünden und Wallis. Ausser dem Kanton Jura, der auf dem zweitletzten Platz landete, waren alle Kantone der Romandie im ersten Drittel der Rangordnung vertreten. Den Schluss bildete der Kanton Zürich. In einem sogenannten Kantonsrating beurteilte das Wirtschaftsmagazin "Bilanz" die Attraktivität der 26 Stände nach unterschiedlichen Kriterien wie Finanzen, Steuern, Wirtschaft, öffentliches Angebot, Umweltqualität und allgemeine Befindlichkeit. Dabei plazierte sich der Kanton Zug an erster Stelle, gefolgt von Graubünden und Nidwalden.

Umfrage sympathischste Kanton

Befürworter eines EWR-Beitrittes betonten in ihrer Kampagne, dass die Schweizer Geschichte auch unbestrittenermassen ein Stück europäische Geschichte und dass somit die schweizerische Identität ein Stück europäische Identität sei. Damit schliesse die Schweizer Identität laut Benedikt von Tscharner, Botschafter bei der EG, einen europäischen Auftrag ein, der uns letztlich die eigene Identität zu erkennen und zu wahren helfe. Die Bestimmung der eigenen kulturellen und nationalen Identität müsse demnach als Selbstdefinitionsprozess gegenüber dem nächsten Umfeld, in diesem Falle Europa, erfolgen.

Schweizer Geschichte auch unbestrittenermassen ein Stück europäische Geschichte

Auf Anfrage von Nationalrat Züger (sp, SZ), an wievielen der vier bis zum Jahr 2000 geplanten Weltausstellungen die Schweiz teilnehmen werde, antwortete Bundespräsident Felber, die Teilnahme der Schweiz sei vorerst nur für die Spezial-Weltausstellung in Taejon (Südkorea) vorgesehen, welche von August bis November 1993 stattfinden wird. Im übrigen handle es sich nur bei der geplanten Weltausstellung von Hannover im Jahre 2000 um eine grössenmässig mit der Expo Sevilla vergleichbare Ausstellung, alle andern seien sogenannte Spezial-Ausstellungen und mit weniger finanziellem Aufwand verbunden. Der Bundesrat hat für die Expo in Taejon einen Verpflichtungskredit von 3,6 Mio Fr. beantragt. Neben den wirtschaftlichen und touristischen Interessen, welche für eine Teilnahme an dieser Ausstellung sprechen, betonte der Bundesrat in seiner Botschaft auch die politische Öffnung Südkoreas und die Entspannungsbestrebungen mit Nordkorea, welche eine Unterstützung schweizerischerseits verdienten. Nachdem die Schweiz im übrigen 1990 an der Spezial-Weltausstellung in Osaka (Japan) teilgenommen hatte, wollte der Bundesrat vermeiden, durch einen Verzicht zum Vorwurf einer Benachteiligung Südkoreas gegenüber Japan Anlass zu bieten. Das Konzept für den schweizerischen Beitrag zur Spezial-Weltausstellung Taejon, deren Thema "Die Herausforderung neuer Entwicklungsmöglichkeiten" lautet, ist, im Gegensatz zu jenem der Expo 92 in Sevilla, auf traditionelle Art und Weise gestaltet worden. Praktisch diskussionslos hiess das Parlament den bundesrätlichen Entwurf gut.

Weltausstellung Taejon 1993
Dossier: Weltausstellungen